GESCHICHTE
DER
LOGIK
IM
Dr. OABL PRANTL,
Pnornsson m nnn UNIVERSITÄT UND MITGLIED DER AKAD‘IIE zu immcrier
. mihi
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I
ZWEITER BAND.
LEIPZIG,
VERLAG V0_N s. anzst
1861.
MEINEM LIEBEN FREUNDE UND COLLEGEN
DR. JOSEPH POEZL
GEWIDME'I‘.
i
l!
Inn...—
VORWORT.
Nach einem längeren Zwischenraume, als mir selbst lieb ist, l‘olgt
hiemit eine Fortsetzung meiner mühevollen Arbeit, bezüglich deren ich
im Ganzen auf das Vorwort des ersten Bandes verweisen könnte.
Doch wenn ich schon dort es aussprach, dass für die „Geschichte
der Logik“ überall die Forschung erst von vorne habe beginnen müssen,
so knüpft sich hieran hetrell‘s des Mittelalters eine doppelte Bemerkung.
Einerseits nemlich lagen hier in einigen einzelnen Theilen allerdings
höchst dankenswerthe Vorarbeiten vor, und namentlich sind es V. Cousin,
A. Jourdain und B. lium-dam welche bekanntlich durch Veröll'enb
lichung oder Benutzung handschriftlicher Quellen sich die grössten Ver
dienste erworben haben. Aber andrerseits handelte es sich noch um
kritische Untersuchung des gesammten zugänglichen Materiales, sowie
um Auffindung des wirklichen geschichtlichen Verlaufes. Und in letz
terer Beziehung zeigte sich bald, dass gerade die Geschichte der Logik
den Berul' haben könne, die Einsicht in die sog. Philosophie des Mittel
alters zu berichtigen oder zu ergänzen. Sowie nemlich bezüglich des
Streites über die Universalien eine bisher unbekannte Manigl‘altigkeitJ
der Parteispaltung zu Tag trat, so konnte hinwiederum nicht bloss das
Maass der logischen Litteratur-Kenntniss jener Jahrhunderte seine rich
tige Abgrenzung finden, sondern auch der unbestreitbare Nachweis
geliefert. werden, dass im ganzenMittelalter ohne alle Ausnahlne kein
einziger Autor einen eigenen Gedanken aus sich selbst schöpfte, sondern
die gesammte Litteratur jener Zeit von dem Umfange eines dargebotenen
traditionellen Materiales abhängig und bedingt war. Indem ich mich
der unsäglichen Mühe unterzog, gleichsam ‚bei jedem Satze die Frage
vl Vorwort.
aufzuwerfen und zu beantworten, woher derselbe entnommen sei,
konnte ich den objectiv richtigen Entwicklungsgang darlegen, musste
aber hiebei allerdings jene lllusionen zerstören, in welchen man von
„Verdiensten“ einzelner Autoren zu sprechen gewohnt ist, insoferne
man meint,/Dieser oder Jener habe von sich aus einen Fortschritt her
beigeführt. Auch wo ich einmal (bei Psellus) jene Frage des „Woher?“
nicht mehr beantworten konnte, ist hiedurch die Richtigkeit meiner
allgemeinen Behauptung nicht alterirt, sondern in jenem speciellen Falle
gebricht es der Forschung nur an dem erforderlichen Materiale.
Erhält aber durch eine solche geschichtliche Betrachtungsweise die
sog. Philosophie des Mittelalters eine, wenn auch nicht schmeichelhafte,
doch neue Beleuchtung, so sage ich hiemitwahrlich nicht, dass etwa
Alles, was von Anderen, und insbesondere von B. Haure'au geleistet
wurde, verfehlt und unrichtig sei. Aber es schien mir auch überflüssig,
bei jedem Schritte der Entwicklung ausdrücklich anzugeben, wo und
worin ich von Anderen abweichen müsse. Daher zieht sich auch na
mentlich gegen Heinr. Ritter, dessen ebenso worlreiche als schiefe
Darstellung bei Vielen in grossem Ansehen zu stehen scheint, grossen
theils nur eine stillschweigende Polemik durch mein ganzes Buch hin
dcnn hätte wozu fast überall Gelegenheit war r,
durch; ich,
Bitter’s Angaben berichtigen wollen, so wäre eine solche nachträgliche
Recension für den Leser wohl ebenso langweilig gewesen wie für
mich selbst.
Wenn ich übrigens grundsätzlich mich auf jene Litteratur-Erzeug
nisse beschränkte, welche gedruckt vorliegen, so gestehe ich gerne zu,
dass möglicher Weise aus mancher Bibliothek durch Benutzung hand
schriftlichen Materiales Berichtigungen oder Ergänzungen meiner For
schung zu Tage gefördert werden können, und an mehreren Stellen
habe ich auch ausdrücklich den Wunsch geäussert, dass Solches ge
schehen möge. lch darf vielleicht annehmen, meine wissenschaftliche
Pflicht erfüllt zu haben, wenn ich den Anstoss und etwa die richtigen
Gesichtspunkte zu einer derartigen Durchforschung der vorhandenen
Handschriften gegeben habe. ‚ Doch in Einem Falle machte ich von
jenem meinem Grundsatze eine Ausnahme; nemlich, -- abgesehen da
von, dass ich die Schälze der Münchner Staatsbibliothek nicht unbe
Vorwort. vn
achtet liess —-‚ henützte ich jene Andeutung, welche Haure'au in
seinem trell'lichen Werke (De la philosophie scolasliqua Paris 1850.
2 Bande) zuweilen über einige Pariser Handschriften gab, und nachdem
dieselben auf Vermittlung des königl. Staatsministerinms mir hieher
übersandt worden waren, ersah ich zu meiner Freude die Pflicht, das
dort vorliegende Material heiziehen zu müssen; denn es ergab sich ein
ebenso neuer als interessanter Aufschluss über das Verhältniss des
Psellus zu Petrus Hispanus oder vielmehr zu den Vorgängern und Zeit
genossen des Letzteren, ein Aufschluss, welcher durch die gedruckte
Litteratur nie hatte gewonnen werden können.
Wenn die in den Anmerkungen reichlich angeführten Quellen
Stellen häufig (namentlich in dem die Araber betreffenden Abschnitte)
noch mehr zu enthalten scheinen, als ich im llaupttexte darlegte, so
wird der Leser diess dadurch entschuldigen, dass ich durchweg nach
möglichster Kürze strebte und' darum im Texte weder eine blosse Ueber
setznng noch auch ein Excerpt, sondern den innersten Kern der Origi
nal-Stellen zu geben versuchte. Dem gleichen Zwecke der Kürze dienen
auch die zahlreichen wechselseitigen Verweisungen, welche der Leser
nicht als eine müssige Verzierung oder Verunzierung, sondern als ein
compendiöses Mittel betrachten wird, in vielen Fällen einen weiteren
Zusammenhang im Auge zu behalten.
Nachdem die ersten Bogen dieses Bandes bereits gedruckt waren,
erschien nicht bloss das Werk meines Freundes und Collegen Dr. Job.
Huber über Scotus Erigena (München 1861), sondern auch Haure'au’s
Ausgabe des bisher unedirten Conimentares des Scotus Erigcna zum
Marcianus Capella (Notices et Extraits des llhmusciiplsl Vol. XX, Abthlg.
2.)‚ und ich bedauere. dass ich dieses neuanl‘gel'undene Material, welches
einzelne Bestätigungen meiner Darstellung des Scotus darbietät, nicht
mehr benützen konnte.
Der dritte und zugleich letzte Band meiner Arbeit wird dem gegen
wärtigen hoffentlich in Bälde nachfolgen.
M'ünche n, im October 1861.
G. P'rantl.
h,
ÜBERSICHT uns INHALTES.
1.
i Seite
Xlll. Abschnitt. Das Mittelalter in unvollstän
diger Kehntniss der aristotelischen Logik 1—97
Die Verbreitung der späteren römischen Logik in den Schulen 2.
Besehranlttheit dieser Tradition bezüglich der Uehersetzungen des
boethius und Unkenntniss der logischen Hauptwerke des Aristote
les 4. Stellung der Orthodoxie zur Logik 6. Die lsngoge des
- Porphyrius 7. Uebel‘wiegen eines platonischen Realismus 9.
lsidorus Hispalensis 10. Aleuin 14. Fredegisus 17. Hrnha
nus Maurusilt). Pseudo-Boethius De trinitate zuy Johannes Sco—
tus Erigena 20, seine logisch-formelle Gewandtheit ilv sein theo
logischer Realismus neben Werlhschätzung der vor 25, hiedurch
nominalistisehe Anschauungen am und ein gewisser lntelleetualis
mus 32. Die Quellen der logischen Parteispallung nachweisbar
in zwei Stellen des Boethius vorliegend 35. Stellung des Scotus
Erigena 37. Steigerung der nominalislischen Wendung des Scotus
bei Pseudo-Hrabanus 38, und noch mehr bei Eric von Auxerre
41. Mathematisirender Aristotelismus des Pseudo-Eric oder Jepa (Y)
43. Platonismus des Remigius v. Anxerre 44, und des Otto v.
Clugny 45. Thätigkeit in St. Gallen 46, das Glossan‘um Salo
munis 47. Unfruchtbarkeit des zehnten Jahrhundertes 48, Poppo
in Fulda, Reinhard in Würzburg, Johann von Gorz 49, bewusste
Parteistelluug des Gunzo ltalus 50; Wolfgang in Regensburg, Abbo
v. Orleans, Bernwnrd in Hildesheim 51, Walther v. Speier st
Gerben 53, ausserste Unbedeutendbeit desselben 57. Adalbero
v. Laou 58, Fulbert v. Chartres 59: Anonymus sec. ll mit nomi
nalisliscber Färbung 60. Reiche Thätigkeit in St. Gallen, Notker
_ Labeo 61 ; dorliger Nominalismus 63, Bedeutsamkeit des Auonymus
De ryllogismis 64. Franco in Lüttich 67, Othlo in Regensburg,
Petrus Damiani 68.
Frischere Bewegung in der zweiten Hälfte des 11.Jahrhundertes.
Rechtswissenschaft, Papias 69; Lanfraneus, lrnerius, die Formel
büeher 71. Theologie, Bereugarius als Nominulist in der Abend
mahls-Frage und der Ketzer-Richter Lanfrancus 72. Purtei-Gegen- lll-il
satz 75. Albericus v. Monte Casino 76. Die Lehre des Scotns b IV"
x Uebersicht des Inhaltes.
Erigena und Robert v. Paris und Arnulph von Laon 77, und Ros- su'ta
cellinus als Vertreter einer „neuen“ Logik 78; die gebissigen
Berichte über Letzteren seitens seiner orthodoxen Gegner 79.
Baimhert in Lille und die „alte“ Logik des Otto v. Cambray S2.
Wilhelm v. Hirschau und Konstantin der Karthager 83. Anset—
mus v. Canterbury 85, der ontologische Beweis und Gaunilo 86.
der unwissenschaftliche Realismus des Anselmua 88, und der
kläglich niedrige Standpunkt seines Dialogus de grammatico 89.
Honm‘ius v. Autun 97.
XlV. Abschnitt. Allmälige Vervollständigung der
Kenntniss der aristotelischen Logik . . 98—260
Bekanntwerden der beiden Analytikcn und der Topik nebst den
Soph. Elenchi 98. iacobus v. Venedig 99. Wahrend der Text
jener aristotelischen Bücher zwar selbst nicht vorliegt, transspiriren
anderswoher sporadische Notizen 100; Adam v. Petit-Pont bear
beitet die erste Analytik 104. Otto v. Freising bringt (nicht aus
Italien. sondern aus Frankreich) jene Bücher nach Deutschland
ma Zur Zeit des Johannes v. Salesbury ist das ganze Organen
bekannt 106; Drogo in Troj'es bearbeitet die Topik 107. Neue
Uebersetzungen des Organons entstehen in Unteritllien und im
byzantinischen Reiche 107. I
Gesteigerter Betrieb" der Logik 108. Theologie, Pseudo-qu
thius Dr tn'rn'tale 109. Gegensatz der Logik und des Dogma's
110. Petrus Lombardns‚ Hugo v. St. Victor 111. Grossa Ana
dehnung und zugleich Einseitigkeit der logischen Litteratur 114;
eigenthumliclier Gegensatz zwischen „alter“ und „neuer“ Loglk
116. Der Streit über die Universalien, Spaltung in wenigstens
dreizehn nachweisbare Partei-Ansichten 118.
Nominalismus an sensualistische Ansichten streifend 122, Abstu
fungen desselben (Garmuttd) 123. Die Lehre, dass die Univer
salien „maneries“ seien. — Huguccio - 125. Die Platoniker‚
Bernhard v. Chartres 125. und Wilhelm v. Concbes 127. Der
Realismus des Wilhelm v. Champeaux 128; die Schwierigkeiten
und Abstufungen des Realismus 131. Controversen über Definition
und Theilhegrifl' 134. Vermittlungsversuch durch die Lehre von
„stutus“, Walter v. Mortagne 137. Die Lehre von der nindiffe
l‘enz“ 138; platonische Wendung derselben durch Adelard v.
nam 140. Die Ansicht des Gauslenus oder Josceltinus v. Sois
sons bezüglich des „colligere“ 142. Dio Ansicht des Verfassers
der Schrift De generibus e! speciebus 143, seine Auffassung des
Urtheiles und Hinneignng zum Platonismus 148. Controversen l
über die Kategorien 152, und über die Lehre Vom Urtheilc 154;
Syllogistik 158, Topilt 159.
Abalard 160; seine Begabung 161, seine logischen Schriften
162; theologische Auffassung und innerer Zwiespalt seiner Lehre
164; er ist Aristoteliker 166, und zugleich Platoniker 167, und
Uebersieht des lnhaltes. XI
XV. Abschnitt. "Einfluss der Byzantiner.
diem keines von beiden, sondern Rhetoriker 168. Gliederung
seines Hauptwerkes ma Die Isagoge oder „Anteprudicamento“
nach seinen „Glossae“ und besonders nach den „Glossufae“ 172;
Auffassung des user-mo praedicabilis“ 175; das Universale als das
jenige, quod natum est de pluribus pracdicari, in platonischer 177,
und zugleich in aristoteliseber Verwendung 181; aus letzterer
folgt seine Betonung des Urtbeiles (praedicari) 182, und sein an
geblicher Intellectualismus 185. vSein Rhetorismus 187. Die
Kategorien 188. Die Postpraedicamenla 190. Die Lehre von der
Definition und dem Theilbegriffe nach seinem Liber Divisionum 192.
Die Lehre vom Urtheile 195. Die Syllngistik 199. Die Topik
200. Die hypothetischen Syllogisrnen 202. lviii
Steigerung der aristotelischen Seite Abalard’s bei einem Ano
nymus De interpr. 204, sowie bei dem scharfsinnigen Pseudo
Abalard De intellectibus 205. Ueberwiegen der Lehre vom Ur
theile bei Adam v. Petit-Pont 211. Logischer Skepticismus des
Robert Pulleyn 213, und'theologische Reaction durch Petrus v.
Poitiers und Robert v. Melun 214.
Gilbertus Porretanus und seine Lehre von den formae natives
215, die Stümperhlftigkeit seiner Schrift De sex principiis 223.
Otto v. Freising ein Anhänger Gilbert's 227. Pseudo-Boethins de
unitate et iuno 228. Alberich in Paris, Williram v. Soissons
229. undemebrere andere, bei Walter Mapes angeführte Autoren
p 230-, der m. Comitlcius des 10a. v. Saleshury 231. xumi
Johannes v. Salesbury 232, sein cicerouianischer Utilismus 233,
und Rhetorismus 235; Verwandtschaft mit Abälard 239, Beurthei
lung des Aristoteles 241; seine „ratio indi/fm-enliaeu als unwissen
schaftlicher lndifl‘erentismus 243; sein gröblicher Eklecticismus
bezüglich der Universalien 246, und der unbestimmte Begrifl‘ der}
„netto“ 251; seine Erörterungen über die Kategorien 253, über
das Urtheil 255, über die Sj‘llogistik 256. Eine unbedeutende
Schrift des Alanus v. Lille 259. lamam-lx
Berührung des Abendlandes mit den Byzantinern 262; reiche Lit
teratur zur Zeit der Anna Comnena 263. Die Synopsis des Psel
lus, welche durch Wilhelm Shyreswood, Petrus hispanus und
Andere dem lateinischen Abendlande zugänglich wurde 264', die
dort entwickelte Lehre vom Urtheile 265, mit Benutzung techni
scher Memorial-Worle und -Verse 272, die lsagoge 272, die
Kategorien 273; die Lehre vom Syllogismusa gleichfalls unter
Anwendung technischer Worte, 'in welchen die Entstehung des
_ logischen Schulgcbrauches der vier Vokale (A, E, I, O) sich
kundgibt und zugleich das Original der bekannten lateinischen
Nomenclatur vorliegt 275; die Topik; der Abschnitt „De termi
norum propn'uati'bus“ oder nngcalegoreumalaus welcher die Lehre
von der significatio in ausmhrlichsler Gliederung der „suppositio“
Seite
. 261—296
XII ‘ Uebersic‘ht des Inhaltes.
va Abschnitt. Einfluss der Araber.
darlegt 279. Der aus den Lateinern zu ergänzende verlorene Rest
der Synopsis 287. Die Frage über die Quellen oder Vorbilder
des Psellus 290. Johannes ltalns 293. Nicephorns Blemmides 295.
Beschränkung auf die lateinisch—arabische Litleratnr 298, und zwar
auf den Umkreis der eigentlichen Logik 299. Die arabische Logik
im Allgemeinen 300. Alkendi 301.
Alfarabi 301. ethische Beziehung der Logik 302, der doppelte
Weg von B'ekanntem zum Unbekannten, Argumentation 303, Bhe
torik und Poesie 304; die Universalieu anle rem, in re, post
rem 306; die Kategorien und ens 307; das Urtheil 308; die
erste Analytik und die hypothetischen Schlüsse 310; Ergänzungs
versuche zur zweiten Analytik 312, demonstratio quia und propter
quid 317.
Avicenna 318, sein lutellectualismns 320; Definition und Argu
mentation 322; die Universalien und die Quiddit'at 324, das Sub
stantielle und das Accidentelle 326; Erörterungen und Controversen
über die einzelnen fünf Worte 330, besonders über den Artbegrifl‘
334, und über die Difl‘ercnz 338; Berichtigungen und Zusalze zur
lsagoge 344; nähere Darlegung des lnlellectnalismus in Unter
scheidung der Universalien anle rem, in re, posl rem 347; die
Kategorien 351; das Urlheil 356; die erste Analytik und die hy
pothetischen Schlüsse 357; die zweite Analytik 359; die Stellung
der Topik und Sophistik 360.
Algazeli 361, Tendenz seiner Logik 361; imaginatio und cre
dulitas 362; signi/imita dictinnum 363; die lsagoge 363; die
Kategorien der Ontologie zugewiesen 365; das Urtheil 366; die
Argumentation, Combiuation der möglichen Schlussvveisen 368,
die hypothetischen und disjnnctiven Schlüsse 369; die Urtbeile
als Stofl‘ der Argumentation 370; [allaciae 371; die zweite Ana
lytik 372. Avempace 373.
Averroes aug sein strenger Aristotelismus 375, Methode des
Abtheilens 376; nothgedruugene Beiziehung der lsagoge 377; die
Kategorien 378; das L'rtheil 379; die erste Analytik, Polemik
gegen Galenus 380, die hypothetischen und disjnnctiven Schlüsse
381, Praxis der Syllogistik 382; die zweite Analytik 384; die
Topik und Sophistik.
Des Pseudo—Averroes Epitome 385, agens und dirigens 386, die
Universellen 386, Geltung der Kategorien 387, das Urtheil 388,
Argumentation 389, die Topik 390, die Definition 391. Die
Unaesita des Pseudo-Averroes und anderer Araber 392. Das Buch
De causis 394. Die Juden 394. Moses Maimonides 394. Levi
Ben Gerson 394.
Seite
. 297—396
xm ABSCHNITT.
DAS MITTELALTER IN UNVOLLSTÄNDIGER KENNTNISS DER
ABIS'I‘OTELISCHEN LOGIK.
vIn das Mittelalter geht die Logik als blosser Sohulgegenstand in
jener Form über, deren Darstellung der vorige Abschnitt enthält, und
die dort geschilderten Schriften des Marcianus Capella, Boethius, Cas
siodorns und theilweise auch des Augustinus und Pseudo-Augustinus
sind es, welche für den Schulbetrieh der Logik das ausschliessliche Ma
terial darboten. Aller Orten, wo im Zusammenhange mit der Verbreitung
des Ghristenthums entweder zahlreiche völlig neue Bildungsstätten ent
standen oder auch zuweilen eine Anknüpfung an antike Institute mög
lich war, finden wir bekanntlich den Studiengang des Triviums und
Quadriviums in grösserer oder geringerer Vollständigkeit eingebürgert,
und wenn auch die mathematischen Disciplinen (Arithmetik, Geometrie, ‘
Astronomie und Musik) nicht sämmtlich überall die gleiche Pflege fan
den, so bestand doch zu allermeist eine Gleichmässigkeit im Betriebe
der Grammatik, Rhetorik und Dialektik, insoferne diese drei „Künste“
in keiner Schule fehlten. _Es ist nicbthrase oder Uebertreibung, wenn
wir bezüglich der Logik oder Dialektik den Ausspruch thun, dass der
ganze Occideot, soweit ihn überhaupt die Kultur des Mittelalters in ihrer
allmaligen Ausbreitung berührte, durch die Tradition der genannten
Autoren des späteren Römerthums geschult wurde, dass nemlich in Ita
lien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Britanien man wirklich mit
einem gewissen Materiale logischer Lehren bekannt wurde, und zwar
ausschliesslich nur auf Grundlage jener Ueberlieferung. Eben in dieser
Beziehung jedoch scheint die Geschichte der Logik das ihr zukommende
Gebiet wohl nicht üb'erscbreiten zu dürfen. lnsol‘erne nemlich aus ein
zelnen Notizen über Schulen oder aus Bibliothekverzeicbnissen u. dgl.
schlechthin nichts Weiteres folgt, als dass da oder dort eine logische
Schrift des Marciauus capella oder des boethius u.» s. f. bloss vorhan—
den war oder in irgend einer Klosterschule eben nur gelesen wurde,
oder dass irgend Jemand durch solche Lectüre sich gebildet oder sie
Anderen empfohlen habe u. s.w., müssen wir derlei Nachrichten immer
hin, so kostbar sie ger-‚ade wegen ibrer Vereinzeltbeit auch sind, der
allgemeinen Kulturgeschichte oder der Geschichte der Pädagogik über
lassen; denn für die „Geschichte der Logik“ genügt das Factum einer
verbreiteten Uebung der sog. sieben freien Künste überhaupt als allge
PIAN'I’L‚ Gesch. lI. l
2 Xlll. Das traditionelle Material. _
meine Grundlage für den Eintritt in das Mittelalter, und auf diesem
Boden haben wir hier dann demjenigen nachzuspüren, was durch eine
eigene, wenn auch noch so geringe, Thätigkeit einzelner Lehrer oder
Gebildeter geleistet wurde und hiedurch Momente eines geschichtlichen
Weiterschreitens darbietet; überdiess ja wird dann Solches, wobei auch
das anscheinend Geringfügige nicht übergangen werden soll, wieder
einen Rückschluss auf Ohiges in sich enthalten, dass nemlich neben
vereinzelter individueller 'l‘hatigkeit auch ein massenhafter Betrieb, wel
cher bloss an dem Texte der Schulbücher-Tradition haften blieb, bestan
den haben muss l).
Aber Eine Bemerkung ist betreffs dieses Schul-Materiales gleich
hier in all ‘ihrer Schärfe und ihrem ganzen Umfange nach vorauszu
schicken. Wir müssen nemlich die völlige Ausschliesslichkeit desselben
von vornherein im Auge behalten, d. h. erstens, dass lediglich nur diese
lateinischen Litteraturprodnkte cursirlen, und hiemit ausser dem Mar
cianus Capella, dem Boethius, dem cassiodorus und dem achten oder
dem unachten Augustinüs das Mittelalter bis zum m Jahrhunderte für
die Logik überhaupt keine anderweitigen Quellen kannte oder benützen
konnte. Es war jenem ersteren Zeitraume über die griechische Grund
lage der Logik nur jene secundäre Kunde möglich, welche aus eben
diesen Autoren geschöpft werden konnte, und namentlich die aristoteli
schen Schriften (ja im Allgemeinen wohl auch nur der Name des Aristo
teles) waren ausschliesslich bloss in jener Form bekannt, in welcher
sie Boethius überliefert hatte. Man darf, wenn in Urkunden, welche
sich auf jene Jahrhunderte beziehen, aristotelische Schriften erwähnt
werden, durchaus an Nichts anderes denken als an eben diese Ueber
setzungen des Boethius; so z. B. wenn unter den Büchern der Biblio
thek zu York im 8. Jahrh. auch ein ‚.acer Aristoteles“ genannt wird 2)‚
oder wenn wir im 10. Jahrh. in Tegernsee die Kategorien des Aristo
teles erwähnt finden 3). Dass alle dergleichen Stellen nur in dieser
Weise zu erklären seien, wird allerdings erst aus dem Folgenden, so
wie aus dem Uebergange in jene Periode, in welcher der Originaltext
des Aristoteles dem Mittelalter bekannt wurde, völlig deutlich gleichsam
durch eigenes Erlebniss erhellen, aber es schien nicht überflüssig, schon
' i‘i V ‚treffi F... ficie- ab wm
l) Für den hiesigen Zweck demnach muss ich ein nicht kärgliches und nicht
ohne Mühe errungencs Quellen-Material bei Seite lassen, welches entweder zu
einer Geschichte der mittelalterlichen Schulen anschwellen würde oder bei einer
(übrigens kaum durchführbaren) Beschrankung auf herausgerissene Auswahl des
Logischen doch nur den Beleg der ohnediess allbekannten Thatspche enthielte, dass
jene obigen Autoren den lnhalt der Schulwissenschaft ausmachten.
2) Die von Aelbert in York angelegte Bibliothek beschreibt‚dessen Schüler
Alcuin ausführlich in s. Gedichte De Ponli/icilms et Sancli's ecclesiae Eboracensis
(Alcuim‘ Opp. cd. Frobcn. ll, p. 241111); dort heisst es v. 1548111 (p. 257.): Ouae
victorinus scripscre, hoc-lllius atque Historici ceteres, Pompeiusr Plt'nius, ipse Acer
Aristoteles, rhetor quoque Tullius ingens.
3) Ein Tegernseer Monch schreibt in einem Briefe (b. Pes, Tims. Anecd. vlv
1, p. 131.): stullum fecit Deus sapientiam mundi huius (diese Worte sind aus Paul.
ad Corinth. l, l, 20; s. unten Anm. 20 f.), postquam ezsiccavil lluvios Ethan; prae
dulcedine enim decem chardarum Davidis .pacne oblitus sum totidem catcgoria
rum Aristotelis. '
XIII. Das traditionelle Material. 3
hier den Gesiclitskreis richtig alizugränzen 4). Nur eine scheinbare Aiis
iialime liegt natürlich darin, wenn überliefert wird, dass im Anf. d. 10.
Jahrli. ein gewisser Simeon, ein Bulgare, in Constantinopel die Syllo
gistik des Aristoteles im Originale stuilirt habe 5); denn dass im oslrö
mischen Reiche die Griechen noch bis in späte Jahrhunderte sich mil
berartigem beschäftigten, sahen wir hinreichend uben‚Absclin. XI, Anm.
los-na Aher Eine vereinzelte Notiz könnte unserem Ausspruclie
entgegenzustelien scheinen; es schickte nemlicli Papst Paul l. im J. 757
an Pipin den Kleinen mehrere griechische Schriften, unter welchen
Ersterer selbst in dem betreffenden Briefe auch Bücher des Aristoteles
anfülirt“); ist jedoch die Urkunde acht, woran zu zweifeln kein Grund
vorhanden scheint, so spricht sie weit eher für uns als gegen uns,
denn offenbar blieb dieses damals in jener Gegend einzige Exemplar
eines griechischen Textes des Aristoteles am fränkischen Hofe vergn
ben oder gieng verloren, da wenigstens von einer Benützung desselben
nirgends die leiseste Spur sieh zeigt; auch fallt ja für jene Länder die
erste sichere Kunde von einem Studium des Griechischen oder voii
Uebersetzungen aus dem Griechischen überhaupt erst in die Zeit Karls
des Gi'ossen 7)‚ worauf dann noch im 9. Jalirli. die Arbeiten des Sco
tiis Erigena folgten (Uebersetzuiig des Pseuilo-Dionysius). Ä
Zweitens jedoch ist selbst jenes lateinische Quellen-Material gerade
jn der Hauptsache abermals ein beschränktes. Während neinfich die
logischen Schriften des Aristoteles insgesamint in den Uebersetzungeii
des Boethius, welcher Iiiefiir die einzige Quelle war, hatten gelesen
werden können, zeigt sich eben liierin‚.eine scharfe Aligränzuiig; denn
unter den oben (Absclin. XII, Anm. 72 f.) angeführten schriftstelleri
schen Erzeugnissen des Boethius beiiützte man im Mittelalter vorerst aus
4) Schon hier darf ich vorlaullg auf die bekannte vortreffliche Arbeit Am.
Jourdain's (Recherchcs cri'liques sur l’aye et l'ori'gi'ne des trailncti'ons latinas d’Ari
stete. 2. Aufl. Per. 1813) verweisen, wenn auch mit dem Vorbehalte, dieselben be
züglich des 12. Jahrhunderts mannigfach berichtigen und-ergänzen zu müssen (s.
d. folg. Absclin. Anm. 2, 14111).
5) ‚Liutpnmd Antapod. III, 29. bei Peru, Moiium. V, p_ 309‚: hunc etenim Si
meam-m eminrgon, id est semigraecum, esse aiebant, eo quod a pueritia Byzantii'
Demosthcm's rhetoricam Aristotelisque syllogismus didi'cerit.
6) Der Brief ist gedruckt h. cat Ceiini', Moniim. donu'nal. poetif. sine codex
Curol. (Rom. 1760. 4.) I, p. 148, woselbst die Stelle: Direximus etiam cxceltmtiac
vertrau libros quantas reperire potuimus, Aiiliphonrili! et Respensale, iiisiniiil artem
grammaticum, Aristolelixy Dionysi'i Areopagi‘tae libras (bei Cenrii' steht ohne Unter
scheidungszeichen arten} grammaticum Aristotelis), geometriam Orthographiom, Gram
malicom, omnes graeco eloquio scriptores. Die Worte graeco eloquio, deren Be
deutung im damaligen Spracligebranche völlig feststeht, beziehen sich wohl iiiir
erst auf die_ von Aristoteles an genannten Biicher, denn das Anliplionale und Ite
sponsale war natürlich lateinisch, lind wahrscheinlich ebenso die erstere Grammatik,
die zweite hingegen griechisch. (Uebi'igens findet sich diese Notiz bei Joiirdai'ii
nicht benützt.) -
7) z. B. bei D. Chytraeiis Chron. Simon. (Lt'ps. 1593. L. III, p. 83.: instituit
autem Carolus Osnabrugae, ut i'n cullegio assidui' lectores graecae et lali'nae Iin'giiae
essent; vidi enim exemplum literarum fuiidati'om's, ut vocunl, quas ecclesiae Osna—
lmigensi Carolux dedit) und öfters, stets aber mit Beziehung auf die bekannte Ge
sandtslrhaft der Kaiserin Irene und den hiedurch hervorgenifenen diplomatischen
Verke r.
lt
4 Xlll. Das traditionelle Material.
schliesslich nur jene Uebersetzungen, welche derselbe durch Commentare
erläutert und schuhnässig angerichtet hatte, d. h. ausser der doppelten
Bearbeitung der Isagoge des Porpbyrius nur jene der Kategorien und
die beiden Ausgaben des Buches d. interpr., wozu dann allmälig noch
die eigenen Compendien des Boelhius hinzukommen. Hingegen die
Uebersetzungen der beiden Analytiken, sowie der aristotelischen Topik
und der Sophist. elenehi, welche sämmtlich Boethius ohne Commentar
belassen hatte, blieben aus eben diesem Grunde unbeachtet und entzo
gen sich hiedurch der Kunde des Mittelalters so sehr, dass man lange
Zeit hindurch überhaupt nicht einmal mehr um das Vorhandensein dersel
ben wusste. Darum liegt aber in dem allmäligen Bekanntwerden jener
Hanptwerke des Aristoteles ein entscheidender Wendepunkt für die mit
telalterliche Logik. Und während ich alle Versuche, die sogenannte
„Philosophie“ des Mittelalters aus inneren Motiven in Abschnitte einzu
theilen, für verfehlt halte, scheint mir für das gesammte Mittelalter (bis
zum Ende des 15. Jahrh.), in welchem ich, abgesehen von Alchemie
oder Astrologie, nur Theologie und Logik, aber durchaus keine Philo
sophie, finden kann, der Eintheilungsgrund lediglich in dem äusserlichen
Befunde der Masse des traditionellen ‘Schul-Materiales zu liegen. So
könnte ich auch den Unterschied zwischen diesem gegenwärtigen und
dem folgenden Abschnitte dadurch scharf bezeichnen, dass in ersterem
eine fragmentarische Kenntniss des Boelhius obwaltet, in letzterem hin
gegen theils ein allmaliges Bekanntwerden des ganzen Boelhius und
theils die Anfertigung neuer Uebersetzungen der bis dahin unbenutzten
Werke eine deutlich ersichtliche Wirkung aussert, worauf dann für die
späteren Abschnitte wieder analoge Bereicherungen des Materials ein
treten. — Der Nachweis hievon wird im Folgenden selbstredend vorge
führt werden.
Kurz also, -— um die Abgranzung so entschieden und deutlich als
möglich zu wiederholen —, es besteht‘l'ür diesen ersten Abschnitt des
Mittelalters das traditionelle Material der Logik ausschliesslich aus Fol
gendem: Marc. Capelhz, Augustin, Pseudo-Augustin, Cassiodorus, Boe
lhius ad Por‘ph. a Vfct. transl.‚ ad Porph. a se transl., ad Arist. Categ.,
ad Arist. d. interpr.‘ ed. l u. ll, ad Cic. Top., lntrod. ad cat. syll.‚
D. syll. cat.‚ D. syll; h.yp.‚ l). div., D. defin., D. cli/f top. Hingegen
fehlt die Kenntniss der beiden Analytiken, der Topik und der Soph. El.
des Aristoteles. ‘
Diefieigepe 'l‘hätigkeit aber, welche die Lehrer oder Gelehrten die
ser ganzen Periode an diesem ausschliesslichen Materiale der Schultra
dition übten, war eine doppelte; Entweder nemlieh handelte es-sicb
um Herstellung von Compendien, wobei meist ein planloses Zusammen-r i
rafl‘enwer'schiedencr Quellen in ganz ähnlicher Weise waltete, wie wir»
es‘scbon im vorigen Abschnitte besonders bei der Schrift des Cassio-‚-L
dorus‘bemerklich machen mussten, oder man beschäftigte sich mit einer
mehr oder weniger einlässlichen Erklärung der schon im Gebrauche
stehenden Bücher, unter welchen vor Allem des Boelhius Bearbeitung
(Uebersetzung und Commentar) der lsagoge und der Kategorien in den
Vordergrund treten. Dabei aber spielten sowohl Fragen der christlichen .
rllhgologie in die logischen Erörterungen hinein, als auch Wirkten diei
Xlll. Dir kirchliche Auffassung. 5
Controversen der Logik machtig auf die Kämpfe der Dogmatik hinüber,
und überhaupt ja waltcte in dieser Beziehung Anfangs ein sehr eigen
thümliches Verhältniss, welches nicht ausser Acht gelassen werden darf.
Nemlich die christliche Lehre an sich —— ganz abgesehen von der
Entstehung der christlichen ldeen überhaupt —— trat wohl in völlig
schlichter Unmittelbarkeit auf und sprach zum religiös erregbaren Ge
müthe, zugleich aber fand sie sich bei ihrer weiteren Verbreitung an
eine Bevölkerung hingewiesen, welche theilweise durch den Schulbe
trieh des späteren Alterthums gebildet worden war und so eine formale
Seite des Antiken mit dem neuen luhalte christlicher Lehre und christ
lichen Lebens verbinden konnte. _Wie aus dieser Vermischung religiö
ser Unmittelbarkeit und geschulter Lehrfähigkeit sich rasch der Gegen
satz zwischen Laien und Klerus entfaltete, d. h. eine ecclesia docens
entstand, und wie die Kirche desshalb, weil sie docens war, ganz na
türlich zu Schuleinrichtungen griff und hiebei der Form nach sich an
Vorhandenes anlehnte, gehört eben so wenig hieher als die mit Waffen
der Dialektik geführten Kämpfe, in welchen die Dogmenbildung vor sich
gieng. Wohl hingegen ist für uns der Umstand von Interesse, dass
überhaupteine doppelte Richtung vorlag; ja wir mussten im Verlaufe
der Geschichte der Logik selbst schon oben (Abseh. Xll.) von zwei
hervorragenden Vertretern der christlichen Theologie, nemlich von Hie
ronymus und besonders von Augustinus sprechen, unter welchen nament—
lich der Letztere das Nebeneinandertreteu der zwei Richtungen sehr
deutlich“zeigt (s. ebend. Anm. 17——22). Je starker aber hiebei'der
specifisch christliche Standpunkt betont wurde, desto mehr Gewicht
musste auf jene innere Unmittelbarkeit fallen, welche Augustinus als
lux interior bezeichnete, und es ist nicht bloss erklärlich, sondern so
gar principiell gefordert, dass gerade die Strengeren unter den ersten
christlichen Theologen neben der gebotenen Polemik gegen den Inhalt
antiker Philosophie sich auch spröde gegen die Formen des Wissens
verhielten, durch welches der Glaube nicht nur nicht ersetzt, sondern
selbst häufig gestört werde.
So bestand also allerdings zunächst eine grundsätzliche Abneigung
gegen Logik oder Dialektik, und wenn wir bedenken, dass in den
Kämpfen der Dogmenbildung gerade die Arianer und Pelagianer an dia
lektischer Bildung und Gewandtheit wirklich im Vortheile waren, so
können wir es uns erklären, dass jene Abneigung sich zu gereizter
Feindschaft steigerte. Es liesse sich nicht bloss aus lrenäus (2. Jahrh.)
und Tertullianus (3. Jahrh.), sondern namentlicli‚in| 4. u. 5. Jahrh. (der
Zeit des hauptsächlichsten Dogmen-Kampfes) aus Basilius d. Gr„ Grego
rius v. Naziauz, Epiphanius, Hieronymus Presbyter, Faustinus, Mansue
tus, Eusebius, Sokrates, Theodoretus u. A. eine übergrosse Menge von
Stellen anführen, _in welchen die Dialektik als überflüssig St) oder als
ein nichtiges sich selbst zerstörendes 'l‘hun 9) und ein zweckloser ver
8) Basil. M. adv. Eimom. (Opp. ed. Paris. 1518 fol. Il, p. 10.): ii nöu
11916101601); b'ww; fudit xal ngo'lnzrov oulloyto‘ äsiv 811 6 a’zyäm'q'ro; afl yeye’wnrm; (vergl. Anm. niliubi 1‘651 neas rd pu-‚
ay Tertull. Pruesoripl. e. 7. com ed. Venel. 1701. fol. p. 119b.): Miserum
Aristotelem qui illis dialectidam instituit artificem struendi et destruendi versipellcm
‘i‘
6 ' XIII. Die kirchliche Auffassung.
künstelter Wor’tkram 1°) bezeichnet wird, welcher vermöge seines welt
lich bunten Charakters untauglich für die reine einfache Wahrheit“)
und überhaupt unchristlich 12) sei, daher alle Syllogislik, sowie sie vor
den schlichten Worten der Apostel zerstieben müsse 13), ihrerseits hin
wiedernm nur zur Bekämpfung und Verfälschung des Glaubens diene H),
was sich insbesondere bei den Ariauern zeige 15), u. dgl. m. War aber
so die Dialektik, für welche meistens Aristoteles, und zwar namentlich
wegen der in den Kategorien liegenden Sophistik, verantwortlich ge
macht wurde 16)‚ fast zu einem Gegenstande des Abscheues geworden,
..
in sententiis coaelam, m com'ecluris dumm, in argumentis operariam conlentiancmy
maleslam etiam sibi ipsi, omnia retraclonlem, ne quid onmino lraclaveril. .
10) Greg. Naz. Oral. m (Opp. ed. Colon. 169D. l, p. 458.): 06x oide ldyaw
o'zgoq‘o‘z; friday te dor/ah xai alyfyyara xal nig llüggmvo; banden; i
Waffel; ii cinnamus mi növ ngafnnav avlloymytöv uic dictionem .1)“
uüv Hglorotälovg zezvah/ tfiv xaxorezylma Oral. 33. (p. 529.): lateantth
uxfg pepriloig xevoqutalg xai iii/hilarem tijg ipevdiwi/ziluou ymuo'ew; xal
natg ef; oüdh' glorioung qzegodomg loyoyazliugn
11) Epiphun. adv. hacres. Il, 69, 69. (Opp. cd. Pelav. Col. 1682. I, p. 795.):
demo-mii ydllov Eavzor); ixd‘edaixamv t'vd‘umiyevoz fleta-rarefiant te xai
roi/g Eli/lau; roi xooyou d‘mlexnxm); agr xal am); zapnoü; portam yn
d‘e'vu xagm‘w d‘txmoo'üwyg eido'reg. Ebend. III, praef. (p. 809.): Ex avum/i
oyubv yizg xal Mgmrordixuiv mil yewysr um‘w rbv Sufw napmzävflmilov
mu Ebend. lll, 76, 20. (p. 964.): titium de äqmgsizm. näo'uv doli za‘w lö
uuv ovllaytanxr‘lv ‚111180110wa xal 00x dimidlum iuda noozgfrpadSm
zur-Mrd; yet'e’o‘äm HQ/aroze'loug mi uoü lnm'teirov oii 7sz lv löyip
aal/10716112147 iz finallefa 1151/ odgawöll am) ty 1.on xoluimanmp1 aul lv
dvrdyez xal didyqu (s. Anm. 20). Ebend. 76, 24. (p. 971.): n oge‘laße rö
animi uic amici n‘w mir löyor EI; 11‘711 animi ntorw tim angloymnxr‘yv
ruv-mv oov tinx nzvoloytam (Ausserdem kommt Aehnlicbes gerade bei Epi
phanius höchst ha'ulig vor.) Vgl. Hieran. adv. Helvid. (Opp. HI. Pur. 1706. IV. 2,
p. 130): non campum rhetorici eloquii desideramus, non dialeclicorum tendiculas
nec Arisloletis spinela ronquirimus; ipxa scripturarum verba ponenda sunL
12) Fauslin. d. lrin. adv. Arian. 1,10. (Bild. Palr. Galland. Ven. 1770, VII, p.
444.): Noli infelix adversns christum dominum totius creatarae Aristotelis artifieiosa
argumenta colligere qui te christianum qualitercunque profilerl‘s, quasi ex discipli
nae lerrenae suppulalionis circuniscriptor advenias.
13) T/icodorel. serm. 5 d. aal. hom. (Opp. cd. Sirmond. Par. 1642. IV, p.
555.): ipsis d‘l- iri/tuin rr‘lv t’ymlrß-‘(av olor/vniusch im dn opem-reg flug—
ßrtgotpaimvg dvdgainou; fiiv mquw edylwntai/ vevixnxdrag xal toi/g
xexoylpevytvovc ‚46901/; navrellö; läslqlaye’vovg am} rar); älrevnxm); ao
lmxlayoog 1m); alunmi/g xazalelvzäm; dulloywyovg. (Diese Anspielung auf
die schlichte Rede der Fischer findet sich auch sonst noch öfters.)
14) Iren. adv. haer. Il, 14, 5. (Opp. cd. Vem‘l. 1734. I, p. m b.): minulilo
quiam autem el sublimilulem circa qaaesliones, cum sit ArislaleIicum, inferre fidei
conanlar. Euseb. hisl. cccl. V, 27. com ed. Paris. 1591. II, p. 108): christum
ignorant, sed quaenam syllogismi figura ad suam impielulem 'canfirmandam re
perirctur, studiose indagarant,‘ quod si quisquam forte illis aliquod divi-ni eloquii
testimonium pro/eratj quaerunt1 ulrum coniunctum an disiunctam syllogismi figaram
possit efliecre . aollcrti impiorum aslulia el subtilitate sjmplicem ac sim-eram
divinorum scn'plurarum fidem arlalleranl. ‘
15) Hieron. adv. Luct'fer. (oh. Ausg. lV, 2, p. 296.): Ariana haeresis magis
cum sapientia seculi facit el argunienlationum rivos de fontibus Aristotelis mutuatur.
16) Sven, hisl. eccl. ll, 35. (cd. Vales. Turin. 1747, p. 114.): eiai/g odr 15e
t'orpwt'e: (nemlich Aetius) roi/g Ivrvyldvovrag, tobra Je Snofu ruf; xarnyo
glzug .‘ipio‘zon'lou; morticini- ßißllov iii oihwg 30111/ SmyeyguyßEI/ov aoro
E aütlüv te dmleyoyevog zul famili adquirunt nomiv 06x audito .. mit;
---.. ..f _
‚l
XIII. Die Die kirchliche Auffassung. Behandlungsweise. 7
so stellte sich doch zugleich von selbst das Gefühl der Nothwendigkeit
ein, mit gleichen Wall'en sich gegen die Feinde der orthodoxen Lehre
vertheidigen zu können, und crklärlicher Weise musste dieses Motiv,
dass die Dialektik dem Kampfc gegen die Ketzer diene, das Ueberge
wicht erlangen. Also auf die Gesinnung uml die Absicht, in welcher
man Logik betrieb, kam es nun an 17)‚ und in solcher Weise durfte
man sich sogar logischer Kenntnisse rühmen lta); sehr wohl aber konnte
hiemit die Anschauung verbunden seinydass die dogmatische Theologie
eben doch nur aus äusseren Gründen in der Dialektik das Gebiet eines
bloss ausserlichen Wortkrames betreten habe, und es wird uns dem
nach nicht befreiden, wenn wir weiter unten wiederholt eine oll‘ene
Feindschaft gegen alle Dialektik überhaupt antreffen werden.
Jedenfalls aber war, wie gesagt, die ecclesia docens schon in den
ersten Jahrhunderten auf diese Weise dazu gelangt, dass sie eine ge
wisse Summe logischer Lehren in den Umkreis ihres Betriebes aufnahm,
und waren einmal irgend welche Compendien, —— wenn auch mit Vor
behalt der Gesinnung und Absicht —‚ für den Gebrauch der Kleriker
recipirt, so konnte und musste wohl auch der Fall eintreten, dass Ein
zelne jenes Material, welches anderweitig als lllitlel zum Zwecke dienen
sollte, zu einem speciellen und selbstständigen Gegenstande ihrer Be
schäftigung machten. Und hiebei waren es vor Allem die Kategorien,
welche von der spät-antiken Schultradition her eine reichliche Ver
wendung in den theologischen Hauptfragen, und zwar gerade zumeist
bei Augustinus (betrell's der 'I‘rinität und der sog. Eigenschaften Gottes)
gefunden hatten; ja es ist selbst möglich, dass man schon ziemlich
frühe die pseudo-augustinisehe Schrift über die Kategorien (s. Abschil.
XII, Anm. 40—50) für ein achtes Werk hielt und so durch die Aucto
rilät des Augustinus selbst sich in dem Studium dieses Gegenstandes
bestärkt fühlte. Hatten aber die Kategorien jedenfalls eine bedeutende
Geltung für die Theologie, so lag ja in der Schrift des P0rphyrius,
d. h. in den quinque voces, eine in der Schule für unerlässlich gehal
tene Einleitung zu den Kategorien vor, und es verstand sich von selbst,
dass man für den Unterricht sowie für das Studium stets den Anfang
mit der Isagoge machte. Beide aber, nemlich sowohl das Buch über
rv
8x uini xazqyoguüv ooqlayaoi o'vvene‘yurß, dui obire variam dafür/111m,
mag Eunv äyäquo; ye'wqm; (vgl. Anm. 8).
17) Theodoret. hist. cccl. IV, m (Opp. ed. Sirm. lll, p. 707.): xai 115V}! l
arore'lov; auuoymycüv xal 11‘}; Klären/o; ciuitas d‘u‘z ran dxmöv 515-21?
Euzo (so. Aldi/#05) ni ‚uaßfiyara aia/y a3; dlriliuav ixnald‘eziuy'm, äll’ ais
önla nic älqäelu; ata-rd roü tpEüd‘ou; yiyröyera.
18) Cyrl'll. Alex. Thesaur. d. trin. ll. (Opp. ed. Auberl Par. 1638. V, 1, p.
87.): Ex yasnydtwv fiyiv nili Zymrou’lou; 69’116};va xal tg d'en/611111
tiis- h xolqu amplas- änoxexgnyeroz xrünou; L’ysfgoutn (511,140:th terti-v
oüx 616‘612; ön xai 7196; Turiqu d‘umä‘tög flavus Slcylärioovnu' anv ti
um ydq b'vzw; o'mo'lovßoy, {in d‘r) rbv nagi roi yetgorog xal litium/og äs—
niCows; 1.67011 in! rbv mel roü öyolou xal dvoyolov peranenrajxabw
06x 516‘615;- an xot'ni: ubi lägmrote‘lou; [i'll/71V, {(p’ ä freiliqu ueyalongo
wir stemum uürol, orbe als müzöv zawrdzrowai. ye'vo; ‘ni' te Syozov
xal 1b dild/www «Jg xal rb yu‘g‘ov xal 16 narrata (S. Abschn. lV, Anm.
522 u. 531.)
o
iq-wi s.w... A m
S
.
8 XIII. Die Behandlungsweise
die Kategorien als auch das Scliriftclien des Porphyrius, lagen für die
lateinische Kirche in der Uebersetziing des Boethius, noch dazu mit
Erläuterungen versehen, vor, und so wurden sie die hauptsächlichen Io
gischen Schulbücher des Mittelalters.
Der geschichtliche Verlauf wird uns zeigen, dass lediglich aus der
unausgesetzten Beschäftigung mit Porphyrius und Boethius jener Streit
über die Geltung der sog. Universalien entstand, welcher nach der bis
her gewöhnlichen Annahme in dem Gegensatze des Realismus und des
Nominalismus sich entspann Hl), in Wahrheit aber eine bunte Menge
gar vieler Partei-Ansichten zu Tage kommen liess. Es war nicht etwa
ein eigener, individuell selbstständiger Gedanke eins hervorragenden
Mannes, durch welchen diese logischen Kämpfe waren hervorgerufen
worden, sondern ein überkommener Stoll', scliulmässig fortgeerhte Ge
danken aus dein Alterthume waren es, welche man nur allmälig etwas
genauer ins Auge fasste und erst hiedurcli zu einer bestimmten Partei
slellung veranlasst wurde, deren Wurzeln in der Tradition selbst schon
vorlagen. Von einem innerlich selbstständigen Schall‘en eines neuen
Momentes kann im Mittelalter keine Rede sein, selbst bei Scolus Erigena
nicht, und auch bei Alialard nicht.- Jene ganze Zeit klebte wesentliclist
noch an der blossen‘ Tradition und konnte so höchstens durch einen
hingehenden, vielleicht auch durch einen minutiösen Fleiss sich inner
halb ihrer engen gegebenen Grünzen in einzelne Punkte fester verren
neii, nie aber frei mit dem Stoffe walten. Wohl trifft die Scholastiker
nicht der Vorwurf leichll'ertiger Zuversicht oder liohler Eitelkeit, wo
mit sie etwa ferlige Systeme in die Welt geschleudert. hätten, noch er
regen sie durch bodenloses Geschwätz jenen wissenschaftlichen Unwil
len, wie wir ihn z. B. bei der Lectüre Gicero’s empfinden; aber weit
eher beschleicht uns ein Gefühl des Mitleides, wenn wir sehen, wie bei
einem ausserst beschränkten Gesichtskreise die innerhalb desselben mög
lichen Einseitigkeiten mit ungenialer Einsigkeit getreulichst bis zur Er
schöpfung ausgebeutet werden, oder wenn iii solcher Weise Jahrhun
derte auf das vergebliche Bemühen verschwendet werden, Methode in
den Unsinn zu bringen. Solch welimi'itliige Gedanken über verlorene
Zeit werden in uns zumeist gerade da rege, wo die verschiedenen
Meinungen betreffs der Universalien in ihren ausgebildetsten Consequen
id
19) V. Cousin (Ouerages'inedi'ls d’Abelard. Paris 1836. 4, mit einigen Ver
besserungen und Ziisatzen wiederholt in Fragments de plit'losoplu'c du nioyen-iigc..
Par. 1840 u. 1850. S.) hat das grosse Verdienst, zuerst diese wahre Quelle des
Nominalismus und Realismus geneigt zu haben, und auf Grundlage der Nachweise
desselben gab H. lium-dan (De la pltilosopliie scolastiqne. Par. 1850. 8. 2 Bände)
noch manches schätztiare Material aus Handschriften, welcher überhaupt die Wis—
senschaft mit einer ebenso reichhaltigen als genauen Darstellung des Scholasticis
mus bis z. 14. Jahrh. beschenkte. Auch M. X. Rousselot, Eindes sur ta plii'los.
dans lc 1noycn-dge. Par. 1840 f. 2 dee. ist zu erwähnen. Abgesehen von älterer
und veralteter Lilteratur, wie z. R. von dem ziemlich armseligen Buche des Ad.
Tribbecheidus, De doctoribus scholastt'ci's (2. Aufl. v. Heumann, Jena 1719. 8.)
werden wir EinZelnes noch unten am geeigneten Orte abzuführen haben. In neue
ster Zeit erschien eine werthlose Compilation von II. 0. Kühler, Realismus u. N0
minalismiis etc. Gotha 1858. 8.
e
xm Die Behandlungsweise. Hang zum Platonismus. 9
zen sich am heftigsten hefehden, während das erste Auftauchen des .
Streites uns eher noch als befruchtend und anregend erscheint.
Doch dürfen wir hiebei nicht die Granzen unseres hier gesteckten
Zweckes aus dem Auge verlieren; denn nicht in seiner ganzen Aus
dehnung gehört jener Kampf der Geschichte der Logik an, und wir
haben hier nicht die Aufgabe, ihn nach allen seinen Seiten zu entwickeln,
sondern wir werden lediglich den logischen Gesichtspunkt festhalten
und daher sofort alles Theologische, was sich daran knüpft, atlsscheiden
müssen und hiemit auch die Ontologie, ‘je mehr sie sich Schritt für
Schritt von der Logik losscbält, bei Seite lassen, ja selbst von der Er
kenntnisstheorie nur jene Momente heizieben, welche innerhalb der lo
gischen Lehren bis zu einem späteren Umschwunge der Logik selbst
fortglimmten. _ _ ixb-u
Auf Grundlage dieser gebotenen Abgranzung versuchen wir nun,
die‘ Erscheinungen auf dem Gebiete der Logik des früheren Mittelalters
nach ihrer Zeitfolge darzustellen, sei es dass sie als Compendien oder
dass sie als commeutirende Erläuterungen auftreten. W regt».
Aber Ein höchst entscheidender Gesichtspunkt steht uns hiebei aus
Obigem bereits fest. Wenn nemlich die gesammte Dialektik als ein lee
res und formales Wortgeklimper betrachtet wurde (Anm. 8—16), so
mussten diejenigen Kleriker, welche dennoch aus dem angegebenen
Grunde sich mit ‚diesem Gebiete beschafligten,. nothwendiger Weise
bestrebt sein, dem Ganzen eine reale Grundlage zu geben, und zwar
‘ konnte, wie sich von selbst versteht, hiebei keine andere Realität mass.
gebend wirken, als diejenige, welche in den christlichen ldeen siehe
fand. Auch ist es 'wohl möglich, dass wie in anderen Beziehungen, so
auch betreffs der Logik Aussprüche, welche in den Briefen des Paulus
vorlagen 20'), als entscheidende Auctoritat mitwirkten. Wenigstens finden
wir bei Theodorus Baithuensis (Mitte des 7. Jahrh.) mit directer Bezug
nahme auf Paulus die Ansicht ausgesprochen, dass man sich in einem
Widersprüche gegen den Apostel befinde, wenn man das Studium der
Kategorien als einen entscheidenden Vorzug des Theologen bezeichne
und hiemit die christlich fromme Stimmung in blosse Worte oder Wort
klange verlege 21). Und wenn wir auch eben diese Stelle nicht gera
20) Z. B. ad Corinth. I. l, 17.: eüayyeHCwäeu. odae 811 ootpfa ldyov. ib.
2. 4.: am) ä 1.670; you xal rö xrjng‘uä you oüx Sv 1161007; o‘oqla; lo'yotg,
eur lv änod‘eläez nvsüparo; xal uvniyrwg, i'm iy nlon; (/‚utöv pii y' h
vog-tg ävögnduaw, ut lv d‘vmiye: ziemi ad Thessal. l, 1. 5.: 'rb sitam/lle
v‘yuö'i/ olüx dyewrji‘hl und; {wäg- Er Äo'yrp „am, am xal tv dvvdyu am)
lv zum; an r'zyhp. ad umam l, 6, 3.: st zu; Eregodiduaxmtsi...., animæ
uu yn lv imarriysvog dua vooaiv nagi frlnjaug xal loyoztallag. Vgl.
oben Anm. 3 n. 11. .
21) Theod. Raüh. Praepar. d. incarn. (Bibl. Patr. Galland. Xlll, p. 2D.) : eundi
ab 6 Zevrjgo; uulan nquui‘IfCum quan/ais iv (Srjpuzm' te ydyolg am) fixer;
r‘v eüo'e’ßemv ünon'ßsnu, xahozye mi änoaro'lov le'yovro; novi yi‘zg hi
loyrp rit pan-dem roü acci dui lv d‘uvdyu xal msszqu (arl curium l, 4,
20.)' ovmg de nag’ mini zemiglp ugtinarag 05610710; yt'wgi’ierm, 3; tiv
1d; narqyoglu; latera-midum zur) ni Äorm‘t flöv {Em (plloaörpaw sequuti
imm e‘va; zvyxnivy. Uebrigens sind dergleichen allgemeinere Motive, welche in
der amaligen Zeit überhaupt lagen, weder bei Cousin noch bei Haure’au in Be
tracht gezogen. '
10 XIII. lsidorus.
‘n
dezu für das Mittelalter als die älteste und erste Kundgebung des Gegen
satzes zwischen Nominalismus und Realismus .anführen wollen, so ist
doch jedenfalls so viel klar, dass der bei weitem überwiegende Zug
der Logik für die ersten Jahrhunderte grundsätzlich auf Seite des Rea
lismus liegen muss. Ein längerer Verlauf daher ist erforderlich, bis
endlich die Auffassung zu einiger Geltung durchdringen kann, dass auch
die Worte etwas Reales sind und dass die Worte in ihrem realen Sein
das Allgemeine in sich enthalten. - -
Auf solche Weise ist es uns nun ‘völlig verständlich, wie schon
der erste Schriftsteller des Mittelalters, welcher der Geschichte der
Logik angehört, nemlieh lsidorus IIispalensis (gest. 636) einen
entschieden theologischen Standpunkt einnimmt, während er zugleich
die logische Schultradition von cassiodorus und Boethius ausgehend
fortführt. Nemlich nicht etwa bloss dass er-heidnische Lectüre den
Mönchen untersagt wissen will oder dass er die Dialektik und Ithetörik
als ledigliches Wortgepränge dem Inhalte des Christenthnms, ganz wie
wir oben sahen, gegenüberstellt '12), sondern er substituirt auch aus
drücklichst die Theologie an Stelle der Logik; d. h. während er die
üblichen Eintheilungen der Philosophie und zugleich die Aufzählungen
der sieben Künste in den von ihm benützten Quellen vorfindet"), hat
er in seinem bekannten encyclopadischen Werke „Origines“ oder „Ety
mologiae“, dessen zweites Buch die Rhetorik und Dialektik enthält, noch
besonders Gelegenheit, auf diese Fragen einzugehen, und dort lügt er
demjenigen, was er aus cassiodorus abzuschreiben findet (Abschn. XII,
Anm. 172), noch die Bemerkung hinzu, dass in den drei Zweigen der Phi
losophie (Physik, Ethik, Logik) sich auch die heilige Schrift bewege, und
zwar namentlich die Evangelien sich auf die logische Wissenschaft
beziehen, an deren Stelle man jetzt die Theologie betreibe 24). Dabei
aber verbindet sich mit diesem Standpunkte eine für das Mittelalter
weit fortwirkende Unterscheidung zwischen ars und disciplina, welche
Isidor wahrscheinlich dem Victorinus (Abschn. XII, Anm. ltl'.) ent
nahm 25); wenn nemlich ars dem Gebiete des Veränderlichen und Wahr
_a.__._—_-‚_—
22) lsid. Hisp. Opp. ad. du Breul. Paris. 1601. fol. —— Regula monach. c. 8. (p.
1023.): gentilium libros vel haereticorum volumina monachus legere caveaL Scn
tenl. III, I3. (p. 670 b.): ldeo libri sancti simplici sermone conscripti suntl ut non
in sapientia ucrbi. sed in ostensione spirilus homines ad fidem perducerenturi nam
si dialectici acuminis versulia aul rhetoricae artis eloquentia editi cssent, nequa
quam putaretur fides Christi in dei virtute sed in eloquentiae humanae argumentis
’consistere, nec quemquam crederemus ad fidem divino inspiramine provocan, sed
potius verborum calliditate seduci. onmis secuturis 'doctrina spumantibus verbi-stre
sonans ac se per eloquentiae tumorem attollens per doctrinam simplrcem et humilem
christianum evacuata est, sicut scriptum est: nonne stultam fecit deus sapientiam
huius mundi
23) D. cii/f spirit. c. 34. (p. 302.) u. Orig. I, 2. (p. 1.) u. Il„24. (p. 29 in).
24) Orig. II, 23. (p. 29 a1): In bis quippe tribus generibus philosophiae etiam
eloquio divina consismnt; nam aut de natura disputare solent ut incenesi et lic
clesiaste, aut de moribus ut in Provrrbiis et in omnibus sparsim Iibrts, aut de lo
gicav pro qua nostri theologlam sibi vindicanty ut in cantica cantioorum et Svangelm.
25) Wenigstens stimmt sie dem Sinne nach ganz mit demjenigen überein, was
in der Einleitung der uns erhaltenen Schrift des Victorinus Expos. m Cm. thet.
(p. l02 ed. Capper.) sich findet. Vgl. auch Marc. Cap. II, 138.
qu lsidorus. 11
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scheinlichen, disciplina aber jenem des Ewigen und Wahren angehört 2")‚
so konnten nicht bloss das Rhetorische und das Speculative als zwei
gesonderte Zweige auseinandergehalten werden, sondern es durfte auch
letzteres nach seiner äusseren technischen Seite eine besondere Behand
lungsweise finden.
So theilt lsidorus das Gesammtgebiet der „Logik“ (auch im Hin
blicke auf dictio und sermo) in Rhetorik und Dialektik”), und sowie
er sich bezüglich der schulmüssigen Unterscheidung beider wörtlich an
cassiodorus (s. Abscbn. VIII, Anm. 25) anschliesst, so ist es überhaupt
des Letzteren oben (Abschn. XII, Anm. 172—184) geschildertes monströ
ses Gompendium,
oder Zusätzen den folgenden Jahrhunderten überliefert wurde.
welches durch isidorus mit". einigen Abweichungen
Nach
dem er nemlich den Uebergaug von der Eintbeilung der Philosophie
zur lsagoge in der nemlichen dürren Weise gemacht, welche wir bei
cassiodorus sahen 28), gibt er eine Aufzählung und Erklärung der quin
que voces, wobei er die Verdienste des Porphyrius gegenüber dem
Aristoteles und cicero bervorbebt”) und oll'enbar nur aus der von
Boethius commentirten Uebersetzung des victorinus geschöpft hat, auf
welch letzteren. er auch am Schlusse des Gap. selbst verweist 30);
eigenthümlich ist ihm dabei der höchst schulmässige Einfall, die. fünf
Worte in Einem Satze beispielsweise auszudrücken 31). Die hierauf fol
gende Angabe der Kategorien ist zu Anfang und ant Schlüsse wörtlich
aus cassiodorus entlehnt 32), in der Mitte aber ist sie ausführlicher,
26) Orig. 1,1. (p. 1.): Inter artem et diseiplinam Plato et Aristoteles hanc dif
ferentiam esse voluerunt diccntcs, artem esse in iis quae se et aliter habere possunt;
disciplina vero est, quae de iis agit quae aliter evenire non possant; nam quando
aeris disputationibus aliquid disserilur, disciplina eril; quando aliquid verisimile
atque opinabile tractaturl nomen artis habebit.
27) I). difi'er. spir. c. 34. (pv 30211.): nunc partes logicos assequamur; con
stat autem ex dialectica et rltelorica. Diatectica est ratio sine regula disputandi in
tellectum mentis acuens uaraquc a falsis distinguensg haec scientiay sicut quidam
ait, sicut ferrum venemnn, sie armat eloquium Orig. .ll, 24. (p. 2911.): Logicams
quae rationalis vocatur, Plato subiunxit ..'. . dividens eum in dialectieam et rhetori
cam; dicta autem logica. i. e rationalis-g la'on enim apud graecos et sermonem
significat et ratiouem. Ebend. VIII, ö. (p. 106a. :
moribus rationem adiungant, ratio enim graece Äoyo; dicitut
Logici quia in naturis et
Ebend. ll, 22. (p.
28 b.): Diatectica esl diseiplina ad discernendas rerum causas inventag-ipsa est
philosophiae spceies, quae logica diciturj i. e. rationalis (lt/finiendi qaaerendi et
disserendi potens Aristoteles ad regulas quasdam huius doctrinae argumenta per
duzit et dialecticam nuncupavit pro eo quod in ea de dietis dispatatar, nam 1.55:;
dictio dicitur (vgl. ebend. I, 22 f.); ideo autem post rhetoricam disciplinam dia
lectiea sequitur-1 quia in multis utrique communia existunt _
28) Abscltn. XII, Anm 173.
29) Orig. II, 25, p. 30a.: cuius disciplinae diffinitioncm plenam existimarunt
Aristoteles et Tallius ez genm et differentiis eonsistereg quidam postea pleniores
in docendo eius perfectam substantialem dif/initionem in quinque partibus velut in
membris suis dirismmt. Vgl. Boeth. ad Porplt. p. 7. (ed. Basit. 1570).
30) Ebend. p. 30b.: lsayogas autem es: graeco in latinum transtulit victorinus
oraler, commentumque eius quinque libris boethius edidit.
31) Ebend. p. 30 a.: Ut est ex omnibus his quinque partibus oratio plenae
sententiae itar „homo est animal rationale mortale eisibile boni matique capax.“
(Vgl. Abschn. xi, Anm. 46.)
32) Cap. m p. 30b. S. Abschn. XII, Anm. 174. (auch die verdorbeneli
A
u
12 XIII. lsidorus.
namentlich an Beispielen. Dann reiht sich natürlich d. interpr. an, ein
Abschnitt, welchen wir hier zum ersten Male unter der barbarischen
Uehcrschrift „De Perihermeniis Arislolelisn antreffen 33); die Eingangs
worte und der eigentliche Kern (die Definition von nomen, verbum
oratio, enuntialio. a/firmrm'o, negativ, contradictio) sind wörtlich aus
cassiodorus ausgeschrieben 3‘), dazwischen aber stehen einige allgemeinere
Bemerkungen, welche aus Boethins (s. Abschn. Xll, Anm. 110) entnom
men sind und dadurch, dass sie das Verhältniss zwischen Sprache und
Denken betreffen, eine grosse Wichtigkeit für die Folgezeit erhielten 35); .
die SchlusSWorte aber des Cap. geben einen erträglicheren Uebergang
zum Syllogismus als jene bei Cassiodorusaf'). Die nun folgende Syl
logistik selbst ist nach einer einleitenden Verwahrung vor sophistischem
Missbrauche 37) wörtlichst aus CaSsiodorus herübergenommen 3”). Den
Inhalt der hierauf sich anschliessenden Lehre von der Definition, welche
lsidor aus VictorinUs entlehnt, mussten wir eben desshalb bereits oben,
Abschn. XII, Anm. 2. anführen. Von' der Definition aber wird zur 'l‘o
pik mit den nemlichen Worten wie bei cassiodorus (s. ebend. Anm.
179) der Uebergang gemacht, und auch bei Aufzählung der Topen nur
Letzterer benützt; aber es bleiben hiebei vorerst jene fremdartigen
Einschiebsel, welche wir oben (ebend. Anm. 181—183) sahen, völlig
hinweg, und ausserdem werden mit Uebergehung der rhetorischen To
pen unter den dialektischen nur die Giceronischen vollständig und hiezu
drei aus jenen des Themistius aufgenommen 39). Endlich den Schluss
macht ein eigner Abschnitt „De oppositis“, welcher allerdings hier nicht
in dem üblichen Zusammenhange mit der Kategorienlehre steht“),
sondern sich noch an das Material der Topik anschliesst, sowie er auch
Schlussworte des Isidorischen Textes sind nach dem dortigen Wortlaute des
Uassiod. zu lesen). _
33) Man hielt nemlich das zusammengeschriehene I'erihcrmenias fingi {Wul
vflag) für einen Accusativ Plural und dachte sich hiezu einen Nominativ Periher—
meniae. (Ja noch im 19. .Iehrh. finden wir bei lld. v. Arx, Gesch. v. St. Gallen,
I, p. 262. „die Periemerien“ des Aristoteles; s. unten Anm. 245.)
34) C. 27, p. 31 a. S. Abschn. XII, Anm. 175. (auch das Sprücblein über
Aristoteles). ’
35) Ebend.: omnis quippe res quae non rst et uno signi/icalur sermrme, aut
per nomen significatur aut per verbaut, quae duae partes orationis interpretantur tov
lum, quidquid concepit mens ad eloquendum; omnis enim cloculio conceplac rei
mentis interpres'esl. Namentlich müssen wir hiebei den Sprachgebrauch „conci—
pere, conceleq hervorheben.
36) Ebend. p. 31 b.: utilitas periltermcniarum haec ext, quod ex his interpre
Iamenlis syllogismi fiunl, unde et Amzlylica perlractantur. Vgl. Abschn. XII,
Anm. 176.
37) C. 28, p. 3111.: plurimum adimmt hectorem ‘ad veritatem investigandnm,
tantum ul absit illc error decipiendi adversarium per sophismala fulsarum con
elusionum.
38) Das ganze Cap. enthält somit dasjenige, was wir schon oben Abschn. XII,
Anm. 176. u. 177. anzugeben hatten; nur lasst lsidor unter den ehendort Anm. 3,
13. u. 16. angeführten Stellen den Inhalt der Anm 3. hinweg.
39) c. ao S. Abschn. XII, A—nm. 184; unter den dortigen Topen des 'l‘hc—
mistius treffen wir hier nur: a toto, a pnrlibus, a nola.
40) Wie z. 8. Abschn. Xll,.Anm. 61.11.94; hingegen in anderer Weise ebend.
Anm. 10.
Xlll. lsidorus. 1'3
in der That aus des Boethius Commeutar zur Cicei‘onischen 'l'opik ex
cerpirt ist“). i
Aber ausser diesem Abrisse der Dialektik ist es bei lsidorus auch
noch Anderes, was in Folge der Auctorität, welche er in der nächsten
Zeit genoss, einen Einfluss auf die Geschichte der Logik ausübte. Nem
lich einerseits finden sich einzelne Bruchstücke logischer Lehren in an
deren Abschnitten seines encyclopadischen Werkes, so z. B. neben der
(in dem Abschnitte über die Kategorien, s. oben Anm. 32) üblichen
Begriffsbestimmung des Homonymen u. s. f. kömmt lsidorus auch in der
Grammatik auf diesen Gegenstand, woselbst er aber die griechischen
Worlformen anwendet 42); auch ist insbesondere aus der Rhetorik der
Abschnitt De syllogis'mt's zu erwähnen, da er einerseits für die Argu
mentation dem enthymema eine hohe Geltung verschaffte (s. unten Anm.
92), und andrerseits eine wenn auch noch so kümmerliche Notiz vom
Dasein der lnduction enthält. Der Inhalt dieser Lehre über den
Schluss 43) bietet natürlich durchaus Nichts neues dar, sondern ist aus
victorinus entnommen (s. Abschn. XII, Anm. m und weist hiedurch
bis zu cicero (Abschn. Vlll, Anm. 53—62, woselbst hes. Anm. 60 die
betrefl'ende Stelle über das enthymema) zurück.
Andrerseits endlich hat lsidorus durch ein paar ledigliche Einzeln.
heilen, welche an sich ausserhalb der Logik liegen, —- gleichsam ohne
es zu wollen —‚ den Späteren Veranlassung zu Fragen dargeboten,
deren Beantwortung wir unten als Gliedendes geschichtlichen Verlau
fes werden anführen müssen N). D s Eine, was wir hiebei im Auge
haben, ist die Aufstellung eines Uu rschiedes zwischen Rationale und
Rationabile 4"‘), welcher oll'enbar auf einer Stelle des commentan des
boethius zur lsagoge beruht 4“) und bewirkt haben mag, dass man
41) C. 3l, p. eam Primum genus es! contrariorump quod iuxta Cireroncm
diversam (zu lesen aducnum) vocatur ....secuudum genus es! relatu-orum ter
tium geuux es! opposilorum (man bemerke den ungenauen Sprachgebrauch) habitus
vel orbuh'o, quod genus Cicero priuationem vocat . . . quartum vero genus es: cou—
firmotione et negatione opponitur quod genus quartum apud diatecticos multum
habe! con/tictum c! appcllatur ab eis valde opposimm. Die Quelle hievon s. b.
Borth. ad Cic. Top. p. 815f., dle betreffende Stelle Cicero's wurde oben, Abschn.
Vlll, Anm. 42. angeführt. o
42) Orig. l, 7, p. 4a.: Synonimo hoc es! plurinomiua . homom'ma hoc es!
umiiomma . . . ..
43) Orig. ll, 9. u. m (p. 23 h.: syllogismus graue. latine argumentatio ap—
pellatur. .. .. syllogismorum apud rhetorex principaliter gencra riuo sunt, inductio et
ralt'ocinoh'o). ‚ '
44) Wenn es demnach auch dem Leser auffallen mag. dass ich hier Solches
erwähne, so wird unten es sich zur Genüge begründen, warum ich aus dem über
reichen Scbatze lsidorischcr Schulweishcit gerade diese. und zwar ausschliesslich
vnur diese paar einzelnen Momente heraushcben musste. Wenn aber hiedurch be—
treffs der Auffassung der Geschichte der Philosophie des Mittelalters an die Stelle
einer bisher üblichen rühmenden Erwähnung eines selbstständigen Denktriebes die
Einsicht in die völlige innere Unselbststäudigkeit damaliger Denker tritt, so
scheint eben eine derartige Aenderung der Ansicht uns das Richtige zu sein.
45) I). iii/fen spiriL 18, p. 2978.! inter rotionoie et rutionobile hoc interests
sapiens quidam dicitz rationale estl quod rationis utitur intcllectu. ut homo; ratio
nabiie verol quod ratione dictum vel factum ext. Fast wörtlich ebenso lii/fen tib.
p. 770a.
46) Porphyrius hatte nemlich bei Angabe desjenigen, was dem yflvo; und der
14 XIII. Alcuinus.
spater die dortigen Worte noch genauer erwog (s. unten Anm. 212m).
das Andere aber besteht in der an die „Schöpfung aus Nichts“ ge
knüpl'ten Angabe, dass die Finsterniss keine Substanz sei ‘17), wovon wir
eine weitere Folge bald unten (Anm. 72 fl‘.) treffen werden.
Der nemlicbe Standpunkt wie bei lsidorus, sowohl betreffs der
Geltung der Dialektik als auch in abenteuerlicher Compilation eines
tiompendiumsa waltet auch bei Alcuin (735—804), dessen Unterricht
in der damals üblichen Logik bekanntlich auch Karl der Grosse ge
noss"). Es gibt Alcuin nicht bloss die Eintheilung der Wissenschaf
ten in einem Schema nach lsidorus, sondern wiederholt auch wörtlich
aus demselben obige (Anm. 24) theologische Auffassung der Logik 49);
dabei aber zeigt er überall eine hohe Werthschätzung der Philosophie,
und während er häufig Klagen über eine weit verbreitete Unwissen
heit hieran knüpft, erhebt er sich zu dem Ausspruche, dass die freien
Künste die sieben Säulen der Weisheit seien 5°), und so übt er, auf
Augustin hinweisend, reichlich die überlieferte Schulphilosophie, d. h.
die Kategorienlehre, in den theologischen Hauptfragen über den Gottes
begrill‘ und die Trinitatßf).
Dass aber Alcuin selbst über alle sieben Künste geschrieben habe,
ist schon langst widerlegt“) durch den Nachweis, dass ein im Mit
telalter viel gelesenes Excerpt aus cassiodorus für ein Werk AIcuin's
gehalten wurde. Wohl hingegen bearbeitete er die Grammatik, die Rhe
torik und die Dialektik, und ausserdem übersandte er an Karl d. Gr.
das pseudo-augustiuische Buch über die Kategorien (Abschn. XII, Anm.
_— O
Jlßqflgl‘! gemeinsam sei (Abschn. XI. Anm. 49.), als Beispiel das loymcir ge
braucht in einer Stelle, welche nach der Uebersetzung des Boelhius (p. 95.) lautet:
cumque sit differentia „rationale“, praedicatur de ea ut tii/ferentia id quod es!
„ratioue ali"; nan satum autem de eo quod est rationale, sed etiam de his quar
xub rationati sunt specicbur praedicabt'lur ratione uti. ln der Erklärung nun dieser
Worte sagt Boetbins (p. 96.): de rational: duae difl‘erentiae dicunlur; quod enim
rationale esl, utitur ratione vel habet rationem, aliud est autem uti ratione, aliud
est habere rationem ergo ipsius rationabilitatis quaedam differentia est ratione
utt', sed sub rationabilitate positus est homa.
47) Sentcnl. l, 2, p. 620b.: Malaria ex qua coetum terraque formale est,
ideo informis vocata esl, quia nondum ea formula cranl, quae formari reslahanl,
verum ipso materia ex nihilo facta erat (p'. 621a.:) Neu es: hoc substantiam
habcre credendae mul ffnt'brltt'. quia dicit damiuux per prophrtam nego dominus far
muns lucem et creans lenehrus“, seil quia angelica tlnlura, quae mm est prawa
rirala, tur dict'lur, illa autem quae prarvan'cala (sl, lenclirarum nomine nuncupalur.
48) Egt'nlt. m ('ar. M. c. 25.: habuit in ceteris disciplinis prat'rrplorem Albi— .
uum cognomcnto Alcuinum .. apud quem et rltetbricae cl diatecticae ediscen
dae plurimum et temporis et laboris mipcndil, SUIU, Arm. d. yesl. Car. M. V, v.
aas f. bei Parts, Mouum. I, p. 271.: Artis r/tclon'rae seu rui diaiectica nomen, sump
sil ab Alcuini dogmalc notitiam
49) Alcuin? Opp. cd, Frobeu. natis-lu 1777. foI. Il, p. 332. u. Dialecl. 1,
ebend. p. aai 4 <
50) Z. B. Epist. 38. (l. p. 53.), Episl. ea (p. 94.), Eptst. 141. (p. 202.).
Gramm. (ll. p. 268.): Sapientia tiberaiium litterarum septem columnis ronfirmalur,
"er aliter ad perfectam quemlibet deducit scicntiam, nisi lus septem columnis cel
etiam gradibus ez‘allelur.
51) D./ide trin. l, 15. (l. p. 713.) u. Epist. dedic. (p. 704.), Ouacsl. d. lrin.
(l, p. 740.), Epist. 122. (l, p. 177.), Episl. 221. (p. 285
52) Von Frohenius in d. prael. ll, p. 263 f.
XIII. Alcuiuus. 15
eum mit einem metrischen Prologeöa), welcher in Auffassung der
Kategorien den Standpunkt des Boethius (s. ebend. Anm. 84) enthält.
Das compendium der Dialektik selbst, welches ebenfalls einen der
gleichen (unbedeutenden) Prolog an der Spitze trägt, ist in Dialogform
geschrieben, so dass Karl d. Gr. immer die Fragen stellt, Alcuinus aber
sie beantwortet. Im Anfange ist hiebei Alles, auch die Theilung der
Logik in Rhetorik und Dialektik, wörtlich aus lsidorus (oben Anm. 27)
genommen, auf den eigentlichen Inhalt aber wird mit einer höchst
schulmässigen Eintheilung der Dialektik in „fünf Arten“ übergegangen“).
Der erste Abschnitt, natürlich die Isagoge, ist wörtlich aus Isidor aus
geschrieben (mit Weglassung der Stellen in ob. Anm. 29 u. 30), auch
jener Eine Deispielsatz (Anm. 31) fehlt nicht“). Die hierauf folgende
ausführliche Angabe der Kategorien 56) ist vollständig aus dem pseudo
augustinischen compendium mil barbarischer Schreibung der dortigen
griechischen Worte excerpirt (s. Ahschn. XII, Anm. 50); das Einzige,
was neu binzukömmt, ist, dass hier nun auch für die Kategorien Ein
Satz als Beispiel gebildet wird“). Wenn aber bei Pseudo-Augustin
(c. 18) nach der zehnten Kategorie (haben) die übliche Besprechung
der Gegensätze folgt, so verschmäht hiefür Alcuin diese Quelle, indem
er unter der Ueberschrift „De contrariis vel oppositis“ nun wörtlich
den betreffenden Abschnitt aus lsidorus (oben Anm. 41) ausschreibt“);
unmittelbar darauf aber springt er für die sog. Poslprüdicamente (pries
und simu!) wieder auf l’s‚-Augustin zurück, lasst aber das dortige Cap.
21 (die immutatio) ganz hinweg 59). Sodann folgt unter der Ueber
schrift „De argumentis“ zunächst ein höchst kurzer Auszug aus jenem
Excerpte der Lehre vom Urtheile, welches Boethius seiner Schrift d.
cli/f top. (s. Abschn. XII, Anm. 80 u. 165) einverleibt hatte“), und
53) Derselbe lautet (II, p. 334.): continet iste decem naturae verba libellus,
quae iam verba tenent rerum ratione stupendalolnnel quod in nostrum poterit de
currere sensum Oui legit,» ingenium veterum mirabile laudet Atque suum stuch
tali exercere labore Examens titulis vitae data tempora honestis. ”um: Augustino
placuit transferre magistro De veterum gazis graecorum clare latiual Ouem tibi nur,
magnus sophiue sectator amator, Munere qui tali gaudea, modo mitto legendum
54) C. 1, p. 336.: K. Quo! sunt species dialecticue? A. Quinque principales:
isegngc, categon'ae, syllogismorum formulac, dif/initimics‚ Inpica, periermcnicc. Al
lerdings‘ eine monströse Anordnung,- ‚welche noch dazu mit der Fünfzahl schlecht
stimmt; doch s. unten Alm. 64. k
55) C, 2, welches mit den “'ol‘len (p. 337.) schlicsst: haec commeritario ser
mone de isagogis Porphyrii dictu suffitiunl, nunc ordo postulat ad Aristotclis cate
gorias nos transirc.
56) C. 3—10, p. 337—342. .
57) C. 10, p. 342.: K. Ea: his omnibus decem praedicanientis unam mihi cnn
iunge orationem A. Plena enim oratio de his ita coniungi potesl.‘ „Augustinus
magnus oratorl littus illius, stans in templo hodie infulatus dixputando fatiyalur.“
sep G. 11, p. 343. Nur in den Beispielen sind die Eigennamen oder der In
halt derselben in das moral-theologische Gebiet umgesetzt.
sen Ebend. Weder am Anfange noch am Schlusse dieser Postprüdicamente ist
irgend ein Uebergang gemacht, der sie an das Vorhergehende oder das Nachfol
gende anknüpfte.
60) C. 12, p. 344. Nach der Bestimmung, was argumentum (rei dubiac affir
man'o) und was oratio (verum aut falsum significcns) sei, folgt die übliche Notiz
(s. Abschn. XII, Anm. 111.) über es! und non est, sowie über die casus obliqui
te XIII. Alcuinus.
hierauf, insoferne ja ebendort auch von der Argumentation die Rede ist,
eine armselige Auswahl einiger Beispiele von hypothetischen Schlüssen,
welche Boethius dort entwickelt; hieran aber reihen sich noch die vier
ersten Modi der kategorischen Schlüsse an, welche aus lsidor (ob. Anm.
38) entnommen sind“). Die Lehre von der Definition, welche wieder
gänzlich auf Boethius beruht, zerfällt in eine Erörterung de modis dif
finitionum, wobei nur das Motiv des Herabsteigens vom Allgemeinsten
zum proprium (s. Abschn. XII, Anm. 105) angegeben und an dem Bei
spiele homo erläutert wird 62), und in eine Aufzählung de speciebus
diffinitionum. woselbst an die Bemerkung, dass es eigentlich fünfzehn
Arten seien, unter denselben aber einige rhetorische und einige dialek
tische sich finden (s. ebend. Anm. 107), eine durchaus bodenlose und
widersionige Hervorhebung von acht Arten angeknüpft wird“). Aber
die Lehre von der Definition soll doch wieder, wie bei lsidorus (oben
Anm. 39), hauptsächlich nur zur 'l‘opik gehören 6‘), und es folgt hiemit
die Aufzählung der Topen, welche sonach auch ebendorther mit Weg
lassung der extrinsecus vorkommenden entnommen ist, aber durch Boe
thianische oder durch biblische Beispiele erläutert wird 65’). Endlich
der abenteuerlich naclibinkende Abschnitt „De Periliermeniisu (s. oben
Anm. 33), — denn einige Trümmer der Lehre vom Urtheile waren ja
schon oben gelegentlich der Argumentation dagewesen —‚ ist gleich
falls dem lsidorus entlehnt und enthält somit zunächst auch die oben
(sie tindet sich auch in.Alc.'s Gramm. ll, p. 271.). hierauf die Viertbeilung der,
Urtheile bezüglich der Quantität (s. ebend. Anm. 124.), dann die Unterscheidung
in kategorische und hypothetische, bei deren ersteren die Begriffe subiectum prac
dicatum, maior, minor (s. ehend.) angegeben werden, woran sich noch die Um—
kehrhsrkeit des das pvaprium enthaltenden Urtheiles anreiht fai-quales aequatitcr
circamverli possunt1 s. ebend. Anm. 129.).
61) Ebend. p. 345. Den Uebergaug biezu bilden die Worte: Ouomodo quae
tib'et res his argumentis (l) confirmat-i polest aul destrai? Die Beispiele der hypo
thotiscben Schlüsse beziehen sich nur auf die zwei Modi Si A est, B est, A vero
est, und Si A est, B esll B vero non est. Nach den vier kategorischen Modi stehen
die Wortet Horam enim syttogismarum multae sunt specics, se'd haec ad praesens
sufficiunt ad cognoscendum aniacrsales et particulares conclusiones iu affirmando et
negando.
62) (1.13, p. 345.: I’rimnm per immensum tendi oportet incipientpm a__qenere,
dehinc paulatim currcndo per partes dcventre debet ad id‚ in quo solum est i'd,
quod- diffinilnm est; ut hi qui signa [ormant primo immlnsam sibi deligunl lapi
dem, - dehinr pauttatim minucndo et abscindrndo super/lua ad formandas vultus el
membra perveniunt. Die Begriffsbestimmung der Definition selbst (aralio brevis
rem ab aliis rebus divisum propria significatioae concludersz findet sich ebenfalls
Gramm. p. 271. i
63) C. 14, p. 346.: K. Ouot species sunt dif/iniliouumP A. Oaindecim; sed
aliae ex Iris ad dialecticos pertinent, aliae ad rhetores. K. illas maxime velim
audire, quae magis ad diatcrtiros pcrtinent. Hierauf nun werden aus jenen des
Boethius folgende acht mit biblischen Beispielen vorgeführt: principalisl quae sub
stantiam demonstrat . . . . .., a notitiu, quae rem aliquam per actum significat ....,
qualitatiua .., per di/ferentiam ., per prtaantiam .. ‚.., per indigentiam pleni
.., per laudem . . . . , iuxta rationem.
64) Ebend: K. cui enim parti dialeclicnc artis hac di/finitiones maxime ian
genduc sunt? A. Topicts. Hiernach bliebe freilich trotz der sechs Abschnitte doch
obige Fünfthcilung (Anm. 54.) gültig.
65) C. I5, p. 346—350.
Xlll. Fredegisus. 17
(Anm. 35) betonten Momente über Spmche und Denken 68); aber die
darauf folgenden Angaben über nomen, verbum und oratio sind aus Boe
thius (die betreffenden Stellen desselben s. Abschn. XII, Anm. 110)
sehr bereichert und erweitert“), und so wird bei Einlheilun der
oratio die enuntiativa scharf von den übrigen Arten getrennt (s. e end.
Anm. 111), ja die letzteren sogar der Grammatik zugewiesen“), die
selben aber doch ebenfalls mit Beispielen aus Boethius angeführt, und
zuletzt noch auf das Kürzeste affirmatioy negotio und contradictio aus
lsidor (ob. Anm. 34) herübergenommen 69).
Abgesehen von dieser Compilation der Dialektik selbst haben wir
noch zu erwähnen, dass Alcuin auch in der Rhetorik nicht bloss
obige (Anm. 43) Stelle über lndurtion und Argumentation aus lsidorus
benützt“), sondern auch in ein paar Beispielen das Gebiet der so
phistischen Fehlschlüsse berührt“), wobei ihm Gellius als Quelle diente.
Zeigen ‚uns diese beiden bisher betrachteten Compendien lediglich
die Form von Flickwerken, bei deren Abfassung nicht eimnal mehr das
abstract logische Bedürfniss einer irgend zusammenhängenden Reihen—
folge mitwirkte, so erblicken wir allerdings im Vergleiche mit solchen
Schulproducten schon einen Fortschritt darin, wenn der Eine oder An
dere durch das traditionell gewordene Material wenigstens zu Fragen
sich aufgefordert fühlt, welche er so oder so zu beantworten versucht;
aber hohe Ansprüche dürfen wir an dergleichen erste Versuche nicht
machen. Und nur einen Beleg für die völligste Unklarheit in jenen
Fragen, welche bald hernach zu einer Parteispaltnng führten, gibt uns
die Art und Weise, wie Fredegisus, ein Schüler Alcuin’s (gest. 834
als Abt in St. Martin zu ’I‘ours), in einer an die Theologen am Hofe
Karls d. Gr. gerichteten Epistota de nihilo et umbris 72) sich mit den
Begriffen „Nichts“ und „Finsterniss“ herumschlägt, welche er nach der
üblichen Weise sowohl ratione (d. h. logisch) als auch auctoritate (d. h.
66) C. 16, p. 350. Jener Ausspruch über Aristoteles (ob. Anm. 34.) kommt
bei Alc. Epist. 35 (l, p. 47.) sogar als proot'rbium wieder vor. Das Verhältniss
aber zwischen res, intellectus und vor drückt Alc. ausserdem Gramm. (ll, p. 268.)
auch so aus: Trio saut, quibus onmis collocutio disputatioque perficitur, res1 in
tcltectus, voces; res sunt, quae animi ratione porcipimusg inlellcctusi quibus res
ipsas addiscimus; voct's, quibus rcs intelli-ctas pro/erinms. Vgl. Epist. 123. (l, p.
1.79.): verba enim, quibus loquimury nihil aliud sunt nisi signa earum rerum, quas
mente concipit/lug quibus ad cognitionem aliorum venire vulumus.
. 67) Ebend. p. 350 f. Namentlich findet sich hier auch wieder die Erwah
nung erdicbteter Begriffe, z. B. Inrcocervus, quod graece lrugeluphus dicitut
68) Ehend. p. 351.: K. Nur/t et illue aliae species quatuor (d. b. interrogatiw,
imperative, llcprecativay t‘ocativa) ud_dialecticos pertinent? A. Non pertinent ad dia
lecticns, sed ad gramntaticos.
69) Ebend. p. 352.
70) D. Rhel. et Virt. (II, p. 324.).
71) Ebend. p. 326.: Si dicis „non idem ego et ta, et ego homo“, consequens
ext, ut tu homo non sis Sed quot syllabas habet hunio? Duos. Nunquid tu
duae illae syllabae es? Nt'quaquam. Sed quantum isla? Ut sop/zisticum intelligas
versulium. Vgl. Abschn. Vlll, Anm. 66.
72) Gedruckt b. Steplt. Baluzii Miscell. ed. Dom. Mansi. Lucae. non fol. II,
p. 56 b.—5S a. Die Eingangsworte lauten: omnibus fidelibus et domini nostri sc
renissimt' principis Karoli in sacro eius Polutio consislenlibus Frcdegysus Diaronus.
PMMLa Gesch. ll. g
W-..w h.._„-W.vb_.a‚—\» -\_ „\._.__ *\41_'.__c‚ si- ‚A.
18 Xlll. Fredegisus.
orthodox theologisch) besprechen will 73). Die Veranlassung zur gan
zen Erörterung überhaupt liegt sicher in obiger (Anm. 47) Stelle des
lsidorus 74), die Auffassungsweise aber ist abgesehen vom allgemeinen
theologischen Standpunkte in logischer Beziehung so plump oder so
naiv, dass wir in der Thal keine Worlbezeichnung für dieselbe finden;
denn wo von einer Erwägung über die sog. Universalien auch nicht die
geringste Spur sich zeigt, können wir unmöglich von Realismus oder
von Nominalismus sprechen. Kurz die Sache ist so monströs, dass wir
sie nicht einmal als eine Vorstufe späterer Ansichten bezeichnen kon
nen. Es wird nemlich nicht bloss mit dürren Worten gesagt, dass wir
mit dem Spracbausdrucke unmittelbar die Sache verstehen, sondern es
wird auch Bezeichnung und Existenz selbst sofort als identisch genom—
men 75), wornach das existirende Nichts wie bei lsidorus eine An—
knüpfung an die mosaische Genesis findet“); ebenso verfährt Fredegisus
betreffs der Finsterniss, kötnmt aber hiebei durch den gleichen Gedan
kengang, indem er sich auf das Verbum esse in einem biblischen Satze
stützt, zu einer von lsidor abweichenden Ansicht"). Höchstens liesse
tsx .
73) Es ist doch merkwürdig, welch interessanten Mann Heinr. Bitter, Gescb.
d. Phil. Vll, p. 187. aus diesem Fredegisus zu machen weiss, von welchem er sagt,
dass er „zu einem tieferen philosophischen Nachdenken geneigt in der Wissen
schaft eigene Wege zu geben versuchte.“ Nachdem nemlich hierauf Ritter selbst
angeführt, dass Fred. im Streite gegen Agobardus den alleraussersten Auctoritats
glauben vertheidigle, heisst es weiter (p. 188.): „Aber diess zeugt nur von seinem
grübelnden Geiste, keineswegs davon, dass er die Vernunft gänzlich der Auctoritflt
unterwerfen wollte; vielmehr erklarte er sich entschieden dafür, dass jede Aucto—
ritat nur durch die Vernunft ibrc Aurtoritat habe.“ Als 'Beleg für diese Phrase,
nach welcher wir in dem hyperorthodoxen Fred. zugleich wenigstens” einen Vor
läufer Spinoza’s und Lessing’s zu verehren hatten, führt llitter eben die auch uns
interessirendcn Worte aus genannter epistola an, welche bei Baluze allerdings fol
gendermassen lauten (p. 57 a.): huic responsioni otmiandunt es! primum ratione, in
quantam hominis ratio patttur, deinde auctoritatcæ non qualibetl sed ratione dum
taecatv quae sata auctoritas cst solaquc inmiobitcm obtinet finnilalcm. Also Bitter
muthet seinen Lesern deri Unsinn zu, Fred. wolle erstens rationc, und zweitens
auctoritatei aber letzteres eben doch wieder nur ralione, verfahren. Aber hune
Ritter nur nicht allzu flüchtig gelesen, so hätte er aus mehreren weiter unten fol
genden Worten (p. 57 a.: ad divinam auctoritatem recarrere libet1 quae est rationis
munimen et stabile firmamentunu p. 57 b.: cccc invicta auctoritas ratione comitata
et ratio quoque auctoiitatem con/ossa faciamus palam pauca divina testimonia
odyreganh's. p. 58 a.: haec pauca ratione simul et auctoritate congesta scribere
curat-ij sehen müssen, dass ratio und auctoritas auch hier den tausendfaltig vom
kommenden theologischen Dual rcpräisentiren, kurz, dass in obiger Stelle anstatt
des zweiten „ratione“ natürlich ‚.rcrelalione“ zu lesen ist. i —
74) Demnach verspüren wir auch in dieser Hinsicht Nichts von „tieferem
philosophischen Nachdenken“ oder von „eigenen Wegen“ des Fredegisus. Vgl.
oben Anm. 44. u
75) p. 57 a.: omne nomen finilum aliquid siyni/icaty ut homo, lapis‚ lignum;
haec enim ubi dicta fuerinll simul res quas signi/ftani intelligimus igitur „m'
In'l“ ad id quod significat refcrtnr...... onmis siynilicatio eius significatio (die
letzteren zwei Worte fehlen im Texte) es!‚ quod est,‘ „nihi!“ auti-ni aliquid signi
fical; igitur „nihi!“ eius siynihcatio est. quod esty id est rei existentts.
76) Ebend.: universa ecclesia coafilelur divinam potentiam operatam esse
et nihilo terram aquam nam et ignem etc. ......si ergo haec humana ratione
comprehenderc nequimus, quomodo ubliuebimus, quantum qualeve sit illudy unde ori
ginem ycnusque ducunt ' _ h
77) Ebend.: oni dicit tenebras esse, rem constituendo ponill ....nam verbum
XIII. Rrabanus Maurus. 19
sich hervorheben, dass Fredegisns einen Rückhalt an dem, theologischen
Begriffe des „Wortes Gottes“ besitzt (s. Anm. l2'2l'.). 'Uebrigens vergl.
über jene beiden Begriffe auch unten Anm. 133 II'.
An den Namen des Hrabanus Maurus (geb. 776, gest. 856)
wurden allerdings in neuester Zeit Producte geknüpft, deren Eines von
den bisher betrachteten sehr abweicht. Es sind diess glossirende Com
mentare, deren Besprechung jedoch jedenfalls erst weiter unten mög
lich ist; nemlich selbst Wenn es aus inneren Gründen für wahrschein
lich gehalten werden könnte, dass wirklich Hrabanus sie verfasst habe,
so müsste ihnen dennoch hehufs einer richtigen Deurtheilung ihre Stelle
erst bei der Darstellung jener Bewegung angewiesen werden, welche
durch die Anschauungsweise des Scotus Erigena hervorgerufen wurde.
Somit schien es, da die Identität des Autors sich als sehr zweifelhaft
erweist, räthlicher zu sein, dass wir das Wenige, was sicher dem tira
banus angehört und zugleich den bisher erwähnten Schriften verwandt
ist, gleich hier in Kürze vorführen, hingegen jene neuerdings gefundenen
logischen Traetate erst 'nach der Besprechung des Scotus einreihen
(Anm. 1914 III). Zunächst demnach gehört aus den schon längst be
kannten Werken des Hrabanus 78) ein Abschnitt der unter dem Titel
„De universou verfassten Eucyclopädie hieher, in welchem mit der
Ueberschrift „De philosophis“ 'die Eintheilung der Wissenschaften nltd
der Philosophie aus Alcuin (ob. Anm. ‘54, d. h. eigentlich aus Isidor,
s. Anm. 27) wiederholt und somit auch ausdrücklich gesagt wird, dass
die Logik sich in Dialektik und Rhetorik spalte 79). Sodann aber köunnt
Rrahanus auch in der Schrift De institutione clen‘corum auf die sieben
freien Künste zu sprechen, und nachdem er dort schon im Allgemei
nen die Theologen vor Missbrauch der Disputirkunst gewarnt hat so)‚
ist diese Vorsicht ihm auch da das Ueberwiegende, wo er in der üb
lichen Reihenfolge (nach Grammatik und Rhetorik) nnn de Dialectica
selbst spricht; er wiederholt nemlich vorerst die. Definition der Dialek
tik, welche von lsidor und Alcuin her die übliche war, und knüpft
daran allerdings den Ausspruch Augustins, dass die Dialektik zu wissen
wisse 8'), aber er will die Uebung derselben nur auf den Kampf gegen
substantiae (d. h. vesti-tj hoc habet in natura, ut cuicunque subiecto fuerit iunctum
sine negationel eiusdem derlaret substantiamg igitur in eo quod dictum est „leneln'ae
erant super faciem abyssi“, res constituta est, quam ab esse nulla negotio separat
aut diridiL Hierauf folgt noch eine Menge von Bibelstellen, in welchen von der
Finsterniss die Rede ist, wobei natürlich die bekannte greifbare ägyptische Finster
niss diesem Realismus als der willkommenste Beleg sich darbietet (solcher Art ist
also die gepriesene „Vernunft-Auctoritüt“ des Fredegisus).
78) Hrahani Mauri Opp. ed. Colvencr. Cola”. 1627. fol. 6 Bände.
79) D. univers. XV, l. (l, p. 201.): Logica autem dividitur in duas spesies,
hoc est diatreticarn et rhetoricam.
80) D. instit. eten III, I7. (VI, p. 40.): Sed disputationis disciplina ad ont
nia genera quaestionum quae in litteris sanctis sunt penetranda et dissoluendav plw
rimum valet; tantum ibi cavenda est libido rizzandi et pueritis quaedam ostensio
decipiendi adversarium
81) Ebend. c. 20. (p. 42.): bialectica est disciplina rationalis quaerendiy dif
finiendi et disserendi ,_ etiam vera a falsis discernendi polens; haec ergo disciplina
disciplinarum est, haec docet docere scit scire sola et scientes facere non so
lum im“, sed etiam potent. S. Abscbn. XII, Anm. 18.
2!
20 Xlll. Scotus Erigena.
die Häretiker beschränkt wissen, und fügt darum sofort‘gleiehsam zur
Warnung obiges Beispiel eines sophistischen Schlusses aus Alcuin (Anm.
71) an S2), worauf noch an einer neutestamentlichen Stelle die Möglich
keit gezeigt wird, dass unwahre Sätze m eine wahre Verbindung kom
men, und dann sogleich der die Dialektik betreffende Abschnitt abge
schlossen wird, um auf die nüchstfolgende Kunst (die Mathematik)
überzugehen 83). . - m
Wahrscheinlich im '9. Jahrhunderte war nun wohl auch eine theo
logische Schrift, nemlich Pseudo-Boethius De Trinitate, entstan
den, welche im lnteresse der Dogmatik auf einzelne Momente der Logik
einlässlicher eingeht; indem wir jedoch uns vorbehalten müssen, das
Nöthige über dieselbe erst bei jener Zeit anzugeben, in welcher man
sie hervorzog und in eine nähere Verbindung mit logischen controver
sen zu bringen begann (folg. Abschn.‚ Anm. 35111), wenden wir uns
zu dem hervorragendsten philosophischen Schriftsteller des früheren
Mittelalters. ‘55
Welch bedeutenden Einfluss Johannes Scotus Erigeua Geb.
zwischen 800 und 815, gest. zwischen sn u. 875) im Allgemeinen
auf die Theologie seiner Zeit und der nächstfolgenden Jahrhunderte
ausgeübt habe, ist bekannt”); vielleicht aber gelingt es uns, wofern
wir diesen schwierigen Schriftsteller richtig verstanden haben sollten,
ihm auch für die Geschichte der Logik eine entscheidende Stelle zuzu
82) Ebend.: Quaproplcr oportet clericos hanc artem ut subtiliter haereticorum versutiam hac possint dignosccrc enoorbuimlqiusesimdaicmtascivreeneticu
tis syllogismorum conclusionibus confutare. Sunt enim multa quae appellantur so
phixmata . proposuit enim quidam dicens ei cum quo loquebatur „quer! ego sonu
tu non es“ etc. .
83) Ebend.: Sunt etiam verae conneziones ratiocinationis falsas habentes sen
tentias non enim vera infcrebat apostolus (Paul. ad Cor. l, 15, 14—17.) cum
diceret nneque christus resurrexil“ et illa alia „inum's est fides noslmj, inanis est
et praedicatio nostra"; quae onmino falsa sunt . . . . .. falsum est ergo quod prae
ecdit, praecedit autem non esse resurrectionem mortuorum . Cum ergo verae siut
connezioues non solum vcrarum sed etiam falsarum sententiarumy facile est verita
tem connezionum etiam in scholis illis discere, quae praeter ecclesiam sunt, senteu
tiarum autem veritates in sanctis libris ecclesiasticis investigandae sunt. Ueber
haupt ja theilt Hrabanus jenen Standpunkt seiner Zeit, wornach die heidnische
Litteralur an sich als verwerflich gilt (d. instiL cler. lll, 20) und auch die sieben
freien Künste im Vergleiche mit der „bescheidenen Bildung“ des Klerikers weit
zurückstehen. conmian in Ecclesiast. Vlll. 11. (Vol. lll, p. 484.): Septcm ergo
circumspectorcs philosophiae liberalium artium sunt tratlitorcsl sati magis vera esse
in omnibus claret catholici viri modesta doctrinal quae in divinis libris consistit.
quam omnis philosophorum multiplex in dis-putando et in argumentanda solet-tta
84) Es haben ja selbst lheologiäche Controversen, welche sich an Scolus
anknüpfen. uns aber hier nicht.berühreu, ihren starken Reflex auch in der neueren
Litteratur gefunden, indem gegen Fr. Ant. Staudenmaier (Joh. Scotus Erig. u. d.
Wissenschaft s. Zeit, l. Th. Frankf. 1834.) und Saint-ltene Taillandier (Scol Eri
gene et la'pliilos. scolaslique. Strasb. 1843.) Nie. Müller (J. Scot. Erig. u. s. lrr
lhunier. Mainz 1844.) auftrat. Uehrigens ist auch in der jüngst erschienenen
Schrift von Theod. Christlieb (Leben u. Lehre d. Joh. Scotus Erig. Gotha 1560),
welcher in den abenteuerlichsten Gedankensprüngen den Scotus mit Spinoza,
Fichte. Schelling. Hegel u. s. w. in Verbindung bringt, die logische Seite des Scoe
tus kaum mit etlichen Worten berührt. — tm Folgenden citire ich nach der Aus
gabe von H. J. Floss (Pur. 1853,_ als 122. Band der Miyne’schen Patrologia).
Xlll. Scotus Erigena. v 21
weisen; denn es scheint bezüglich des logischen Standpunktes, auf wel
chem sich Scotus befindet, immerhin noch kein erschöpfendes Urtheil
gefällt zu sein, wenn man ihn lediglich als Realismus oder etwa auch
als extravaganten Realismus bezeichnet, sondern mil der realisti
schen Auffassung, welche im Allgemeinen auf der‚biblisch-theologischen
Anschauung beruht, und welche dem Scotus abzusprechen natürlich Nie
mandem in den Sinn kommen kann, verbindet sich hier höchst eigen
thümlich ein dialektiscbes Motiv, welches uns dadurch von grfisstem De
lange zu sein scheint, dass ‚wir in demselben die ersten Umrisse des
seholastischen Nominalismus erblicken.
Das Erste, was sicher jedem Leser des Scotus in die Augen springt,
ist die streng syllogistisehe Form, in welcher dieser Schriftsteller sich
bewegt, dabei zugleich, so zu sagen, seine logischen Schulkenntnisse
zur‚Schau tragend. Wir würden zwar an sich dieses nicht besonders
erwähnen, da unsere Aufgabe hier nicht ist, etwa sfunmtliche logisch
geschulten Schriften aller Kirchenvater oder mittelalterlichen Theologen
zu registriren; hier' jedoch besteht, wie uns dünkt, zwischen s‘olchem
äußerlichen Schulwissen und der inneren Auffassung ein enger Zusam
menhang. Scotus Erigena wendet offenbar in der Ueherzeugung, dass
- die Syllogistili gerade in ihrer streng schulmässigen Form einen „philo
sophisehen“ Werth habe, all dergleichen Dinge an. So erscheint bei
ihm, - abgesehen von der häufigen und reichlichen Erörterung der Ka
tegorien in theologischen: Sinne —‚ z. B. aus der Lehre vom Urtheile
die‘Eintheilung in bejahende und verneineude, und zwar mit der Be
zeichnungiaffirmativus und abdicativus 85), oder die Angabe der ver
schiedenen Arten der Gegensätze Sß), unter welchen der sog. contra
dictorische noch öfters besonders hervorgehoben wird 87), sowie die
85) Was die Kategorien betriflt, bei deren Gelegenheit Scolus einmal (d. di—
vis. nat. l, 51, p. 493.) das 10. Cap. aus Ps.-August. Categ. ausschreibt, s. das
Nothige unten Anm. m ll‘. Bezüglich des Urlheiles s. z. B. d. die. nat. l, 14, p.
462.: Et hoc (d. b. die 350).an zuzaifanxr‘l und '8wloylu durat/anxii des
Pseudo-Dionysius Areopag.) brevi concludamus exemplar uessentia esl“ a/firmatio;
„essentia non es!“ abdicntio; „superesscnliulis es!“ animalia simul et abdicatio.
Diese Terminologie, welche bei Scotns noch ofter erscheint, weist entweder auf
die Vermengung zurück , welche wir bei Cassiodor trafen (Abschn. xm Anm. liii
u. 181.), oder Scotns selbst vermischte die Redeweise _des Boethius mit jener des
Marcianus capella (s. ebend. Anm. 64.). '
86) Ebend. 13, p. ibam oppositum ilico aut per privatirmem aut percon
trarietatem aut per relationcm (dass hier atti per negalionem im Texte ausgefallen
sei, zeigt die sogleich folgende Erklärung) aut per absentiam ‚ . . . .. nam opposita
per relationem ita sibi semper opposita sunt, ut simul et inchoare incipiant et si
mul esse desinant, dum eiusdem naturae sint, ut simplum ad duplumg aut per ne
gationem, ut 0st, non cst; aut per (zu lesen propter) qualilalcs naturali-s per ab
senliam, ut lux atque tcncbrac, aut secundum privationemy ut mors et in'ta; aut
per contrariuml ut sanitas et inilmcillims. Scotus schöpfte hiehei aus der nemli
cben Quelle wie lsidorus (s. oben Anm. 41.), nur entnahm er aus den Worten des -
Boethius ungeschickter Weise eine Unterscheidung zwischen privatia und absentia.
87) D. pracdcst. 5, 8, p. 378.: Aut quomodo de eodem voluntate posset si
mul dici „libera esl‚ libera non esl"; iutcr enim contradictorie dinmlur, quia si
mul lieri non possunt D. divis nat. IV, 5, p. 756.: contrarlictoria proloquia firnt,
et necessario imum erit veruml alterum fclsum; non enim aut simul vero possunt
ein aut simul falsa cantradictoria proloquia de subiecto eudem, sive universaliter
.5
‚su‘
lxxiii-i
m ‘ Xlll. Scotus Erigena.
gegensätzlichen Verhältnisse, welche zwischen dem Möglichen und dem
Unmöglichen bestehen, erwähnt werden 81‘). Auch die übliche Aufzäh
lung der mehreren Arten der Definition findet sich berücksichtigt 89).
Hauptsächlich aber sind es die Formen der Argumentation, welche 'Scn
tus eben nach der formellen Seite so häufig hervorhebtgo), und wir
trefl'en bei ihm an vielen Stellen nicht bloss Syllogismen, welche voll
ständig schulmässig formulirt sind, in den Text verwoben“), sondern
er nennt auch sehr gerne Schlüsse, welche der Topik angehören, mit
ihrem technischen Namen 92). Gerade aber in letzterer Beziehung ist es
uns von gi'osser Wichtigkeit, .dass Scotu's das eigentlich dialektische
Verfahren, d. h. den Syllogismus überhaupt, genau von dem übrigen
hloss rhetorischen Gebiete unterscheidet und für die Beweisführung auf
die logische Form allein das entscheidende Gewicht legt. Nemlich zu
nächst wird von ihm schon Jene Formuliruug des disjunctiven Schlus
ses aufs höchste geschätzt, welche als enthymema von cicero her sich
in der Tradition erhalten hatte und hicdurch auch in lsidor’s Encyclo
pädie Eingang fand (s. oben Anln. 43, und die Wiederholung hieven
bei Alcuin Anm. 70), und es erblickt Scotus in der That in dieser
Schlussform den Höhepunkt aller „argumenta“, welche zwar immerhin
noch an die „signa ooealiau gebunden aeiennala ja die Macht der Form
sint sive particulariten Hier ist, wie man siebt, die Terminologie des Boethins
(oontradielon‘us, s. Abschn. Xll, Anm. 113.) mit jener des Marcianus capella (pro
loquium, s. ebend. Anm. 6‘2.) t'crmischt. (Nach Labllt‘, bibl Msscr. nam p. 45, soll
Scotus den Marc. capella commentirt haben; ausdrücklich erwähnt und benützt
hat er ihn bei der Kosmographic, d. die. naL lll, 33, p. 719.).
88) D. divis. nat. ll, 29, p.597.: Possibilia quoque et impossibilia in numero
rerum computan', nemo recte pbilosophantium contradiret.....be quibus quisquis
plene voluerit perciperel legal nagi Sgpquctug hoc est dcinterprelulione, Aristote
lcm, in qua aut de Iiis sobs, hoc est possibilibus et impossibilibnst aut maxime
a philosopho disputatum est. Es versteht sich von selbst, dass das GanZe aus
boethius entnommen ist (s. Abschn. Xll, Anm. 119.). Qfl'ii‘m -
89) Ebend. l, 41, p. 483.: Quamvisquc multae definitionum species quibusdam
esse aideanturi sola ac aera ipsa dicenda est definitiv, quae a graecis 066101an,
a nostris vero essentialis vocari consuevitg aliae siquidem aut connumerationes in
telligibilium partium violas ant argumentationes quaedam extrinsecus per acciden
tia aut qualis-cunque sententiarum species suntg sola vero aüouu'd‘qg id solum re
eipit ad definiendum, quad perfectionem naturam quam definit, complet ac pcrficit.
Es kann diess aus Alcuin (s. oben Anlr. 6‘211) oder aus lsidor (oben Anm. 38 f.)
oder aus Boethius (Abschn’. Xll, Anm. 105.) geschöpft sein.
90) Ucrartige Stellen bewegen sich in jener Terminologie, welche bei Boe
thius die übliche ist; so z. B. affirmutivus, negativus, lcrmini, dialeclica proposi
tio, formula syllogismi conditionalis. auch connezio (s. Abschn. Xll, Anm. 141.)
und sogar tropus (s. ebend. Anm. 119.); ausserdem finden wir noch collectio und
reflexiv/i, welche dem Apnlejus (s. Abschn. X, Anm. 15. u. 19.) angehören.
91) So z. B. d praedesL 14, 3, p. 410 ; ebend. 16, 4, p. 420. d. die. riet.
l, 49, p. 491. s. auch Anm. 94 11‘. '
92) Z. B. d. div. nat l, 27, p. 474.: sunt loci dialectici a generv, a specie,
a nominey ab uulcccdcnlilms, a consequentibusl a contrariisy ceterique Imiusmodi, de
quibus nunc disserere longum cst. I). pruedcsl. 2, 2. p 3152.: aryumcnlum, quod
ab rfl'ectibus ad causam sumitur (ebenso ebend. 3, 2, p. 3155.). Ebend. 9. 7, p.
sea locus a contrario und locus a .vimililudine, u dgl. öfters. Die Kenntniss
aber all dieser Topcn konnte Scotus lediglich aus Cassiodor schöpfen.
93) I). praedesL 9. 3, p. 391.: lit-stant ca, quae contrarictatis loco suriiunlur,
quibus tanta ris inest significandi, ut quodam privilegio excellentiae suae merito ‘a
XIII. Scotus 'Erigena. ' 23
veranlasst ihn, das Enthymelna sofort als „.syllogismus“ zu bezeichnen”),
und an einer anderen Stelle, wo er ausdrücklich sagt, sich der «ino
- dsmrm'r‘] bedienen zu wollen, folgen lediglich Beweise in eben jener
disjunctiveu Form obli uber zugleich weist er denuoeh den Formen des
so". kategorischen Schlusses entschieden eine noch höhere Stellung eben
deswegen an, weil dieselben nicht zu dem Getriebe der änsserlich
wirksameren rhetorischen Argumentation gehören 96). Dass aber dieses
Uebergewicht der syllngistischen Form auch bald von den Lesern des
Scolus als solches empfunden wurde, ist uns durch ein vollgültiges
Zeugniss bestätigt, indem ein Anonymus des 9. .lahrh. (s. unten Anm.
163) sagt, nach der Ansicht des Scotus bestehe die Dialektik in einem
beständigen Nacheilen und Sichvcrjagen (fuga et insecutio, vgl. unten
Anm. 204) der Sätze”). —- Uebrigens konnte Scolus auch die Kennt
graecis cnthymcmata dicanturl lioc esl concoptiones mcntis sicut ergo argumcn
tornm omnium fortissimum cst illudl quod sumitur a contrario1 ita omnium signo
rum vocalium aptissimum est, quod ducitur ab eodem contrarietatis loco. Ebend.
10, l, p. 393.: Reste! considerare locum. qm', ut praedixtmusj a dialecticis ac rhe
toricis enthymema uocaturl a grammaticis vero xar‘ dyiiqpmhyy et est omnium
argumentorum signorumque vcrbalium nobilissimus. S. auch Anm. 96 am Schluss,
ul vgl. Anm. 189.
94) I). praedesL 3, 3, p. suas Ouae ratio enthymematis argumenta cancludi
lur, quod semper est a contrarioy cuius propositio talis est (nun folgt ein Schluss
nach der Form Non est et A ct B, A autem ext, ergo B non cst1 s. Abschn. VIII.
Anm. 60. u. Abschn. XII, Anm. 13. u. 69.) ldcm quoque syllogismus hoc modo
conncctitur (ebenso).
95) Ebend. 4. 3, p. 371.: llla igitur rationis speciei quae dicitur dnodtmnxih
utamur primum adversus cos . . .., worauf zwei Schlüsse in der so eben erwähnten
Form folgen und sodann mit den siegeshewusslen Worten geendet wird: conclu
sum est igitur..... via igitur regia gradicndum nec ad dexteram ncc ad sinistram
dicericndunh etc.
96) Nemlich bei einer längeren Beweisführung betrefl‘s der Immaterialitat der
Substanz, d. die. nat. l, cv lf.‚ finden wir zunächst (47, p. 489.) nach den einlei
tenden Worten Iias itaque paucos de pluribus dialecticas collectiones considero zwei
kategorische Schlüsse nach dem l. Modus der l. l-‘igur, sodann folgt eine Argu
mentation in dilemmatischer Form (48, p. 490.); nach dieser aber steht folgen
dor Uebergaug (49, p. 49011): Ul autem plane cognoscasl . liane argumcntationix
accipe spccienL Accipiaml sed prius quandam formulam praedictae argumcnlationis
fieri necessarium video; nam praedicta ratiocinatio plus argumentum a contrario vi
detur esse, quam dialectici syllogismi imagu. Fiat igitur maxima propositio Sie:
und nun folgen vier SleOnglDt'll nach dem 2. Modus der l. Figur mit den ab—
schliessendeu Worten: haec formula idonca cstj unmittelbar hierauf aber: Hoc etiam
ccrta diatectica formula imaginari oolog fiat itaque formula syllogismi conditionalis.
was in der Form Si A ext, B 0st, A vero est geschieht; und nach all diesem
steht zum eindringlichen Abschlusse noch ein Enthymi-ma: Si autem lyduyrjya-i
rog, hoc est conceptionis communis animi syllogismunu qui omniam conclusionum
principatum olztinetl quia ex his quae simul esse non possunt assumitury audire dc
siderasy accipe huiusmodi formulam (wie oben Anm. 94.).
97) Bei V. Cousin, Ouvr. inc-d d’Aböl. p. 619.: Sccundum vero ioannem Scot
tum est dyalectica quaedam fuga et insccutiog ut cum quis dicit „onim's honcstus
ext“, et insequitur alius diccndo „omnis honestas non est“, talis haec disputatio
fugae et insccutioni vidotar esse consimilis. Wenn übrigens schon der i. J. S21
gestorbene Abt Benedict von Aniane über einen „syllogisnuis delusionis apud mo
dernos scliolasticas1 maxime apud Scotosu klagt (Baluzi MiscelL cd. Mansi, II, p.
97.), so darf hieraus nicht etwa geschlossen werden, dass Scolus seine dialektische
Gewandtheit aus einem in Schottland weilverbreiteten Schulhetriebe der Logik
— ‘__\ w». r .
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24 XIII. Scotus Erigena.
J
niss der von ihm angewendeten syllogistischen Formen lediglich aus
isidorus (oben Anm. 38) schöpfen, und es nöthigt uns keine einzige
Stelle zu der Annahme, dass er etwa auch des Boelhius Ucbersetzung
der aristotelischen Analytiken gekannt habe 93).
Eben diese Momente aber, welche gleichsam der logischen Praxis
des Scotus angehören, leiten uns auch auf desselben theoretische An
sicht bezüglich der Dialektik hinüber. Im Allgemeinen wohl theilt er
hierin die Anschauungen seiner Zeit, wonach die Uebung der freien
Künste zwar als etwas Lobenswürdiges erscheint”), zugleich aber es
dabei auf die Gesinnung ankömmt, indem namentlich die Dialektik,
welche leicht missbraucht werden könne, ihre wesentliche Aufgabe bei
Bekämpfung der Ketzer finde 100). Aber bei Scotus, welchem ja durch
gängig Religion und Philosophie selbst identisch sindwl), muss eben
deshalb die Logik auch noch etwas Höheres sein, als blosses äusserli
ches Mittel zum Zwecke, kurz sie muss ihm als Form seiner Philoso
phie gelten, und hierin liegt nicht bloss der wesentlichste Vorzug des
'Scotus vor einem lsidor oder Alcuin u. dgl.‚ sondern auch, wie uns
dünkt, die Ursache seines Einflusses, sowie jener Verketzerung, welche
ihn später als einen Hort der Nominalisten traf (s. unten Anm. 3l2f.).
Dass nun die Philosophie des Scotus dennoch auf einem, so zu sagen,
christlichen Platonismus beruhe und zugleich in ganz vernünftiger Weise
auf einen Pantheismus auslaufe, ist theils bekannt, theils ausserbalb
unserer hiesigen Aufgabe gelegen. Aber wie sich hiebei die prim-i
pielle Auffassung der Logik gestalte, müssen wir versuchen in’s Reine
zu bringen mm i
Die Scriptura divina ist es nach dem Standpunkte des Scotus,
„u.
' ruv
habe schöpfen können, sondern jene Klage bezieht sich lediglich auf einen einzel
nen dogmatischen Gegensatz (betreffs der Trioitat), welcher ebenso wie hundert
andere dergleichen in seiner Formulirung als syllogismus bezeichnet werden kann.
98) Da uns dieser Punkt noch öfters (s. Anm. 156, 183, 196, 209. 253, 258,
277, 258, 310, 363.) von Wichtigkeit sein wird, musste ich absichtlich im Bishe
r rigen so ausführlich auf die logischen Quellen des Scotus hinweisen.
99) D. praedest. 18,1, p. 430.: Errorem sacvissimum corum (d. h. seiner dog
matischcn Gegner) es; milium disciplinarum, quas ipsa sapientia suas comilcs
investigatricesque fieri rolmt (vgl. oben Anm. 50.), ignorantia crediderim sumpsisse
primordia An einer anderen Stelle, d. div. nat. I, 27, p. 475, werden sämmtliche
sieben Künste definirt; s. unten Anm. 106. ‚
100) 0. pruedest. 1, 2, p. 358.: disputmidi disciplinae regulis necessario uli
iubemar, dum adversus quendam saphrophilum (zu lesen saprophilosopham], nomine
Gotescalcum (bekanntlich der IIauptgeguer des Scotus) respondere compellimnr.
Ebend. 7, 1, p. 382.: l'atesl enim aliquis in disciplina disputaudi, quae dicitur
dialectica. peritus, quae nullo dubitante a deo homini danatur, si volucrit, bene uli
potest e contrario pemiciosc uti, ad quod non est data, dum falsa pro veris
approbans alios in errorem millal fulsisquc ratiocinationibus simplicium sensus cou
fundat’ etc. (vgl. oben Anm. 80.).
101) Ebend. l, 1, p. 358.: con/icier indel veram esse philosophiert: veram
religionem conversimque veram religionem esse veram philosophiam Bekanntlich
zieht sich diese Auffassung durch das ganze System hindurch.
102) Wenn z. B. II. Ritter, Gescb. d. Phil. VII, p. 222, bei Scotus viele Wi
dersprüche erblickt und meint, „an ein methodisches Ve'l‘fahren sei natürlich hie—
bei nicht mehr zu denken“, so ist diess sehr irrig, denn Alles löst sich, sobald
man nur genauer zusieht.
il
XIII. Scotus - Erigena. 25
welche als ihre vier Theile in aufsteigender Rangfolge, entsprechend
den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft', Feuer) in sich die Geschichte,
die Ethik, die Physik, und die Theologie enthält 105‘), und sowie wir
hiebei einerseits uns auch an die Auffassung bei lsidor (ob. Anm. 24)
erinnert fühlen, so müssen wir andrerseits zugestehen, dass für eine
derartige aufwärtssteigende Linie erst mit einer geistigen Erhebung über
das lediglich Factiscbe der Geschichte der Weg zur „Weisheit“ betre
ten werde, sowie dass die feste Form eines solchen Ringens nach
Weisheit sicher für den ganzen Weg, welcher bis zum höchsten Ziele
durchlaufen werden muss, die leitende Führerin sei. Somit ist es uns
sehr wohl verständlich, wenn Scotus anderswo die eigentliche „sophia“
in die praktische, die physikalische, die theologische und die logische
eintheilt, und der letzteren die „Regeln“ zuweist, nach welchen man
sich bei den „Erörterungen“ in jeder der drei anderen Arten der Weis
heit bewegen soll 104). Handelt es sich aber hiemit bei jeder Weis
heit um irgend Kundgebungen, welche in menschlichen Worten bestehen,
so hat die Logik oder — wie sie Scotus übrigens stets nennt — die
Dialektik jedenfalls Eine Seite, nach welcher sie mit dem Wortaus
drucke verflochten ist, während sie andrerseits ihre wesentliche Aufgabe
darin besitzt, dasjenige zu erforschen, was Scotus (in realistischem
Sinne) die „Natur der Dinge“ nennt. Er spricht sich nemlich über die
ses ganze Verhältniss sehr klar und entschieden aus, wenn er sagt,
Grammatik und Rhetorik seien Gliedniassen oder Zweige oder wenig
stens Werkzeuge der Dialektik, durch welche sie ihre Entdeckungen
kundgebe und unter Menschen verwerthe; die Grammatik nemlich ent
halte die Regeln der kundgebenden „vom“ selbst, welche nach Aristo
teles nur auf Gewohnheit beruhe, die Rhetorik hingegen handle entwe
der über specielle Fälle uml Verhältnisse, oder bespreche allgemeine
Gesichtspunkte (loci communes), welche scheu in der Natur der Dinge
liegen, daher im letzteren Falle die Rhetorik bereits die Rolle der Dia
lektik übernehme; somit seien Grammatik und Rhetorik durchaus nicht
principlos, wohl _aher bestehe ein relativer Comparativ in der Stärke
der Beweise, je nachdem dieselben mehr aus-der Natur der Dinge ent
nommen seien, und die höchste Stufe liege dann vor, Wenn die Seele
innerhalb ihrer selbst ohne das Geräusch des Sprechens oder der Rhe
torik über die Technik der übrigen Disciplinen nachdenke '05). Durch
103) Homil. in Ev. 10mm. p. 291.: Divina siquidem scriptura mundus quidam
est intelligibilis. suis quatuor partibus veluti quatuor clementis coustitutus. Guiuji
terra es! veluti in medio imoque instar crnlri his!oria, circa quam aquarum simili
tudine abyssus circum/auditur monitis intelligenliae, quae a yrurcis elliirc solc! ap
pellari,‘ circa quas, historiam dico et ethicaml veluli duas prae/ali mundi iuferiores
parti-si aer ille naturalis scimliae circunwatuiturl quam, naturalem dico scicnh'am,
graeri vocant physicen; extra haec omnia et ultra arthereus ille igncusque ardor
empyrii ceeli, hoc es! superat conlemplationis diuinac naturam quam graeci theolo
gimu nomiuantj circumglobatury ultra quam nullus egreditur iutrtlectus.
10-1) D. div. nal. III, 29, p. 705.: interitus prospiciat quadri/ormcm sophiac
divisionem; et es! quidem prima ngnxrim), adieu, secunda rpualxih naluralis, ter—
tia Schloylre, quae de deo dispulal, quarta loynerj, i'ulianalis, quae ostenditl qui
bus regulis de unaquaque lrium aliarum sophiae partium disputandum
105) Ebend. V, 4, p. 569 f.: Cum ex liberalibus disciplina prae/alas aurata
26 xm Scotus Erigena.
diese deutliche Erklärung können wir jetzt den Inhalt obiger Anm.
92—96 vollständig verstehen, denn nun wissen wir, warum bei Scotus
die loci communes der Topik eine Bedeutung erhalten (s. auch unten
Anm. 132), und warum der im Enthymema liegende locus des Gegen
satzes, welcher ja innigst in die „Natur der Dinge“ verflochten ist (man
denke auch an die affirmative und negative Theologie des Pseudo-Dio
nysius, welche Scotus adoptirte), vor Allem als der wichtigste und
stärkste bezeichnet werde, und warum endlich dennoch über das enthy
mema hinaus an Reinheit des Gedankens der eigentliche Syllngismus_
hervorrage, welcher von allem rednerischen Gepränge frei ist. Kurz
die Dialektik hat bei Scotus eine Stellung, gemass deren sie unweiger
lich auf die äussere Kundgebung (vom) und auf die menschlich gefass
ten Gemeinbegrifl‘e (conceptus communes) eingehen muss, zugleich aber
aus diesem Gebiete zum höchsten rein_en Wissen führen soll, und wenn
Scotus die Dialektik als „die Erforscherin der vernünftigen Gemeinhe
grifl‘e“ definirt‘°“)‚ so fasst er hiemit nach seiner Grundansicht in
Kürze eben jene zwei Seiten zusammen, nemlich einerseits die Ver
wandtschaft der Logik mit der Rhetorik, welche die Technik der in
Worten auftretenden Erörterungen istic-m und andrerseits das hohe
Ziel, zu welchem die in den Worten ausgesprochene Vernunft geführt
Pins
ris argumentatimzes, cur grammaticum et rhetoricam praetcrmiseris, non satis video
Primum quidem quia ipsae duae artes veluti quaedam membra dialecticae
multis philosophis non incongrue ezislimanturg deinde brcuitalis causa. Postremo
quod non de rerum natura tra-clarc videnturi sed vel de mgulis humanae vocisl
quam non secundum naturam sed secundum consuetudinem loqui-ntiam subsisterc
Aristoteles cum suis sectatoribus upprobat (aus Boethius, s. Ahschn. Xll, Anm. 110.),
vel de causis atque personis specialibusy quod longe a natura rerum distatg nam
dum rhetorica de communibus locis ‚ qui ad naturam rerum pertinsntl tractare niti
lur, non suas sed dialcclicac arripit partes. Hoc autem dit-ol non quod omnino
grammatica et rhetorica suis veluti principiis caruerinl, . . . . .. sed quod calidior-is
vigoris siut ad approbandas vel ncgandas quaesliones, quae dr rerum incertarum
inquisitionibus fiunty argumenta ex natura rerum sumptul quam u: humanis incen
tionilms excogitata .. Cur itaque in numero libcralium disciplinarum computantun
si secundum naturam non siml, sed secundum humana machinamcutui Non aliam
ob causam uideo prarler quod matri artiuml quae est dialecticul semper adhaereanlg
sunt enim veluti quaedam ipsius brachia rivulivc ex ea manantcs vel certe instm
mentay quibus suas intelligibiles inventioncs humanis uitibus manifestat Potcst
enim rationabilis anima intra semctipsum de liberalibus disciplinis tractare absque
vocis articulatae disertacquc orationis strepitu (Bei Haure'an. De ta phil. scol. l,
p. 118f. findet sich bezüglich dieser Stelle ein schlimmes Missverständniss).
tom Ebend. l, 27, p. 475. (woselbst alle sieben Künste defiuirt werden):
grammatica est articulatac vocis custos ct modcratriz disciplina. lita-lorica est fini
tae causae septem periochis (nemlich persona, materiav occasionc. qualitatcj locol
temporey facultatej sagax ct copiosa dim'plina. Dmleclica cst communiam animi
conccptionum rationabilium diligens investigatrizqua disciplina. Die Bezeichnung
conceptio animi weist auf Boethius zurück, s. Abschn. Xll, Anm. 110.
107) D. praedesl. 1, 3, p. 358.: non incongrue regulis disputatoriae artis (s.
Anm. 112) utemur; cum cnim per artem rhetoricam et vera suadeantur et ['aLru,’
quis audeat diccre, adversus mandacium in dcfensoribus suis inci-mam debere con
sistere oerilutem. Uebrigens erklärt sich nun auch, sowohl dass (Anm. 92) das
Enthymemn allen drei Disciplioen, nemlich der Grammatik, der Rhetorik und
der Dialektik, zugewiesen wird, als auch warum bei eben jener Schlussform stets
von conceptio mentis (ebend.) oder cottccptio communis animi (Anm. 96. n. 105.)
die Rede sei. si
Xlll. Scotus Erigena. m
werden soll. — So also ist die logische Praxis bei Scotus im Einklangc
mit der theoretischen Auffassung.
Ergibt sich uns aber schon aus dem Bisherigen als Resultat das
anscheinend Widerspruchsvolle, dass Scotus, der; Platouiker und Anhän
ger des Pseudo-Dionysius, zugleich die Veranlassung zum Hervortreten ‘
einer nominalistischen Partei darbieten konnte, so scheinen die Belege
für diese eigenthümlichc Thatsache auch noch anderweitig sich zu ver
mehren. Was nemlich die nähere Darlegung der Aufgabe der Dialektik
bei Scotus betrill't, so linden wir allerdings zunächst durchgängig den
platonischen Doppelweg (s. Abschn. lll, Anm. 68) verquickt mit dem
Schul-Mechanismus der Tabula logica des Porphyrius oder Boethins (s.
Abschn. XI, Anm. 60 u. Abschn. Xll, Anm. 87 u. 9611.). Er bedient
sich hiel‘ür der Ausdrücke Ötmgsnm) (oder auch picto-uda und uin/alv
mnf ‘08), und sowie ihm sowohl in logischem als auch in ontologi
scliem Sinne erstere als das Herabsteigen vom Allgemeinen zum Indivi
duum gilt, so versteht er ebenso unter letzterer jenen Rückgang des
Individuellen, durch welchen es von seiner specielleu Gestaltung (forma)
befreit wird und zuletzt in die höchste Einheit (d. h. in Gott oder das
All) als aufgelöstes zurückkehrt 109); auch theilt er diesen Doppelweg
noch einmal zweigliedrig, indem er in einem quadrioium der Dialektik
von der dtougeum‘; zur dowum) gelangen und von da durch die davo
dsmum) erst zur dualvum‘g sich erheben will H1’), wobei wir sofort
M
108) D. hierarrh. coel. Die". 7, 2, p. 184.: nunc quippel partes sunt dialecti
cae disciplinam quarum una dimgenxil, altera drall/11m) nuncupntur. E! duu
pnnn‘i quidem divisionis vim possidcl; dividit namque maximarum generum unita
tem a summo usque deorsum, donec ad individaas species perveniat inque iis diui
sionis terminum ponat. Hl'alutnn) vero ex adverso sibi positae partis divisiones
ob individuis sursum versus incipiens perque eosdem gradus bquibus illa deserndil,
ascendens coneolvit et colligit easdemque in unitatem maximarum generum reducitl
ideoque reductiva dicitur scu rediliva. D. die. nat ll, 1, p. 526.: lii/idurth
vero de reditu dicitur dioisionis formarum ad principium eiusdem divisionis; om
nis enim divisio, quae a graecis ycgiaybg dicitur quasi deorsum descendens ab
uno quodam definito ad infinilos numerus videturj hoc est a gcneralissima usque
ad specialissimumg onmis vero recollectio veluti quidam reditus iterum a specialis
simo indicans et usque ad generotissimum ascendens ducti/tuin vocatum est igi
tur reditus et resolutio individuorum in formas, formarum in grneru, generum in
usiasl nsiarum in sapientiam et prudentiaml et quibus onmis divisio oritur in eas—
denique fim'tur.
109) l). hier. coel. Dion. 15, 1, p. 252.: Hvalunm) enim est disciph'na,
quae visibilium imaginum interpretationem in invisibilium intellectuum uniformitatcm
resolvit omni forma earentium ln Bezug auf Gott selbst kann das Herabsteigen
zum Individuum sehr wohl als Auflösung Gottes, sowie die Rückkehr ins Allge
meine als Apotheosc bqeichnet werden, und in solchem Sinne sagt Scotus, Pmef.
ad ambig. Max. p. 1195.: quomodo causa omniqu quae deus ectj una sit simplex
et multiplcx; qualis sit processiol id est multiplieatio divinae bonitatis per omm'a,
quae sunt, a summa usque deorsum . . . . .. et itemm eiusdemy divinae videlicet bos
nitatisj qualis sit reversio, id est congregatio per easdem gradus usque ad simpli
cissimam omnium unitatem . ita ut et deus omnia sit et omnia deas sintg et
quomodo praedicta quidem divina in omnia processio {malt/nur) dieilur, hoc es!
resolutio, renersio vero (Mumm, hoc es! deificntio.
110) D. pracdesl. 1, 1, p. 358.: bis binas partes principales ad omnem quaea
ltionem solvendam necessarios habcre dignoscitur (sc. philosophie), quas graecis pla
cuit nominare Jiulgenxri, damnati dnod‘eixnxri, iiimlunmis easdemque latia
28 XIII. Scotus Erigena.
erkennen müssen, dass für Scotus die Aufgabe der Dialektik, soweit
dieselbe als Technik der Erörterungen zumeist eine formale Seite hat,
hauptsächlich in die beidem mittleren Stufen falle, daher er ihr auch
insbesondere die Function des Definirens zutheilen kann m), denn inso
fern sie delinirtv erfasst sie die Substanz und findet in dieser sich wie
der auf die nach Oben und nach Unten gehende Stufenfolge der Ent
wicklung hingewiesen H2).
Eben aber diese Mittelstellung, in welche die technischen Manipu
lationen der Logik auf solche Weise gerathen, führt wieder zu einer
unverkennbaren Werthschätzung des Wortansdruckes, in welchem auf
jener Stufe die Vernunft sich bewegen muss. Sehr erklärlicli vorerst
ist es, dass auch Scotus für das dialektische Verfahren des Tbeilens
und Zusammensetzens ein erschöpfendes Ilegister in den aristotelischen
Kategorien erblickt, und er unterscheidet sich hierin weder von der
damaligen allgemeinen Schul-Ansichl noch von der Auffassung des Boe
thius “3). Auch sind ihm, wie sich von selbst versteht, die Kategorien
an sich selbst betrachtet etwas Unkörperliches H4), und sowie er sich
Iiter possumus dicere divisoriam, definitivam, demonstrativaml resolutioom. duarum
enim prima unum in multa dividendo segregot, secunda unum de multis definiendo
colligitl tertia per mani/esta aconita rlcmonstrando apprit, quarta composita in sim
plicia separando resolvit . . . . .. His enim tanquam utili quodam honestqu humanae
ratiocinationis quadricio ad ipsam disputandi disciplina, quae est veritasl omnis in
ea eruditus penvcniri non dubitaL
111) D. div. nat. I, 44, p. 486.: quid nos prohibet, definiendi disciplinam in
ter artes ponere adiungentes dialecticae, caius‘proprietos est, omnium rerum quae
intelligi possunt naturas dividere, coniwtgere, discernere propriosque locos unicuique
distribuere. Welche Bedeutung die loci für ihn haben, sahen wir so eben Anm.
105, sowie auch Anm. 95, dass zur änoduxrnn‘; der disjunctive Schluss gehöre.
112) Ehend. V, 4, p. 869.: Nonne ars illa, quae a graecis dicitur dialectica,
et definitur bene disputandi scientia (also auch hier wieder die Verwandtschaft mit
der Rhetorik, s. Anm. 107), primo omnium circa oüofav veluti circa proprium sui
principium versatury ez qua omnis divisio et mulliplicatio eornm, de quibus ars
ipsa disputat. inchoat per genera gcneralissima medioque gcnera usque ad formas
et species specialissimas descendens et iterum complicationis regulis per eosdem gra
das, per quos degrediturj donec ad ipsum orbatum ex qua egressa es!‚ perveniat,
non desinit redire in eam, qua semper appetit quiescere. _
113) Ehend. I, 14, p. me f.: Aristoteles, acutissimus apud graecos, ut aiunl,
naturalium rerum discretionis rcpertor, omnium reram, quae post deum sunt et ab
eo crea!ae‚ innumerabiles oarietates in decem universalibus generibus conclusit,
quae decem calcgorias. id est praedicamental aocavit. Nihi! em'm, ut ei eisam, in
multitudine craatarum rerum variisque animorum motibus inveniri potest, quod in
aliquo praedictorum generum includi non possit; haec autem a graecis vocantur
or’mla, nominis-1 mmiqu „90'; u, nia-acui 321;, nim/cy zgövag, flirirren',
nrtöei‘v, quae Iatialitcr dicuntur essential quantitas, qualilos, ad aliquid, situa,
habihis, locas, tempus, agerev pali lila pars philosophiaey quae dicitur dia
Iec!ico‚ circa horum generum divisiones a yeueralissimis ad specialissimo iterum
que collectiones a specialissimis ad generalissima vorsatur. Vgl. Abschn. XII,
Anm. 84 f.
114) Ebend. 33, p. 478.: Non te latet, nullam praedictarum catcgoriarumy
quas decem esse Aristoteles defiaivit‚ dum per se ipsam, hoc est in sua natura ra
tiunis contuitu consideratur (man beachte diese Beschränkung, s. Anm. 117), sen
sibus corporcis surcumbcre; nam oliv/a incorporalis cst nullique corporea sensui
subiocet, circa quam aut in qua aliae noi-em catcgoriue versanturz A! si illa incor
poreo ext, nam tibi aliter oidctur, quam ut omm'a, quae aut ei adhaerent aut in ca.
subsistunt et sine ea esse non possunt. incnrporea sint.
XIII. Scotus Erigena. ea
bezüglich der lmmaterialittlt der Universalien auf Boelhius beruft und
aus ihm den für das ganze Mittelalter bleibenden Grundsatz „universale
intelligitur, singulare sentitur“ aufnimmt llE'), so wiederholt er ausführ
lich aus Pseudo-Dionysius den Nachweis, dass essentia und corpus ganz—
lich verschieden seien und nie verwechselt werden dürfen‘lü); kurz
er ist grundsätzlich ein Gegner der „individuellen Substanz“ (des rode
u) des Aristoteles. Aber wir müssen bedenken, da‘ss bei Scotus das
gesammte Gebiet des Vielheitlichen (also auch zuletzt die Vielheit der
Kategorien selbst) in jenes Stadium fällt, wo das concrete Bestehen
eigentlich ein Nichtseiusollendes ist, denn die Vielheit ist durch 'I‘liei
lung aus der Einheit geflossen und hat wesentlich den Beruf, wieder
in die Einheit aufgelöst zu werden, wobei gerade die Mitte der Punkt
der grössten Entfernung sowohl von der ursprünglichen als von der
seliliesslichen Einheit sein muss. So ist die Gestaltung der unendlich
vielheitlichen Dinge der sinnfälligen Welt die erste Hälfte des l’rozes
ses gleichsam als Zertheilung Gottes (s. Anm. 109), und Scotus erklärt,
sich an gregorius v. Nyssa anscliliessend, das concrete Auftreten der
sinnfälligen Dinge und überhaupt die Entstehung der Materie durch ein
Zusammentreffen einiger Kategorien, in welchem dieselben durch die
Sinne erfasst werden können 117), wobei zugleich dann ähnlich wie
bei vorchristlichen Philosophen das Feuer für die sinnlichen Dinge als
fornigebend wirktus). Da aber nun eben diese Mannigfaltigkeit der
Welt es ist, in welche nach Scotus durch die Philosophie die göttliche
Einheit zerlegt werden soll (ömtaeumj), und aus Welcher wieder der
Rückweg zur Einheit zu durchlaufen ist coii/alvume so erhält jene
115) Ebend. ü], p. socia ouid ergo mirum aut rationi conlrariumi si simi
liter um'piamns, magnificum tioelhium- non aliud aliquid oariabilein rem intellezissi',
nisi corpus mater-late . . . . .. si aliter ros per se immutabites puro mentis contuitu
perspicit-ntur in sua simplicituttn aliter sensu corporeo in aliqua materia ez con
cursu earum facta compositae Ebend. Il, 24, p. 579,! omnia Imim‚ quae intel
lectus in ratione universaliter considemt, particulariter per sensum in rerum omnium
discretas cogniliones definitionequ partitur (also das ögiunxr‘w der speciellen De
finitionen fallt schon mehr dem Sensualen anheim). Die Stelle des Boelhius s.
Abscbn. XII, Anm. Sti. n. 91.
116) Ebend. l, 47, p. 489.: Scd adversus eos, qui non aliud esse corpus el
aliud corporis essentiam putant in tantum seducli/ ut ipsum substantiam corpoream
esse visibilcmque et tractabilem non dubitent quaedam breviter dicenda esse ar
bitror .. (p. non Ut autem firmius cognascas, obviam id est essentium, incor
ruptibzlem esse, lege librum sancli Dianysii Areopagitue de Diuinis Nominilms etcu
worauf c. 48—50. der ausgedehnte Beweis folgt.
117) Ebend. 34. p. 479.: Ouantitas vero qualitasquel silua ct liabitusy dum
inter se coeuntes materiam inngunl, corporea sensu percipi solent Magnus Gre
gorius Nyssaeus certis rationibus ila esse suadetl nil aliud dieens materiam esse,
nisi acoidentium quandam compositionem ez irwisibilibus causis ad visibilem malirianl
procedenlem.
118) Ebend. 52. p. 494.: formarum aliae in oüa‘z'a, aliae in qualitate intol
liyunt-ur. sed quae in oüdlu simt, substantiates species generis sunt . . . . .. Nenm
denegat ‚ ordinem atque positioncm naturalium partium seu membrorum ad qualita
tem referri formamque proprie vocari quae ex qualitate ignorat quae est calur,
corporibus innasritur .. et forma vocatur a forma; hoc est calido (s. Festus,
s. v. forma), conversa mum syllaba in ma, antiqui siquidem formam dicebant ca
lidum t555,p. iam Extra vero haec altiari consideratione oüm'ay, quae est
formarum substanliati-um origol contemplamun
mmr
30 Xlll._ Scotus Erigena.
o.
mittlere Stufe der Vielheit auch für die Dialektik eine besondere Be
deutung, denn in eben die nemliche Vielheil des Sinnlichen isl der
menschliche Wortausdruck verllochten. Sowie daher in den sinnlichen
Dingen die an sich unkörperlichen Kategorien zuletzt doch (wenn auch
in räthselhal‘ter und mystischer Weise) körperlich geworden sind, so
wird auch die Sprache, soweit sie sinnlich ist, die Kategorien nur in
der sinnlicl|-körp'erlichen Wortform erfassen (wenn auch gleichfalls
durch eine mystische Verflechtung), und gerade das mittlere Stadium
der Dialektik, nemlich das dgtortnöu (s. Anm. 115) in Verbindung mit
dem ducatur-unum wird entsprechend dem concrelen Dasein der Dinge
sich zumeist mit dem Wortatisdrucke der Vernunft begnügen müssen,
während die reine Vernunft an sich als einheitliche die erste Urquelle
und der letzte Zielpunkt bleibt. in eben diesem Sinne aber spricht
sich auch Scotus selbst ausdrücklich aus, indem er den Bestand eines
Sprachgebrauches und eine „neccssitas significandarum rerum“, aller
dings als mangelhaft und dem Missbrauche ausgesetzt, anerkennt ilst
ja er bringt dieses selbst wieder in inneren Zusammenhang mit der
bei ihm stets wiederkehrenden Unterscheidung einer al'firmativen und
einer negativen TheOlOgie‚ indem bei ersterer, welche ja das göttliche
Eins in die empirische Vielheit abwärts verfolgt, Alles „nominaliter
sive oerbalt'ter“ über Gott in übertragenem Sinne ausgesprochen werde,
worauf die letztere all dieses wieder verneintl‘lo); ebenso deutlich
hingegen bezeichnet er auch das Gebiet, auf welchem die „significatio—
nes calegon'arum“ in eigentlichem, nicht in übertragenen) Sinne, eine
Geltung besitzen, nemlich, wie sich nach Obigem von selbst versteht,
bei den sinnfülligen Dingen 121). Und wenn hiemit dasjenige. was no
minaliter sive verbatiter kundgegeben wird, bei den geschaffenen Din
gen seine angemessene Stellung hat, so'findet Scotus auch hiefür einen
bei ihm folgerichtigen tieferen Hinterhalt nicht bloss in_ der mystisch
theologisclien Auffassung des Johanneischen Logos 122), sondern auch
119) Ebend. 38, p. 48l.: videsne itaque-1 qua consuetudine rerumque signi/i
candarum necessitate inops vcrarum rerum discretionis humanitas has abusivas rerum
denominationes (dass man nemlieh locus statt pars gebrauche) rcpereiit.
120) Ebend. 'lti, p. 522.: Hacc est de deo praedicanda pro/emm ut
priusvde eo iua-ta catufutieuml id est af/irmationenu omnia sit-e nonæinaliter sive
verbaliter praeditorum lt non tamen proprie sed translotz'ce; deinde ut omni'a, quae
de eo praedicautur per culufaticam, cum esse negemus per apu/aticaml id est nega
tionem, mm tamen translulire sed propria '
121) Ebend. 15, p. 463.: quemadmodum fere omnia, quae de natura caiidita
rum renim proprie prurdirantur, de conditore rerum per rnetaplwram signi/icandi
gratia dicunlur, ita etiam categoriarum signi/icaliones. quae proprie in rebus con
ditis dignoscunturl de causa omnium mm absurde possunt proferril non ut proprie
significent, quid ipsu sil, sed ut iranslativc elr. Ja es konnte ihm für dieAn
nahmc, dass die Namenhezeichnung (nomcn imponcrc) ursprünglich bei den einzel—
nen sinnfalligen Dingen begonnen habe, selbst eine Stelle des Boethius als Aucto
ritat gelten, indem derselbe (ad Praed. p. 129.) sagt: Oui cnim primus hominem
dizit, mm illum, qui ca: singulis confirilur, iu mente habuit, sed hunc individuam et
singularem. cui nomen hominis imponcrcl.
122) Ebeud. lll, 9, p. 1542.: nationes v'omnium rermn, dum in ipsa natura
verbi, quae superessentialis estl intelliguntur-1 aeternas esse arbitror..... Simplex et
multiplex rerum omnium principulissima ratio deus verbum est; nam a graecis
ltiyag vocatur, hoc est verbum vel ratio vel causa etc.
Xlll. Scotus Erigena. 31
darin, dass den Dingen durch Adam ihre richtige Wortbezeichnnng zu 'l‘heil
geworden sei may So nun kann Scotus für die Definitionen und Argu
mentationen, welche mit der Erscheinungswelt zusammenhängen, sich
getrost auf den Sprachausdruck stützen und den entscheidenden Aus
spruch thun, dass „was wir in den W'orten erkennen, wir auch in den
durch sie bezeichneten Dingen erkennen“ 124). Wenn daher, wie wir
oben sahen, die Dialektik bei' Scotus die Technik jener sprachlichen
Kundgebungen ist, durch welche wir uns ebenso wie durch die Welt
der Dinge zur höchsten Philosophie erheben sollen, so darf es uns
nicht wundern, wenn eine etwas spätere Zeit den Johannes Scotus in
erster Beihe unter denjenigen nennt, welche gesagt hätten, die Dialek
tik sei „vocolis“ (s. unten Anm. 312f.).
Könnte man nun hiebei sogar darauf hinweisen, dass eine derar
tige Auffassung der Logik auch selbst den Principien einer empirischen
Erforschung der Dinge ‘nicht ungünstig sei, — die wirkliche Brücke,
welche vom Nominalismus zum Empirismus hinüberleitete, konnte sich
allerdings erst nach einer längeren und reicheren Entwicklung gestal
ten, s. Abschn. XIV, Anm. 77tl‘. —, so müssen wir doch jedenfalls
anerkennen, dass Scotus für die Dialektik die Activität der Dcnkopera
tioncn, durch welche aus dem gegebenen Stoll'e der Erscheinungswalt
das philosophische Wissen gewonnen wird, hinreichend betonen kann
und muss. Denn wenn bei ihm auch noch so viele platonisch-christ
liche Mystik in all jenen Fragen wallet, welche sich auf die Herkunft
oder auf das Ziel der menschlichen Seele und des menschlichen Ver
standes, kurz auf die beiden Endpunkte des obigen sog. Quadriviunis
(Anm. 110) beziehen, so ergibt sich für das mittlere Stadium eine
Auffassung, geinüss deren bei aller objectiven lmmaterialität der Univer
salicn doch für das menschliche Denken ein selbsttliütiges Fortschreiten
zur Bildung allgemeiner Begrill‘e gefordert ist iuy So ist namentlich
jede der sog. artes liberales in ihrer technischen Ausführung erst das
Producl, welches aus ihrem in der Seele nnausgeführt liegenden Be
may Ebend. IV: 7, p. 71381.: per hoc maxime intelligitur homo esse, quod
emictornm,v quae sive aequalitcr sibi creata sunt siue quibus dominari praeripil-ur,
datum es! et habere uotionem...... quod opertissime divina nobis indicat scriptura
dicens : „udduzi! ea ad Adam, ut videret quid vocant eu" ut videret,
inqui!‚ hoc es! ut in!e!ligeret‚ quid vuroret; si em'm nrm inlelh'gerel, quomodo rrcte
vorm‘e posset?
.124) Ebend. l, 14, p. 459.: Si igitur nomina opposita e regione sibi
alia nomina respiciunl, neressurio etiam res, quae proprie eia signilirantury oppo
sitas sibi eonlrarielales obtinere intelliguntun ac per hoc de deo proprie prae
dicari non possunt . E! quod in nominibus cognoscimus ,‘_ necessarium ut in his
relms, quae ab eis signi/icanturl cognoseamus. V“
125) Ebend. lV, 7, p. 765.: iterum siquidem sensibilium species et quantita
les e! qualitates, quas corporeo sensu atlingo, quodammodo in me creari pulo;
earum namque phantasias dum memoriae inligo qusque inlcr me ipsum mm», di
vido, eomparo, ac veluti in unitatem quandam oolligo, quandam notitiam rerum
quae extra met sind, in me c/fici perspicio. Similiter etiam interim- intelligibiliuml
quae solo animo contemplorj verbi gratia liberatium disciplinorum, quasdam no—
tione: veluti intelligibiles species, dum studiose eas perquirn, in me nasci et fim‘
inlelll'go.
32 Xlll. Scotus E'rigena‘.
gritfe gemacht wird 126), und während die Dialektik (gleichsam als
Weltdialeklik) an sich in der „Natur der Dinge“ liegt und von Gott
ausgieng. ist sie doch von dorthcr durch weise Menschen erst aufge
funden und zur Erforschung der Dinge angewendet worden ‘27). Wenn
demnach Scotus nicht oft genug Begriff (notio) und Wesen (subslanlt'a)
in metaphysisch-ontologischem Sinne identiliciren kann 128), so bleibt.
dabei die Unterscheidung festzuhalten, dass alles lntelligible bei Gott
als Ursäcliliches, in dem menschlichen Erkennen hingegen als Wirkung
' (efl‘ectualiter) bestehe 129); nemlich während die substantia (der ideelle
Gattungsbegritf) in der Intelligenz des Menschen ebenso sehr sich fin
det,'als die übrigen quinque voces theils der Natur desselben theils
gleichfalls der Intelligenz angehören 130), bewahrt der Mensch bei Uebuug
der Dialektik immerhin die Activität seines Denkens, durch welches er
die ‚Dinge in Gattungen und Arten u. s. f. theilt, wenn g‘leich diege
Theilung auch objectiv in der „Natur“ selbst schon vorliegt‘al). lns
besondere aber bezeichnet Scotus das Definiren als eine 'l‘liatigkeit,
nemlich als actio intelligenliael wobei uns wegen innerer Harmonie mit
Ohigem (Anm. 92) noch von Wichtigkeit ist, dass er bei seinem Be
streben, die Kategorie des tocus so unkörperlich als möglich zu fassen,
dieselbe direct spiritualistisch mit der Definition identificirt'”), Wor
nach hiemit auch von hier aus ein Bellex auf jene Werthschätzung der
126) Ebend. p. 766 : Ouia nolitia artiunu quae in anima es!‚ ab ito-sis arti
bus formari videlun Sed si certissima ratione suaderes, non notitiam ex artibus,
uerum artes ez nolitia formari, lua forsitan ratiocinalio recte ingrederetun
127) Ebend. 4, p. 749.: imcllt'gitur, quod ars illa, quae dividit genera in
species et- species in genera resolvitj quae diuhexnxr) dici!ur‚ non ab humanis
machinationibus sit laeta ,- sed in natura rerum ab auclore omnium artiuml quae
vero artes ruht, condita et a sapientibus inventa et ad utilitatem solerti rerum in
dagine usitata. Vgl. jedoch Anm. 227.
128) Z. B. ebend. 7, p. 770.: llaque si notio illa interion quae menti inest
humaner, rerum quarum notio esl substantia constituitun consequens-y ut ipsu notio.
qua se ipsum homo eognoscitl sua substantia eredatun Es zieht sich dieser Grund—
satz in häufiger Anwendung durch die ganze Deduction in den ersten Capp. des
lV. Buches hindurch.
129) Ebend. 9, p. 779.: ut in divino intellectu omnia causa/item in humana
vero cognitione e/feelualiler subsistanL
130) Ebend. Sy p. 773.: iubemur intelligere. omni-m visibilem et ineisibileni
creatur-am in solo homine esse conditaml eum nulla substantia sit creuta, quae in
eo non intelligatur esse, nulla species seu fli/ferentia seu proprium seu accidens
naturale in natura rerum reperiaturl quae vel ei naturaliter non insit vel cuius no
litia in eo esse non possit
131) Ebend. l, 25, p. 472.: Genera quoque et species ipsius auatag cum se
in diversas species numerosque multiplicantl agere videntur tes handelt sich nem
lich dort um die Kategorien agere und patit Si quis vero rationis virtute iuxta
illam disciplinaml quae äralvzlxr‘; vocatum el numeros in species et species in ge
nera generaque in oi‘wfrw colligenda adnuaeerill pati dicuntury non quod ipse rol
ligula natura enim collecta sunt sicut etiam divisal sed quia colligere actu rationis
ea vidclur, nam cum et eadem dividill similiter agere diciturj ea vero pati
132) Ebeud. ‚'12, p. 478.: Aliud igitur est corpus et aliud locus, sicut aliud
est quantitas partiuml aliud definitio earum (in der ganzen v. c. illst sich er
streckenden Erörterung ist durchgangig loeus nur in der Bedeutung „Abgranzuug“.
d. b. ogiapdg verstanden). 43, p. 485.: yidesne ilaqiw, non aliud esse locum,
nisi actionem intelligentis atque cnmprebendentis virtute intelligentiae eu, quae com
prebendere potesty sioe sensibilia sint sive intellectu eompreliensa
XIII. Scotus Erigena. 33
Topik zurückfällt. Uebrigens erscheint uns die nemliche Beachtung der
Activität des Denkens bei Scotus‘auch gelegentlich einer Frage, welche
uns schon anderwarts als Schulcontroverse begegnete; nemlich die Be
gritl‘e des Nichts und der Finsterniss (s. oben Anm. 47 u. 72 II‘.) ma
chen auch dem Scotus häufig zu schaffen, aber er weiss bei denselben
jenem seinem Standpunkte, welchen wir bisher trafen, treu zu bleiben.
Die Finsterniss ist ihm der Degrill' (nolio) der objectiv realen Abwesen
heit des Lichtes ‘33), woruach bei Berufung auf die belrellende Bibel
stelle bezüglich der wirklichen Existenz des Lichtlosen‘“) die Er
klärung möglich ist, dass unter der Finsterniss dasjenige Sein, welches
allem wirklichen Erkennbaren vorhergieug und hieuiit sich allem Den
ken entzieht (gleichsam Schelling’s „unvordenkliches Sein“) zu,verstehen
sei “5). In völliger IIebereinstimmung kann sich dann hieran der Be
grill‘ des Nichts anschliessen I3“), bei welchem gleichfalls die sprachlich
logische Function des Denkens ihre Berücksichtigung findet 131), während
an der biblisch-theologischen Lehre festgehalten wird ‘39).
Der Inhalt der ausgedehnten Erörterungen, welche Scotus den
Kategorien widmet, gehört der Geschichte der Theologie an und he
ruhl. ausserdeul nicht einmal auf selbstständigen Ansichten des Scotus,
‚sondern ist grossentheils aus Pseudo-Dionysius, Gregor v. NySsa und
Maximus Coufessor entnommen 139). Erwähnt mag demnach nur wen.
den, dass Scotus die ideelle Einheit der Substanz als des Geltungsbe
iji
133) D. praedesL 15, 9, p. illita ouid significavit tenebrae vel silentiuml nisi
notionem cogitantizg defcctnm essentiaeP ouid significant nisi notionem cogi
tantis. vel lucem vel vocem deessef D. div. nat. V, 31, p. 943.: Idenque ex una
genere sunt absentiae et res, quarum absentiae sunty ut (zu: et tenebraej sonus et
silcnlium, forma et informitas celcraque id genus.
134) D. div. nat. I, 58, p. 501.: Nun enim umbra nihil 0st, sed aliquidg
alioquin non diceret scriptura „et vocavit deus lucem diem et tenebras neuem.”
135) Ebend. II, 17, p. 550.: Tenebme rituque erant super causarum primor
dialium abyssumg nam priusquam in spiritualium essentiurum numerositatem proce
derenti nullus intellectus conditus cognosci-te eas potuit quid essentl et adhuc tenebrae
sunt super hanc abyssum quae nullo percipitur intellectu eo ezecptol qui eum in prin
cipio formaviL Ehl'nd. III, 29, p. 706.: nomine lucis species rerum visibiles et
intelligibilesl tenebrarum vero significatione causas substantiales omnem sensum et
intellectum superanies divinam scripturam insinuasse diximus.
130) Ebend. III, 20, p. 683.: Ac sic de nihilo facit omnial de sua videlicet
superessentialitute producit essentiasj de superoitalitate vitas-y de superintelleetuaiitate
intellectum de negatione omnium quae sunt et quae non yfsunt affirmationes omnium
quae sunt et quae non sunt. '
137) Ebend. 5, p. 634.: E0 namque vocabulo, quod est nihiluml non aliqua
materies existimatum non causa quaedam ezistentiuml non ulla proeessio vel oc
casio, quam sequeretur eorum quae sunt conditio . sed omnino totius essentiae
pricationis nomen erat et, ut verius dieam, vocalmlum est absenliae totius essentiae.
138) Ebend. 9, p. 047.: in prima-diis conditionis suac de onmino nihilo in
informem processit (sc. mundus) materiem. Ebeud. 15, p. 665.: l‘rointle non datur
locus niht'lo, nec extra nec intra deum, et tamen de nihilo omnia fecisse non in va
num crediturg ac per hoc nil aliud datur intelligil dum uudimus, omnia de nihilo
creat-il nisi quia eratl quando non erant. ‚m
139), Ebend. I, 15—63. Dr-r Hauptzweck dabei ist, nachzuweisen, dass alle
Kategorien nur uneigentlieh (durch die tlieoloyia u/firmativa) von Gott prädicirl
werden können. Vgl. Job. Iluher, d. Phil. d. Kirchenvater. München iesu S.
188 u. 343 f.
PRAN'I'L, Gesell. II. 3
I
‚-.‚k.‘a._.
34 XIII. Scotus Erigena. '
griffes auch in der Thcilung in Artbegriff‘e bis zum Individuum herab
strengstens festhält und daher gegen eine Unterscheidung zwischen
subiectum und de subiecto uml in subiecto (Ahschn. XII, Anm. 92) po
lemisirt, da sie bezüglich der Substanz selbst identisch seien “0), wo
mit natürlich die schrofl'ste Abtrennung der übrigen neun Kategorien,
unter welchen er einige auch ovpßoipam (vgl. Ahschn. VI, Anm. 114)
nennt, zusammenhängtu‘). Ausserdem wendet er auch in Folge neu
platonischer Einflüsse die Begriffe der Ruhe und der Bewegung (s.
Abschn. III, Anm. 50, u. Ahschn. X, Anm. 83) derartig an, dass er
dieselben als alleroherste Gattungsbegrifl'e des Universums den Katego
rien überordnet und letztere im Hinhlicke auf jene eintheilt‘“). Dass
die Kategorie des Ortes völlig spiritualistisch gefasst werde, sahen wir
so eben (Anm. 132); von jener des habitus aher wird gezeigt, dass
sie sich auf sämintliche übrige Kategorien beziehe, uml dabei zugleich
ihre selbstständige Stellung behaupte “3). ‘
Man wird nun jedenfalls zugestehen müssen, dass in damaliger
Zeit diejenigen, welche von einer gründlichen Lectüre des Scotus aus
wieder zu den logischen Compcndien des Boelhius zurückkehrten oder
selbst auch nur obige Stelle des lsidor oder des Alcuin (Anm. 35_ u.
66) aufmerksam betrachteten, gewiss zu schärferem Nachdenken über.
die Geltung des menschlichen Sprach-Ausdruckes veranlasst werden
140) Ebend. 26, p. 472.: lii/ata in generibus gcneralissimis et in generibus
generalioribus. in ipsis quoque generibus eorumque specielrus, atque iterum specia
lissiniis speciebus. quae atoma, id est individua, dicunturj universaliter proprieun
continetur . . . . .. in tiis enim veluti naturatibus partibus universalis m’io'fa subsislit.
Ebend. 25, p. 470 f.: iuxta diatecticorum opinionem onme, quod esty aut sub
iectum aut de subiecto aut in subiecto esl; vera tamen ratio consulto ”spendet,
subiectum et de subiecto unum esse et in nulla distare cum nil aliud sit
spreies, nisi numerorum unitas. ct nil aliud numerus, nisi speciei pturatitas Si
ergo species tota et una est individaaque in numeris et muneri unum individuam
sunt in speciei quae quantum ad naturam distantia est inter subiectum et de sub
mm, non vidco. Similiter de accidentibus primae substantiae intelligendumg non
aliud est em'm, quod in subiecto dicihu', e! aliad, quod in subiecto simul et de
subietlo; nam disciplinay ut exemplo utar, mm eademque est in se ipsa et in suis
speciebus numcrisqua Vgl. ebend. 49, p. 492. _ '
141) Ebend. 63, p. 508.: Sed novem geilem, quae solis accidentibus lribuunlury
ito divisa saut, u! ipsa accidentiay quae primordiatiler in cssentiis conspiciuntury
mox vertuntur in substantiasl quoniam aliis accidentibus subsistunt. Ebend. 25,
p. 471.: categoriarum igitur quaedam circa ol‘mlav pracdicaptar, quae celuti ne
gzoxa), id est circunistantes. dicunturl quia circa eam inspiciuntur esse; quaedam
vero in ipsa suntl quae a graecis o‘uyßdparu, id est arcidential vocantur-l quali
tas, relatio, habitus, agere, pati.
142) Ebend. 22, p. 469.: Horum decani generum quatuor in statu saut, id
est (Jüdin, quantitas, situs, Ioms; sez vero in motzt, qualifas, relatiol habitusj tem
pus, agcre, pati U! scias plane, decem genera praedicta aliis duobus superio
ribus generalioribusque comprchendi, motu scilicet atque statuj quae iterum genera
tissimo colliguntur genere, quod a graecis ro miv, a nostris vero universitas ap
pellari consuet-ih
143) Ebend. 20, p. 467.: Quaero igitar, quare ista categoria habitudinig cum
ceteris categoriis naturalitor inesse videaturl per se specialiter veluti suis propriis
rationibus subnixa suum in donaria categoriarum quantitate locum obtineat . .
Ouod enim omnium est, nullius proprie est, sed omnium communey et dum in omni
bus subsistatj per se ipsum propria sua ratione esse non desiniL
XIII. Die Quellen der logischen l’arteiung. 35
oder selbst sofort zu nominalistischen Auffassungen gelangen konnten.
Es sind nemlich, wie mir scheint, zwei Fragen (nicht bloss die Eine,
welche auch schon Cousin —— s. Anm. 19 —— hervorgehoben hat),
welche sich beim Betriebe der üblichen SchuI-Logik aufdrängen muss
ten. Die erste derselben isl allerdings jene, welche Boethius bei Ueber
setzung der betreffenden Stelle des Porphyrius (Abschn. XI, Anm. 39)
ausdrücklich selbst als prima quaestio bezeichnet halte, und welche
sich darauf bezieht, ob die Universalien (d. h. die Gattungs- und Art
Begrifl‘e) und die quinque voces eine wirkliche geistige Substantialität
besitzen und unkörperlieh seien, oder ob sie in concreter körperhafter
Existenz vorliegen (Abschn. XII, Anm. 86). Es betrill't diese Frage,
wie sich uns in der Darstellung der antiken Logik hinreichend zeigte,
den Gegensatz zwischen Platonismus und Aristotelismus, und für das
Mittelalter versteht es sich nach der gesammten geistigen Richtung.
welche durch die christlichen Ideen bedingt war, ganz von selbst, dass
man sich überwiegend einem platonischen Realismus zuneigte (vgl.oben
Anm. 20 f.). Die „individuelle Substanz“ des Aristoteles musste unver
stündlich bleiben, sobald die Erscheinungswelt und die natürliche fie
stallung mit der Lehre vom Sündenfalle in Verbindung gebracht worden
war, und man begnügte sich gerne mit dem schon bei Boethius vor
gefundenen Grundsatze „universale intelligilur, singulare sentituru (oben
Anm. 115), einem Dualismus, welcher in specdisrh christlicher Auffas
sung noch bis Descartes fortwirkte und'sieh leicht zu einem Hinder
nisse empirischer Forschung gestalten konnte. Auch die subjeetive Er
kenntnisstheorie konnte hiebei wenig gefördert werden, denn indem die
Universalien logisch hauptsächlich nur dazu dienten, um auf der Jacobs
leiter der tabula logica in den geöffneten llimmel des summum ens
emporzuklettern, blieben nur jene objeetiv ontologischen Schwierigkei
ten übrig, welche dem Platonismus überhaupt ankleben, d. h. man
konnte noch darüber streiten, auf welche Art und Weise denn jene
Universalien als Ideen Gottes in den Unterarten und in den Individuen
zur Erscheinung kommen, ob sie ante rem, ob in re, oder wie sonst
sie seien.
Die zweite jener Fragen liegt gleichfalls schon bei Boethius vor,
jedoch nicht in solch zugespitzter und handgreiflicher Frageform, wie
jene erstere, denn sie erscheint ja zunächst äusserlich auch nicht als
schroffe Parteil'rage. Sie betrifft nemlich den menschlichen Sprachaus
druckj welcher sowohl von Plato als das Product eines psychischen
Vorganges anerkannt worden war (Abschn. III, Anm. ro f.), als auch
bei Aristoteles auf gleicher Basis eine einllssliche Erörterung gefunden
hatte (Abschn. IV, Anm. 23 u. mam und Boethius hatte sich in die
ser Beziehung völlig unverf‘anglich und gleichsam naiv ausgesprochen,
wenn er sagt, dass die Dinge (res) vom Verstande (intellectus) begriff
lich erfasst werden, die Sprache aber (vom) den Begriff bezeichne, und
dass daher, da alle Sätze aus bezeichnenden Worten bestehen, zunächst
die Isagoge und dann die Kategorien die Aufgabe haben, über diese
Bestandtbeile, d. b. über die obersten Namen und Wortbezeichnungen
der Dinge (de primis rerum nominibus et de vocibus res signi/icantibusj
zu handeln (Absehu. XII, Anm. 77, 84 u. 110). An sich nun hal
at
i'rn
mm
36 XIII. Die Quellen der logischen Parteiung.
diese Auffassung mit jenem vorigen Gegensatze der Richtungen durch
aus Nichts zu schaffen, sondern gehtausserhalb jener beiden und neben
denselben her, denn dass die menschlichen Gedanken in Worten ausge
sprechen werden, scheint allgemein von allen philosophischen Parteien
zugestanden werden zu müssen. Selbst wenn daher sich hieran wirk
lich nominalistische Anschauungen anschliessen, so bilden dieselben an
sich nicht den entsprechenden Gegensatz gegen jenen platonischen Bea
Iismus, welcher bei Beantwortung der obigen ersten Frage hervortrat,
denn dort musste sich eine Parteiung gestalten, welche nach unserem
jetzigen Sprachgebrauche als der Gegensatz zwischen Idealismus und
Individualismus (oder auch Empirismus) zu bezeichnen ist, welch beide
doch gewiss dem Sprachausdrucke die Function eines Zeichens zuge
stehen können. Wenn aber hiemit in diesem Sinne sich sehr wohl
ein Nominalismus denken lasst, welcher durchaus noch nicht anti-rear
listisch ist, so lagen dennoch besondere Umstände vor, durch welche
allmalig eine die Sprach-Bezeichnung berücksichtigende Auffassung der
Universalien in den schroffen Gegensatz gegen den platonischen Realis
mus hineingetrieben wurde, sobald man nur einigermassen mit grösse
rer Schärfe obige Aensserung des Boethius ins Auge fasste und über
dachte. Wollen wir nemlich selbst davon absehen, dass die Beschränkt
heit des vorhandenen philosophischen und logischen lllateriales, verbun
den mit der geringen Begabung zu rein selbstständigem Schaffen, in
jenen Jahrhunderten einfach nur die Wahl liess, entweder Platoniker
oder Aristoteliker zu sein, so konnte doch schon durch den Hang des
I’Iatonismus, ans der Wirklichkeit sich in das ideale Jenseits zu flüch
ten und zu solchem Behnfe auch die Sprache abzustreifen (Abschn. III,
Anm. 15), sich gar Mancher dazu aufgefordert fühlen, dem Diessseiti
gen wenigstens für das Diessseits seine Geltung zu verschaffen, insofern
ja die Worte die einzige Form seien, in welcher der Mensch auf Er
den Begrilfe besitzt. Hiezu aber kam noch, dass die Praxis aller phi
losophischen oder theologischen Erörterungen unmittelbar auf den Wort
ausdrnck sich hingewiesen sah, und somit auch die hierauf bezügliche
Technik, d. h. die ars dispatandi, am wenigsten sich auf jene hyper
idealistische Verllüchtigung der Worte einlassen konnte (haben ja doch
später die Praktiker, nemlich die Bhetoriker, sogar den Aristoteles
selbst wieder aus seiner mittelalterlichen Herrschaft zu verdrängen ge
sucht). Ferner fanden sich jene obigen Aeusserungen gerade in dem
Buche D. interpr. (natürlich in der Bearbeitung des Boethius), d. h. in
jenem Buche, ‘über welches von Cassiodor her ein pointirtes, den
Ruhm des Aristoteles hervorhebendes Sprüchlein in der Schule umlief
(s. oben Anm. 34 u. 66), und es konnte hienach leicht Aristoteles als
der Vorkämpfer für die Berechtigung der Sprache betrachtet werden.
Endlich aber wird man auch zugestehen müssen, dass, sobald man
durch die Logik mehr als eine objectiva tabula logica der Universalien
beabsichtigte, d. h. sobald man in die subjective Werkstätte der 'mensch
lichen Urtheile und des mühevollen oder verschlungenen Schliessens
eingeben wollte, jedenfalls die Sprachform und zugleich mit ihr der
Begründer aller wahren Syllogistik in den Vordergrund treten musste;
d. h. die Logiker mussten stets sich mehr auf die nominalistische oder
“v- ‚F— „..,... ‚‘— -_-‚=-—-<__=;q:-:„1»
Xlll. Scotus und die l‘arteiung. .37
aristotelische Seite neigen. Durch das subjective Element aber förderte
später der aristotelische Nominalismus auch die Erkenntnisstheorie und
bereitete den Weg zu Baco von Verulam vor, worin ersichtlicher Weise
sich gleichfalls ein innerer Zug des Aristotelismus kundgibt. -
So also konnte sich schon das frühere Mittelalter aus Ein und dein
selben Boethius den Gegensatz zwischen Realismus und Nominalismus
herauslesen; jedoch-nicht aus jener Einen Stelle des Boethius, welche
die Universalien betrifft, ist die Parteispaltung geflossen, sondern zwei
nebeneinander herlaufende Aeusserungen jenes Autors sind es, welche
bei einseitig consequenter Verfolgung ihres Inhaltes zuletzt feindlich an
einauderplatzen mussten. .
Wie sich nun Scotus Erigena zu den Keimen eines solchen Schis
ma’s verhalte, ist aus Obigem klar ersichtlich. Er steht nemlich gerade
auf der Gränzscheide zwischen der früheren naiven Unbeholfenheit,
welche auch Widersprechendes in Ein Schulcompendiuin zusammcnkne
tete, und dem oll'en aushrechenden bewussten Parteikampfe. Er ist
christlich-platonischer Realist. soweit es sich um die ontologisch ewige
Grundlage der Wesenheiten handelt; aber sowie er, der ja lange vor
Entstehung all jener Detail-Controversen lebte,‘ bei seinem Realismus
noch völlig harmlos die Universalien zugleich ante rem und zugleich
in re bestehen lasst (s; Anm. 140), so ist er andrerseits hinwiederum
Nominalist, soweit es sich um die logische Förderung des Erkennens
handelt, und in solchem Sinne musste er jene Stellen bei Boethius ver
stehen, welche über vox handeln. ln dem ex'clusiven Sinne, in wel
chem bei den folgenden Jahrhunderten von Realisten und Nominalisten
die Rede sein wird, ist Scotus allerdings keines von beiden, aber er
ist derjenige, welcher durch seine Zwischenstellung es hervorruft, dass
neben den Realismus eine nominalistisehe Richtung hintritt. Es ist ja
auch eine ganz naturgemässe Stufenfolge, dass vorerst im Anschlusse an
Scotus die Ansicht sich kundgibt, die Dialektik sei „vocalis“, insoferne
und insoweit die Universalien Worte seien, später aber, nachdem diess
von hyperidealistischer oder mystischer Seite bestritten worden war,
erst die Steigerung eintritt, daSs man sagt, die Universahen seien über
haupt gar Nichts als blosse Worte. Sowie aber Scotus die ersten Um
risse des späteren Gegensatzes in sich vereinigt, so ist es auch erklär
lich, dass er eine innere VerWandtschaft mit Denjenigen zeigt, welche
später auf eine Versöhnung hinarheiteten, und wir werden im weiteren
Verlaufe uns noch zuweilen an Scotus erinnern müssen (z. B. folg.
Abschn. Anm. 186 u. 252).
Am nächsten an Scotus nun reiht sich ein Commentar zur lsagoge
an, welcher in neuerer Zeit durch V. Cousin bekannt gemacht und zu
folge der handschriftlichen Ueberlieferung dem Ilrabanus Maurus (s.
oben Anm. 78ff.) zugeschrieben wurde. Nachdem nemlich schon früher
auf das Vorhandensein einer „Logik des Hrabanus“ war hingewiesen
worden 1M), fand Cousin die betreffende Handschrift selbst, welche
ausser der Dialektik Abälard’s logische Commentare unter dem Namen
. ‘— s._— „r,
‚_ ‚ ‚ V
144) Oudin, d. stripl. Bßl‘l. l, c. 1172.: in bibliotheca'r Fluriacensi‚ litera A, 4,
exstat logica Pelri Abaelardi una cum lpgica Rhabrmi.
38 . XIII. Pseudo-Hrabauus.
des Ilrabanus enthält H5), und zwar zunächst eine Schrift „Rabanus
super Porphyrium“, deren Ende fehlt, sodann einige Blätter aus der
Mitte einer Paraphrase von Boeth. d. di/f. top., und hierauf unter der
Uehersclirift „Rabcmus supero Terencivaa“, welche oII'enbar aus „super
Periermeniasu corrumpirt ist, eine Paraphrase zu Boeth. d. interpr. Die
letzteren beiden enthalten, soweit sich aus den Mittheilungen Cousin's
schliessen lässt 146)‚ durchaus nichts Selbstständiges, sondern schliessen
sich so enge und so wörtlich an die Schriften des Boethius an, dass
uns auch zu einer Annahme über den Autor derselben jeder individuelle
Anhaltspunkt fehlt. Es ist ebensosehr möglich, dass keines von beiden,
als auch dass beide wirklich dem Hrabanus angehören; sollen jedoch
dieselben den nemlichen Verfasser haben, welcher auch den Commcntar
super Porphyrium schrieb, so scheint die Sache anders zu stehen. AI
Ierdings lässt sich nicht direct beweisen, dass hrabanus denselben un
möglich verfasst haben könne, aber als sehr unwahrscheinlich müssen
wir es immerhin bezeichnen. Chronologische Gründe sind es nicht,
welche entgegenstehen, denn Hrabanus konnte die Schriften des Scotus,
mit welchem er ja auch bei dem theologischen Streite über die dop
pelte Prädestination übereinstimmte, noch sehr wohl kennen; ferner
könnte man, wenn er noch im 9. Jahrh. den Beinamen „sophista“ er
hält'“), hieraus den Schluss ziehen, dass er sich specieller und aus
führlicher als Obiges (Anm. 78 ll‘.) kundgibt, mit Logik beschäftigt
habe. Aber dennoch besteht zwischen diesem Commentare zur Isagoge
und jenem Obigen sclfbn in der allgemeinen Behandlung ein solcher
Abstand, dass wir bei dem gänzlichen Mangel an einschlägigen Andeu
tungen in sammtlichen achten Werken des hrabanus uns schwer zu
der Annahme entschliessen könnten, derselbe habe über die Dialektik so
verschieden gedacht und seine logische Auffassung in allen übrigen
Schriften völlig unterdrückt. Ja wenn sich diese Verschiedenheit bis
zum directen Selbstwiderspruche steigert, bleibt nur noch die Möglich
keit übrig, dass hrabanus in seiner letzten Lebenszeit nach Abschluss
seiner ganzen übrigen schriftstellerischen Thätigkeit förmlich zur logi
schen Ansicht des Scotus übergegangen sei; da'nn aber waren wir auch
berechtigt und bcmüssigt, die Schrift, in welcher diess geschieht, jeden
falls erst nach Scotus zu erwähnen. . ' ‚
Der Verfasser nemlich des (Zommentares super Porphyrium schliesst
sich schon darin dem Scotus (s. Anm. 105) an, dass er die Logik in
drei Theile, nemlich in Grammatik, Rhetorik, Dialektik, zerlegt 1“), wo
145) Cousin, om ined d’Abe't. p. Xf. u. LXXVI.
146) Ebend. im Appendix p. 616f.
147) Rudolf, Arm. Feld. bei Ports, Monmn. I, p. 5564.: Rhabunus quoque, so
phista et sui temporis poetarum nulli secundus etc. Doch dass derartige Ausdrücke
aus jener Zeit nur mit Vorsicht aufzunehmen seien, ist bekannt.
148) Cousin u. u. 0. p. 614.: Ouaeritur autem cui parti philosophiae suppo
natur (d. h. die Isagoge) . . . . . restat ergo, ut logicac supponalur-g post quam vero
partem logicac supponatun quaerendum est; habet enim logica tres pnrtes, gramma
ticarn. rheloricum, dialecticam. I'osl grammatirum; non enim de genere secundum
grammaticum tractari quia neque quomodo genus declinetur ostenditj neque si sit
primitioum an derivatieuml quae omnia ad grammaticum pertinenL Neque in hoc
XIII. Pseudo-Ilrabanus. 39
hingegen Ilrabanus nur zwei Theile anerkennt (Anm. 79). Sodann aber
müssen wir nicht bloss in der üblichen Einleitung über den Zweck der
lsagoge (s. Abschn. XII, Anm. 75) die Ausdrucksweise beachten, dass
dieselbe über die fünf „Dinge oder Worte“ handle “9), sondern es zeigt
uns auch der weitere Verlauf, dass hier dasjenige, was wir als den
Nominalismus des Scotus bezeichnen mussteu‚ bereits mit grösserem
Bewusstsein und in schärferer Form auftrete; nemlich während einer
seits auch hier die ideelle Einheit der Substanz innerhalb der speciel
len und individuellen Gestaltung (forma) nach der nemliehen realistischen
Anschauung festgehalten wird, welche bei Scotus (s. Anm. 109 u. 140)
in ontologischer Beziehung sich tindellsoll wird andrerseits bezüglich
der logischen lsagoge des Porphyrius direct darauf hingewiesen, dass
nach der Ansicht Einiger dieselbe über „fünf Worte“, nicht aber über
fünf Dinge handle.‘ Ja es wird diese Ansicht, dass genus. species u.s. f.
nicht als Sachbezeiehnung, sondern als Worlbezeichnung zu verstehen
seien, durch l'ormulirte Beweise gestützt, deren Einer sich auf die De
finition des genus beruft, in welcher die Bestimmung enthalten sei,
dass das genus „ausgesagt“ werde; ein zweiter Beweis liege darin,
dass die Kategorien, zu welchen die lsagoge als Einleitung diene,
selbst gleichfalls „de vocibus-u handeln (s. die oben, S. 35, genannten
Stellen des Boelhius), sowie sie auch Boelhius als „nomina“ be
zeichne l"‘1). Und wenn nun noch hinzugefügl wird, dass bei solcher
tractatu docemur-l quomodo causas debeat disponere oraler, quod ad rhetoricam per
tinel. lletinquitur igitur-y ut per dialecticam logicac supponatur.
149) Ebend. p. 613.: lntentio Porphyrii est in hoc opere facilem intellectum
ad pmedicamenta praeparare tractando de quinque rebus vel voribus, genere scilicctl
species di/ferential proprio et accidentej quorum cognitio valet ad pracdicamentorum
cognitionem '
150] Ebend. p. LXXIX_: Alio namque modo universalis est (so. substantia
andern) cum cogilalur, alio singularis cum sentitur (so Boeth. p. 56, s. Abscbn.
XII, Anm. 86). flic innuit nobis Boelhius, quod cadent aes individuam et species
et genus esty et non esse universalia individuis quasi quiddam diversum, ut qui
dam dicuntj scilicet speciem nihil esse quam genus informatum, et individuum nihil
aliud esse quam speciem informatam. 4
151) Ebend. p. LXXVlll.: quorumdam tamen sententia ext, Porphgrii intentio
nem fuisse in lioc operi-y non de quinque rebusl sed delquinqae vocibus tractarel
id est Porphyrium intendere naturam generis ostendenti generis dico in vocum de
signationem aceepti. bicunt enim quod si Porphyrius in designatione rerum tractat
de genere et de celer-isl non bene di/fiuit ngenus est quod iaedicatur etc.“, rcs
enim non praedicatum Ouod hoc modo probant .' si res praef tura res diciturj si
res diciturj res enunciaturg si res enuntiaturl res proferturf sed res proferri non
potestg nihil enim profertur nisi v0.1: ; neque enim aliud est prolatio quam aeris
ptectro linguae percussi-ol aeris autem plectro linguae percussio nihil aliud est quam
vom; si igitur Porphyrius de enere in rerum assignatione trantarel, male generis
dif/initionem dedisset dicendo ic ‚.genur est quod praedicatur elo."‚ cum genus in
rerum designatione acceptum nullatenus praedicatur. Eius igitur intentionem dicunt
essea de genere non in reruml sed in vocum designatione tractare. Adhuc alia ratio
cur Porphyrius traclet de genere accepto non in rerum sed in vocum designationc.
cum enim tractatus iste introduclorius sit ad Aristotelis categorias et Aristoteles in
categoriis de vocibus principaliter agere intendatj conveniens non cum esset de re
lius agere qui ad librum de vocibus principaliter tractare intcndebaL Prae
terea ez Boelhii auctoritate in primo super categorias commento confirmulur, genera
et specieslvoces signincareg dicit enim illa nomina noi-em esse (Boelh. p. 5, S.
'40 XIII. Pseudo-llrabanus.
Ansicht eine reale Sachbezeichnung gar nicht ausgeschlossen sei, inso
ferne es sich beim genus um eine allgemein gültige Eintheilung, welche
in der „Natur der Dinge“ liege (s. Anm. 127 u. 131), handeln könne 152).
sowie ja überhaupt das genus Nichts anderes sei, als „die im Denken
veranstaltete Zusammenfassung der substantiellen Aehnlichkeit aus den
verschiedenen Unterarten“ 153)‚ so ist kein Zweifel mehr darüber mög
lich, dass wir hier nur den Standpunkt des Scotus mit gesteigerter
Schärfe seiner nominalistischen Seite vor uns haben. Aber auch gleich
falls an Scotus (s. Anm. 92 f. u. 105) erinnert uns in diesem commen
lare die Berufung auf die Topik, und zwar namentlich auf den locus
der Gegensätze 154). Anderes hinwiederum schliesst sich, wie leicht
erklärlich ist, als blosse Paraphrase völlig an Boethius an'ää). Hin
gegen von Wichtigkeit ist uns das Geständniss des Verfassers, dass er
die Analytik des Aristoteles nur vom Hörensagen kenne (Vgl. Anm. 98),
ihm also auch des Boethius Uebersetzung jener Bücher nicht bekannt
war 156) r .
Mag es sich aber mit der Autorschaft diescsCommentares verhalten,
wie es wolle, so äusserte jedenfalls die Schule, welche Hrabanus be
kanntlich in Fulda eingerichtet hatte, — abgesehen von all dem übrigen
reichen Segen der Cultur, welcher aus ihr floss, — auch auf den Be
_.trieb der Logik einen höchst günstigen Einfluss, und aus Frankreich
und der Schweiz weisen mannigfache Fäden auf die Pflege dcr Schul
‘wissenschaften in Fulda zurück. Bezüglich der logischen Parteifrage
jedoch finden wir keineswegs etwa ein abgeschlossenes einheitliches
Gepräge der Fuldenser Schule, und können demnach auch nicht ihrem
Abschn. XII, Anm. 90.); quod si voces non significareng nullo modo nomina novem
esse possenL
152) Ebend. p. LXXVIII f.: hion tamen genus in rerum designatione accipi
posse negant (der Gedanke C0usm's, negant in ncgandum oder negari potest zu
andern, ist verfehlt, denn es ist noch immer von eben Denjenigen die Rede, welche
den logischen Schriften als logischen die voces zuweisen); dicit enim Boethius in
libro divisionumy generis divisionem esse ad naluraml id est apud omnes (auch die
Worte apud omnes will Cousin ändern, sie stehen jedoch bei Boelh. p. 639, s.
Ahschn. XII, Anm. 97.); per quod demonstratur boethius non in vocum sed in rerum
designalione genus acoepisse. .
153) Ebend. p, LXXIX: Nihil uliud est genus quam substantialis similitudo ea
diversis speciebus in cogitatione eollecta. In des Boethius Uebersetznng des Por
phyrius (p. 57.) erscheint der Ausdruck „oolleclio“ nur bei jener unter den Phi—
losophen nicht üblichen (Abschu. XI, Anm. 40.) Bedeutung des Wortes „genus“,
wornach es in genealogischem Sinne ein „Geschlecht“ bezeichnet. l
154) Ebend. p. 615.: Probat quod genus non dicitur simpliciter sie: si genus
dicitur triplicitcri tune non dicitur simpliciterg locus ab oppositisgx maxima propo
sitios si aliquid oppositum convenit alicuL suum oppositum removetur ab eodem.
155) So z. B. auch dasjenige, was Haure‘au, De la phil. seol. I, p. 109. ans
der nemlichen Handschrift, welche Cousin benützt hatte, veröffentlicht; es betrifft
das genus supremum und stimmt dem Sinne nach ganz mit Bocth. p. n f. überein.
Ebenso ist, was Cousin a. a. 0. p. 615. über die individua angibt, keineswegs
dem Verfasser des Commentares eigenthümlich, sondern findet sich bei hostia p.
73. S. Abscho. XII, Anm. 87.
156) Cousin a. a. O. p. 614.: „Vel in demonstrationefl id est ad librum
demonstrationumg volunt enim quendam librum essea qui uocetur liber demonstratio
num, qui apud nos in usu non est.
Xlll. 'Eric v. Auxerre. 41
Begründer die Schuld oder das Verdienst beimessen, ihr in dieser Be
ziehung eine“besti|nmte Richtung gegeben zu haben, sondern weit eher
scheint sich der Partei-Gegensatz als solcher erst innerhalb dieser Schule
selbst zu entwickeln; wenigstens trell'en wir dort sogleich das eigen
lhümliclie Factum, dass der Lehrer auf Seite des logischen Nominalismus,
‚der Schüler hingegen auf jener des ontologischen Realismus steht.
“ ln Fulda hatte unter Leitung des Haimon, eines Schülers des Hra
banus, Eric vo-n Auxerre studirt, und es eröffnete derselbe, nachdem
er noch den Unterricht des Servatus Lupus in Fcrrieres genossen, in
seiner Vaterstadt selbst eine Schule, woselbst unter seinen Zöglingen
ausser Lothar, einem Sohne Karl des Kahlen, sieh auch Bemigius von
Auxerre befand. Von diesem Erir, dessen Blüthezeit sonach ungefähr
um d. J. 870 zu setzen ist, fanden sich in einer Handschrift von St.
Germain commentirende Glossen zur pseudo-augustinischen Schrift „Ca
tegoriae“‘57)‚ wobei sich uns wieder eine erneuerte Steigerung jenes
nominalistischen Standpunktes zeigt, welcher uns in der so eben_betrach
teten Schrjft begegnet war. Eric geht nemlich entschieden von jenen
nemliclien Stellen des boethius aus, welche wir dort (Anm. 151) als
Beweisgrund angeführt sahen, aber indem er res und intellectus wohl
ähnlich wie Scotus dem Gebiete der Natur zuweist, hingegen diesem
die vom als blosse menschliche Vereinbarung (vgl. Anm. 105) gegenüber
stellt‚ scheint er den theologischen Hintergrund, welchen noch Scotus
(Anm. 122 f.) für die Sprache fand, völlig zu versclimäheu l"’s). Und
jedenfalls weist er diesem menschlichen Sprachausdrucke eine so starke
Geltung zu, dass er eine substantielle Sacbbezeichnung der Universalien
direct verneint und in denselben nur das Verhältniss der prädicativen
Aussage erblicktl‘“); ja ausdrücklich bezeichnet er die Stufenleiter,
welche von den Individuen zur obersten Gattung, d. h. zur Substanz,
hinaull‘ührt (— also jene zweite Hälfte des Weges, welche bei Scotus
dvalvnm‘j lmisst, s. Anm. 108 ll‘. u. 120 —)‚ als eine nominalistische,
157) Die Angabe Cousin’s (a. a. O. p. 621.) _fand ihre Berichtigung durch
llaureau a. a. O. l, p. l35.‚ welcher die betretl'ende Marginal-Note der Handschrift
genauer las und uns den Verfasser der Glossen feststellte. (Eine anderweitige
Schrift des Eric, worin derselbe die Lehren des Haimou und des Servatus Lupus
im Auszuge zusammenstelltc, s. Mabill. Arm. Bened. ll, p. 627., scheint yerloren zu
sein.) — Die pseudo-angustinisclie Schrift über die Kategorien ist auch hier durch
obigen Prolog Alcuins (Anm. 53.) eingeleitet.
155) Bei Haurdau a. a. O. p. 142.: Tria sunt quibus omnis collocutio dispu
tatioqne per/iciturr res. intellectus et voces. Rcs sunt quas animi ratione percipimus
intellectuquc discemimusi intellectus vero quo ipsas res addiscimusg voces quibus
quod intellectu capimus significamus. Praeter haec autem tria est aliud quiddam
quod significal voces, hoc est litterae. harum enim scriptio vocum signincatio est (s.
Abschn. Xll, Anm. 110.). dem concipit intellectusj intellectum voces designant, voces
autem litterae signi/icanL Rursus horum quatuor duo sunt naluralim id est res et
intellectus, duo secundum positionem hmm'num, hoc est voces et litterae.
159) Ebend. p. 140.: sed huic occurrimus dicmtes, genus non praedicari de
animali secundum rem, id est substantiaml sed designativum nomen esse animalisl
quo designatnr animal de pluribus specie differentibus dipi; namque neque rationem
animalis potest habere genus, cum dicitur animal est substantia animata et sensi
bilis ; similiter nec species dicitur de homine secundum id quod signifch sed iuxta
illud quod de numero differentibus praedicatum ."1‘
M
42 Xlll. Eric von A'uxerre.
indem dieselbe zuletzt in eine engste Stufe, welche uiio’nomüte ‘
auslaufe 16Ü). qaam-f a
Insofern aber dem' Eric auch noch andere logische '1‘ra"
gelegt wurden, welche in jener nemlichen Handschrift von Sl. Germain
sich finden, können wir hiemit allerdings nicht übereinstimmen, glauben
aber, dass dieselben in der That noch in ‘jene Zeit, d. h. jedenfalls in
das letzte Drittel des 9. Jahrh. fallen 16l). Von den Marginal-Glossen -
zu „Periermeniae Aristotelisu (nach des boethius Uebersetzung) können
wir füglich ganz absehen, da" sie nur dem Commentare des Boethius
selbst entlehnt sind 162). Ein hierauf folgender Tractat, in welchem
Augustinus de Dialectica mit einer Einleitung und gleichfalls mit Rand
glossen begleitet ist, zeigt eine ganz andere Behandlungsweise als Eric’s
Gomnientar, indem namentlich häufig griechische Worte eingestreut und
etymologisch erklärt sind; die sehr eigcnthümliche Einleitung, in welcher
auch Scotus erwähnt wird, beachtet besonders das Verhältniss Augustins
zur Stoa_‚ schliesst sich aber dann an lsidor (Anm. 27) bezüglich des
Gegensatzes zwischen Dialektik und Rhetorik annisy Sodann aber ent
hält jene Handschrift auch noch einen glossirenden Commentar zu des
Porphyrt'us Isagoge (nach der Uebersetzung des Roethius), welcher uns
bezüglich der Controverse über die Universalien wichtig ist. Die dabei
ausgesprochenen Ansichten liessen sich allerdings mit jenen des Eric
vereinbaren, insoferne hier trotz einer deutlichen Beziehung auf Scotus
schon sehr der aristotelische Begriff der individuellen Substanz hervor
tom Ebend. p. 141.: sciendum autem, quia propria nomina primum sunt in
numerabilial ad quae cognoscenda intellectus nullus seu memoria sufficit; haec ergo
omnia coartata species comprehendit et facit primum gradumy qui tutissimus ext,
scilicet homineny equum, leonem, et species huiusmodi omnes continet ; sed quia haec
rursus erant innumerabilia et incomprehensibilia. alter factus est gradus ungu
stior; ita constat in genere. quod est um'mal, surculns et lopis; iterum etiam haec
genera in unum coacta nomen tertium fecerunt gradum arctisimum iam et angustis
simum, utpote qui uno nomine solummodo constet, quod est usia.
161) Denn bei einer Handschrift des 10. Jahrh. geht für diesen Fall die Be—
weiskraft der Gründe, welche llaureau a. a. O. p. 135 f. aus der Gleichheit der
Schrift der Marginalglosseu schöpfte, sicher auf eine Identität der Zeit. Was aber
gegen die Identität der Person spreche, ist sogleich unten anzugeben.
um Cousin a. a. O. p. om
163) Ebend. p. 619.: Aurch'us vocatur dominus Augustinus ab aural id est
fauore populim' etc. „Dia“ enim quando per iota scribitur. significat „de“ vel
„ex“ pracposilionem, quando vero per y, signi/itvat dito, sicut est „dyologus“. .. . .
Scd omisso isto nomine transferamus nos ad dialecticaml de qua nunc nobis loqui
opartet. byalectica autem proprie .‚de dictioneuy quum in ea rationabiliter dc dictis
disputalurg ne quidem videretur „de“ per appositionem dici, quemadmodum dicimus
„de montr, de domo,” iunclim profert-ndo est dyolcctiro. Nun folgt die oben, Anm.
on angeführte Stelle über Scotus, sodann: bicitur micrologal id est pawilogo.
sicut rltctcrica morroioye, id est longiloga diciturj macron enim dicunt graece lon
gom. Est autem dialectica disciplina rationalis dif/iniendil disserendi ac rero de
falsis discemendi potens. Hunc libellum edidit dominus Augustinus de origine, Hy—
mologia verborum partim quidem ad imminulionem Stoicorum partim vero ad con
fusionnn; nam Sloici dicebant nullum verbum esse quod non habeat origincm, aut
sciatur aut latent. ouibus ille contradicit innumerabilia inquiens verba quorum
ratio reddi non possit (s. Abschn. Xll, Anm 35.). Diolectica nempe est pugnas
ustrictur, sicut et rhetorica palma quaedam extensa (s. Abschn. Vlll, Anm. 25.);
unde rares et lstudiosos requirit magistros etc.
m ‚.__.‚- d
XIII. Jcpa (1). 43
tritt, und der Gattungsbegrill' lediglich dem menschlichen Denken an
heimlällt. Jedochbliebc es, falls Eric der Verfasser dieses Commentares
wäre, immerhin schon auffallend, dass derselbe bei dargebotener Ge
legenheit seine entschieden nominalistische Auffassung des genus hier
ganz verschweigt: und sie nicht, wie doch sehr wohl möglich wäre,
mit seinem ontologischen Standpunkte verbinde. Sodann aber nennt
sich ja der Autor am Schlusse der Glossen selbst, wobei allerdings die
Handschrift den räthselhaften Namen „Jepa“ darbietet, bei welchem
ungewiss ist, was wir dahinter zu suchen haben tw Jedenfalls zeigt
sich uns hier ein Beleg dafür, dass, wie wir oben S. 35 sagten, von
zwei verschiedenen Seiten her Fragen auftauchten, welche in der Be
urtheilung der Universalien zusanimenliefen; denn sowie Eric von jenen
Worten des Boethius ausgieng, durch welche der Nominalismus an sich
näher gelegt war, so handelt es sich hier um die zum Realismus hin
neigende Stelle des Porphyrius. Dabei aber wird an die entschiedene
Behauptung, dass genus und species eine wirkliche Existenz haben ‘65),
sogleich die Unterscheidung geknüpft, dass, während Ein und dasselbe
Subject es ist, welches als universale und als singulare besteht, doch
nur einerseits letzteres als das concrete Sein im Sinnlichwahrnehmbaren
und andrerseits ersteres als das Gedachtwerden der Substanz selbst
betrachtet werden solle‘“). Darum liege die Unkörperlichkeit z. B.
bei dem genus nichl in jenem, was dem natürlichen Bestehen derDinge
selbst zu Grunde liegt, sondern eben nur darin, dass es genus ist, und
ebenso verhalte es sich auch bei species und den übrigen der quinque
voces 167); kurz die Unkörperlichkeit der Universalien crleide eine Be
schränkung, da dieselben sowohl mit Körperlichen] als auch mit Unkör
perlichem (gleichsam geistigen Dingen, z. B. Kunst, Wissenschaft u. dgl.)
verbunden sein können; in beiden Fällen aber seien sie untrennbar an
ihre individuellen Substrate gekettet, daher sie im ersteren Falle mit der
Seele (anima) und im letzteren mit dem Geiste (animus) zu vergleichen
seien 1“); ja am besten könne jene Unkörperlichkeit mit der mathe
I
164) Ehend. p. 623.: Seripturae finem sibi quaerunt hic isagogac; Parva qui
dem molesl magna sed utilitas. .lepa hune scripsi glossans utcunque libellum;
Ouod logicac si sit, scire tegens patent Haun‘au scheint dieses ganz übersehen
zu haben.
165) libani p. LXXXII: Prima quaestio esl, utrum genera el species vero sinL
Sed sciendum 0st, quod non esset disputatio de eisy si non vere subsisterenll nam
res omnesl quae vero ‚um, sine eis non esse possunL
166) Ebend.: Genera et species, id est universale et siugularel unum quidem
subiectum habenl, subsistunt vero alio modo. intelliguntur alio; e! sunt ineorporaliaj
sed sensibilibus iuncla subsistunt in sensibilibusl et tunc est singulare, intelligun
tur ut ipsa substantial ut non in aliis esse suum habential et tunc est universale.
167) Ehend. p. LXXXIII: An corpomlia ista sint an incorpomlia. quod duo
bus modis accipitun Nam genus si in eo quod genus si!‚ non quod res natura
constat. eonsideraturl semper ineorporale est; verbi gratiay si' substantia non consi
deratur in eo quod substantia 2st, sed in eo quod sub se species habetl incorporalis
csl,‘ item si species, quae est Iwrnn, consideratur tantummodo in eo quod sub ge
nere esl, es! ineorporulis et ipso,- eodem modo el difi‘ercntin quadrupes non respicitur
quod sit quadrupes diiferential sed unde a bipede differl, ue per hoc et ipsa incor
poralis esL Similiter de eaeterls accipiendum est.
168) Ebend. p. LXXXIV: Exceptio (Cousin ändert mit Unrecht ilhaocepn'o)
g.
44 XIII. Jepa(?). Reinigius.
tnatischen Abstraetion verglichen werden, welche an den Körpern die
Verhältnisse der Linien und Flächen als unkörperliche denke, denn in
gleicher Weise sei jeder Gattungsbegrifl‘ trotz aller Unkörperlichkeit desj
Gi-dankens doch in den Individuen stets in körperlicher Weise vorhan
den 169). Wird sonach genus als „die im Denken veranstaltete Zusam
menfassung der Aehnlichkeit aus den verschiedenen Unterarten“ defi
nirtno), -— wobei im Vergleiche mit obiger Definition des Pseudo
Hrabanus, Anm. 153, bereits die Weglassung des Wortes „substantiell“
zu beachten ist ——‚ so sehen wir, dass bei der Grundansiebt des Ver
fassers dieses Commentares schon nicht mehr die naive Indifferenz wie
bei Scotus (s. Anm. 140) bestehe, so’ndcrn dass die aristotelische Auf
fassung mit Absicht und Bewusstsein vertreten werde. Wie sehr aber
hiebei schon eine bestimmte Parteistellung obwalte, ist daraus ersicht
lich, dass hier zum ersten Male mit der Darlegung der eigenen Meinung
des Autors völlig polemische Seitenblicke auf platonisch-realistische'Geg
ner verbunden sind l71).
Ein solcher Gegner aber ist Eric’s Schüler lie migi us von A u xe rre,
bekanntlich einer der berühmtesten Lehrer jener Zeit, welcher seit d. J.
882 in Bheims und hieraufin Paris durch grammatikalischen, musikalischen
und dialektischen Unterricht wirkteU'Z); uml es muss uns sehr wahr
itaque incorporalitatis genere fit, quod et praeter corpora separatem esse possit et
corporibus iungi patiatur ut animal sed ita ut, si corporibus iuncta fuerinty insepa
rabitia sint a corporibusy neque ab incorporalibus separentun el utrasque in se con
tineant potestatcsg nam si corporalibus iunguntun talia sunt qualis illa prima versus
terminos incorporalitas (s. d. folg. Anm.) quae nunquam discedit a corporel si vero
incorporalibusy talia sunt qualis est animus qui nunquam corpori copulatur.
169) Ebend.: Termim' cum sint semper circa corpora quorum termini sunl,
incorporei tamen intelligenter, sicut est cpiphanint et haec prima incorpomlitas,
primus transitus a corporibus ad incorporea liuic ergo incorporalitati assimilatur
generis et speciei incorporalitasg neun, verbi gratia animal et homo, licet per se
intellectu incorporatia sinty in individuis tamen quibus substantl corporalia sunL
Hiezu die Stelle bei tiaureau a. a. O. l, p. 139.: Locus in corpore quidem per
cipitur-1 sed corpus ipse esse minime credcndumg est ergo locus spatiuml quod
quodlibet corpus tenere aut occupare valetg hoc autem spatium in sua na
tura propria ei integrum et inriolatum permancL Die Vergleichung der allgemeinen
Begrifl'e mit der geometrischen Granze der Körper (vgl folg. Abscbn. , Anm. 71.)
oder mit dem Orte ist es jedenfalls, welche uns sehr an Scotus (Anm. ian er
innert. wenn auch die Auffassung des locus hier nichl so ausschliesslich spiritua
listisch klingt wie dort, sondern sich mehr an das conerete Wesen des Kör
pers halt.
170) Cousin‚ p. LXXXV: Genus es! cogitatio collecta ex singularum similitu
dine specierum Diess ist der Punkt, an welchen Eric, wenn er der Verfasser
dieser Schrift wäre, seine nominalislische Ansicht hätte nnschliessen'können und
müssen.
171) Ebend. p. LXXXII: Sed Plato genera et species non modo intelligi uni
versatia1 verum etiam esse atque praeter corpora subsistcretputaL Und -p LXXXIV:
Hi qui genus et speciem incorporalia solummodo dimnt, hoc probare videntur Por
phyrii ipsius sentential qui veluti iam probata quod incorporea sinl; ita ait „c!
utrum separata an ipsis sensibilibus iuncla“; quod et si haec aliquando corporalia
ezslitissenL absurdum esset quaererez utrum incorporalia seiuncta essent a sensibi
libus an iunctag cum sensibilia ipsa sint cnrpora.
172) Sein Schulbuch der lateinischen Grammatik, welches noch im 16. Jahrh.
benutzt wurde (gedruckt unter d. Titel Remigii fundamentum scolarium. BusiL
nos 8.)‚ berührt uns hier nicht.
l i
qu Otto v. Clugny. Remigius. 45
scheinlichzdünkem dass gerade des llemigius Einfluss in Paris noch bis
zur späteren dortigen Richtung l'ortwirkte, wenn wir auch nicht mehr
im Stande sind, die Faden, welche von seinem‘ hervorragenden Schüler
Otto von Clugny "3) zu Wilhelm von Champeaux hinabführen, im‚- l
Detail nachzuweisen. Seine logischen Ansichten legte Remigius in einem
Commentare zu Marcianus capella nieder 17“), und er zeigt dortsellist
die Parteistellung eines ausgesprochenen Realismus. Er betrachtet neul
lieh das genus lediglich als den Sammelpunkt der speciellen Formen
([‘ormurum, vgl. oben Anm. 109), welche durch Theilung (paru'n'o) aus
ihm hervorgehen und dann Wieder als substantielle Einheit (unitas sub
stantiulisj der Individuen bestehen H5’), so dass im platonischen Sinne
Alles bis zum lndividiuul herab sein Sein nur iltlrch ein Tlieilnehmen
(parlicipatio) an dem obersten genus, d. h. an der Substanz, liesitzt‘7“).
ln voller Consequenz wird diese Auflassung sogar auch auf die Aeci
dentien angewendet, welche sonaeh vor ihrer Vereinigung mit einem
Individuum ursprünglich gleichfalls selbstständige Substanzen waren “7),
und es verbindet sich hiemit auch die platonische Lehre von der Blick
erinnerung, insofern es sich um geistige Aceidentien, z. B. wissenschaft
liehe Bildung, handeltns).
x; m
"‘ 173) Joamtes, vita od. cum l, 19. bei Maln'll. Act. Benz-d. Scc. V, p. 157:
ltdo his diebus adiit Parisium ibique dialecticam Saucti Augustini Deodalofilio suo
missam perlegit et Marcianum in liberalibus artibus frequenter lectitavitg praecepto
rem in his omnibus habuifllemigiunL Vgl. MabilL Arm. Bened. lll, p. 331.
174) Nachdem schon früher das Vorhandensein dieses Cummentares in ver
schiedenen Bibliotheken (z. B. auch in Leyden) bekannt gewesen war, hat nun
Huun‘au a. a. O. l, p. 144 tl‘. aus Pariser Handschriften einiges Wiehtigere mit—
getheill, vielleicht leider fur unseren Zweck zu wenig, und auch dieses nicht immer
im Originaltcxte. (Die Note p. 148, aus welcher man auf eine grössere ander
weitige Veröffentlichung Von Fragmenten des Remigins schliessen konnte, bezieht
sieh‚ wie mir H. llaureau freundlichst mittheilte, nur auf einen Missbrauch, welcher
mit den eigenen Adversarien desselben vor dem Drucke des Buches von einem
Dritten getrieben wurde.)
175) Haurc'au, p. 145.: Genus est complercioa id est adlectio et compreheusio
multarum formarum, id est specierum Es! autem forma partitio lsubstantialisl
ut homog homo est multorum hominum substantialis unitas.
176) Ebend. p. 146.: Voici comment il s'erprimc: „l! es! un genre plus
genilral que les autresy au-deld duquel llintelligence ne peu! s't‘lever, que les Grecs
nomment oüo'ia, et les Latins essentia. En eflel, l'essencc comprend toutes les na
tures el lant ce qui existe est portion de llessence - cuius participationc consistit
omne quod est descendit autem per genera et species usque ad speciem spe
cialissimam quae a graecis uthomoih id est individuum et insecabile dicitura ut
est Cicero.“ ‚
177) Ebend. p. 147.: ll n’est pas deuten: que l‘accideu! propremcn! dit vicnne
slunir a tu substance individuelle; mal: avaut quc rette union soit opereel oii si
lrouve, dit-ih llaecidentf Uu'esl-il? Nr; peut-on pas dire qu’il est par iui-memo
quelque subslunce nsubstantia per semel?“ ciceron est oraleur, rhiiteur; voila
tlaccidentg mais uvant de slunir d Cicdrou ou de se produire en luil la rhetorique
iiletait-elle pas une substanceft -
178) Ebend. p. 148.: omnis naturalis ars in humana natura posita et con
cretus inde fit ut omnes homines naturaliter habeant nalurales artes. Cum ergo
apparet rhetorica in animo alicuius hominisy non aliunde venit nisi a se ipso, id
est de profunditate memoriam et ad nullum aliud redi!‚ nisi ad eandem eiusdem
memoriae profunditatem Accidens enim in uno forma, id est in uno speciei ut rhe
luricu, non nisi homini accidit Homo uua speciesg philosophi dicuntl omnibus
x).
J.-„‚“‚.“‚——._MMM
J‚.zn.u..-
46 v XIII. Die l'arteispaltung. St. Gallen.
h .n
Somit liegt. bereits am Ende des 9. .lahrh. jene ganze Parteispal
tung vor ults, welche man gewöhnlich erst dem Ende des 11. .lahrli.
zuzuschreiben pflegte oder noch pflegt l"9), und was das Princip be
tritl't, so haben Boscellinus. Wilhelm von flhampeauxa uu_d selbst Abülard
nichts Neues im Vergleiche mit den so eben erörterten Erscheinungen
vorgebracht; dass bei ihnen die Darlegung der Parteistellung reicher
und einlasslicher sich gestaltete. ist sehr erklärlich, da ja der Streit in
der Schule eben zwei Jahrhunderte vorher schon begonnen hatte. Drei
Auffassungen aber, nemlich der sog. Realismus I’lato’s, der aristotelische
Individualismus, undder Nominalisnms, hatten sich schon im 9. Jalirh.
herausgestellt, und zwar, wie wir wenigstens versuebten zu zeigen,
nicht ohne den Einfluss des Scotus Erigena. Dabei jedoch kann es,
wie sich von selbst_verstebt, Niemandem in den Sinn kommen, den
Itemigius und jenen Jepa (i) und den Eric oder obigen I’seudo-llrabanus
etwa als die ersten Entdecker oder Erfinder der von ihnen vertretenen
Ansichten zu betrachten, sondern dieselben dürfen uns nur als Reprä
sentaplen von Richtungen gelten, welche aus dem logischen Schul-Ma
teriale mit Nothwendigkeit hervorgehen mussten, sobald man nur über
haupt etwas mehr naclidachte, und wir dürfen überzeugt sein, dass in
jener Zeit wohl überall, wo man sich mit Logik beschäftigte, die glei
chen Gegensätze sich lierausstellten (vgl. unten Anm. 238; eine sorg
fältige Durcltforscbung aller Bibliotheken würde wahrscheinlich noch
manclten Beleg biefür zu Tage fördern). Dass _die weitere Fortbildung
der Controversen durch die Berühmtheit einzelner Lehrer und nament
lich gerade durch polemische Darstellungen nur gefördert werden konnte,
ist von selbst klar; aber der erste Anfang des Streites muss jenem
Jahrhunderte zugewiesen bleiben, welchem er wirklich angehört.
In dieselbe Zeit (Ende d. 9. .Iahrh.) fallen auch die'ersten Keime
jener 'l'liätigkeit iu St. Gallen, deren reichere Blütlte uns bald weiter
‚unten begegnen wird. Auch hier weist uns der damalige Kulturgang
'auf Fulda und die Schule des Hrabauus als die eigentliche Quelle zu
rück H"), und es versteht sich von selbst, dass die theologisch-kirch
liche Grundlage der freien Künste, welche in der Schule die übliche
l vul .‚
. .
hominibus accidere diseiplinam quod si itar ergo onmis humo rItct‘or, dialeclicus.
videmus tamen complures expertes esse rhetoricos et aliarum diseiplinarum; mm
ergo veruml quod omni homini rhetorica accidaL Sed aliud quod accidit secundum
naturaml aliud quod secundum esterritinm et ezperientiamg ergo secandum naturam
omni homini accidit disciplinas solis vero philosophis secundum exrrcitium et ecr
perientiann lliebei ist der Realismus um so beachtenswm‘ther, da ltemigius zu letz
terer Auseinandersetzung otl‘eubar durch eine Stelle des Boethius veranlasst wurde,
wo letzterer gerade über den Sprachausdruck handelt (ROH/l ad Ar. d. interpr.
p. 323.: sicuteryo naturatiter singulznium artium sumus susceptibiles, sed eas non
noturaliter habemusr sed doctrina concipimus, ita vor quidem naturaliter esl, sed per
vocem significatio non natut'elilcr).
179) Natürlich mit Ausnahme der Darstellungen bei Cousin und bei llanrenu;
auch H. Bitter zog es trotz der Mitthellungen des ersteren (— die des letzteren
konnte er i. .l. lium noch nicht kennen —) vor, nach älterer Weise den Nomi—
ualismus und Realismus erst mit Roscellinus und Wilhelm von Champeaux zu
eröffnen.
180) S. Wackernagel, Gesch. d. deutsch. Litt. S. 78 m Vgl. auch Weidmann,
Gesclt. d Bibl. v. St. Gallen. IBM.
. . ..... a
an St. Gallen. Glossarinm Salomonis." . ' 47
war (s. oben Anm. 17, 24, 49, so f.), auch in St. Gallen im Auge
{behalten wurde l31). Welche Wichtigkeit die dortigen Bestrebungen
auch durch die Anwendung unserer nationalen Sprache besessen, ist
bekannt genug; es mag aber in dieser Beziehung gelegentlich bemerkt
werden, dass es damals auch ausgesprochene Gegner des Uebersetzens
gab‘”); jedoch diese Seite der St. Galler Periode liegt uns hier ja
ferne. Hingegen was das logische Material der dortigen Schule betrifft,
dürfen wir die vereinzelte Notiz nicht verschweigen. dass ein Bücher
Verzeichniss aus d. .l. 872 von „fünf Büchern“ des Boethius (ausser
der Schrift d. consol. phil.) spricht 183), denn im Zusammenhalt mit einer
späteren Angabe (Abschn./„XIV, 'Anm. 6) dürfen wir hieraus schliessen,
dass auch in St. Gallen in jener Zeit die von Boethius gemachte Ueher
setzung der aristotelischen Analytiken noch unbekannt war.
Der sog. „Vocabularius S. Galli“ und die „Keronischen Glossen“
enthalten noch durchaus nichts Logisches 184), hingegen hietet‘das sog.
Glossarium Salomonis’“) uns einiges lnteresse dan indem dort in
der alphabetischen Reihenfolge, in welcher/das ganze encyklopädische
Schulwissen damaliger Zeit vorgeführt ist, sich auch reichlich logisches
Material findet. Allerdings sind es fast ausacbliesslicli nur die Angaben
des lsidorus, welche hier in alßbabetischer Zerrissenheit und mit bar
barischer Schreibung der Kunsta‘usdrücke erscheinen 186); aber einiges
181) Eckchen! vita S. NotL-eri b. Cam's. Ant. lectt. lll. p. 554.; In monasterio
S. Galli septem liberatium artium studium floruit, et ille sub lsone magistro (lso
starb 871) hoc in tempore literatissimo artium liberalium subtilitates non pro gloria
seu avore seculi, sed pro utilitate sanctae dei ecclesiae admodum satis edoctug fuiL
182) Wenigstens sagt Sercatus Lupus (gest. 862), Episl. 41.: Vobis aperiu,
principem operam me destinasse lectioni et ad oblivionis remedium et eruditionix
augmentum libros pauculos paratvissey nec germanicae linguae captam amore1 ul
ineptissime quidem iactavermtt, sarcinam subiisse tanti tamque diuturni laboris.
183) Rutperl. Gas. S. Galli b. Pertz1 Man. ll, p. 72‚: lsidori Elymofayiar.
Marcianus Cupella. Boetliü philosophiae eorlsolalioy item alii quinque libri.
184) Ich habe die ganze Glossen-Litteratnr jener Jahrhunderte, soweit sie ge
druckt vorliegt, durchgelesen, aber aussersl selten Worte aus der Logik gefunden
(mehr aus der Rhetorik), nnd jenes Wenige beruht ausschliesslich auf lsidor und
Marc. Capella.
185) Der Constanzer lncunebeldrnck s. l. c. a. dieses Glossariums (wovon
Ein Exemplar sich in der Münchner Staatsbibliothek findet) enthält eine Epislolu
praelt'butiuia, welche gegen das schlechte Latein (des . Jahrh.) und auch gegen
das Calholicon des .loannes lanuensis polemisirt und ei ausdrücklich den Bischof
Salomo ll. tam-eam als Verfasser nennt (ergo Salomon ille noster secundus
tiunstantiensis ecclesiae epitcopus etc.) Weidmann a. a. O. p. 461. schreibt es
Salomo lll. selbst tego-gem zu; richtiger aber scheint die Ansicht zn sein, welche
Graff, Diutiska lll1 p. 411 fl'. und R. v. Raumcr, d. Einwirk. d. Christenth. u. d.
altbochd. Spr. p. l28. aussprechen, dass das Ganze nur im Auftrage Salomo's lll.
von Notker Balbulus (gest. om und von Tutilo (gest. 9l2) etwa auch mit Be
nützung Von Excerpten lso’s gemacht sei. Vgl. auch E. Dümmler, D. Formelbuch
des Bisch. Sal. lll. Berl. l857, p. 110 Uehrigens besteht das gedruckte Exem
plar aus zwei Glossarien. deren ersteres eas nnpaginirte Blatlcr gross folio in
je zwei Columnen, das zweite aber, welches sich weder als Auszug noch als Supple—
ment des ersten zeigt, ebenso 49 Blätter füllt.
186) Die Eintheilung der Philosophie und der freien Künste nach lsidor (s.
, ‚oben Anm. 23.) steht s. c. Philosophie uud ltiseiplinaej wobei auch der Unterschied
fzwischen ars und disciplina (Anm. 26.) nicht fehlt; die verschiedenen Angaben
. über die Logik selbst (Anm. ‘27.) sind verlheilt s. v. bialecticus uud Logica und
a .
48 - Glossarium Salomonis. Poppo.
Einzelne weist doch auch auf anderweitige Lectüre hin, wie z. B. höchst
abenteuerlicheßotizen über die „Entelechie“ oder über das Verbum"
Elth 1“7), oder wenn bei den Kategorien der Qualität und der Ilclatiou.
(jedoch nur bei diesen beiden) Ausführlicheres unmittelbar aus Boethius
benutzt ist'“); dasselbe gilt von der Berücksichtigung suphistischer
Schlüsse, welche nicht aus Alcuin (Anm. 71) und nicht aus Hrabanus
(Anm. 82), sondern selbstständig aus Gellius (Abschn. VIII, Anm. 66)
entnommen Dass dassindze15h9n)t.e Jahrhundert in geistiger Beziehung rdie Zei"tj der‘.
grössten Unfruchtbarkeit und Finsterniss gewesen, ist bekannt, und so“
linden auch wir auf unserem Gebiete nur die Bestätigung eines solchen
Urtheiles, denn in der That ist es der Zeitraum eines ganzen Jahrhun
dertes, aus welchem wir auch nicht eine einzige selbstständige Arbeit
oder auch nur die Anfertigung eines Compendiums mit Sicherheit an
führen können. Um so mehr aber müssen wir eben deshalb in dieseL
Periode auch jede geringfügige Spur verfolgen, welche uns den Nach
weis geben kann, dass doch wenigstens der reeeptive, — wenn auch
nicht der productive ——, Schulbetrieb der Logik noch fortglimmte und
somit der Faden derTradition nicht völlig entzweiriss. „U „J. „
Eine solche Anknüpfung an Früheres wäre zu erkennen, .wenlr
Poppo in Fulda (um d. .I. 960) seinen Schülern ausser dem Boethius
auch andere philosophische Schriften erklärte 190); oh aber wirkligjt.
Rationubilis; das ganze Capitel über die Isagoge (Anm. 28—31.) nur mit Weg
lassung der letzten paar Zeilen (Anm. 31.) steht s. u. lIisugoyc, ebenso vollständig
der t bschnitt über die Kategorien (Anm. 32.) s. v, Kategorie, und Einzelnes daraus
wieder s. n. Equiuoca, llomonima (Anm. 42.), omonimaa Sinonima. Ouanlitas, Sub
stantiav Usia. Von der Lehre vom Urtheile steht s. v. Periermeuias bloss jenes
Sprüchlein (Anm. 34.), sodann aber Einzelnes s. v. Apo/asin, Contradiclio, llatu
fasinj Negatio, Nomen, Verbum. Das Wort lie/initio selbst fehlt, aber Einzelnes
ist angegeben s. c. liataapheresina Katahipotiposiu. li'atucpcrion, li'alaanalogiam,
Kataetilogiam. Aus dem Abschnitte über die Sj'llogistik (Anm. 38.) ist nur Eine
Notiz s. c. Yppotclicos entnommen, hingegen Mehreres aus dem rhetorischen Ah
schnitle (Anm. 43.) verthcilt s. v. Catascetta, Entimcma, IIationatia, Silloyismus;
die Topik aber (Anm. 39.) ist s. c. Topica vollständig abgeschricben. Endlich aber
fehlen auch hier nicht jene obigen zwei Einzelnheiten (Anm. m u. 47.); sie stehen
s. v. Rationale und s. v. Tcncbras.
187) Endelccliia i. e. psicben secundum Clialcirlium perfecta uctas, secundum
Aristatelem absoluta per/ceti intei-prelatum Plato tamen ende/echtem animam mundi
dicit, et dieta endelechia qu i endos lechia, i. c. intima aetas. — Emi verbum subv
stanlivuml i. e. sum, cuius participium praesentis temporis ncutri generis ens, plu
rale eius oysa, i. e. entiay eui addita iota forma! hoe nomen quod est usias i. c.
esse-ntim
188)S. c. Oualitas (vgl. b'octli. p. 186 f.) und s. v. Rclatio (vgl. ehend.
p. 170.). -
1&9) Dilcmmatum argumentum quod est ab utraque parte firmissimum et ron
cludit adversarium (diess erinnert an Scotus, s. Anm. sa ff.). Dilemma est eorun
tus sitlayismus. - Pseudomeni dicuntur fallaces a yrriceo, qm rem aliquam men
Lionibus conantur assererev ut dicimus de philosophis qui aiunls si dicam mentiri
et non mentiory verum dico. — Sofisticc, argum sapienter conrlusione vel reprehen
sione. - Im zweiten Glossare: Sepln'strm, eloquenlissimus oralar. -—- Sopltismuta,
i. e. fraudulentae assertiones. —- Sophisnmta sunt falsae conclusiones verborum , i.
c. ubi in- falsis sententiis connexionis veritas manet (s. Anm. 83.).
190) Trithcm. Arm. Ilirsauy. a. enu p. 113.: claruit his etiam temporibus in
monasterio f-‘uldensi Poppo venerabilis monachusl magister scholarum ronseusu
xm Beinhard. Johann v. Gorz. Gunzo. 49'
ein gewisser Reinhard, Scholasticus in St. Burchard zu Würzburg
(um d. J. 935) einen aus vier Büchern bestehenden Commentar zu den
Kategorien geschrieben habe, ist wohl nicht ganz gewiss, denn ausser
der Unlauterkeit der Quelle, welche diess berichtet, muss jene Zahl der
Bücher darum einigen Argwohn erregen, weil der Commentar des Boe
thius gleichfalls vier Bücher enthält, und somit die Möglichkeit sehr
nahe liegt, dass Reinhard nur ein Exemplar des Boelhius copirt habe;
falls er jedoch auch eine Schrift über die Quadratur des Cirkels ver
fasste, würde diess immerhin, wie wir unten, Anm. 251 und 278,
sehen werden, auf eine speciellere Beschäftigung mit des Boelhius Com
mentar zu den Kategorien hinweisen 191). Auch die Notiz, dass ‚lo
hann von Vendiere, Abt in Gorz bei Metz (welcher i. J. 955 als
Gesandter Otto des ‚l. nach Cordova zu Abdur [lahman ll. gieng), bei.
_seinen Studien durch Augustin’s Trinitätslehre auf die Kategorien oder
die lsagoge hinübergeleitet wurde, mag höchstens als Beleg dafür an
geführt werden, dass Alcuin (oben Anm. 51) in der Schule fortwirkte,
fwenn auch, wie die nemliche Quelle hesagtfiderlei logische Untersu
chungen bei anderen Klerikern keineswegs Beifall fanden 192). _‚
Hingegen finden wir aus dem Anfange der zweiten Hälfte dieses
'‚lahrhunderts wenigstens eine Hinweisung auf die logische Parteifrage
in einem Briefe des Gunzo ltalus ‘93), welcher Diaconus in Novara
gewesen war und durch Otto I. nach Deutschland gezogen wurde;.und
vielleicht dürfen wir aus der Schulkenntniss, welche Gunzo zeigt,
schliessen, dass man auch in Italien jenen Fragen nicht ganz fremd
geblieben war, wenn wir auch auf die zweiunddreissig „Philosophen“,
welche schon im 9. .lahrh. in Benevent gelebt haben sollen 194), wenig
omnium constitutuL qui cum esset omni scientia scripturamm eruditissimusj mul
torum audientium praeceptor egregius fuitg hie, ut Meginfridus testalun libros Boe—
thii de consolatione primus inter omnes suis commentariis ezplanaviL plura denique
veterum synthemata philosophorum suis discipulis legere consueviL Dass die Ange
ben des Trithemius nur vorsichtig zu benutzen sind, ist bekannt.
19!) Ebend. a. 934, p. 72.: claruit his quoque temporibus apud francos
orientales in coenobio sancti liurkardi iuxta llerbipplim lleinhardus monachus et
magister scholarum ibidem in omni genere doctrinarum nominatissimus, sub cuius
institutione scientia litterarum multa claustrales eiusdem loci complures mii-ilice pro
fecerunt ,- scripsit inter cetera ingenii sui opusculo de quadratam circuli librum
unum, in categorias quoque Aristotelis libros quatuory de musica libros duos, de
arte poetica (?) librum unuml in canticum canticorum librum unum clc.
192) 10mm. Melt. vita Joann. Gurz. c. 83 bei Pertz, Mon. VI, p. 360.: postre
mum in libris de rrinitate multa intentione sudavil; in quibus cum de dialecticis
rationibus quaedam o/fmdissetl maxime ubi eam quae dicitur „ad aliquid“
eathegoriam introducit eiusque occasione de omnibus quoque decem praedicamentis
strictim quaedam ao-mmcmorat, scholasticam mox super his sibi operiendu expetens
ab ipsis introductionibus lsagogarum laborem arripuit lectiom's. In quo cum diu
. luctareturj repente dominus pater Einoldus (Abt zu Gorz) medios praecidit cona
tus _ ‚ ‚_ tempora in his frustra expendere nolens ab hoc studio cum avertit iussitqueq
ut animum potius sacra lectione occupareL '
193) Näheres über ihn.s. b. J. Cllr. Gatterer, Cammentutio de Gunzone. Nürnb.
ns6.1944.) -Anon. Salcrn. bei Perlz, Mon. lll, p. 534.: Ludovici secundi imperatoris
aetate triginta duos philosophos beneventi vixisse, inter quos lienricus liberalibus
disciplinis non solum apprime imbutusl sed etiam proba veritate deditus. Pertz er
Pnanrz, Gesch. ll. 4
!__
‘50 i Xlll. Gunzo. ' m
Gewicht legen wollen. Kurz jener Gunzo hat in einem i. J. 960 an
die Beichenauer Mönche geschriebenen Briefe’”) Gelegenheit, nicht
bloss logisches Material zu erwähnen, wobei wir hervorheben dürfen,
dass er ausser dem Marcianus Capella und Arist. d. interpr. auch die
eieeronisehe und die aristotelische Topik (letztere gewiss nur in jener
Vereinigung beider Topiken bei Boeth. d. difl'. top.) nennt 196), sondern
er geht auch mit einem gewissen Forschungssinne und jedenfalls mit
Vorliebe und Lobeserhebungen auf den gleichsam als Zauberkuust wir
kenden lnhalt der Logik, zumal der Lehre vom Urtheile, ein 197)‚ und
versucht selbst nicht ohne Geschick die logische Technik auf anderwei
tigen Stoff anzuwenden 19g). Sodann aber, was uns das Wichtigste
klärt philosophus als clericus vel monachusa vielleicht richtiger Giesebrecht (De’lilt.
sind. ap. ltalos. Bcrol. 1845, p. 15.) als doctor artium liberaliunL
195) Die Veranlassung des Briefes liegt darin, dass Gunzo in St. Gallen beim
geselligen Mahle wegen eines Grammatikal-l-‘ehlers eine bittere Verunglimpfung von
Eckehard erfahren hatte, worüber er nun die Beichenauer um schledsrichterliche
Entscheidung bittet. Abgedrnckt ist der Brief b. Illur!ene‚ Vett. scriptL ampliss.
coll. l, p. 294 m -
196) Ehend. p. acts Adveniens (d. b. nach St. Gallen) deferebam paene
centum librorum volumina intcr quae erat Marciani in septera liberalibus disci
plinis succincta veritas deportabatur quoque Ptatonis in Timeu (d. h. Chal
cidius) viz intellccla pro/'undilas, Aristotelis in libro Periermeuias aut nostris cia:
temporibus tentata aut non perslmrla obscuritas (Wirkung jenes nun schon oft er
wähnten Sprüchleins), ciceronis Aristotetisqae non contemnenda Topicorum dignitas
(selbst schon der Wortausdrnck weist uns sicher nur auf des Boethius Verknüpfung
“der cieeronischen und aristotelischen Topeu hin).
197) Ebend. p. 305 : llaec (so. Minen)“; d. h. die Wissenschaft) ita aliquando
lambiguitatc obfuscaturj ut quae res cui generi subponi debeat dif/icilc possit inve
nirig verbi gratia si quis ita proponal1 cum omnia quaecunque sunt aut substantia
aut accidens habeanturl quid de differentia dicendum est, quae neque substantia ue
que accidens dici potest? Substantia dici ncquit, quia non praedicatur in eo quod
quid sit; accidens idcirco vocari non potestl quia substantiam iri/armat (vgl. Anm.
109. u 150,); quod enim substantiam constituitj in substantia praedißatur. Es!
autem haec tam subtilis prudentiaey ut decem et novem modorum conclusionibus
(diess aus Marcianus Cap., s. Abschn. Xll, Anm. 68.) omnem pacnc logicen philo
sophiam concludi existi-moti quae Aristoteli adeo absecuta creditum ut ei nutrix
credatur. Scit sophistica stultos ravitlalione decipercl monstrat tamen qualiter ipsa
cavillatio possit evitari; falsa veris quando vult sic farcinati ut uno eodemque
tempore eodemque loco rite convenire videantur; esse etiam et non esse arcano qua
dam ratione (also wie eine magische Kunst) simul concurrere fingit, propositionum
suarum quadraturam eo modo dispositam autamat, quatenus obliquorum laterum
recursus aliquando sine coactione redeat. aliquando eoactionc operiatur (er meint
die Figuren bei Boethius, Abschn. Xll, Anm. 113. u. 125.); buic non satis esty ut
dicatur malum esse quod estl sed quia bonum non ext; verba secundum so nomina
esse putatj nam et qui dicit auditnm constituity et qui audit quicscitj ipsaque non
nisi in instanti tempore iutlical dici posse (vgl. Abscbn. Xll, Anm. bis f. u. 111.).
ubique se vertit ad singulos ac veluti ludens venena mordacitatis, quae veneno mon
strata auti vitam non intercludunt.
198) Ebend. p. 310.: oritur quoque magna inter philosophos de coelestibus
corporibus quaestio (s. Beet/t. p.'85., woselbst die Veranlassung der Bemerkung
Gnnzo’s), utrum animata sint an inanimata. et Plalo quidem non solum animata
sed et rationabilia et immortalia putaty Aristoteles inanimata et immortalia. lix
quo secundum opinionem Ptatonis contrarium quiddam c'oufici'mr diffiniti'oui Puiphyrii,
qui di/fercntias substantiales et divisivas affirmri! generum et constitutivas-specierumg
sed irrationalis et immortalis di/ferentiae secundum Platonem nullam speciem con
formant (d. h. wenn sie bei Plato vernünftig und unsterblich sind, so müsste nach
.... b‘;‚u_—_—-.____„ .—— _ g
Xlll. Gunzo. Wolfgang. Ahho. Bernwurd. 51
ist, zeigt er ein Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Platonismns und
Aristotelismus bezüglich der Geltung der Universalien Uw), und er scheint
hierin auf einem Standpunkte zu stehen, welcher die beiden, von uns
oben S. 35 auseinandergehaltenen Fragen zugleich ins Auge fasst. denn
'er entscheidet sich offenbar auch im Hinblicke auf jene die vom be
treffenden Stellen des Boethius für eine platonisrh realistische Auffassung,
wobei das Gebiet der Wortbezeiclinung als das veränderliche und an
sich unstate erscheint 2"0). .
l Anderes hinwiedernm, was der zweiten Hälfte oder dem Ende des
10. Jahrh. angehört, können wir nur als Beleg des Fm‘theslandes _der
Schultradition anführen; so wenn berichtet wird, dass Bischof Wolf—
gang in Regensburg (um d. .l. 970) in einer theologischen [lispulation
die verschiedenen Artena in welche das accidens emgetheilt werden
kann, in Anwendung brachte, wobei jedoch bemerkenswerth ist, dass
die dialektische Methode als carnalis antidotus bezeichnet wird 201)‚
oder wenn die logischen Studien des Abbo von Orleans (gest. mon ‚
welcher in Flenry studirte und später ebendort doeirte 202), und des
Bischofes Bernward in Hildesheim (gest.1022) erwähnt werdenjma),
Porphyrins dann auch eine Species von Wesen existiren, welche'nnvernünftig und
unsterblich wären; eine solche aber gibt es bei Plato nicht); licet Ariilotclis opi
nio a Porphyrii diffinitione non dissmtiuL
199) Ebend. p. 305.: Aristoteti genus, speciem, difl’erentiam, proprium et
accidens subsistere denegavit (sc. Minerva), quae Ptatoni subsistentia persuasit.
Aristoteti an Platoni magis credendum putatisf Magna cst utriusque auctoritas,
quatenus viae audeat quis altcrum alteri dignitate prae/erran
200) fibi-ni p. 299.: llcet/tius vir eruditissimus in libro peri Srmcnias se
eundae e-ditionis audite quid dicati Adminiculari quis debet obscuris sensibus pa
tientia ct consensuy quod ad sententiam dicentis spectatj etsi sermonum ratio se ita
non habeat. cui rei Aristoteles in libro peri tfrmenias congruit his verbis:
sunt ergo ea quae sunt in vocel earum quae sunt in animo passionum notac. omnis
nota alicuius rei nota est; prius ergo res est quam notag res ergo prius ponderanda
est quam nota. '
201) vita wol/gangi c. 28 bei Parts, Man. v1. p. 538.: Om'dam haereticus . ..
quod verbum caro factum est oppuguans dixit „si verbum, non est fattum, aut si
factumv non est verbumu . worauf Wolfgang: Ouia non per spiritualem sed per
caritatem mcdicandus cs antidotum, dic quid sit accidens. llle vero multum arro
ganter uaccidens cst, inqm't, quod adest et abest praeter subiecti corruptionemn
(diess die Definition des Porphyrius, s Abschn. Xl, Anm. 47.). ltursumque prae
sult „quot fmnamm sit accidens. edicilo." At ille canticuiL Theologus autem
. succiuctc disseruitz Acridens ext, inquit, quadri/cmnu; unum quod nec accedit
nec recedit, ut acilus (wohl zu lesen 'calvus) et simus (auch Boeth. p. 110, ‚nimmt
ebenso das griechische aquis unverändert herüber); aliud quod accedit ct rcceditl
ut saturitas et dormitiog tertium quod non accedit et tamen rcccdits ut infantia et
put'r‘iliu; quartum quod accedit et non recedit, ut senectus et canities. liac ergo
similitudine filius induit quasi per inseparabile accidens humanitatem etc. Die
Viertheilung selbst ist erst aus den erklärenden Beispielen bei Buclh. p. eo ge
macht, denn bei Porphyrins liegt nur Zweitheilung vor1 s. Absrlin. X], Anm.
44. u. 47.‘
non Aimoin. vita S. Abb. c. 3. h. Hab. AcL Bened. VI, l, p. 30 flii biecrtorum
adiit sapientiae officinas locorum quapropter Parisiis atque Remis ad- eos qui
philosophiam pro/itebantur profectus . . .. .. denique quasdam diatecticorum nodos syl
logismorum enucleatissime enodavit etc.
203) Thangmar (Scholasticus in Hildesheim und Lehrer Bernward’s, dessen
Leben er-heschiieb), Prot. vitae Bernw. b. Pertz‚ Mon. VI, p. 758.: interdum sint
.1.
4!
se .qu Bernward. Walther v. Speier.
und zwar bei beiden der Berichterstatter in eigenthümlichen Ausdrücken
die Schwierigkeiten der syllogistisehen Uebungen hervorbebt; das Gleiche
gilt auch von einer Notiz, welche die Schule in Worms betrill‘t und
sich wieder des Wortes fuga (s. oben Anm. 97) zur Bezeichnung der
Dialektik bedientn‘). Etwas ausführlicher beschreibt den Gang seiner
eigenen Studien Walth-er von Speier, welcher zur Zeit des Re
gierungsantrittes Otlo‘s lll. (i. J. 983) eine Vita S. Christophori in sechs
Büchern (in Hexametern) verfasste, deren erstes unter der 'Uebersehrifl
„Scholastt'cus“ in schwülstiger Allegorie die Darstellung der sieben freien
liü'lnste enthält 20‘"); und es ist nicht ganz ohne Interesse, zu sehen,
wie Walther an der Hand des Boethius (s. Absehn.Xll‚ Anm. 77 uigil
die Theile der Logik, nemlich lsagoge, Categorien, d. interprek, Ana
lytik und Topik, aufzählt und bei letzterer sich an Boeth. d. ttim top.
ansehliessend das Nebeneinandertreten des Dialektischen und des Rheto
rischen anerkennt, um zuletzt auf Cicero als den Vertreter der eigent
lichen Rhetorik, soweit dieselbe nicht dem Dialektischen anheimt‘ällt,
hinzuweisen 206). v
. J
‚
' ‘
plici conlexlu rationem contalimus, saepe syllogisticis cavillatiom'bus desudatn'mus;
ipse quoque me rrebro, etsi vererimdc, acutis tamen et ez intima aditu (zu lesen
adylo) philosophiae prolatis quaestionibus solliellabat. _
204) Lantbert. vita llertb. 0.3. b. I’ertz, Mon. Vl, p. 741.: Dilectisst'mom pro
lem probe/li ardebant (d. h. die Eltern Heribert's gegen Ende des 10. Jahrh.) aetate
el litterali sludio; ac per hoc Wormuriae idoncis personis conlradunt eum in domo
apostolorum principis, ubi cum exteriori disciplina utriusque testamenti imbucretur
paginis. Patent illi perpropcre quaecunque obscura geruntur in pocmate, nec latent
eum fugae el nodosi amfractus in Socrate (hiebei‘ist wohl Plato gemeint, denn an
lsokrates ist doch sicher nicht zn denken) ol Aristotele et quolibet alio sinuosa
relhore (Rhetorik und Dialektik scheinen als gleichbedeutend genommen zu sein,
wie in obiger _Stelle des Saxo, Anm. 48.). ‘ .
205) Gedruckt h. Pez, Thes. Anecd. ll, 3, p. 27 m (die- Zeitangabe Wllther's
selbst über die Abfassung seines Gedichles steht am Sehlusse des 6. Buches).
206) Der Titel des l. Buches (ebend. p. 35.) lautet: Primus libellus de stu
dio poetae, qui et schotuslicas, und nachdem von der Poesie gehandelt ist, folgt
die Philosophie p. 39.: lnde ubi maiorum letigiLnos cura ciborum, Porphyrius
claras nobis rcsvruoit Allwnas, qua multi indigenae librabant verba sophistae. Cer
nere erat quandam vultu pollentu purllam, Pructica cui limbum pinzilque lheoricfa
peplum (s. Abschn. Xll, Anm. 76.), Et licet effigiem macnlaret parua (l. prava)
retuslas, Ipsa tamen tcrnas suspendil ab ubere natas (S. ebend. die Dreitlleilung
des Theoretischen). Praeslt'tit haec nobis summi subsellia lccti, Et postquam strato
licuit discumbere cocco, Procedunt senae turba comitantc sorores (d. h. Dialektik,
Rhetorik, Rhythmik. Mathematik, Musik, Astronomie). lngenui vultus non absque
grave-dine gestus Addncit famulus praestanli torpore quinas (d. h. die sogleich fol
genden fünf Theile) omnia sub gemino claudeus bialectica puncto (der doppelte
Gesichtspunkt ist inventio und iudicium, s. Abschn. Xll, ebend.). Prima quidem
(die lsagoge) miles gem-rati nomine pollens lnsignita tribus (d. h. genus, species,
difl'erentia) uuum selegit amictunL Hanc vice continua sequitur gradienle secunda
(die Categorien). fortia (die Lehre v. Urtheile) discrevit quidquid primaeva coegü,
Dans operam sane cirros vrtspare secundae, ouos quartae (Syllogistik, d. h. Analy—
tik) solido collegit filmla nodo (über nodus vgl. obige Anm. 202. u. 204.). Insta
bilem fatum tulit ultima (die Topik) quinque sororum Docta quibus geminas decer
neu: Graecia formas (d. h. dialektische und rhetorische Topen) Pinxit „quale“
tribas, „qutd situ rcferendo duabus (d. h. das Oaale liegt in persona, tempus,
circamstantt'ae. s. Abschn. Xll, Anm. 166., hingegen das Ouid in definitio und de
ceriplio, s. Abschn. Xl, Anm. 96.), lll reboanl nobis detiramenla Platonis (diese
weiss ich nicht zu erklären). lndc suam slipat comitem pressum sozialem Rhetori
xm. Gerbert. ' ss
.la auch von dem berühmten Gerhert (als Papst Sylvester ll.
gest. 1003) müssen wir das Gleiche behaupten, nemlich dass er un
selbstständig lediglich in der Schul-Tradition befangen blieb, wenn wir
auch bei ihm eben‚ darum etwas länger verweilen müssen, weil an ihn
und sein Auftreten sich hööhst schätzbare Notizen betreffs der beschränk
ten Behandlungsweise der Logik in jener Zeit anknüpfen 207). Es er
zählt uns nemlich zunächst ein Zeitgenosse Gerhert‘s, wie derselbe in
seiner Jugend von einem_ hervorragenden Kleriker in Rheims (wahr
scheinlich Giselbert) in die Logik eingeführt worden sei und dann als
bald als Lehrer der üblichen Schulwissensclial‘teu ebendaselbst zu wir
ken begonnen habe 208). Indem aber der Berichterstatter hiebei auch
das ganze logische Material, dessen sich'Gerhert beim Unterrichte be
diente, ausführlich und vollständig aufzählt, erhalten wir einen ebenso
wichtigen al's entscheidenden Beleg dafür, dass man auch am Ende des
10. Jahrh. noch inlner die von Boethius herrührende Uebersetzung der
Analytiken und der Topik des Aristoteles nicht kannte, denn gerade
diese 'sind es. welche unerwähnt bleiben‚- während alle übrigen Ueber
setzungen und eigenen Arbeiten des Boethius (s. Absch. Xll, Anm. 72 f.)
der Reibe nach angeführt werden; auch ist hemcrkenswerth, dass Ger
bert den Unterricht in der Rhetorik erst nach der Dialektik folgen liess,
sowie dass der erzählende Chronist die Rhetorik noch zur Logik rech
net und hiemit auf dem Standpunkte, welchen wir bei lsidor, Alcuin
und Hrabanus (Anm. 27, 54 u. 79) trafen, sich liefindet209). Ferner
cam duplicis vestitum flore colorisl Ouae iaciens varias nervo pulsante sagittas Mon
strat hgpothetici nobis spectacula ludi (s. Abschn. XII. Anm. 169.) Et iam' cornuta
(vgl. oben Anm. 189.) surge-ns ad sidera fronte causarum rivos fatale pro/adit ab
ore. sed postquam illatas pepulit conclusio lites lpsaque graviqenas compelli/it pace
sophistasy omnibus asseculum veniente porismute laetis- Sub pedibus Logieae recu
babal neza coaeeael commissura tibi reliquarum mum'a, falli Hierauf folgen
Rhythmik und die übrigen oben genannten Disciplincn.
207) Die Schrift von Heck. Gerbert od. Papst Sylv. ll. ll. s. Jahrh. (Wien
1837) ist, selbst abgesehen von der schiefen Partei-Tendenz des Verfassers. in
Bezug auf die wissenschaftliche Thätigkeit Gerbert's und seiner Zeit höchst unge
nügend (vgl. auch S. Il. Wilmans in d. Berl. Jahrb. iesu ll, p. 622.).
Ä-ZOB) Richer. hisL lll, 44 ff. b. Perlz, Mon. V, p, 617.: juvenis igitur apud
papam relictus ab eo regi (nemlich Ottom') oblatus est. cui (d. h. Gerbert) de
arte sua interrogatusl in mathesi sc satis passe, logieae vero scientiam se addiseere
velle respondit. uua tempore G. hemensium archidiaconus in logica clarissimus
nhabebaturl qui etiam a Lolhario francorum rege eadem tempestate Otloni regi lla
liae legatus directus est (einen anderen Archidiaconns von Rheims aus jener Zeit,
desscn Name mit dem Buchstaben G beginne, konnte ich nicht finden, als den
Giselbert. welcher im J. 948 bei dem lngelheimer Concil anwesend war, s. Murlol,
Melrop. Rom. hist. Ins. 1666. l, p. 464.). cuius adventu iuvenis eæliilaratus regem
adiit atque ut G...o mmmitteretur obtinuiL E 6.,.0 per aliquot tempora haesit lle
mosquefab eo deductus est. A quo etiam logicae scientiam accipiens in brevi ad
modum pro/‘rcit. G...s vero cum muthesi operam daretj artis difficultate rictus a
musica reieetus cst. Serbertus interea studiorum nobilitate praedicto melropolitano
eommendalus eius gratiam prae omnibus promcrnil, unde et ab eo rogatus discipu
lorum turmas artibus instruendas ei adhibuih '
209) Ebend. (fortgefahrenl: bialeeticam ergo ordine librorum percurrens dilu
cidis sententiarum verbis enodaviL in primis enim Porphgrii gsagogas id est intro
ductiones secundum victorini rhetoris translationeml inde etiam eiusdem secundum
Manlium ezplanavib cathcgoriarum id est praedicanieutorum librum Aristotelis cena -
se ' Xlll. Gerbert.
aber wird berichtet, dass Gerbert sich mit dem Entwurfe einer Figur
beschäftigte, in welcher die Eintheilung aller Dinge in eine Tabula
logica gebracht werden sollte, wozu natürlich jene bei Boelhius sich
findende Tabelle die Veranlassung gab; er kam jedoch hierüber in
Streit mit Otricus, und es knüpfte sich hieran eine 'pbilosophische Dis
putation, welche in Gegenwart des damals fünfzehnjährigen Otto lll. i.
J. 970 in Ravenna stattfandfl"). Eine andere ausführlichere Erzählung
betreffs dieses Gespräches lasst uns deutlich erkennen, dass dabei die
streitenden Personen lediglich die Angaben des Boelhius (im Common
tare zur lsagoge) ausWendig wus'sten und auf solcher Basis die Con
troverse erörterten, ob Rationale ein engerer Begriff als Mortale sei,
oder nicht vielmehr umgekehrt letzterer als der engere sich erweise’“).
sequenter enacleansg periermenias vero id est de interpretatione librum, cuius la
boris sil, aptissime monstravit; inde etiam topica id est argumentorum sedes a
Tullto de graeco in latinum translata et a Manlio consule sex commentariorurn
libris dilucidata suis auditoribus intimavit, necnon et quatuor de topicis differentiis
libros, de sillogismis catbegoricis duas, de ypothrticis tres, dif/initionumque librum
unuml dieisionum aeque unum, utiliter legit et expressit. Post quorum laborem
cum ad rhetoricam suos provebere vcllel, id sibi suspectum crat, quod sine locu
tionunt modts, qui in poetis discendi sunty ad oratoriam artem ante pereeniri non
queat; poetas igitur adhibuit quibus assuefactos tocutionumque modis corn
poeitos ad rbetoricam transduxit; qua instructis sophistam adln'buit, apud quem in
controuersiis exercerentur ac sic eat arte agerent. ut praeter artem agere viderentun
quod oratoris maximum oidetun Sed haec de logiea, in mathesi vero etc.
210) Hugo navim Chron. Virdun. b. Putz, Man. X, p. 367.: Hoc tempore
Otricus apud Saxones insignis habebatur Adalbero Romam cum Gerberto petebat
et Ticini Augustum (d. h. Ottoncm) cum‚Otrico ropcrlt, a quo ductus est Raven—
nam; et quia anno superiore Otricus cerbei-ti se reprehensoer in quadam figura
cum multiplici diversarum rerum distributione (aus boe-tiu p. 25., s. Abschn. Xll,
Anm. 87.) monstraveratl iussu August! anmes palatii sapientes intra palatium col
lecti sunt, Archiepiscopus quoque cum Adsone abbate ltervensi et scholasticarum
numerus non parvusy et coepto disputatione cum iam totum paene diem consumpsis
senty Auguin nutu finis impositus est.
211) Bicher n. a. O. e. litt ll‘. p. 620 f.: Otricus ait: quoniam philosophiae
partes aliquot breviter attigistiy ad plenum oportet ut et diuidos et divisionem eno
des Tunc quoque Gerberlus: secundum vitruvii (zu lesen Victor-irrt) atque
Boetii divisionem dicere non pigebitg est enim pbilosopbia genus; cuius species sunt
practica et tbeoreticeg practices vero species dico dispensativam, distributicam, ci
vilcm; sub tbeoretice vero non incongrue intelliguntur phisica naturalis, mal/tema'tica
intelligibilis, ac tbeologia intelleeltbilis (aus Boethius, s. Abschn. Xll, Anm. 76.)
. . . . .. func vehementius Otricus admirans ait.‘ an mortale rationali supponisP quis
nesciat, quod rationale deum et angelum bominemque eoncludaty mortale vero utpote
maius e! continentius omnia mortalia et per hoc infinila colligal? Ad haec cerbei-v- '
tusz si, inquit, secundum Porphirium atque lioetium substantiae divisionem usque
ad individua idonea partitione perpenticrcs, rationate conlinentius quam mortale sine
dubio haben’s; idque congruis rationibus enucleari in promptu esL Elem'm cum
cons!e!‚ substantiam genus generalissimum per subalterna posse dividi usque ad in
dividua, videndum est an omnia subalterna singulis dictionibus proferantur. Sed
liquido patct, alia de singulis alia de pluribus nomen factum habcrc. de singulis ut
corpusl de pluribus ut animalum sensibileq eadem quoque ratione subalternum quod
est animal rationale, praedicatur de subiecto quod est animal rationale mortale;
ncc dico, quod rationale simplex praedicetur de simplici niortaliy id enim non pro
cedit, sed rationale inquam animali coniunctum praedicatur de mortali coniuncta
animali rationali. cumque verbis et sententiis nimium flueret et adhuc alia dicere
parareö, Auyusti nutu disputationi finis iniectus est. (Sammtlicbes aus BOL’l/t.
_a. a. .)
xm. Gerben. ss
Den Gegenstand jener Disputation halte nun Gerbert noch weiter
verfolgt, und es entstand daraus die an Otto III. gerichtete Schrift „De
rationali et ratione utiuznja eine höchst abenteuerliche Verquickung
eines unverdauten Sehulwissensy wobei das so 'eben erwähnte Rationale,
auf welches ja auch schon eine Stelle des lsidorus hingewiesen hatte
(s. oben Anm. 45), näher in Betracht gezogen wird. Nemlich nach
einer Einleitung, welche ausdrücklich an jenen erfolglosen Streit zu
Ravenna anknüpftzla), wird als Thema der aus Boethius (oben Anm.
46) entnommene Zweifel bezeichnet, wie denn der Vernunftgebrauch
(ratione uti) von ‘dem vernünftigen Wesen (rationale) als Prädicat aus
gesagt werden könne, da ja doch immer der Pradicatsbegrill' der höhere
oder weitere (maior) sein müssen“). Dieses Bedenken, welches uns
höchstens darum interessant sein kann, weil es einen Beleg dafür ent
hält, wie einseitig die Schul-Logik des späteren Alterthumes bloss den
Umfang, nicht aber den Inhalt der Begriffe berücksichtigt hat (s. Abschn.
XI, Anm. 43), wird nun auf eine ebenso ungeschickte als bloss formale
Weise gelöst. Zunächst nemlich soll jenes Prädicats-Verhältniss zwi
schen Vernunftgebrauch und Vernunftwesen dadurch gerechtfertigt wer
den, dass ersterer als ein Actuelles das Höhere sein“). Dagegen aber
erhebt sich der Einwand, dass ja überhaupt die Unterordnung der Be
griil'e nur in allgemein bejahenden Urtheilen ausgedrückt werden könne,
also dann der Vernunftgebrauch von sämmtlichen Vernunftwesen pra
dicirt werden müsse, was zu einem unwahren Urtheile führen“); fer
ner sei das Acluelle eben doch von dem Dasein des Potenziellen ab
am Gedruckt b. Pez, T/ias. Anerd. I, 2, p. 149 IT. Was H. Ritter (Gesch.
d. I‘hil. VII, p. 30-1 II‘.) über diese Schrift Gerbert's sagt, ist unhaltbare: Gerede;
aus einer Stelle (p. 307, Anm.) müsste man ja fast schlicssen, dass ihm der seit
Boethius im Mittelalter eingebürgerle Unterschied zwischen lntelligibilis und latel
tectibilis (s. Abschn. XII, Anm. 76.) unbekannt sei.
213) A. a. O. p. 149.: Meministis enim et meminisse possiunas, adfuisse tum
multos nobiles scholasticos et crudilos. inter quos nonnulli Eoram tamen vidimus neminemv qui earum quaestionum ullaadmeradnitgneepiscqcpotpiicuerity
quod quaedam nimis ab usu remotos nec dubitationem ante liabuerinty et quaedam
saepenumero ventilatae dissolvi non potuerint. t
214) Eb_end. c. I, p. liili Ouoeritur, inquiunt, quid sil, quod ait I'orphy
n'as, differentiam velut ad coynatam sibi differentiam praedicanj ut ratione uti ad
rationale, cum maiora de uniliaribus semper praedicentarl minora de maioribus nun
quam. Zu der schon oben, Anm. 46., angeführten Stelle des Boethius kommt
hiebei noch folgende p. 37.: nam si qua differentia dicta fueril, de alia differen
tia, ut differentia intelliaatarl praedicabitur..... nam ratione uti, differentia, ad
rationalem differentiam veluti cognata differentia praedicatuin Der Lehrsatz betreffs
des maior steht gleichfalls b. Beet/l. p. 28. (S. auch Abschn. XII, Anm. 124.).
may Ebend.: Sed rationale, inquiunl, potestatis est sine acta, ratione uti
potestatis cum acta; plus vero est potestas cum uclu, quam sola palestas; rare,
inquiunty ergo praedicatur ratione uti de rationali tanquam maius de inmori. Diese
Ansicht über potestas und actus findet sich b. Boeth. p. 454.: necesse est, ut ea
quae actu sunt, his quae sunt polestatc, priora sint (s. Abschn. XII, Anm. 422.).
216) C. 2, p.151.: Ouae a generatissimis ad specialissima recta linea descen
dual, .„talia snnt, ut inferiora uniuersaliter prolata superiorum omnia nomina
diffinitionesque suscipiam (s. Boot/i. p. 21. u. öfters) ouodsi eodem modo ratio
nale sub ratione uti positum sit, quomodo universaliter prolatam suscipiat nomen
sui raedicati idem rationale? non enim omne, quod rationale est, ratione uti
puta r.
56 _ Xlll. Gerbert.
xili ‘ p
hängig und könne deshalb überhaupt nicht jene höhere Stelle einneh
men, welche im Wesen-des Prädicatsbegrill‘es hegen"), und es müsse
auch ein abermals hiegegen gerichteter Einwand betreffs der hohen
Würde des Vernunftgehrauches zuletzt wieder an der Eintheilung der
Wesen überhaupt scheiternzls). Wenn aber nun hierauf gesagt wird,
diese ganze bisherige Erörterung sei sophistisch, und es handle sich
vielmehr um die eigentliche Natur des Actuellen und des prius, sowie
des Prädicateszm), so erwarten wir wohl eine tiefer gehende Unter
suchung, aber vergeblich. Denn was nun folgt, besteht zunächst nur
in einem Excerpte aus Boethius bezüglich der verschiödenen Arten der
Actualitätno), woran sich dann, um auf das Rationale zurückzukehren,
die Unterscheidung der ewigen und der veränderlichen Natur anreiht, r
wobei die Angaben des Boethius in ähnlicher Weise wie bei Scotus"
Erigena (ob. Anm. 113 ff.) aufgefasst werden 22l), so dass der Ver- ‘f
nunftgebrauch (ratione uti) als ein in die Erfahrungswelt vertlochtener p
v l .
‘ I‘M em c. 3, p. 152.: potestas actum omni necessitate praecedit, et quia .haelc '
praeeedentia non solum priora, sed etiam interemta interimuut secum posteriora.
necesse est potestate ablata actum quoque au/em' . Non igititr quod natura po
sterius est. de eo praedicabitur quod natura prius est; est autem natura prius
potestas, posterius actusj non igitur secundum potestatem et actum praedicabilur
ratione uti de rationell. Auch dieser Gegenbeweis ist aus der nemlichen Stelle
des Boethius (p. 451.) entnommen.
218) C. 4, ebend.: Sed merito, inquiuntl suae dignitatis seu excellenlia seu
potentia numerosius est ratione uti, quam rationale. At natura gencrumy specierum
vel di/ferentiarum non suscipitg homo enim et asinus aeque sub animali saut, et
deus atque homo aequatiter participant rationell difl'crentia. Diess steht wieder in
jener Stelle b. Boeth. p. 95., von welcher die Contrnverse ausgegangen war.
em C. 5, ebend.: Ouapropter sophistica, id est eavillatoria, ronluctatione
remota quaedam de natura potestatis et actus explicanda sunt, et in qua corum
specie rationale et ratione uti versentur, de natura quoqne priorisy utrum praedica
tionibus connenial, et nonnulla de praedicationum natura et online, ut quasi quodam
fllo . . .. disputatio deducutar.
220). C. 6—10. p. 153 M156. Das Original hiezu ist wieder Beeth. p. 451 fl‘.,
selbst mit Einschluss der zur Erlauterung dienenden Beispiele, deren Eines hin
gegen aus Beet/t. p. 95. genommen ist. Der Inhalt, welcher natürlich ursprünglich
der aristotelische ist (s. Abschn. Xll, Anm. 119. u. Abschn. lll, Anm. 281 m dreht
sich um die Unterscheidung des actus neccssarius und des aptus non uecessarius.
welch letzterer entweder a potestate oder a subsistendo entsteht, und endlich des
bloss Potenziellen. Gerbert bringt diese Eintheilung in eine Tabelle, worin man
wohl nur ein geringes Verdienst erblicken kann, denn dass er nicht. einen einzigen
eigenen Gedanken hatv zeigt hier wie im Folgenden unsere Zurückfuhrung auf die
Quelle, d. h. auf Boethius.
221) C. 11. p. 157.: Es! igitur rationale, dum est in intelligibilibusj sub
necessaria specie actus immobilis et necessan'i; sed quia haec intelligibilia,
dum sc corruptibitibus applicantv tactu coiporum aariantur, transcunt haec omnia
rursus ad potestatem.. Aliler enim rationale vel, ul universallus dieamus, aliter
genera et speciesl di/ferenliae, propria et accidenlia, iu intellectibilibus, aliter in
naturalt'bns; in intellectibitibus quoque rerum lormae sunt, in intrlltgibllibus alia
sunt quidem passiones, alia sunt actus, nam quoniam in anima versanlur, dum
intelliguntur, animae passioues snnt. Die Quelle hieven ist Beet/l. p. 452. u. p.
56., woselbst auch die nemliche Beiziehung der quinque voces sich findet. Das
intellertibile ist der realistisch theologische Urgrund der formae (0b. Anm. 109.),
das intelligibile hingegen dasjenige, was die Vernunft an den Dingen selbst. er
fasst, s. oben Anm. 211.
xm Gerbert. 57
dem Aecidentellen angehöre’”). Hieraus wird dann natürlich ge
schlossen, dass der Vernunftgebrauch nicht selbst eine differentia sub
stantialis sei, sondern erst in Bezug auf eine verwandte Differenz aus
gesagt werde 2‘13). Und wenn hierauf wieder in der nemlichen unge
schickten Weise wie zu Anfang auf das Verhältniss des Umfanges zu
rückgekehrt wird, da ja dann der Prädicatsbegrill' der engere sei, so
wird jetzt erst auf Grund des Boethius angegeben, dass die Accidentien
von den Individuen ausgesagt werden 224), und im Ilinblicke auf die
Eintheilung der Urthaile bezüglich ihrer Quantitatnä) folgt nun das
Resultat, dass der Satz „rationale ratione utitur“ eben ein unbestimm
tes Urtbeil sei, welches weder als allgemein. bejahendes noch als all
gemein verneinendes richtig ausgesagt werden könne 226)‚ ——- ein Resul
tat, durch welches allerdings jeder andere vernünftige Mensch von
vorneherein der ganzen Fragestellung überhoben gewesen wäre. Und
es zeigt sich uns somit Gerbert’s Schrift als ein sinnloses Treiben,
bei dessen Gelegenheit ebenso unnütz als zusammenhangslos verschiedene
Schulweisheit ausgekramt wird. — Uebrigens hält Gerbert als Theologe
nicht viel auf die Dialektik, und indem er in dieser Beziehung eine
Stelle aus Scotus Erigena, jedoch ohne denselben zu nennen, ausschreibt,
entscheidet er sich lieber für die realistische Deutung, welche jenen
Worten gegeben werden kann 227).
Einen ähnlichen Beweis davon, dass man das traditionelle Schul
material kannte und in Anwendung brachte, gibt uns aus dem Anfange
des 11. Jahrh. nicht bIoss ein Brief des Bischofes Burchard in Worms,
worin derselbe einen Freund darüber belobt, dass er die üblichen sechs
Gesichtspunkte (s. Abschn. XII, Anm. 75. u. Abschn.XI, Anm. 141) bei
J.''
222) EÜend. p. 158.: merito ratione uli dicitur praedicari de rationell tan- v
quam accidens dc subiectog ratione uti facere est, qui enim ratione uli-iuri ali
quid agit'; facere autem unum ez generalissimis generibus accidentium est; igi
tur uti ratione accidens est.
mi c. 12. ebend.: quod rationale est, ratione uti polest ....ergo ratione
uti rationali aocirlt't; non est igitur ratione uti substantialis difl’erentia. C. 13,
p. 159.: Si igitur secundum Boetium ratione uti a ceteris animalibus dift-erimus
sicut differentia rationali, iuste ratione uti ad rationale velut od cognatam sibi dif
ferentiam praedicatum Alles wieder aus Boeth. p. 95 f. n. p. 7.
em c. 14, p. 159.: Ouoniam ergo minus de maiori pracdicabltur, locus hic
admonet, ut de natura praedicationis pauca dicantur, worauf die betreffenden An
gaben des Boethius (p. 129., s. Abschn. XII, Anm. 92.) excerpirt werden.
225) C. 15, p, 160. Aus Boeth. p. 350., s. Abschn. XII, Anm. 113 f.
226) C. 15 f. p. 161.: Out'a propositio talis est, ac si dicatur: quoddam
ratitfitalc ratione utitury- qui enim dicit1 omne rationale ratione utilur, rem univer
salem universaliter cnantt'at, et est affirrnatio falsa, cuius negativ, id est nullum
rationale ratione ntitur, similiter falsa reperitur (Boeth. a. a. 0.). Diess eben sei
(c. 16., p. 161 f.) der Unterschied zwischen einem solchen Urtheile und einer
propositio sabstantialis, d. h. einer Definition; s. Bocth. p‚ 651., Abschn. XII,
Anm. 103. -
227) D. corp. cl sang. Dom. c. 7., bei Pes, Thes. Anecd. l, 2, p. 140.: Senes
illi non dialecticis argumentationibus, sed verbis simplicibus et oratione compu
lerunt ad credendum Et nos aliquando antequam tantorum virorum, Cyn'lli dico
et Hilarii, auctoritatibus instraeremur, hanc discrepantiam (d. h. betrefl‘s des Abend
mahles) alicuius dialectici argumenti sede absolvere meditabamur. Non enim ars illa
etc.‚ d. h. es folgen die oben Anm. 1.27. angeführten Worte des Scotus.
58 Xlll. Adalbero.
Abfassung eines Buches eingehalten habe 228), sondern insbesondere ein
höchst eigenthümlicher Tractatus des Adalbero, Bischofs in Laon (geb.
977, gesl. 1030), welcher ein Schüler Gerliert’s war und einen unter
dem angeblichen Titel „De modo reete argumentandi et praedicandi
dialogus“ uns handschriftlich erhaltenen Brief an Fu'lco von Amiens
richtete 229), in welchem eine Mauleselin den Gegenstand sj'llogistischer
Spielereien bildet. Nachdem nemlich Adalbero das Thier als gänzlich
untauglich geschildert hatte, verfällt er auf den Gedanken, die Allge
meingültigkeit dieses verwerfenden Urtlieiles logisch zu erproben, und
es folgt nun in Dialogform eine Erörterung darüber, dass das Urtheil
ein singuläres sei, dass es ein contradiclorisches Gegenlheil desselben
gebe u. dgl., woran sich'die Aufforderung reiht, den Nachweis der
Untauglichkeit kunstgemäss zu liefern 23°); diess geschieht, indem das
ganze Register der hypothetischen Schlüsse im Dialoge antithetisch
durchlaufen wird 231), wobei auch Angaben logischer Regeln eingestreut
sind 232); das Ganze aber, das sämmtlich aus Boethius entnommen ist,
228) Bei Perlz, Man. Vl, p. 701.: ln omni enim ezpositione auctorali et in
quolibet libro diversas sex causas quaeri convenit atque expediri oportol, sicut in
praemia editionis primae ysagogarum Porplzyrii Seoerinns prudentissimus doctor fabio
exhortante dicendo instiluils pprimuml inquite (loccnl, quae sit cuiusque operis
intentio, secundo quae ulilitus, tertio qui ordo, quarto si cius, cuius opus esse
. dicitur. gemanus propriusque liber estlvquinto quae sit eius insoriptio, sextum est
id dicerey ad quam partem philosophiae cuiuscunque libri ducatur/ intentione llaea
omnia in libro tuo eaute sonaci-vasti etc. Da jenes b. Boelh. p. 1. steht, mochte
es wohl für besonders wichtig gehalten werden.
229) S. Pezy Tln's. Anecd. l, l, p. XXlll. Eine in der Münchner Staatsbiblio
thek befindliche Emmeraner Handschrift sec. lt. ((‘od. tat. 14272.) enthält diesen
anderthalb Folioseiten füllenden Brief (fol. 182 t‘.). Die erwahnte Ueberschrifl
scheint nur auf Combinalion Pez's zu beruhen. -
230) F(ulco). bonique haec muta non esset universaliter-y sed potius aut
particulariter aut indefinite, quae paene unum sunty inutilis proponenlif lgitur
quae particulariter quoquo modo utilis est. omnimodis universaliter inutilis non est.
A(dalbero). Si hanc inutilem atque inhonestam inde/inito vituperurem, verum a falso
non discerneremy nam huius mnlae inntililas. si universaliter esset dvdicatt'ua, par
ticulariter esset abdieatiea (d. h. es würde dann zugleich Coutradictorisches aus
gesagt). Sed haec vituperatio neque universaliter neque particularitcr est determi
natu. . . . . .. igitur quia singularis 0st, neutrum horum esL F. Singulare dedica
tivum nonne suum habet abdicalivtun? Putasne, universalis propositio universalis
particularis particulariy indefinite indefinilae sicut singutares contradictorie oppo
nunturf A. Ptane opponunturg si substantia fuerit. erit praerlicativas sine sit sive
non sit. l". PutasneJ si accidvns? A. Eodcm modo opponuntur. si illud fuit inse
parabiltx l“. omne inseparalrile emitradiclorie oppom'lur? A. Nun. l". lllud tantmnv
modo cui aliquid possit accidere, et illud dicitur substantiale. Sed nunc ex arti-l
non de arte, nostris a/firnmtionibus cum tuis repugnantiis hanc malum esse inutilem
atque inhonestam convinei pro/iteberis. Hiebei ist die Doctrin des Boethius (bes. p‚
an a u. p. 353 in s. Abschn. Xll. Anm. 113 ff.) mit der Terminologie des Mar
cianus Capella (ebend. Anm 66.) vermengt.
231) A. Mula haec si cloudicul, male ambulal; atqui clandicatg igitur mute
ambulat. F. Mula haec si clandiraL male ambulal; atqui non rlaudicatp igitur non
male arnlmlaL A. Mula haec nany si elandiratl male non ambulat; atqui claudi
cat; igitur male ambulat F. Malo haec mm, si non male ambulati claudicatg
atqui non male amlqul; igitur non vlaudicat. A. Si valido non est, dcbilis ext;
atqui valido non esl; igitur debitis est u. s. f. (S. Abschn. Xll, Anm. l55.).
nam A. onmis aflirmatio et negativ semper est in praedicatis E. Si simpliciter
praedicatur-g si vero modus ade-erhielt: (s. ebend. Anm. 119.) adltibetur, vindicat
‚Xlll. Adalbero. Fulbert. Anonymns sec. 11. se
schliesst mit der Hinvi'eisung auf eine dämonische Causalität der Un
brauchbarkeit der Mauleselin. wobei, wie es scheint, sich beide strei
tende Parteien begnügen sollen 233).
Gleichfalls ein Schüler Gerbert’s war Fulhert, Bischof von Char
tres (Woselbst er i. J. 990 eine Schule eröffnet hatte und seit 1007’
als Bischof bis zu seinem Tode 1029 wirktc)-‚ welcher als Kenner der
Dialektik in hohem Ansehen stand mt und sogar den Beinamen eines
„Sokrates der Franken“ erliielt235). Während uns aber bezüglich seiner -
logischen Lehre durchaus Nichts näheres bekannt ist 236)‚ müssen wir
ihn als Lehrer des Berengarius von Tours jedenfalls hochschatzen, wenn
auch zu schliessen sein dürfte, dass Fulbert die Kenntnisse und Ge
wandtheit in der Dialektik noch völlig von dem lheologisch-dogmalischen
Gebiete fernhielt, denn in letzterer Beziehung ermahnte er seine Schüler
zum strengsten Auctoritäts-Glauhen 237).
Ueberhaupt aber dürfen wir eine gesteigerte Thätigkeit nach dem
Maassstabe jener Zeit schon darin erblicken. wenn man wieder zur An
fertigung von Compenilien schritt oder das vorhandene Schulmaterial
mit fortlaufenden Commentaren bearbeitete, denn wenn auch hiebei noch
kein eigenes inneres Schaffen waltet,.‚so wird doch die Erhaltung oder
Förderung des logischen Wissens wieder als eigentlicher Zweck be
trachtet, d. h. die 'l'hätigkeit gilt der Theorie als solcher, wenn auch
in unselbstständige-r Weise.
So hat ein Anonyinus am Anfange des ll. .lahrh. die lsagoge
und die Kategorien in Hexametern bearbeitetns). um, wie er selbst in
der an- einen gewissen Beno gerichteten prosaischen Einleitung sagt,
sibi vim contradictionis et modus intensianem et remissiouem ponit praedicatis et
determinatia subiecti-su A. Non eodem genere, cum alterum quantitate et qualitatev
alterum sola quantitale. .
233) I". Sit quoquo modo inutilis non tamen absque caasa. A. Philo
sophi nihil sine causa tradunt fieri ...‚. Ergo qaoniam huius malae inutttitax sot
lertia daamonam e/fecta est, absque ulla oontradictimle omnimadis inutilis est. Hoc
re muta probatur irmtitis. non amicusy qui sibi ipsi adversarius vice functus ost
atterius.
234) Trithem. d. script eccl. p. 154. (ed. Colon. 1656. 4.): Fulberlus epi
scopux carnotensis in scripturis divinis cruditissimus at in secutarium litterarum
dism'plinis omnium suo tempore doctorum doclissimus, poeta clarus, et dialectivua
multis annis scholae publicae praesidem plurimas doctissimos uudilorcs cnutrivit
(die hierauf genannten Schriften Fnlbert’s sind nur theologischen Inhaltes).
235) Adetrnanni (eines Mitschiilers des Berengarins bei Fulbcrt) ad Berengarium
epislula, ed. Conr. Am. Schneid. Brunst). mo 8, p. 1.: Colluclaneum te me meum
vocari proptern dutcissimum illud conmbcmium, quod cum te in academia Car
notensi sub nostra itto vencrabili Socrate iucundissime duu'. Ans dieser Stelle scheint
bei Späteren im Zusammenhange mit der theologischen Gereiztheit gegen Bereu
garius jener Beiname Fulbert’s geflossen zu sein. -
nam Die Notiz, dass Fulbert an den Scholaslicus eines Klosters die lsagoge
schickte (s. Putberti Opp. ed. Villiers, Par. 1608. Ep. 79. fol. m b.), ist un
erheblich.
237) Adelmann a. a. O. p. 3.: obtcstaas per secreta illa et obsecrans per
lucrimas‚..... ut illuc omni studio properamus viam regium din-atim gradientcsy
sanctorum patrum vestigiis observantissime inliaercntcs, ut nullum prorsus in diuer
ticulum, nuuam in novam et fallacem scmitom desiliamus etc.
238)_Aus einem coi St. cemam (1095) abgedruckt b. Cousin, omm intfdv
d’Aliifl. p. 657—669. .
eo XIII. Anonymus aec. 11. . ‚ s
durch diese seine Erstlingsarbeit den Inhalt jener Bücher seinem ile-f
dtirhlnisse einzupragen 239). Er beginnt_ mit der aus Boethius (Absclm.
XII,»Anm. 77) entnommenen Eintheilung des aristotelischen Organons,
wobei er die Sache so auffasst, dass Aristoteles zuerst die erste Ana
lytik geschrieben habe und dann, als diese unverständlich gewesen,
hierauf die zweileAnalytik, auf welche aus dem gleichen Grunde die
Topik habe folgen müssen, sowie hierauf D. interpr. und dann noch
die Kategorien; da aber Aristoteles behufs des Verständnisses nicht
noch weiter habe her'absteigen wollen und hiemit die quinque voces
verschwiegen habe, so sei hier die Thäligkeit des Porphyrius zum Glücke
ergänzend eingetreten 240). Der Inhalt der lsagoge wird dann sehr kurz
mit blosser Angabe der Begriffsbestimmung der quinque voces abge
macht‘z“), und es folgen die Kategorien. Wenn hiebei. der Verfasser
zu Anfang ausdrücklich sagt, es handle sich da nicht um die Dinge
selbst, sondern nur um die voces signativae der Dinge 2“2), und wir
hiemit eine Wiederholung jenes obigen (Anm. 149 II‘. u. 159) nomina
Iistischen Standpunktes antretl'en, so ‘ist dieses auch das Hauptsäch
lichste, was wir an diesem Compendium hervorheben müssen; denn im
Uebrigen schliesst sich dasselbe so enge an die psendo-augustinische
Schrift über die Kategorien (Abschn. XII, Anm. 43—50) an, dass es in
der That kurzweg als eine Versification desselben bezeichnet werden
muss; höchstens mag noch bemerkt werden, dass die zahlreichen grie
chischen Termini, welche dabei in barbarischer Schreibung auftreten,
gleichfalls aus jener nemlichen Quelle lIiessen, wo sie ja häufig genug
..
239) Wer jener Beno gewesen sei oder wo er gelebt habe, lasst sich aus
der ganz allgemein gehaltenen Einleitung nicht entnehmen. Ueber seine Arbeit
selbst sagt dort der Verfasser (p. 657 f.): Ooom'am complnriam mei ordinis scho
Iaxtr'cornm, praesul nenerande, oblatus tibi litteras omni gratiarum alacritale saepius
te audio susccpisse, tuae can/isus pietati aliqua et ego offene litterarum iocu
laria praesumn tuae maiestati. fcrt animus dei adspirante gratia quam paucissimis
oratione metrica absolverc, quod Porphyrii Isogoyv et Aristotelis Categoriae videntur
in se continere. Ouod ham: ob causam maxime decreoi agere, ut, quae illi latius
[lt/j‘adore, breviter collecta per me tenaci diligentius crederem memoriae. Nomina
quoque graeca quaedam interposui, ubi lege melri constrictus latina non potui; .. ..
id mihi ne ducatur vitiov primum abs te, pater piissime, cui hoc litterarum munere
ingenii mei primitias immolo, deinde ab omnibus veniam postulo.
240) Ebend. p. 658.: hoctor Aristotiles, cui nomen ipsa dedit res, ingenio
pollens miro praecetluit omner; Hie natis posl se dialectica ne latnisset, Primus
romponens Analiticos stodiose, lle syllogismis ratio perpcnditur in quis, credidit ut
sapirns'hos planos omnibus esse,- Scd -cum nullus eis intellectu capiendis Suffioeret.
rursus tentat proferre secundos; Ottos neque posse capi cum scnsit, Topioa scripsit ‚
Hinc Perihermenius, postremo Calhcgoriaa; Post quas finitns descendere noluit in/m.
Hit: genus ac speciemy proprium, distantia “ringen, Simbebicos etiam quid sint
omnino tacebat. Porphyrius tandem cernens, nisi cognita quinque llaec sint, bis
quinos nesciri calhdboriat cuique suum fincm signavit convenientem. (Vgl. auch
Boetli. p. 113., Abschn. XII, Anm. 84.)
241) Ebend. Nach der Definition der fünf Worte folgt: Ni nimis est Iongnm.
communia dicier harum (d. h. was bei Porphyrius hernach erörtert wird, Abschn.
XI, Anm. 49 tI‘.), Non nos horreret, sed malumus ergo taeere, Nc gene-retur in his
tibi nausea disrutiendis.
242) Ebend. p. 6581.: Post haec bis quinas pandamus cothegorias, In quis
uir doctus non ex ipsis quasi rcbus, Sed signaliuis de rerum vocibus oroas Sumit
ab omonymis traclandi synonymisque Principium etc.
Xlll. St. Gallen. Notker Labeo. 61
eingestreut sind, wonach jede etwa auftauchende Annahme, dass man
damals schon mit dem griechischen Originaltexte sich beschäftigt habe,
sehr einfach beseitigt istz‘a).
Hauptsächlich aber finden wir um jene Zeit in St. Gallen eine
ausgedehntem Bearbeitung des logischen Schulmateriales, wobei der
bekannte Notker Labeo (gest. 1022) jedenfalls das Verdienst hat,
die Anregung gegeben und die Ausführung geleitet zu haben, wenn
auch nicht alle hieher gehörigen Arbeiten aus seiner eigenen Hand selbst
hervorgiengeu 2M). Allerdings liegt auch hier nur der traditionelle Stoff
zu Grunde, und eigentlich Neues ist nicht zu erwarten 245), aber die
Art der Behandlung des Ueberlieferten is't doch theilweise eine freiere
und zeigt jedenfalls ein hingebendes Interesse für die Sache selbst.
Die unbedeutendere unter diesen Schriften ist ein „Tractatus inter
magistrum et discipulum de artibusii indem hiebei lediglich das Com
pendium Alcuiii's (ob. Anm. 48 ff.) mit Beibehaltung der dortigen Dia-"
logform exccrpirt und ausserdem nur im Anfange, nemlich bei der Isar
goge und der Kategorie der Quantität, auch Boethius auszugsweise
benützt ist 246). ‘ '
243) Da das Ganze nur eine metrische Wiederholung Pseudo-Augustins_ ist,
erscheint es als überflüssig, Einzelnes auzu'führen. Was aber die griechischen
Worte, welche meistens durch luterlinearglossen lateinisch erklärt sind, betrifft,
mögen erwähnt werden: usya, simhebicos u. simbebicotal cnarithma (drdgzöpa,
‚ Abschn. XII, Anm. 43.), epiphania (b. d. Quantität), dann bei der Relation der
Hexameter: nam diathesin, eplsthemin, estesin1 ezin (d. h. inianjyrjv, “10017
am 251.11), und desgleichen bicitur omne quod est, vel eneria dinamive (d. h.
hom/du u. Jul/d‘un), sowie bei der Qualitat: Exis, diathest's, phisiccs dinamis
poetesque (nozdzrjg) Passibilisa potius seu patltos, scemata morphae (axn'fzura
„ewig, in dem Abschnitte über die Gegensätze habitus steresisque (111qu019),
und bei dem Postpradicamcnte der Bewegung: Auxesis, megesis, genesisp storas,
aliusis, Et kata ton foras metabetes assaciata (d. h. abigo-tg _uslanng, ye’vemg,
qäogzi, cillenius-tg ’amu‘z roy 1671011, ynaflolrj).
244) Wenn nemlich ‚l. Grimm (Gott. Gel. Anz. 1835. N. 92.) der Ansicht iSl1
dass Notker der alleinige Verfasser sdmmtlichet' jener Schriften sei, und auch H.
Hattemer, Denkm. d. Mittelalters, lll, p. 3 lli, sich unbedingt dieser Meinung an—
schliesst, so scheint doch in Anbetracht der inneren Verschiedenheit jener Arbeiten
es richtiger zu. sein, wenn wir mit Wackernagel, Gcsch. d. deutsch. Litt. p. 80 f.
(s. auch desselben Akad. Rede üb. d. Verdienst d. Schweizer um d. deutsche Litt.
Basel 1833.) annehmen, dass die Werke, welche Notker's Namen tragen, von ver
schiedenen Autoren nur unter der Leitung desselben verfasst seien; s. auch unten
Anm. 262. . -
245) Wunderliche Dinge zwar sind zu legen. bei lld. v. Arx, Gescb. v.‘ St.
Gallen, l, p. 262.: „ln der Dialektik, welche sie ‚in die Logik, Peripatetik, Stoik
und Scphik eintheilteu, waren Aristoteles, Plato, Porpbyrius und boetius ihre
Lehrer; die zehn Categorien rund die Periemerien des ersten, die fünf lsagogen
des Porphjrius, und die Lehrart des Sokrates waren» ihnen wohlbekaunt.“ Aber .
während man wohl sogleich sieht, dass diese ganze Mittheilung nur auf der .grob
slen Unwissenheit des Verfassers beruhen kann, sollte man doch vermuthen, dass
derselbe die Notiz betretl‘s der Eintheilung der Dialektik aus irgend einer Hand
schrift geschöpft habe; ich wurde jedoch auch hierüber durch meinen Freund und
Collegen Conr. Hofmanu beruhigt, welcher in St. Gallen bei Gelegenheit seiner
eigenen Forschungen auch in meinem Interesse bezüglich logischer Werke nach
sah; aber durchaus Nichts anderes finden konnte, als was durch aram Wackernaget
und Hattemer bereits verötfeutlicht oder wenigstens _angedeutet ist; s. auch unten
Anm. 271.
246) Vorhanden in einer Handschrift der Münchner Staatsbibliothek coua tat.
62 Xlll. St. Gallen. Notker Laheo.
Hingegen ein fleissigeres Studium des Boethius und eiuegetwas
freiere Verarbeitung des dort vorliegenden Materiales zeigen jene beiden
Schriften, welche bekanntlich auch für die Geschichte der deutschen
Sprache von höchster Wichtigkeit sind, nemlich die Bearbeitung der
Kavnyogt'ut und jene des Buches nagi ägnnvst'agi‘"). Die er
stere Schrift halt sich, was den Text betrifft, im Ganzen strenge an
die Uehersetzung des Bocthius 243), aber mitten in den Text ist Satz
für Satz eine Erklärung verflochten, welche selbst wieder das Haupt
sächlichste aus dem Gonnnentare des Boethius enthält, und es beruft
sich auf denselben der Verfasser einmal ausdrücklich 2‘”); sehr häufig
wird die Beweisführung dieser Erklärungen in ihre Bestandtheile über.
sichtlich durch Inhaltsangaben oder sonstige Ueberschril‘ten, ja auch mit
der Bezeichnung Propositio, Assumptio, conclusio giaglieeilertwljy und
die erklärenden Beispiele sind an etlichen Stellen selbstständig ausge-V
D .
dacht; bemerkt mag noch werden, dass der Verfasser nul oll‘enbarer
Vorliebe für Geometrie bei solchen Stellen länger und selbstständiger
verweilt, wel_che eine Hinweisung auf jene Disciplin enthalten25‘). _
Die Bearbeitung der Schrift nagi ibum/alas schliessl sich durcli‘l v
gängig bezüglich des Textes wörtlich an die Uebersetzung des Boethius
an, und die Erklärungen, welche auc'h‘ hier in gleicher Weise einge
llochten sind, beruhen ebenfalls auf dem Commentare des Buetbius,
dessen beide Ausgaben der Verfasser, wie er selbst andeutet, benützt
4621.), woraus Hattemer, Denkm. d. Mittelalt. lll, p. 532 fl‘. nur die Capitel-Ueber—
schritten veröffenthehte. Die Eintheilnng der Philosophie und der Logik ist fast
wörtlich aus Alcuin genommen, bei den quinque voces aber werden die verschie
denen Unterarten derselben aus Boelhius aufgezählt und mit Beispielen erläutert;
der Abschnitt über die Kategorien ist zu Anfang aus Alcuin mit Weglassung der
homonymu u. dgl. excerpirt, und nachdem nur bei der Quantität wieder Boetbius
benützt ist, folgen die ubrigt‘n Kategorien wörtlich aus Alc'nin, jedoch nur bis zum
‚hellere, und von jenem Einen Beispiel-Satze (s. Anm. 57.) wird sogleich mit der
Ut-bersehrift Onid sunt farmulae syllogismorum auf Alcuin’s Angaben über die Ar
gnmentation übergegangen, welche ebenso wortgetreu wie die folgenden über Dif
finilio. Topira und Perienncniae excerpirl sind.
247)-Heransgegeben von Grat!" (Berl. 1837. 4.) und von Hattemer a. a O.
p. 377—465. u. 465—526. Eine kurze Zusammenstellung der hattptsachlicltsten
deulscben Terminologie, welche jedoch fur die Geschichte der Logik selbst ohne
alle weitere Wirkung war, gab ich in meiner Abhandlung „Ueb. d. zwei ältesten
Compendien d. Logik in deutscher Sprache.“ München 1856. 4. p. 28 m
248) Nur kleine Abweichungen sind bemerklich, indem zuweilen eine Abitur—
zung oder Auslassung oder 'auch Umstellung der ‚Worte sich flrtdet. oder z. B.
subteriore statt inferioray cetera statt ulia, subiaeent statt subiectae sunty respicere
statt ostendere steht u. dgl. ' ‘
249) Bei Hattemer p. 416 a.: Affertio unde dispositio 1st al ein, so unsili boe
tius ierit (d. b. Boelh. p. 156 f.); abir doli zuei participia affectus et dispositus etc.
250) So z. B. p. aou r. Die letztere Terminologie ist aus lioc-tiu d. syll.
hyp. entnommen; s. Abschn. X'll, Anm. 154.
251) ln solcher- Weise ist nicht bloss p. 402 m die Erklärung des continuum
(Bnelh. p. 1451.) durch Zeichnungen anschaulich gemacht. sondern es wird auch
nach Erledigung der Quantität p. 412. noch einmal auf die Begriffe linen, super
ficics, solidum zurückgekehrt und die verschiedenen Arten der geometrischen" Li—
nien, Figuren und Körper graphisch dargestellt; ja bei Gelegenheit der Quadratur
des Zirkels (Hoeth. p. 1651., vgl. oh. Anm. 191.) findet sich p. 423. eine völlig
andere Erklärung und andere Zeichnung als bei Boethius.
XIII. St. Gallen. Nelker Labeo. De partibus loicae. 63
hat252). Von Wichtigkeit aber ist die Einleitung, welche dem Ganzen
vorausgeschiekt ist, insoferne uns auch hier wieder der nominalistische
Standpunkt begegnet, dass bei den Kategorien es sich um die Worthe
\zeichnung handle; auch werden daselhst in eigentbümlicher Weise An
gaben und technische Ausdrücke aus Marcianus Capella mit jenen Be
merkungen verflochten, welche aus Boethius (Abschn. XII, Anm. 77)
betreffs der Reihenfolge der Bücher des Organons entnommen sind, und
ausserdetu lassen gerade bei diesen letzteren Notizen die naiven Miss
verständnisse des Verfassers uns den sicheren St'hluss ziehen, dass der
selbe die Analytiken und die Topik des Aristoteles eben nur vom llöreu
sagen aus jener Stelle des Boethius kannte 253). _ .
Eine andere kleine Schrift, welche den Titel „De partibus
toicae“ trägtfi‘), zeigt sich als ein compilirtes Schul-Compendium,
indemxzunachst die sechs Theile der Logik, deren ersten Porphyrius
zu den fünf aristotelischen hinzugefügt habe, aufgezählt werden 25‘"),
und dann eine längere oder kürzere Angabe des Inhaltes derselben folgt.
Nachdem nemlich aus der lsagoge nur die Begriffsbestimmungen der
quinque voces nach der Uehcrsetzung des Boethius angeführt sind, wird
von den Kategorien lediglich 'die Substanz, selbst ohne Nennung der
übrigen neun, kurz erläutert, dabei aber noch schärfer, als wir so eben
"c ‚
nam Bei Hattemer p. 474 a.: Es! hoc alterius negotii. Taz ist anders uuar
zeterenney samo so er chade, lis miue metuphisiea (s. Boeth. p. 230.), dar tero ih
tib is. Aber boetius saget iz fure in, in secunda editione etc. (d. h. Boelh. p.
326.). Auch jene Figuren, durch welche bei Boethius die Lehre vom Urtheile
versinnlicht wird (Abschn. Xll, Anm. 113 1f.)‚ fehlen hier nicht (p. 479. 492 fl'.)‚_
und zwar verzichtet bei denselben der Verfasser auf den Gebrauch der deutschen
Sprache.
253) Ebend. p. 465.: Aristotiles sreib calliegoriusl chnnt seluenne, uuaz ein
luzziu uuort peseiclnnen (vgl. ob. Anm. 149 ll. 159. u. 242. u. sogleich unten Anm.
256.); nu uuile er samo chunt ketuon in perierminiisl uuaz zesanzine gelegitiu be
zeichenen, an dicn verum unde falsum fernomen uuirdetg tiu latine heizent preto
quia; an dien uber neuueder uernomen neuuirdelrtiu eloquio heizen! (die Quelle
dieser Terminologie s. b. Marc. Capella, Abschn. Xll, Anm. 51., und b. Augustin,
ebend. _Anrn. 33.]; tero uersuigel er an disemo (mache. Uuanda ouh proloquia ge
skeiden sinty unde einiu heizent simpliain, dar ein uerbum ist, ut homo uiuit, an
tleriu duplicia. dor mei uerba sinl, ut homo si uiuit spinnt, so teret er hier sim
plicial in topieis teret er duplicin. Fone simplicibus uuerrlent praedicatiui syllo
gismia fone duplicibus uuerdent eoudiljonales syllogismi (die Quelle hievon b. Boeth,
Abschn. Xll, Anm. 112.). Nah peri ermeniis sut man lesen prima analitica, tar er
beidero syllogismorum kemeina regula syllogislicam haizet; tara nah sol man lesen
secunda analiticai tar er sumlerigo teret praedicatiuos syllogismosj tie er heisel
apodietieam (auch wer nur oberflächlich die Analytiken selbst angesehen hatte. könnte
so sich nicht ausdrucken); seiungist sol man lesen tnpica, an dien er oulx sunde
rigo leret conditionalesi lie er heize! dialeclicam. Tiu partes heizentisament logica
Nu uernim uuio er diti leite zuo dien proloquiis (auch im Commentare selbst er
scheint häufig proloquium neben der Terminologie des Boethius).
254) Aus, einer Zurcher Handschrift herausgegeben von Wackernagel in Haupt
u. Hoffmann, Altdeutsche Blätter II, p. 133 ll. und von Hatt'emer a. a. O. p. 537
—540.
255) Beillattemer p. 537.: Ouot sunt partes logicae? quinque secundum Ari—
stotelem, sextam partem addidit aristoteliens Porplliriusg quae sunt : isagoge, catlie—
yon'ae, periermem‘ae, prima analitical secunda analitieal lopica. ‘
64 Xlll; St. Gallen. De partibus loicae. De syllogismis.
Anm. 253 sahen, die nominalistische Auffassung ausgesprochenns);
dann folgt bezüglich der Urtheile die blosse Aufzählung der vier Arten
(allg. bej.‚ allg. vern.‚ part. bei, part. vern.) aus Marcianus capella in
der Terminologie desselben 257). Was aber hierauf über die erste und
.zweite Analytik gesagt wird, beruht gleichfalls auf jener nemlichen
Stelle des Boelhius, in welcher derselbe die Ordnung der Theile des
Organons bespricht, und desselben Uebersetzung der Analytikeu ist sicher
auch hier nicht lietiützt259). Endlich die Topik ist ausführlich behan
delt, und zwar völlig nach lsidor (s. ob. Anm. 39), wobei der Verfasser
als Beispiele der einzelnen Topen deutsche Sprichwörter hinzufügte 259).
. Die bedeutendste aber unter all diesen Schriften, welche aus St.
Gallen hervorgieng‘en, ist die Abhandlung „De syllogismi-summis
denn wenn sie auch gleichfalls auf einer Compilation verschiedenartigen
Materiales beruht, so greift hiebei ihr Verfasser mit grösserer Belesen
heit auch nach Dingen, welche nicht ganz auf der Oberfläche der Schul
compendien lsidor’s oder Alcuin’s lagen, und ausserdem bewahrt er
darin eine merkwürdige Selbstständigkeit, dass er auf einen einheitli
chen inneren Zweck der Logik hinsteuert, dessen Darlegung den Schluss
‚der Abhandlung bildet. Zuerst wird die Definition des Syllogismus aus
Marciauus capella ‚(Abschm Xll, Anm. 67) mit Beifügung einiger Worte
aus lsidor’s llhelorik (ob. Anm. 43) angegeben 261), wobei schon eine
ziemliche Anzahl von Beispielen in deutscher Sprache zur Verdeutlichung
dient, und nachdem hierauf die Eintheilung in kategorische und hypo
thetische Schlüsse in einer aus Marcianus und Boethi'us vermischten
Terminologie angeführt islmnja werden aus ersterem (Abschn. X11.
Anm. 63 u. 67) die Bestandtheile des kategorischen Syllogismus und
des kategorischen Urtheiles vorgebrachtna), um hierauf die vollständige
Darlegung der neunzehn Schlussmodi folgen zu lassen, welche aus Apu
256) Ebend. p. 538 a.: Ouid tractatur in catltegoriis? Prima rerum significatio
et quid singulae dictiones significenl, utrum substantiam an accidens etc.
257) Ebend.: Ouid narratur in periermeniis? S. Abschn. Xll, Anm. 64.
258) Ebend.: Ouid consideratur in primis anah'ticis? Sillagistica quae est
communis regula omnium sitlogismoruml nectssariorum et probabili-nmi cutkegorico
rum et ippatheticoruml item praedicatioorum et conditionalium (sinnlose Verdopp
lung durch Beiziehung der Terminologie des Marc. Capella, s. Abschn. Xll, Anm.
67.). Ouid tractatur in secundis anulilicis? Apodictica id est tlemonstrativa quae
demonstrat veritalem, id est necessarios sillogismos.
259) Ebend. p. 538 b—5-10 b. Gleichfalls aus lsidor (Anm. 27.) ist copirt,
was Haltemer ebeud. p. 530 f. aus einer anderen Stelle der nemlichen Handschrift
über den Unterschied der Dialektik und der Rhetorik anfahrt.
260) Vollständig abgedruckt b. Hatlemer a. a. O. p. 541—559. (auszugsweise
in Wackemagel's deutSch. Lesebuche l, p. 111 ll'.). -
261) C. 1. ebeud. p. sit a.: Ouid sit syllogismus. Sylloyismus graece, latine
dicitur ratiocinatio quaedam indissulubilis oratio quaedam orationis catena
et iiwicta ratio.
262) Ebend. p. 542 a.: Et ex iis videntur quidam esse qui latine dicuntur
praedicatioiy alii autem qui dicuntur conditionates (p. 542 b.)._ constat autem
omnis syllogismus proloquiis i. c. proposilionibus. Aus den hierauf folgenden Wor
ten proloquia dicamus cruezedu, similiter propositiones cruezeda, item propositiones
pietungal alii dirunt pemeinunga geht auch hervor, dass jedenfalls Mehrere sich
mit ähnlichen Bearbeitungen der Logik beschäftigten.
263) C. 2, p. sn b. Nemlich aumpla, illutio, subiectivum, declarativum.
X111. St. Gallen. De syllogismis. =’65
lejus (Abschn. X, Anm. 18 11'.) entnommen und mit selbatgemachten
deutschen Beispielen erläutert ist 264). Sodann wird auf die hypotheti
schen Schlüsse übergegangen, und zwar zunächst dasjenige, was bei
‚Marcianus (Absehn. Xll, Anm. 69) sich findet, in ziemlich freier Verar
beitung und mit Einmischung der Terminologie des Boethius vorge
führt 265), und erst hieran reiht sich die vollständige Angabe der sieben
Schlussweisen an, welche bei cicero (Abschn. Vlll, Anm. 60) aufge
zählt sind, und deren nähere Erklärung der Verfasser aus des Boethius
Commentar zur ciceronischen Topik entnommen und gleichfalls mit deut
schen Beispielen versehen hat266). Nun aber fand sich ja bei lsidor
(oh. Anm. 43) auch noch ein syllogismus rhetorumx und mit Anknüpfung
an das dort Gesagte wird hier Gelegenheit genommen, ausführlicher auf
die rhetorische Lehre hinüberzublicken, indem mit ausdrücklicher Ver
weisung auf Cicero (d. Inv. l, 36, s. Abschn. Vlll, Anm. 59) an Einem
ebendort sich findenden Beispiele die rhetorische Schlussweise erläutert
wird 267). Aber sogleich bemüht sich der Verfasser, diese Art des Syl
logismus, insoweihker der Form der Bewahrheitung genügt, auf den
kategorischen Schluss zurückzuführen, indem er wieder an der Hand
‚des Boethius auf die einfachen Bestandtheile der Syllogismen überhaupt
ghinweist'mg) und hieran Erklärungen über das Urtheil anknüpft" ).
Und nachdem hierauf über einige mit syllogismus sinnverwandte Begriffe
etymologische Erörterungen sich anreihten, welche entweder direct aus
lsidor oder aus dem. sog. Glossarium Salomon’s (0b. Anm. 185) und
theilweise auch aus Boethius genommen sind‘l'm), wird in Anbetracht
der Ciceronischen Topik näher auf den Unterschied zwischen Dialektik
und Apodiktik eingegangen 27'), welcher mit jenem zwischen hypothe
264) C. 3—8, p. aia-sem
265) C. 9—12, p. 5481. Der Sprachgebrauch des Marcianus wird dabei
als eigene Terminologie aufgefasst, nemlich: propositio, assumptio, conclusio.
266) C. 13, p. 550—553. Die Quelle hievon ist Boelh. ad Cic. Top. V, p.
sal fl‘.
267) C. 14, p. 553 a‚: Transcunt vero syllogismi et ad rhetores iam latiores
et dimisiores facti .. . .. . Horum exempla sunt apud cicer-onem in libris lihetoricorunn
Das cicerouische Beispiel von der Weltregierung (d. lnv. l, 34, 59.), welches
'übrigens auch bei Bocfh. d. cerm phil. l, p. 958. eine nolle spielt, wird hernach
ebenfalls in deutscher Sprache ausgeführt.
258) Ebend. p. 554 8.1 Praedicaticus est ille syllogismus aut conditionalisl
.... .. Plane ergo praedicatiuus est nam et omnes partes syllogismoruml siue
propositio sine approbutio sine sumptam sive illatio sine conclusio sive ut alii di
cunt compleæio (s. Abschn. Vlll, Anm. 59.) auf confeoh'o, communi nomine enun
tiatio uocantur (s, ebend. Anm. 45.). Die Quelle dieser Reduction auf den einfa
chen Satz ist Boefh. ad Cic. Top. V, p. 823.; vgl. auch Abschn. Xll, Antn. 131.
u. 140.
easy Ebend.: Es! autem enuntiatio oratio verum huius species sunt a/firmulio et negotio (Abschn. xm Anaumt. f1a1l1s)u;m_ shiigenraiu/fimmfolgen
deutsche Erörterungen über ussumptio, illutio, concluaio.
270) C. 15, p. 555 8.2 Nemlich über rafs'ocinun', dispatare, iudicare, experi
menlum, und: argumentum diciturj ut lioetio ( ad cic Top. p. 763.) plant, quod
rem arguit i. e. probat. '
271) C. 16, p. asa a: ouaerendum autem magnopcre est, quare cicero dia
lecticani in ypotheticis tantum constituerit syllogismis.... Es! enim medius inter
Aristotelem et Stoicos (hat etwa hieraus J. v. Arx jene obige Nptiz, Anm. 241-,
PRANTL, omm ll. 5
a
66 XIII. St. Gallen. De syllogisrnis.
tischen und kategorischen Schlüssen zusammentrefl'e, eben darum aber
in dein Einen Zwecke der Auffindung der Wahrheit sich zu einer höhe
ren Einheit auflöse, denn durch die Meisterschaft des Schliessens werde
alle menschliche Wahrheit erfahren, während man das transscendente
Göttliche ohne solche Kunst vernehme 272). So kann der Verfasserv
dessen Anschauung uns schon hiedurch ebenso deutlich als erfreulich
an Scotus Erigena (Anm. 111—120) erinnert, für das Gebiet des dies
seitigen mensehlichen Wahrheitsstrebens eine einheitliche Definition der
Logik aussprechen, in welcher Dialektik „oder“ Apodiktik ihr Wesen
habe, und er drückt dasjenige, was er bei Boethius (Abschn. XII, Anm.
76) vorfand, präciser und stärker aus, wenn er ähnlich wie Scotus
sagt, die Logik sei die Wissenschaft des Beurtlieilens oder Disputi
rens273)‚ denn die Macht der Form, welche in den Syllogismen jeder
Art erscheint, ist ihm das Entscheidende, in welchem alle innerhalb
der Logik auftretenden Unterschiede zusammenlaufen 274); hingegen die
Rhetorik, welche bloss dem Wahrscheinlichen, nicht aber der Wahr
heit diene, liege deshth auf einem anderen Gebiete, während das all
umfassendste Gemeinschaftliche der Worlausdruck (verbum) sei, in
welchem sich sowohl der philosophische sermo als auch die rhetorische
dictio bewegen müsse 27‘"). Eben sdurum aber ist dem Verfasser jener
nominalistische Standpunkt, welchen wir bei Scotus trafen, völlig der
geschöpft?) .. Propterea boetius Arislotilem in thopicis dialecticam et in secundis
analiticis apodielicam docuisse testaturl d. h. das Ganze ist aus Boeth. ad Cic.
Top. l, p. mo f. entnommen, woselbst eine weitere Ausführung des in Abschu.
XII, Anm. 77. erwähnten Standpunktes sich findet.
am C. 17, p. 557 b.: De potentia disputandil i. e. fane dem mahle der
unissprathonis. Si ergo satis intellectum est‚ omnem apodicticam constare in decem
et novem modis syllogisinorum et diatecticam in septem modis syllogismoruml non
sit dubitundumy totam earum utilitatem esse in ineenienda verilale. Ube niunzen
sloz upodieticae unde sibeniu dialecticue uuola yelirnel sm, so uuisin man dor mik,
rlaz sie nuzze sinl, alia uuarheit mit in se eruarenne omnia enim his constanL
quae in humanum cadunt rationem Al du: nienniskin irratm mogin, !a: uuirdit
hinnan yuuissaL Divina erocdun! humanum rationem. intellectu enim eapiuntun
Tiu gotoliehin ding uuerdent keistlicho uernomen ane disa meisterskafL
273) C. 18, p. 557 b.: ouid sit dialectica tret apodictica. Ergo dif/inimicis
est dialecticu sive apodictieay possunt enim unam et eandem suscipere diffifli
tionem in hunc modum bialectica est siue apodiotiea iudicaudi peritia vel ut
alii dicunt disputandi scientia (eben dieses findet sich ja auch bei Scotus, ob.
Anm. 112.). Meisters/ruf! chiesennes unde ruchonnis, tas ist dialechca, !a:‚ ist ouh
apodictica.
274) Ebcnd. p. 558 a.z Prius diximusl quia ratio est quae ostendit rem.
Reda sketni!‚ uua: is in; pidero reda sol man chiesenl Tara nuh mag er raohon, i. e. dispaMre, ioh uuar rachuobne, izi. ue.uersaetniocrinuuagrei .. . ..
lTteerda ueurarrirhatectho!u‚nsitheralmliisl, rteesdamasntercshtirtiteuLndeTersediuauaerheanbruiinngedtelnt ladzereristchionsdoetx, ter
ist rationaler, ter ist disputatorl ter ist argumentatom ter isl dialecticuL der ist
apodiclirus et syllogisticus.
275) C. 19, p. 558 b.: me parum hoc attentendum esti quantum intellectu
quaedam distanL quae simiti modo solent interpretaril ut suntz verbum, semo.
dictio ouae si unum siynifcarmtr nequaquam sermo daretur philosophis, dictis
vero rhetoribusl ut auctores docent (d. h. lsidor, s. oben Anm. 27.); nam et Ari—
stotiles diuleclicnm, quae interpretatur de dictionel ad rhetores traxit et voluit eam
esse in argumentis rlicloricis, i. e. prolmbiübus, quae ille indicavit esse (die Hand
Xlll. St. Gallen. De syllogismis. Franco. 67
selbstverständliche, denn der Unterschied zwischen Wahr und Falsch,
d. h. der Gegenstand aller logischen Beurtheilung oder Erörterung, kann
nur in menschlichen Urtheilen auftreten, und auch die Prädicamente
sind eben nichts Weiteres als Aussagen 27“). —— Wohlthuend ist es uns
jedenfalls, hier einem Autor begegnet zu sein, welcher weiss, was er
will, und es steht uns diese Schrift unendlich höher als die zwecklosen
und peinlichen Spielereien eines Gerbert oder eines Anselmus; auch
wäre es wohl schwerlich zu den „Beweisen für das Dasein Gottes“
gekommen, wenn man im Allgemeinen jene Besonnenheit bewahrt hätte,
die Meisterschaft des Schliessens wohl allseitig in dem uns Wahrnehm
baren zu üben, hingegen das unmittelbar Göttliche dem gläubig from
men Sinne zu überlassen. -— Uebrigens müssen wir auch hier gleich
falls darauf hinweisen, dass der Verfasser dieser Abhandlung die von
Boethius angefertigte Uebersetzung der Analytiken nicht gekannt haben
kann, denn sowie er überhaupt eine grössere Belesenheit als Andere
zeigt, würde er wohl gewiss die neunzehn Modi nicht aus Apulejus
geschöpft haben, wenn ihm die aristotelische Syllogistik selbst zugäng
lich gewesen wäre, noch auch würde er bei seinem Streben nach in
nerer Einheit der Logik lediglich an jene nemlichen Stellen angeknüpft
haben, welche aus den verbreitetsten Uebersetzungen und Commentaren
des Boethius Jedermann kannte 277).
Aber jener ausgedehnte Betrieb der Logik, wie ihn uns in dieser
Zeit St. Gallen zeigt, dürfte auch wohl eine ziemlich isolirte Erschei- _‚
nung sein, woferne es nicht etwa bloss der Mangel an Nachrichten ist,
welcher uns zu dem Urtheile veranlaisst,«.dass in der ersten Hälfte des
11. Jahrh. im Allgemeinen eine Unthätiglieit in logischen Fragen oder
selbst in Anfertigung von Compendien obgewaltet habe. Ja bei jedem
Schritte unserer Untersuchung müssen wir die Möglichkeit im Auge
behalten, dass Manches, was vorhanden war, unserer Kenntniss gänz
lich entrückt sei, wenn auch zugegeben werden mag, dass Erschei
nungen von grüsserer Bedeutung schwerlich ganz spurlos entschwunden
wären, und dass ein gänzliches Stillschweigen aller Quellen kaum denk
bar sei, wenn wirklich in weiterer Verbreitung das Gebiet der Logik
eine Bearbeitung gefunden hatte.
Ungefähr aus der Mitte des 11. Jahrh. haben wir die Notiz, dass
ein Scholasticus Franco in Lüttich (um d. J. 1047) eine Monographie
über die Quadratur des Zirkels (vgl. ob. Anm. 191 u. 251) in Anknnjx
scbr. hat non esse) discernenda a uecossariis argimienlis, de quibus flum ypothetici
syllogismi et tota dialeztica, ut cicero docuit (s. Boelh. ob. Anm. 271.) Dignior
est namque sermo et gmuior, ut sapientes decel, dictio humilior es! et plus com
munis data rhetorilms. Verbum autem omnium esl.
276) Ebend: EI in i‘nlcrprctundo proprie sermo (vgl. Anm. 321.) mga dicüur,
sie et muntiah'o, quae similiter philosophis tradita est rt disputantilms necessaria
m, quia inest ei semper vtrum aut falsum . Praedicare autem est, inquit Boe
tius (p. 127.), aliquid de aliquo dicerent e. elcuuas sagen fane eteuuiu; unde
et praedicamentnm dicitur el praedicatioy cinis lings kcsp'rocheni fone demo anderma.
am Es scheint, dass in solchen Fällen der Beweis aus dem Stillschweigen
völlig schlagend sei und darum sehr bestimmt verstürltend zu dem allgemeinen
Umstande hinlu‘lnte, dass überhaupt keine einzige positive Spur einer Benutzung
jener aristotelischen Schriften sich zeigt. .
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68 Xlll. Othlo. Damiani. Die Rechtswissenschaft.
pfung an die betreffende Stelle des Boethius verfasste 27S), und etwa
aus derselben Zeit können wir wenigstens das Geständniss eines Emme
raner Möncth Othlo (geb. um 1013, gest. in Regensburg um 1083)
anführen, welches dahin lautet, dass es einige so eingefleischte Dia
lektiker (dialectici ita simplices) gebe, welche an alle Worte der hei
ligen Schrift den dialektischen Maassstab anlegen und dem Boethius mehr
glauben als der Bibel selbst279). Aus letzterer Klage aber muss man
schliessen, dass obige Verwarnung Fulbert’s (Anm. 237) nicht bloss
von einem Berengarius missachtet wurde, sondern dass von mehreren
Seiten die Dialektik in tbeoretisch-dogmatischen Fragen als Prüfstein
bezeichnet wurde 23°). Hingegen blieb, wie sich von selbst versteht,
die Mehrzahl dem ursprünglichen Standpunkte des christlichen Mittel
alters getreu, und es mag, da wir nunmehr in eine Zeit der Kämpfe
eintreten, darum nur beispielsweise erwähnt werden, wie Petrus Da
miani (geb. 1006, gest. 1072) der Dialektik den Beruf zuweise, als
fromme Magd im Dienste der Kirche zu stehen und ihrer Gebieterin
demütbig auf dem Fusse zu folgen 28l), wobei allerdings Damiani’s gläu
bige Seele noch keine Ahnung davon hat, dass auch dieser Dienstbote
den Dienst kündigen und sich einen eigenen Herd gründen könne.
Eben aber in der zweiten Ilälfle des 11. Jahrh. traten Momente
der Kulturgeschichte auf, durch welche innerhalb der sich gleichbleibenden
logischen Scbultradilion eine frischere Bewegung und selbst eine heftige
Erneuerung älterer Parteigegensälze herbeigeführt wurde. Zwei Seiten
sind es, von welchen her sich auf verschiedene Weise und in sehr
verschiedenem Grade ein Einfluss auf die Logik geltend macht, denn
die eine derselben können wir hier vorerst nur in leisen Ahfängen er
blicken, um bei ihrem späteren stärkeren Auftreten wieder hieran lan
zuknüpfen, wabrcud die andere sofort mit aller Macht sich erhebt und
b 278) Sigebert Gembl. iltorum ad ann 1047 h. Pz-rtza Mon. Vlll, p. 359.: Franco
scholasticus Leodiccnsium et scientia litterarum et morum probitate ctaratl qui ad
Herimannam archiepiscopum scripsit librum de quadratam circuli, de qua re Aristo
tetes (h. Boelh. p. 165.) ait : ‘circuji quadraturo, si est scibitey scientia quidem non
0st, illud vero seibite esL
279) Othlo d. tribus quocst. h. Pez, rhes/iuud III, 2, p. 144.: Peritos autem
dico magis illosv qui in sacra srripturav quam qui in dialectica sunt instructig nam
diotecticos quosdam ita simplices ineeni, ut omnia sacrae seripturae dicta iuxta dia
tecticae auctoritatem ronstringenda esse decernerentv magisque Boetia quam sanctis
scriptoribus in plurimis dictis crcdcrenl; unde et eundem Boelium seculi me repre
hendehantr quod personae nomen alicui nisi substantiae rationali adscriberem etc.
nam Denn abgesehen davon, dass in den verschiedenen theologischen Schrif
ten Othlo’s die Abendmahlsfrage nicht speciell besprochen wird und daher die
Polemik gegen die Dialektiker schwerlich sich auf Berengar bezieht. ist ja in der
eben angeführten Stelle von persönlichen Begi-gnissen die Rede, welche Othlo als
Folge einer allgemeinen Zeitrichtung bezeichnet.
281) Petri Damiam' opp ad. Caietuni, Par. 1743. fol. lllv p. 312.: Huec
plane, quae ex diatecticorum vet rhetorum prodeuut argumentisj non facite divinae
virtutis sunt aptanda mysteriisl et quae ad hoc inventa sunty ut in syllogismorum
instrumenta pro/iciant vel clausulas dich'onum, absit ut sacris legibus se pertinaciter
inferant et divinae virtuti conclasionis suae necessitates opponanL Ouue tamen artis
humanae peritial si quando tractandis sacris etoquiis adhibetur, non debet ius
magisterii sibimet arrogantor am'pere, sed velut ancilla dominae quodam famutatus
obsequio subservire, ne, si praeoedit, oberret etc.
G an Die Rechtswissenschaft: Papias. . 69
den Entwicklungsgang auf längere Zeit bedingt. Diese beiden Seiten
aber sind die Jurisprudenz und die theologische Dogmatik. ’aiäiiirmit
Ü Wenn nemlich die Rechtspflege an sich schon überhaupt eine Hin
weisuug auf dialektisclr-rhetorische Praxis enthält, so ist es erklarlich,
dass zu ‘einer Zeit, als in Italien eine Erneuerung der Rechtswissen
schaft eintrat und die Entstehung von Rechtsschulen begann 282)‚ nun
ein'grösseres Gewicht auf praktische Logik fiel, d. h. allerdings auf
eine Logik, welche von der Rhetorik sich kaum unterscheidet, aber in
der Lehre von der Argumentation und in der Topik dem üblichen lo
gischen Schulmateriale verwandt bleibt. Sowie wir selbst für unseren
hiesigen Zweck schon früher (Ahschn. Vlll, Anm. 52 u. 68) aus den
Pandekten Quellenslellen entnehmen konnten, so scheint andrerseits das
Studium der Grammatik und Rhetorik in Italien eine ununterbrochene
Verbindung mit juristischen Materien bewahrt zu haben mm und wenn
wir auch die litterarische Anekdote, dass das ganze Rechtsstuditim zu
Bologna seinen Anfang aus einer grammatischen Erklärung des Wortes
„As“ geschöpft habe 284), gerne bei Seite lassen, so war doch jeden
falls der juridische Unterricht, welcher durchaus nicht der ausschliess- _
lichen Heranbildung von Klerikern diente, damals ursprünglich an den
üblichen Betrieb der artes liberales geknüpft gewesen 285). Den schla
gendsten Beleg hiefür finden wir an dem Grammatiker Papias (um
1060), welcher in seinem encyclopüdischen Vocabularium eine ansehn
liche Menge juristischer Worte und Begriffe ip grösserer oder geringerer
Ausführlichkeit besprichtm) und in den die Logik betreffenden Wort
erklärungen oder längeren Artikeln, welche er sammtlich aus der da
mals bekannten Schul-Litteratur entnimmtmlja uns durch eine einzelne
282) S. Savigny, Gesch. d. Rom. R. im Mittelalt. W, p. lfl"., u. Giesebrecht,
D. litt. sind. ap. Italos. Berol. 1845. 4. ‚
283) S. Merkel, Gesch. d. Langobardenrcchts (Berl. 1850) p. 13. u. 46., u;
Ltichmimny Versuch üb. d. Dositheus. Berl. 1837. 4.
284) Hostiensis, Commcnt. in beereL libr. bei Savigny a. a. 0. p. m
285) S. Giesebrechl a. a. 0., welcher (p. 19.) aus Wippo’s Panegyricus auf
Heinrich lll. (gest. 1056) folgende Verse anführt: func fac edictum per terram
Teutom'corum, cuilibet ut dives sibi natos instruat omnes Litterulis legemque suum
persuadeat illisi Ut cum principibus placitandi venerit usus, quisque suis libris
exemplum pro/erat illis Hoc servant ltali post prima crepumtia cuncti, Et su
dare scholis mandatur tota iuventus; Solis Teutom'ois vacuum vel turpe ‚oidrlur,
Ut deceant aliqueml nisi clericus accipiatun
286) Papias Vocabulista. vena 1496. fol. (nicht paginirt). Die juristischen
Begriffe sind: idco-euim Actio, Aequitas1 des alienum, Agnali. Arm, Arbitcr, Bo
norum possessio, capitis diminutio, Casas, Causa, Codieillas, communi diuidundo,
Ganlraclus, Dolus, Ediclum, Emancipare, Emphyteusis, Emplio venditioj Falcidia
tum Fideicommissum, Fundus, Heeres, Haeredilas, Interdiclum, ludicium, lus
(ausführlich), lustitia, Leger (ebenso), Liber, Mancipi resv Manumissus, Municipcs,
Muluari, lllecmaneipil Notae in libris itm's, Noxa, Patcrfamilias, Peculatus , Pos
sesst‘o, Puberes, Reus, Stipulatiol Testamente iuris civilis (ausführlich), Usucapio.
(Diese Seite des Papias ist, soviel ich weiss, für die Litterargeschichtc der ln
risprudenz noch nicht benützt worden.) ‘
287) Die Worterklärungen aus der Logik (Aocidcns, Ad alt'quid, A/‘firmarc,
Andaceuc, Apodixis, Apophasis, Argumentatio, Axiome, Culasceue, Uonclusio, Da—
finitio, llialeetieay Difl'ercntia, Eotltymema, linuutiatiaay Equivoaa, Essentia, Genus,'
”obere, Habitus, Eysagoga, Hypolhetici syllogismi, Individuum, lnductio, Logioa,
ro an Papias. Lanfrancus.
Bemerkung neuerdings den Beweis liefert, dass man in jener Zeit auch
in Oberitnlien die Analytik des Aristoteles nur vom llörensagen kannte 288).
Eben aber mit einer solchen Verbindung grammatischer, rhetorischer,
logischer und juristischer Schulkenntnisse, wie sie l'apias zeigt, hängt
es zusammen, dass er in einem eigenen Artikel auch die „Epistolae
formatae“ besprichtzw) und so auf die sogenannten Formelhücher (s.
sogleich unten Anm. 295) hinüberweist. Mit all diesem nun steht es
in oll'enbarem Einklange, wenn sowohl ein gleichzeitiger Bericht über
jene ersten Keime einer Bechtsschule sich in Ausdrücken bewegt,
welche uns direct an die gewöhnliche Schul-Logik erinnern 29°), als
auch wenn an zwei hervorragenden Männern jener Zeit, an Lanfran
cus und lrnerius, sich gleichsam eine Personal-Union der Dialektik
und der Jurisprudenz zeigt. Denn dass Laufrancus (geb. um 1005,
gest. 1089), auf welchen wir alsbald wieder zurückkommen müssen,
die er'ste Hälfte seiner Thatigkeit vor dem Ausbruche des Abendmahl
streites hauptsächlich dem Rechtsstudiuui in ausgedehnter und erfolg
reicher Weise zugewendet habe, ist eine unbestreitbare Thatsache 29l),
wenn auch eine directe Verbindung, in welche er sogar mit lrnerius
'selbst gebracht wird, aus chronologischen Gründen undenkbar istzgz);
Nomen, Omonyma, Oralio, I‘rapnsilio, Proprium, Qualitas, Ouundo, Ouanlitas,
Batiocinatio, Syllogismus, Syncnima, Sophismas Spert'es, Substantia, Unicoca,
Vom) sind sammtlich aus lsidor oder Boethius excerpirt; höchstens könnte hervor
gehoben werden, dass bei Cal'cgoria Papias die mehr nominalistische Auffassung
auswahlt: categoriae graeci-l latine pracdicamenta dicantur1 quibus per varias signi
ficationes onmis sermo conclusus rsl.
easy Er erklärt nemlich: Analetica (vgl. folg. Abschn.‚ Anm. 23.) i. e. resa
lutoria. quod est medium volumen commenti super I'cricrmcnias, uppellavit Boetius,
ubi omnes syllogismi rhetoricae artis resoluuntun Ausser diesem Unsinne etwa auch
noch: Klone/10mm, titulus libri cuiusdam Aristotelis.
289) formatae epistobie a sanctis cccxvut patribus in lilicaeno consilio consti
tutae feruntun u. s. w. (eine Folie-Seite hindurch).
290) Ncmlich der so eben erwähnte Damiani sagt in seinem Sendschrei
ben De parentelae gradibus (Opp. lll, p. 89 ff.) von seinen Gegnern (prooem.
p. 89.): Ex quibus nimirum verbis (d. h. fuslin.‚ fnslil. l.) inductoria quaedam
colligebant argumcntal ferner (c. 1, p. 90.): interrogentur igitur qui in tribunalibus
iudicanty qui causarum negotio dirimuntl qui scrutandis legum decretis insislunl,
und insbsondcre (c. 6, p. 92.): cumque in astruendis propriis allegationibus sae
pius verba haec ilerarenl, deinde ratiocinandoy assumendoy colligendoj multimoda
cavillatianum argumenta componerentl sowie auch (c. 7, p. 92.): quidam promptuu
lus ccrebrosus ac dicar, scilicet acer ingeniol mordax eloquiol vehemens argumenlo,
Florenlinus pulo, verbis me insolenter urgebat. Aebnlich auch D. grad. cagn. c. 2,
p. 96.2 Super quo nimirum nonnulli doctorum diversa a se invicemsentientes longis
argumentationibus disputanL ‘
291) Milo Crisp. vita Lau/r c. ll. b. Mabill. Acta Bened. lX, p. 639.2 Ab
annis puerilibus eruditus est in scholis liberalium artium et legum secularium ad
suae morem patriam Arlolescens orator veteranos adversanles in actionibus causarum
frequenter renicit torrente facundiae accurate dicendog in ipsa aetate sententias dc
promere sapuity quas gratanter iurisperiti aut iudices vel praetores civitatis accepta
baut. Mcminil horum Papia (d. h. seine Vaterstadt Pavia). At cum in exilio phi
losopharcfur, accendil animum eius diviults ignisa et illuxit cordi eius amor verae
sapienliac. Mehrercs speciell Juridische s. h. Merkel a. a. 0. p. 14. u. ea f.
292) Robert de Monte auct. ad chron. Sigcb. Gcmbf. ad ann. 10312. b. Peru,
Novum. Vlll, p. 478.: Lanfrancus Papiensis- et Garnrrius socius eius repertis apud
liononiam legibus romanisl quas iustinianus . emendaveraL his, inquam, rcperli:
_:_‚_—_..W. VW_‚ “ JI— x JUTTA-l."
.L
mi XI»II. lrnerius. Formelbücher. . m 71
. ‚ ‚v .
jedenfalls aber ist ihm;5 wie aus den Berichten hervorgeht, die nem
liche dialektische Gewandtheit, welche er später gegen seine theologi
schen Gegner beurkundete, auch schon damals zur Seite gestanden.
lrnerius aber (seine Blüthezeit fällt zw. 1100 u. 1120), dessen Auf
treten bekanntlich für die Bologneser Bechtsschule den Uebergang von
der ersten Keimperiode zu reicherer Entfaltung bildet, wird in den
Glossen des Odofredus ausdrücklich als „Logiker“ bezeichnet, und aus
dem Umstande, dass er vorher Lehrer der freien Künste gewesen sei,
wird eine übertriebene Spitzfindigkeit, welche in seinen Glossen sich
gefunden habe, erklärtzga). Da aber lrnerius auch ein Formulan'um
verfasste29‘), so müssen wir hieran die vorläufige Bemerkung knüpfen,
dass'eine eigene ausgedehnte Litteratur entstand, welche der Notariats
kunst und Notariatspraxis diente und fortan eine Verbindung der übli
chen Schal-Rhetorik mit juristischen Stoffen lebendig erhielt. Und wenn
nun diese „I“ormelbücher“295) allerdings damalsnoch durchaus
keinen nachweisbaren Einfluss_auf die Logik selbst ausübten, und die
„Praktiker“ noch nicht eine Anerkenntniss ihrer Berechtigung betreffs
der Logik beanspruchten, so liegt doch hier der Keim einer Tendenz
‘vor, welche Jahrhunderte hindurch ihre eigenen Wege wandelte und
dabei sich weit mehr auf ciceronisch-rhetorische Dialektik, als etwa auf
das aristotelische Organen hingewiesen sah. Daher wir schon hier es
als dereinstiges nicht unerwartetes Resultat andeuten dürfen, dass später
l.clie rhetorischen Praktiker sich dem Sturmlaufen gegen die aristotelisch- I
scholastische Logik anschliessen werden. Ja, es ist schwerlich eine
ganz zufällige Redensart, wenn schon ein Autor gegen Ende des 11.
Jahrh., und zwar ein Mailänder, gelegentlich den Aristoteles und den
cicero mit den Ausdrücken „Labyrinth“ und „Palast“ einander gegen
überstellt 296).
operam dederant eas legere et aliis exponem Sed Gamcrius in hoc perseveravitl
Lunfrancus uero disciplinas liberales et litteras divinas in Galliis multos edocens
tandem iieccum venit et ibi monachus factus est. Vielleicht jedoch ist das chrono
logische Bedenken, welches Savigny a. a. O. p. 21 f. erhebt, überhaupt unnöthig,
wenn wir bei „socius“ nicht an persönlichen Verkehr denken, sondern es gleich—
sam mit „juristischer Gcsinnnngsgenosse“ übersetzen.
293) Udo/r. (Codex) in L. ull. c. de in im. restit. minor. (2, 22.): Or, seg
non', plura non essent dicenda super lege istag dominus tamcn Irncrius, quia loicus
fuity et magister fuit in civitate ista in artibus. antequam duceret in legilms, fecit
unam glossam sophislicam, quae est obscurior quam sit lezlus. Und (Cod) in
Auth. „qai res“ C. de SS. ech (1, 2.): E! debetis scire vos, domini, sicut nos
fuimus instructi a nostris maioribusl quod dominus I'rncrias fuit primusy qui fuit
ausus dirigere cor suum ad legem istarng nam dominus iir-acrius erat magister in
artibus, et studium fuit liuvennae eta collapsa ca, fuit studium Bononiae, et do
minus ymerius studuit per se sicut polait, postea coepit docere in iure civili, et
ipse fecit primum formulariam, i. e. librum omnium instrumentorum etc. (angeführt
bei Savigny).
294) Naheres b. Savigny a. a. O. p. 621.
295) S. Merkel a. a. O. p. 33., und vor Allen L. Rockinger, Ueber Formel
bucher v. 13. bis z 16. Jahrh. München 1855. 8., bes. p. 36 ff. u. p. 56.
296) Amul/‚ Geste archiep. Medial. I, 1, b. Perlz, Man. X, p. 7 z Non mihi
met ipse confido, ’quem exilis ingenii adeo paupertas anguatal, ut difficih's mihi
videatur Aristotelici laberiuthi ingressusl laboriosus ualde iuliani palacii accessusj
fateor me nunquam conscendisse curules quadrivii rotas.
‚
.
- ‚— .7 . w .l.ruyvaw-s-vw-w-a
72 Xlll. Die Theologie. Berengarius. beati-annus
‚.gj
_rem....
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Entsehiedener aber, wie gesagt, äusserten theologische Streitig
keiten, welche damals über das Abendmahl geführt wurden. einen directen
Einfluss, und jene Parteispaltung betreffs der Logik, welche wir schon,
am Schlusse des 9. Jahrh. oben trafen, erhält nun gegen das Ende des
11. Jahrh. einen schärferen Hintergrund durch speciell dogmatische
Anschauungen, wobei die weitere Entwicklung sich um so eigenthüm
licher gestalten muss, je mehr das eigentlich logische Interesse, wie
schon bemerkt wurde (oben S. 36 f.)‚ gerade dem Nominalismus näher
stand, als dem christlichen Realismus. Den dogmatischen lnhalt jener
Kämpfe lassen wir hier, wie sich von selbst versteht, als einen völlig
gleichgültigen gänzlich bei Seite, und betrachten nur das formell dialek
tische Moment. V sup a ' ' m
"I In'gdies'er letzteren Beziehung aber war es vor Allen Fulbert's
Schülef, Berengarius (geb. 998, gest. 1088), welcher seit d. .l.
1031 als Scholasticus in Tours docirte und dabei den Muth hatte, auf
dem Gebiete des Wissens sich jeder Auctorität, mochte sie sein welche
sie wollte, zu widersetzen, indem er gegenüber aller Tradition, auch
selbst der grammatischen und logischen 297), nur die selbsteigene Kraft
der Denkfunctinn als den ausschliesslichen Maassstab der Wahrheit an-°
erkannte; denn jener Grundsatz, welchen er später in seiner Verthei
digungsschrift gegen Lanfrancus aussprech, muss ihm schon früher als
der richtige vorgeschwebt sein, der Grundsatz nemlich, dass einzig und
allein die Dialektik die Form der Vernunft sei, und während Berengarius
in ähnlicher Weise wie Scotus Erigena einen Zusammenhang der Dias
lektik mit der göttlichen Weisheit zugesteht, beruft eben darum auch
er sich auf Augustin's Ausspruch (Abschn. Xll, Anm. 18) und erklärt
nnn mit aller Entschiedenheit, dass gerade bei Benützung heiliger Aucto
ritaten das rationelle Verfahren (ratione agere) unvergleichlich höher
stehe 298). Hingegen umgekehrt im Dienste der dogmatischen Auctorität
trat eben um dieselbe Zeit die Dialektik bei Lanfrancus auf, welcher,
nachdem er Pavia verlassen und die dortige juristische Thütigkeit (0b.
Anm. 291 f.) aufgegeben hatte, zuerst (im J. 1040) in Avranches und'
dann seit 1043 im Kloster Bec in der Normandie als Scholasticus wirkte. v
297) Adelmanni Epist. (s. ob. Anm. 235.) p. 31.: Aiunt te novitatum capto
adeo ut Priseianama Donatum, Boethium prorsus contemnas.
298i Bereng. d. sacr. coena, ed. A. G. et F. m Vischer, Berol. fällt, p.
100 f.: and relinquere me, inquio ego, sacras auctoritates non dubitas scribere,
manifestum fiel dim'nitale propilia, illud de calumnia scribere Ie, non de verilote,
ubi deducendi sacras auctoritates in medium necessitate inde agendi locus occurre
ril, quanquam ratione agere in peroeptione veritatis incomparabiliter superius esse,
L quia in evidenti res est, sine oecordioe coecitate nullus negaverit verbis dia
tecticis ad manifestatianem veritatis agere non erat ad dialecticam confugium con
fugissel a quo ipsam dei sapientiam et dei veritatem video minime abhorrcre (vgl.
Anm. 305.), sed suos inimicos arte revineere Mazimi plane cordis esl, per
omnia ad dialecticam con/agam quia con/ugere ad eam ad rationem est confugere,
quo qui non con/ugit, cum secundum rationem sit factus ad imaginem dei. suum
honorem reliquit,‘ nec potest renovari de die in diem ad imaginem dei. llialerticam
beatus Augustinus tanta dif/initione dignatur, ut dicati dialectica ars est artium,
disciplina tllsciplinaruml novit discere, novit docere, scientes facere non solum vult,
sed etiam faciL
xm Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus. 73'
Seine grosse dialektische Gewandtheit, welche er‘in theologischer Exe
gese hei jeder Gelegenheit heurkundele 299)‚ wirkte gleichsam ansteckend
auf seine zahlreichen Schüleraoo), und es soll sogar ein kleiner logi
scher Verstoss, welchen er dem Berengarius nachgewiesen habe, die
Veranlassung gegeben haben, dass die Schule des Letzteren an Frequenz
abnahm aou Wie sehr aber Lanfrancus allen logischen Scharfsinn nur
zur Stütze der Orthodoxie aufgewendet habe, zeigt ausser dem Auftreten
in der Abendmahlsfrage ganz besonders sein Stucidariumauyl denn in
dieser Schrift wird der lnhalt der damaligen Dogmatik in Beweisform
mit vollendetster Consequenz bis auf die extremsten Spitzen hinausge
trieb‘en, und das logische Moment dient nur dazu ,- umv für alles Mög
liche irgend Gründe oder nähere Bestimmungen bis ins Abstruseste auf
zuspüren 303). Dieser Mann aber nun, welcher so seine Vernunft schlecht
hin gefangen gab, war ganz dazu angethan, als Denunciant und Ketzer
richter gegen Berengarius aufzutreten 304), da Letzterer bezüglich des
15’299) Sigcb. Gemblac. d. scriptt. ech c. 155. b. Fahr. Bibl. ech p. 112.:
Lanfrancus dialecticus et xcantuarensis archiepiscopus Pautum apostolum exposuit et
ubicunque opportunitas locorum occurrit, secundum leges dialecticaelproponitl assu
mitl concludit.
300) Guilelm. Malmesb. d. gest. reg. AngL HI. b. Savil. Scriplt. rer. Angl. Lohd.
1596. fol. 61 b.: Lan/‘rancum, de quo serio dici potest ntcrtius e coelo cecidit
Calo" adeo latinitas omnis in liberalium artium scientiam per doctrinam eius se
incitabat Ebend. d. gest. pontil. l. fol. 116 b.: publicas scholas de dialectica
professus est ezinit fama eius remotissinias latinitatis plagas cratque lieccum
magnum et fumosum litteraturae gymnasium ubique discipuli iii/latis buccis
diatecticam ructabant . .. . . Ebend. fol. 122 b.: vir cuius industriam praedicabit con
tia, cuius doctrinam in discipulis eius stupebit tatinitas. quantum omnes anni
durabunL
301) Guilmond (ein Schüler Lanfranc's) d. corp. et sangu. Chr. b. Bibl. palr.
Lugd. XVlll, p. 441.: Postquam a domino Lan/ranco in dialectica de re satis parva
turpiter est con/usus (sc. Bercngarius), cumque per ipsum dom. Lan/rancum virum
aeque doctissimum liberales artes deus revalescere atque optime reviaiscere fecisscl,
desertum se iste a discipulis dolens etc. Doch es ist auf solche Berichte nicht
viel zu geben, denn dass Lanfranc’s Anhänger in maiorem dei gloriam gelogen
haben 'künnen, wird jeder'Unbefangene zugeben.
302) Die Schrift .‚Eluaidarium sive dialogus summam totius theologiac complec
tens“ ist'unter den Werken des Anselmus v. Canterhury gedruckt, wurde aber
schon von Gerberan beanstandet und unter die zweifelhaften Schriften gesetzt, und
nun scheint sie völlig mit Recht der neueste Herausgeber der Werke Lanfranc‘s,
Giles, gestützt auf die Anctnritat mehrerer Handschriften, dem Lanfrancus zuzu
schreiben. -
nom Dahin gehören z. B. die Fragen, warum Gott auch Mücken und Wanzen
erschaffen habe (Elacid. l. 12. Lanfr. Op. ed. Giles, Ozon. 1854. II, p. 211.), um
wie viel Uhr Adam aus dem Paradiese vertrieben worden sei (l, 15, p. 214.),
warum Gott keinen zweiten besseren Adam geschaffen habe (l, liy p. 218.). ob
christus als neugebornes Kind allwissend gewesen sei (l, 19. p. 220.), warum
Gott nichts ungeschehen machen könne (H, 8. p. 224.), weiche Zahl von Seelen
in den Himmel kommen könne (lll, 3, p. 273), in welcher Körperstellnng die
Verdammten in der Hölle sitzen (lll, 4, p. 275.). wie es bei der Auferstehung des
Fleisches sich mit den Haaren, welche wir abrasiren, und mit den Nägeln, welche
wir uns abschneiden. verhalte, und wie es mit jenen Menschen stehe, welche von
wilden Thieren gefressen wurden (lll, 11, p. 281.), um wie viel Uhr das jüngste
Gericht stattfinden werde (lll. I2. p. 282), ob die Seligen nackt seien oder Klei
der tragen illl, 16, p. 287.) u. dgl.
304) Was den persönlichen Charakter Lanfranc’s heu-mh so scheint die An
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'74 Xlll. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancns.
Abendmahles im Hinblicke aul‘ frühere Streitigkeiten seine oll‘ene Sym
pathie für jene Ansicht aussprach, welche als die des Scotus Erigena
galt, und hiemit sich als Gegner des Paschasius bekannte. Der Kern
dieser Händel, welche zwischen 1060 und 1070 einen heftigen Schrif
tcnwechsel zwischen Berengarius und Lanfraucus hervorriel‘en, besteht,
soweit er uns nach seiner dialektischen Seite hier inleresflrt, in Kürze
darin, dass Berenga rius erstens überhaupt jene Anscliauungsweisep
welche wir als die nominalistische des Scotus Erigena oben trafen, zu
der seinigen macht, und daher ebenso wie jener die Wahrheit der
menschlichen Kundgebung in den Urtlrpilen und die Festigkeit der Wort
bezeichnung neben dem ontologisch göttlichen Principe der Dinge aner
lienulejl und zweitens dass derselbe diesen Standpunkt nun folge
richtig auch aul‘ die Abendmahlsl'rage anwendet, wornach er in den
Worten „Brod“ und „Wein“ als Worten die adäquate richtige Bezeich
nung -des wahren ‘und unveränderlichen Wesens des Brodes und des
Weines erfasstaos), so dass jede beliebige Aussage über die beiden
eben schlechthin sinnlos sei, sobald man annehme, dass das substan
tielle Wesen des Brodes und des Weines geändert oder getilgt ware 307).
rtcriae nomine appellanturs quod facta sunt ile materiay quia non amisit ipsa materia
.‚
sieht, welche Lessing über denselben aussprech, durchaus noch nicht widerlegt
zn sein. .
305) Bereug. a. a. O p. 104.: Et quidem propositio vero est veraeque propo
sitionis vim sua loco posita obtinereh nec eius magis quam omniam tam
rerum quam aliarum propositionum veritas apud veritatem omnia scientis ac prac
scientis dei aeternaliter constat. qui et res ipsas in principalibus ac secundis essen
tiis condidit easque tam uerarum quam falnarum propositianum causas esse dispo
suil. H. Ritter irrt sehr, wenn er (Gesch. d. Phil. Vll, p. 310.) in Berengarius
einen Realisten erblickt; denn erstens von den Universalien ist bei Bereng. weder
hier noch überhaupt irgendwo eine Rede, und zweitens werden die sogleich fol
genden Stellen deutlich zeigen, dass das Hauptgewicht auf der begrifl'lichen Festig
kcit der menschlichen Worte liege
306) Ebend. p. sex Nomina enim rerum ad differentiam rerum ipsarum quo
dammodo solitaria dici possuntl verbi gratia pronuntiato nomine quod est „terra“,
solius est terrae quod auditun item audito eo quod est „panis“ ad plura non erit
ezeurrendumg pronuntiato autem eo quod est „elementum“ ad plura iturg nisi,
unde agasy de terra an de aqua aut ceteris, delermines, et sicut terrae adhibetur
nomen hoc „lerm“, quo discernatur ab aliis, ita nelementumti Ebend. p. 75.:
qui dicit upanis altaris solummodo est corpus ('hrisü“, panem in altari esse non
neyut, panem et vinum esse con/irmat in mensa dominica LSolemus enim ali
quas res illarum rerum ex quibus efficiantur nominibus appellarel quamvis in aliam
naturam translatae iam non-possint esse illud, quod sunt res i'llac, u: quibus pro
bantur e/fectae ac per hoc, cum tam diversae naturae sint in utrisque, non
reete quis cristaltum uivem vocaverit nisi eo locutionis mado, quo res effecta ma
teriali solet nomine appellari. Ebend. p. 79.: Ouando enim sit aliquid non per
generationem subiecti de aliquo. non per corruptionem subiectil swul dc auro annu
lusl de aere conchal de marmore piral de arbore paries arcus et Ialmla, iure ma
formam suam.
307) Ebend. p. 67.: lium enim dicitur upanis et vinum sacramento sunt“,
minime panis aufertur et uinum et nominibus rerum ita natarum signi/icativis apta
tur namen, quod non nata sunt ut „esl sacramentuva simul etiam esse aliud
aliquid minime prohibentur. Ebend. p. 81.: omne enim quod est aliud, est in eo
quod aliquid ext, nec potest res ulta aliquid esse, si desinat ipsum esse,- el ne
obscuruml quod dico, remuneat, dicat aliquis ‚.Socrnles esty Socrates iustus 0st";
nullo modo Socratcs iustus eritl si Socratem esse non contingeret. Ebend. p._ 84.:
__‚—.‚_— __‚._
- Xlll. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus. '75
Lanfrancus hingegen, welcher gelegentlich auch zu einer elenden t
Sophisterei seine Zuflucht nimmtaos), steht überhaupt auf dem Stand
punkte, dass Auctoritäten mehr gelten als-dialektische Gründe 309), und
ihm sowie seinen Anhängern musste natürlich eine nominalistische Werth
schätzung der Dialektik verwerflich erscheinen; kurz ein richtiger In
stinct leitete die Gegner eines selbstständigen Auftretens der Logik,
wenn sie die dem Scotus Erigena zugeschriebene Ansicht über das
Abendmahl in eine innere Verbindung mit dem wirklichen logischen
Momente der Philosophie des Scotus brachten, und die Verurtheilung
der Abendmahlslehre des Berengarius enthielt zugleich eine Verurthei
lung jener Logik in sich, welche auf die subjective Kraft des mensch
lichen Denkens sich stützend in den menschlichen Sprachausdrücken den
festen Gehalt begritl'licher Allgemeinheit erblicken konnte.
Erklärlich aber ist es, dass eben hiedurch die lediglich formelle
Frage wieder stärker angeregt wurde, d. h. dass über die Auffassung
der Logik selbst und namentlich über die Begriffsbildung jene Ver
schiedenheit der Ansichten, welche auf Grund des überlieferten Schul
materiales schon viel früher zu Tage getreten war, jetzt zum offenen
Streite aufflammte, wobei mit dem entschiedneren Bewusstsein einer
Parteistellung die beiderseitigen Behauptungen durch Herbeischall‘ung von
Gründen gestützt werden sollten. Nemlich auch die Realisten nahmen
Si propositioni illi quae dicit „hic panis est meum corpusul ubi subiectus terminus
qui est „panis“ propria non potest locutione non expendi, stupcnda in tua erudi
tionc cecordia panem deperisse contenda-is sensualeni. Ebend. p. 87.: libi panem
qui proprie panis appellctur, corpus etiam Christi, sed tropica locutionej quantum 1
ad eam propositionan quae enuntiat ppanis altaris post consecrationem est corpus j
Christi“ nulla falsitatc dissimulat appellari Ebend. p 107.: Repetito'dico: qui
cunque negat. post consecrationem superesse panem ct uinuni in mensa dominiert, et
tamen nobis harum quamcunque concedit enunliulionum, ipse se subvertitl ipse sibi
necessario contrarius existit Die praciseste Formulirung ebend. p. sua libi ego
scripsi „non enim constare poterit affirmatio omnis parte subrutau etc.
308) Nemlich in Bezug auf das so eben zuletzt Angeführte sagt Lonfr. d. corp.
et sangu. dem. c. 7., Opp. ed. Giles, ll, p. 161.: Adhuc alio argumenta probare
contendis dicens unon enim constare poterit afprmatio omnis parte summa"..
Ad cuius rei probationem non oportuit inferri particularem negationenn qua de prae
senti quaestione niliil colligiturl sed universalem potiusl per quam enuntiatur nnulla
affirmatio constare poterit parte subruta“. Age enim. particularis sit negotio lua
„mm omnis affirmatio constare poterit parte subrutaft rursus assumptio tua uponis
et uinum altaris solummodo sunt sacramentum vel panis et vinum altaris solummodo
sunt uerum cliristi corpus et sanguiss — utrumque affirmatio csl“; his duabus
pariicularibus praecedentibus poterisne regulariter concluderel parte subruta eo non
posse censtareP Abxit; in nulla quippe syllogismorum figura praecedentibus duobus
particularibus consequenter infcrtur conclusio ullog male igitur eam collocasti. D.
h. Lanfrancns verdreht den Satz des Berengarius. welcher doch den Sinn hat:
„Nicht kann die Bejahung in ihrer Totalitat bestehen, wenn ein Theil aufgehoben ‚
ist“ derartig, als habe onmis die Bedeutung „Jeder“, und als wäre hiemit der
Sinn „Nicht jede Bejahung kann bestehen u. s. L“; die zweite Sophistcrei, das
Urtheil „ulrumque a/firmalio es!“ ein particulares zu nennen, hatte sich Lanfr. so
gar ersparen können, da bekanntlich der Schlusssatz nicht allgemein sein kann,
wenn auch nur Eine Prämisse particular ist. Vgl. auch Bereng. a. a. O. p. los fl'.
309) Lanfr. a. a. O. p. 160.: Et quidem de mysterio fidei auditurus ac re
sponsurus quae ad rem debeant pertinere mollem audire ac respondere sacros aueto- i
ritotesl quam dialecticas rationes. r
nuu
.l.l
76 XIII. Parteiung. Albericus. Nominalismusa "
ja die übliche Schul-Logik für sich in Anspruch und glaubten, Dialek
tiker nicht bloss sein zu dürfen, sondern auch sein zu müssen; denn
um die volle Tragweite des Realismus überhaupt nur zu erkennen, dazu
war jene Zeit eben zu unphilosophisch; und hätte es damals eine Phi
losophie gegeben, so hätte man nicht gestritten, wie man stritt. Nun
aber hatte man ja Nichts als das überall verbreitete Schulmaterial der
Logik, und das damals noch übermächtige Motiv der blossen Tradition
hinderte auch innerhalb dieses beschränkten Stoffes jeden tieferen selbst
ständigen Blick des Geistes. Dass aher das lyeni'ltzbare Material der
traditionellen Logik auch bei dem nun ausbrechenden Streite noch im
mer nicht jene Gränze überschritten hatte, auf deren Vorhandensein wir
schon so oft ‚hinweisen mussten, d. h. dass man auch gegen Ende des
11. und} zu Anfa‘ng des 12. Jahrh. die Analytiken und die Topik des
Aristoteles noch nicht kannte, und des Boethius Uebersetzung derselben
noch nicht cursirte, _ist uns durch einen jedenfalls bedeutenden Schrift
steller jener Zeit, durch Sigebert von Gemblours, deutlich bezeugt 31o).
in wie weit Albericus von Monte Casino (gest. 1088), welcher
gleichfalls die Lehre des Berengarius bekämpfte, seinen theologischen
Standpunkt etwa auch in seiner Schrift „De dialectica“ beurkundet
habe, wissen wir nicht1 da uns lediglich die Notiz, dass er eine solche
verfasste, überliefert ist; bemerkt mag werden, dass er zugleich auch
zu den Schriftstellern der oben (Anm. 295) erwähnten Formelbücher
Litteratur gehörte 311).
Wohl hingegen zeigt sich uns jene principielle Anschauung, wor
nach man, wie gesagt, 'mit richtigem lnstincte den Nominalismus in
eine Verbindung mit der Lehre des Scotus Erigena brachte, in jener
Stelle eines Chronisten,- welche seit Buläuss“) oft genug angeführt,
„g:
310) Sigebert v. Gemblours (geb. um 1030, gest.1112) schrieb, wie er selbst
sagt, erst am Schlüsse seiner übrigen schriftstellerischen Thätigkeit, also wohl erst
gegen 1100, seine Compilation „De scriptoribus ecclesiasticisul und wenn er auch
planlos hiebei verfuhr (s. Sigfr. Hirsch, l). vita et scriptis Sigiberti Gemblacensis.
Berol. 1841, bes. p. 335.), so darf er uns doch als treuer Spiegel seiner Zeit
gelten. Derselbe sagt nun dort c. 37, b. Fabn'c. Bibl. eccl. p. 97., Folgendes von
Boethius: „Laudent eum secularesr quod lsagogas, quod Perihcrmenias, quod Cathe
gorias transtulerit de graeco in latinum et ezposuerit (die Uebersetznng der Analy
tiken und der Topik ist also nicht erwähnt) .A quod Topica ciceronis exposuerit,
quod Antepraedicarnenta (hierunter kann doch nur wieder die lsagoge velstanden
sein, s. Ahschn. XII, Anm. 85, welche ja Boethius sowohl nach der Uebersetzung
des victorinus als auch nach seiner eigenen bearbeitete, jedenfalls aber ist das
erstmalige Vorkommen dieses Ausdruckes zu bemerken, s. folg. Abschn., Anm.
272.), quod libros de topieis di/ferenliisy de cognatione dialecticae et rhetoricae et
distinctione rhetoricorum locorum (diese letzteren sind natürlich keine eigenen Schrif—
ten, sondern bilden eben den Inhalt von d. di/f. top.), de communi praedicatione
potestatis et possibilitatis (diess kann wohl nur die zwei letzten Bücher des Com—
mentares zu d. interpr. Edil. ii. bedeuten. s. Boeth. p. 414.), de categoricis et
hypotheticis sgllogismis libros, el alia multa (d. h. 1ntrod. ad eat. syll., D. divis.,
D. defin.) scripserit etc.
am Petr. biac. Ghron. Casin. lll, 35. b. Putz, Man. IX, p. neq Per idem
tempus Allrericus diaconus vir disertissimus ac eruditissimus ad hunc locum habita
turus advenit . . . . .. composuit librum dictaminum et salutationum . . . . .. librum
de di3al1e2c)ticBiLuluw, Hist. univ. Paris. l, p. 443.: Nominalium princeps et antesignanus
XIII. Roscellinus. Robert. Arnulph. 77
aber nicht immer richtig verstanden wurde. Wenn nemlich dort ge
sagt wird. zu den einflussreichen Dialektikern gehöre Johannes, wel
cher gelehrt habe, dass die Logik Sache des Wortausdrueltes (vocala's)
sei, und demselben seien hierin Roscellinus von Compiegne, Bo
bert von Paris, und Arnulph von Laon gefolgt, welche selbst wieder
von vielen Schülern gehört worden seien, so passt jene Bezeichnung,
wie wir oben (Anm. 110—124) zu entwickeln versuchten, vortrefflich
für das dialektische Princip des Johannes Scotus Erigena, und wir
werden alle anderweitigen haltlosen Vermuthnngen, wer jener Johannes
gewesen sei, gerne bei Seite lassenali‘). Von den anderen dreien,
welche als Vertreter jener Richtung genannt sind, bleiben uns Robert
'und Arnulph ganz im Dunkeln; einiges Wenige hingegen wissen wir
von Roscellinus.
Das Missliche ist, dass wir über Boscellinus, dessen Thatigkeit
den zwei letzten Jahrzehnten des 11. Jahrh. angehört, nur durch seine
Gegner unterrichtet Sims“), und da auch bei ihm die logische Auf
ioannes quidam cognomento Sophisla, de quo sic Auctor historiae a Boberto rege
ad mortem Phitippi primis „In dialectica lii potentes exstiterunt sophistaes ioannes
qui eandem artem sophisticam vocalem esse disseruiu Roberta: Parisiacensi:‚ Hoce
linus Compendiensis, Amulphus Landunensis; hi ioannis fuerunt sectatorcsl qui
etiam quamplures habuerant auditoresfi
313) Haurflm, De la phil. acolaat. l, p. 174. gibt jenen Worten ihre richtige
Beziehung auf Scotus Erigena. -
314) In neuerer Zeit wohl hat Schmeller aus einer Münchner Handschrift
(Cod. tat. 4643.) einen Brief veröffentlicht (Abhdl. d. philos.—philol. Cl. d. lt. bay,
Akad. d. W. V, 3, p. 189 11.), in welchem er ein Sendschreiben des Roscellinus
an Abalard erkannte; doch gibt auch diese einzige Schrift Rosc.’s‚ welche wir
besitzen, betreth der Logik keinen Aufschluss. Wohl aber ist sie biographisch
von grüsster Wichtigkeit, denn indem sowohl einerseits auf den ersten ‘Blick klar
ist, dass Ahülard der Adressat sei (die Entmannung desselben und das Verhaltnias
zu Heloise sind erwähnt p. 194. u. 210.), als auch andrerseits unzweifelhaft er
hellt, dass Niemand anderer als Itoscellinus der Verfasser sein könne (denn jene
Vorwürfe, gegen welche p. ms f. eine Vertheidigung geführt wird, sind dieselben,
welche enderwärts z. B. in Atmet. Epist. 21. gegen Rosccllinns geschleudert wer
den, und ausser den Beziehungen auf das unsittliche Leben derKleriker, p. 197.,
bildet der sog. Tritheismus gerade den Hauptinhalt des Briefes p. 199 (II), so er
sehen wir nun, dass Boscellinus, welcher in Soissons und Rheims seine Studien
gemacht hatte, hierauf in Tonrs und in Locmenach (bei Vaunes in der Bretagne)
docirte, wobei der noch sehr junge Abälard sich unter seinen Schülern befand,
und dass später Hose. als Canonicus in Besancon lebte (p. 193.: bene/ict'orum quae
tibi tot et tanta a puero usque ad iuvenem sub magistri nomine et actu ezllibui
oblitus p. 195.: testimonio Suessionensis et kemensis ecclesiae sub quibus
natus et educatus et edoctus sum camprobabo Neque vero turonensis ecclesia
uel Lacensisl ubi ad pedes meos magistri tui discipulorum minimus tam diu rese
distt', aut ltizuntina ecclesiay in quibus canonicus suntv extra mundum sunt).
Hiernach bestatigt sich die Angabe Otto's v. I-‘reising (s. d. folg. Anm. 316.), und
wir wissen nun, wo Abtilard studirt habe, ehe er nach Paris kam (Abart. hist.
culam. c. 1.: Pruinde diversas disputando perambulans provincius, ubicunque huius
artis vigere studium audieraml peripateticorum aemulator factus sum; perveni tan
dem Parisios etc.)‚ sowie auch erhellt, dass es nur als Uebertreibung auf Bech
uung des odium tbeologicum zu setzen sei, wenn gesagt wurde, Boscelliuus sei aus
Frankreich und England vertrieben worden (Abuct. Epist. 21.: ab utroque regno in
quo canoersalus ext, tam Anglorum scilicet quam francorum-. cum summo dedecore
ezpulsus est. Roscelt. Epist. p. 194.: quod summa haeresi convictus et iri/amis
iam toto mundo cxpulaus sim).
78 Xlll. Roscellinus.
fassung auf das theologische Gebiet (bekanntlich in dem so“. Tritheis
mus) hinüberspielte, so ist es erklarlich, dass Ton und Färbung jener
etlichen Notizen durch dogmatischen Fanatismus bedingt sind; denn auch
Boscellinus gehört zu denjenigen, welche dem Glauben nur dann eine
Berechtigung zugestehen, wenn derselbe sich durch Gründe vertlieidigen
lasseau’). Zunächst trell‘en wir nur die unbestimmt allgemeine Angabe,
dass Bescellinus die nominalistische Ansicht in der Logik zur Geltung
gebracht habeßlö), und zwar wird diess als eine Neuerung bezeichnet,
und an das Auftreten des Roscellinus die Entstehung einer „neuen“
Gattung der Logik neben der bisherigen „alten“ (s. unten Anm. 326)
geknüpft, wobei jene Neuerer nicht auf die Wissenschaft der Dinge,
sondern auf Geltendmachung der Worte und Begriffe ausgegangen
seienan). Etwas eingehender ist wohl die Notiz, dass es sich eben
um die Universalien (d. h. die quinque voces und die Kategorien) ge
handelt habe, und dass Roscellinus behauptete, die Worte (voces, s.
unten Anm. 324 f.) selbst seien dasjenige, was man Gattung und Art
nenneals). Aber wenn Anselmussm), welcher in seiner Orthodoxe
..P—‚_—» ‚7'
315) Anselm. d. fide trin. c. 3, Opp. ed. cerberon p. 43.: tlicitl sicut audio.
ille qui tres personas dicitur asserere esse uelut tres angelos aut tres intimes, „Pa
gani defendant legem suamp ludaei defendant legem suam. ergo et nos christiani
debemus defendere fidem nostramu (man beachte fur jene Zeit die äusserst vernnnf
tige Liberalität, auch den Juden und Heiden die dialektische Begründung ihres
Glaubens zuzugestelien).
316) otto Fris. d. gcsl. Frid. 1„ 47. (ed. Urslis. Francf. 1585, p. 433.):
Petrus iste (so. Abaelardus) habuit primo praeceptorem ltozelinum quendaml qui
primus nostris temporibus in logica sententiam vocum instituitl et post ad gravissi
mos viros Ansetmum Lauduncnsem, Guilelmum Campellensem Cataulam' episcopum
migrans ipsorumque dictorum pondus tanquam subtilitatis acumine vacuum indicans
non diu sustinuitg inde magistrum induens Parisios venit (s. folg. Abschms
Anm. 258.).
317) Aventin. Arm. Boior. Vl. (elf. Cisncr, 1615, p. 383.): llisee quoque tem
poribus fuisse reperio ltucelinum ltrilannumv magistrum Petri Abaulardi, novi lycaei
conditoremr qui primus scientiam (zu lesen senlcnliam) vocum sive dictionum in
stituitl novam philosopbandi viam invenitg eo namquerautorc duo Aristotelicorumy
Peripateticorum. genera esse coeperuntj unum illud vetus tocuptes in rebui procre
undis, quod scientiam rerum sibi vindicetl quamobrem realcs vocanturg alterum
nonumy quod cam distrahiL nominales ideo nuncupatia quod avari rerum prodigi
nominum atque nationum verborum videntur esse assertores.
318) Joann. Saresb. Melalog. ll, 17. (Opp. ed. Gilt", V, p. 90.): Naluram
tamen universalium hic omnes expediunt et altissimum negotium et maioris inquisi
tionis contra mentem auctoris explicare nitunturg alius ergo consistit in vocibusl
licet haec opinio cum Rocelino suo fere omnino iam evanuegilg alius sermones (s.
unten Anm. 324.) iatuelur et ad illos detorquet quidquid alicubi de universalibus
meminit scriptumg in hoc autem opinione dizpreltensus est Peripateticus llalatinus
Abuelardus nosterl qui multos reliquit et adhuc quidem aliquos habet professionis
huius sectatorcs. Ebend. Polycl'. VII, 12., Opp. lv, p. 127.: fuerunt et qui voces
ipsas genera dicerent esse et speciesg sed eorum iam catplosa sententia est et facile
cum autore sua evanuit (s. Anm. 325.). ‘
319) AnselnL d. f. Irin. c. 2. Ed. Gerberon p. se f.: llli utique nostri tem
poris diatectiril immo diatcctieae haereticil qui nonnisi flatum vocis putant esse
universale: sztbslaulius, et qui colorem non aliud queunt intelligere quam corpus nec
sapientiam hominis aliud quam animaml prorsus a spiritualium quaestionum dispu
tatione sunt exsu/flatuit ln eorum quippe animabus ratio, quae et princeps et
iudeai omnium debet esse quae sunt in homiue, sic est in imaginationibus corpora
XIII. Roscellinus. 79
manie den köstlichen Ausdruck „Ketzer der Dialektik“ erfand und gegen
Roscellinus anwendete, in blinder Leidensclial‘tlicllkeit oder böswilliger
Uehertreibung sagt, nach‘jener Ansicht seien die allgemeinen Substanzen
Nichts weiter als ein Wort-Hauch (flalus vocis), so werden wir wohl
auch die übrigen Angaben des spiritualistischen Eiferers nur mit Vor
sicht aufnehmen dürfen, zumal da er nach den eigenen Erzeugnissen
seiner Dialektik, wie wir sehen werden, in logischen Fragen kaum
als nrtheilsfahig gelten kann; so ist es ja auch nur ein Ausdruck des
schrofl‘sten Parteihasses, wenn er den Anhängern Roscellin’s verwirft,
dass sie die Vernunft den körperlichen Einbildungen (comoralibus ima
ginalionibus) preisgeben, denn holl'entlich erhebt sich die Einsicht in
den begrifflichen allgemeinen Gehalt der Worte gerade am meisten über
die sensua‘le Zufälligkeit und bahnt allein den Weg zu einem wirklichen
selbsterrungenen Wissen, während zu einer spirilualistischen Ontologie
vielfach eine mil dem Sensualen verflochtene Einbildungskral't erforder
lich ist. Und abgesehen von dem lächerlichen Vorwurfe, dass Iloscel
linus nicht verstehe, wie die Vielheit der Individuen im Arlbegrill'e eine
Einheit sei (denn das ist es ja eben, was Boscellinus einsah, dass nem
lich die Einheit in dem den Begriil‘ aussprechenden Worte liege), wer
den wir die weiteren Bemerkungen, dass Boscellinus die Farbe eines
Dinges mit dem Dinge selbst und die Eigenschaften ‚mit ihren Trägern
verwechsle, sowie dass er nicht einselie, wie z. B. „Mensch“ etwas
Anderes sei als der einzelne Mensch, nun wohl füglich auf den wahren
Sachverhalt zurückführen müssen; denn Ersteres kann doch nur den
Sinn haben, dass nach des Iloscellinus Ansieht der Begrill' einer Qualität
als Begrill‘ ebensosehr Allgemeinheit enthalte, wie der Begriff einer Suh
stanz als Begriff, und Letzteres enthält, wenn wir die geliässige Wen
dung des Berichterstatters abstreifen, den einfachen Grundsatz_.d_es N0
minalismus, dass objectiv im concreten Sein überall nur Individuelles
exislirt, die Art- und Gattungshegrifl'e aber nur subjeeliv iu den mensch
lichen Worten vorliegen, kurz dass objectiv die Universalien keine vom
Individuellen getrennte Existenz haben. Dass hiernach die Trinitat als
objertivcs Wesen Gottes gleichfalls aus drei Individuen bestehen müsse 32°),
liegt in der Consequenz dieser logischen Ansicht, und es war hiedurch
in ähnlicher Weise wie bei Berengarius die Theologie in den logischen
Parteistreit verflochten. Boscellinus aber scheint überhaupt sehr folge
libus olnzoluml ut ex eis se nen possit evolven- m-c ob ipsis ea, quae ipso sola et
pura contemplari debel, valeat diseernere. Oui enim nondum intelligitl quomodo
plures homines in spccie sint anus, qualiter in illa socrctissimo et altissima natura
comprehendet, quomodo plura personae sint imus dcus? EI cuius mens obscura
est ad discernendum inter equum suum et colorem eins, qualiter discernet inter unum
deum et plures rclationes eins? Dem'que qui non potest intelligerel aliquid esse
hominem nisi individunm, nullatenus intelligat hominem nisi humanem personam,‘
omnis enim individuus homo persona ext; quomodo ergo iste intelliget hominem
ussumptum esse a verbo etc.
am Ebend. Episl. II, 4l, p. 357.: quia lioscoliims clericus dicitl in deo tres
personas esse tres ob invicem separates, sicut sunt tros angeli, ita tamen ut uno
sit voluntas et polestas, aut patrem et spiritum sanctum esse iacamatum. et tm
deus oere posse diri, si usus admittereL
so an Boscellinns.
richtig seinen Standpunkt nachallen Seiten durchgeführt zu haben, denn
ausserdem wäre es schwer erklärlich, wie in den spärlichen Mitthei
lungen, welche wir über ihn haben, wieder irgend ein vereinzelter
Punkt uns völlig auf das gleiche Princip zurückweise; nemlich bei dem
Theilbegrilfe, dessen Erörterung Boethius schon in die lsagoge und in
die Kategorienlehre verwoben hatte (s. Abschn. XII, Anm. 92 u. 96),
ist dem Boscellinus gleichfalls das subjective Moment das Entscheidende;
denn der Sinn der hierauf bezüglichen Notiz 321) ist folgender: Soll z.
B. das Dach als Theil des Hauses betrachtet werden, so ist zu erwägen,
dass objectiv als Ding das Dach völlig unselbstständig ist, da in objectiv
dinglicher Beziehung es eben nur ein Haus-Dach und ebenso nur ein
mit einem Dache versehenes Haus (falls es nemlich ein wirkliches Haus
sein soll) geben kann; wäre daher das Dach objectiv ein' Theil des
Hauses, so wäre es ein Theil des objectiv untreunbaren Ganzen und
hiemit zufolge dieser Untrennbarkeit zuletzt auch ein Theil seiner selbst,
d. h. objectiv dinglich führt der 'l'heilbegrill' zu Widersprüchen, und
das Richtige _ist, dass das Dach lediglich durch unsere begrill'shaltigen
Worte als „Theil“ bezeichnet wird, also der Theilbegrill‘ als solcher
dem subjectiven Worlausdrucke anheimfällt; auf gleiche Weise verhält
es sich auch mit der Priorität des Theiles gegenüber dem Ganzen, denn
in objectiver Beziehung als Ding kann das Dach nicht früher sein, als
die objectiv untrennbare Verbindung seiner selbst mit Anderem, da es
dann gleichfalls wegen der Untrennbarkeit sich ergäbe, dass das Dach
früher als es selbst wäre, so dass hiemit auch die Priorität des Theil
begrilfes nur im subjectiven Denken liegt. Sowie auch diese Ansicht
Boscellin’s von den Gegnern böswillig verzerrt wurde 3'22), so wendete
derselbe sie andrerseits witzig gegen den verstümmelten Abälard an,
wobei consequent auch der Begrilf des Ganzen dem subjectiven Denk
acte zugewiesen wird, da bei Aenderung des objectiven Bestandes einer
untrennbaren Verbindung sofort die begrill'smässige Wortbezeichnung,
welche dann den subjectiven Gedanken eines Ganzen nicht mehr fest
san AbacL d. divis. e! rie/im p. 471. (ed. Cousin): fuit aulcm, memini,
mugistn nostri Roscellini tam insana sententiay ut nullum rem pur-tibus constare
reflel, sed sicut solis vocibus species ita et partus adscribebul. Si quis autem rem
illum, quae domus 8st, rebus aliisy pariele scilicet e! fundanmntop constare diceret
(es ist diess das bei Boethius, z. B. p. 52 f. u. p. 646., übliche Beispiel der Thei
lung), tali ipsum argumentatione impugnabal: Si res illa, quae est paries, rei i!—
!!us, quae domux ext, paries sil, cum ipso domus nihil aliud sit quam ipse paries
et tertum et fundamentumj pro/octo parics sut' ipsius e! ceterorum pars cm,- o!
vero quomodo sui ipsius pars fueriI? Amplius, omnis purs nono-aliter prior es!
toto suo; quomodo autem partes prior se et uliis dicetur, cum se nullo modo
prior sil?
322) Abacl. Epist. 21. (Opp. ed. Amboes. p. 335.): Hie sivu! pseudo-diolecticus
im e! pseudo-ohrisüanur, cum in dialectico sua nullam rem partes habere aeslimal,
ita divinam paginam inepudentqr pervertit, ut ea loco quo dicitur dominus partem
piscis assi comcdisse, partem huius vocisy quae est piscis assi, mm partem rei in
telligere cogatur. (0b dieser Brief von Abalard oder, wie Bulaus meint, von einem
Anderen um d. J. 1095 verfasst sei, ist bezüglich dieser Stelle gleichgültig; übri
gens scheint das oben, Anm. 314., Gesagte für die Autorschaft Abalards zu
sprechen.)
Xlll. Roscellinns. Raimhert. 81
zuhalten vermag, durch eine anderweitige Bezeichnung ersetzt werden
mussan).
Dass übrigens der Standpunkt des Bascellinus wesentlich kein neuer
war, zeigt die Vergleichung mit Obigeni (Anm. 124, 151, 159, 242,
253, 276, sos f.); nur hatte die Anschauung, dass die Universalien und
die Begriffsbildung Sache der menschlichen Worte seien, seit dem Auf
treten des Berengarius eine grössere Behutsamkeit und schärfere Be
kämpfung seitens der Orthodoxie hervorgerufen. Hingegen bleibt Ein
Punkt, und zwar vielleicht der wichtigste, in Folge des Mangels an
Quellen uns völlig im Unklaren; es wird nemlich in der oben, Anm.
318, angeführten Stelle des Johannes v. Salesbury ein scharfer Unter
schied gemacht zwischen‘denjenigen, welche die Universalien in die
„vom“ verlegten, und jenen, welche sie auf die „sermones“ bezogen,
woran sich die Angabe knüpft, dass zu den Letzteren Abalard gehört
habe. im Hinblicke nun auf die grammatische Bedeutung der Worte
von: und sermo und in vorläufiger Bezugnahme auf dasjenige, was unten
(folg. Abschn., Anm. 308 fl‘.) bei Abalard zu erörtern sein wird, müssen
wir allerdings vermuthen, dass ltoscellinus einseitig nur den isolirten
Begriff ins Auge gefasst und hiemit ohne Rücksicht auf die Satzverbin
dung die Worte als fertige Begrill‘e betrachtet habefm“); aber ob er
die Lehre vom Urtheile bloss vernachlässigt oder etwa die Bedeutung
des Urtheiles sogar direct bestritten habe, oder wie er bei Begründung
einer solchen Durchführung des Nominalismus verfahren sei, wissen wir
nicht325).
Eben für jene Zeit aber, in welcher Roscellinus aufgetreten war,
besitzen wir eine höchst charakteristische Notiz bezüglich des logischen .u
Parteikampfes 326). Es docirte nemlich ein gewisser Baimhert in
m
"i
323) lioscelL Epist. (s. Anm. 314.) p. 210.: Sed forte Petrum _te appellari
posse ez consuetudine mentiris ,' certus sum auteml quod masculini generis nomen,
si a sua genere deciderity rem sotitam signipcare recusabitg solent enim nomina
propria signiticationem amittere, cum eorum signi/ieata contigerit a sua perfectione
recedere; neque enim ablata lecto vel pariete domus, sed imperfecta domus voca
biturg sublata igitur parte, quae hominem facili non Petrus, sed imperfeelus Pe
trus appellandus es.
324) Unter den älteren Nominalisten dürften sonach dem Boscellinus vermöge
einer einseitigeren Betonung der vox naher stehen jener Pseudo—Hrabanus (Anm.
151.), Jepa (Anm. 159. , der Anonymus Cousin’s (Anm. 242.). und der St. Galler
Anonymus D. interpr. ( nm. 253.), sowie theilweise selbst Scutns Erigena (Anm.
124.); hingegen waren durch Beachtung des sermo und des prttdicetiven Verhalt—
nisses mehr mit Abalard verwandt Eric (Anm. 159.), der St. Galler Anonymus D.
syltog. (Anm. 276.) und Bcrengnrius (Anm. 305.),
325) Möglicher Weise konnte, falls Roscellinns diese einseitige Wendung des
Nominalismns wirklich durch Gründe gestützt hätte, obige (Anm 316.) Ausdrucks
weise Otto’s (primus instituit sententiam rocum) wörtlich genommen werden; jeden
falls aber geht aus 10h. v. Salesh. (Anm. 318.) hervor, dass die Anhänger des
Nominalismus diesen verengten Standpunkt bald verliessen; nur darf man nicht,
— wie schon geschah —‚ sich 'so ausdrücken, dass Job. v. Salesb. den Nomina—
lismus überhaupt bereits für erloschen erkläre; s folg. Abschn ‚ Anm. 76 ii.
326) Hcrimann. Narr. Restaur. Abb. S. Mart. famae bei D’Achery SpiciL ed.
lte la Barre ii. p. 889.: .lam vero si scholae appropriares1 cer-nares magistrum Odo
nem nunc quidem Peripateticorum more cum discipulis docendo deambulanternl nunc
vero Stoicorum instar residentem et diversas quaestiones soli-cutem Sed tum
PUMP, Gesch. ii. . 6
f!
_‚w
82 XIII. Baimbert. Otto v. Cambray.
Lille, sowie „sehr viele Andere“, die Dialektik nach der „modernen“
nominalistisehen Auffassung (in vone), und dieselben nebst ihren An
hängern bethätigten sich in feindseliger Rivalität gegen Otto (nachmals
seit d. ‚l. 1106 Bischof von Cauibray), welcher i. J. 1092 das Kloster
St. Martin in Tournay widerhergestellt hatte und dort Logik nach „altem“
Stile realistisch (in re) lehrte. Da nun Manche durch den Reiz der
Neuheit sich zu Baimbert hingezogen fühlten, zugleich aber bei dem
gegenseitigen Abwägen der Vorzüge beider Schulen kein ganz entschie
denes Resultat erzielt zu werden schien, so wendete Slch Einer der
Kanoniker in Tournay an einen damals berühmten Wahrsager, welcher,
obwohl taubstunim, die an ihn gerichtete Frage sogleich verstand und
durch Zeichensprache sich‚‘-—- Wie man nicht anders erwarten darf
—‚ unbedingt l'iir die Dichtigkeit und \’orlrelfliclikeit der realistischen
Schule Otto‘s erklärte. Wenn übrigens der Berichterstatter (Abt Her
mann in Tournay in d. ersten Hälfte d. 12. Jahrh.), welcher sich na
türlich gleichfalls als einen orthodoxen Feind der windigen Geschwälzig
keit des Nominalismus bekennt, zugleich logische Schriften Otto’s er
wähnt, so müssen wir den Verlust derselben allerdings bedauern; bloss
vermuthen lässt sich, dass der „Liber complexionum“ vielleicht nur aus
omnium septem liber-alium artium esset peritusbpraecipue tamen in dialectica emi
neluzt, et pro ipsa maxime ctericorum frequentia eum expetebaL Scripsit etiam de
ea duos tibellosy quarum priorem ad cognoscenda deuitandaque sopliismata valde
utilem intitutavit „Sophistem“, ulterum vero appellavit „Librum complezionum“;
tertium quoque „De re ct enteu composuitq in quo solvil, si unum idemque sit res
et ens. in his tribus libellis non se Odonem, sed, sicut tunc ab omnibus voca
batnr, nominabat Odrtrdum. Sciendum tamen de eodem magistro, quod eandem dia
lecticam non iuxta quosdam modernes (diese ist die älteste Stelle, in welcher die
Nominelistt-n als modcrni bezeichnet werden, s. hingegen folg. Abschn. Anm. 55.)
in voce, sed more Boethit' antiquorumque doctorum in re discipulis legebat (also im
Gegensatze gegen die angebliche Neuerung werden Boethius und Porpliyrius als
Realisten antiqui genannt, vgl‚ ob. Anm. 317.). unde et magister RaimIn-rtus, qui
eodem tempore in oppido lnsulensi dialecticam clericis suis in voce legebatl sed et
alii quamplurcs magistri ei non parum invidebant cl detrahebant suosque lectiones
ipsius meliores esse dicebant, quamobrem nonnulli ex etei-icis contur-tiam cui magis
crederent, liaesitabanl‚ quoniam magistrum odardum ab antiquorum doctrina non
discrepare videbant et tamen aliqui ex er's, more Atlteniensium aut discere aut audire
aliquid novi semper humana curiositate studentesl alius potius laudabanu maxime
quia eorum lactioncs ad exercitium disputandi vel ctoquentiae, imo lvquacitatis el
facumiiae, plus valere dicebant (Einige demnach wünschten mit dem rechtglaubigen
Realismus dennoch die formelle Virtuosität der eigentlichen Logiker, d. b. der
Nominalistcn verbinden zu können). lliius itaque ex eiusdem ecclesiae canonicisy
nomine aualticrtus tanta sententiarum errantiumque clericorum varietate permo
tus quendam pgtlionicnm (d. h. einen Wahrsager) surdum et mutum in eadem urbe
divinamli fumosissimum adiit et, cui magistrorum magis esset credendum digitorurn
signis et nutibus inquirere coepiL Protinus illc. mirabile dictu, quaestioncm illius
intellexit dexteramquc manum per sinistrae palmam instar aratri terram scindentis
perire/tens digitumque versus magistri orionis scholam protendens siynificabatl doctri
nam eius esse rectissimamg rursus vero digitum contra lnsulense oppidum proten
dens manuque ori admota exsul/laris innuebaty magistri llaimbcrli lectionem nonnisi
verbosam esse loquacitatem Hacr dixerim non quo pythonicos consulendos ar
bitrerl sed ad redargucndum quorundam superborum nimium praesumptiuneml qui
nihil aliud quaerentes nisi ut dicantur sapientesl in Porphyrii Aristotelisque libris
magis volunt legi suam adventiciam novitatemvl quam lioetliii ceterorumque antiquo
rum exposihonem. ,
. dlis—
äl
X111. Otto‘ v. Garnhray. Wilhelm v. Hirschau. 83
„2.
Boethius (d. syll. categ., s. Abschn. Xll. Anm. 131 11‘.) entnommen war,
sowie dass der „Sophistes“ e‘twa den theologischen Streitigkeiten näher
gelegen gewesensei oder möglicher Weise selbst nur die Angaben des
Cassrodorus (Abschn. X11, Anm. 182) wiederholt habe; hingegen wich
tiger könnte die Schritt „De re et erde“ gewesen sein, denn die Frage,
ob res und ens das Nemliche seien, war dort sicher im Sinne des
Realismus beantwortet, selbst wenn auch. — was das Wahrscheinli
chere ist ——, das Ganze sich bloss auf eine vereinzelte Stelle des
Boethius (Abschn. Xll, Anm. 89 f.) bezogen haben sollte. ——- Jedenfalls
aber dürfte anzunehmen sein, dass der damalige Boscellinische Nomina
lismus in einer grösseren Zahl von Schriften, als unsere Quellen durch.
blicken lassen, vertreten gewesen sei; denn wir sind für solch gelegent
liche l|tterarische Notizen ja last ausschliesslich aul' theologische-Autoren
hingewiesen, welche als Gegner einer ihnen verdächtigen Mmorität von
vornherein nicht geneigt waren, von derselben viel zu sprechen, sou
dern lieber mit einem Fulbert (Anm. 237) oder Lanl'rancus (Anm. 309)
in das 1 Verwerfungsurtheil gegen die Dialektik überhaupt einstimmten 327).
Ehe wir uns aber zu Anselmus, dem eigentlichen Hauptgegner
Boscellin's wenden, müssen wir auf den Abt Wilhelm von llirschau
(gest. 1091) hinweisen, welcher bisher in der Geschichte der Philo
sophie wohl mit Unrecht unbeachtet geblieben istum Seine Schrift
„Philosophicarum el astronmnicurum institutionum libri lres“ 3'29) scheint
überwiegend auf arabischen Quellen, und zwar hauptsächlich durch
Vermittlung Constantin's des Karthager’saao), zu beruhen und
327) So sagt z. B. lIildcbert (als Erzbischof von Tours gest. 1136), Smno
69 (Opp. ed. Beulgendre, p. 579 f.): Oui'dam enim in philosophich lacutlatilms .
quandam subtililalem inutile vel iuulililatem subtilen! quaerentes quibusdam minu
tiis verborum in cuvillatione rcspondcnles ulrmlur, quibus in disputatione uli, ossa
Christi est incincrure Elsi enim deus cormarlil nos, artium liberaliurn phanta-v
smalibus im, si in huc scriptura voluerimus similiter sophislice incedere, odibiles
deo en‘mus, strepitum ranarum Acgypli in terram Gerson traducere molientese‘
328) Ueber sein Leben sind wir durch seinen Schüler Haimo (s. Peru, Mon.
XlV, p. 209 11‘.) und einige andere Chronisten (ebend. m p. 281. n. X11, p. 54'.
n. p. G411.) unterrichtet. Er war i. J. mas geboren, wurde i. .1. 1069 Abt in
Hirschen, gierig i. J. 1069 in Angelegenheiten seines Klosters nach Rom, starb i.
J. 1091. Wenn Trithem. (Thron. Ih'rs. (Basil. 1568 [01.) p. 109. ihn in Rom mit
Anselmus zusammentreffen lasst, so ist diess unrichtig, da Letzterer erst i. J.
mss nach Rum kam (s. F. lt. Hasse, Ans. v. Canterb. l, p. 333 111).
329) Gedruckt in Basel b. Ilenr. Petrus, 1531. 4 (77 Seiten enthaltend). Ich
habe über dieses seltene und interessante Buch, namentlich über die von Wilhelm
dabei benutzten Quellen. nähere Untersuchungen angestellt; s. Sitzungsberichte d.
Münchner Akad. 1861, Heft l.
330) Pclr. nam Chrlm. Casin. 111, ea b. Peru, Manum. lX', p. 728.: istius
vero abbatis (d. h. des Desiderius, welcher mss-tom Abt war) tempore Con
stantinus Afrit‘amis ad hunc locum pervenims hic lgilur e (Tari/tugine , de qua
oriundus erot, egrcdiem Babyloniam peh'il, in qua grammaticu, dialectica, geometria,
arithmetica, mat/innatum astronumia, nec non et physica Chuldaeomm, Aralmm,
Persarum, Saracenomm, Acgypliorum ar ludorum plem'ssr'me eruditus esl; complelir
autem in cdiscendis istiusmodi studiis triginta et novem armorum curriculis ad Afri
cum reversus 0st. Eine andere ausführliche Notiz des Petrus Diac. (d.-vir. illustr.
Can'n.) ‚über Constantin's naturwissenschaftliche Schriften s. b. Mumien", Rer. Hol.
srripll. Vl, p. 4er. othr b. Jourduin, Recherche: crila'ques, 2. Aufl. p. 455 f. Abl
et
84 t XIII. Wilhelm v. Hirschau. anili
enthält für unseren hiesigen Zweck, — um abzusehen von allem Natur
philosophischen und Metaphysiscben, was nicht hieher gehört —, Einen
nicht unwichtigen Punkt. Wilhelm nemlich zeigt sich. uns da als der
erste und älteste Autor im mittelalterlichen Ahendlande, welcher einen
syllogistisch formulirteu Beweis für die Existenz Gottes aufstellte 331).
Während aber der theologische oder philosophische Inhalt dieses Be
weises 332) gleichfalls über die uns hier gesteckten Gränzen hinauslällt,
ist es lediglich die formelle Seite, welche wir zu beachten haben.
Dass das ganze Unternehmen, die objective Existenz Gottes beweisen
zu wollen, überhaupt ein verrücktes sei (daher auch Hegel das ontolo
gische Argument eben nur in seiner Eigenschaft als Neuplatoniker wie
deraufnalim), geben alle philosophisch Unbefangenen zu; aber dass in
jenem unklaren und unpliilosophischen Zeitalter ein solcher Versuch
entstehen konnte, ist höchst erklärlich, zumal weil damals als Surrogat
der Philosophie nur ein Bildungskreis vorlag, welcher auf dogmatische
Theologie und eine traditionelle logische Schulgewandtheil beschränkt
war; sobald man daher durch theologische Streitigkeiten sich daran
gewöhnt hatte, diess Beides derartig mit einander zu verbinden, dass
man auch einzelne Bruchtheile des Dogma’s logisch zu begründen ver
suchte (s. ob. Anm. 303), war es nur consequent, mit solcher For
mulirung sofort bei dem obersten Punkte des objectiv dogmatischen
Bekenntnisses zu beginnen. Aber eine wesentliche Bedingung hiezu war
natürlich das Vorhandensein eines logischen Realismus, denn ein Nomi
nalist hatte bei irgend folgerichtigein Denken nie auf den Einfall kom
men können, Gottes objective Existenz mit subjectiv menschlichen Wor
ten zu erweisen (ein Beispiel einer sehr ehrenwerthen Besonnenheit in
dieser Beziehung sahen wir oben, Anm. 272); und dieser Zusammen
hang mit der realistischen Anschauung ist es auch allein, um dessen ,
Wilhelm bcmft sich aul Constantinns mehrmals mil namentlicher Nennung, z. B.
p. 12, 15, 24. ‚
331) Da nemlich Wilhelm mit Anselmus schon um 1078 in Correspondeu:
stand (s. Hasse a. a. O. p. 67., Anm), so hatte er sicher den anselmischen Be
weis berücksichtigt„wenn er die lnstitutiones erst nach 1080 (in welchem Jahre
das anselmiscbe Monologium und Prosloginm bekannt wurden) geschrieben hatte;
auch zeigt sich der Gedankengang und die ganze Anschauung Wilhelm's als durch
aus unberührt von irgend einem Einllnsse durch Ansclm’s Richtung, was nur dann
erklärlich scheint, wenn Wilhelm seine Schrift vor dem litterarischen Auftreten
Anselm’s verfasste. .
332) Er lautet seinem Hauptkorne nach (p. 3 l'.): Et quando diximus in har
vita sciri, deum esse, rationes quibus etiam incredulis hoc probari possity ape
riamus, scilicet per mundi creationem et quotidianam disposilionem. Cum enim
mundus contrariis factus sit elementis . . ...‚ vel casu vel aliquo artifice in compo
sitione mundi illa coniuncta sunt . . . . ..; casu vero coniuncta non sunt .; igitur
aliquo artificc; arti/ez vero ille vel homo vel angelus vel deus fuitg ante vero
mundus factus est quam homo, angelus vero cum mando, ergo solus deus mundum
creiwr't. Per quotidianam vero dispasitionem idem sic probaturq ea quae disponitu
tur, sapienter disponuntun ergo aliqua sapientia sed sapientia illa vel divina
vel angelica .vel humane; humana motum et vitam con/arre non potest angelica
vero sapientia quomodo ipsas angelos disponeretr divina ergo sapientia est, quae
hoc agil,- sed omnis sapientia alicuius est sapientiag est igitur, cuius est illa sa
pientia, seit nec est homo nec angelus, deus ergo est. Roh genug ist allerdings
diese Anwendung der dilemmutiscben Form.
Xlll. Wilhelm v. Hirschau. Anselmus. 85
willen wir diese Beweis-Versuche bei ihrem ersten Auftreten erwähnen,
daher wir auch für alle späteren Entwicklungen, wo der formell logi
sche Parteistandpunkt in den Hintergrund tritt, mit Vergnügem'vdarauf
verzichten, die verschiedenen Wandlungen, welche der outologische
Beweis (z. B. bei Cartesius, Leibnitz, Wolfl‘, Mendelssohn, Baumgarten,
Kant) erfuhr, zu erwähnen. Uebrigens ist es bei Wilhelm von Hirschau
nicht jener uns bisher schon vorgekommene platonische Realismus, auf
welchem seine Beweisführung beruhe, sondern in der Speculationsweise
seiner Quellen ist es offenbar der arabisch-physikalische Realismus, wel- ‘
cher diese Wendung mit sich brachte, denn wir finden schon bei Ara-t
bern des 10. Jahrhundertes in leisen Anfängen den physiko-theologischen'
Beweisi‘”). Doch steht diese Einwirkung arabischer Philosophie noch
schlechthin vereinzelt da und trifft nur vermöge' des realistischen Pla
tqnismus überhaupt mit den entsprechenden occidentalischen Anschau
ungen in diesem Punkte zusammen.‘
Eben aber der ontologische Beweis war es ja, durch welchen
Anselmus von Canterbury (geh.1033, gest. 1109) seinen Ruhm
begründetem"). Anselmus stand, wie sich von einem Schüler Lan
frauc’s nicht anders erwarten lasst, auf dem Standpunkte, dass das
Wissen durch den christlichen Glauben bedingt und beschränkt saß“),
und er findet hiernach dem Denken gegenüber eine unbedingt objective
Realität in geistiger Beziehung bereits als vollendete vor. so dass das
Denken nur entweder an diesem objectiv Realen theilhabeu oder an
demselben nicht theilhaben kann, d. h. Ansclmus ist für die Logik, wie
sich von selbst versteht, Realist. Und der sonderbare Wunsch, unser
Denken zu dieser Theilhaftigkeit in objectivem Sinne unwiderruflich zu
zwingen, d. h. dem menschlichen Denken den Realismus andemonstriren
zu wollen, ist die Grundveranlassung des ontologischen Beweises 336),
an welchem gleichfalls, wie so eben bemerkt wurde, uns hier Nichts
333) S. die in meiner Abhandlung über Wilhelm (a. a. 0. p. eo f.) angeführte
Stelle aus Fr. Dieterici, d. Naturphil. d. Araber i. 10. Jahrh. (Berl. 1861). p. 162.
san Die erschöpfend ausführliche Darstellung des Anselmus, welche F. R.
Hasse (Ans. v. Canterb. Lng. l843—52. 2 Bände) gab, ist von einer durch
gängigen Ueberschützuug der Bedeutung desselben getragen.
335) Epist. ll, 41. (Opp. ed. Gerberon. Paris. 1675), p. 357.: christianus per
fidem debet ad intelli-itum pro/icere, mm per intellectum ad fidem accedere aut. si
intelligere non valel. a fide rccedere; sed cum ad intellectum calct pertingere1 de
lrctaturl cum vero nequil, quod capere non polest, veneralur. -
336) Proslog. c. 2, p. 30.:
tellectu aliquidy quo nihil maius cogitari polest, quia tumv cum auditi intelligit1 et
quidquid intelligi/un in intellectu ext,- et certe i'd, quo maius cogitari nequil, non
potest esse in intellectu solo; si enim vel in solo intellectu ut, potest cogitari esse
et in re; quod maius est; si ergo id quo maius cogitari non polesl, es! in salo
intellectuq id ipsum, quo maius cogitari non polest, ul, quo maius cogitari potestg
sed certe hoc esse non polest; ezistit ergo procul dubio aliquid, quomaius cogitari
non volvl, et in intellectu et in re. Apolog. c. Gaum'l. c. 1, p. 37.: Ego dicoz si
vel cogitari potui esse, necesse est illud esse; nam quo maius cogitari nequitl
non potest cogitari esse nisi sine im'll'o; quidquid autem potest cogitari esse et non
esl, per initium potest cogitari esse; non ergo quo maius cogitari nequitl cogitari
potest esse et non esl; si ergo potest cogitari esse. cz necessitate ests u. s. ‚f. mit
fortlaufender plumper Verwachslung von cogitari und esse.
Conuincilur ergo etiam insipiens esse, uelin in
‘
86 mail-ar xm Gaunilo. Anselmus.
weiteres interessirt. als eben diese formelle Seite. nach welcher er mit
dem Realismus zusammenhängt, denn er zeigt uns nur das Schauspiel
des grössten Selbstwiderspruches, welcher überhaupt möglich ist, indem
ja durch ihn der principiellste Objectivismus als solcher gerade subjectiv
begründet werden soll. Die Widersiunigkeil aber dieses Unternehmens,
welche darin liegt, dass der Realist, welcher das ldeelle von vorne
herein nur als objectives anerkennt, die objective Existenz desselben
erst noch mit subjectiven Mitteln beweisen will, erblickte Gaunilo
(ein Mönch in Mar—Moutiers) ganz richtig, indem er behauptete, der Be
weis gehe ebensosehr auch auf die Existenz einer unbedingt vollkom
menen lnsel337), denn in der That hätte der Realismus durch die nem
liche Formel auch die reale Existenz sämmtlicher platonischer Ideen
beweisen können. Wenn aber Anselmus hierauf erwidert, er habe ja
nicht von der Existenz des Concreten, sondern eben nur vom Unbe
dingten gesprochen 338), so fängt er‘ Sich ncthwendig in seiner eigenen
Schlinge; denn er ist genülhigt, nun dennoch seine Zuflucht zu einem
successiven Aufsteigen zu nehmen, durch welches wir uns von dem
geringeren Bedingteu erst alhnälig im Denken zum Gedanken des unbe
dingten Superlatives erhebeua”), wornach das Sein dieses Unbedingten
natürlich nur ein vom Denken ponirtcs Sein sein kann, während hiemit
hinwiederuni sehr schlecht stimmt, wenn Anselmus andrerseits bei jedem
Gedanken, und zwar ausdrücklich auch bei dem'auf concrete Dinge ge
richteten Denkeu‚ eine bloss nominelle Seite (vorv significans) lind ein
reelles Verstehen (i'd ipsum quod res est) derartig unterscheidet, dass
bei letzterem die Existenz schon involvirt, bei ersterem aber jeder Un
sinn möglich seia‘o); denn wenn die Sache so steht, bedarf es über
337) Liber pro insipiente, c. 6. (Ans. Opp. p. 36.): Aiunt quidam, alicubi
Oceani esse insofern, quam ex dif/icultate vcl potius impossibililale invent'endi, quod
non est, cognominant aliqui perdt'tum, quumqm‘ [almlanlur usquequaque praestare. ilac ita esse dicat mihi quispiam . unAitverssiistuanlciisuelut
consequenter adiungat ac dicati non potes ultra dubitare. insulam illam omnibus
terris praestantiorem vere esse alicubi in re, quam et in intellectu tuo non ambigis
esse; nam quia praestantius ext, non in intellectu solo sed etiam in re esse, ideo
sic cam necesse est esse, quia, nisi fucrit, quaecunque alia in re est Ierra, pran
stantior illa eril, ac sic ipsa iam a te praectanlior intellectu praestantior non mt,
— si, inquam, per haec ille mihi velit aslvucrc de insula illal quod vere xili
etc. etc.
338) ApoL c. Gaun. c. 3. p. 38.: Sed tali- est, inquis, ac si aliquis insulam
Oceani etc . . . . .. fidens loquort quia si quis invenerit mihi aliquid aut re ipsa
aut sola cogitatione existens, praeter quod maius cogitari non possit, cui optare
valeat connezionein huius meae argumentatianisl inveniam et dabo illi perdilam irv
sulam amplius non perdendum
339) Eb'end. c. 8, p. aou Ouoniam namque omne minus bonum in tantum est
simile maiori bono, in quantum est Immun, patet cuilibet rationali menti1 quia de
minoribus ad maiora conscendenda er Ms, quibus aliquid cogitari polest maius.
multum passnniux conficere illudy quo nihil potest maius cogitari Est igitur
unde possit coniiciy quo maiuc cogitari nequeaL
340) Prosl. c. ii. p. 31.: Aliter enim oogitatur "s, cum vocc eam significans
coyitatur, uliler cum id ipsum quod res est intclligiturg illa itaque modo potest
cogitari deus non esse, isto vero minime; nullus quippe intelligcns id quod sunt
ignis et aqua potest oogiture, ignem esse aquam secundum rem, licet hoc possit
secundum voces; ita igitur nemo intelliycns id quod deus est potest cogitare, quia
Xlll. Anselrnus. 87
a
haupt weder eines Beweises der Existenz, noch eines Aufsteigcns zum
Unhedingten, sondern man braucht dann Nichts weiteres zu thun, als
eben jedwedes nach seiner realen objectiven Seite zu denken. Wohl
weislich geht daher Anselmus auch auf den trcll'endsten Einwand Gau
nilo's init keinem Worte ein, welch Letzterer einen sehr vernünftigen
Nominalismus vertritt, wenn er sagt, dass allerdings die vom allein als
blosse vom, d. h. als lediglicher Buchstaben-Klang, keine Wahrheit ent
halte, dass aber in dem Gebiete des Erfahrungsmässigen, wo die intel
ligihle Bedeutsamkeit des Wortes an Bekanntes angeknüpft und an dem
selben gemessen wird, sehr wohl das objectiv reale Sein in den Worten
gedacht werde, wornach bei demjenigen, was über alle Erfahrung hin
ausliege, es eben bei der significatio perceptae vocis sein Bewenden
haben müsse, welche an sich den objectiv wirklichen Bestand des be
zeichneten llinges nicht enthaltau). D. h. Gaunilo sagt: Wir setzen in
unseren Worten die concrete Erfahrung in Begrill‘e um und besitzen in
den Worten auch die Kraft, über das unmittelbar Wirkliche hinauszu
gehen; sobald aber diess geschieht, befinden wir uns in der Sphäre
des Gedankens allein, aus welchem als einem bloss subjectiven die ob
jective Existenz des Geilachten hervorlocken zu wollen, ein vergebliches
Bemühen ist, denn gerade wenn man auf das cogitari sich wirft, zeigt
sich, dass esse und non esse dem Objcctiven angehören, und hiemitder
ontologische Beweis Nichts beweist, weil er sein eigenes Gebiet über
schreitet und zuviel beweist.
lst hiemit der ontologische Beweis nur dadurch entstanden, dass
Anselmus sich nicht einmal über seinen eigenen realistischen Standpunkt
logisch klar war, so zeigt sich diese nemliche Schwäche auch in jenem
Bekenntnisse des Realismus, welches der „Dialong de veritate“ enthält.
Den schlechthin realistischen Ausdruck „substantiae universales“ sahen
deus non estf licet haec verbadical in corde aut sine ulla aut cum aliqua extranea
significalione.
341) L. pro insip. c. 4, p. 36.: Neque enim aut rem ipsam quae deus est
novi1 neque ipsam possum conficere es: alia simt'lt', quandoquidem et tu talem as
seris illama ut esse non possit simile quidquam Nam si de homine aliquo mihi
prorsus ignotoj quem etiam.esse ncscirem. dici tamen aliquid audiremy per illam
specialem generalemve notitiaml qua quid sit homo vel homines nom', de illo quo
que secundum rem ipsaml quae est homo, cogitare possem; et tamen iieri possel,
ut mentiente ille qui diceret, ipso, quem coyitarem, homo non csset, cum tamen
ego de illa secundum veram nihilominus rem, non quae esset ille homo sed quae
est homo quilibet. cogitarem Nec sic igi'tur, ut haberem falsum istud in eogita
tione vel in intellectuj habere possum illud. cum audio dici „dcus“ aut naliquid
omnibus maius“, cum, quando illud (d. h. jenen Menschen) secundum rem veram
mihique natam cogitare possemv istud (d. h. Gott) omnino ncqueam, nisi tantum
secundum vocßm, secundum quam solam aut viæ aut nunquam potest ullum cogitari
oerumg siquidem cum ita cogitatan non tam ipea voz, quae res est utique um,
hoc est litterarum sonus vel syllabmum, quam vocis auditae significatio cogitetim
Sed non ita ut ab illo qui nooitt qaid ea soleat voce significart', a quo scilicet
cogitatnr secundum rem vel in sola cogitatione vera , verum ut ab eo qui illud non
novit et solummodo rogitat secandum animi motum illius auditu vocis effectum sigmv
fcatiauemque perceptae vocis conantem effingere sibi, quod mirum est si unquam rei
veritate potueriL lla ergo nec prorsus aliter adhuc in intellectu meo constat illud
habert‘, cum audio intelligoque diccnlem, esse aliquid maius omnibus quae valeant
cogituri. Haec de eo, quod summa illa natura iam esse dicitur in intellectu meu.
88 XIII. Anselmus.
‚f
wir schon‘oben (Anm. 319) in der gegen Roscellinus gerichteten Stelle;
aber eben diese Auffassung hindert den Anselmus natürlich an jedem
Verständnisse dessen, was die Form des logischen Urtheiles bedeute,
denn indem er die enuntialio von vorneherein nur als Abklatsch des
objectiven Seins oder Nichlseins betrachten kann, tlieilt er ihr nicht
einmal in dieser Form die Wahrheit zu, sondern verlegt die Wahrheit
ausschliesslich in das Objective, welches nicht einmal in seinem Auftreten
im Urtheile wahr sei, sondern nur die Ursache der Wahrheit des Ur
theiles enthalte 3“); ja er verhöhnt förmlich die Form des Urtheiles,
indem er sagt, dass dasselbe auch dann, wenn es im Widerspruche
mit dem objectiveu Thatbestande stehe, immerhin die Richtigkeit des
blossen Aussagens und Bezeichnens enthalte, während die wahre Rich
tigkeit, d. h. die Wahrheit selbst, eben nur in jener Objectivität liege,
nach welcher in objectivein Sinne zu haschen gleichsam als ethische
Pflicht bezeichnet wird 343), denn da Alles sein Sein nur von der höch
sten Wahrheit empfängt344), gestaltet sich zuletzt das Sein selbst zu
einem Sollen 345). Hiernach ergibt sich wohl ein schlechthin objectiver
einheitlicher Grund der Wahrheit 346)‚ aber je stärker das ausschliess
am lliaL d. oer. c. 2, p. los t.z M. Ouando est euuntiatio vera? D. Ouando__
es!‚ quod enuntiat sive affirmando sive negando; dico enim esse quod enuntiat
etiam quando negat esse quod non ext, quia sic enunh'al, quemadmodum res est.
M. An ergo tibi videtur, quod res emmtiata sit veritas enuntiatiouisP D. Non. M.
Ouare? l). Ouia nihil est verum nisi participando veritatem. et ideo veri veritas
in ipso vero eß; res vero enuntiata non est in cnuntialione vera; unde non eius
veritas, sed causa veritatis eius dicenda est. ‘
343) Ebeud. p. 110.: M. Ergo non es! enuntiationi aliud veritas, quam recti
tudo D. Video quod dicis; sed doce me, quid respondere pessimi si quis di- -
cat. quia etiam cum oratio significat esse quod non estv significat quod debetg pa
riter namque accepit signi/icare esse et quod est et quod non 2st, nam si non
accepisset significare esse etiam quod non esL non id signi/icaretg quare etiam cum
significat esse quod non es!‚ significa! quod debel; .at si quod debet significando
recta et vera est, sicut ostendisli, vera est oratio etiam cum enuntiat esse quod non
ext. M. Vom quidem non solet dici, cum significu! esse quod non est, veritatem
tamen et rectitudinem habet. quia facit quod dcbet. Sed cum signi/icat esse quod
est. dupliciter facit quod debeL quoniam significa! e! quod accepit signi/icare et ad
quod facta est; sed secundum hanc reetitudinem et veritatem. qua significat esse
quod esta usu recta et vera dicitur enuntiatio. non secundum illam . qua significat
esse etiam quod non est Alia est igitur rectitudo et veritas enuntiationis. quia
signihcat ad quod significandam facta est, alia vero quia significat quod accepit
significare; quippe ista immutabilis est ipsi orationia illa vero mutabilis.
344) Ebend. c. 7, p. 112: An putas aliquid esse aliquando aut alicubi. quod
non sit in summa veritate et quod inde non ucccperil, quod est in quantum est,
aut quod possit aliud esse, quam quod ibi csl?
345) Ehend. c. 9, p. 113.: ln rerum quoque existentia est similiter vera uel
falsa signifiralio, quoniam eo ipso quia es!‚ dicit se debere esse. Hiemit hingt
auch zusammen, dass Anselmus das reale Nichtsein oder das seicnde Nichts völlig
mil dem Besen identiiicirt (Epist. II, 8, p. 3431.) und somit im Vergleiche mit
Scotus Erigena (Anm. 133 fl'.) entschiedener den platonischen Realismus bekennt.
aiel Ebend. c. 13, p. 115.: Si rectitudo non est in rebus illisy quae debent
rectitudineml nisi cum sunt secundum quod debent. et hoc solum est illis rectus
esse, manifestum es!‚ earum omnium unam solam esse reetitadinem . . Ouoniam
illa (sc. veritas) non in ipsis rebus aut ex ipsis aut per ipsas, in quibus esse di
eitun habet suum esse, sed cum res ipsae secundum illam sunty quae-semper praesto
est his, quae sunt sicut debents tunc dicitur huius vel illius rei veritas
l.
h.'‘‚
XIII. aAnselinus. 89
lich spiritualistische Erfassen desselben betont wird 3‘"), desto weniger
ist verständlich, wie der logischen Form des Urtheiles noch irgend eine
principielle Function verbleiben solle.
_ Wie wenig durchgebildet aber die Auffassung der Logik überhaupt
bei Anselmus gewesen sei, erhellt am deutlichsten aus der Schrift,
welche den Titel „Dialogus de grammaticou führt348). Dieselbe ist
allerdings nur ein Schul-Exercitium, welches Anselmus, wie er selbst
sagt, nur im Hinblicke auf ‘übliche zahlreiche Erörterungen ähnlicher
Art verfasstea‘m); aber während wir nicht wissen, ob jene anderen
dergleichen Schriften etwa besser gewesen seien, ersehen wir jedenfalls,
- dass die des Anselmus auf einem bedauerlich niedrigen Standpunkte
stehe. Denn sie ist ein l'orlgesetztes verstandloses Spiel mit angelernten
Lehrsätzen aus Boethius und bewegt sich in dem tädiösen Bemühen,
Schwierigkeiten, wo kein vernünftiger Mensch welche finden kann, vor
erst aufzustöbern und dieselben dann in adäquater Weise wieder zu
lösen, —— kurz, sie ist ein ebenso geringfügiges Erzeugniss einer höchst
beschränkten Schulweisheit wie die obige Schrift Gerbert’s, und davon,
dass durch dieselbe das dialektische Studium gefördert worden sei,
kann um so weniger eine Rede sein, als sie sogar bezüglich der logi
schen Parteifrage sich als äusserst stumpf und matt zeigt.
Das Ganze dreht sich um die Frage, ob „grammaticus“ Substanz
oder Qualität sei, da beides zugegeben werden müsse, aber nicht zu
gleich wahr sein könne35o). Die vernünftige Antwort aber, dass nem
am Ebend. c. 11y p. 113.: Nempe nec plus nec minus continet ista dif/i
nitio veritatisv quam azpediatl quoniam nomen rcctitudinis dividit eam ab omni re,
quae rectitudo non vocaturg quod vero sola mente percipi dicitury separat eam a
rectitudine visibili.
348) Auselmus sagt selbst (Prof. ad L. d. uer. p. 109.): edidi tractatam non
inutilenu ut pulo, introducendis ad dicilccticamv cuius initium est „De grammatico”,
und aus einer diess wiederholenden Stelle bei Sigeb. Gembl. d. scr. eccl. c. 168.
(Fabric. Bibl. ercl. p. 114.: scripsit alium librum introducendis ad dialecticam
admodum utilem. cuius initium est „De grammalico") entstand die irrige Meinung,
er habe auch eine eigene „Inlruduclio in dialecticanfr geschrieben.
349) Dial. d. gramm. c. 21, p. 150.: fame-n quoniam sei's, quantum nostris
temporibus dialectici ccrtent de quaestione a te proposital nolo te sic his quae dizi
mus inhaerercy ut ea pertinaciter teneasy si quis validioribus argumentis haec de
struere et diversa valuerit astruereg quod si contigeritl saltem ad- exercitationem
disputandi nobis haec pro/ecisse non negabis.
350) Ebend. c. 1, p. 143.: De grammatico peto ut me certum facias, utrum
sit substantia an qualitas. ut hoc eogm'fo, quid de aliis quae similiter denomina
live dicunlur, sentire debcam, agnosvam. Die Quelle der Frage liegt darin, dass
Boelhius (p. 121.), wo in den Kategorien grummoticus als denominatioum von
grammatica angeführt wird, in der Erklärung den Aristarchus als Beispiel eines
grammaticus nennt, und ausserdem bei der Substanz (p. 134.) grammaticus aus
drücklich bis zu animal zurückgeführt wird, daneben aber (p. 185 f.) bei der Kate
gorie der Qualität grammaticus zum stehenden Beispiele geworden war. Daher
stellt nun Anselmus Folgendes als sich Widersprecbendes nebeneinander: llt quidem
grammaticus probetur esse substantial sui/icit quia onmis grammaticus homol et
omnis homo substantia (vgl. Baefh. ad Porph. p. 631.) . . . . .. Ouod vero granimaticos
sit qualitas. aperte fateatur philosophil qui de hac rc tractarerunh quorum aucto
ritatem de his rebus est impudentia improbare. ltem quoniam necesse estl ut gram
matieus sit aut substantia aut qualitas cum ergo alterum horum ceram sit
alterum falsum, rogo ut falsitatem detegens aperias mihi veritatem
eo XIII. Anselmus.
lich dennoch beides wahr sei, wird auf den verkünsteltsten Umwe
gen herheigeführtai“). Der Annahme nemlich, dass es eine Substanz
darum sei, weil ja der Gramtnatiker ein Mensch, der Mensch aher Sub
stanz ist, tritt zunächst ein verzerrter Syllogismus gegenüber, dessen
Schlusssatz dahin lautet, dass kein Grammatiker ein Mensch seiai’z),
was vorerst dadurch widerlegt wird, dass man auf gleiche Weise auch
beweisen könne, dass kein Mensch ein lebendes Wesen sei353), worauf
erst nachhinkend die Einweisung auf den im Mittelbegritl‘e liegenden
Formfehler jenes Syllogismus'folgt, und die anti-nominalistische Bemer
kung sich anknüpft, dass die Kraft des Schliessens nicht in den aus
gesprochenen Worten, sondern in dem inneren Gedanken liege 35‘).
Das hieraus gewonnene Resultat ahnr, dass Grammatiker und Mensch
nicht identisch sindasi’), wird nun neuerdings syllogistisch dahin ver
zerrt, dass kein Mensch ein Grammatikcr sei, und zwar geschieht auch
diess nur, um mit abermaliger Beiziehung des analogen Schlusses, dass
kein Mensch ein vernünftiges Wesen sei, zur Berichtigung des Mittel
hegrill‘es zu gelangen und hiedurch auf das bereits dagewesene Resultat
zurückzukehren, dass das Wesen des Menschen nicht das Wesen des
Grammatikers sei 35ß). Aber auch diess genügt noch'nicht, sondern
l s
351) Ebend. c. 2.: Argumente, quae ex utraque parte posuisti. necessaria
sunty nisi quod dicisl si altcrum esl, altcrum esse non passe; quare non debes a
me engere, ut alteram partem esse falsum ostendamy quod ab alto fieri non potestg
sed quomodo sibi invicem non repugnenh apen'am, si a me fieri potesL Sed vellem
ego prius a te ipso audirel quid his probationibus tuis obiici posse opineris.
352) Ebend.: Illam quidem propositionem quae dict-ti grammaticum esse ho
mt'ncm, hoc modo repelli ezistimos quia nullus grammaticas potest intelligi sine
grammatical et omnis homo potest intelligi sine grammaticav item omnis grammaticus
suscipit magis et minus (diess aus Hoelli. p. 186.). et nullus homo suscipit magis
et minus, ez utraque contu-tione binarum propositionum amicitur una conclusiol
id ext, nullus grammaticus est hoino.
353) C. 3, p. 143 f.: Non sequitur Contexe igitur tu ipse quatuor pro
positioncs in duos syllogismosz Omnc animal potest intelligi praeter rationa
litatemg nullus vero homo potest intelligi praeter rationalitutenL ltems Nullum oni
mal rationale est ex necessitateg onmis autem homo rationalis est ex necessitate.
se utroque hoc ordine bin/1mm propositionum videtur nescis nullus igitur homo est
animalg quo nihil falsiusl licet praecedentes propositiones titubare in nulla videam
Sed video horum duorum syllogismorum conncscionem per omnia similem illis
duobus quos paulo ante protuli.
354) c. 4, p. 144.: Junge has duas propositianes ita integros sicut eas modo
protulisti omnis homo potest intelligi homo sine grammaticag nullus grammaticus
potest intelligi granimaticos sine grammatica Video, cas non habere communem
termi-nurui et idcirco nihil ex eis consequi communis terminus syllogismi non
tam in prolatione quam in sententia est habendqu sicut enim nihil ef/iciturl si
communis est in voce et non in sensuvv ita nihil obest1 si est in intellectu et non
in prolationeg sententia quippe ligat sgllogismumr non verba (so also denkt der
Erfinder des ontologisclien Beweises über die Form des Syllogismusl).
355) c. 5.: iar-spectov ut reddas effectum propositionibus meis con/iciter
ergoy quia esse grammatici non es! esse hominis Si ita intelligas „gramma
timus non est homo“, ac si dicatur ugra-mmaticus non est idem quod homo", i. c.,
non habent eandem diffinitioneml vera est conclusio
356) C. 6.: Si quis ita contemeret „Omnis grammaticth dicitur in eo quod
quale (der Ausdruck in eo quod quale steht h. Boeth. ad Porph. p. 87 f‚); nullus
homo dicitur in eo quod quale-g ergo nullus homo grammaticusla tale mihi hoc vi
deretur esse, ac si diceretur „0mm- rationale dicitur in eo quod quateg at nullus
XIII. Anselmus. gi
mit steter Umgehung dessen, was jeder vernünftige Mensch von vorne
herein gewusst und gesagt hätte, wird wieder ein anderweitiger Syllo
gis-nius beigebracht, dessen Schlusssalz lautet, dass kein Stein ein
Mensch sei, und es knüpft sich daran die Hinweisung auf den Unter
schied der beiderseitigen Schlusssätze, insoferne man wohl sagen müsse,
dass der Stein in keinerlei Weise ein Mensch sei, nicht aber behaupten
dürfe, 'dass der Grammatiker in keinerlei Weise ein Mensch sei357);
ja noch emmal folgt, und zwar nun in dilemmatischer Form, ein ver
schrobener Beweis, dass kein Grammatiker ein Mensch sei, um neuer
dings zu dem jetzt modifirirten Resultate zurückzukommen, dass das
Grammatiker-Sein nicht schlechthin dasselbe sei wie das Mensch-Sein 358).
Diess Alles aber ist noch nicht genug, sondern die Sache wird von
Schritt zu Schritt immer ungeniessbarer. Nemlich vorerst wird die
Möglichkeit ofi'en gelassen, nunmehr nach Analogie des Weiss-Seins doch
wieder zu schliessen, dass einige Grammatiker keine Menschen seien 359);
sodann aber wird ein aus der Wesens-Verschiedenheit zwischen Gram
matik und Mensch (da ersteres eine Inhärenz sei, letzteres aber nicht)
gezogener abermaliger Schluss, dass kein Grammatiker ein Mensch sei,
dazu benützt, um mit anti-nominalislischer Betonung der res das Resul
tatrauszusprechen, dass der objectiv sachliche Gehalt des Grammatikers
in '„Menscli“ und „Grammatik“ liege, wornach grammaticae zugleich
homo dicitur in eo quod qualcg nullus ergo homo rationalisug hoc autem nulla
probatio verum efficere vom, ut rationate praediceturlde nullo homine Similiter
ille syllogismusl quem modo prolnlisu', non necessario cancludih grammaticum non
praedicari de homineg hoc enim signi/ieant cius propositiom‘s, si secundum veritatem
eas intelligimum tanquam si diceretur ita „Omnis grammatieus dicitur grammaticae
in eo quod qualeg nullus homo dieitur homo in eo quod quale"; ex his autem
duabus propositionibus nequaquam consequitur „nullus grammaticae praedicatur de
hamineh Si quis vero ...zvita velit intelligeres ac si diceretur „homo non est
idem quod grammaticusd ..'.‘..‘, ad hoc probanduma quia essentia hominis non est
essentia grammalieiq habet earum significatio communem terrninum.
357) C. 7, p. usi Die mihi, si quis sic proponeret „Nullus homo potest
intelligi sine rationalitateg omnis autem lapis potest intelligi sine rationalitateta
quid ccmsequeretury nisi nnullus igitur lapis homo“ Die ergo quid difl‘er!
iste syllogismus ab illo tuo syllogismof Sed quoniam iste quodam alio modo
potest intelligis quo ille tuus non potest. habet hanc conclusionem. ut nullo modo
lapis possit esse homo Sie ‚wisst, immo debet accipil ac si dicatur „Nullus
homo potest aliquo modo intelligi sine rationalitateg omnis vero lapis quolibet modo
potest intelligi sine rationalitaterz unde conficitur unullus igitur lapis aliquo modo
est homo“. In tuis vero propositionibus veritas nequaquam similem admittit subau
dilioncm.
358) C. 84: Esse grammatici non est esse hominis. Si hoc est, qui habet
essentiam grumnmtioi, non ideo necessario habet essentiam hominisg non est
igitur onmis grammaticus homo. At cum omnibus grammatieis una sit ratio. cur
sint hominesy profecto aut omnis grammaticus est homo aut nullusg sed eonstaL
quia non amnis; nullus igitur Debe! intelligi illa argumentatio hoc modo ‚' si
esse grammatici non est simpliciter esse homiru's, qui habet essentiam grammatieL
non ideo sequitur ut habeat simpliciter essentiam hominis ita vero nihil aliud
sequitury nisi nnutlus grammatieus est simpliciter homo“.
easy C. 9.: verum si probaretun quod, ut putg, facile fieri potestj quia esse
grammatici ita non est esse hominis sicut esse albi non est esse hominis tunc
vere sequeretur aliquam grammaticum posse esse non Iwminem. «ü
’P‘
Q
92 xm. Anselmus.
nach der einen Seite Substanz und nach der anderen Qualität sei 360).
Nachdem aber ein neuer gegen die Substanzialität des Grammatikers
erhobener Einwand siegreich durch den eben eingenommenen Stand
pnnkt beseitigt scheintaö‘), steigt wieder eine andere Schwierigkeit auf;
dcnn die beständige Gewohnheit der Dialektiker, das Wort „Gramma
tiker“ stets als Beispiel der Qualität, nie aber als Beispiel der Substanz
anzuführen, widerstreite gerade dem gewöhnlichen Sprachgebrauche,
nach welchem man nie jenes Wort an Stelle der damit bezeichneten
Qualität setzen könne, und ferner müsse folgerichtig auch der Begriff
„Mensch“, in welchem gleichfalls Qualitäten enthalten seien, ebenso ‘als
Beispiel der Qualität verwendet werden können, was doch nie ge—
schehe 362). Diess wird nun dadurch gelöst, dass das Wort „Mensc “
wirklich eine reale Einheit bezeichne und daher wahrhaft ein significa
tivum betrell's der Substanz sei, nicht aber eigentlich als prädicaljves
appcllativum auftreten könne, wohingegen das Wort „Grammatiker“ nur
eben bezüglich des realen Dinges, welches die Grammatik ist, an sich
(per se) ein significativum sei, betreffs des Menschen aber nur mit
telbar (per altud) als blosses appellalivum gebraucht werde, denn über
360) Ebend.: Aristoteles ostcndit. grammaticam (bei Grrberon steht sinnlos
grammaticum) corum esse quae sunt in subiecto (ans Boeth. p. 119., s. Abschn. xm
Anm. 92.), e! nullus homo est in subiectog quare nullus grammaticus homo. M.
Nolui! Aristoteles hoc consequi ex suis dictis. nam idem Aristoteles dicit quendam
hominem et hominem ct animal grammaticum (Boeth. p. 134.) . . . . .. cum loqueris
mihi de grammaticol uum intelligam te loqui de hoc nomine, an de rebus quas
signi/icati D. De rebus. M. Ouas ergo res significat? D. hominem et grammaticum
. . . . .. M. bic ergo: homo est substantia an in subiecto? D. Non est in subiecto,
sed est substantia. lll. grammatica est qualitas et in subiectoP D. utrumque esL
M. Ouid ergo mimm. si quis dicit. quia grammaticus est substantia et non est iri
subiecto secundum homincm, et granimaticos est qualitas et in subiecto secundum
grammaticum
361) C. 10, p. 146.: Sed unum adhuc dicaml cur grammaticus non sit sub
stantias quia omnis substantia est prima aut secunda (Boeth. p. 128., s. Abschn.
Xll, Anm. 91.), grammaticus autem nec prima nec scctmda. M. Memento dictorum
Aristotelis quae paullo ante dixi Sed tamen unde probas? D. Onia est in sub
iccloy quod nulla substantia est. et dicitur de pluribus, quod primae non esty nec
est genus aut species nec dicitur in eo quod quid, quod est secundae tlioeth p. 72.).
M. nihil komm, si bene meministi quae iam dirimus, tiu/art grammatico substan
tiam, quia secundum aliquid granimaticos non est in- subiecto et est genus et spe
cies, est etiam individims, sicut homo et antmal, Somztes enim et homo
r! animal est et grammaticus
362) c. 11.: Nemo qui intelligit nomen grammaticiy ignorat, grammaticum
significare et hominem ct grammaticaml et tamen si hoc fiducia in populo loquens
dicam „utilis scientia est grammaticusn aut „baue scit iste homo grammatioum“,
non solum stomachabuntur grammaticil sed et ridebunt rustici Nutlatenus itaqae
credam sine aliqua alia ratione traclatores dialcclicae tam saepe et tam studiose in
suis libris srripsisse, quod idem ipsi colloqaentes dicere erubescerenL Saepissime
namque ubi volunt ostendere qaalitatcm aut acvi'dens, subiungunt „u! grammaticus
et simitia”, cum grammaticum magis esse substantiam quam qualitatem aut accidet-isl
usus omnium loquentium altesteturg et cum colunt aliquid docere de substantias
nusquam proferunt „u! grammaticus aut aliquid huiusmodi“. ilac accedit .' cur
homo non est similiter qualitas ct substantiaP homo namque significat substantiam
cum omnibus illis difl'erontiis quae sunt in hominc, ut est sensibililas et morlulitas;
sed nusquam ubi sit scriptum aiiquid de qualitate aliquot prolalum est ad exemplum
noelut homo“.
XIII. Anselmus. 93
haupt falle das appellativum nur dem gewöhnlichen Redegebrauche an
heim, während das signi/icativum die reale Substanz enthalte 3'53).
Ahnen wir nun schon hiernach, worauf das Ganze hinauslaufen werde,
so vergönnt uns Anselmus noch nicht sofort den Genuss seiner realisti
schen Auffassung, sondern schleppt uns noch einige Zeit durch unver
_ständige Tändeleien hindurch. Nemlich der Einwand, dass „Gramma
tiker“ und „Mensch“ demnach in gleicher Weise bezeichnende Aussagen
seien, und hieniit ersteres gleichfalls in einer realen Einheit den Begriff
des Menschen und den Begriff der Grammatik umfasse, soll nun da
durch widerlegt werden, dass dann Grammatik kein Accidens, sondern
eine Wesens-Differenz wäre, was ebenso von allen ähnlichen Qualitäten
gelten müsste, sowie auch die Folgerung sich ergäbe, dass dann ein
Nicht-Mensch, welcher Grammatiker wäre, eben deshalb zugleich ein
Mensch sein müsste 354); ferner sei ja gerade die Adjektivform des
Wortes grammaticus zu bedenken, denn wenn „Mensch“ schon an sich
in „Graniinatiker“ enthalten wäre, könnte man durch Substituirung ins
Unendliche fort das Wort „Mensch“ wiederholen müssen, und überhaupt
verrücke man den Standpunkt der abgeleiteten Appellativa, da dann z.
niliil hraix
363) C. 12.: Nempe nomen hominis per se et ut unum significat eo, es: qui
bus constat totus homo quapropter quamvis omnia simul velut unum totum sub
una signi/icationg uno nomine appellentur Iiomo, sic tamen principaliter hoc nomen
est signi/icativum et non (non fehlt widersinnig bei Ger‘bcron) appcllatioum substan
liae . . . . .. Grommaticus vero non significo! hominem et grammaticum ut unum, sed
grammaticum per se et hominem per oliud, e! lioc nomen quamvis sit appellativum
hominisr non tamen proprie dlcitur eius signifieolicum, et licet sit significatiumn
yrammaücae, non tamen proprie est eius appcllativunL Appcllativum autem nomen
cuiuslibet rei nunc dicol quo res ipsa usu loquendi appellatur. Diese Unterschei
dung zwischen significativus und uppellalivus ist gleichfalls aus Boethius geschöpft,
einerseits im Hinblicke auf die dortige (p. sos f.) Definition des Suhstantives, und
andrerseits in Folge ausdrücklicher Angaben des Boethius, welcher die betreffende
Stelle Caleg. c. 5. folgendermaassen übersetzt (p. 138.): in secundis vero sub
stantiis videtur quidem similiter appellationis figura lioc aliquid aignifican', non
tamen verum esl, scd magis quale aliquid significat wozu noch Bemerkungen bei
der Kategorie der Qualität kommen (p. 174.): qualitas secundum Arislotelom ipsa
quoque multipliciter appellatur .. et communis est multiplex appellatio etiam in
his nominibus-j quae veluti genera de speciebus dicunturg und (p. 183.): gramma
tici enim a grammatica nominantury atque hoc est in plurilms, ut posito nomine
si quid secundum ipsas qualitales quale diciturl ex his ipsis qualitalibus appellatio
derivetur distinclis qualitatum vocabulis appcllantur. So ist also auch bei
Anselmus durchweg der bisherige beschränkte Quellenkreis nicht überschritten,
und hatte man damals schon die Uebersetzung der Analytik gekannt, so waren
wohl derartige Erörterungen überhaupt unmoglich gewesen.
364) C, 13, p. 147.: Sicut enim homo constat etc animali et rationalitale et
mortalitata et idcirco homo significa! haec m'a, ita grammaticus constat ez homine
et grammatica et ideo nomen hoc significat utrumque . . . . .. M. Si ergo ita est, ut
tu dicisl dif/initio et esse grammatici ext homo sciens grammaticam.... Non-esl
igitur grammatica accidcnsy sed substantialis differentie, et homo est genus e! gram
maticus speciee; nec dissimilis est ratio de albcdine et similibus arcidentibus, quod
falsum esse totius artis tractatus ostendit (Boeth. p. m ff.) . . . . .. Pommes, quod
sit animal aliquod rationale, non tamen homol quod ita sciat grammaticum sicut
homo .. Es! igitur aliquis non homo sciens grammaticum ut omne sciens gram
maticam est grammaticum es! igitur quidam non homo grammaticus sed tu
dicis in grammatico intelligi hominem . quidam ergo non homo est homol quod
falsum est.
ea XIII. Anselmus.
B. auch hodiernus ein Zeitwert sein müsste 365). Nachdem aber hie
durch als bewiesen gilt, dass grammaticus nicht die Substantialität des
Menschen einheitlich in sich scliliesse, sondern nur die adäquate Be
zeichnung der Grammatik allein sei, soll nun noch deutlich gemacht
werden, in welcher Weise grammaticus bloss mittelbares Appellativutn
des Menschen sei; diess geschieht mit der sinnlosesten Vertauschung
attributiver Begriil'e durch ein Beispiel, da, wenn ein weisses Pferd und
ein schwarzer Ochs nebeneinander stehen, durch das Wort „Weise“
mittelbar das Pferd bezeichnet werden könne366)‚ Das hievon zu er
wartende Besultat ist, dass alle appellative Bezeichnung nur accidentell
seiamjy wornach der ganze Umkreis des menschlichen nedum welches
sich in Urtheilen bewegt, dem Accidentellen anbeimfällt, und hiemit
das Wesen des Prädicates für die Logik vernichtet ist, sobald dasselbe
nicht mit dem substantiellen Subjecte identisch bleibt. Ja, es wird
gegen jene Folgerung ein neuer Einwand beigebracht, um siegreich aus
demselben zu dem verstärkten Standpünkte zurückzukehren; nemlich es
könne eingewendet werden, dass bei solcher Trennung von Substanz
und Accidens nun da, wo Mensch und Grammatik sich in dem Gram
inatiker vereinigen, nur die Wahl bleibe, entweder den Grammatiker
selbst sofort als eine blosse Qualität zu bezeichnen, oder sich aus
schliesslich auf die Substanz zu werfen, so dass der Mensch aliein in
dieser seiner Substanzialitäl schon der Graminatiker wäre 3“). Letztere
Alternative nun wird durch ein Wortspiel und ein Gleichniss beseitigt,
denn der Mensch bleibe ja in seiner Selbstständigkeit, während er die
Grammatik als Eigenschaft besitze, und es sei ebenso, wie wenn von
365) Ebend.: Si homo est in grammaticol non praedicatur cum eo simul de
aliquo ‚ .‚..‚ non enim apte dicitun quod Socrates est homo animal (Beeth. p. eum
‚_.„ sed convenienter dicituu quod Socrates est immo granimaticos Dem, si
granimaticos est homo sciens yrammalicam, ubicunque ponitur grammaticus. apte
ponitur homo sciens grammaticum si igitur apte dicitur „Socrate: est homo
grammatious”, apte quoque dicitur „Sacrates es! homo homo sciens qrammaticamu
et sic in iri/initum ltem similiter in omnibus denominativis id quod deno
minatur cum eo intelligendum est a quo denominalur ergo hodiernum significat
id quod vocatur hodiernum et hodie ergo hodiernum non est nomen, sed ver
bumy quia est coz signi/imas tempusr
366) C. 14.: Sufficienler probatum est. grammaticum non esse apellaliwln
yrarnmaticael sed hominis-y nec csse significalivum homi-nisl sed grammaticaeg sed
quoniam dixistiv grammaticum significarc grammaticum per se et hominem per aliud.
peto ut aperte mihi has duas signibcationes distingoas . . . . .. M. ouid si vides stan
tes iuxta se iiwioem album equum et nigrum barem et dicit tibi aliquis de equo
npercute illum“ non monstrans aliquo signol de quoidicaty an sei's, quod de equo
dical. D. Non. M. Si vero nescii-uti tibi et interroganti „qnem?“ respondet walbumtg
intelligisl de quo dicitt ll. Equum intelligo per nomen albi Namquc nomen
equi significa! mihi equi substantiam per se et non per aliudg nomen vero albi
substantiam equi significa! non per se, sed per aliud, i. c. per hoc quod scio equum
esse album. (Wohl zu bedauern ist der Leser, welcher solchen Unverstand durch
machen soll; jedoch ich musste das Hanptsächliche objectiv vorführen, da ein
blosses subjectives Urlheil, dass Anselmus in dieser ganzen Schrift sich als logisch
impotent zeige, Niemandem genügt hatte.)
aen C. 15, p. 148.: harum duarum signi/icationum ilta. quae per se est, ipsis
vocibus significalt'vis es! substantialis‚ alia vero, quae per aliud est, arcidentalia.
368) C. 16.:. Narr sine scrupulo accipit unimus, grammaticum esse qualitatem
aut bominem soluml i. e. sine yramrnalira, esse grammaticum
XIII. Anselmus. 95
zwei Fussgängern der Eine voraus und der Andere hinterdrein gehe,
denn der Vorausgehende sei allein, insoferne er allein vorausgehe, und
zugleich nicht allein, insoferne ein Anderer mitgelie 369). Die erstere
Alternative aber wird zum Bekenntnisse des Realismus benützt, wobei
Anselmus mit verbissener Resignation aufidie Anschauungen der aristote
lischen Dialektiker eingeht. um wenigstens zu retten, was zu retten ist,
denn da die Auctoritüt der Kategorien doch als zu gross galt, um sie
vollends zu verwerfen. musste eine realistische Interpretation versucht
werden. Anselmus nemlich sagt, den Grammatiker lediglich als Qualität
zu bezeichnen, sei nur nach dem Standpunkte der aristotelischen Kate
gorien richtig, denn .in denselben handle es sich allerdings weder um
das reelle Sein der Dinge selbst, noch auch um die bloss appellative
Bezeichnung durch Worte, sondern um die voces significatiuae (s. 0b.
Anm. 363), insoweit dieselben das substantielle Sein an sich selbst
unmittelbar bezeichnen, und darum sei es in richtiger Weise bei den
Dialektikern üblich geblieben, sich nur in dieser substantiellen Bezeich
nungsweise zu bewegen, d. h. den Grammatiker nur als Beispiel der
Qualität zu gebrauchensm); denn in diesem realistischen Sinne sei im
Hinblicke auf die Kategorien der Grammatiker eben sprachlich und sach
lich eine Qualität, hingegen abgesehen von dieser dialektischen Betrach—
tung, welche aber hiemit das‘wesentlich substantielle Sein enthalten
soll, bleibe nur das Gebiet,_der gewöhnlichen appellativen Bedeweise
übrig, in welcher der Grammatiker ein Mensch genannt werde, ebenso
wie z. B. in der Betrachtung der Wortformen der Stein richtig ein
Masculinum genannt werde, während im gewöhnlichen Sprechen ihn
sem Ebend.: quod homo “das, i. e. sine grammatieal duobus modis intelligi potestl uno vero, altero [als-o. Homa eqsutipgpreani(mdaiteiscsus.ist der
verus modus) so!us‚ i. e. absque grammaticaj est grummolicus, quia solus est lia
bens grammalicnm‚ grammatica namque nec sola nec eum homine habet grammati
cum Sed homo wir‘s, i. e. absque grammatica1 non es! grammaticus, quia absente
grammatica nullus esse granimaticos polest (d. h. der [alsus modus Ware, jenen
Satz so zu verstehen, als müsse nicht doch noch die Grammatik zur selbststan
digen Menschen-Substanz hinzukommen). Sicut qui praecedendo ducit aliump et
solus est praeviusy quia qui sequitur non est prachius, et solus non est pruevius,
quia nisi sit qui sequolur, praeviur esse mm potesL Hiedurch also glaubt der
Realist das Verhältniss der Inharenz erklärt zu haben.
370) C. 16.: Cum vero diciturj quod grammaticus es! qualims, non recte nisi
secundum tractatam Aristotelis de categoriis dicitur. C. 17.: l). An aliud habet
ille tractatus quam ‚onme quod es!‚ aut est substantia aut quantitas aut qualitas
etc.“ (Bad/z. p. 12%.) M. Nun tamen fuit principalis intentio Aristotelisy hoc
in illo libro os!endere‚ sed quoniam omne nomen vel verbum aliquid horum signi
fical; non enim intendebat ostendere ‚ quid sint singulae.res. nec quarum rerum
sint appellativae singulae voces, sed quarum signihcativae sinl; sed quoniam voces
non significan! nisi rrs, dicendo quid sit quod voces signifirant, necesse fuit dicere
quid sint res ‚ . . . ‚. De qua significatione videtur tibi diceret de illa qua per se
sigm/icant ipsae voces et quae illis est substantialisy an de altera quae per aliud
est et acoidenmlis? D. Nonnisi de ipso, quam idem ipse eisdem vocibus inesse
dif/iniendo nomen et verbum (Beet/t. p. nga f.) asrignavi!‚ quae per se signi/icanL
M. An putas .. . . . aliquem eorum, qui cum sequantes de dialectica seripserunh aliter
sentire voluisse de hac re, quum sentit ipsc? D. Nullo modo eorum scripta hoc
aliquem opinari penniltuntl quia nusquam invenitur aliquis earum posuisse aliquam
vocem ad ostendendum aliquid quod significc! per «lind, sed semper ad hoc quod
per se significal.
96 XIII. Anselmus.
Niemand als ein männliches Wesen bezeichnea'“). Also Anselmus er
blickt in den Kategorien wohl eine formelle Macht, bezieht dieselbe aber
lediglich auf die ohjectiv vorliegende Tabula logica des wesentlichen
Seins. Wie roh er aber dieses verstanden habe, erhellt deutlich aus
dem Schlusse der Schrift, wo noch die Frage erörtert wird‚ oh Ein
Ding unter mehrere Kategorien fallen könne; denn wenn z. B. gesagt
wird, dass armatus auch unter die Kategorie der Substanz gehören
könne, weil der Bewaffnete eine Substanz, nemlich die Waffen, a‘n sich
habe, so ist diess allerdings der Gipfclpunkt logischen Unverstandes,
und wir schliess‘en gerne mit dem Entscheide, welchen Anselmus hier
über gibt, dass nemlich eine einheitliche Sache schwerlich (_—-‘ denn
völlig gewiss will er auch diess nicht behaupten —) unter mehrere
Kategorien fallen könne, wohl hingegen ein Wort, welches mehrere
Bedeutungen enthalte, als ein nicht einheitliches nach mehreren Kate
gorien betrachtet'werden könne, wie diess z. B. bei albus der Fall sei,
welches sowohl zur Qualität als auch zur Kategorie des llabens ge
höre372).
So verwickelte sich dieser. stumpfsinnige llealismus durch eigenes
Unvermögen in Schwierigkeiten, welche für eine wirklich logische Be
trachtungsweise überhaupt nicht existiren , und das gesammte AuIIreten
des Anselnius erscheint uns- nur als ein Beleg dafür, dass der realistische
Objectivismus mit einem angehornen Missgeschicke in Bezug auf Fragen
der Logik behaftet sei. . -
Ueberhaupt aber scheint damals, d. h. an der Gränzscheide des
II. und I2. .lahrhundertes, als das Resultat älterer und neuerer logi
371) C. 18, p. lis f.: Si ergo proposita divisione prae/ata (d. h. die Ein—
tbeilung in die zehn Kategorien) quaero a tel quid sit grammaticus secundum hanc
divisionem et secundum eosa qui illam scribendo de dialectica sequuntun quid quaera
aut quia mihi respondebis? D. Procul dubio non-hic potest quaeri nisi aut de vocc
aut de re quam significat; quare quia rammt. grammaticum non signi/icare secun
dum hanc divisioncm hominem sed grammaticum incunctanterrespondeboy si quaeris
de voce, quia est vocc signincans qualitate-nil si vero quaeris de re,_quia est qua
litas ouarc sive quaeratur de vocc sive de re, cum quaeritur quid sit gram
maticus secundum Arislotclis tractatam et secundum sequuti-s eiusl recte respondetur
„qualitas“, et tamen secundum appellationem vere est substantia M. lla esti "0"
enim movere nos die/net1 quod dialectici aliter scribunt de vocibus secundum quod
sunt signifcatinaey aliter eis utuntur loquendo secundum quod sunt appellatiaaeg si
et grammatici aliud dicunt secundum fmmam vocum aliud secundum rerum naturum;
dicunt quidem lapidem esse masculiui generis cum nemo dicat lapidem esse
masculum.
am C. 19, p. 149.: nam si grammaticus est qualitas, qui significat qualita
temy non video cur armatus non sit substantias quia significat habentem sub
stantiamf i. P. arma sic grammaticus significat haben, quia significat hal/en
tem disciplinam M. Nullalenus negare possuml aut armatum esse substantiam
aut grammaticum esse habere Rem quidem unum et eandem non puto sub diver
sis aptari posse pracdicamenlis, licet in quibusdam dubitat-i possil, quod maiori
et attiori disputationi indigere existimo (wir wären in der Thot begierig gewesen
auf diese altior dispulalio) . Unam autem vocem plura signifcantem non ut unum
non video quid prohibeat pluribus aliquando supponi praedicamenlis, ut si albus
dicitur qualitas et habere. Hierauf folgt noch C. 20 f. die Erörterung, dass albus
keili: einheitlicher Begriff, sondern eben aus qualitas und habere zusammenge
kle t sei. ‘
XIII. Honorius v. Autun. 97
scher und theologischer Difl'crcnzen sich ein noch ziemlich plump aus
gesprochener fiegcnsatz zwischen Nominalisten und Realisten herausge
stellt zu haben, indem man sowohl ausser diesen zwei Standpunkten
keinen anderweitigen ins Auge zu fassen fähig war, als auch jeden der
beiden einseitig noch in extremer und gleichsam ungeschlill'ner Weise
aussprach. Eine weit reichere und mehr disciplinirte Entwicklung wer
den uns sogleich schon die nächsten Jahrzehnte darbieten, der späteren
Zeit vorläufig ganz zu geschweigen. v
.Ia bei Einzelnen mochte damals die Auffassung der üblichen Schul
Logik noch völlig unberührt von dem Parteistreite bleiben, und als ein
Beispiel gänzlicher Naivetüt in dieser Beziehung sowie hetrefl‘s der Logik
überhaupt können wir zum Schlusse dieses Abschnittes noch aus dem
Anfange des 12. Jahrh. einige ergötzliche Bemerkungen des Honorius
von Autun (zwischen 1100 und 1120 litterarisch thätig) anführen,
welcher die sieben freien Künste als ehensoviele Wohnsitze der Seele
schildert und dabei über die Dialektik Nichts weiteres vorzubringen
weiss, als dass man durch fünf Tliore (dic quinque coces) in die eigent
liche Burg (d. h. die zehn Kategorien) gelange, woselhst zwei Kämpfer
in Bereitschaft seien, nemlich der kategorische und der hypothetische
Syllogisrmus1 welche Aristoteles in der 'I‘opik ausgerüstet und dann in
dem Buche d. inlerpr. auf das Schlachtfeld geführt habe, so dass man
hier in dcm Kampfc gegen die Ketzer sich methodisch üben könne 373).
.-————‘ xt.
373) Honor. Augualod. d. animae exilio el patria. c. 4. bei P21, Thes. II. p.
Hmauf.:perTerqtuiianqcuievitapsorteasst addiarleencllaincluesmu1l‘teicispitq‚uasecsiltiicoentumperprgoepnuugsn,acupleirs smpuecniielsal per
differens. per propriuni, per acridens, unde cl isagogae iniroduciiones diennlur,
quia per has repatrianlcs inlrodurufltur. Arz huius urbis est substantie, lurres cir
cumsfanit's novem sunt accidcntia. lh hac duo pugiles sunt et liligantes cerm ra
tione dirimiml; catlieyorico et Iiypolliclico syllogismo quasi pracclaris armis viantcs
mum'unl, quos Aristoteles in Tupira recipit, argumentis instruit, in Perihermeniis ad
latum campum syllogismorum cducil. In hac urbe docemur itinemntes haereli'ris et
aliis hostibus armis ralionis residere etc.
Pneu, Gescb. II. 7
xm ABSCHNITT.
mmimam venvousrÄchcnc uns KENNTNISS nun
ARISTOTELISGIIEN LOGIK.
s
‘ Wenn ich oben S. 4 sagte, das einzige Motiv einer Eintheilung
'der Geschichte der mittelalterlichen Logik liege mir in dem ausser
lichen Maasse der beschränkteren oder ausgedehnteren Kenntniss ari
stotelischer Schriften, niid es reducire sich der Unterschied zwischen
dem Inhalte des vorigen und dieses jetzigen Abschnittes zuletzt darauf,
dass man bis zum Anfange des 12. Jahrhundertes die beiden Analytiken
und die Topik nebst Soph. Elencht' weder kannte noch benutzte, hierauf
aber allmälig auch diese Bücher in den Bereich der Erörterungen ge
zogen wurden, so habe ich hier nun vor Allein die Pflicht, vorerst
eben jene Iitterarischen Daten festzustellen, durch welche die Abtrennung
begründet wird. Es muss nemlich für diesen ganzen Abschnitt, mit
welchem wir in die bewegte Zeit Abölard's eintreten und bis zum
Schlusse des 12. Jahrhundertes fortschreiten, zunächst der Umkreis des
logischen Materiales, aus welchem die zahlreichen Controversen dieser
Periode entsprangen, vor Augen gestellt werden, d. h. wir müssen
nachweisen, dass und wie man allmälig theils zur Kenntniss der ge
sammten schriftstellerischen Leistungen des Boethius, welcher ja das
ganze Organon übersetzt hatte, gelangte, und tlieils neue Uebersetzungen
der genannten Bücher anfertigte, um erst hiemach berichten zu können,
welcherlei Thatigkeit sich unterdessen auf diesem successiv erweiterten
Boden entwickelt habe. '
Dass jene angegebene Beschränkung bis zum Anfange des 12. Jahrh.
wirklich bestanden habe, mag nun sowohl durch die im vorigen Ah
schnitte (Anm. 98, 156, 183, 196, 209, 253, 258, 277. 288. 310,
363) angeführten p0sitiven Notizen, als auch durch den vollständigen
Mangel irgend einer entgegenstehenden Andeutung vielleicht als bewiesen
gelten. Gerade je mehr wir aber für diese vorige Periode die Kraft
des „Beweises aus dem Stillschweigen“ für uns in Anspruch nehmen 1),
1) Die Möglichkeit allerdings, dass durch neue Entdeckungen in irgend einer
Bibliothek entgegenstehende Notizen zu Tage gefördert werden können, soll biemit
nicht verneint werden; aber dennoch würden Solches nur isolirle Falle sein,
welche auf den Betrieb der Logik im Ganzen keinen Einfluss ausgeübt hatten,
denn um die allgemeine Haltung der Logik zu erkennen, scheinen die bis jetzt
zugänglichen Quellen hinzureichen.
rui
XlV‚ Das vervollstlndigte Material. 99
- desto sorgfältiger haben wir auch die vereinzelten und gleichsam über
schütteten Spuren beachtet, in welchen von einer bestimmten Zeit an
jenes Stillschweigen gebrochen wird. Der Wendepunkt liegt nemlich:
in dem Bekanntwerden der Analytiken und der Topik nebst den Sophist.
Elche/152), und wenn dasselbe auch noch so leise und allmälig statt
fand, so lässt sich wohl erwarten, dass eine selbst noch fragmentari
sche Kenntniss dieser Hauptwerke des Aristoteles nicht ausser Zusam
menhang mit dem nun reicheren und mannigfaltigereu Betriebe der
Logik stehen werde. ’
Schon eine auf das Jahr 1128 gehende Nachricht, welche dahin
lautet, dass „ein gewisser Jacobus aus Venedig die beiden Analy
tiken, die Topik und die Soph. Elenchi aus dem Griechischen übersetzte
und zugleich mit einem Commentare versah, obwohl man eine 'altere
Uebersetzung der nemlichen Bücher gehabt habe“ 3), betritl‘t, wie man
sieht, eben jene Werke, welche in der früheren Periode unbekannt
und unbenutzt gewesen waren, und sowie einerseits zu beachten ist.
dass der Berichterstatter, welcher selbst dem 12. Jahrh. angehört, das
Vorhandensein der boethianischen Uebersetzung jener Bücher kannte. —
denn eine andere kann unter der „älteren“ nicht gemeint sein —‚ so
ist andrerseits ebenso klar, dass jener .lacobus die Existenz derselben
nicht wusste und eben hiedurch zur Anfertigung seiner eigenen Ueher
setzung veranlasst worden war. Der örtliche Boden aber, welchem
diese beiderseitigen Momente angehören, ist ltalien.
Diese wichtige Notiz aber, welche somit ein Bekanntsein jener
Werke und daneben zugleich ein Nicht-Bekannlsein derselben enthält,
steht nicht so vereinzelt, als man‘glaubte 4). Es scheinen nemlich
wohl auf den ersten Blick einem Bekanntseiu jener Bücher ganz ent
schiedene und weitgreifende Aussprüche Abälard’s entgegenzustehen.
Letzterer gibt, — abgesehen von seiner uns hier nicht berührenden
Klage über den Manch einer Uebersetzung der aristotelischen Phystk
und Metaphysiki’) — ausdrücklich seine logischen Quellen selbst an
und sagt, dass die lateinische Litteratur der Logik auf sieben Schriften
beruhe, welche auf drei Autoren sich vertheilen; man kenne nemlich
2) Jourdoin hatte in seinen Rechen/ms critt'ques wohl nur die Aufgabe. die
im Mittelalter neu entstehenden Uebersetzungen zu untersuchen, und er konnte
diesen Umschwung, soweit er die Kenntniss des Boelhius betrith, unberücksichtigt
lassen‚ aber auch für jenen seinen eigentlichen Zweck sind ihm entscheidende
Stellen (s. unten Anm. 14. 19. 26 tm entgangen.
3) Zu einer Stelle bei Robert de Monte, chronica ad ann. 1128, b. Ports,
Monum Vlll, p. 489., bemerkt ein Fortsetzer (d. b. nulia munus“, aber nach
Pertz‘s Angabe, ebend. p. 293.‚ gleichfalls aus dem 12. Jahrh.) Folgendes: Jaco
bus (‘lericus du Venecia transtulit de graeco in latinum quosdam libros Aristolelis
cl commenlalus esl, srilicel Topico, Anal. priores et posteriores cl Elenclws, quamvis
antiquior iram-latio super eosdem libros ltaberehu'. ‚
ap Cousin (Ourr. inedils d’Abe'lard, p. L ff. und auch Frugm. d. phil. du
moyen ägl‘, Par. 1855 p. 56 ff.) irrt gänzlich und schliesst aus den sogleich zu
erwahnenden Stellen 'Abalard’s nur nach dem ausserliehen Wortlaule, ohne den
Inhalt der logischen Erörterungen zu berücksichtigen.
5) Almvl. Diulcci. b. Cousin‚ Ouvr. inali p. 200.: in Physicis el in his
Iibris, quos Metaphysica vonal, exsequitur (an. Aristoteles); quae quidem opera
ipsius nullus adhuc honslutor latinas linguae oplavit.
7 l
O ‚
LM
100 XIV. Das vervollständigte Material. .
von Aristoteles nur die Kategorien und d. interpn, von Porphyrius die
Isagoge, von Boethius aber seien in Gebrauch d. divi.s.l d. difl'. top-,
'syllog. catcg., syllog. hypdth.'j); ausserdem führt er auch einmal eine
Bemerkung aus Sophist. EI. ausdrücklich nur mittelbar aus Boethius
an 7). Während also' Abälard, wie sich von selbst versteht, aus jenen
schon öfter (vor. Abschn. Anm. 253, 258, 277) berührten Stellen des
Boethius (Abschn. XII, Anm. 77) genau wissen musste, welche Bücher
Aristoteles geschrieben: habe, bekennt er hiemit wohl völligst unzwei
deutig, dass er die Uebersetzungen der Analytiken, der Topik und
Soph. El. nicht benützen konnte. Aber mehr dürfen wir auch aus
diesem Bekenntnisse nicht seliliessen, als dass dem Abälard jene Haupt
werke des Aristoteles nicht zur Hand waren, weil dieselben überhaupt
unter den recipirlen Schriften (man beachte die Ausdrücke „uqu cog
nov-it“ und „in consuetudinem duximus“) sich nicht befanden; d. h.
wir sehen, dass man damals in Frankreich an all jenen Orten, in Wel
chen Abälard sich umhertrieb oder in welchen man überhaupt sicb mit
Logik beschäftigte, kein Exemplar des Wirklichen Textes jener Bücher
liesass; denn hätte man solche besessen, so würde der logische Eifer
jener Zeit sie gewiss ans Tageslicht gebracht haben. Hingegen bleibt
dabei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass anderweitig Einzelnes
ans'jenen Schriften dennoch zur Kenntniss des gelehrten Publikums ge
kommen sei, und wenn sich auch nur eine einzige Angabe fände, welche
nachweisbar aus keiner anderen Quelle. als aus Einem jener Bücher
geschöpft sein könnte, so wäre der Beweis geliefert, dass irgendwie
anderswoher vereinzelte Daten aus den Analytiken und der Topik in
die Atmosphäre der Logiker Frankreichs transspirirten. Den Nachweis
aber, durch welche Männer und auf welche Weise Solches geschehen
sei, möge man uns nicht auferlegen; es ist unmöglich, ihn zu führen,
ja nicht einmal die örtliche Quelle können wir bezeichnen.‘
Nemlicb dass zur Zeit Abälard’s Einzelnes aus jenen bis dahin un
benutzten aristotelischen Schriften zur Kunde gekommen war, können
6) Ebend. p. 223.: (valide, non pauciora vel minora me praestiturum
eloquentiae peripatetieae munimenta. quam illi praesliterunt, quos lutinorum celebrat
studiosa doctrina. . . . . . .. Sun! autem tres, quorum septem codicibus onmis in hac
arte eloquentia latina armatur. Aristotetis enim duos tantumj Praediramentoruin
scilicet et Pcriormeniasl libros usus adhuc latinorum coynovil, l‘orphyrii vero unum,
qui videlicet de quinque vocibus conscriptus-1 gem-re scilicet specie differentia proprio
et accidentia introductionem ad ipsa praeparat praedicamcntuj lloethii autem quatuor
in consuetudinem ducimus libros. videlicet bivisionum et Topimrnm eum Syllogismis
tam categoricis quam liypothetiois. Onorum omnium summam nostrae dialocticae
textus plenissima concludet etc. Dass hiebei unter Topica Nichts anderes als die
Schrift d. iii/f top. zu verstehen sei, zeigtanssilr der eigenen Darstellung dieses Zwei
ges bei Abalard (s. unten Anm. 392 fl‘.) eine Menge von Stellen, in welchen er
Einzelnes aus d. di/f. tup. kurzweg als „Topim“ des Boethius citirt, so z. B. ln
trod. ad lhcol. ll, I2, p. 1078. (geht auf d. diff. top. l, p. 853 f.), Theol. finiat
lll, p. 1281. (ebenso), Sic et Nun, c. 9, p. 41. cd. Lindenkulil (d. iii/f top. ll, p.
566.), ebend. c. 43, p. 105. (d. d. Iop. lll, p. 573.), ebcnd. c. 144, p. 397. (d.
d. top. U, p. 867.).
7) Dialecl. b. Cousin p. 258.: Sex autem sophismatum genera Aristotelem in
sophisticis elenchis suis posui-uel Boethius in secunda editione Periermenias comme
morat (Boelh. p. san
XIV. Das vervollständigte Material. tot
wir gerade aus Abalard selbst, und zwar nicht hloss an Einem Punkte.
sondern an mehreren erweisen. Abalard bemerkt einmal bei Bespre
chung der Definition des genus ß), dass unter Umständen auch das ln
dividuulu Prüdicat sein könne, wie z. B. in dem Satze, „hoc.alhum est
.S'ocrates“ oder „hie veniens est Socrates‘l, eine Erwägung, welche man
vergeblich in sämmtlichen Commentaren des Boethius sucht, wohl aber
mit wörtlicher Uebereinslimmung jener Beispiel-Sätze in der ersten Ana
lytik findet; und eben von dort aus muss diese Notiz auch zur Kennt
niss mehrerer anderer Logiker gelangt sein 9). Ferner berichtet Abä
lard. dass „Viele“ das Wesen der Definition lediglich in die Angabe der
Qualitäten verlegen lll). und Wollte man auch sagen, es sei diese An
sicht nur eine extreme Folgerung aus einer längst bekannten Stelle“),
so führt uns ein Zeitgenösse Abälard’s durch die Formulirung jener
Ansicht auf die wahre Quelle derselben, welche uns nur in der aristo
telischen Topik begegnet“). Sodann auch bedient sich bei der Con
troverse _üher die Universalien Abalard einer Ausdrucksweise (nemlich
universalia „appellan! in‘se“), welche nur dann erklärlich ist, wenn
wir annehmen, dass der Grundgedanke 'ener Stellen der zweiten Ana
lytik, in welchen Aristoteles über nam nuvrdg und mtßolov handelt
(Absehn. IV, munille III), irgendwie in den Schulen ruehhar geworden
sei 13); und ebendahin dürfte gehören, dass man mit der grammatischen
fammi iir-ibit
‚r
8) Glossar in Porph. ebend. p. seoi videtur esse ‘falsum, quod individua dc
uno solo prsedicanturl cum hoc individuam Socrates de pluribus liabeat praedican',
ut „hoc album est Socratcs“, „hie veniens est Socmles“. Die entsprechende Stelle
des Aristoteles ist Anal. pr. l, 27 (in der Uebersetznng des Boethius p. 490.).
9) Dass die Sache zu einer üblichen Schuleontroverse Veranlassung gegeben
habe, ersehen wir aus Joh. Saresh. Melalog. ll, eo (p. 110. cd. Gilesl: Hoc enim
est opinione quorundam sensisse visus est Aristoteles in Anatytieis dicens (folgt
jene Stelle selbst).
10) Dialecl. p. 492.: Unde multi, cum significationem substantiae huius nomi
nis quod est „Immo“ agnoscant nec quatitates ipsius satis ez ipso percipiantj tan
tum propter qualitatum demonstratianem di/‘finitionem requirunL
II) ‚Iris! Cat. 5. (s. Ahschn. IV, Anm. 476.); bei Boelh. p. 138.
I2) Der Verfasser der Schrift De» generibus et speciebusl welche Cousin mit
Unrecht dem vAbalard zuschreibt (s. unten Anm. m u. 148.), sagt p. 541 f.:
t'oncedunt omnes, species ex differentiis constare . dimm, omnes differentias esse
in qualitate etc. Diess Letztere konnte in solch pointirter Form nur aus Arisl.
Top. VI, 5, 144 a. la fl'. (d. h. aus der dortigen Erörterung über die Definition,
womit dann andere Stellen ebend. lV, 2, 122 b. 16. u. 6, us a. id ibereinstimv
men, s. Abscbn. IV, Anm. 475.) entnommen sein und muss auf solche Weise zu
jenen versprengten Notizen gehört haben, welche nun zur Vermehrung der Schul
Controversen heitrugcn; der Verfasser l). gen. et spem lenkt dann mit Gewalt die
angeführte Auffassung auf eine andere Stelle des Bart/t. ad Porph. p. 62. zurück.
besass also gewiss nur die allgemein Verbreitete" Quellen-Texte. Hingegen Joh.
Saresb. a. a. O. p. 100. bringt bereits auch Soph. EI. 22, 178 b. 36’. mit dieser
Frage in Verbindung.
l3) Von Abälard’s Glussutae super Porpliyrium gibt (Ph. de lidmusat (Abdlard,
ll, p. 93 lf.) einen Auszug, welcher zwar leider fast ganzliclrnur in einer franzö—
sischen Paraphrase besteht (s. unten Anm. 238.), aber folgende Stelle enthalt‘Vp.
110.):_ Aristote pensait que les genres et les especcs subsistent par appellation dans
les choses sensibles ou seinen! d les nommer cn esscncey „appellan! in se“. Wenn
wir nun auch nicht wissen können, wie Vieles hiebei rhetorische Zugabe ‘Bemuaat's
säl, so ist doch der authentische Ausdruck .‚apprllnn! in so“ derartig, dass er
in“.-v‚.aL...-..
s
102 XIV. Das vervollständigte Material.
Form pro mam elvai“ ganz vertraut gewesen zu sein scheint, s.
unten Anm. 133. Selbst aber wenn man diese einzelnen Punkte für
ungenügend zu dem von uns beabsichtigten Nachweise halten wollte,
da ja möglicher Weise Einzelne durch Vertiefung des logischen Denkens
und ein merkwürdiges „Ingenia eonspirant“ ihrerseits selbstständig zu
Auffassungen hätten gelangen können, welche mit aristotelischen fast
wörtlich übereinstimmen (— was zwar an haarsträubende Unwahrschein
lichkeit granzen würde —), so muss hingegen jeder Zweifel vollends
verstummen, wenn wir sehen, dass Abälard die in der ersten Analytik
vorkommende Definition des Syllogismus ausführlich in wörtlicher Ueber
setzung, und zwar nicht einmal in jener des Boethius, anführt“), um!
sodann in gleicher Weise den Wortlaut der darauffolgenden Stelle‘des
Aristoteles in Einklang mit Boeth. d. syll. cuteg. bringt l5), sowie ihm
auch bekannt ist, dass der Sprachgebrauch bezüglich des sog. victum
de omm‘, welcher bei Boeth. a. a. O. sich findet, ein acht aristotelische!"
ist 16J; ja endlich, -- was der schlagendste. Beweis von allen ist —,
„r "J:
schlechterdings nirgend andersher entstanden sein kann, als aus einer Kenntniss
der Stellen Anal. post. l, 4 m (bes. 73b. 26 fl'.), wo das fv xazv‘z nollaiv dem
Fr nagd n'z nonii gegenübergestellt wird, kurz wo das xay mara und xan‘z
flawo'; zum aristotelischen xaäöitov sich vereinigt. Die Auffassung des „in so“
konnte aus keinem jener Bücher geschöpft werden, welche vordem bis dahin dem
Mittelalter bekannt gewesen waren.
14) Dialert. b Cousin. p. 305.: Syllogismum itaque in primo Anatyticorum
suorum Aristoteles tali di/finitione terrninacit: „Syltogismus, inquitl oratio est in
qua positis aliquibus aliud quid a positis er necessitate consequitur ez ipso esse;
dico autem ipso esse per ipsa contiugere, per ipsa vero contingere nullius extrin
secus egere termini ut fiu! m'ccssurium" (s. Abschn. IV, Anm. 537.). Dass dicss
nicht uns gellius entnommen ist, zeigt sowohl der Grad der Ausführlichkeit als
. auch die oben (Abschn. VIII, Anm. 58.) angeführte Stelle; ehensowenig istApulejus
(Abschn. X, Anm. 16.) die Quelle. denn dieser übersetzt: oratio in qua concessis
aliquibus aliud quiddam praclcr illa quae concessa samt, necessario evenity sed per
illa ipsa oonccssa. Die Uebersctzung hingegen bei Boethius (p. 468 f.) lautet: Syl
legitimus est oratiol in qua quibusdam positis aliud quiddam ab his quae posita sunt
ez necessitate accidit eo quod haec sunt; dico autem ca quod haec sunt propter
haec acciderev propter haec vero accidere es! nullius extrinsecus termini indigerc ut
fiat necessarium Es ist sogar die bei Abälard vorgeführtc Uebersetzung besser als
jene des Boethius. . nim
15) Ebend. p. 307.: Horum autem Aristoteles alios per/'eclos, hoc est euidentes
per se, esse didn't, alios impcrfectosv id est non prr se pcrspicuos. l.Perfectum
entern, irtqui!‚ dico syllogismumy qui nullius alterius indigeot pruelcr assumptoy
ul appareat esLse verus", ut illi quatuor quos in prima figura ipse disponilg „im
perfectum vero, quod (zu lesen qui) indiget aut unius aut plurium“. ut sunt omnes
illi quos ipse in secunda et tertia figura posuit. Die Uebersetznng jener Worte bei
Boethius (p. 469.) lautet: Per/ectum vero voco syllogisrnurn, qui nullius alius in
diget praeter ea quae sumptu saut, u! appareat ncccssarinmg imper/celum vero, qui
indiget aut unius aut plurium etc. Die Stelle des Boeth. d. syll. cat. II, p. 593.
ist oben, Abschn. XII, Anm. 135., angeführt. "ä w)“ a
16) Ebend. p. 313.: lllud tamen notrmdum, quod aliis verbis in regulis lyl
togismorum usi sumus quam Aristoteles; pro eo namque quod diximus „aliud de
alio verbum (zu lesen unirerso) praedicuri". ipse ponit „omni alii im‘sse"; pro
eo quod diximus ‚.universalilrr remoceri“, ipse dicit „nulli inessc“; pro ro rern
quod dixinms „particularitrr pracdicari" net „removeri“‚ ipse usus est „alicui
iriesse“.ve'!. „non inesse". Die Stelle der Analytik (in des Boeth. Uebersetzung
p. 468.) s. Abschn. IV, Anm. 538., jene des Boeth. d. syll. cat. s. Abschn. XII,
Anm. 132. ' " J"
XIV. Das vervollständigte Material. los
es kennt Ahalard jene aristotelischen Syllogismen, deren Prämissen sog.
modale Urtheile, d. h. lllöglichlteits- oder Nothwendigkeits-Urtheile oder
llombinationen derselben mit Urllieilen des Stattfindens sind (s. Abschn.
IV, Anm. 559—578); aber eben die Art und Weise ist zu beachten,
in welcher er einige Proben solcher Schlüsse anführt‘"), denn einer
seits leuchtet ein ,' dass er sie doch nur unvollständig und gewiSS vom
hlossen Hörcnsagen kennt, und andrerseits ersieht man, dass dieselben
irgend in Schulen bereits geläufig gewesen sein müssen, indem sie nicht
wie bei Aristoteles mit blosser Buchstaben-Bezeichnung, sondern in den
aus Boethius (d. syl!. cat.) üblichen Beispielsworten angeführt werden.
lst aber somit unumstösslich nachgewiesen, dass, während man keinen
lateinischen Text jener betreffenden Bücher des Aristoteles besass, man
doch einzelne Hauptpunkte der ersten Analytik kannte, so erhalten nicht
bloss jene anderen vorhin erwähnten Einzelnheiten eine bestärkendc
Beleuchtung, sondern wir können auch nur auf diese Weise noch eine
weitere Stelle des Abälard richtig und vollständig verstehen, in welcher
derselbe sagt, er wolle über die mangelhaft behandelten vier letzten
Kategorien keine ergänzenden Erörterungen hinzufügen, um nicht etwa
iy Contlict mit aristotelischen Schriften zu kommen, welche in lateini
scher Sprache niclit vorhanden seien mh d. h. der Grund seiner Vor
17) Ehcnd. p. 319 f.:. contingit autem aliquando modales (s. Abschn. XII, _
Anm. 119.) enuntiationes simplicibus aggregari in modis suprapositarum figararum.
sicut in Analyticis suis Aristoteles oskndil; in prima quidem hoc modo „omne iustum
possibilc est esse bonuml onmis virtus iusta est, omnem igitur virtutem possibile
est bonam esse“,- similiter et necessarium et verum per modos singulos (Abschn.
lV, Anm. 565 lf.); sic quoque et in secunda figura contingitg si quis enim istas
concedat nnullum malum possibile est esse bommt, omne iustum possibile est bonum
esse", huic quoque non contradicet unullum iustum est malum“; idem in ceteris
modis accidit (obeud. Anm. 571.); tertiae quoque figurae sic adiungunturz „omne
bonum possibile est iustum esse, omne bonum virtus estf quandam igitur virtutem
possibile est iustum esse“; sic et in ceteris (ehend. Anm. 572.). videntur quo
que syllogismi ez solis modalibus veraciter coniponi; si quis enim dicat „onme quod
possibile est mori possibilc est viverrg omnem autem hominem possibile est mort,
omnem igitur hominem possibile est vivere“, recte primum primae figurae modum
perfecisse videtur (ebend. Anm. 559.). Eine so bestimmt formulirte Angabe einer
solchen Combinationswcise durch die drei Figuren hindurch konnte unmüglich aus
jener leisen und unbestimmten Andeutung entstehen, welche einmal Boethius (d.
syll. hypolli. I‚ p. 613.: Oune cum ita sint, si haec eadem ratio ad contingentcs
et necessarios referalur, idem in necessariis et contingentihns invenituryober das
blosse Vorhandensein solcher Syllogismen gibt, sondern das Ganze beruht auf einer
wenigstens fragmentarischen Kenntniss der ersten Analytik, welche ja auch Abälard
selbst als Quelle bezeichnet. Dass aber dergleichen in den Schulen vielleicht nur
zur Erklarung des Buches d. interpr. beigezogen wurde, liesse sich etwa daraus
schlicssen, dass Ahalurd unmittelbar fortfahrt: Tales namque etiam syllogismosl
qui videlicet ex solis modalibus componuntun Aristoteles disposuisse invenitur ; ut ‚
enim ostenderetj quod id quod futurum est necesse est ficri, tale praemisit argu
mentum in primo Periermeuiass uquod futurum ext, non potest non ficri, quod
autem non potest non ficri, impossibile est non fieri etc.“ (d. h. Boelh. ad d. in-.
terpr. p. 365.).
18) Ebeud. p. 399.: Dr contrarietate autem in vi proedicamentorum nihil
onmino in textu Praedicamenlorunu quem habemusl determinavit (so. Aris!otcles)‚
horum scilicetz Onandu, Ubi, Silus, Habere. ivec nos quidem quod auctoritas in
determinalum rctiqait, dctcrntinarc praesumemus ; ne forte aliis eins 0perilms, quae
latina non novit eloquential contrarii reperiuniun (Vgl. Anm. aug dass aber die
104 x1v. Das vervollständigte Material.
Sicht liegt darin, weil er nicht wissen zu können glaubte, wie Vieles
etwa aus anderweitigen nicht recipirten Büchern des Aristoteles in spo
radischer Weise i'uchbar geworden sei, und er sonach die Möglichkeit
einer ihm unlieben Berichtigung durch Andere scheute.
Man halle also zur Zeit Abülards schon Einzelnes aus den bis dahin
unbenützten logischen Quellen kennen gelernt, und zwar, wie wir sahen.
durchaus nicht ausschliesslich durch die alte boethiauische Uebersetzung,
sondern auch durch neue Uebertragungen. Die Belege aber für die
Richtigkeit dieser Thatsache begegnen uns von Schritt zu Schritt reicher
und intensiver. Sowie wir nemlich gewiss nicht irren, wenn wir auch
das Aufkommen von Fragen und Controvcrsen, welche die Genesis des
Wissens betrelTen (s. unten Anm. 79 f.), auf eine Kenntniss einiger
Kernstelleu der zweiten Analytik reduciren 19), so führt uns eine noch
bestimmterc Notiz selbst auf einen einzelnen Mann und zu einem chro'
nologischen Anhaltspunkte, indem Adam von Potit-Pont (Näheres über
ihn unten Anm. 440 il‘.) es war, welcher oll‘enbar mit eben jenen
aristotelischen Hanptwerken stch beschäftigte und besonders die erste
Analytik in einer i. J. 1132 verfassten Schrift verarbeitete tutam-enifm
wobei er sich einerseits ein Verdienst durch Erweiterung der lt)ngth
Quellen erwarb, andrerseits aber durch die Schwierigkeit seiner philo
sophischen Sprache manchen Tadel zuzog ioy Hiedurch aber gewinnen
hier noch vermiedene Ergänzung alsbald von Gilbcrtus l’orrelanus wirklich beige
bracht wurde, werden wir unten sehen, Anm. 488 fl‘.).
19) Die Schrift De intelleclibus, welche nicht, wie man unrichtig glaubte (s.
unten Anm. 416.), von Abalard selbst, sondern von einem Schüler und Anhänger
desselben berruhrt, bespricht die Begriffe scnsus, imaginatio, exislimotio, scientia
in einer Weise (Näheres unten ebend.), dass kcinenfalls die etlichen Bemerkungen
des Boelhius d. intei-pia p. 298 f. die alleinige Veranlassung gewesen sein können,
sondern das Ganze nur auf Anal. posl. l, 31. u. 33. ll. ll, 19. (Abscbn. lV, Anm.
51—84.) beruhen kann. Ucbrigens muss auch hiebei eine andere Uebersetzung
als jene des Boethius benützt worden sein, denn Letzterer (p. 543. u. 547.) über
setzt d‘o'L-‘rz und doäägew nicht mit existimarc und existimatio, sondern mit opi
nari und opinatio (s. unten Anm. 628.).
20) latu Saresb. Metal. ll, 10, p. 80. (cil. cum sagt zunächst über diesen
Adam: unde ad magistrum Adam, ocntissimi' virum ingenii et, quidquid alii sen—
tiant, multarum litterarum, qui Aristotcli prae ceteris incumbebats familiaritatem
contraxi ulteriorem, womit wir, um die Worte „multorum litterurum“ und „Ari—
stotcli incumbcre“ richtig zu verstehen, jene Stellen in Verbindung bringen müssen,
in welchen Johannes die neu erwachende Benutzung der aristotelischen Hauptwerke
dem einseitigen und ausschliesslichen Studium der Schriften des Boelhius gegen
überstellt (s. unten Anm. m u. 56 ff). Sodann aber, wo Johannes (ebend. lV‚
3, p. 159.) die erste Analytik selbst bespricht und die sterile Sprache derselben
tadelt (s. unten Anm. 569.), fährt er fort: unde qui Aristotelcm sequuntur in tur
batione nominum et verborum et inlrimtu subtilitalc, ut suum oindicent, aliorum
obtundant ingenia, partem pessimam mihi praectcoisse videnturv quo quidem vitiu
Anglicus nusler Adam mihi prae ceteris t‘t'sus est luliorasse in librol quem „Artem
disserendi“ inseripsit. EI ulinam bene rlixisset, bona quae dixit; et licel fami—
liares eius et fautores hoc sublilitati adsoribunt, plurimi tamen hoc est dcsipimtia
et invidentia nuni, ut uiunl, hominis contigi'sse inlct'prclati sunl. Adco euim ez
pressit Aristotelcm intrit‘alione vorkommt, ut sobrius auditor recte subiungat .‚nomie
hoc spumosum . . . . .."' Habenda est tamen auctoribus gratis, quia de fonte eorum
haurientes labare dilamur alii-nm 'Die Jahreszahl aber dEr Entstehung dieser Ars
disserendi führt Cousin (Frogm. d. philos. du mog/eri-iige. Par. 1855. p. 335.) aus
XIV. Das vervollständigte Material. los
.
wir auch das Resultat, dass Abalard sein umfaSsendes Werk über Logik
noch vor d. J. 1132 (—— woferne diese Jahreszahl richtig überliefert
ist —-) ausgearbeitet haben muss, denn ausserdem hatte er Adam‘s
Schrift Sicher, erwähnt und benützt. r „p.“
_ Somit ist es uns nicht auffallend, wenn Gilbertus Pnrretanus (s.
über ilin unten Anm. 455 Il'.) auf die Analytik wle auf ein bereits cur
sirendes Buch vcheistN), und die Notiz, dass Otto von Freising, der
theologische Anhänger Gilbert’s, die Analytiken und die Topik nebst den
literae-hi ziemlich als'der erste nach Deutschland oder specieller nach
Baiern gebracht haben), ist uns gerade durch die ausschliessliche Her
vorhebung jener drei Werke ein schlagender Beleg für die damalige
Vervollständigung der Quellen-It'cnnlniss, daher wir auch unbedingt an
nehmen, dass Otto jene Schriften nicht etwa aus Italien oder aus dem
Oriente, wohin er in seinen späteren Jahren reiste, sondern aus Paris
von seiner dortigen Studienzeit her mitbrtwhte, denn auf französischem
Boden wurden jene Kämpfe der Logik geführt, zu welchen die erwei
terte Kenntniss des A'fistoteles beitrug. Ob aber die boetbianische oder
eine andere neue Uebersetzung es gewesen sei, welche so eine Ver
breitung fand, lässt sich nicht entscheiden; in Frankreich mochte viel
leicht eher Boethius ans Licht gezogen worden sein, denn ein dortiger
‚Anonymus aus dem 12. .lahrb. kennt denselben wenigstens als Ueber
setzer der beiden Analytiken 23); hingegen in Italien müssen Handschrif
ten jener boetbianischen Uebersetzungen entweder gänzlich gefehlt haben
oder äusserst-seltcn gewesen sein, da noch im 15. .lahrh.v der littera
risch höchst gebildete Leonardus von Arezzo behauptet, Boethius habe
einer Handschrift von St. Victor an: Le „De arte dialecti-calr lul compose en llannee
1132, c'est ce que nous apprend te titre „Anno ucxxxn ab incarnatione Dumim'
editas liber Adam de arte dialectica/r i v
21) Gilb. Porr. d. sex princ. c. 7 (Arist. Opp. laline, Venet. 1552, Vol. I,
[oL 34.): Et quidem dc principiis haec dicta su/ficiant, reliqua vero in eo quod
de Analyticis est quaerantur volumine
22) liadroich1 d. gcsL Frider. ll, lI. (ed. Urslis. p. 513.): Litlerali scientia
non mediocriter aut vulyuriter instructus (so. Otto) inter episcopos Alemaniae vel
primus rrl inter primas habebaturi intantum ut praetor sacrae paginae cognitionem
cuius secretis et sententiarum abditis prarpollclmt, pliilosophicorum et Aristutelicorum
librorum subtilitatem in Topicis, Analyticis atque Elenchis fere primus nostris finillus
apportaceriL Wahrscheinlich liegt hierin auch die Quelle jener Handschriften,
welche in der Basler Ausgabe des Boethius benützt wurden (nemlich eine Amer
bnehischey eine aus St. Georgen im Schwarzwalde, und eine ans dem Besitze des
Glareanns, also sämmtlich aus der gleichen Gegend), denn aus Italien waren für
jene drei Werke schwerlich Handschriften zu bekommen, s. Anm. 24.
23) Aus einer in Aleneou befindlichen Handschrift des 12. Jahrh. veröffent
lichte Haraisson, llapports sur les liil/liotheques etc. Par 1841, p. 404 ff. eine kleine
metrische (übrigens unbedeutende) Schrift über die sieben Iiünste, woselbst be
züglich der Logik gesagt wird: Dialet'licu di/finil ct discernitj diuidit et asse
rit, Ratioi‘inari polens, rincens invineibilis. Quam lampas rlrtrifimril Manliani Inminis,
Translulit hanc resoltrendo binis Analecticis (vgl. vor. Abschn., Anm. 288. u. unten
Anm. 569.). lntroduccns lsngogas binis connnentoriisg Et idem Kalcgorias cum Pe
riermeniis. Topica cum Sillogismis atque bilfcrcntiis. Di/finiliunum librum cum Diri
sionibus Explicaril addens unum Propositionibus Wenn wir unter den Propositiones
die Introd. ad sylL cat. und unter Topira die aristotelische Topik verstehen, hatten
wir hier den ganzen Boethius vollständig.
me XIV. Das vervollständigte Material.
nuy-h
hloss den Porphyrius, die Kategorien und d. interpr. übersetzt 24);
wenn daher der durch anderweitige Uchersetznngen bekannte lturgundio
von Pisa‚ in der zweiten Hälfte des 12. ‚lahrh.‚ den llubm des Aristo
teles aus der zweiten Analytik rechtfertigt und begründet“). so ‚dürfte
derselbe wahrscheinlich entweder nur eine neu angefertigte Uebersetzung
oder sofort das griechische Original vor Augen gehabt haben. „
Noch deutlicher aber und zugleich reichhaltiger sprechen die Mit
itheilungen bei Johannes von Salesbury, dessen schriftstellerische Thätig
keit nur drei Jahrzehnte von jener Abülard’s ‚entfernt ist (obige Anm.
eo im Zusammenhalte mit unten Anm. 535) und bereits das ganze Or
ganon umfasst (s._ Anm. ses-z ll'.). Zunächst erfahren wir durch ihn,
dass Mehrere es vorzogen, auf chen jene neu erschlossenen Haupt
werke des Aristoteles nicht näher einzugehen, sondern mit Vorliebe
sich immer nur noch auf die „alle“ boethianische Tradition zu beschrän
ken ubi dass dieses Diejenigen waren, welche trotz aller Berührung
mit den bereicherten Zeitanschauungen dennoch über den Streit betreffs
der Universalien nicht hinauskamen, werden wir unten (Anm. 56 ll'.)
sehen. Auch klagt Johannes ausdrücklich darüber, dass die zweite
Analytik so üusserst selten in Gebrauch sei, was sich wohl durch den
schwierigen Stil des Verfassers entschuldigen lasse, wobei jedoch Vieles
auf Rechnung der Abschreiber oder, wie „die Meisten“ glauben, die
Hauptschuld füglich auf den Uebersetzer falle”). Sowie aber aus dieser
m Leon. Bruni Arretini Epist. ed. L. Mclms, Flur. 1741. L. lV, Ep. 22. (wo
selbst es sich um die Controverse über eine Uebersetzung der arist. Ethik handelt):
Nultnm enim ltoetii interpretationem habemus praeterquam llorphyrii et llraedicamen
torum et Pm-ihermenias tibrorum, quos si accurate lcgcs, etc. (Leonardus v. Arezzo
war geboren l369‚ stnrb um
_25) Joh. Saresb MetaL xv. 7. (p. 163. cd. Gitcs): fuit autem (so. llber poste
riorum Analytirorum) apud lleripateticos tantae auctoritatis scientia demonstrandit
ut Aristoteles, qui alios fere omnes et fere in omnibus philosopble supernbat, hinc
commune nomen sibi quodam proprietatis iure vindicareh quod demonstrativen: tra
diderat disciplinam (vgl. Anm. 27.),- ideo animi ut aiunL in ipso nomen philosophi
scdit; si mihi non creditum audiatur vel burgundia Pisanusy a quo istud accepi.
Es ist diess sicher der berühmte. i. J. uae verstorbene. Jurist dieses Namens (s.
uber ihn Sarigny, Gesch. d. B. K. i. Mittelalter, IV, p. 335 tl‘.)‚ welcher wieder
holt in Konstantinopel gewesen war und nicht bloss mehrere in den Pandekten
vorkommende griechische Stellen, sondern auch vieles Theologische (von Chrysa
slomusa Basilius, Joh. Damasccnus) lind den Nemesius d. nat. hom. übersetzte;
möglich wäre ja, dass er setht eine Uehcrsetznng der Analytik versuchte; mit Be
stimmtheit kann diess allerdings aus den Worten des Joh. Selesb. nicht gefolgert
werden.
' 26) Ebend. c. 17, p. 183.: ceterum contra aus, qui veterum favore potioros
Aristotelis libros ezcludunt lloelhio fere sola contenti, pussmit plurima allegori.
27) Ebend. c. 6, p. 162 f.: Posteriorum vero Analyticorum subtilis quidem
scientia est et paucis ingeniis pervia Dgz'nde haec uti-ntiam raritate iam fere
in desuetudineni abiit. eo quod demonstrationis usus eia apud solos niatliematicos
est Ad haec liberi quo demonstrative traditur disciplina (vgl. Anm. 25.), ceteris
longe turbatior est transpositione sermonumy traiectionc litterarum desuetudine exem
plorumj quae a diversis disciplinis mutaata sunL Et postremo quod non attingit
auctorem, adeo scriptorum depravatns est vitio, nt fere quot capita tot obslaeuln
Iiabeat; et bene quit/enti ubi non sunt obstacula capitibus plura. Undc a plcrisqur
in interpretem di/pcultatis culpa refunditur asicrentibus. lib/um ad nos non recte
translatum pervenisse. Welcher Uebersetzer ist hier gemeint, Boethius oder ein
Anderer?
xiv. Das vervollständigte Material. ' 107
v
Klage natürlich erhellt, dass man jene Bücher kannte. so wird hinwie
derum berichtet, dass die lange vernachlässigte Topik des Aristoteles
eben damals gleichsam vom Tode erweckt werden sei’s), und an die
Angabe, dass diese ßeiziehung der Topik auch wieder ihre Gegner ge
funden habe, knüpft sich die Notiz über einen uns weiter nicht he
kaunten Droge i'n 'l‘royes, welcher oll‘enbar die 'l‘opik nach dem Muster
der aristotelischen bearbeitete '39). Was aber nun insbesondere die Ent
stehung neuer Uebersetzungen betritl‘l, so folgt allerdings aus einem
Briefe des Johannes sehr wenig, in welchem derselbe sich aus Constanz
Abschriften aristotelischcr Bücher überhaupt und ausserdem wegen mög
licher Unzuverlässigkeit des Uebc’rsetzcrs auch die Hinzufügnng von Noten
erbittet”). Hingegen von grosser Wichtigkeit ist, dass er eine Stelle
sowohl in der boethianischen Uebersetzung als auch zugleich in der
„neuen“ anfübrt 31), und sowie diese letztere sich durch grössere Wört
lichkeit unterscheidet, so hatte sich Johannes überhaupt eine ganz he
stimmte Ansicht bezüglich der Uebcrsetzungen gebildet (nemlich nur
wenn dieselben sich so enge als möglich nach einem festen Gesetze an
das Original anschliessen, sei ein Verständniss möglich, welches vor
jeder Einseitigkeit durch eine „ratio indifl'erentiae“ bewahrt bleibe), und
er sagt, es habe dieselbe damals durch eincn der beiden Sprachen
kundigen Griechen aus Severinum, d. h. aus Szöreny in Ungarn, ihre
Bestätigung und Empfehlung gefunden a2). Jene ratio indilkrentiae selbst
nun berührt uns hier noch nicht, sondern dieselbe wird sich uns in
asl Ebeudv lll, 5, p. 135.: Ouum itaque tam evidens sit utilitait Tupicorum,
miror quare cum aliis a maioribus tamdiu intermissus sit Aristotetis Iiber, ut omnino
aut fere in desuetudinem abieritl quando aetate nostra dilu/cutis ingenii pulsanle
studio quasi a morte vel a somno excitatus estl ut reroraret errantes et niam ueri
tatis quaerentibus apcrireL .
'29) Ebcud. IV, 24, p. l8l‚: Satis ergo mirari non possum. quid mentis babe
ant, si quid tamen habeanh qui haec Aristotrtis opera carpuut. Magister
Theodoricus, ut niemim', Topica non Aristotelisr sed frecassini brogonis irridrbul.
eadem tamen quandoque docuitc quidam auditores magistri koberti de Melidunn (s.
unten Anm 453 f.): librum hunc fere inutian esse calumniantur.
30) Epist. 221. (ll, p. 54 f. cd. Gilcs): libros Aristotelisl quos haben's, mihi
faciatis ezscribi.....precor etiam iterata supplicationefquutenus in operibus Ari
slotelis, ubi dif/icitiora fuerint. uolulus faoiatisy eo quod interpretem aliqualenus
suspeclnm haben, quia licet eloquens fuerit alias, ut saepe audivip minus tamen
fuit in grammatica institutus
31) MetaL lL 20. p. 108.: „Gandcant“, inquit Aristoteles, „spezies, monstra
enim saut“ (so bei Boeth. p. 537.), vel secundum novam translationem ncicadaliones
enim sunt, aut si sunl, nihil ad rationem/l So erscheint der Unterschied der
Uehersetznngen an dem Worte rrge'rlaynra in der bekannten antiplatonischcn
Stelle des Aristoteles (Anal. post. l, 22, s. Abschn. lllv Anm. 66.). in deren An
führung wir wieder eine Bestatignng dafür erkennen, dass gerade derartige poin
tirte Wendungen leichter in Umlauf kamen.
32) Ebend. lll. 5, p. 135.! Satis enim inter ceteras quae translationis arctis
sima lege a Graecis traau sunt. planus est (u. dristnletis liber Topicorum, s. oben
Anm. 25.), ita tamen ut facile sit auctoris sui slilum agnosrere, et ab iis dumtazat
fidelitcr itttclligalur, qui sequuntur indifferentiae ratiournL sine qua nemo unquam
nec apud nos nec apud Sraecosr sicut qraecus interpres natione Seeeritanus dicere
consucremt, Aristotelem intellexiL Da wegen der Bezeichnung .‚graecus" nicht an
St. Sever in Frankreich gedacht werden kann, so scheint nur jencs Severinum in
Ungarn übrig zu bleiben. v
i
in
ms XIV. Theologie. Pseudo-Boethius De trinitate.
die Darstellung der Logik des Johannes von Saleshury verflechlen (Anm.
574 ll‘.); wohl aber gehört bieber, dass derselbe. im Zusammenhänge
biemil auch noch einen zweiten Ueberselzer (zwar gleichfalls ohne
Nennung des Namens) erwähnt, welchen er in Apulien‘kenncn gelernt
habe 38). Wenn aber, wie diese wichtigen Stellen bezeugen, im byzan
tinischen Reiche und durch Griechen ‚in Unteritalien die Entstehung
neuer Uebersetzungen gefördert wurde. und Solches zur Kunde der
Logiker in Paris oder in England kam, so lüge hier eine erste, Wenn
auch vorübergehende Spur eines Einflusses aus der Zcit der Anna
Comnena vor (s. folg. Abschn.). — Endlich mag noch, gleichsami zum
UeberlluSse, erwähnt werden, dass bei Johannes neben Citateu, welche
völlig wörtlich mit der Ueberselzung des Boethius übereinstimmen, sich
auch solche finden, welche wenigstens als ungenau bezeichnet werden
müssen, woferne sie nicht von vorneberein anderswober geschöpft
sind 34). '
Ist hiemit hinreichend bewiesen, dass die Kenntniss der logischen
Quellen schon vor der schriftstellerischen Thältigkeit Abälard's wenigstens
in Einzelnheiten bereichert wurde und dann allmälig bis zur Zeit des
Johannes von Salesbury sich vervollständigte (für letzteres werden
sich uns noch manche einzelne Belege ergeben, s. Anm. 78, 219 L),
so kennen wir nun das entscheidende Moment, aus welchem damals ein
nach lntension und Extension gesteigerter Betrieb der Logik hervorgehen
musste. Eine mitwirkende Macht jedoch lag für jene Zeit hiebei durch
ein erklärliches Wechselverhältniss in der dogmatischen Theologie, denn
sowie schon dem Scotus Erigena und dem lloscellinus gegenüber die
Orthodoxie auch in logischen Fragen auf ihrer llul gewesen war, so
zog man im gleichen Interesse jetzt, als die Dialektik lebhafter und
selbstständiger eigene innere Kämpfe zu durchleben begann, auch Man
ches aus der theologischen Rüstkammer hervor," damit im Streite der
logischen l'arteien das Dogma unbelleckt bewahrt bleibe, wobei, da
die streitenden Dialektiker sämmtlicb Kleriker waren, es nicht fehlen
konnte, dass nicht auch dogniatischer lnhalt in die Logik hinüberspielte.
Vor Allem war es die 'l‘rinitälslehre, welche ja schon früher bei dem
Auftreten des Boscellinus such geltend gemacht hatte, nun aber in ver
stärktem Maasse auch 'positiv einZUgreifen begann, und nie Geschichte
der Logik ist hier in dem Falle, ein theologisches Produkt berühren
zu müssen, welches durch eine gewisse Forinulirung logisch-ontologi
scher Grundsätze in jener Zeit in den tloiitrovei'sen der Dialektikcr mit
wirken konnte. Es ist diess l’seudo-Boethius de trinitate, wobei
natürlich nicht ohne Einfluss war, dass man gerade den Boethius, den
Repräsentanten aller Logik, für den Verfasser hielt”). ln eben jener
33) Ehend l, 15, p. 40.1 non pigcbil referre nec [orte audire displicchil, quod
a ymeco inlrrprclc et qui latinam linguam commode unverat, dum in Apulia morarcr.
nur n‘ etc. _
l34) Zu ersteren geboren Melal. ll. 15. p. 86. (Top. l, ll. bei Bocth. p. 667.)
und ll. ‘20, p. llO. (Anal pn l. 27. b‚ Boom p. 490.). zu letzteren ll. a p. 76
(Top. l, 11y Rocth. p. 657.). ll. 20. p 100. (Supli. EI. 22, iiocl/u p. 750.). lll. 3.
p. 126. (Top l, 9. kuellL p. 666.).
35‘ lcb sage „l’seudo-Boethius“; da ich jedoch den Theologen die Fürsorge
XIV. Pseudo-Boethius De trinitate. 109
Zeit nemlich, d. h. seit Ahalzmlaujy häufen sich die Anführungen aus
jenen vier Büchern über die Trinität, und Gilbertus Porrelanus beglei
tete dieselben mil einem umfangreichen Uommentare, so dass es kaum
mehr möglich war, in den betreil‘enden Fragen sie zu umgehen. Haupt
sächlich aber gehören bezüglich eines Einflusses auf die Logik jene
Axiome hieber, welche der Verfasser am Anfange des 3. Buches an die
Spitze stellt, um aus ihnen im weiteren Verlaufe seine Beweise aufzu
„bauen. D‘ieselben 87) beziehen sich nach Vorausschickung einer Definition
der communis conceplio auf den in der Theologie üblichen Unterschied
zwischen Essenz (ot’ioi'a) und Existenz diceremus-x da zu letzterer noch
die Form des Seins hinzukommen mÜSse‘und bei ihr hiedurch ein T_heil
haben eintrete, sowie die Möglichkeit eines Ansichhabens sich ergebe,
was sodifim zur Unterscheidung von Substanz und Aceidens führt und
eine Doppeltheil jenes Theilhahens begründet; dabei aber wird auch
auf die Einheit hingewiesen, in welcher bei einfachen Wesen, im Un
terschiede von den zusammengesetzten, die Wesenheit und die Existenz
verbunden sind, und zuletzt eine natürliche wesens-verwandlschafl in
nerbalb der entfaltetenVerschiedenheit in Aussicht gestellt. Diese Grund
sätze, deren theologisch-dogmatische Verwendung uns hier nicht berührt,
wurden bald auch von Dialektikern als „regulae“ neben anderen „aucto
rilalesu citirt, und in onlologischen Punkten mochte mancher Logiker
von vornehereiu sich hüten, gegen diese Axiome zu verstosse'n’,"da
ausserdein bedenkliche Consequenzen bezüglich der 'l‘rinitüt hätten drohen
können. So kam es, dass hierin nicht etwa bloss die Logik auf Theo
logie reicher angewendet wurde1 'sondern auch dogmatische Momente
direct den Betrieb der ontologisehen Seite der Logik beeinflussten.
Ein eigenthümliches Verhältniss liegt in dieser Einmischung aller
dings, und es ist merkwürdig, wie in jener Zeit, Welche zu einer
klaren und besonnenen Trennung der Gebiete (etwa im Sinne des Chri
für ihre eigene Litteratur-GeSchicbte überlassen muss, so kann ich hier nur so
viel bemerken, dass jene vier Bücher dc lrim'tale, wie aus triftigen Gründen er
hellen dürfte. nicht vor dem 9. Jahrh. entstanden sein können. Die Abhandlung
vnn Gusl. Bauer, De Beet/n'a christianae doctrinae ussertore (Damm. 184l. 8.)‚ beruht
auf einer zu wenig umfassenden Ki-nntniss der einschlägigen mittelalterlichen Lit
terntnr.
36) Z. B. lntrod. ad Tlu'ol. l.‘ 25, -p. 1039. Amlwcs.
sn Bocth. Opp. fed Basil. 1570), p. 1181 f‚: lloslulasv ut ca: Ifelidomndi/ms
(unter diesem Titel wird die Schrift bei Späteren auch cilirt, s. z. B. Anm. 51-1.)
nosln‘s' eius quaestionis obscuritateni..... iligcrum. Ul igitur in mat/iemutica
fim‘ nitet ccte'n'squc etiam disciplinisl proposui trrminui regufasque, quibus cunrtu
quae sequuntur ef/iciam. 1) "Commum's animi conceptin est enunli'alio, quam quis
que probat auditam 2) Dit'trsum est esse et id quod est ‚ ipsum enim esse
nondum m, at vero quod ext, ‘accepla essem/i forma est atque consisliL 3) Ouud
mit, participare aliquo polesl, sed ipsum me nullo modo aliquo participat 4)
lrl quod esl, halitu-i- aliquid praeterquam quod ipsum es! polesl, ipsum vero esse
nihil aliud prueler se habet arlmislum. 5) Diversum est esse aliquid et esse aliquid
in eo quod Ist, illic enim acridcns, hic substantia siym‘ficatur. (i) omne quod esl,
paiticipat eo qua est esse ut sit, alio vero purticipat ut uliquid sit 7) omne
simplex esse suum et id quod est, unum liulnt 8) Omni composita aliud est esse,
uliud ipsum esL 9) Omnis divi-nitas est discors, similitudo vero quaedam appe
tendo esl, et quod appelit aliud, late ipsum esse naturaliter ostenditura quale cst
illud ipsum quod appelit.
llo XIV. Theologie. 5
stian Thomasius oder des Pierre Bayle) natürlich nicht befähigt war,
dennoch die lncommensurabilität der theologischen und der logischen
‚Wahrheit ausgesprochen wird, während man das Unvereinbare gleich
zeitig betrieb. Ja gerade Abälard selbst, der Peripateticus I’alatimw,
gibt hiefür das beredteste Zeugniss, wenn er sagt, dass den Logikern
oder l’eripatetikern Gott unbekannt bleibe, da dieselben Alles unter ir
gend eine der zehn Kategorien unterbringen, Gott aber unter keine der
selben falle'u können), und während diess noch als der allgemeine
von Augustiuus her übliche Standpunkt der Theologie gelten könnte
(vgl. Scotus Erigena, vor. Abschn.. Anm. 120r.)‚ spricht Abälard eben
betrell‘s der Triniti'itslehre am deutlichsten aus, dass die llialektiker oder
Peri'patetikcr die gefährlichsten Feinde derselben seien 39), da sie auf
dem Standpunkte der Logik aus der Wesens-Einheit der dreitPersonen
auf individuelle Einheit und umgekehrt aus der Verschiedenheit der
Personen auf Verschiedenheit ihres Wesens schliessen 44"). Und in der
'l‘bat verträgt sich der aristotelische Begriff der individuellen Substanz
nicht leicht mit dem Dogma der Trinität, so dass strenge genommen
alle Logiker, welche an Aristoteles sich anschlossen, dem Vorwurfe der
Ketzerei nicht entgehen konnten.
So ist es erklärlich, wenn l'etrus Lombardus, während erden
Zusammenhang des Trinitäts-Streites mit der logischen Parleispaltung
bezeugt, zugleich jede Anwendung der Logik auf jene Hauptfrage der
Theologie abweist’“)‚ oder wenn sein älterer Zeitgenosse Bernhard
38) Abael. Theol. Christ. llly 3. p. 1271. (b. Marlcm-‚ Thes. non AnectL Vol. V):
Uuod autem illi quoque ductores nostriy qui maxime intendunt togicaeq illam summam
maiestateml quam ignotuni deum esse prohtentmn omnino ausi non sunt attingere aut
in numero rerum comprehendere, ex illorum scriptis liquidum est ‚- cum enim omnem
rem aul substantiae aut alicui aliorum gcneralissimorum subiicianty utique et deamy
si inter res ipsum comprehenderenh aut substantiis aut quantitatibus aut ceterorum
praedicamenlorum rebus connamerarenh qui nihil onmino esse (p. 1273,) oni tamen omnem rem aut substantiae aut alicui aelrioirpusims pcroanevidnicciatmuenn.t.omn
applicanh patet profecto a tractatu Peripateticomm illam summam maiutatem omnino
esse ezclusam.
sen Ebend. c. 1, p. 1242.: Supra universas autem inimicos Christi, tam haere
ticos quam iudaeos sine gentilesl subtilius fidem sanctae trinitatis perqairant et acutius
arguendo eonlendunt professores dialecticaej seu importunilas sophistarumy quos rer
Sbcoirmuums aqgumiidneemsataquPeerispeatremtoicniusm. qiunauendnatuinocnediableeacttuiscoesssaeppPellaltaomuisrlridneonndnoulilnodsicaett mari
mas haereses esse repressas etc.
40) Ebend. c. 2. p. nam Ouo in loco gracissimae et di/ficillimae diaiectico
rum quaestiones occurrunlg hi quippe et unitate essentiae trinitate-nt personarum im
pugnant ac rursus ex diversitatc personarum idcntitatem essentiac oppugnare laboranL
Horum itaque obiectiones primam ponamusy postea dissolvamusy worauf nun Abalnrd
dreiundzwanzig aus der Logik entnommene Einwande gegen die Trinitat anlziihlli
um sie hernach theologisch zu widerlegen.
41) Petr. Lomb SenL l, 19, 9. (f. 27. ed. Rasil. 1516): 'idrtur tamen mihi
ita posse um'pi, cum ait (sv. Augustinus) nsubstantia est commune et hypostasis est
particulari-np non ita haec accepih cum de deo dicanturr ut accipiantur in philoso
phica disciplinal sed pcr similitudinem eomm, quae a philosophis dicuntun locutus
csl: sicut ibi commune rcl universale dicitur quod praedicatur de pluribusy particulare
vero i-el individuam quod de uno solo. ita hic cssentia divina dicta est universale.
quia de omnibus personis simul et de singulis separatim dicitur. particulare vero sin
gula quaelibet personaruml quia nec de aliis communiter nec de aliquo aliarum singu
ad
Q XIV. Hugo v. St. Victor. 111
‘M\.„. —-. s
von Clairvaux (geb. 1091, gest. 1153) sich oIl‘en als Feind der Dialek
tik bekennt“). Ja auch der hervorragendste Vertreter jener Richtung,
zu welcher die eben genannten gehören, llugo von St. Victor (geb.
1097, gest. nm. steht eigentlich völlig ausserhalb jener reichhaltigen
Bewegung, welche damals in der Dialektik eintrat, und sowie er auf
die logischen Partei-(lonlroversen nicht mit einem Worte eingeht, so
hat l'ür ihn auch sein eigener platonischer Realismus kein logisches ln
teresse, sondern nur ein psychologisch-praktisches. Indem auch er eine
feindselige Gesinnung gegen die Dialektik hegte”), scheint er selbst
die allgemein zugängliche Litteratur der Logik verschmäht zu haben und
i‘iber einige Stellen des Marcianus Capella, lsiilorus‘und Boethius nicht
weit hinausgekommen zu sein“), so dass er, was den geschichtlichen
Fortschritt der Logik betritl‘t, sogar noch unter dem Niveau llerjenigen
steht, welche wir gegen Ende des vorigen Abschnittes besprochen
haben; da er jedoch sowohl der Chronologie nach hieher gehört, als
auch ein Hanptrepräsentant der consequentcn innerlichen Auffassung der
Theologie ist, so mag zum Gegensatze der bunt verschlungenen logi
schen Kämpfe, welche wir nun sogleich darstellen müssen, über Hugo's
Standpunkt in Kürze Folgendes bemerkt werden. Nur die Stellung und
Eintheilung nemlich der Logik ist es‚_ worüber derselbe sich gelegentlich
iuSSerL wobei das praktisch-ethische Motiv schon darin erscheint, dass
die drei Hauptzweige der Wissenschaft, d. h. theoretische, praktische
Diseiplin und Mechanik,.zur Abwehr ilreier Uebel, und zuletzt die Logik
um der Vollkommenheit des Sprechens willen erfunden sein sollen“).
lai-iter praedicatum I'rnpter "" " ergo prl-rr " l- L ‘ “ dei dixit
universale et personas particularia vel individua . . . . .. (c. 10.) Dicunmr enim aliqua
differre numeroy quoniam ita di/ferunt. ut hoc non xi! illud qualiter iii/ferunt
Socrates et I’lqu et liuiuxmodi quae apud philosophos dicuntur individua vel particu
Iuria, iurta quem modum non possunt dici tres personae differre numero etc. Dass
nbrigens auch Lombardus verketzert wurde, s. unten Anm. 478.
42) Z. B. Serm. 3. in die l'entcc. (Opp. ed. lllartenel Vene! 1567, /ol. lll, p.
94.) Nu‘mquid quia Platonis aryutiasy Aristutelis iiersutias intellexi aut ut intelligerem
laboravi? Absit inquam, sed quia testimonia tua exquisivi. Oder in Bezug auf das
jungfrauliche Gebaren Seim. ii. Viyil. latio (ebend. p. 21.): Ubi nunc Aristotelicue
.tubtilitatis facunda quidem sed infoetunda loquacilas?
aaj lie sap. an. t‘hrish', I'rol. (Opp. ed. Hotliomay. nm. foL lll. p. 59.):
Uuid enim hoc esse putatis. quod de rerum veritate tum diversa sentire solent homi
uns? Numquid nomina est veritas? lite-e quid est quod ilialeetita tot diversas et tarn
adversas, ne dicam pcrversas. habet sententias? Numquid omnes noverunt unum id
quod esl, sed amore fallendi diversa finzerunl? Non sic ego puto. Sud narrant quin
que somnia sua (d. h. die quinque voces) et eo, qua primum ipsi in se opinione de
cepti sunt. postmodum alios neseientes seducunL ‘
44) Es erhellt diess, abgesehen von dem Folgenden, schon aus der rohen
Angabe Didasc. lll, 2. (Opp. lll, p. 16 f‚): Plato primas logicum rationalem apud
graecos institaiL quam postea Aristoteles discipulus eius ampliavity per/m"! et in artem
redegit; Murevs Terenh'us Vorm primus dialecticam de graeco in latinum transtulity
poslea tim-o Topica adieciL Die Uiiellenstcllen für diese Gelehrsamkeit s. oben
Abschn. XIII, Anm. 27, 29, nm. u. besond. Abschn. VIII. Anm. 20. n. 25.
«15) Eßccrpt. prior. l, d. on'y. et discr. artiunu c. 4 (Opp. ll, p. 335): Tria
sunt remedia principalia contra tria praedicta mala . . . . ..‚ sapientia contra ignoranti-uma
virtux contra vitium. necessitas contra inlirmitatem . . . . . .. (c. 5.) I’ropler autem ista
tria remedia inventa es! omnia ars et omnis disciphna, propter invenieiuiom namque
sapientiam inventa est theorica, propter ineeniendam virtutem inventa est practica,
xf
- \ i.» v...—
ne XIV. Hugo v. St. Victor. l
Sowie aber letztere Wissenschaft der Entstehung nach die späteste sei,
so trete sie bezüglich des Unterrirhtes an die erste Stelle, da die Tüch
tigkeit im Sprachausdrueke die Vorbedingung zu allem Uebrigen sei 46).
In solchem Sinne bezeichnet Hugo die Logik als „sernwa'onalis“,' weil
dieselbe „de vocibusu handle“), und er theilt sie nun in einer Weise,
welche uns sehr an Scotus Erigena erinnert (vor. Abschn., Anm. 105),
derartig ein, dass nach der weiteren Bedeutung des Wortes 10'on alle
Kundgebung des Sprachvermögens zur Logik gehört, und dieselbe so
in Grammatik und logica rationalis zerfällt, welch letztere der engeren
Bedeutung des Wortes 1.6on entspricht und sodann im Hinhlicke' auf
die allverbreileten Stellen des Boethius nach der gewöhnlichen Weise
näher eingetheilt wird“).
Allerdings nun wäre es gewiss bequemer gewesen, in einer der
artigen Schablone die gesammte Logik von vorneherein almuthuny und
propter inveniendam necessitatem inventa est mechanica . Novissima autem omnium
inventa est logica causa eloquentiaey ut sapientesl qui praedictas principales discipli
nas investigath et unirent, rectius veraeius honestius illas tractare et disserere de
illis stimmt, rectius per grammaticalm ueracius per dialecticaml honestius per rhetori
cum; logica namque facundiae rectitudiucm veritatem venustatem administraL Fast
wörtlich ebenso Dtdasc. VI, 14. qow -lll, p. 39.), vgl. ebend. l, 6. (p. 3.) lly 2.
(p. 7.) lll, l. (p. 15.).
46) Didasc. l, 12. (Opp. Ill, p. 6.): Ceterae prius repertae fuerantl sed necesse
fuit logicum quoque inveniril quoniam nemo de rebus convenienter disserere polest, nisi
prius recte loquendi rationem agnoveriL Ebend. VI, 14. (p. 39.): istae tres usu
primae flammt, sed postea propter eloquentiam inventa est logical quae cum sit ini-en
tione ulli-may prima tamen exse debet iu doctrinæ lizccrpt prior. a. a. o. c. 23.
(p. 389.): In legendis artibus talis est ordo sereandusx prima omnium coruparanda
est eloquentia et ideo expetenda logica. deinde etc.
47) Didasc. Il, 2. (p. 7.): Phitosophia dividitur in theoiicamv practicam1 medie
nicumy et logicamg hae quatuor omnem continent scientiam . logica sennocioualis.
quia de vocibus traclaL liane divis-ionem Boethius facit aliis verbis (folgt die
oben, Abschn. XII, Anm. 76.. angeführte Stelle).
48) Ebend. l, 12. (p. 6.): Logica dicitur a graeco vocabulo löyog, quod nomen
geminam habet interpretationemg dicitur enim ldyog sermo sine ratio (s. lsidor. vor.
Abschn. , Anm. 27.), et inde logica serntocionalis sive rationalis scientia dici potest
logica rationalis, quae discretiva diciturs continet dialeclicam et rhetoricamy logica
sermocionalis genus est ad grammaticamq dialecticum et rhetoricann et continet sub se
dissertioamg et haec est logica sermociouatisv quam quartam post Iheon'cam, practith
et mechanicam annumeranms. Excerpt. prior. c. 22. (p. 339.): Loyica dividitur in
grammaticum et rationem disserendi ; ratio disserendi dividitur in probabilemy
necessariuml et sophislicams probabilis dividitur in dialecticam et rhetoricam. necessa
ria pertinet ad philosophos. sophistica ad sophistas (s_ Boethius, Abschn. XII, Anm.
82.): grammatica est scientia recte loquendi dialectica disputatio acuta verum a falso
distinguensy rhetorica est disciplina ad persuadendum quaeque idonea. ltidase. ll, eo
(p. 14.): Logica dividitur in grammaticum et in rationem disserendi grammatica
est litter-atis scientia .. .. ratio disserendi agit de vocibus secundum intellectus Ebend.
31. (p. 15.): Ralio disserendi integrales partes habet inventionom et iudicium (s. Boe
thius, Absehn. Xll, Anm. 76.), dieisivas vero "' cIratiomrm, pt ‘ m , ‚"' "
cum; demonstratio est in necessariis argumentis et pertinet ad philosophuml probabilis
pertinet ad dialecticos et rhetoricos. sophistiea ad sophistas e! canillulores; probabilis
dividitur in dialecticam et rhetoricam. quarum utraque integrales partes habet inven
tionem et indicium Ebenso ebend. lll. 1. (p. nam Die nemlichen Angaben kehren
in einer ‚.Epitomn in philosophiamu Hugo’s wieder, welche kürzlich llaureau (Hugues
de Salut-Vicmr, Nouv, examen de lledition de ses oeuvres. Paris iesu B.) herausgabs
s. daselbst p. 167 fl'.
„‚“„
- sua
.-l
XlV. Reichere Bewegung. 113
s.
Q
es hatten hiebei ‚auch die platonisch-christlichen Anschauungen sowie
die theologische Dogmatik in ungestörter Naivetät ihre unnatürliche
Allianz mil verküminerten und verschrobenen Resten des Aristotelismus
fortführen können. Jedoch der selbsteigene innere Trieb der Dialektik
war ja auch schon bisher selbst innerhalb der ecclesia docens wach
geblieben, und da nun, wie wir sahen, von zwei Seiten her, nemlich
einerseits gerade durch den dogmatischen Streit über die 'l‘rinität und
inarerseits durch sporadische und allmülig sich vervollständigende Kennt
niss der.his dahin unbekannten aristotelischen Bücher, eine gesteigerte
Anregung eintrat, so erhob sich jetzt neben aller Mystik der Schule
von St. Victor zugleich eine reiche und vielfach gespaltene Bewegung
auf dem Gebiete der Logik, deren Geschichte hier nach Maassgabe der
vorhandenen Quellen in eine ausserst schwierige Periode eintritt. Die
Schwierigkeit nemlich liegt zunächst darin, dass die uns zugänglichen
Berichte wohl vielfältig bis ins einzelnste Detail hinabreichen, aber da
bei in schlechthin fragnientariscber Form uns über alle verknüpfenden
Fäden im Unklaren lassen, wozu noch die Unbestimmtheit der üblichen
Bezeichnung „quidam“ oder des blossen Anfangs-Buchstaben des Namens
eines Logikers hinzukö‘inmt; und es wird so auch überhaupt, z. B. na
mentlich in Bezug auf jenes Fragment, Welchem Cousin den Titel „De
generibus et speciebus“ gab 49), die ohnediess schon missliche‘Unter
suchung mannigfach durch litte‘rarische Schwierigkeiten durchkreuzt;
ausserdcin ist'4mancher Berichterstatter an sich von geringerer Verlässig
keit, und wir stossen auf‘Widersprüche, welche in Folge des Mangels
an anderweitigen Quellen nicht genügend gelöst werden können.
Fragt es sich aber dann noch, wie dieses zerfahrene und lücken
hafte Material für die Darstellung verarbeitet werden solle, so konnte
ich bei der Unmöglichkeit, die einzelnen (meist nicht naher bekannten)
Autoren in geschichtlicher Abfolge zu entwickeln, nach vielfacher Er
wägung nur den Ausweg finden, dass ich die Zeit Abälard’s collectiv
darstelle,.und zwar so, dass in ähnlicher Weise wie im XI. Abschnitte
die zahlreichen Controversen nach der Reihenfolge der inhaltlichen Haupt
gruppen der damaligen Logik vorgeführl werden, wobei die verschiede
nen Meinungen über die lsagoge, d. h. der Streit über die Universalien,
einen ausgedehnteren Stotl’ darbieten, als die Erörterungen über die
übrigen Theile der Logik. Während aber so die-hervorragenderen uns
bekannteren Autoren an diese inhaltlichen Momente geknüpft werden,
musste ich allerdings hievon gerade bei Abälard eine Ausnahme machen,
dessen Ansicht über die Universalien doch wieder nur bei der Später
zu entwickelnden Charakteristik der gesammteu Dialektik Abalard’s ihre
49) Es musste eine schlimme Verwirrung zur Folge haben, wenn die franzö
snschen Gelehrten mit Cousin dieses Fragment für eine Schrift Abalard’s hielten;
H. Bitter hat hierin richtiger geurtheilt (wenn wir auch seiner Vermuthung über
den Autor selbst nicht beipllichten können. s. unten Anm. 146.); hingegen hat,
-—- um von Heussclot abzusehen, welchem bei Abfassung seines Werkes der 7. Band
Ritter's noch nicht vorliegen konnte —‚ auch Bemnsat und sogar Haurduu Ritter’s
Ansicht vollig ignorirt und im Anschlusse an Cousin auf jene Schrift Schlüsse
gebaut, welche der richtigen Darstellung des Streites über die Universalien nach
theilig sein mussten.
PHANTL, Gesch. II.
O
8
114 i XIV. Reichere Bewegung.
genügende Erörterung finden konnte, denn von ihm allein ja besitzen
wir eine fast den ganzen Umkreis der Logik umfassende Schrift. Doch
hielt ich eine solche Zertheilung der Goutroversen, soweit sie die Uni
versalieu betrell‘en, hier eben für das kleinste der unvermeidlichen Uebel.
Nach Ahälard können dann in gleicher Weise hauptsächlich Gilbertus
Porretanus und Johannes . ln Folge der oben avnognegSeableensebnuryGrfüolngdeen. nahm das Studium“ '
Logik, abgesehen von seiner allseitigen örtlichen Verbreitung, durchweg'
an intensiver Schärfe und Präcision zu, und man gewöhnte sich daran, ä
alle einzelnen Sätze oder Erörterungen durch das ganze damals zugäng
liche Material der Logik hindurch So genau als möglich zu erwägen
und nach verschiedenen Seiten zu beleuchten, wobei allerdings, da
eine eigentlich philosophische Basis gänzlich fehlte, nur eine einseitig
formale Spitzfindigkeit hervortreten konnte, welche ebensosehr zur zer
splittertsten Partetspaltung führen musste, als sie hinwiederum durch
diese genährt und bestärkt wurde, und vielleicht mag die Zahl der Ma
gistri, welche ‚in solcher Weise das ganze Gebiet der Logik, meist
mit polemiscber Erledigung gegnerischer Ansichten, durcharbeiteten, in
Frankreich allein nicht weit hinter einem Hundert zurückgeblieben sein,
Nicht zu wundern wohl ist es, wenn bei solchem Betriebe Diejenigen,
welche die Logik nicht von vorneherein aus theologischen Gründen
ängstlich scheuten, häufig heim ersten Eintritte in dieselbe in Verwir
rung geriethen 5°) g wirkt es doch auf uns selbst fast schwindelerregend,
wenn wir aus den fragmentarischen Einzelnheiten einen Rückschluss
auf das Ganze machen, welchem sie angehört hatten. Eine grosse Tau-y
schung ist es, wenn man die damalige Bewegung in der Logik mit den
zwei Worten „Nominalismus“ und „Realismus“ oder etwa noch mit Hin
zufügung eines dritten, nemlich „Gonceptualismus“, erledigen zu können
glaubt, denn erstens ist, wie sich zeigen wird, die Parteispaltung eine
weit mannigfaltigere, und zweitens bildet dieselbe nur einen Theil des
Gesammt-Betriebcs der Logik. _ eae
Wenn wir dem Johannes von Salesbury, welcher zwar häufig blass
nach allgemeinen Eindrücken und Vieles nur aus dem Gedächtnisse nie
derschrieb (s. unten Anm. 536), vollständig vertrauen dürfen, wäre
der Entwicklungsgang der Logik, welche entweder in Compendien (artes)
oder in Commentaren oder in blosser Glossirung bearbeitet wurde“),
in jenen Jahrzebenten im Ganzen folgender gewesen. Johannes nemlich
spricht von einem Gegner seiner logischen Auffassung, welchen er sym
bolisch Cornificius nennt (s. unten‚Anm. 528 ll‘.), und sagt bei dieser
Gelegenheit“), jene beliebte Manier, ohne ordentliches und mühevolles
50) Abael. Dialecl. b. Cous. p. 436.: Sed quia labor huius doctrinæ diutumus
fatigat leetoresg et multorum studia et aetates subtilitas nimia inaniter consumits
multi de ea diffidenles ad eius angustissimas fores non audeat accedere; plurimi
vero cius subtilitate con/usi ab ipso aditu pedem referunt.
51) 10h. Saresb. Metal. lll, Prof. p. 113. (ed. Giles vol. V.): Non in transitu
vel semel dialecticorum attigi sm'pta, quae vel in artibus vel in carnmentariis aut glossa
matilms scientiam parium aut retinent et reformant.
52) Ebend. l, l, p. 13.: Comifia'us noster studiorum eloquentiae imperitus el
improbas impugnator . .. .. (2, p. 14.) populum qui sibi credat habct, et ei . turba
XlV. Reichere Bewegung. ns
Studium ein Philosoph sein zu wollen, in Wirklichkeit aber nur ein
Sophist zu sein und Andere in blosser Sophistik heranzubilden, fliesse
aus jener Schule, in welcher man auf eigene Faust habe geistreich sein
wollen, indem man lediglich auf angebornes logisches Talent sich stützend
sich mit Controversen der läppischsten Art, z. B. ob eiu Schwein, wel
ches zu Markt geführt wird, von dem Stricke oder von dem Menschen
festgehalten werde, u. dgl.. beschäftigte, dabei aber stets in gespreiz
tem Dünkel mit etlichen Kunstworten der Logik um sich warf, —* eine
Richtung, welche ebenso intolerant gegen jede anderweitige Wissenschaft
und Bestrebung gewesen sei, als sie in ihrer Neuerungssucht und bei
dem raschen Uebergange vom Lernen zum Lehren sich bald in das
grösste Bunterlei individueller Ansichten zersplittert habe. Eine Folge
dieses halllosen 'l‘reibens sei nun gewesen 53), dass die Einen in welt
schmerzlicher Ueberzeugung von der Eitelkeit dieser Dinge in die Klö
ster sich flüchteten, Andere in Salern und Montpellier das Studium der
Medicin ergriffen, um nun diese Wissenschaft in gleicher rabulistischer
insipientium acquiescitl illorum tamen mazime, qui videri quam esse sapientes
appetunt . 3, p. lii tf.z sine artis beneficio .. . faciet eloquentes et tramite comperi
diese sine labore philosophus Eo aulem tempore ista Gorm'ficius didicit‚ quae nunc
docendo reservatj . quando in liberalibus disciplinis litterdwnihit erat et ubique spi
ritus quaerebatury qui ut aiunt latet in litterag Hylam esse ab Heraule, validum sci
licet argumentum a forti et robuste argumentatore .-....., et in hunc modum docere
omnial studium illius aetatis erat. lnsolubilis in illa philosophantium schqla tunc
temporis quaestio habebatur, an porcus. qui ad venalitium agilur, ab homine an a
funiculo lenculur,‘ itcm an capucium emerit, qui cappam integram comparavit. ln
eonilenicns prorsus erat oratio lv in qua haec verba nconveniensu et „inconvem'ens“, „ar—
gumenlum“ et „ratio“ non perstrepebant multiplicalis particulis negatiois et traiectis
per „esse“ et „non esse“, ita ut calculo opus ernst. quoties fuerat disputatunu .. .
Suf/iciebat ad victoriam nerbosus clamor, et qui undecunque aliquid inferebah ad pro
positi perveniebat metam. l’octae, historiographi habebantur infantes et si quis incuma
bebat laboribus antiquorum (d. h. der antiken Autoren, des Porphyrius, Boethius)‚
. omnibus erat in risurn. Suis enim aut magistri sui quisque incumbebat inventisg
nec hoc tamen diu licilum, quum ipsi auditores .. .. urgerenturl ut et ipsi spretis bis,
quae a doctoribus suis audiemnt, auderent et conderent novas secum fiebant ergo
summi repente philosophi, nam qui illiteratus accesseratz fere non morabatur in scholis
ulteriusy quam eo curriculo temp ts, quo ooium' pulli plumescunty itaque recentes
magistri e scholis pari tempore aaolabant Ecce nova fiebant omm'a, innovabntur
grammatical immutabatur dialecticaj conlomnebatur rhetorica. et novas totius quodrivii
vias evacuatis priorum regulis de ipsis philosophiae adytis proferebanL Solam „con
' " “ sive „rn" “ iq ‘ , „argumentam“ sonabat in ore omm'um, et
aliquid opemm naturae nominarepinstar criminis erat aut ineptum nimis aut rude et
a philosopho alienunL impossibile crcdebatur, convenienter et ad rationis normam
quidquam dicere aut facere. nisi „convem'entis“ et „ratiunis“ mentio expressim esset
insertay sed nec argumentum fieri " " ‚ nisi ‚n 'sso ' iuy ".
53) Ebeud. c. 4. p. 18 lll Alii namque monachorum aut clericorurn claustrum
ingressi sunt .. .. deprehendentes in se et aliis praedicantes-p quia quidquid didicerant
vanitas vanitatum est Alii autem Satcmum vel ad Montem llessutanum profecti
facti sunt ctientuli medicorum et repente quales fuerunt philosophil tales in momento
medici eruperunt . . Alii se nugis curialibus mancipaverunt ‚ ut magnorum virorum
patrocinio freti possent ad divitias adspirare Alii autem ad vulgi professiones
easque profanas relapsi sunt parum curantes quid philosophia doceat dummodo
rem faciant nsi possuntv reale, si non quocunque modo rem“ Hoc autem quasi
quadrinio . . .. evadebant illi repentini philosophi . . . . non modo triuii nostrit sed totius
quadrivii contemptores. ‚ab
at f" 8*
116 XlV. Beichere Bewegung. Alte und neue Logik.
Weise, wie vorher die Logik, zu betreiben, wieder Andere aber das
Leben an den Höfen der Reichen und Grossen aufsuchten, endlich An.
dere lediglich auf Gelderwerb denkentl sich in die niederen Sphären
des Lebens warfen (s. Anm. 530), kurz dass bei diesen Allen die Logik
und die Wissenschaft überhaupt in die grösste Missachtung fiel. Hier
auf aber, fährt Johannes fort 5‘), sei ein Aufschwung der freien Künste
durch Männer, wie Gilbertus l’orretanus, 'l‘heodorich (uns nicht näher
bekannt),_Bernhard von Chartres, Wilhelm von Conches, und vor Allen
durch Abälard eingetreten, wodurch eben jene Verächter tieferer und
ernstlicher Studien nnr zu Hass angestachelt und zu Schmahungen fort
gerissen worden seien; Schmihuugenl welche sie nun auch gegen An
selmus, Wilhelm von Champeaux, Hugo von St. Victor, Robert Pullus
u. A., sei es in logischer oder in theologischer Beziehung, gekehrt
hätten; die genannten Männer aber seien es, durch welche oder durch
deren Schüler er, nemlich Johannes, selbst seine Bildung empfangen
habe. ‘
Dieser Bericht aber des Johannes von Salesbury wird uns auSSer
seinem allgemeinen Inhalte noch insbesondere dadurch wichtig, dass
sich daran die Unterscheidung von nantiun und „rnoderm'“ (abweichend
von der Bedeutung dieser Worte bei- einem früheren Schriftsteller, s.
vor. Abschn., Anm. 326.) in dem Sinne anknüpft, dass letztere die eben
angeführten verdienstvollen Logiker, erstere aber jene spitzfindigen Sophi
sten der vorhergehenden Zeit sind 55). Und wenn wir hierin ein Vor
spiel _der späteren Trennung zwischen vetus logica und nova logica
erblicken, wornaeh von dorther der Bückschlu'ss statthaft wäre, dass
die antiqui sich bei der älteren Boethianischen Tradition der Logik
begnügten, die moderni hingegen dem aristotelischen Organon näher
standen, so bestätigt sich dieses entschieden durch das oben, Anm. ‘26,
Angeführte, sowie durch eine anderweitige deutliche Stelle des Johan
nes selbst m Ja ferner sagt derselbe, dass jene windige Gescliwätzig
54) Ebend. c. 5, p. il f.: Solebat magister (‚‘ilbertus eis arti-m pistoriam
pollieeri . Sed et alii viri amatores litteraan utpote magister Theodoricus. artium
sludiosisximus imvrslt'gator, i'lidem'l'r'illelmus de Lonchix, grommalicus post Bernardum
Carnotensrm opulcnlissimus, et peripateticus Palutinusy qui logic-ae opinionem praeri
puit omnibus coaetaneis suis, adeo ut solus Aristotelis crederetur usus colloquio, se
omnes opposuerunl errori . . ‚ . . . . Praediotorum opera magistrorum et diligentia rediemut
artes et quasi iure postliminii honorem pristinum uactae simt. Hinc indignatio,
quam adversus discipulos memoralorum sapientium roneepit Cornificii domus; . . . . ..
impudenter etiam obfuscure nilitur Anselmum el Radal/‘um nam de Allw—
rico liemenxi et Simone Parisiensi palam loquuntur willelmus de Campcllis er—
rasse convincitur scriptis propn'is, viz parcitur magistro Hugoru' de Sancto Victore,
‚ . . . .. Bodbertus Pullus diceretur filius subiugalis, nisi sedi apostolicæ defen-elitr
. . . . .. Ego autem fateor aliquos prac-missarum habuisse doclares et itidem aliorum
audisse discipulos et ab eis modicum id didicisse quod novi.
55) Ebend. l, Prol. p. 9.: Nam ingenium hebes est et memoria infideh'or, quam
ut antiquorum subtilitates percipere aut quae aliquando percepto sunt, diutius valeam
retinere . . . . .. Nec dedignalus sum, moderuorum proferre sententias, quos antiquis
in plcrisque praeferre non diibito. Vgl.‚ Anm. 219, 363, sn
56).Ebend‚ lll, 6, p. 138.: Non'.... inanem reputem operam moderner-um, qui
equidem nascenles et convulesæntes ab Aristolcle invenlis eins multos adiicimzl ralionex
et regulas prioribus aeque firmas; habemus gratiam peripatetico Palatino et aliis
ri'.‘
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i v :. i"?
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. m x1v. Alte und neue Logik. 117
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. ‚keit‚ als deren örtlichen Hauptsitz er einmal gelegentlich Paris bezeich;
{ä netm), aus einer Sjlbenstecherei hervorgegangen Sei‚'welche die gegen
z alle anderen Wissenschaften intoleranten Logiker viele Jahre hindurch,
.- ja während ihres ganzen Lebens unablässig in Zusammenstellung und
Bekämpfung aller möglichen Meinungen derartig übten, dass Mancher
selbst seine eigene Ansicth nicht mehr wusste 5”), wobei man dann um
des persönlichen Biihmes willen selbst die antiken Autoren versehmtlhte
und die übliche Ordnung der SchuI-Logik bei Seite setzte”). Und
endlich wird nun nochKausdriicklich bemerkt, dass dieser übermässige
‚ und bornirte Aufwand von Zeit und Kräften sich hauptsächlich um die
Isagoge drehte, bei deren Erklärung man den Streit über die Universa
‘lien für die einzig höchste Aufgabe hielt“), so dass ebensosehr zum
. . - ".‘l i i- ‘l'v ‚
a vl praeceptoribus „08215;- qui nobis proficere studuerunt vel in explanatimte veterum vel
in inventione nocorum.
57) epist 1St. ‘(voL I, p. 298. ed. Giles): Studiis tuis congrahdor, quum
agnosco ex sigan pcrspi‘öuis in urbe garrula einenlosa, ut pace scholarium dictum
sitl non tam inutilium nryumentationum locos inquirerel quam virtutum Doch könnte,
. da der Magister liadulfus Mbery an welchen dieser Brief gerichtet ist, uns nicht
naher bekannt ist', unter der urbs ventosa möglicher Weise auch Avignon zu ver
stehen sein, denn sprichwörtlich sagte man „Accm'o ratlose, sine vento venenosa,
cum oento faslidi'osa." q‘ ir
58) Hetal. II, 6, p. 72.: lndignantarjpuri philosophi et qui omnia praeter logi
eam dedignanlurl aequeigrammalieae .ut pliysicae expertes et ethieae c. 7, p.
73.? qui chianan compitis et in iriviis docenl et in ea, quam solam profitentur,
. mm decennium‘aiil‘tiiccimiuni, sed totam consumpserunt aetatem Fimit itaque in
- puerilibus academici scnes, omnem dictorum aut scriptorum exoutiunl syllabam. imo
et litteram. dubitantes ad omm'a._ quaerentes semper, sed nunquam ad scientiam per
, emu‘cnles, e! tandem convertlmtur ad vaniloquium ac nesai'cnles, quid loquuntur aut
de quibus assc'ranI, errores con/tunt novox et antiquorum (d. h. der antiken Autoren;
wie oben Anm. 52.) aut nesciunt aut dedignantur sententias imitari ‚‘ compilant omnium
hopinionps el'e'ii‘quae etiam mollissimis dicta vel xaripta suntl ob.inopiani iudicii scri
‘ off minl et rar/mal. tanta est opinionum et oppositionum eouqeries ul vix suo nota
. t esse possit auclori. Ebend. c. lR, p. 93.: De magistris aut nullus aut rat-us esty
qui doctoris sui velit inhaerere resh'giis; ut sibi faciat nomen, quisque proprium audit
1ruunt-romanovPolg/eiz VII, 12, p. 126.: vetus quaestiol in qua laborum mundus iam
.eenui't, in qua plus temporis consumptam est. quam in acquirendo et regendo orbis
imperio consumpseril caesarea domus. haee enim tamdiu multos tenuiti ut quum
hoc unuiiifitgga vita quaere-rentl tandem nec istud nec aliud i'iircriirenl. Hiezn unten
tnm.‘ 540.
ei 59) Imhet. v. 41 ftit Si rapis anderes, veterum si scripta 'recenses, U! latuas,
-._ si quid forteprobare'velis, clamabant ‚.‚vetus ilie quo tendit asellqu llur
' 1veterum nobisl-ldicta vel acta refert? A nobis sapimusl doouitse nostra iuoeutusl Non
recipit veterum dogmata nostra cohors, Nim onus accipimus, ut eorum verba sequamur,
Oiias habet auctores Graecia, homo colit (v. 59.) Temporibus placuere-suis vete
rum bene dictas temporibus astris iam nova sola placenL" Hacc schola non
nurat, quid sitbmodus ardove guid sit, m teneant doctor discipulusque viom.
- 60) Melal. ll 16, p. 89.: Sed quia ad hunc elementarem librum (d. h. die Ka
tegorien) magis _ entarem quodammodo scripsit Porphyri'us, eum ante Ariuotelem
.‘_ An}: f
.i-"csse credidit antiquitus praclegenilum; recte q'm'dem, si recte docealur, id est ut te
1
va
I
{nebras non indueat #rudieiidis nec consumat aetatem . . . . .. c. 17. p. 90.: Naturam
tamen universutiuni hie omnes ezpediuut et «Minimum negotium et maioris inquisitionis
contra mentem auctoris explicare m'tyntur. Ebend. III, 5, p. ‚136.: qui in Porpkyrio
aut Categori'i's emplauandis singuli soolumina multa et magna conscr'ibunt. Eine be
stätigende AEIISSL‘I'IIIIg‘QbiIDI'd’S s. unten Anm. 104. 1 '
t. a
.
118 XlV. Die Parteispaltung.
Tummelplatze individueller Eitelkeit wie zum Nachtheile des Unterrichtes
zuletzt alle Weisheit in die Erörterung des Porphyrius hineingepfropft
wurde“).
So führen uns die allgemeineren Angaben des Johannes von Sales
bury von selbst zu den Controversen über die UniverSalien, und wu
dürfen aus dem Bislierigen füglich schliessen, dass der Streit in jener
einseitig spitzfindigen Weise in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahr
hundertes entbrannte, so dass hier die geschichtliche Anknüpfung an
das 'Auftreten des Roscellinus und an die damals sich erhebenden Kämpfe
(s. vor. Abschn. Anm. 312 ff. u. bes. Anm. 326) deutlich vorliegt. Ja
innere Gründe sprechen dafür, dass von ebendort her bei den contro
versen betrell's der Universalien vorerst die nominalistische Auffassung
die überwiegendere gewesen sein mag, denn nicht hloss der Umstand,
dass jene Logiker nach des Johannes Bericht sich exclusiv und intole
ranl gegen jede Real-Wissenschaft verhielten (Anm. 52 u. 58), deutet
auf Derartiges hin, sondern es ergibt sich auch leicht der Schluss, dass
jene von Johannes angeführten verdienstvollen Wiedererwecker der Logik,
welche sämmtlich einem extremen Nominalismus abhold waren .oder
theilweise selbst bis an die äussersten Grünzen des Realismus fort
schritten, jedenfalls einen Umschwung hervorricfen oder beförderten,
welcher von nominalistischen Grundsätzen hinweg auf anderweitige Bah
nen hinüberlenkte.
Dass aber hiebei, wie wir schon sagten, die Spaltung der Ansichten
sich nicht bloss in einem dichotomischen oder trichotomisclien Gegen
salze bewegte, sondern in einer grösseren Zahl von Abstufungen auf"
trat, erhellt aus genauerer Einsichtnahme der uns zugänglichen Quellen.
Die ausführlichste Notiz gibt uns wieder Johannes von Saleshury, wor
nach die Meinungsverschiedenheit bezüglich der Universalien sich folgen
dermaassen gestaltet habe:
l) die Ansicht des ltoscellinus, dass dieselben voces seien 62), —
s. Anm. 76 ll'.;
2) jene des Abälard und seiner Anhänger, dass die Universalien
iv auf sermones zu reduciren seien, da das Prädicat eines Dinges
l, nie selbst ein Ding sein könne“), -— s. Anm. 283 ill;
61) Ebend. ll, 20, p. 113.: Nec fideliter cum Porphyrio nec utiliter cum intro
ducendis versauter, qui omnium de generibus et speciebus rccensent optnioncs. omnibus
obviant, ut tandem suae inventionis erigunt titulum. Ebend. f'll, l, p. 117.: Anste
rus nimis et duras magister est, tollens quod positum non est et molens quod non
est scminatum, qui Porphyrium cogit solaere, quod omnes philosophi uccepcrunt, cui
satis/actum non esl, nisi libellus doccal, quidquid alicubi scriptum invenitun Polycr.
Vll, 12, p. 129.: Uni ergo Porpltyriolum omnibus philosophiae partibus rcplcnt, intro
ducendomm obtunduut ingenial memoriam turbanL Hiezu die unten, Anm. 98., an—
zuführi-ndc Stelle des Wilhelm v. Concbes.
62) Meint. ll, 17, p. 90., woselbst nach den so eben (Anm. 60.) angeführten
Worten unmittelbar jene Stelle über Roscelliiius (s. vor. Abscbn. Anm. 318.) folgt.
aaj Ebend.: Alius scmwnes inluelur et ad illos delorquet, quidquid alicubi de
universalibus meminit scriplum; in hoc autem opinione deprehensus est peripateticus
Palatinus Abaclardus noster, qui multos reliquit et adhuc quidem aliquos habet pro
fessionis huius sccfatores et festes; amici mci sunl. lich ito plcrumque captivolam
detorqueant litteraml ut vel durior animus miseratione illius mureatur. Rom de re
'l'
XIV. Die Parteispaltung. 119
“n
3) die Annahme, dass intellectus oder notio im Sinne Cicero’s (d.
h, der Stoiker) dasjenige sei, was man Universale nenne 64),—
s. Anm. 581 ff. _
Von diesen unterscheidet Johannes dann Diejenigen, welche an den
Dingen haften („rebus inhaerentujl sich selbst aber wieder in mehrere
Parteien spalten, sonach:
4) die bald wieder aufgegebene Ansicht des Walter von Morlaigue,
dass die Univcrsalien mit den Individuen (d. b. den res sensi
biles) essentiell vereinigt seien, wornach es auf den „status“
ankomme, nach welchem man das Individuum betrachte“), —
s. Anm. 129 fl‘.;
5) der platonische Realismus des Bernhard von Chartres 66)‚ —— s.
Anm. 89 fI'.;
6) die Annahme des Gilbert von Poitiers betreffs der formae na
tivae 67), -—- s. Anm. 460 III; ' i v
7) die Ansicht des Gauslenus von Soissons, dass die Universalität
l k
praedicari monstrum dicimt, licet Aristoteles monstruositatis huius auctor sit et rem
de re saepissime aes-erat pruedt'can', quod palam est, nisi diesimulenty familiarig
bus eius.
64) Ebend. (fortgefahren): Alius persatur in intellectibus et eos duntaxat genera
dicit esse et species ‚‘ sumunt enim occasionem a Cicerone et Boelhi'o, qui Aristotetem
laudant auctarcm, quod haec credi et diei debeant noiionepg „es! einem“, ut aitml, '
„noti'o ex aneOpmepta forma cuiusque rei cognitio enodatione indigentia (so alter
dings Cicet'o in der Abschn.‘VIlI‚ Anm. 37. angeführten Stelle, welche aber zugleich
zeigt, dass derselbe sich nicht auf Aristoteles, sondern auf „Graeci“, d. h. auf die . . ‘
Stoiker berief), et inillis „nolio est quidam intellectus et simplex-i animi conccplio" i
(sti' Beet/i. ad Cica‘fldp. p. tibi bei Erklarnng jener ciceronischcn Stelle, nur voll—
ständiger, nemlich: „.... coueepffo, quae ad res plures pertineat a se invicem di e
rentesy id vero genus esse, manifestum esl“, sodann aber nach znfi‘lgend: at vero Aristoteles nullos putat extra esse substantiasy seeidniignetnellZeeeillaemnsihmiin-— ’
litudinem plurium inter se differentiam glubstantialem genus putat esse vel spcciem);
eo ergo de/leetitur quidquid seriptum ests ul intellectus aut nulia universulium univer
sitatem claudat. - v
65) Ebend. p. eo iz Eamm vero qui rebus inhaerentp multae sunt et diversae
opiniones. ASiquideni hei ideo, quod omne quod unum est, numero est, rem univer
salem aut unum numero esse aut onmino non esse concluditg sed quia impossibile
substantialia non esse existentibus his quorum sunt substantiatias dumm collignnh
universalia singularibus quod ad essentiam uuienda. Partiuntnr itaque status duce
“.Gaufero de Mauritanio et Platonemuin eo quod Plato est dicunt individuum, in eo quod
homo speciem, in eo quod afiumit/genusl sed subalternunh in eo quod substantia ge
neralissimum. Halmit hau opinio aliquos asserturess sed pridem liane nullus pro
fitetur. _ tu i
66) iEbende. 91.: llle ideasiponit litalouem aemulatus et imitans lternardum
carnotensem et nihil praeter eas genus dicit esse‘vel speciem . . . . . . .. (p. 92.) Egerunt
operosius bernardus Carnolensis et eius soclolores, ut eomponerent inter Aristotelem et .
anfonem, sed eos tarde venisse arbitror et luborasse in vunum, ut reconciliarent mor- i'
luos, qui quamdiu in vita licuit dissenserunL ’ V
67) Ebend. p. 92.: _Porro nb'us, ut Aristotelem erprintal, cum Gilberfo episcopo
Pietaviensi universalitalem formis uativis altribuit et in earum eonformitate laboratg est
autem forma nativa originalis exemplum et quae non in mente dei eonsistill sed rebus
creatis inhaerelg haec graeca eloquio dieitur (150;, habens se ad ideam ut exemplum
ad exemplar, cens-ibitis quidem in re swisibjli, sed mente eoneipitur insensibilis, singu
laris quoque in singulisi sed in oznnibus universalis. i dh
XIV. 'Die Parteispaltnng.
t; .
4.
nur in einem „colh'gere“ beruhe es) (s. Anm. 145 fl'.)‚ welche
wegen mancher Schwierigkeiten sich zu
8) der Annahme betrell's der nmaneriesu gestaltete oder in die obige
Status-Frage auslief“), — s. Anm. 85 fl'.
Sowie aber Johannes diess noch einmal zusammenfasst, um alle
diese Ansichten mit Ausnahme der dritten als anti-aristotelisch zu he
zeichnen, und zwar mit einer merkwürdigen Wendung, _wornach ihm
zuletzt Jedwedes als Realismus erscheint 7°)‚ so spricht er ein anderes
Mal gleichfalls von dieser Parteispaltung und nennt daselbst 71) von den
so eben aufgezählten Ansichten nur die ersten vier, neu aber kömmt
nun dort hinzu
9) die Ansicht, dass die Universalien abstracte Formen wie die
mathematischen seien.
Dass wir aber hiemit noch nicht zu Ende sind, sieht jeder liun
dige schon daraus, dass in des Johannes Bericht Wilhelm von Cham
peaux gar nicht erwähnt ist; nun kömmt aber, — um vorläufig nur
bei der Aufzählung der verschiedenen Meinungen stehen zu bleiben —-‚
. est Ebend.: Est et alius1 qui cum Gausleno Suessionensi episcopo universitäth r
tem rebus in unum collectis altribuit et singulis eandem demiL
69) Ebend. p. 92 tis Erinde quum ad interpretandas auetoritates ventum est,
laborat prae dolori-l quia in locis pluribus rictum litterae indignantis ferre non sustinet
Es! aliqnis, qui confugiat ad subsidium novae linguam quia latinae peritiarn non
satis habetj nunc enim quum genus audit rel speries. res quidem dicit intelligeudas
universales, nunc rerum maneriem (unbegreiflicher Weise gibt Gilcs‘materiem, ob—
wohl die Ansgabe Amstcl. mes das Richtige hat, abgesehen von den sogleich fol
genden Worten, s. unten Anm. 85.) interpretatur; hoc autem nomen in quo auctor-um
invenerit vel hanc distinclionem, incertum haben, nisi fort iq_glosx?fliflltbtß aut
modemorum linguis doctorum Sed et ibi quid significetj _‘ eidem nisi rerum
collectionem cum Gauslcno aut rem universalem quod tamen fug maneriem (ebenso)
dici, nam ad utrumque potest ab interpretatione nomen referri. eo quoq maneries
(ebenso) rerum numerus aut status dici potest, in quo talis permanet (a so er ety
mo'logisirt vom Stamme „mimeo“) res; nec deest, qui rerum status attendet et eos
gencra dicit esse et species. . reg -' ‚
70) Ebend. c. 20. p. 95.: ouare ab Aristotcle ncedendum est concedenda ut
universalia sint (s. unten Anm. 590.-L aut refragandum opinionibus quae eadem
(l) „vocibus“, (2) „scrmonibus“, (4) „sensibilibus rchus‘ , (5) uideisna (6) „for
mis natiuisu (die Ausgaben haben formis, natun's), (7 u. 8) „rollcctionibqfl ag
gregantl quum singula horum esse non dubitentun qui autem ea esse statuit ‚V Arie
stoteli aduersetun “
71) Polycr. VII, li1 p. 127.: In his aetatem terere. nihil agcntis et fmstra
laborantis est lfzpediunt haec auctores multis modis variisque sermonibus . .
et litigiosis hominibus multam contendendi materiam reliquerunL inde 0st, qui sen
sibilibus aliisque singularibus apprehensis, quoniam haec sola veraciter-iesu dicun
turl ea in diversos „status“ (4) subvehil, pro quorum ratione in ipsisLsingular-ibus
speciatissimo generatissimaque eonstituiL Saut, qui more mathematicomnninformasu
(diess das Neue) abstrahunt et ad illus, quidquid de universalibus diciturj refer-unt.
Alii disentiunt „intellcclus“ (3) et eos universalium nominibus censeri von/iman
fuerunt et qui „voces“ (l) ipsas genera dicerent et species. sed eorum iam etplosa
sententia est et facile eum auctore suo evanuiL Sunt tamen adhuc qui deprehenæ
dantur in vestigiis eorum, licet erubescent auctorem vel sententiam profiteri solis
nominibus inhaercntcs, quod rebus et intellectibus subtrahuutv v.‚scrmom'lm-s" (2)
adscribunL Magno se iudice quisque tueturi et ex verbis auctor-umlrun suam ad
struit sententiam vel errorem. oriuntur hinc magna seminario iurgiorum et colligit
quisquey quo suam possit haeresin continuam
xm Die‚Parteispaltung. m
f'?’
‚de l’exislence des choses universelles. ll es! plusieurs mulieres de l’flablir. Suivunl
l’une etc. (nun folgt die Ansicht Wilhelm’s von Champeaux, s. unten Anm. 105.)
m _ i i
noch eine Stelle des Fragmentes De generibus et speciebus hinzu 72),
in welcher gleichfalls die Unterscheidung zwischen Jenen. welche die
Universalien als vox bezeichnen, und denjenigen, welche sie für res
halten, zu Grunde gelegt ist. bei letzteren aber nur zwei Unterarten
derselben namhaft gemacht werden, nemlich .
10) die sogenannte ratio indifl‘erentiae (s. Anm. 132 m und
11) die Ansicht des Wilhelm von Champeaux, — s. Anm. 102 11'.
Ferner spricht von diesen Meinung»Verschiedenheiten einmal auch
Abälard'“), woselbsl. er innerhalb des Realismus zunächst die beiden
so eben genannten Annahmen erwähnt, sodann aber auch
12) eine Auffassung wornach der Unterschied zwischen Gattung
und Individuum nur in einer Eigenthi'imlichkcit (prop-rietas?) des
Daseins liege, insoferne das Universale sowohl in Mehreren zu
gleich als auch in Einzelnwesen auftreten könne.
Hingegen Pseudo-Abälard De intellectibus (s. unten Anm. 416 11‘.)
unterscheidet unbestimmt allgemein nur Realisten. Nominalisten und die f
’t'
Abälard'sche Ansicht 74). „j
Endlich aber kömmt noch hinzu 1"
13) die Annahme des Verfassers De generibus et speciebus, — s.
Anm. 148 11'. xl m
72) Bei Cousin, omm indd. dubitor-d1 p. 513.: De generibus et speciebus
diversi diverse sentiunt. Alii namque voces solas gener-avet species uninersales et
singulores esse a/firmant, in rebus vero nihil horum assignanL Alii vero res gene
rales et speciali-s universale: et singuläres esse divinum-sed cl ipsi inter se diversa
scnliunl," quidam enim dicunt singulario individua 'e‘sse species et gcnera sub
altcma et generaliuimu alio et alio modojaltenta (der Verfasser bezeichnet diese
Ansicht selbst als „sententia de imlifferenlianv s. unlen Anm. 133.); alii vero quas
dam essenlias um't‘ersales fingunl. quas in singulis individuis lolus essenlialüer esse
credunt (dass diess letztere die Meinung Wifhelm’s seif‘wird unten erhellen).
'13) ln den schon obcn‚ Anm. 13., angeführten Glossulae super Porphyn‘um
bei Bemusal a. a. O. p 96. (leider gleichfalls nicht im Originaltexte mitgetbeilt):
La grande Igueslion que Porphyrc indique cn ddbutanl arröte Abälard, et ü es!
presque ob iyd de la trailer null-meni pour la poser. Toutes les opinions sur les
urgiversauæ se prävelenl, dit-il, de grandes aum-inis (schon hier übersetzt Bemnsat
falsch, denn er gibt in der Anmerkung die Original-Worte nuuos quisque se tuetur
audorilate iudice", deren Sinn ist‚ dass jeder seine Ansicht durch die überliefertefi
AuctoritM, d. h. durch Aristoteles. stützt) p. 97.: Le premier sysldme ost celui
p. 99.: I.a secunda manidrc etc. (folgt die Inditferenz-Lchre‚ s. unten Anm.
132.) . p. 101 f.: Enfin on 's’y prend d’une troisidme mam'erc pour soutenir que
les universauz sonl des thesm Voulanl ezpliquer la communauld‚ l’on dit qu'cntre
la c/iose universelle vt lu'chosc singulidrt‘ est une differran de propridlä, la pro
priete' qui consisle d efli-e universelle, la proprieli‘ qui qmtsisle d iiti-c singulicre.
L’am'mal, le corps est universel, et n'est pax smlnnenl quelque animal et qudque
corps; mais dire „l'animal es! universel", revienl d diro ‚.il y u plusieurs choses
qui sont chacune individuellcmcnt animal“; quand „animal“ se dit d'un seul, an
entend qu'un seul‚ un .Etre determimi es! animal Endlich p. 106. folgt in
unbestimmten Ausdrucken die Auffassung der Universalien als vocem
74) Bei Cousin‚ Fragm. philos. Plu'los. sculusl. Pur. 1840.11. 494.! ne formis
diversi diversa senliunl. Ouidam enim volunt omnes formas esse essentias (die Bea—
listen), quidam nullas (die Nominnlisten). quidam quasdam cssenlias esse eonfir
maniy quasdam non (die Anhänger Abalard’s. Näheres s. unten).
‘ ä
me xlv. Die Parteispaltnng. Nominalismus.
Von diesem Bunterlei der Meinungen nun werden wir jene des
Abälard (2.), des Gilbert (6.) und des Johannes von Salesbury (nem
lich die 3.) erst später in Verbindung mit der gesammten logischen
Thätigkeit derselben erörtern können; sodann aber fallen die 12. und
die 9. darum hinweg, weil wir schlechthin Nichts näheres als das so
eben Gesagte über dieselben wissen; nur mag bei letzterer bemerkt
werden, dass sie uns entschieden an jene mathematische Betrachtungs
weise erinnert, welche wir oben-1 vor. Abschn., Anm. 169, schon in
weit älterer Zeit trafen. Die übrigen hingegen müssen wir nun versu
chen genauer zu besprechen, wobei sich uns manche verschlungene
Verwandtschaft zwischen einzelnen derselben und selbst wieder neue
Abarten und Abzweigungen zeigen werden. Auch spielt aber in jene
Controversen, wie sich schon aus dem Vorgangc des Boethius (s. Ab
schn. X11, Anm. 85 ff.) erwarten lässt und es theilweise bereits bei
B0scellinus zu Tage getreten war (vor. Abschn., Anm. 321 f.), in hohem
Grade die Lehre von der Eintheilung und der Definition herein, denn
v die Tabula logica des Porphyrius oder Boethius bewegt sich ja haupt
.25 sächlich in den Universalien, womit das Zeugniss Ahälard’s übereinstimmt,
dass Viele sich mit jenem Zweige der traditionellen Logik beschäftigten
. und Manche sogar die Boethiamsche Lehre der Eintheilung noch zu
vervollständigen versuchten m .
l" Was nun zunächst die an Boscellinus anknüpfende Ansicht betrifll,
f' so scheint dieser Nominalismus in der 'l‘bat nicht so schnell gänz
" lich verschwunden zu sein, als es nach den oben angeführten Aeusse
in rungen des Johannes von Salesbury (s. vor. Abschn., Anm. 325) schei
i nen müsste. Denn abgesehen davon, dass dieser nemliche Autor doch
wieder selbst von einer Richtung spricht, welche einseitig nur dem
Klange der Worte folgt und so dieselben fast zum hlossen Hauche ver
flüchtigt“), treffen wir nun auch noch in Abälard’s Zeit eine Wider
holung jener Vorwürfe, welche Anselmus gegen Boscellinus gewendet
hatte (s. ebend. Anm. 319), und zwar derartig gesteigert, dass der N0
minalismus sich schon einem vollständigen Sensualismus genähert zu
haben scheint, wenn behauptet wurde, dass nicht bloss kein Allgemeines
existire, sondern auch durch die Worthezeichnung das {lenken nur dic
Einzel-Wesen erfassen). Ja mit deutlicher Bezugnahme auf eine Stelle
.ii
75) Abael. Dialccl. b. Cousin, p. 450.: Dividendi seu di/finiendi peritiam non
solum ipsa doctrinae necessitas commendat, verum diligenter multorum auctoritas
tractaL Ebend. p. 489.: Moeel autem fortasse quosdam, quod sint quaedam dici
siones, quae in sex suprapositistfi h. jenen des Boethius, Abschn. Xll, Anm. geo
non connumerantur. 's '_
76) Job. Sarcsb. Enthal. v. 27 fl'. oni sequitur sine mente summt, qui verba
capessity Nun sensuml iudeæ integer esse nequitg Ouum vim verborum dicendi causa
ministri-ty llaec si nescitur, quid nisi ventus cmnt?
'17) Pscudo-AbaeL D. intell. n. a. O. (Anm. 74.), p. 488.: Sicut em'm, in
quiunl, cum homo sentiluly necesse vel hunc vel illum vel aliquem alium sentit-iy
eo uidelicet quod omnis homo sit vel hic vel ille vel alius, ita et de intellectu ad
.similitudinem sensus raliocinantur, ut uidelicet si hamo intelligatun necesse sit vel
hunc vel illum vel aliquem alium intelligi. Praeterea homo nihil aliud sonat quam
quidam homo, unde et qui hominem intelligitl profecto quendam hominem intelligit
et ita hunc vel alium intelligit
‚‘ ‘ält i" . ..
“s z "
ot
XIV. Nominalismus. ma
. der Analytik drückten einige extreme Nominalisten, welche selbst aas
prädicative Satzverhültniss bekämpft zu haben scheinen (vgl. vor. Abschn.‚
Anm. 324 f.), sich sogar derartig aus, dass nicht einmal das Wort
„Individuum“ prädicirt werden dürfe, sondern nur die Singularitüt des
Einzel-Wesens Gegenstand der Aussage sein könne 78). Auch knüpfte
sich eine solche Hinneigung zum Sensualismus 79) an jene der Psycho
l logie angehörigen Erklärungen, auf welche Aristoteles in beiden Analy
i tiken (s. oben Anm. 19) die Erkenntniss-Theorie stützt“).
Selbstverständlicher Weise hat die Stufenfolge von Gattung zu Art
l ‚und von Art zu Individuen bei den Nominalisten keine ontologische Be
deutung, sondern indem sie den Realismus bekämpfen, substituiren sie
zur Kundgebung ihrer Auffassung für die in dcr lsagoge üblichen Worte
überall das durch dieselben „bezeichnete“ (significatum), indem sie z.
B. significatum generis statt genus sagen und in solcher Weise alle
Lehr-Sätze figürlich (figum locutionis) interpretircn, da ihnen ja über
.“ haupt nur die Individuenals seiend gelten, diese aber durch die Worte,
‘ ‚i sei es durch Specielle oder durch allgemeine, ihre „Bezeichnung? fin
den 81). Eben Letzteres aber scheint eine Spaltung unter den Nomina
A‘ilisten hervorgerufen zu haben; nemlich die Einen, und zwar offenbar
die Besonneren, unter welchen ein uns übrigens unbekannter Garmund
genannt Wird, hielten doch noch.an dem begrifflichen Gehalte des
Wortes, welcher ein inneres Verstehen erzeugt, lest und verneinten es
hiernach entschieden, dass durch den Namen der Gattung auch schon
die Art oder durch eine Inhärenz auch schon das Substrat (z. B. „Mensch“
durch „lebendes Wesen“ odcr „Körper“ durch „Gefärbt“) bezeichnet
werde 82); Anderenibingegcn, gewiss die Leicbtfertigeren und Extre
m" 78) 10h. Saresb. Melal. ll, 20,11. 110.: Hinc [orte est illud in Analylicis
‘ „Aristomenes intelligibilis semper est, Aristomenes autem non semper“ (Anal. pr. l,
33, bei Boeth. p. 495.); et hoc quidem est singulariter 'individuum, quod solum
quidam aiunt posse de aliquo praettiearig Plato enim Aristidis filius neo quantitate
fut atomus nec soliditate ut adamasl sed nec praedicationey ut dionntl individuam ext.
79) Ebend._lll, 7, p. 140.: Sed ntinutiorex philosophi cum Porphyrio vulgi se
lquuntur opinioncm, qui fere id solum consueviti approbare, quod sensibus paleL
Ebend. IV, 20, p. 176.: Unde et quidam minuti philosophi. eo quod a sensibus
ad scientiam sit processusl nisieorum quae sinuantur ullam negant esse scientiam
s 80) Pseudo-Aliael. d. intelL a. a. O. p. 466.: cum quidam omnes imaginationcs
. quasdam sensum recordationes esse velintl hoc est eas ex rebus sentitis solum
. imoilo haberil etc. Joh. Saresb. Mclal. lV, 9, p. 166.: librum ergo opinio esl, quod
l: eadem potentia nunccsentiatj nunc megbretugmunc imaginatur, nunc discernat in
westigandol nunc inuestigatu assequando1 intelligaL
y 8l) D. gen. et spem b. camini Abelard p. 524.: ainnt figuram totam esse
locutionem ‚.genus est._malcria 'specici“ (diesen Lehrsatz des Boeth. d. rh'm's. s.
Abschn. Xll, Anm. 97.), id est significatum generis materia est significali specieig
v sed hoc secundum eos stabile ext, nam cum habeat eorum sentential nihil esse prae
"v ter individua et haec tamen significan' a vocibus tam universalibus quam singularibusy
idem prorsus significabit animal et homo.
.. aut 82) Abel. Dialect. p. 210.: Alii enim omnial quibus vox imposita estl ab
.‚ . ipsu voce signi/icari volunt, alia vero ea sola, quae in voce denotanlur atque in
Ä sapientia ipsius tenentun illis quidem magister noster V. (was Cousin höchst will
kürlich als uwillelmus Campellensis“ erklärt, s. unten Anm. 102.) favet, his oero
parmbndus (wenn Cousin in einer Anmerkung sagt ninfra de eo, so. Garmundo,
l ib‘nonscmel mentio eritulw- so verstehe ich diese nicht, denn in jenem Texte wenig
„wg.v
ut ' _ XIV. Nominalismns. Die Lehre von maneries.
I
i. .
nieren, wie z. B. ein gewisser Magister „V.“‚ warfen sich lediglich auf l
das Bezeichnen, wornach jedes Ding in jedwedem ihm beigelegten Prä
dicate bereits mitbezeichnet sei, und es ist beachtenswerth, dass diese a
hiebei sich auf die Grammatik stützten, nach welcher jedes Nomen so- a
wohl eine Substanz als auch zugleich eine Qualität bezeichne 83). No
minalisten der letzteren Art müssen es auch gewesen sein, welche wohl
mit einseitiger Verfolgung der Ansicht des Boscellinus Anm. 321) zu der Behauptung gelangten, dass die einfache(vdoirc.tioAb(sdc.h\hn_.. J o
das einzelne Wort im Gegensatze gegen das Urtheil) überhaupt keiner-' „
lci Theile des Denkactes, nemlich auch keine gleichzeitigen, in sich."
trage, sondern wie ein Punkt in unterschiedsloscr Einheit Alles, was '
unter das Wort fällt, umfasse 84). — Ein paar einzelne Gonsequenzen
des Nominalismns bezüglich der Kategorienlehre s. unten Anm; nos f. l‘
u. 199.
Eine Abzweigung des Nominalismns aber war gewiss die Annahme
betreffs der .‚maneries", s. oben Anm. 69; denn wenn Johannes von i
Salesbury dieselbe unter den realistischen Ansichten aufzählt, werden - '
wir nicht bloss durch jene obige (Anm. 70) Stelle. desselhei,“ in welcher
tk
‚er ja zuletzt Alles als Realismus bezeichnet, sehr bedenklicm gemacht,"
sondern wir finden auch in einem anderweitigen Berichte die entschie
dene Mittheilung, dass die Nominalisten es waren, welche zur Stütze ‚l
ihrer Ansicht, wornacb Gattungen und Arten nur die im Subjecte' oder '‚
Prädicate ausgesprochenen allgemeineren oder specielleren Worte seien,
in den betreffenden Stellen des Boelhius und des Aristoteles sofort „ms“ .
als „vom“ und ngenusu als „maneries“ bezeichneten 85): Das Wort _
. . l vg ‚ . ‚‘w .‘ g
slens, welchen Cousin gibt, ist nicht ein einziges Mal mehr Garmuni,erwähnl)
consensisse vidctur. llli quidem auctaritate, hi vero ful/i sunt ratione. ouibus enim ' ‘
Garmundua amtm'l, ralionabilile'r ca, sola (fehlt ‚das Verbum, etwa. admittunt oder
dgl.), quac in sententia vocis tenentur iusta dif/initium .‚significdndi“, quae est
„siennlteenltlieactuemiusgennoenraraegi"l;ur";de uenodeenniemc avonxomiinnteellgeecnteurmisfascpeerceicnmont‘oplountlessti,gndie/iqraumo uitn
Iloniinem ab animali, nec subiectum accidentis a sumptu oacafiulo. ut corpus ipsum . t
a coloralo vel albo; neque enim homo in nomine animalis exprim'ilur nec subiecti {H
corporis natura in colorato denolatur, scd tantum illud, quantum substaan animal
sensiblle diciturj hoc vero lantnm, quod informatur calore vel albedine; habet tamen
et'illud imposilionem ad horainum et hoc ad anfing? de quibus enuntionfll'.. _. i
83) Ebend.: Hi vero‚ qui omnem vocum imp silionem in signifimtioncm dau- '
cunl, auctoritatem protendunt, ut ea quoque significari dicant a i'ac‘e, quibuscunque
ipsa est imposila, ut ipsum quoque hominem ab animali vcl Sorruleni ab hominc- v
vel subiectum corpus ab alfm; nec solum es; arte, verum cliamiex auctoritate gram- l' a
maticac id conantur osfendcre; cum enim t" dat grammatica, omneinamrn SilDSfIN—’_
tiam cum qualitate significat-m album quoque, quod snbieclam nominal substantiam ‘
et qualitatem determinat circa eam, utrumque dicitur signi/icare (diese Ansicht also ‚
sollte nach Cousin dem Realisten Wilhelm v. Champeaux angeborenl). ..
84) Pseudo-Abael. d. inlell. a. a. 0. p. 472.: Suni itaque intellectus coniuntta- .
rum ct divisarum rerum diclionum tanlum, coniungcnlcs vero ut diuiduntur infelf‘etfus ‘Q
phi.
orationum tantum sunt; illi quippe simplin sunt. isti compositi. (So des Ver—
fassers Ansicht.) Sunt plerique fortassis (nemlich Nominalisten), qui inlclleclus
l
nseimqpuleicessimunlullu(ds. ohm.niunngoleipcabrzteeistigheabeordeercosnuccecdeasnsfi,ve mTqhueieleschialtm-tubcprehraisimp'tc‚rnsusriodnaems "‚i
Unheil, nie aber das einzelne Wort); qui enim, inqniunf, plura simul intelligi-u
una simplici actione omnia simul atlendit. . ‚ " t
85) D. gen. et spcc. a. a. O. p. sus Nunc illam scnleiiiam, quae voces solas
iram
XIV. Die Lehre von maneries. Platonismus. Bernhard v. Chartres. 125
„manen'es“ selbst ist gleichfalls Weder so monströs noch so selten, als .
Johannes in seiner obigen (Anm. 69) Angabe meint, denn es begegnet
uns nicht bloss in allgemeiner Bedeutung bei Bernhard von Clairvaux ßß),
sondern sogar in speciell logischem Sinne bei einem anderen Autor aus
dem Anfange des 13. Jahrhundertes, nemlich bei dem Kanonisten Hu
guccio (gest. 1212), welcher in seiner lexicalischen Schrift „specles“
als nrerum maneries“ definirtST). Und sowic dieses Wort (das fran
zösische „'mam'ere“) nach seiner richtigen Ableitung auf die Bedeutung
„Handhabung“ oder „Behandlungsweise“ hinausläufts‘), so musste es in
logischer Anwendung zunächst die subjective Auffassungsweise bezeich
nen und hiemit der nominalistischen Anschauung oder jenem „colligere“
(Anm. 68) näher stehen; hingegen erst, wenn „mane-ries" von der
Bedeutung „Art und Weise“ allinälig zu der Bezeichnung einer „Sorte“
hinübergewendet war, konnte es m logischem Sinne ohjectiv‘so ge
nommen werden, dass die status-Frage (Anm. 65) hereinspielen mochte,
obwohl auch noch bei „Sorte“ der Gedanke an das „Sortireu“ (d. h.
colligere) nahe genug läge. ‘ aur
Die einseitigen Gegner der einseitigen Nominalisten waren jeden
falls die eigentlichen Platoniker, unter welchen uns zunächst als ein
Hauptrepräsentant Bernhard von Chartres (bis gegen 1160 lebend)
begegnet. Während derselbe ebenso sehr eine höchst ausgedehnte lit
terarische Kenntniss als eine entschiedene Lehrgabe besass ”9), war er
kein Freund der Neuerungen, sondern wies auf die Alten hin, auf
deren Schultern allein die neuere Zeit stehe. so dass dieselbe nichtsich
genera el species universales et particulares praedicatas el subiectus asset-il et non
res, insislamus (p. 523.) Boethius in commcnlan'o super categorias (p. 114.)
rlicil „thm'am rerum ducem genera sunt prima, necesse fuit decem quoque esse
simplices voccs, quae de simplicibus rebus dicerentung hi lumen ezponunls „ye
nera, id est manerias“. quasdam autem res universale: ail Aristoteles in Ferien
mem'as (b. Boeth. p. 233.) „rerum aliae saut uninersales, aliae sunt singulures“;
hi tamen exponunt: „rerum, id esl vocum“ . . . . .. His autem tam aperlis audo
n'mlilms ralionabiliter obviure non valcnles aul dicunt auclorilales mcnliri aul ezpo
nere laboranles, quin excon'eije nesci'unt, pelle-m incidunL
86) Epist. 402. (Opp. ed. Martene, Vene}. 1765. l, p. 156.): Manen'es locu
lionis pro sigillo sil, quia ad manum non erat.
sn Hugoccio, der Verfasser einer Sunfma bccrelorum und anderer kanonisti
scher Schriften (Naheres über ihn s. b. Sarli, d. clar. archiyynm. Bunon. pro/'ess.
l, p. 29611’. u. b. Du Gange, Glossar. l‘rae/aliu ä. XLVI.) hatte ein Vocahnlarium
(über den'valionum) geschrieben‚ welches theilweise aus dem oben erwähnten Pa
pius (vor. Abschn., Anm. 286 ff.) geschöpft war und mehrfach handschriftlich vor
handen ist. Aus demselben theilt Du Uange s. r. Maneries folgende Worte mit:
Species dicitur rerum mancries, secundum quod dicitur „herba huius spccici, id est
muneriei, crescit in horlo meo“. "=
88) S. Dies, Elymol. Wörterli. d. romam Sprachen p. 216. Ein vollig ver
schiedenes Wort ist mancria, welches von manca abstammt und verwandt mit man
'sio „Aufenthalt“ bedeutet (s. Du Gange s. v. Maneria).
89) Joh. Sarcsb. Melal. 1,24, p. m f.: bernardus t'amolcnsis, cxunrlalissimus
modurnis temporibus fons lillerarum in Gallia, in auctorum kolione, quid simplex
enti et ad imaginem regulac positum osteudebal,‘ figuras'prammalicae, rolores rhe
toricos, caiiillaliones sup/liunale et qua parle sui proposi'lae leclionis articulus
respiciebat ad alias disciplinas, proponebal in medio; ita tamen ut non in singulis
universa doceret, sed pro capacitule audienlium dispensarel eis in tempore doctrinae
mensuram. _‚ . '
me XIV. Platonismus. Bernhard v. Chartres.
_selbst eitel üherheben dürfe m Der antike Kern aber, für welchen
er schwärmt, ist ausschliesslich der platonische, und da er die Realität
der Universalien auf Plato’s Auffassung hin hetheuerte‘“), mochte er
wohl vergeblich sich bemühen, Solches mit der aristotelischen Ansieht
zu vereinbaren, s. ob. Anm. 66 u. vgl. unten Anm. 143. Ja es fällt
kaum. mehr der Geschichte der Logik anheim, zu berichten, dass Bern
hard bei seiner idealistischen Hypostasirung des Seins auch die Singu
larität der Individuen (d. h. natürlich nicht die singulären Individuen
selbst) in der intelligiblen Welt vorgezeichnet erhlickt und zu dem mysti
schen Begriffe eines Kreislaufes der Gattungen und Individuen gelangt,
in welchem nur die Namen der Evolutionen oderlnvolutionen das Wech
selnde seien 92). Das Widerspruchsvolle aber, dass diese idealistixchen
Verächter der begrifflichen Function des menschlichen Wortes deum F
auf die übliche SchuI-Logik eingiengen, zeigt sich auch bei Bernhard,
von welchem uns in vereinzelter Weise (so dass wir auf eine ähnliche
Bearbeitungüder gesammlen Logik sehliessen dürfen) eine- Erörterung
über die Denominaliva (s. Absehn. IX, Anm. 44, Abschn. XII, Anm. ea
u. 174) überliefert ist. Er führte nemlich auch bei den Adjectivis mit
einem ergützliclien Gleichnisse den platonischen Realismus dumb,‘ indem
ihm das entsprechende abstracte Substantivum (z. B. albado) die reine
platonische Idee repräsentirt, hingegen das Verbum (albet) den Beginn
der Vermischung mit dem Accidenlellen bezeichnet, zuletzt aber das s
Adjeetivum (album) als der Ausdruck der heiIl0sen Vermengung der
Idee mit der concreten Wirklichkeit gilt 93). Hiernach dürfen wir es
"W.
90) Ebend. III, 4. p. 131.: Uicebal bernardus Camelensis, nos esse quasi
nanos gigantium humeris insidentes. ut possimus plura eis et remotiora videre, mm
utique proprii visus acumine aut eminentia corporisy sed quia in altum subvehimur
el ezlollimur magnitudine giganlea. .
91) Ebend. II, 17, p. 91 f.: ouoniam universalia corruptioni non subiacenl
nec motibus alleranturl quibus moventur singularia . . . . ..‚ proprie et vere dicuntur
esse universalia, siquidem res singulae verbi substantivi nuncupalione creduntur ins
dignae, quum nequaquam stent, sed fnyianl, nec expecteni appellationem . . . . ..
Rar-um species trans-euntibus individuis permanent eaedem llae autem ideae, id
' esl eremplares formae, rerum primaevae omnium rationes ‚mm. quae nec diminu
tionem Suscipiurrt aer augmentum stabiles et pcrprtuae, u. s. f.‚ — kurz an Stelle
einer verstaudigen Auffassung eines Erkirnntnissprincipes finden wir nur beschau—
liche Tiraden.
92) Aus dem Megacosmus Bernhard's tbeill Cousin, oni-n imid. d’Abe'l. p.
ezr m Einiges mit. Dort lesen wir z. B. p, 628.; Noys summi et ezsupcranlissimi
Dei est intellectus et ex eius dirinitate nata natura, in qua vitae oioentis imagines.
nationes aeternae, mundus intelligibilisl rerum cognitio praefim'la illic in genere,
in speciei in individuell singularitate conscriplav quidquid mundas, quidquid par
luriunt elementa u. s. w. pv 629.: Sie igitur providentia de generibus ad species,
de speciebus ad individua, de individuis ad sua rursus principia repetitis anfractibus
rerum originem retorquebal l/sia namque primaria foecunda pluralitalis simpli
citas p. 631.: Solis successianurn nominibus varialun quod ab aevo nec ton
tinuatiane nec essenlia separatur. Die Logik ist bei solchflu Schwulst wohl zu
Ende‚ oder hatte vielmehr nie angefangen. .
93) Joh, Saresb. Metal. III. ”2, p. 120.: Es: opinione plurium idem princier
significanl denominativa et ca, a quibus denominanlur. Sed consigni/icatiane diversa
aiebat bernardus Carnotensis, quia „albedo“ significat virginem incurmptamy „ulbet“
eandem intraeunlem thalamum aut cubanlem in toro, „album“ vero eandem, sed
corruptam. Hoc quidem, quoniam galbedau ex assertione eiua simpliciter et sine
.-..
".'
XIV. Platonismus. Wilhelm v. Conches. 127
schwerlich bedauern, dass uns nicht mehr Detail über die logischen
Untersuchungen desselben kund geworden ist.
Gleichfalls an Plato schloss sich an Wilhelm von Conches
(gest. um 1160), eine der schwierigsten Persönlichkeiten ‚in Bezug auf
Litteraturgeschichte der mittelalterlichen Philosophie 94). Doch jener
mit pat'ristischer Philosophie verllochtene Platonismus, welchen derselbe
in Cosmographie, Psychologie und Physik entwickelt, berührt uns hier
nicht, sondern wir beschränken uns auf das Wenige, was betrell‘s der
eigentlichen logischen Fragen zu erwähnen ist. lndem Wilhelm in der
Erkenntnisslehre sich auf den platonischen Standpunkt eines aufwärts
schreitenden Idealismus stellt g5), und auch ausdrücklich ausspricht, dass
er unter den heidnischen Philosophen dem Plato den Vorzug gebe 96),
unterscheidet er wohl eine vierfache Betrachtungsweise aller Dinge,
nemlich eine dialektische, sophistische, rhetorische, philosophische 97),
tritt aber betreffs der ersteren beiden (bei beiden letzteren ist es ihm
ohnediess selbstverständlich) entschieden auf die Seite der Realisten, in
dem er Diejenigen bekämpft, welche alles Reale ausschjiessen oder zu
letzt nicht einmal mehr die Namen der Dinge, sonderü.‘ überhaupt nur
etliche Worte (d. h. nemlich wohl die quinque voces) zulassen woll
omni participatione subiecti ipsam significat qualitatem ‚.‚ulbel“ autem eandem
principaliter. etsi participationem personae admittat. si enim ittud euzcutiasj quod
verbum hoc pro substantia significul, qualilas albedinis ocrurrnt, sed in accidentibus
verbi personam reperics; „011mm“ vero eandem significat qualitatem, sed infusam
commixtamque substantiae et iam quodammodo magis corruptam . . . . .. Mulla quoque
proferebat undique coflquittüa, quibus persuadere m'tebatnr, res interdum pure, in
terdum adiaeenter praedicaril et ad hoc denominativorum scientiam perutilem us
serebaL
94) S. 0udin, d. script. cool. ll, [3.1228 fl. und Briwker, "ist. crit phil. lll,
p. 774., welch letzterer zuerst es bemerkte, dass die „Dmymativon“ betitelte Schrift
des Wilhelm von Conches sich gedruckt finde als Werlt eines Guilelmus Aneponymus
in einer von (‚‘ralaroli besorgten Ausgabe. Und da nun die ‚.Magna de naturis
philosophia“ Wilhelm’s, von welcher wohl Conr. Gcsncr (Epil. Biblioth. 0d. Tigur.
1583, fol. 301.) einen lncunabel-Druck sah, aber omm nicht einmal mehr Hand
schriften auffinden konnte, völlig verloren zu sein scheint, und auch von der „l’hi
losophia minor" Wilhelm’s ofl‘cnbar nur der Anfang unter dem Titel [Tegl dulci
Eem/ in den Werken des beda venerabilis (ed. Colon. 1688. ll, p. nos fl‘.) gedruckt
ist, darf ich hier wohl gelegentlich berichten, dass von jenem Dragmaticon die
Münchner Universitäls-Bibliothck ein Exemplar besitzt (Dialoyus de substantiis phy
sicis confectus a wilhelmo Aneponyma philosopho lndustria Guüiclmi Grataroli.
Argcntur. 1567. 8.), und dass aus diesem seltenen Buche die Kenntniss der Phi
losophie Wilhelm's noch am vollstandigsten geschöpft werden könne. Ausserdem
hat Cousin, Ouvr. med d’Abdl. p. 669 ff. höchst schätzenswerthe Bruchstücke ver
öfl'entlicht.
95) S. die bei Cousin a. a. o. mitgetheilten Bruchstücke, bes. p. 673 f.
96) ln genannter Ausgabe des Gratarolns p. 13.: Si gentilis adducenda est
opim'o, malo Platoniz quam alterius inducaturg plus namque cum nostra fidc con
cordaL '
97) Ebend. p. 4.: De eodem namque dialectice, sophislice, rhetorice, vel plii
losophice disserere possmrms. considerare namque de aliquo. an sit singulare an
universale, est dinlrctirum; prolune, ipsum esse quod non est vel non esse quod
eat, soplii'slicum est; probarei ipsum esse dignum praemia vel'poena, rhetoricum;
sed de natura ipsiusque moribus et of/iciis dissererc, est philosophicum. Dialecficus
ergo, sophistc, aralor,-pl;ilo;oplius, de eadem rc diversam considerantes et intendentes
disputat-e possunL „ t . .. ‚3:1,
k, '
.„‚. te m xa
ve
Ä . F. a
128 x1v. ‘ Realismus. Wilhelm v. Ghampeaui.
ten 9l’). Wohl aber gesteht er wenigstens, in ähnlicher Weise'wie
Scotus Erigena, sich selbst auf Boethius berufend, dem menschlichen
Geiste dle Function zu, die concret existirenden Dinge mit entsprechen
den Namen zu belegen 99), und sowie er einmal gelegentlich auf die
verschiedenen Bedeutungen des Wortes „Substanz“ eingehtlu"), so ver
trug es sich mit seinem Realismus sehr wohl, dass er zugleich ein
hervorragender Grammatiker warl‘“). ausisng
wenn Bernhard von Chartres den platonischen Realismus innupt
sachlich in idealistischen Betheuerungen oder sonstigen erbaulichen Wen
dungen kundgab, so war es jedenfalls schwieriger und verdienstlicher,
einmal das Verhältniss ins Auge zu fassen, in welchem man sich die
i Universalien als existirende Dinge zu den einzelnen Individuen denken
solle; und in diesem Versuche liegt die Bedeutung des Wilhelm von
Champeaux (gest. 1121), wenn auch der logische Gesichtspunkt bei
dem Realismus desselben noch hinter den ontologischen zurücktritt.
Doch muss Jan vorneherein bemerkt werden, dass wir über die An
sichten des Wilhelm von Champeaux bei Weitem nicht so ausführlich
unterrichtet sind, als Cousin und Andere meinten; denn wir dürfen in
dergleichen Dingen durchaus nicht weiter gehen, als die uns zugäng
lichen völlig unzweideutigen Nachrichten reichen im Schriftstellerische
98) Ebend. p. 5.: omni intelligentes quidam res omnes a dialectica et sophi
stica disputatione extenninarcrunt, nomina tamen earum recepemnt, eaque sola esse
universalia vcl singutaria praedicaneruntg demde sopewenit stultior aelas, quae et
res et earum nomina exo-lusit atque omnium disputationem ad quatuor fere nomina
reduxit ‚‘ ulraque tamen secla, quia non erat ex deo, per se de/ecit. Jene quatuor
nomina können kaum etwas Anderes sein, als die quinque eures, vielleicht mit Aus
schluss des proprium; im Gegt'nsatze gegen eine solche Beschrankung der Anzahl
werden wir hinwiederum selbst scz voces treffen, s. Anm. 278.
99)'Ebend. p. 29.: Uni hoc nomen „corpus“ imposuit consliluto ex quatuor
etenlenlisj quod oculis occurrobru, illud imposuil; unde ait Boethius (p. 112.)„relms
existentibus et in naturae cunstitulione manentibus humanas animus vocabula im
posull1“0.0) Ebend. p. 8.: Nullus qui scripta auctorum recte intelligita hoc nomen
bsubstantiau multarum esse signi/icationum dubitat aliquando substantia est
res per se eristcns; aliquando tam ista quam genera et species istorum substantia
dicunturl ant/e ab Aristolele in primam et secundum dividiturg aliquando artus
subsistendi, aliquando possessio.
101) ‚loh. Saresb. Metal. l, 5, p. 21. ‘
lum Cousin hat nemlich bei Herausgabe der Dialektik Abalard's und des
Fragmentes l). gen. et spem jene sammtlichen in der Handschrift vorkommenden
Abkürzungen „magisler V.", „magistcr noster V.”, ebensosehr auf Wilhelm von
Champeaux bezogen wie jene Stellen, in welchen „Willclmiis“ sich findet; ja er
that sogar das Nemliche, wo einmal (d. „an. et spec. p. 509.) mit den Worten
nm aliter secundum magistrum G.“ eine Entgegensetzung gegen den vorher tp.
507.) genannten magister willelmus deutlich genug bezeichnet ist. Und sowie es
‘ nun geradezu leichtfertig ist, unter jenem magister G. gleichfalls unseren Wilhelm
zu verstehen, so haben 'tvir auch keinen Anhaltspunkt hiefur bei der Abkürzung
„l’.“, zumal da dieser Buchstabe selbst dagegen spricht. Da Abalard, ehe er zu
Wilhelm v. Champ. kam, bei allen hervorragenden Dialektikern Belehrung suchte
(Episl. 1, c. 1, p. 4. Ambosm: proinde diversas disputando perambulans provincias.
ubicunque huius artis vit/ere studium audicrum, Pvripateticorum aemulator [actus
sum), so kann er eine Menge Manner, deren Namen wir nicht kennen, als „magi
ster nu:ter“.bezcichnen, und wir müssen uns vor voreiligen Schlüssen auf be
stimmte Personen hutcn, um nicht auf Abwegc (s. z. B. oben Anm. 83.) zu gera—
XIV. Wilhelm v. Champeaux. teo
_w__‚„
Produkte Wilhelm's sind uns nicht zur Hand 103), und wir sind haupt
sächlich auf eine Angabe Abälard’s beschränkt, welcher sich rühmt,
Wilhelm’s Ansicht über die Universalien derartig mit Glück bekämpft
zu haben, dass derselbe sie bedeutend modificirte, hiedurch aber an
Geltung und Frequenz seines Unterrichtes 'so sehr verlor, dass ein förm
licher Uebergang Aller zu Ahälard’s Ansicht stattgefunden habe ‘04).
Wilhelm nemlich habe zunächst behauptet, dass die Universalien als
einheitlich gleiche Dinge in unzerstückter Ganzheit auf wesentliche Weise
(esse1itialiter)‘den sämmtlichen unter sie fallenden Individuen zugleich
einwohnen, und hiemit zwischen den Individuen kein Wesens-Unterschied
bestehe, sondern dieselben nur in der Mannigfaltigkeit zufälliger Be
stimmungen beruhen. Und sowie sich diese durch die _oben (Anm. 72)
angeführte Stelle aus D. gen. et spec. wörtlich bestätigt, so erhalten
wir ebendort eine nähere Erklärung, welche uns sogar auf eine ganz
vereinzelte Stelle des Boethius hinüberweisl und hiedurch einen richtigen
‚inblick gewzlhrtv wie das Getriebe der damaligen Partei-Controversen
wohl mehr durch zerhröckelte Schulweisheit als durch innere princi
pielle Auffassungen getragen war. Wilhelm behauptete nemlich, es seien
unter jenem zufällig Hinzukqmmenden (adveniens) die individuellen For
men zu verstehen, welche den im Gattungsbegrill‘e bestehenden Stoff
derartig ausprägen (maleriam informanl)‚ dass dabei das allgemeine
Wesen nach seinem ganzen Gehalte (secundum totam suam quantitalem)
eine ludividualisirung erfahre, was dann in dieser Weise betreffs der
—*- v s sit-r
tben. Den Folgerungen Cousin's schlossen sich aber Rousselot, Hanreau und auch
H. Ritter an.
103) flaure‘au, De la phil. scoL l, p. 233. berichtet, dass Ravaisson in der
Bibliothek zu Troyes 42 Fragmente Wilhelm's gefunden habe; die dereinstige Ver—
öffentlichung derselben würde gewiss manchen Aufschluss geben. Dass Wilhelm v.
Champ. ‚.Giossulae super f’en'ermem'as“ geschrieben habe. darf nach dem so eben
(vor. Anm.) Gesagten nicht gefolgert werden, da die betreffende Stelle bei Abae
lard llialecL p. 225. eine so betitelte Schrift nur einem „magister noster V."
zuschreibt.
104) Abael. Epist. 1, c. 2, p. 4.: Perveni tandem Parisiosy ubi iam mazhie
disciplina haec florere consueiveraty ad Guillelmum scilicet Camyfeflensem praeceptorem
meum in hoc tunc magisterio re et fama praecipuuml cum quo aliquantulum moratus
primo ei acceptus postmodum gravissimus exstiti, cum nonnullos scilicet eius cen
tentias refellere canarer et ratiocinari contra eum saepius aggrederer et nonnunquam
superior in disputando viderer . ‚ . . .. (p. 5.) lum ego ad eum reversus. ut ab ipso
rhetoricam audi-reml inter cetera disputatianum nostrarum eonamina antiquam eius
de universalibus sententiam potentissimis argumentorum disputationibus ipsum com
mutarel imo destruere compuli. Erut autem in ea sententia de communitate univer
satiuml ut eandem essentiell/er rem totam simul singulis suis inesse adstrueret in
dieiduis, quorum quidem nulla esset in essentia dicersitas. sed sola multitudine
accidentium aarietas. Sic autem istam suam con-erit sententiamj ut deinceps rem
eandem non essentialitery sed individuatiter (die Variante „indi/l'erenler“‚ welche
Ambois am Rande gibt, fand sich auch in mehreren Handschriften‚ s. llaureau a.
tl. O, l, p. 236.) dieereL EI cum hanc ille correzcisset1 imo coactus dimisisset
senlenti'am, in tantam lectio eius devoluta esL negiigenh'am, ut iam ad dialecticae
lectionem vix admitti-ratum quasi in hac scilicet de universalibus sententia tota huius
artis consisteret summa (vgl. Anm. 60.). llinc tantum raboris et auctoritatis nostra
suscepit disciplina, ut ii qui antea vehementius magistro illi nostro adhaerebant et
mazim nostram infestabant doetn‘nam, ad nostras conaolarent schotas.
Pauniq Qesch. ll. 9
.‚ g. ..
mia-rtr ‘ . . ‚
„n
dao XlV. Wilhelm v.‘Champ_eaux.
ganzen Stufenleiter von Gattung durch Art zum Individuum herab gelte w”).
Auch führte er, wie anderwärts Abälard berichtet, von den zehn Kate
gorien beginnend diesen Proeess einer Information bis zu den Individuen
hinab durch, und konnte dabei, da jene unterscheidenden individuelleren
Formen selbst wieder auf Universalien zurückweisen, die Aussagbarkeit
der Universalien dadurch erklären, dass dieselben den Individuen ent
weder wesentlich oder durch Beifügung (adt'acenter) zukommen W“)?
Eben hierin aber liegt entschieden eine gewisse Gröblichkeit dieses Rea
lismus, welche unschwer in ihrer aussersten Consequenz aufgedeckt
werden konnte, da ja dann in jedem Individuum nicht bloss die ganze
Reihe aller ihm entsprechenden Art- und Gattungs-Begrill'e, sondern
auch in Anbetracht der accidentellen Unterschiede abermals eine mehr
fache Reihe allgemeinerer Begriffe ungetheilt reell vorhanden sein müsste,
so dass zuletzt jedes einzelne Ding ein realer lnbegrill' aller Univer
salien wäre und ein cruder Pantheisnius als Folge sich ergäbe; sowie
wieder andrerseits, wenn mehr jene Zufälligkeit der individualisirenden
Bestimmungen betont würde, schliesslich ja sämmtliche Substanzen eiu
ander gleich wären, da jenes Zufällige ihr substantielles Wesen nicht
berühre, so dass auch von dieser Seite her der Vorwurf des Pantheis
mus schwer vermieden werden konnte (s. unten Anm. 283). Vielleicht
mochte Abälard wirklich derartigen Einwendungen seinen Sieg über
Wilhelm verdanken, und wenn Letzterer in Folge hievon zu der Ansieht
umsprang, dass die Universalien in individueller Weise (individualt'ler),
also bereits nicht mehr in total einheitlicher Weise, den Individuen ein
wohnen 107), so hatte er durch dieses Umschlagen zum Gegenlheile
Q
105) D. gen. et spec. p. 513 f.: Homo quaedam rpecies est, rei una essen
1tialiterkcui adoeniunt formae quaedam et effict'unt Socratcm; illam eandem enea
ltialiter eodem modo infermant formae facientes Platonem et cetera individua homini-si
uec aliquid est in Socratc praeter illas formas informantes illam materiam adire
cieudum Socralem, quin illud idem eodem tempore in Plalone in/omatuml sit fortis
Platonis. El hoc intelligant de singulis speciebux ad individua et de generibus ad
species Ubi enim Socrates esl, et hamo universalis ibi cst, secundum totam suam
quantitatem informalus Socratitate (betreffs des Begriffes Soerotitas s. die entspre
diende Auffassung des Porpbyrius und Boethius Abschn. XI, Anm. I13.); quidquid
enim res universalis suscipitl tota sua quantitate retinet .. quidquid suscipit tota
sui quantitate suscipiL Gerade auch dieses aber ist aus Boethius geschöpr wel
cher (ad l’orplt. p. 87.)‘gelegentlich der Differenz sagt: Neqne enim ut in corpore
solet esse alia pars alba alia nigrai ita fieri in genere potestj genus enim per se
consideralum partes non habel, nisi ad species referaturj quidquid igitur habet,
non partibus, scd tota sui magnitudine retineln'l. So reducirt sich bezüglich der
Geschichte der mittelalterlichen Philosophie mancher Schein auf seinen wahren
Gehalt; vgl. Anm. 129, 134, 170, 286.
106).Glossul. sup Porph. bei Remusat (S. Anm. 13. u. 73.) p. 97.: ll y a
nalurellement die clioses generales ou communes, ce sunt les m cate'gories; de ces
universauz primitifs provisum-nt les ohoses generales qui sonl essentielleinenl dans
les ehosei individuelles, grdee d des formes di/fdrentes. Ainsi l'animal, qui de
nature est substarwel esl, comme substaure onimeel sensible dans Socrate ou dans
Bruncl, toui entier dans l’un eomme dans l'autre, mus auti-e differentia que rolle
des formes. A ce compte l’universel sci-ait altribuable d plusieurs, eu sens qu'une
meme chose serait en plusieurs. dioerxi/iee uniquement par llopposilion des formes.
et conviendroit ainsi aus: individus soit essentiellement, soit adjectivement („essen—
tialiter vel adiaccntcr").
107) Auch ich halte demnach, wenn auch aus anderen Gründen als limum
. v
I .—
1.x“"
XIV. Wilhelm v. Ghampeanx. Die Schwierigkeiten des Realismus. 13‘1
seiner früheren Ansicht sich eben einfach blamirt, und es wäre erklär
Iich, dass seine Schüler in Masse von ihm abfielen, wenn wir auch
nicht vergessen wollen, dass derartige Berichte Abälard's, welche theil
weise ihn selbst betreffen, sehr leicht mit einer Dosis Eitelkeit versetzt
sein können. Jedenfalls aber stimmt es mit jenem Realismus und mit
jener Einschaclitlung der Gattungs- und Art-Begriffe und der acciden
tellen Formen vollständig überein, Wenn Wilhelm (offenbar bei Erörte
rungen über die Eintheilung, s. unten Anm. 122) behauptete, in dem
Namen der Differenz, welcher nicht adjectivisch, sondern substantivisch
zu nehmen sei, liege schon der Artbegrill‘ derartig, dass dabei Stoff
(d. h. Gattung) und Form (d. h. Differenz) zugleich gedacht werden
und z. B. „Beseelt“ genau dasselbe wie „heseelter Körper“ bedeute l03’).
Auch ist uns überliefert, dass derselbe bezüglich der Thedung des Con
tinuirlichen (s. unten Anm. 126) an dem Begriffe eines letzten Untheil
baren, z. B. des Punktes, festhielt‘o“), sowie endlich die vereinzelte
Notiz, dass er betreffs der Topik das Wesen der inventio in die Anf
findung eines Mittelbegriffes verlegte “0). " a
Wahrscheinlich gaben gerade die Schwierigkeiten, an welchen die
Ansicht des Wilhelm v. Champeaux Ieidet,‘die Veranlassung dazu, dass
die Healisten, während sie im Allgemeinen den Standpunkt desselben
oder Ritter, in obiger Stelle (Anm. 104.) die Lesart „individualiter“ für die rich
tige, weil sie eben auf ein haltloses Umspringen Wilhelm's hinweist, wohingegen
die sog. Indifferenz—Ansicht, welche in der Variante „indi/fermter“ lage, schont»
manche nicht unbedeutende Anhänger zahlte, und die Berichterstatter über dieselbe
es sicber nicht verschwiegen hatten, wenn gerade Wilhelm v. Champ. selbst sich
später zu ihr bekannt hätte. _'‚
108) Abael. Dialecf. h. Cousin p. 454 f.: luiiat perquirere‚ cum dicitur
diuisia generis fieri per dilferentias, totque in loco specierum di/rerentiae poni di
cuntury utrum per di/ferentiarum nomina ipsas formas specierum accipiamusy an
potius ipsa vocabula differentiarum intelligamns, quae a quibusdam sumi dicuntur in
officio specialium nominum ac pro speciebus designandis usurparij ut tantundem
„rationale“ valeat quantum „rationale animal“ et tantundem „animatum“ quantum
„animntum corpusuj ut non solum formae signi/icatiol verum etiam materiaz- teneatur
in nominibus differentiarum. Ouae quidem sententia w. magistro nostro praevalere
visa est; volebat em'm, numirii, tantam abusionem in vocibus fien', ut, cum nomen
differentiae in dieisioneygeneris pro specie poneretun non sumptam esset a difiercntia,
sed substantivum speciei nomen ponereturg alioquin subiecti in accidentia dieisio dici
potest secundum ipsius scntentiami qui differe-ntim generi per accidens inesse volebnt;
per nomen itaque differentiae speciem ipsum volebat acciperc.
109) D. gen. et spec. p. 507.! Oitod si continuam dicantus. quidam inde sic
argumentanturs Si domus est, parias est, et si par-ies est, dimidius paries est. et
si dimidius pai-ies 0st, et dimidium dimidii ext, et ita usque ad ultimum iapillumg
cqua-re si haec damus est1 et ultimus lapillus est; si ergo nullus lapillus est, etiam
nulla domus est. . . . . .. Solebat autem opponere magister willelmus huic‘ argumenta
tioni sie: Licet prima consequentia (i. e. si haec domus 2st, hic paries es!) vera
sät; non tamen illa quae sequitur (i. e. si hic paries est, hic dimidius paries es!)
vera erit; non enim verum est romplexionaliler, quod, si quaelibet pars sequitur
ad totum suum, idcirco ad positionem eiusdem partis sequatur pars illius; sequitur
enim bipunctalem lineam pars eins, i. e. punctom, non tamen ad punctum pars eius
sequitur1 quia nullum habeL
110) 10h. Sarcsb. Metat. III, 9, p. 145.: versatur in his (so. in Topicis) in
uentionis materia, quam hilaris memoriae willelmus de compellis definieit, etsi
non perfectel esse scientiam reperit-mii medium terminum et inde eticiendi argumentum
. s 9!
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132 nu XIV. Die Schwierigkeiten des Bealiswusn. ‚ .i‘ t g
billigen mochten, durch Begründungs- oder Verbesserungs-Versuche selbst
wieder unter sich in eine Menge von Parteien zerfielen, deren einzelne
Unterschiede - von den Namen ihrer Vertreter ganz zu geschweigen
-—- wir in ihrer Durchführung nicht mehr näher verfolgen können.
Ausser theologischen Bedenken, welche sich erhoben, mochte man die
Universalien als Erzeugnisse einer Schöpfung oder als ewige Wesen
nehmen, zumal da Einige wirklich alle einzelnen Eigenschaften Gottes
auf solche Weise als „Dinge“ bezeichneten 111), war es in ontologischer
Beziehung wohl jene gegenseitige Einschachtlung aller Universalien,
welche man vermeiden wollte. Einige daher ergriffen die allerdings
plumpe Auslifilfey dass sie obiges (Anm. may „Hinzukommen“ der art
machenden Unterschiede als ein nur vorübergehendes nahmen, um hie
durch die Selbstständigkeit der Gattung zu wahren‘“). Andere hin
gegen zogen eine aristotelische Auffassung bei, indem sie die Gattung
als den in seinem Wesen gleichbleibeuden Stoff betrachteten, welcher
in den Arten verschieden geformt werde, geriethen. aber eben wegen
jener Wesensgleichheit in Conllict mit der Lehre von den Gegensätzen ml).
Und sowie bezüglich des l’rocesses einer solchen Formgebung wieder
die Frage auftauchte, ob der artmachende Unterschied nur das Mittel
der Artbddung sei, oder hingegen zugleich mit der Gattung in das
Wesen der Species selbst übergehc, und Einige (offenbar näher an
Wilhelm v. Champ. stehend) sich auch wirklich für Letzteres entschie
l _
111) D. gen. et spec. p. 517.: Genera et species aut creator sunt aut creaturag
si creatum sunt, ante fuit suus sreator quum ipsa creaturag ita ante fuit dem
quam iustitia et fortitudo .itaque ante fuit deus quam esset iustus vel fortis
Sunt autem qui .. . illam divisionem .. .. sic faciendum exse dicunts quidquid est, aut
genitum est aut ingenitumg universalia autem ingenita dicuntur et ideo coaetenmq et
sic secundum eos qui hoc dicunt, non deus aliquorum factor est Abacl. Introd.
ad theoL ll, p. mon (Ambocr): tertius vero prae-dictorum (sc. magistrorum divinas
paginaev nemlich ein magister in pago Andrguvensij non solum personarum proprie
tates res diversus a deo constituih verum etiam potentiam dei, iuslitium‚ misericor
dient, iram et cetera Imiumwdi, quae iuxta humani sermonis cunstwtudinem in deo
signi/icath res quasdam et qualitates ab ipso diverses, sicut et in nulu's, concedit,
ut quol fere vocabula de deo dicuntun tot in deo res diversas constituaL
112) D. gen. et sp. p. 515f.: illud ergo maioris sintpticitatisy quod dicunt
quidam, quia differentiae quidem adveniunt guncri, sed non fundantug unde et per
se diciturl quia sibi ipsi facit subiectum
113) Afmel. Dialcrl. p. 399 f.: Nota auteml id quod diz'imus, contraria maxime
esse advcrsu, eorum abesse sententiam qui eandem in essentia materiam generis in
omnibus proponunt speciebus ipxis, ut eadem prorsus sit in essentia materia hominis
et esini, quae est animaty sed diversae quidem hic et ibi illius formam Es bezieht
sich auch jene oben (Anm. 105.) angeführte Stelle des Boethius auf die Frage
über die Gegensätze. Ja es scheint diese schwierige (Iontroverse sich in irgend
einen Schulvvitz vom „grossen Esel“ zugespitzt zu haben, denn kaum anders werden
wir die Worte D. gen. et spec. p. 536.: duo opposita esse in eodcm, quod scilicet
inconi-eniens e/fugere non possunt. qui grandis asini sententiam tenent verstehen
können, da die Schreibweise des dortigen Verfassers nicht zulässt, „grn‘ndis usinus“
etwa als heschimpfende Bezeichnung des Wilhelm v. Champeaux zu nehmen; wie
jedoch der Witz formulirt gewesen sei, kennen wir nicht einmal crrathen. Aehn
liebes wohl finden wir bei einer anderen Controverse, s. unten Anm. 352. , und
eine wirkliche Formulirung, in welcher jedoch der Begriff „grundis“ keine Stelle
findet, s. unten Anm. 434.
l.
XlV. Die Schwierigkeiten des Realismus. 133 'i
‚
.1
den 1M), so trat andererseits für die Gattungs- und Art-Begrill'e auch
dadurch eine Schwierigkeit hervor, dass Gegensätze (wenigstens in ihrem
individualisirten Dasein) an Ein und demselben Suhjecte sich finden,
wornach also, wenn z. B. ein Mensch zwar keusch, aber zugleich geizig
ist, in demselben das Universale des Guten mit jenem des Bösen zu
sammentrell'en müsste; Einige nun hall'en sich mit einer Distinction
zwischen den höheren Gattungen und den specialisirten Arten der Gegen
sätze, indem sie wenigstens diese letzteren von der Möglichkeit des
Zusanimentrell‘ens ausschlossen, Andere hingegen dehnten sogar auch
auf diese das bedenkliche Zugeständniss aus “5). Vielleicht gerade hie
durch wurden wieder Andere zu dem radicalen Mittel veranlasst, zu
behaupten, dass die ganze Function des artmachenden Unterschiedes
überhaupt nur in der-Kategorie der Substanz ihre Stelle habe, bei den
Qualitäten hingegen dasjenige, was man Arten oder Unterarten nenne,
eigentlich sofort als Gestaltung von Individuen zu betrachten sei, denn
z. B. Weiss und Schwarz seien in der gleichen Weise zwei verschie
dene Wesen wie zwei Mensehen-lndividuen“6). Ja Einige glaubten
selbst bei den Substanzen den Grundsatz, dass nach Wegl'all der Gat
tung auch die Art wegfalle (nicht aber umgekehrt)‚ sogleich beschränken
zu müssen, sobald mit dem Wesen der Gattung eine qualitative Aende
rung vor sich gehe, denn es sei z. B. unrichtig zu sagen: „Wenn es
kein Mehl gibt, gibt es kein Brod“, da das lllelil vorerst in Teig zu
ändern sei und hiemit auch bei gänzlichem Mehl-Mangel es Brod geben
könne, wolerne es nur Teig gebe “7). vs} ‚‘r"
i ."s' ‘
114) Aliacl. Dial. p. 477.: liationalitas enim et mortalitas advenieutes substan
tiae animalis eum in speciem ereani, quae est homo ; nec cum ipsae generis substan
tiam in speciem redduntv ipsae quoque in essentiam speciei simul transeuntl sed solo
qenera vel subiecta speci/icantur non quidem cum differentiis sed per dinercntias
Si enim di/feruntiae in speciem trans/errorum cum genere, sicut quorundam seu
tentia tenete profecta cogcremur fateril et di/ferentias ipsas cum genere neque
in essentia speciei convenire. unde et ipsas de substantia rei esse et in partem ma
teriae venire contingercL
115) Ebend. p. 390,: Sunt autem quidam qui contraria genera in eodem esse
non abhorrenty sed contrarias species in eodem esse impossibile con/itentun Dimm
enim quod cum omnia accidentia per individua in subiecta miunt, et ipsa contraria
genera per individua sua subiectis contingunL ut virtus et vitiumy quae in hoc
homine per hanc castitatem et hanc avaritiam recipiuntur. quae individua sunt casti
tatis et avaritiae, quae invicem species non sunt contrariae mei species con
trarias esse in eodem per aliqua sua indicidum illud prahg'lwt, quod nec ipsarum
individua in eodem possunt esseyquorum sunt tota substantia ea quae sunt contran'a,
utpote species Sunt autem et qui species contrarias in eodem posse consistere
non deneganL
116) l). gen. et spec. p. 541.: Sunt tamen qui solum praeilicantentum substan
tiae differentia habere dicunty et cum qualitas dividatur in duas prom-imas species1
dicunt illas non diversiricari a genere per aliquas difl'erentias, sed sicut ilia essentia
hominis quae est in mes non est quae illa est in altere, et tamen dissimili forma
non difl‘erunt, eodem modo albedo non est nigredoy nec tamen aliqua forma suae
essentiae differt ab ea, sed utraque mera est essentia.
117) Abael. Dialect. p.u1185 [.1 Destructo genere speciem perimi necesse est. per
ernpta vero specie genus remanere contingit Lluod tamen quidam in his deler
minant, in quorum constitutione materia suum esse non mutati sed quod habebat
per ac, etiam in coniunctione retinety ut hic paries, qui et in constitutione domus
paries „man, sicut ante fuerat. Farina autem panis materia dicitur. sed versa in
' w. au tuin ..i.’
l
134 XIV. Die Schwierigkeiten des Realismus. l
Sowie aber diese Gontroversen, welche meist mit einem Aufwande
von Stellen aus Boelhius geführt wurden, bereits, wie man siebt, an
die Gränze des Unverständigen heranrückten, so hatten sie nach dem
Vorbilde der üblichen SchuI-Logik ihren verwandten Tummelplatz auch
in der Lehre von der Eintheilung (s. oben Anm. 75) und der Defini
tion. Alle Realisten kamen zwar darin überein, dass sie im Anschlusse
an die Auffassungsweise des Boelhius (Abschn. XII, Anm. 98) oder viel
mehr des Porphyrius (Abschn. XI, Anm. 41 11'. vgl. Abschn. III, Anm.
7811‘.) dem platonischen Verfahren einer fortgesetzten Dichotomie den
Vorzug gaben 118); aber schon sogleich bei der zur Definition erforder
lichen Eintheilung der Gattung musste die Frage wiederkehren, wie es
sich mit den am Gattungsbegrifl‘e unterscheidbaren Wesens-Theilen ver
halte, und während die Einen behaupteten, dieselben seien durch Mi
schung vereinigt, etwa wie auch aus der Mischung vou Weise und
Schwarz eine anderweitige dritte Farbe entstehe 119)‚ wiesen Andere
darauf hin. dass ja alle Wesenstheile der Gattung auch einzeln als
Pradicate von den zur Gattung gehörigen Individuen ausgesagt werden
können 120); hingegen auch (liess wurde von Einigen wieder bestritten,
da jene Wesenstheile nur als allgemeinere Begriffe, d. h. abgesehen vo
ihrer Verbindung mit anderen wesentlichen Merkmalen, Prädicate seien,
nemlich als Prädicat werde z. B. vom Menschen nicht die speciell mensch
liche Körperlichkeit, sondern eben die allgemeine Körperlichkeit über
haupt ausgesagt, und ebenso auch die Geistigkeit ‘21). ‚Eine andere mit
Letzterem offenbar verwandte (Zontroverse betraf die Frage, oh bei der
Eintheilung der Gattung der Name des artmachenden Unterschiedes nur
auf die Species oder zugleich auch auf die zu Grunde liegende Gattung
sich heziehe‘”). Auch konnte, je nachdem man die Dilferenz mehr
von der Gattung trennte (Anm. 112, 114),. die Aufgabe der Definition
in die blosse Angabe der Qualitäten verlegt werden und hiedurch unter
den in der SchuI-Tradition (Abschn. XII, Anm. 2, 107 u. 178) aufge
panem suum mutat esse, cum scilicet farinam esse deserit et in micas coneertiturl
unde necquidquam conccrlitur, ut, si farina non sil, panis desit etc.
118) Ebend. p. 458.: Si autem genus semper vel in proximus species ecl in
proximus differentias dividereturl onmis divisio generisy sicut Boelhio (d. divis p.
rotas placuit, bimembris esset Hoc autem ad eam pliilosophicam sententiam
J, rcspicil, quae res ipsasy non tantum vocesl genera et species esse ronfitetur.
' 1191 cui Porretu ad Roeth. d. Trin. (Boeth. Opp. ed. Busil. 1570) p. 1144.:
Putant quidam imperiti quod non sit cera dietiu, si quis dicat „Iiomo est cor
pui“ non addens „et am'ma", aut si dicat nhomo est animam non addens „et
corpus“, opinanles, quody ex quo diversa ut unum componant coniuncta sunt. esse
utriusque adeo sit et illa coniunctione confusum. ut sicut cum album et nigrum
permiscentun quod ez illis sil, nec album nec nigrum dicitur, sed cuiusdom atte
rius coloris ex illa penniztionc provenicntis.
120) Ebend. p. 1143.: corporalitas non modo de hominis illa partev quae
corpus est, verum etiam de homine praedicatur. et rationalitas non modo de hominis
illa partel quae spiritus 0st, sed etiam de homine praedicatur .. (p. 1144.) quid
quitt de parte naturaliler, idem et de composito a/firmandtmt.
I 121) Ebend p. 1144.: forum aliqui dicere gestiunL aliam rationalitatem quam
illam. quae est humani spiritus, de homine diciy et similiter scientiam aliam ct
aliam corporalitatem quam quae humani corporis est.
122) Die betreffende Stelle ist vollstandig oben, Anm. 108., angeführt.
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XlV. Die Schwierigkeiten des Realismus. 135
zählten Arten der Definition die qiialitative den Vorzug erhalten‘“).
Noch schwieriger aber gestaltete sich nach Uhigem (Anm. 112 u. 116)
die Frage, Wie es mit der Definition der Qualitäten selbst, d. h. der
adjectivisch ausgedrückten Begriffe, stehe, und es erhob sich hierüber
eine der ausgedehntesten Controversen; denn wenn man auch bezüglich
der Vorfrage, ob bloss das Wort oder dessen begriffliche Bedeutung
zu definiren sei, in realistischem Sinne sich für Letzteres entschieden
hatte, so dass die Eigenschaft als ein Gef'oriutsein durch ein Universale
(z. B. formatam albedine) definirt würde, so konnte wieder gefragt
werden, ob diess die Definition der Eigenschaft selbst (albedo) odei‘
des qualificirten Substrates (album) sei; und hielt man sich dann, da
ersteres zu einer sinnlosen Verdopplung führt, an letzteres, so trat das
Bedenken auf, ob hiemit jedes einzelne derartige Substrat definirt sei,
oder etwa sammtliche zusammen, und nothwendiger Weise zeigte sich
wieder diess Beides als haltlos, da weder die Dinge selbst, sondern
nur eine Eigenschaft definirt ist, noch auch die Dinge vermöge Einer
Eigenschaft, die sie gemein haben, in ihrem Wesen identisch sind 124).
Sowie aber diese ganze Disciission im Principe noch'auf dem nemlichen .
niedrigen Standpunkte steht, Welchen wir oben (vor. Abschn. Anm.
350 ff.) bei dem Realisten Anselmus trafen, so tragen auch die Streitig
keiten über die zweite Methode des Eintheilens (Abschn. Xll, Anm. se
u. 100), nemlich über die Theilung des Ganzen in seine Bestandtheilem'
eine arge Einseitigkeit in sich. Denn wenn die Frage, was ursprüng‘
lieber Theil (pars principale sei, in die Alternative hineingetrieben
wurde. dassltdie Einen jene Theile als ursprüngliche bezeichneten,
welche, während sie das Wesen des Ganzen conslitniren, selbst nicht
mehr Theile eines Theiles sind (z. B. beim Menschen Seele und Leib),
die Anderen hingegen jene letzten Bestandtheile, durch deren Zerstörung
u -,j.:_„ tf
123) Abacl. Dialecl. p. 492.: Multi, cum significationem substantiae huius no
minis quod est „homo“ agnoscanl, nec qualitales ipsius satis ex ipse percipianl,
lantum propter qualitatum demonstrationem dif/initionem requirunL . “
124) Ebend. p. 495.: At vero in his dif/initionibus quae sumptoruni (diess bei
Abalard das übliche Wort für Adjectiva, s, unten Anm. 321.) sunt vocabulorum
magna, mernini, quaestio solet esse als/n'a, qui in rebus universalia primo loco
ponunt Duplex enim horum nominum quae sumptu sunt signi/italia diciturj altera
principalisy quae est de forma, altera vero secundun'u, quae est de formatog sic
enim „albwn“ et albedinem, quam circa corpus subiectum dolcrminot, primo loco t
significare dieiturl et secundo ipsius subo‘cctom, quod nominal. (Zum iloque album
hoc modo difnnimus nformatum albcdine“, quaeri solety utrum haec dif/initio sit
tantum huius vocis, quae est „olbum“, au alicuius suae significotionis. At vero
cum vocem non secundum essentiam sunm, sed aignificationem diffiniamus, i-idctur
haec dif/initio recte ac primo loco illius esse. liestat ergo quaerere, sin illius
signi/icationis sil, quae prima est, i. e. albedim's, am eins, quae secunda est, quae
est nsubicctum olbedinisf‘. At vero si haec diffim'tio albedinis sit, praedicatur davl
ipsav et de quocunque albedo dicilur, et ipsa dif/initio praedicatum at vero quis
albcdinem vel hanc albedinem formari albedine concedatP Si ccro dif/initio su
prapon'ta eius rei. quam „ollmm“ nominantl esse dicalur, qunen'tur, utrum
uniuscuiusque sit per ae, quod albedinem suscipiant. sine omnium simul aceeptorunL
Uuod si uniuscaiusque sit illa diflinitiol utique et margaritaeg unde de quocunque
t illa di/fim'tio dict'tur, et margarita praedicatum quod omnino falsum eal. Si vero
‘ omnium simul acceptorum esse concedatur, oporlebil, ut de quocunque diffinitt'o illa
ennnliatur, omnia simul praediccntur, quod iterum falsum cst.
i
-‚ ausse-ezr -
v
136 xw. DieNSchwierigkeiteu des Realismus.
das Ganze zerstört wird (z. B. Hanrit oder Herz), als die ursprünglichen
betrachteten 125), so war in Folge des ontologiscben Realismus bei'
ersterer Beantwortung dieser ganze GesichtSpnnkt der Eintheilung ent
stellt und in das Gebiet der Definition verdreht, bei letzterer aber unbe
dachtsamnlie subjective Denkfunction des Menschen, welche den Theil
begrill‘ erst schall't, in den objecliven Bestand umgesetzt, eine Stumpf
beit der Auffassung, von welcher sich bereits der roscellinische Nomi
nalismus (vor. Abschn.‚ Anm. 321 l.) freigemacht hatte. Während die
Einen die rrheilung ins Unendliche als eine objectiv materielle verstanden
und hiebei die gestaltende Form unberücksichtigt liessen oder vielmehr
vernichteten 126), warfen sich Andere‚ wie z. B. ein gewisser Magister
„6.“, auf die Wirkung der Form und hielten das quantitative Verhältniss
der Stoll'theile für gleichgültig ‘27), und auf solcher Basis wurde dann
die Controverse geführt, inwiel'erne ein Mensch bei Zerstörung eines
Finger-Nagels noch Mensch bleibe oder nicht 123). A
ligitur-i
125) Ebend. p. 463 1.: Es! autem quaestio. quas principalcs, quas secandarias
partes vocari conveniatg- alii enim secundum constitutionem. alii secundum destructio
nem has consideranL lii namque eas principales ivocant.uqaae partium partes non
sunt. sed tamen lotius, ut in hoc homine animam et corpus, quibus coniungin vel
in hac domo hune parietem et lioc tectum et hoc fundamentum Oui vero princi
palitatem secundum destructiortem consideranti dicunt eas tantum principales esse,
quae substantiam totius destrunnt. ut capuL quod abscissurn hominem perimit.
126) D. gen. et spec. p. 510.: Ouidam adhuc argumentanturz si haec donius
aal, ef quaelibet eius disgrcgata pars est. et ita hic asser estf cum sit eius dicite
. gata parsg et si bic asser esl, medietas huius asseris est. deinde dimidium dimidiil
et sic usque ad punctumg itaque si haec domus est, et hoc punctura huius asseris
ext; quare si hoc punctum non est1 nec ista domus est. Eine zweite Stelle wurde
schon oben, Anm. 109., angeführt. ”Ferner AbaeL Dialert. p. 182.: Talent rationem
magistri nostri sententia praetendebah ut ex punctis lineam constare concinuntur-f
cum, inquit, linea ubique possit incidi atque sepuratis partibus in capite uniuscuius
que puncta appareanly quae prius erant coniunctaq oportet per totam linearn puncto
esse,- quod si puncto de essentia lineae non sint. magis partes lineae continuare
possunt. quam albedo supraposital ‘ e
127) l). gen. et spec. p. 509.: Vel aliter secundum magistrum G. (s. Anm. 102.):
Prius videndum esty quid dicant voces istae „si paries 0st, et hic dimidius pan‘es";
dicitur indev hic paries non est positus ex duobus lapidibus vel quatuor et formas
sed corpus infectam tali proprielale. quae parietem faciatc quotiens ergo in aliquo
subiecto tatem formam reperiunh sive augmenletur quantitas sive diminuatur, forma
tarnen, quae prius fueral, remanel, verbi gratia, si alterum caput serpentis duo
capita habentis umputeturq serpens tameny qui prius fueraty remaneL AbaeL Dialect.
p. 181.: Sunt autem quidam, qui neque tineam ez punctis neque s-uperficirm
ex lineis aut corpus ex super/iciebus constare concedunt Non est itaqae haec
constitutio ad omnem lineam referenday sed ad maioresa quas sensu quoque ipse
concipimus et per quas homines mensarare consueverunL
128) D. gen. et spec. p. 511.: Sic itaque crescendo novasque creataras pro
gressive creando‚ danec ad aliquam Socratis perveniatur particulaml utpote ad imgues,
habebis unam magnam naturaml quae erit pars Socratis et non Socrates. quia in cius
constitutionc non est ungula. quae ungula pars est etiam Socratis cum illa magna
perle. ilac autem ungula destructa destruilur pars illa naturaej cuius ungula pars
esty quae natura est Socrales, et ita destruitur Socratesg illa autem magna natura,
quae prius pars Socratis erat et non Socratesl destructa ungula remanet Socratcs . et
ita quod prius non erat Socratesl fit Socrates. Oder abnlich ebend. p. 512.: liaec
sententia medium digiti naturam unam esse negati sed si abscindatun ereaturam esse
merito dubitatg aut ergo creatum erat in digito, priusquam amputaretun aut post
abscissionern creatur.
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XIV. Die Lehre vonvstatus. Walter v. Mortagne. 137
Wenn auf diese Weise der Realismus jenes Missgeschick, welches
ihm in den eigentlich logischen Fragen ankleben muss, wirklich mannig
fach beurkundete, so ist es nicht zu wundern, dass von mehreren Seilen
neue Wege zur Erklärung der Universalien eingeschlagen wurden, wobei
man den Schwierigkeiten des Realismus ebensosehr wie der Einseitig
keit des Nominalismus zu entgehen wünschte. Die Bedeutung einer
Uebergangsl‘orinalion scheint zunächst jene Auffassung zu haben, welche
von ihrem Stichworte als die „status-Ansicht“ bezeichnet werden
könnte, und gleichfalls (vgl. Anm. 112) durch jene Bedenken veranlasst
zu sein scheint, welche den Behauptungen des Wilhelm v. Champeaux
entgegenstanden. Wenn nemlich das allgemeine Wesen der Gattung
durch individuelle Formen seinem ganzen Gehalte nach specialisirt wer
den soll (Anm. 105), so ist schwer einzusehen, wie es mit jenen „hin
zukommenden Eigenschaften“ (advenientia) stehe, welche innerhalb einer
Gattung entweder variiren oder nur vorübergehend sind. Hier nun
grill'en Einige zu dem Anskunftsmittel, dass das Universale von solchen
Qualitäten wohl afi'icirt werde, nicht jedoch insoferne es eben ein Uni
versale sei, und sowie ’man einmal so weit gegangen war, konnten
sich leicht die Universalien, welche bei den Realisten als Dinge (res)
gegolten hatten, wirklich in blosse „Zustände“ verwandeln, d. h. es
wurde tum in der Stufenfolge von Gattung zu Individuum nicht meny
das Universale, sondern der „Status universalisu in Betracht gezogen,
eine Auffassung,-‚ welche sowohl durch das durchgängige Motiv einer
Tabula logica nahe genug gelegt war, als auch ihrerseits gleichfalls
aul' eine Stelle des Boethius sich stützen konnten“). Ein Vertreter
dieser Ansicht war Walter von Mortagne (er lehrte zur Zeit Abä
lärd's in Paris und starb als Bischof von Laon i. J. 1174), welcher
zwar mit überwiegendem Eifer den dogmatischen Controversen seine
Thätigkeit zuwandte 130), aber auch in die Dialektik vorübergehend ein
129) Ebend. p. 514 f.: Amplius sanitas et languor in corpore animalis fundarur,
albedo et nigredo simpliciter in corporeg quod si animal totum existens in Socrate
languore afficitur, et totam, quia quidquid suscipitj tota sui quantitate suscipity
eodem et momento nusquam est sine languoreg est autem in Platon: totum illud
idem; ergo etiam ibi langueretg sed ibi non languet. [dem de atbedine et nigro-ii
dine circa corpus. Ad haec enim non refugiunty ut dicant etat . . . . .. Adduntl ani
mal universale tanguety sed non in quantum est universale. Si ad status se transferant dicentes nanimal in quantum est uuntiivnearmsalsee nvoidneatnatnguel
in universali stata“, respoadeant, de quo velint agere per has voces „in statu uni
oersah'“. Die Quelle aber dieses Begriffes „stams universalisu werden wir mit
Hecht bei Boethius erblicken, wo derselbe gelegentlich der Qualität (ad Ar. praed
p. 180.) sagt: Nihil impedity secundum aliam scilicet atque aliam causamy unam
eandemque rem gemino generi speciei suae supponerc, ut Sacrates in eo quod pater
est ad aliquid diciturj in eo quod homo substantia esl, sic in colore atque frigore
in eo quod quis secundum ea videtur esse dispositus in dispositione numeraturl
denn in dem Ausdrucke „in eo quod“ liegt hier das Entscheidende, sowie in einer
noch deutlicheren Stelle (ebend. p. 189.): Si secundum aliam atqiimaliam rem
duobus generibus eadem res supponaturj nihil inconveniens eadit; ita quoque
et habitudines in eo quod alicuius rei habitudines sunty in retatione ponuntur. in
eo quod secundum eas quales aliqui dicuntur-j in qualitate numeranturg qaare nihil
est ineonveniensq unam atque eandem rem secundum diversas naturae suae potentias
(diess sind ja die Universalien) pluribus adnumerare generibus. en
130) Seine Briefe (gedruckt h. D’Achcry SpiciL cd. De la Barre, Par. 1723,
138° xw. Walter v. Mortagne. Die Indifferenz-Lehre."
wirkte. Er suchte nemlich die numeräre Einheit des Universale mit
der WesensVerbindung, in welcher es mit den Einzel-Dingen stehe, da
durch zu vereinharen, dass er an dem Individuum die Individualität und.
den Artbegrill' sowie den Gattungsbegrifl' bis hinauf zur obersten cattung
je als verschiedene Zustande —- status - unterschied 131). Jeden
falls liegt in dieser Ansicht, wenn uns auch nähere Mittheilungen über
dieselbe gänzlich fehlen, das Beachtenswerthe, dass einerseits das Uni
versale den Einzel-Dingen näher gerückt ist, und andrerseitsiffir-jene
Unterscheidung der Zustande die subjective Denkoperat'ion mehr in den
Vordergrund tritt. Daher erscheint auch jener Bericht (s. oben Anm.
69) nicht unglaubhaft, wornach von der nominalistischen Annahme be
treil's der „maueries“ Einige in die status-Frage hinübergelenkt zu haben
scheinen (s. Anm. 88). M» Maas-.33
Die innere Entwicklung aber leitet uns hiemit von selbst auf‘fdiai
lnd-iffe renz-Lehre hin, Welche insbesondere eine vermittelnde
Stellung zwischen den Parteien einnimmt. Sie beruht drauf, dass Ein.
und dieselbe Sache zugleich allgemein und einzeln sei, indem nicht etwa
ein Universale den Dingen wesentlich einwohne, sondern nur an 'den
selben als mehreren gleichartigen ein unterschiedslos (indifl’erenter)»
Gemeinschaftliches sich zeige; hiernach aLso wird dasjenige, was an
mehreren Dingen das Gleichgeltende oder innerlich Aehnliehe (indiffe
rens oder corm'mile) ist, in der Definition als Gattungsbegrifl' bezeichnet,“
und für das so gefasste Universale ist die Möglichkeit der Aussage
(praedicari de plun'bus) gerettet, während der Realismus immer Gefahr
lief, ein Ding von einem Dinge aussagen zu müssen (s; unten Anm. 287),
und diese letztere subjectiv logische Seite konnte nun wohl allenfalls
auch mit dem Begriffe eines status verbunden werden, so dass jedes
Ding einen Zustand der Individualität und zugleich einen Zustand der
Allgemeinheit an sich habe 132); aber dennoch ist der ganze Standpunkt
von jenem Walter's verschieden. Während nemlich dort noch an der
Existenz. des Universale festgehalten wird und eben dieses es ist, welchem
lll, p. seo fl‘.) sind nur dogmatischen Inhaltes und berühren die Midm
Philosophie nicht im Geringsten.
131 Die Belegstelle s. oben Anm. 65.
mi AbaeL Glossulae sup. Porph'. bei Re'musa! (s. Anm. 13. u. 73.) p. 99 f.:
La secande muntere de soutenir liuniversalite des olioses, c'est de pretendre que la
memo chose est universelle et particuliereg ee nlest plus essentiellement, muis in
di/feremment quc la chose commune est en divers Ca qui est dans Platon et
dans Sonate, c’est un indifferent, un sembluble, uiridi/ferens vel cnnsimile". lt
est de certaines choses qui conviennent ou slaccordent entre alles, c’esl-d-dire. qui
sant semblablcs en natura, par exemple en tant que oorps, en tant qu’animauz;
elles sont ainsi universelles et parlicnlidres, universelles en ce qu'elles sont plusieurs
en cornmunautc diattributs essentielsj particulieres en ce que chacune est distincte
des autres. La ddfiiiilion du qenre („praedicari de plurc‘bus“) ne siapplique utors
auz choses qu’elle concerne qu'on tant qu’elles sont semblables. et non pus en tant
qu'elles sont individuelles. Ainsi les menses choses ant dem: “als, leur etat de
gen“, leur etat dlindividusj et suieant leur etat eiles comportent ou ne comportent
pos unc definition diffe'rente. 0b Bemusat in der Handschrift hier wirklich das
Wort „slalus“ gefunden habe —- es scheint wenigstens so —, oder dieser Zusatz
nur auf seiner eigenen Auffassung beruhe, weiss ich nicht; doch s. jedenfalls so
gleich d. folg. Anm. u. 135 f. -
WUP- XIV. Die‚lndilferenz-Lehre. 139
‘_-__.
verschiedene Zustände zugeschrieben werden, tritt bei der Indifferenz
Ansicht in aller Schärfe dieLv dem Nominalismus (Anm. 77 f.) angehörende
Auffassung an die Spitze, dass überhaupt Nichts anderes existire, als
nur Individuen, und indem das Denken sich auf diese als auf seine Ob
jecto wirft, entstehen nur durch die Verschiedenheit der Auffassung
(atiter et aliter atlentumfdie Universalicn, so dass Zustand (status) oder
Natur (natura) des Individuum-Seins oder des Art-8eins u. si f. nur
als subjective Anschauungsweisen zu betrachten sind, und vor Allem
ist es hiebei gleichsam ein negatives Verfahren, welches vom Individuum
zum Allgemeinen führt, indem das Denken (inteltectus) die individuellen
Unterschiedei-stufenweise bei Seite lässt (11cm conci'pi't), absichtlich ver
gisst (oblitus), hintansetzt und abstreift (postponit, relinuny um in
dem Erfassen des Unterschiedslosen zum Höchsten, d. h. zur Substanz
fortzurücken 133). Sonacli kann sich auch diese Ansicht, ähnlich wie
die anderen, auf einzelne Stellen des boethius berufen„.wenn sie be
hauptet, dass das Individuum, als Individuum betrachtet, gar kein Un
terschiedsloses an sich trägt, welches ihm mit anderen Individuen ge
meinsam wäre, sondern es gleichsam der Unterschied selbst ist, hingegen
je mehr man dieses nemliche Individuum als Art oder Gattung betrach
tet, man desto mehrere gemeinschaftliche unterschiedslose Momente an
ihm entdeckt und dann all das Gemeinschaftliche als Art- oder Gattungs
BegriII' zusammenfasst 134), so dass hiemit allerdings, weil zuletzt an
133) D. gen. et spcc. p. 518.: nunc ita uc ittam, que de indtfierentia est,
sententiam perqujramus. cuius haec est positio : ihil onmino est praeter individuumj
sed et illud aliter et aliter attentum species et genus et gcneralissimum est (ebenso
in der schon oben, Anm. 72., angeführten Stelle). ltaque Socratcs in ea natura
(man beachte „natura“, wofür sogleich hernach „status“ steht), in qua subiectus
est sensibusl secundum illam naturam, quam significat de „esse Socrati" (dieser
Sprachgebrauch -— ro wagtizu. eivai - beurkundet sicher eine Gewandtheit in
der Terminologie der aristot. Analytik, s. ohen Anm. 8 11.), individuam est ideo,
quia tale est proprietasp cuius nunquam tota reperitur in alio .. De eodem Socrate
quandoque habetur intellectus non concipiens quidquid notat haec nos „Senates“,
sed Socralitalis oblitus id tantum percipit de Socrate, quod idem notat „haue“, i.
e. animal rationale 711071012, et secundum hoc species est . Si intellectus postponlt
rationalitatem et murtalitatem, et id tantum sibi subiiciaty quod notat haec ooz
„animal“, in hoc statu (also „stutm“ in dem Sinne von obigem „natura") genus
csl. Ouod si relictis omnibus formis-in hoc tantum consideremus Socralem, quod
notat „substantia“, gencralissimum est. a
134) Ebend.: Socnulcsx in quantum est Socrates, nullum prorsus indifferens
habel. quod in alio inveniatur, sed in quantum est Iwmo, plura habet indifl'ercntia,
quae in Platone et in aliis ineeniuntur; nam et Plato similiter homo est ut Socrates.
quamvis non sit idem homo essentialilen qui est Socrates. [dem de animali et
substantia. Um aber diese auf svinc Quelle zurückzuführen, genügen folgende
Stellen des Boethius ad Porph. p. 56.: cogitantur verauniversalia, nihilque aliud
species esse putanda est nisi cogitatio collectum individuarum dissimilium numero
substantiali similitudinel genus vero cogitatio collecta ex specierum similitudine ; sed
haec similitudo cum in singularibua ext, fit sensibilisl cum in unioersalibus. fit
intelligibilis; ferner ebend. p. 78.: lndh'iduorurn quidem similitudinem species col
ligitg specierum vero genus ; similitudo autem nihil est aliud nisi quaedam unilas
qualitatisg und ehend. p. 80.: ea'namque sola diuidunturl quae pluribus communia
sunt; in his enim unumquodque dividiturv quorum est commune quorumque naturam
ac similationcm continetg illa vero. in quibus commune dividitar, communi natura
participantl proprietasque communis rei Iris, quibus communis est, conuem't; al'vere
mo XIV. Die lndill'erenz-Lehre... Adelard v. Bath.
jeder individuellen Erscheinung auch die Seite (status) ihrer allgemein
stcn Gattung erfasst werden kann, es so viele allgemeinste Gattungen
‚ gibt, als es Individuen gibt, und nur wieder durch Erwägung eines ge
meinschaftlich Unterschiedslosen die höchsten Gattungen in zehn Klassen
(Kategorien) sich gruppiren, aber alle zusammen doch wieder darin Ein
Allgemeinstes ausmachen, dass sie eben das unterschiedslos Gemeim
schaftliche sind mm ln gleicher Weise gestaltet sich dann auch das
Verhältniss der Aussage, denn während das lndividuum stets nur sein
eigenes Prädicat ist, kann diejenige Seite an ihm, welche als Art oden
Gattung erfasst wird, eine gegenseitige Bezugsetzung zu anderen lndivi
duen herbeiführen, d. h. z. B. das Mensch-Sein des Socrates ist Prä
dicat (inhaeret) auch für Plato, und umgekehrt, und dieses Gattung-Sein
des Individuums ist Sammelbegriff (colligilur) sowohl für dieses lndivi
duum selbst, als auch für die übrigen gleichartigen l36), -— kurz das
Verhältniss des Allgemeinen und des Einzelnen reducirt sich aut‘ ein
„lnsoferne“ (in quantum), und indem es weder ein bloss Allgemeines
noch ein bloss Individuelles gibt, ist es die Verschiedenheit der Aul
fassung (diversus respectus), wodurch das Allgemeine als Einzelnes und
das Einzelne als Allgemeines betrachtet wird 137). e
Indem nun diese Indifferenz-Lehre zuletzt doch wieder init dem
„Singulare sentitur, universale intelligitur“ übereinstimmt und hiemit
sich auch auf Boethius (Abschn. Xll, Anm. 91) stützen konnte, und
immerhin zugegeben werden durl'te‚ dass die Universalien für uns hienie
den in diesem Jammerthale nur als Individuen eine wahrnehmbare Exi-„
stenz haben, während ihnen in Wahrheit ein intelligihles Sein zukomme,’
so konnten namentlich wegen jenes aufwärts führenden" ‚.Ahstreil'ens“
des lndividuellen (Anm. 133) sich selhst Platoniker mit der Indifferenz
Ansicht bel'reunden, während zugleich Aristoteliker an derselben die
Wechselbeziehung zwischen Allgemeinem und Besonderem, sowie die
Werthschätzung der subjectiven Denkoperation beachten mochten (ein
Beispiel der letzteren Auffassung werden wir unten, Anm. asa l'.‚ bei
einem Schüler Abälard’s trell‘en). So ist es erklärlich, dass Adelard
von Bath, welcher um d. J. 1115 eine aul‘ Platonismus heruhendä
proprietas individuorum nulli communis ext. Hier nemlich ist sowohl das simile
oder commune als auch das colh‘gere (Anm 136.) deutlich genug vorgezeichnet.
135) Ebend. p. 519.: Solaunt illi dicmtes. generalissima quidem iri/inito esse
essentialiter, sed per indifl'ercntiam decem tuntum; quot enim individua substantiam
tot et sunt generalissimae subrtanliaeg omnia tamen illa generalissima generalissi—
mum unum dicunlur, quia imi/ferentia ‚mm; Socrates enim in eo quod ut substantiß,
indifferens est cum qualibet substantia in m slatu, quod substantia esL
136) Ebend.: Sed et hi dic-aula Sacrates in nulla statu alicui inhaeret nisi
tibi essentieliter. sed in statu hominigpluribus dicitur inhaererei quia alii sibi in
di/rerentrs inhanenl; eodem modo in statu animalis (p. 520.) nicunt itar
Socrates in quantum est homo. de se colligitur (man beachte dieses Wort) et de
Ptatone caeterisqueg unumquodque individuamv in quantum est homo, de se colligüur.
137) Ebend. p. 521.: llli tamen non quiescunt, sed dieentr nullum singularr,
in quantam esl singulure, est universale, et e converso, et cum universale est.
singulare ext universale, et e eonverxo. Ebeud. p. 520.1 Negant hanc consequen
tiam „xi est universale, non est aingulure“, nam impositione suae sententiae habe
tur : omne universale est singulare ct omne singulare est universale diversis re
speetibus.
Ä!
x1v. Adelard v. nam wm im
Schrift „De eodem et diverse“ v'e‘rfasste 138)‚ eben durch die Indifferenz
Lehre den Gegensatz zwischen Plato und Aristoteles ausgleichen zu
können glaubte. Derselbe klagt über den schroffen Gegensatz der logi
schen Parteien sowie über die Neuerungssucht seiner Zeit‘”), aber er
ist der Ansicht, dass durch richtige Erklärung betrell's der Universalicn
der Streit sich schlichten lasse “0). Er aussert sich hiebei über' die'
Art- und Gattungs-Begrifl'e völlig übereinstimmend mit der Indifferenz
Anriahme, ja selbst fast mit den nemlichen Worten (z. ß. diversus re
speclus, oblieisci, non alte-ridere u. dgl.)‚ so dass man glauben kann,
unser obiger Berichterstatter habe Adelard’s Schrift im Auge, denn die
einzige Abweichung ist, dass hier der Begriff des status nicht beige
zogen wird, und vielleicht etwas mehr Gewicht auf die Wortbezeichnung
fällt 141). Sodann aber folgt in platonischem Sinne eine Klage darüber,
dass für den Menschen das Allgemeine durch die unerlässliche Sinnes
wahruehmung verfiustert sei, während die Universellen in ihrer reinen
Einfachheit ursprünglich nur im göttlichen mag vorlagen H2)‚ und
t < "' ' if
#7rar-cri- r '‚V’
m m- _ s w
138) Näheres über ihn s. bei tom-duin1 Hecherrhes cril. 2. Aufl. (1843) p.
26. u. 97. u. 258—277., woselbst aus einer Pariser Handschrift ansehnliche Bruch
stücke dieses Buches in Ueberselzung mitgetheilt sind. vg
139) Ebend. p. 262.: L'un pretenil qu’on doit partir les ehoses sensibles,
l’autre commenee par les choses non sensibles. Celui-ld soutient que la sciencc
n’est que dans les premr'ercs, celui-ci qu'elle est hors des derm‘eres; ils slinquiltent
ainsi mutuellemcnt, a in qu’uucun d'eum ne s’attire la confiance (p. naso -‘A
qui dem: fant-il croire d’entre ceuz qui toui-mentem nos oreilles de leurs innovations
jaurnaliüres, qui ohaque jour missen! pour nous, nouveauz Aristotes et nouveauz
Platonsy qui promouent egalmient et les choscs qu'ils xavenf et celles qu’ils ignorant?
140) Ebend. p. 267.: L'uu d'rux (d.- h. Plato und Aristoteles), transporte'
par lleleoalion du son esprit et les atlas qu’il semble s'e'tre creet-s par ses efl'orls,
a enlrepris de connaitn- les clwsl's par les principes vor-meines, a exprime ce qu'ils
elaient avant qu'ils ne sc rcproduisisscnt dans los corps, et a defini los [ormes
arclietypes des dieser. L'aulrc, uu conlmirc, a commence par les chosea sensibles
at composees. Et puisqu’ifs se reonnlrent dans teur route, doit-on les dire opposds?
Si l’un a dit quo la seience etait hors des ehosesw sensiblesj et l'autre, qu'elle elait
dans ea meines chuses, voim' comment it faul les interpretem 4
‚141) Von den nun unmittelbar folgenden Worten (bei lourdain p. 267.) gibt
lium-eain lie la phil. «101.1, p. 255. den lateinischen Originaltexl: Genus ct speciu,
de his enim smuo, esse et rerum subiectarum nomina sunt. Nam si res consideres,
eidem exsentiae ct generis et speciei et individui nomina imposita .mnt, sed respeclu
diverse. volentes enim philosophi de rebus agere secundum hoc quod sensibus sub
iectae sunt, secundum quod a vocibus singutaritzas notantur et numeraliter diversae
sunt, individua vocavcnmt, sc. Socrulem, Plalonem et cetcros. Eosdem autem aliter
.‚.—‚—
.
intuentur videlicet non secundum quod sensuatiter diversi suul, sed in eo quod v
notantur ab hoc voce „Itomo“, speciem vaeaverunL Eosdem item in hoc tuntum,
quod ab hoc uate „animof“ notantnr, considerantes genus vocaverunt. Nec tamen
in consideratione speciali formas individaales tolluntl sed obliviscunturl cum a ope
eiali nomine non ponanlurg nec in generali species ablatus iitlclligunt, sed inesse
non allendunt, vocis generalis significatione contentig vox enim haec „animal“ iura
illa notat subiecta cum animationo et sensibilitatey haec aulem „homo“ totum illud
et insuper eum rationulitate et mortalitatoy „Socrales“ vero illud idem addita in
super numerali accidentium discretione.
142) Ebend. p. 256.: Assueti enim rebus cum speciem iulueri m'hmtur,
eiusdem quodammodo eatiyinibus implicantur nec ipsam simplicem notam con
templari nec ad simplicem apecialis vocis positionem ascendere queunt. inde quidum,
cum de universalibus ageretur, sursum inliians ‚.Ouis locum eorum mihi ostemiet?"
142 XIV. Adelard v. Bath. Joscellinus. l
hieran knüpft sich sogleich die wunderliche Behauptung, dass eben
desshalb sowohl Aristoteles Recht habe, welcher die Universalien in
jenes Gebiet verlegte. in welchem allein sie uns zugänglich sind, als
auch Plato, welcher sie dorthin verweist. wo sie ihr wahres Sein haben.
kurz dass Beide, während sie iln Wortausdrucke sich zu widersprechen
scheinen, in der Sache übereinstimmen “3). Viel Kopfzerbrechen kann
diese Versöhnung dem Adelard wohl nicht gemacht haben IM).
Eine dem Principe der lndifl'erenz-Lehre analoge Auffassung, wenn
auch mit einer etwas verschiedenen Methode, könnte die Ansicht des
Gauslenus oder Joscetlinus von Soissons (v. ius-usi dort
selbst Bischof) gewesen sein, dass nemlich die Universalien nicht schon
an sich in den Individuen liegen, sondern denselben erst zukommen.
insoferne das Individuelle in eine Einheit vereinigt (in unum collectis)
werde “5); denn es verlrüge sich diess vollständig mit obigem Grund
satze (Anm. l33), dass nur Individuen existiren, und die Entstehung
der Universalieu im menschlichen Denken würde hier nur nicht durch
ein Abstreifen‚ sondern von vorneherein durch ein Sammeln (colligere)
erreicht, welches auch die lndill‘erenz-Lehre srhliesslich doch nicht um
gehen konnte (Anm. 136). ‚Doch wissen wir über des Gauslenus Mei
nung durchaus Nichts näheres “6), und während wir einerseits weiter
oben (vor. Abschn. Anm. 175) sahen, dass auch der Realist Otto von
Clugny sich einer ähnlichen Ausdrucksweise bediente, ja auch Johannes
von Salesbury den Gausleuus für einen Realisten zu halten scheint
(was jedoch vielleicht nicht von grosser Bedeutung ist, s. ob. Anm. vo
u. 86), so kann uns andrerseits wohl nur die Lostrennung der Univer
salien von den Einzel-Individuen hauptsächlich dazu veranlassen, die
Annahme des Gauslenus näher an die Indifferenz-Lehre zu rücken, wozu
etwa noch als Bestätigung käme, dass derselbe auf die nominalistisehe
inqoi't. Adeo rationem imaginalio perturbat Scd id aperi-mortaum birinae
.enim menti . praesto ext. et materiam sine formis et formas-sine aliir, imo et
omnia cum aliis distincte cognosci-reg nam et antequam coniuncta essent mi
versa, quae i‘ides, in ipsa Noy simplicia eranl.
143) Ebend.: nunc autem ad propositum rcdcamus. Ouum igitur illud i'd,
quod videsy et genus et species et individuam sil, merito ea Arislutcles nonnisi in
sensibitibus esse proposuity sunt etenim ipsa sensiliilia quaevis acutius cousiderala;
quum vero ca, in quantum dicuntur species et genera, nemo sine imaginationi pt-r
se pureque intuetur (hiemit finden wir hier wahrlich schon das „unbekannte Ding
an sich“). I’lan extra sensibilia, scilicet in mente divina, et conspici et existere
diziL Sie viri illi, licet verbo cmztrarii z-ideantun re tamen idem senserint
144) Zumal konnte ihm ja auch die bekannte gleichlautende Stelle Cicero’s
(Acad. l, 6. bezüglich des Antiochus) Wenigstens durch Augustin (d. civ. deiy Vlll, -
6.) zugänglich sein. Dass auch Bernhard v. Chartres sich bemühte, Plato und
Aristoteles zn vereinigen‚ s. oben Anm. 66.
145) Die Quellenstelle s. oben Anm. 68.
146) Denn wenn H. Ritter. dessen Angaben über Walter v. Mortagne, Ade
lard v. Bath u. s. f. theils überhaupt der nöthigen Pr'acision entbehren. theils
geradezu unrichtig sind, die Schrift De gcnnrüms et speciebus sofort dem Gauste»
nus vindiciren will, so würden zu einer solchen Annahme die etlichen Worte ‚euer
einzigen Quellenstelle, welche wir über Gauslenus bcsitzcn‚ selbst dann kaum
ausreichen, wenn sie sich mit den Ansichten des Verfassers l). gen. et spcc. ver
trügeu. Dass aber Letzteres sehr zweifelhaft ist, mag aus demjenigen hervor
gehen, was wir nun sogleich über jene anonyme Schritt anzugeben haben.
XlV. De generibus et specialium - 143
„1na1teries“-Ansicht lnnübergewiesen habe (ob. Anm. 68). Dann aller
dings hätten wir hier eine Wiederholung dessen, was‘srhon bei den
frühesten Anfängen einer Parteispaltung seitens der nominalistischen
Richtung behauptet wurde 147). l
Wenn wir aber bezüglich der Universalien die Annahmen Ahalard’s‚
sowie jene des Gilbertus Porrelanus und des Johannes von Salesbury
erst weiter. unten im Zusammenhangs mtt den Gesamtnt-Ansehaunngen
derselben zu erörtern vorziehen müssen (s. oben S. 113), so bleibt uns
für jetzt nur noch der unbekannte Verfasser der Schrift „ De generibus
et speciebusn “8) übrig, welcher uns manche Berührungs- oder Ver
wandtschafts-Punkte mit mehreren der bisher erwähnten Ansichten zeigen
wird. Das Ganze war ursprünglich gewiss eine Abhandlung „De divi
sione“ (vgl. Anm. 118—128) völlig in derselben Weise wie die gleich
namige Schrift Abälard’s (s. Anm. 277 u. 353 tm _und sowie der An
fang des uns erhaltenen Textes noch die Frage über die ursprünglichen
Theile eines Ganzen behandelt, so bot dann auch hier die Erörterung
über die Eintheilung der Gattung dem ebenso kenntnissrcichen als scharf
sinnigen Verfasser die Gelegenheit, in dem Streite über die Universalien
sowohl die Meinungen Anderer kritisch zu beleuchten als auch seine
eigene Ansicht zu begründen 149). Er bekämpft den Nominalismus vor:
erst kurzweg dadurch, dass die Worte überhaupt kein Sein haben, da
dasjenige, was durch zeitliche Abfolge erst entsteht, nicht ein einheit
lich Ganzes constituiren könne, eine Bemerkung, welche eben, so weit
sie die Function des Gedankens im Urtheile betrifft, auch gegen Abä
lard’s Ansicht (Anm. 315) gerichtet ist‘5°)‘„ sodann aber auch lasse
sich ja das Verhältniss zwischen Stofl' und Form, welches heim Ueber
gange von Gattung zu Art obwalte, durch Worte gar nicht aussprechen,
da nie ein Wort der Stoff eines anderen Wortes sei 151). Hinwiederum
147) Nemlieh Pseudo—l'lrabanus (vor. Ahschn. Anm. 153.) und jener soge
nannte Jcpa (ebend. Anm. 170.) haben sich in ganz ähnlicher Weise über den
Gattungsbogriff geünssert.
148) Der Anfang des Buches, welches Cousin (Quer. inedita d’Abt‘lard, p.
507—550.) aus einer Handschrift von St. Germain herausgab, V welchen Cousin selbst machte, mag wohl fortan recipirt bleifebhelnt,, juenddocdhergeTiwtiesls,
mit Ausnahme des Zusatzes „Petn' Abaelardinl denn dass das Ganze nicht ein Werk
Abalard’s ist — s. oben Anm. 49. ——, hatte auch consul bemerken sollen; es
erhellt diess nicht bloss aus stilistischen Eigenthümlichkeiten (z. B. bei Lösung
von Einwürfen ein eingeschaltenes „Altendc“ edel-„80111150“, oder hinwiederum ein
Ä eigenthümliches Lieblingswort des Verfassers ist „rationabile ingeniumh u. dkLL
sondern auch aus inneren Abweichungen der Ansicht selbst, welche sich sogar zur
Polemik steigern. Ich verweise hierüber, um Wiederholungen zu vermeiden, nur
auf die folgenden Anm. 160, 167, 168 und besonders 171, woselhst eine Annahme,
welche dem Abalard angehört, geradezu als „lacherlich“ bezeichnet wird.
149) Bei sorgfaltigem Studium der Schrift durfte der Vorwurf der Unbeholfen
‚heit und Dunkelheit, welchen H. Ritter (Vll, p. 363.) gegen dieselbe ausspricht,
wohl ganzlich verschwinden.
150) Bei Cousin a. a. O. p. 523.: Ilem voces nec genera sunt nec species
nec universates nec singutares nec praedicatae nec subiectael quia omnino non sunt ‚'
nam ex Iris, quae per successionem final, nullum omnino totum constarel ipsi qui
hanc sententiam tenenti nobiscum credunL
. 151) Ebend. p. 523 f.: Ouemadmodum statua constat ex aere materiel forma
autem figuray sic species ez genere matericl forma autem differentiaia Anm. leo 1.),
__.—t——
144 XIV. De generibus et speciebus.
aber bestreitet er auch den Realismus des Wilhelm v. Champeaux, da,
wenn das Universale nach seinem ganzen Gehalte im Individuum indivi
dualisirt werde (Anm. 105), nicht hloss dieser nemliche ganze Gehalt
doch wieder zugleich in einem anderen Individuum sich finden müsse 152)‚
sondern auch die variirenden oder transitorischen Eigenschaften allen
Individuen zukommen müssten l5'3), und ausserdem in dem Geltungsbe—
grill‘e dann auch die Gegensätze gleichzeitig vorlagen 15‘). -Und ebenso
ferner wendet er sich polemisch gegen die lndill‘erenz Lehre, indem er
sie sowohl in ihrem Principe1 d. h. in jenem Begriffe des „Gemein
schaftlichen“ (Anm. 134) angreift‘“), als auch die dortige Ansicht
bezüglich des Sammelbegrill'es fneoltigereua Anm. 136) bekämpft‘“),
und ebensosehr die Consequenz, welche in der Verwischuug des Unter
schiedes zwischen Allgemeinem und Einzelnem liegt, verneintlm). Seine
eigene Ansicht blickt schon in der Erörterung über die Theilung ins
Unendliche (Anm. 126 f.) durch, wo er anerkennt, dass ein Ganzes
noch fortbestehen könne, wenn auch ein Theil desselben seine Form
verliere und an Stoll‘ vermindert werde‘”), sowie besonders in der
Auffassung, dass zwei Punkte noch nicht eine Linie ausmachen‚ wenn
nicht eine einheitliche schöpferische Kraft (um: creamra), mitwirke u'9).
Auch in der Polemik gegen ein Amendemen! des Realismus (Anm. 112)
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quod assignare in vocibus impossibile est; nam cum animal genus sit hominü, vox
vocis nullo modo es! altera alterius materia.
152) p. 514.: Ouorl si ita estv quis solvere potesty quin Socrates eodem tm
porc Romuc si! et Alhcm's? Ubi enim Socrolcs es!‚ e! homo universalis ibi est
secundum totam suam quantitatem informatus Socratilate Si ergo res universalis
tola Socratilate affectu eodem tempore et Romae es! in Platonc Iota, impossibile esl.
quin ibi etiam eodem tempore sit Socmfitas, quae totam illam essentiam continebatg
ubicunque autem Soeratitas est in hominel ibi Socrates 0st, Socrates enim homo
Socraticus es!‚
153) Ebend. Die Stelle ist bereits oben, Anm. 129., angeführt.
154) p. 515.: Ouam statim enim rationalitas illam naturam tangitl sc. am'maL
tam statim species efficitur et in ea rationalitas fundalurg illa ergo totum informat
animatg sed eodem modo irrationalitas totum animal informat eodem lemporc; ita
duo opposita sunt in eodem secundum idem.
155) p. 519.: Neque enim Socratcs aliquam naturmrh quam habeal. Platoni
communicaty quia neque huma qui Socrates est neque animal ‚in aliquo extra So
cratem esl. ‚
156) p. 520.: Socrates tamen nullo modo de pluribus colligiturv quia in
pluribus non esI. Schon diess müsste uns behutsam machen, den Gauslenus für
den Verfasser der Schrift zu halten, doch s. unten Anm. 162.
157) p. 521.: A! vero ner particularitas nec universalitas in se transeuntg
namque universalilas potest proedirari dc parlicularilolc, ut animal de Socrate et
Helene, e! particularilas suscipit praedimlionem tmiversalilatisy sed non ut unirer
salitas sit parlicularilas, nec quod particulare esty uniocrsatitas /ial.
158) p. 510.: Nun sequin nsi hic asser esl, e! medietas huius asseris m,“
posset enim destrui medieMs, non quantum ad totam eius muss/im, sed quantum
ad formam, e! tamen remanentihus cius aliquibus particulis- non destruantur hie
asser, quoniam medietatis eius molerio, forma tantum pereunte, tota non perirel.
159) p. 511.: Si quaelibet duo puncto proz'imr iunela faciunt bipuntlalem
lineom, quae sit una creatumy tunc habebit unum fundamentum; sed una otomus
non erit eius fundamenlum, iam enim esset bipuuctaliter lineatum . . . . .‚ p. 513.:
possumus dicere, quod ipsa bipunctalis linea fundatur in illis duabus atomis ut in
subiectisy non in subiecta
XIV. De generibus de speciebus. 145
stellt er sich entschieden auf das von Porphyrius her (Abschn. XI,
Anm. 44) in die Annahmen des Boethius (Abschn. XII, Anm. 97) über
gegangene Gleichniss des Kunstwerkes, wornach ihm die Gattung der
Stoff und der Unterschied die Form ist, das Product selbst aber, d. h.
die Species, in welcher der Stofl' die Form trägt (formam sustinens
als eine bleibende Vereinigung betrachtet und auch mit dem Worte
„materialum“ bezeichnet wird‘öo), wofür hinwiederum auch der eigen
thümliche Ausdruck „diffinitivum totum“ mit schrofl'er Festhaltung der
Theil-Anschauung sich findetwl). Genauer aber begründet er diese
seine Meinung folgendermaassen: Im Individuum trägt (sustinet) eine
gewisse Wesenheit (essentia), welche der Stofl‘ ist, die Form der lndi
vidualität an sich und ist mit ihr zusammengesetzt, wodurch eben die
Verschiedenheit der Einzel-Individuen entsteht; eben diese Wesenheit
nun, insoferne dieselbe nicht bloss in dem einen oder anderen lndivi
duum, sondern zugleich auch in allen zusammen als Stofl' vorliegt, ist
die Species, welche hiemit trotz aller Vielheit der einzelnen Wesen
heiten (essentialiter multa) als ein Sammelbegriff (collectio) mit den
Worten „Ein Universale“ oder „Eine Natur“ bezeichnet wird, ungefähr
wie auch der Begriff „Volk“ viele Einzelne umfasst ’62); es wird nem
lich nicht etwa die ganze Species in jedem Einzel-Individuum individua
lisirt, sondern nur ein Theil derselben, d. h. eben Eine solche Wesenheit,
welche ja mit der die Species ausmachendeu Gesammtheih(concollectio)
nicht identisch ist, sondern mit ihr nur die ähnliche Zusammensetzung
oder ähnliche schöpferische Kraft (similis compositio, similis ereatio)
gemein hat, daher auch das Gleichniss mit dem Volke oder mit einem
Heere nicht völlig passt, indem zwischen den einzelnen Wesenheiten
und ihrer Gesammtheit wegen jener Aehnlichkeit der Erzeugung eine
grösserc Wesens-Gleichheit besteht, als zwischen einem Soldaten und
dem Heere; besser hingegen kann dieses ganze Verhältniss damit ver
glichen werden, dass z. B. eine grössere Masse Metall in Einem ihrer
160) p. 516.1 Sed dicor facta est species ex genere et substantiali di/ferential
et sicut in statuo aes est materia, forma autem figura, similiter genus est materia
speriei, forma autem differentia-1 materia estl quae suscipit ['ormam. lta genus in
ipsa specie constituta formam sustinetl nam et postquam constituta est, ez materie
et forma constaty i. e. ea- genere et dig-erentia p. 517.: omne materiatum suf
ficienter constituitur ez sua materia et forma.
161) p. 522.: Speciem ex genere et substantiali differentia constarey ut statua
ex acre et figura, auctore Porphyrto (b. Boeth. p. 88.) constat; itaque pars est
speciei materia et similiter difiercntia, ipsa vero species est totum diffinitivum eorum.
162) p. 524.: Ouid nobis potius tenendum iuideatur de his deo annuente amodo
ostendemusi unumquodque individuam ez materia et forma compositum est; ut So
crates ez homine materia et Sacratitatc forma, sic Plato ez simiti materia, so. ho
mine, et forma diverse, so. Platonitatee componiturj sic et singuli homines. EI
sicut Socratitasy quae formaliter constituit Socratem, nusquam est extra Socratem,
sic illa hominis essentiai quae Socratttatem sustinet in Socrate, nusquam est nisi in
Socrate. lta de singulis Speciem igitur dico esse non illam essentiam hominis
sofern, quae est in Socrate vel quae est in aliquo alio indieiduorama sed totam
illam collectionem ex singulis aliis huius naturae coniunctam, quae tota coflectio,
quamuis essentialiter multa sit, ab auctoritatibus (d. b. von Porphyrius und Boe
thius) tamen una speciosa anum universale, una natura appellatum sicut populus (5.
vor. Abschn. Anm. 153.), quamvis ez multis personis collectus sit, unus dicitut
Pnanrz, Gesch. II. lo
mhxusn-tu.h.u.m
_'.
'ui.nuni
iile ' XIV. De generibus et speciebus'.
Theile zu einem Messer und zugleich in einem anderen zu einem Griffel
verarbeitet wird 163). Diess Neuiliche nun wiederholt sich beim Gattungs
begrill‘e, indem jede von den Wesenheiten (essenüae), welche zur Ge—
sammtheit einer Species gehören, wieder aus einem Steife und einer Form
zusammengesetzt ist, nur mit dem Unterschiede, dass die Form hier
nicht mehr bloss die Eine der Individualität ist, sondern selbst in sich
die Mehrheit der artmachenden, d. h. substantiellen Unterschiede in sich
involvirt; jener Stoff aber erscheint als solcher unterschiedslos (indi/fe
rens) in jenen einzelnen Wesenheiten‚ welche der Artbildung als Stofl‘
zu Grunde liegen, und es heisst nun Gattung die Vielheit (multitudo)
der Wesenheiten, welche Träger.v_(sustinere‚ recipere) der Artunter
schiede sein können 164). Und endlich gilt das Gleiche auch bezüglich
des „ersten Princips“, denn die Wesenheiten (essentiae), welche zu einer
Gattung gehören, bestehen abermals aus Stoll‘ und Form und sind ihrem
Stoffe nach gleichfalls unterschiedslos (indi/feren!es)‚ während sie die
Gattungs-Unterschiede als ihre Form an sich tragen, und so gelangt man
noch ein Mal zu einer Vielheit (multiludo) von Wesenheiten als zum
generales-imum von welchem schliesslich nur noch esagt werden kann,
dass sein Stoll‘ die „reine Wesenheit“ latera essent-lai oder die Substanz
selbst, seine Form aber die Empfänglichkeit der Gegensätze (suscepti
bilitas contrariorum seil“). So streift der Verfasser durch seine
isat p. 526.: Speciem esse dicimus multitudinem cssentiarum inter se simi
liurru ut hominem luud tantum humanitatis informatur Socratitatel quod m
Socrale estz ipsum autem species non estj sed illud quod ex ceteris similibus es
sentiis con/icitun Atlende. Matcria est omnis species sui individui et eius formam
suscipitj non ita sollten, quod singulae essentiae illius speciei informentur illa
forma, sed una tantuml quae tamen similis est compositionis prorsus cum omnibus
aliis eiusdem naturae essenliis Neque diversam una essentia illius eoncnllcctionis
a tota collectionel sed idem, non quod hoc esset illud, sed quia similis creatioms
in materia et forma hoc erat cum illo Massam aliquam ferreagns de qua fa
ciendi sunt cultellus et stg/lus, videntes dicimuss hoc futurum materia euttetli el
styliy cum tamen nunquam tota suscipiat formam allerutriusl sed pars styliy pars
cultelli (p. 527.) Maior identitas alicuius essentiae illius collectionis ad
lahmt, quam alicuius personae ad erst-nimm, illud enim idem est cum toto sun, hoc
vero diversam Hiezu p. 535.: Hoc enim habet nostra sententiaj quod animal illud
genus in parte sui recipit rationalitatem et in parte irrationalitatenL
164) p. 525.: ltem unaquaequc essentia huius collectionisy quae humanitas
appellatum ex materia et forma vons!a!, sc. es: animali materiaæ forma autem non
una, sed pluribusl rationalitate et mortalitate et bipedalitale et si quae sunt ei
aliae substantialcs. E! sicut de homine dictum est, so. quod illud hominisl quod
sustinet Socratitatcml illud essentialiter non sustinet Platonitalemy ita de animalig
nam illud animali quod formas humanitatisy quae in me esu sustineL illud essen
tialiter alibi non estv sed illi indifl‘erens est in singulis materiis singulorum indivi
duorum animalis. liane itaque multitudinem essentiarum animalisy quae singularum
specierum animalis formas sustinetf genus appellandam esse dicol quae in hoc di
versa est ab illa multitudinel quae speciem facitg illa enim ex solis illis essentiisy
quae indieiduorum formas sustinent. collecta estl ista vero, quae genus esta cst hist
quae diversarum specierum substanliales differentias recipiunL
165) Ebend.: 119m, u! usque ad primum principium perducaturl sciendum est,
quod singulae essentiae illius multiludinis, quae animal genus diciturv ez materia
aliqua essentia corporis e! formis substantialilmsl animatione et sensibilitatej con
ftah quac, sicut de animali dictum extr nusquam alibi essentialiter sunty sed illae
uidi/ferentes formas sustinent omnium specierum corporis Et haec talium corporis
7 V . c
XIV. De generibus et speciebus. ' 447
eigenthümliche Potenzirung oder Einschachtelung der essentia doch wieder
an Wilhelm v. Champeaux hin, und hat daher wahrlich nicht, wie
Gauslenus, das Universale vom Individuum getrennt (s. Anm. 145 f.),
zugleich aber kömmt er durch die Begriffe der collectio und des in
differens in Berührung mit der Indifferenz-Lehre, während ihm dieselben
allerdings weit mehr eine objective Geltung haben.
Um so eigenthümlicher aber muss sich hier die Auffassung der
sulijectiv logischen Function, d. h.‘ des Urtheilens, bezüglich der Uni
versalien gestalten, während doch erst hiedurch die Ansicht des Ver
fassers ihren vollen Abschluss findet. Er klagt, dass es keine Definition
des Prädicat-Verhältnisses gebe; denn es sofort als objective lnhärenz
zu verstehen, sei ein ungerechtfertigter Gebrauch, abgesehen davon,
dass letztere nur im obigen Sinne einer rfheilung genommen werden
dürfe 166), und sowie man sich vor den Consequenzen der Indifferenz
Lehre‘hüten müsse, so sei es überhaupt zu vervverfen, wenn im Hin
blicke auf den definitorischen Gehalt der Species praedican' und esse
identificirt werden 167), —- eine Bemerkung, welche sicher gegen Abä
lard (s. unten Anm. 318) gerichtet ist und noch mehr einen speciell
polemischen Ausdruck erhält, Wenn mit unverkennbarer Wendung gegen
eine Ansicht Abalard’s (bezüglich der „sumpta“, s. unten Anm. 321)
behauptet wird, dass sammtliche allgemeine Bezeichnungen, mögen sie
Adjectiva oder Substantiva sein, sich mittelbar auf objective Gestaltungen
beziehen 168). Kurz das Urtheil sage nie aus, dass das Subject selbst
essentiamm multitudo genus dicitur illius naturoe, quam ez multitudine cssenliarum
animalis eonfectam dizt'mus. Et singulae curporls, quod genus est, essentiae ex
materia, so. aliqua essentia substantiam et forma corporeitate constanL ouibus
indi/ferentes essentiae incorporeitateml quae forma est, speciem sustinentg et illa
talium cssentiarum multitudo substantia yeneralissimum diciturj quae tamen nondum
est simples, sed et materia mera essential ut ita dimm, et susceptibilitate contra
riorum forma constaL
166) p. 526.: Audi et altende: Praedicari quidera inhaerere dicuntg usus quidem
hoc habetl sed et auctoritate non invenip- concedo tamen ‚- inhaerere autem dico
immunitatem Socratil non quod tota contumatur in Socrate, sed una tantum eius
pars Socratilale informatur (s. Anm. 163.). p. 531.: Nasse liebes, quod nusquam,
quid sit praudt'can', plane dicit auotoritasg nam quod solet diciy quod praedicari
est inliacrere, usus est ex nulla auctoritate procedens. '
167) p. 527.: item species in quid praedicatur de individue (diese Abkürzung
„praedican' in qm'd“ begegnet uns hier zum ersten Male, vgl. Anm. 282.; nemlich
bei Boethius p. (ß. lautet die l‘orphyrianisehe Definition der Species, s. Abschn.
XI, Anm. 41., vollständig: species est, quae de pluribus in eo quod quid praedi
catur); proedicari autem in quid, ut aiunt, est praedicari in essentia, praedicari
autem in nuntia cst, hoc esse illud Cum ergo diciturj habebimus illud idem incorweniens, quod in aliis sentential„Soscc.rastiensguelsatrehoesmto"univer
sale (s. Anm. 137.) Hoc consentio, „praedi'cari in essenlla" dicerc, „hoc esse
illud" nego .l.
168) p. 527 f.: Scd dicimt: „rationale“ alterius nomen est pro imposi
tione scilicet unimatisl et aliud est quod principaliter signi/italy so. rationalitas.
quam praedicat et subiicitg „homo“ vero nihil aliud vel nominat vel significat, quam
illam speciem. Absit hoc. Imo sicut „rationale“ et „homo“, sie et quodlibet aliud
universale substantivum alterius nomen est, per impositi'onem quidem eius, quod prin
cipaliter siynt'fivat, v. g. rationale vel album impositum fuit Socrati vel alicui sen
sibilium ad nominandum propter formal, i. c. rationalitalem et albedineml quas prin
cipaliter significanL
10‘
me ° XIV. De generibus et speciebns.
das Prädicat selbst sei, sondern nur dass ersteres unter die Zahl jener
Wesenheiten gehöre, welche entweder von einem bestimmten Stoll'e con
slituirt sind oder einer bestimmten Form unterliegen 169), und demnach
werde, — wofür sich der Verfasser sogar auf eine vereinzelte Stelle
des Boethius berufen kann -—‚ der eine Species bezeichnende Name
eben nur den betreffenden EinzeHndividuen, nie aber der Species selbst,
gegeben 17“), wobei Substantiva und Adjectiva darin sich unterscheiden,
dass erstere auf den Stoll' und letztere auf die Form sich beziehen, so
dass Diejenigen, welche von einem Accidentellen, d. h. von einem
„adiacens“ sprächen, — was aber eben wieder Abälard thut, s. unten
'Anm. 283 f. —, im grössten lrrthume seien l71); wenn aber es so sich
mit der ursprünglichen Bedeutung der Worte verhalte, so seien Aus
drücke wie z. B. „Mensch ist ein Artbegritl“ nur nothgedrungene Ueber
tragungen Schon112h)i.edurch ist klar, dass der Verfasser (im mGag‘ -"aga mei
Abalard) den eigentlichen Werth der Synthese, welche im Urtheile liegt,
misskennt und in platonischem Sinne die Worte sämmtlich isolirt als
subjeclive Abbilder objectiver Exemplare betrachtet, was man kaum deut
licher aussprechen könnte, als er selbst thut, wenn er z. B. sagt: „Ver
nünftig“ sei nicht der Name desjenigen. was als Subject dem Pradicate
der Vernünftigkeit unterliege, sondern der Name eines Wesens‚ welches
durch die „Vernünftigkeit“ conslituirt wird 173); ja auf diese Weise
muss er das Prädicatsverhältniss so unbestimmt allgemein fassen, "dass
es mit der Erzeugung des significanten Wortes überhaupt zusammen
füllt, und, da dieses letztere Moment für Subject und Prädicat. das
gleiche ist, der Unterschied zwischen beiden zu einem bloss äusser
lichen und zufälligen wird; hiebei aber stützt er sich auf eine Stelle
des Priscianus, in welcher auf Grundlage des allgemeinen stoischen
Sprachgebrauches (s. Abschn. VI, Anm. 112 fl‘.) die Partikeln als „syn
categoreumata“ bezeichnet werden, woraus geschlossen werden könne,
169) p. 528.: itaque cum dicitur „Socraks est homo“, hic est sensus „Socra
tes est unus de materiatitcr constitutis ab homine“, . sicut cum dicitur uSocrates
est rationalt's“, non iste est sensus „res subiecta est res praedicala", sed „Socrales
es! unus de subiectis huic formae quae est rationalitaslt
170) Ebend.: Ouod autem „humo“ impositum sit bis, quae ma!en'ali!er consti
tuuntur ab homine, i. e. individuis et non spet‘iei, dicit ltoethius in cmnmentario
super can-gimus his verbis etc. (s. Boot/iv p. 129.); vgl. vor. Abschn. Anm. 121.
171) Ebend.: Nomina illa tantum dicuntur substantival quae imponuntur ad
nominanduni aliquem propter eius materiam .. . . vel expressam essenliam; ad
iertiva vero illa dicuntury quae imponuntur alicui propter formaml quam principaliter
signi/ioci Nam quod dici solct, adiectii-um esse, quod significat accidens secun
dum quod ailiacctl e! substantivum, quod significat essentiam, ridiculum est vel sine
intellectu
172) p. 529.: Sciendum est ergo: vocabula, quae imposita sunt rebus propter
aliud signi/icandum principaliter circa eas, quandoque transfer-untur ad agendum de
principali significationey ut cum translative dicitur „rationale es! differenlia" et
„allmm es! species coloris", nihil aliud intelligo quam nrationalitasrr et „albcdo“;
siccum dicitur „home est spccies“ concedimus itaquel hanc translationem
necessitate fien'.
173) p. 547.: Rationale enim non est nomen subiecti rationalitatis. sed rei quae
a rationalitatc consumiturl quae non est ipsum animaL
'“i’. L A x.“ A-. «s. . ntu-md -.- h
- XIV. De generibus et speciebus. o 149
dass dann alle übrigen Worte eben calegoreumata‚'d. h. Prädicamente,
seienfl“). Die ausgedehnte Wirkung, welche diese hier zum ersten
Male vorübergehend beigezogenen Syncalegoreumata später in der Logik
äussern, müssen wir natürlich dem weiteren Verlaufe überlassen, die
Folgerung hingegen, welche hier unser anonymer Verfasser daraus zieht‚
führt zu einem Platonismus, welcher uns sehr an Scotus Erigena er
innern muss. Wenn nemlich „praedicari“ auf diese Weise das Nemliche
wie „significari principaliteru ist, so l'ällt die inlellecluelle Function
des Menschen in jene objectiven Formen und Gestaltungen hinüber,
welche den Individuen zu Grunde liegen, denn es erzeugt sich der Be
grill' (intelleclus constiluitur, generatur) mittelst des Wortes im Hinblicke
aul das objeclive Universaleln), und auch die lnhärenz, wenn man
mit ihr nach überkommener Gewohnheit das Pradicatsverhältniss iden
tifieiren wolle, hat eben doch nur eine objective Bedeutung in dem
Werde-Process der Dinge 1"6). Kurz es handelt sich nur um die ein
heitlichen „Naturen“, welche den Dingen zu Grunde liegen, und wenn
der Begrill' der Natur auf obige (Anm. 163) similis creatio oder bezie
hungsweise zur Abgränzung gegen andere Formationen auf dissimilis
creatio reducirt wird 177), so schliesat sich hieran eine platoniscb-my
slische Creations-Theorie an, welche uns hier nicht berührt “8). lndem
aber dabei sowohl nach Obigem für die Aussage das Hauptgewicht auf
174) p. 531.: Mihi autem videtur, quod praedicari est principaliter signiicari
per vocem praediralam, subiici vero significari principaliter per vocem subieclum, et
hoc quodammodo videar habere a Prim'ano, quod in tractatu orixtionis ante nomen
(d. h. in dem Capitel vor der Erörterung über Nomen) dicit praepositiam-s et con
iunctiones syncalcgoreumala, i. e. vonsignificantia; scimus autem „syn“ apud graecor
„cum“ praeposilionem significare, „caleyomre“ uulem „pruedicari“‚ unde categoriue
praedicamrnia dicumur. Si ergo idem est „calegoreumata“ quod „significanlia“, idem
erit „praedimri“ quod wsigilijicuri principuliter“ (die Stelle b. Prisc. ll, m lautet:
Partes igitur oratiouis sunt secundum dialeclicos duae, nomen et verbum, quia hoc
solae etiam per se coniunctae plenam faciunt oralionem. alias autem partes syucale
gorcumatay hoc est corisignificanlia, appellabanl.) ‚i
175) p. ans idcm erit „praedican'“ quod „signifinori principaliler“, quum
solam significalionem recepit Aristoteles iuxta illud „album niliil'aigni/icul nisi quali
latent“ (Cat. 5, s. Abschn. lV, Amn. 476.; so verdrehte man jede beliebige Stelle
zu Gunsten seiner eigenen Ansicht); cum enim album subiectum albedinis uominando
signi-flecti illam solam significolionem nolavil Aristoteles, in qua intellectus constituitur
per vocem Sicut ensis et gladius eundem yenerant intellectumy ita illa duo
nomina facerenl.
176) p. 533.: Ouod si „praedican'“ quidem pro „inhacrere“ accipiturj quod
et nos concedimusy neque enim bonum usum abolere volumus, sic dicendum esl: omnis
natura, quae pluribus inhaeret individuis maieriuliten species est.
177) Ebend.: Hi: autem tantum agitur de naturisg si autem quaeras, quid
appellem naturam, exaudi: naturam dico, quidquid dissimilis creationis esl ab omni
bus, quae non sunt vel illud vel de illo, sine una essentia sil sive plures, ut So
crates dissimilis creoliom'x ab omm'bus, quae non sunt Socrales, similiter etbhamo
specics es! dissimilis ereatiouis ab omnibus rebus, quae non sunt illa species vel
aliqua essenlia illius speciei. Auch der Einwand bezüglich des Phönix. welcher
nur in Einem Exemplare existirt (s. Abschu._ XII, Anm. 87.) wird berücksichtigt.
aber (p. 534.) durch die Bemerkung beseitigt, dass der Gegensatz zwischen materia
und maleriatum (0b. Anm. 160.) dennoch in seiner Allgemeinheit festzuhalten seik__
178) p. sse-am
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l
l
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e.
uso XIV. De generibus et speciebus. -
die Unterscheidung der essentia materiatis und essentia formatis fällt 1W),
als auch in ontologiseher Beziehung der Form allein eine Wirksamkeit
zugeschrieben wirdlsojl so muss jene — übrigens gleichfalls dem
Abälard (s. unten Anm. 306) angehörende -— Ansicht bekämpft werden,
wonach die oberste Gattung (genus generalissimum) der StolT selbst,
und sonach die Formen seine nächsten Arten wären’Sl), denn dem
Verfasser gilt, wie wir sahen (Anm. 165), die oberste Gattung selbst
schon als ein Product aus Stoff und Form, und es bleibt ihm daher
für jenen letzten höchsten StolI‘‚-d. h. für die „reine Wesenheit“ kein
anderes Prädicat als das blosse Sein, d. h. „es!“ übrig‘sz)‚ genau
ebenso, wie auch (s. Anm. 170) jene Wesenheit, welche als StoII' den
Individuen zu Grunde liegt, nicht selbst schon einen Prädicats-Namen
hat, sondern ein solcher Collectiv-Name erst von den hetrcfl'enden lndi
viduen ausgesagt wird 183). Nun aber wird dieses Letztere auch auf
die Formen, d. h. auf die artmachenden Unterschiede ausgedehnt; es
wird nemlich in einer langen und äusserst zugespitztcn Erörterung
gegen die gewöhnliche Annahme (Abschn. XI, Anm. 44, und Abschn.
XII, Anm. 87) dargethan. dass der artmachende Unterschied nicht unter
die Kategorie der Qualität fallen könne7 da dann die Qualität in zwei
oberste Arten, nemlich in die Differenz und die übrige Qualität zer
fallen miisste, deren jede von beiden doch wieder nur durch einen
artmachenden Unterschied constituirt werden könnte, welch letzterer
aber ja gleichfalls unter die Qualität fallen müsste, was er in keiner
Weise, weder als Gattung noch als Art oder Unterart, kann, sowie
auch es dann in keiner anderen Kategorie einen artmachenden Unter
schied gehen könne, weil jede Species der Qualität (zu welchen ja
derselbe gehören wurde) nur ein artmacliender Unterschied innerhalb
der Qualität selbst sein könnte mm Und wenn nun hiernach auch die
179) p. 548.: Concedo, rationalitalem praedicari de homine in substantia ut
animali sed illud ut formalem essentiaml aliud vero ut materialemg rere autem
unsre, nullam simplicem formam de alio praedicari substantialiten quam de lu's.
quae formaliter constituit.
180) p. 549.: Non est diversus meatus materi-animi imo formarum Appa
rel, quod ille e/Tecliis sequitur formas et non materiam.
181) p. 546.: Ne concedere cogamun et materiam substantiae generalissinmm
esse genus. et susceptibilitatem contrariorum et quaslibet simplices formas esse species
...\‚.. llcspondendum est, quod in diffinitione generis intelligendum esty id quod genus
est debere praedicari de pluribus speciebus proxime sibi suppositisl quod quia deest
illi maleriae. idcirco non est genus.
182) Ebend.: Possumus etiam dicere, quia illa mera essentia adiinterrogationem
factam per quid convenienter non respondetur Si ergo quaeritur Mquid est sub
stantia", respondeamus „esl“; neque enim potest responderi per nomen .‚substanh'a“,
namque non est nomen nisi materiatorum a substantiay vel ipsius substantiae per
translationem supenvacue responderi manifestum est.
183) p. 534.: Opponelur: illa essentia Immim's, quae in me est, aliquid est
aut nihil . . . . .. Respzmdemus, tali essentiae nullum nomen esse datum nec per impo
sitionem nec per translationem. -
184) p. 541.: llestat nunc de differentiisl an alicui praedicamento sint adscnl
hendae, an onmino a praedicamentis removenelae iustius videantur . . . . . .. (p. 542.)
bicunt omnes, din-erentia esse in qualitate ‚ . ‚ . . .. Quod si omnes dilferentiae in qua
litate lencntur, difl'erentiae specierum qualitatis in eodem praedicanænto annumerandae
sunl, quod qualiter stare possit videamus. Praeceptam est lloethii in libro bioisionum
ä v XIV. ‘ De generibus et speciebus. 151
das Wesen constitnirenden Formen, selbst mit Berufung auf eine ein
zelne Stelle des Doethius, gleichfalls aus dem Bereiche des Prädicats
Verhältnisses ausgeschieden werden‘si’), so bleibt der ontologische
Vorgang selbst, insoferne er auf Stoff und Form beruht, dem Prädi
ciren entrückt, und der Mensch bezeichnet durch Prädicate nur die
Producte des Vorganges, d. h. die einzelnen zusammengesetzten Dinge,
in deren Gebiet die Anwendung der Kategorien und hiemit auch die
Eintheilung in Substanz und Accidens ihre Stelle haben“). So sind
wir allerdings wieder so ziemlich bei Scotus Erigena (s. vor. Abschn.
Anm. 105, woselbst in ähnlichem Sinne von der „Natur der Dinge“ die
Rede ist, und Anm. 121,’ wo die Geltung der Kategorien hervortritt)
angekommen, wir verstehen aber eben darum auch, wie der Verfasser,
welcher als den Kern seiner Ansicht bezeichnet, dass das Allgemeine
nicht das Einzelne sei‘s"), gegen alle Hauptrichtungen seiner Zeitge
nossen betreffs der Universalien polemisiren kann, während er zugleich
mit allen sich gewissermaassen berührt.
Nun aber bildete, wie wir schon oben, S. 114, bemerkten, der
Streit über die Universalien immerhin nur einen Theil der gesammten
logischen Thätigkeit jene‘r Zeit, und sowie uns auch Johannes v. Sales
bury ausdrücklich bezeugt, dass ausser jener Frage es noch mehrere
andere Gegenstände üblicher Controversen gab‘se), so müssen wir ver
(s. ob. Aum. 118.), omne genus per duas proæimas species sufficienter naturatiter
dividi. Duo ergo species sunt sub qualitate generalisst‘ma, in quas ipsum generalissi
mum sufficienter distribm'tur; hae per adventum di/fnentiarum in genus consh'luuntur,
quo difl'erentiae qualitatcs saut, si omnes difl’erentiae praedicamento qualitatis annu
merandae saut. Ouod si esty aut erunt ipsum generalissimum aut ipsae species divi
dentes aut ‚sab illis ipsis speciebus proximis continebuntur. ipsum generalissimum
sui ipsius forma non est . item ipsae difl'erentiae species non samt, quae ab ipsis
constituuntur (p. 544.) quocunque modo divitias qualitatem, nulla species qua
litatis en't, quam non sit necesse differentiam esse alienis speciei qualitatis-1 quod
si verum est. nullius speciei alterius praedieamenti poterunt esse differentiam
185) p. 545.: videtur mihi, substantiales differentias in nulla praedicamento
esse, sed simpliees formas tantum esse nec aliquo modo ex materia ‚e! forma washzre,
ipsas autem in subiectam materiam venientes naturam aliquam coastituere, quamuis
a nullo constituantur Etiam boethius (ad Ar. Praed. p. 130.) potentissima
confirmat auctoritate ita dieensi „cum tres substantiae sint, materia, species et quod
ex utrisque conficitur hic neque de sola specie neque de sola materia, sed de
utrisque mixti's compositisque proposait“ Eoce hic apertissime Boethias dicit,
substantiaiem formam in praedicamento non esse.
186) p. 546.: Svnsu: est. quod res ex materia et forma compositae in praedi
eamentis saut, res vero simplices in praedieamento non sunty quod si forte invenias
auctoritati-iuy quae videatur asserere, omnes res esse in praedi amentoy de campositis
diei intelligasl illamque divisionem quae est „quidquid est, substantia aut accidens“,
de eompositis factam esse dieimus, simplices enim formas accidentia non appellamus
Ueber Letzteres s. Anm. 191.
187) p. 547.: nostra sententia, quae nullum universale esse singulare recipiL i
188) 10h. Saresb. Polycr. V11, 2 (Opp. cd. Gilcs lV) p. 87.: Sunt autem dubi
tabitia sapicnh', quae suis in utramque partem nituntur firmamentis; talia sunty
quae quasi-untur de materia et motu et principiis corporumy df P7091888“ "Wl
titudinis et magnitudinis sech'one, an terminos omnino non habeat (s. ob. Anm. 125 111),
de tempore et laco, de numero et oratt'orte, de eodem et diverso. in qua ptu-t
rima attritio est, de dividuo et individuo, de substantia et forma uoct's, de statu
universaliuml de usu et fine ortuque virtutum etc.
152 XlV. Einzelne Controversen. .
suchen, auch noch betreffs der übrigen Theile der Logik die damalige
Zeitrichtung an der l'land einer fragmentarischen Ueberlieferung zu cha
rakterisireu, wodurch wir zugleich die Kenntniss jenes Terrains ver
vollständigen dürflen, in welchem sich Ahülard's Leistungen bewegen.
Was hiebei zunächst die Kategorien betrifft, welche zwar von
Einigen geringschätzig behandelt wurden 189), so boten schon jene ein
leitenden Begriffe des aequivocum, univocum und rlenominativum (s.
oben Anm. 93) eine Veranlassung zu hleinungs-Verschicdenheiten dar l9°).
Sodann aber wurde die Gegenüberstellung von Substanz und Accidens
(Abschn. Xll, Anm. 90) von Einigen bestritten, von Anderen aber ent
weder mit Beschränkung auf die coorreten' Dinge der Natur gerecht
fertigt oder auf das blosse Prädicats-Verhältniss (vgl. Anm. 186) be
zogen oder selbst mit Verwechslung von Form und Accidens in den
Begriff des aus Theilen bestehenden Ganzen verlegtml). Auch die Er
örterung der einzelnen Kategorien gab manchen Stoff zu Coutroversen,
welche jedoch die Grünze des bei Boethius Vorliegenden nicht über
schritten; so halte sich bezüglich der Relation die Verschiedenheit der
platonischen und der aristotelischen Auffassung durch die Commentatoren
(Abschn. lll, Anm. 49, Abschn. IX, Anm. 31, Abschn. xu Anm. 71)
auch in die Discussion bei Boethius fortgcpllanzthhschn. Xll, Anm. 93),
und somit erscheint dieser Streitpunkt auch hier wiederum); auth
stritt man, ob nicht die Begriffe der Aehnlichkeit oder Gleichheit mehr
zur Qualität als zur Relation zu rechnen seien, sowie Einzelne sogar
‘IV'ofi'f
func
. nisi
189) Ebend. Metal. IV, 24 (Opp. V.) p. 181.: Alii delrahunt categoriis.
190) Ebend. lll. 2, p. 120.: Ex opinione plurium idem principaliter signifirttlf
denominalii'a el ea, a quibus denominantur (nur Realisten können dies behaupltl
haben). Abael. Dialeol. p. 481.: ivec aequivoca er sola debent praedicatione indl
cari, sed nec univoca propter eundem communionis causam .. Sunt autem noll
nulli, qui non ad ea, quibus est impositum vocabulum acquivocum et de qtthu
enunliatur, re_spiciunl‚ imo ad ea, ex quibus est imposifum, ut „ampleclor“, tum
ad eandem personam, amplectentcm simul et amplcxam, aequivocum dicatur secundum
diversarum proprietatsz diffinitionenactionis scilicet et passionis, non ad personam
commune dicatur, sed ad proprietates, quas aeque designat.
19l)'Pseudo—Abacl. d. inlell. b. Cousin, Fragm. philos. Par. 1840, p. mi
Üuaeritur, an haec divisio „carum quae sunt, aliud est substantia aliud est accidens
sit sufficiens. Quodsi conccdalur, Iimc, cum rationalilas sit, oportet esse substantiam
vel aocidcns; si autem accidens fuerity potest adesse et abessc, quod falsum eil
.... .. Ouidum dicun!‚ quod de quocunque verum est dicere „islud est una res"‚ de
eodem verum est dieerc, esse substantiam vel accidens; hi tamen non concedunly "m
unam debere divi, quod per opus hominum babet existentium ut domus, M91“
habe! partes disgrogalas ut populus Alii vero duobus modis dicunt divinorum
sufficientem esse, praedicatione scilicet et continentia secundum naturam. Praedictttlttll‘
quidem v. g. animalium aliud est rationale aliud irrationale. haec dimm
es! sufficiens praedicatione, quia de quocunque poterit dici „istud es! animal",
eodem statim consequeturl esse vel rationale vel irrationale. continentia "im"
sit exemplum: domus alia pars paiies alia tectum alia fundamentum accidens
tamen ibi targe accipitur pro forma. _
192) Abael. Dialect. p. 201 f.: Ouae quidem dif/initio ab alia in eo ”Farm"
diversa creditury quod banc Arislolelcs secundum rerum naturam prolulil, illam mo
Plato secundum constructioncm nominum dedit Sunt auti-mi qui quemadmde
Plalonicam diffinitione-m nimis lucam vituperanly ita et Aristotelicam nimis slnth
appellunL
XlV. Einzelne Controversen. 153
die Kategorie der Lage (situs) zur Qualität zählten 193)‚ oder man
bezweifelte die Berechtigung der Kategorien ubi und quando, da die
selben aus den zur Quantität gehörigen Begriffen des Ortes und der
Zeit abgeleitet seien und somit z. B. dem Frageworte „qualibar“ völlig
parallel stünden 194), oder hinwiederum fragte man über die richtige
Unterordnung der Begriffe „Tod“ oder „Schlaf“ u. dgl.‘95), oder man
stritt über die Auffassung des in den Kategorien mehrfach vorkommen
den magis vel minus, ob nemlich durch die Gradabslufung bloss das Sub
strat oder bloss die Eigenschaft oder beides zugleich berührt werde 196);
auch konnte bei solchen Gelegenheiten die priucipielle Parteistellung
hervortreten, insoferne die Nominalisten z. B. den Begriff „Gestern“
als ein Nicht-Seiendes bezeichneten 197), oder auch betreffs der Relation
und der Gegensätze ihren Standpunkt geltend machten, während die
realistische Ansicht ihrerseits dasselbe thatl”). Am häufigsten aber
scheint die Kategorie der Quantität besprochen worden zu'sein. schon
darum weil dieselbe wieder auf die Fragen über den Theilhegriff (Anm.
ogy m
193) Ebend. p. 204.: Sun! tamem qui „aequalis et inacqualisl similis et
dissimilisu inter qualitates contrarias recipianL- p. 208.: lii ueror- qui similitu
dinem potius inter qualitates enumerantl ut magistro nostro V. (s. Anm. 102.) pla
cuit. (Die Quelle dieser Controverse ist Boeth. p. 157. im Vergleiche mit p. 187.)
Ebend. p. 201.: Unus, memini, magister noster erati qui positionis nomen ad qua
litates quasdam aequivocc detur-querele Hiezu Anm. 501. rv
194) Ebend. p. 199.: videntur autem nec generalissima esse „ubi“ vel „quando“,
eo quod prima principia non videanturg quae enim ez alio nascuntury prima non
videntur principial sed ipsa quoque principia habent; ubi autem ex locoj quando
autem ex tempore originem ducunt Sotet autem a multis in admirationem ac
quaestionem deduci, cur magis ez loci w! temporis adiacentia praedieamenta innascan
turj quam n: adhaerentia aliarum specierum sive genehm.” tum enim bene „qualiler“
unius nomen generalissimi videtur sicut „ubi“ tief „quando“, cuius quidem species
bene vel male dicerentur sicut ‚.quando“ heri vel nudiustertius vel „ubi“ Homae vel
Antiochiae esse. Die Quelle dieser Controverse ist ausser dem Abschnitte über die
Quantität, in welchem ja locus und tempus eine eigene Erörterung fanden (Boeth.
p. 146.), besonders der Commentar des Boethius selbst, p. mas „quando“ et
„ubi“ esse non potestv nisi locus ac tempus fuerit
195) Ebend. p. 402.: Sole! autem de marte et vita quaeri, utrum in privalio
nem et habitum an potius in contraria recipiantur. p. 406.: Si in dormiente, in
qiu'unl, visio essetv videre eum oporleret, si vero caecitas inesset, nunquam amplius
ipsum videre contingervL -
196) Gilb. Porret. de sex princ. e. 8. (bei Arist. opp tat. Venel. 1552, l, f.
34.): bicitur autem „magis et minus suscipereu tripliciterg aiunt enim quidam se
cundum crementum et diminutionem eorum, quae suscipiamv subiectorumg aliter autem
et alii, ipsa quidemy quae suscipiantura in suscipiente diminui et cresccre, annun
tiantg alii autem secundum utrumque amborum diminutioncm et augmentationem t
197) Aboel. Dialeet. p. 196.: „flen'“ rei ezistentis designativum no'n videtur
sed fortasse hi, qui magis in speciebus renim naturam quam vocabulorum
impositionem attendunt. per „heri“ quandam praesentem adiacentiam designari volunt.
198) Ebend. p. 392.: Ouod quidem multos iri hanc sententiam induzil, ut con
trarium nomen tantum universaliumv non etiam singularium, con/iterenlar, albedinis
quidem et nigredinis, non huius albedim's vel huius nigredinisg sic quoque et rela
tivum et nprivatio et habitus“ nomina tantum universalium dicunt ,- retativa quidem
tantum universalia dicebant ez relatione constructionisg „haln'lus“ quoque et „priaalio“
universalium tantum nomina dicunty eo quod in individuis non possunt servari.
Ebend. p. agas Ouidam talem eum (sc. llcet/lium divisionem innuisse dicunts quod
contraria alia sunt genera alia specialissimag specialissima vero sic subdividuntuiy
ut eorum alia sub eadem yenere, alia sub diversis contrariis ponantun
154 XIV. Einzelne Controversen.
ms il'.) hinüberführte. Während die Nominalisten die Zahlbegrifl'e völlig
analog dem Uebrigen auffassten und daher die einzelnen Zahlen als
Arten bezeichneten, deren Gattung die Zahl selbst sei ‘99), vehi
diess ihre Gegner, weil es bei den Zahlen an der zum Art- oder Gat
tungs-Begrill'e erforderlichen Wesens-Einheit der Natur fehle, und hier
nach die Zahlen nur als adjectivische Ausdrücke eines collectiven Ver
fahrens zu bezeichnen seien, welches Letztere man dann auch auf
sämmtliche Momente der Quantität anwendete, insoferne nur die einfa
chen Grundlagen derselben, nemlich die Begriffe des Punktes, des Eins,
des Augenblickes, des Buchstaben, des Ortes, eine Wesens-Realität
beanspruchen könnten, alles Uebriae aber auf blasse collec-tive Aus
drücke sich reducire 20°); auch wurde von Einigen auf den Unterschied
hingewiesen, welcher bezüglich der Theilbarkeit zwischen dem Zeitbe
griil'e und dem übrigen continuirlichen Theilharen besteheml). ti
ln der Lehre vom Urtheile scheint häufig der ganze hauptsäch
liche Inhalt der Logik, soweit derselbe zum blassen Unterrichte der
jüngeren Schüler verwendet wurde, zusammengefasst werden zu sein,
denn man verarbeitete das Buch De intapr. zu Compendien, zu „In
troductiones“ oder zu einer „summa um's“, und indem man über die
'l‘heile und Formen des Urlheiles, über Quantität, Qualität, Aequipollenz,
über contrarias und Cantradictorisches, über Wahrheit und Falschheit,
über Umkehrung und Modalität der Urtheile u. dgl. Regeln zusammen
stellte, suchte man das aristotelische Buch gleichsam scliulgerechter zu
’
199) Ebend. p. 190.: Hi vero, quibus vidrtur, in specialibus aut generalibus
vocabulis non solum ea contincn‘, quae una sunt natur-alitery sed magis ca, quae
substantialiter ab ipsis nominanturj possunt fortasse et ista (nemlieh die einzelnen
Zahlbegrill‘e) species appellarey quum videlicet magis logioam in impositione vocum
sequantur quam physicani in natura rerum investiganda
200) Ebend. p.189f.: Numerum autem collectionem vnde maxime magisri nostri senlentia, memini, eontirmabatlunibtiantaurmiudmetteerrmnianarnitum ce
lerosque numeros species numeri non esse nec numerum genus eorums cuius videlicet
res una naturaliter non essetg hae namque duae unitates in hoc homine Raume ka
bitante et in illo qui est Antiochiae. consistunt atque hunc binarium componnnl.
Ouomodo una res in natura diceretur aut quomodo ipsae spatio tanto distantes unam
simul specialem seu generalem naturam reripien‘t? vnde potius numeri nomen et bi
narii et ternarii et ceterorum a collectionibus mutatum sumptu dicebant Ebend. p.
179 f.: Haram autem (so. quantitatum) atiae sunt simptices aliae compositaeg sim
plices vero quinque dicunt, punctum scilicet. unitatcm, instans quod est indivisibile
temporis momentumy elementum quod est um: individuas simplicem locum . lius
autem lantum, quae simplices sunt, magistri nostri sententia splriatos appellabal
naiuras, eo videlicet quod sint unae naturaliten quae partibus carentz quae vero ex
his sunt compositae, composita individua dicebat nec una naturaliter esse magis
que earum nomina sumptu esse a collectionibus quibusdam
201) Ebend. p. 186.: Cum autem res singulae sua habeant tempora in se ipsas _
fundata, sua scilicet momenta, suas horasl suos dies vel menses vel annos-1 omnes
tamen dies simul existentes vel menses vel anni pro uno accipiantur . . . . .. (p. 157.)
ln aliis totis totum positum ponit partem et pars destructa perimit totum in
tempore vero e converso est, velut in die; si enim prima est, dies esse diciturl sed
non converlitur; at vero si dies non est, prima non cst, sed non convertitur
ln his itaque Iotis, quae per unam tantum partem semper erislunl, illud
quod de inferentia totius et partis boethius (de difl‘. top. 11, p. 867.) docct, non
admittunt
XIV. Einzelne Controversen. 155
s
machen und mancherlei Ergänzungen oder Erweiterungen beizubringen 202).
In letzterer Beziehung aber ist uns Nichts näheres überliefert; hingegen
dass hieran sich auch wieder einzelne Controversen knüpften, ersehen
wir auch aus den beschränkten uns zugänglichen Quellen. So wurden
schon sogleich über den Begrill' der von: significativa (Abschn. XII,
Anm. 109) Schwierigkeiten erhoben, welche bezüglich der Fortpflanzung
des Schalles sich so sehr ins Abstruse verstiegen, dass Einige zuletzt
die Luft selbst als das Significante bezeichneten 203). Nicht viel besser
ist die gelegentlich der Einheit der Bezeichnung aufgeworfene Frage,
ob ein Wort auch die Buchstaben, aus welchen es besteht, „bezeichnen“
können“). Einliussreicher hingegen mochte es s'ein, —— obwohl uns
weitere Consequenzen nicht überliefert sind —-‚ wenn man beim nomen
eine scharfe Gränze zwischen significare_ und nominare zog, insoferne
ersteres auf die Allgemeinheit und letzteres auf das Einzelne gehe 20"’),
sowie vor Allem, wenn bei der Controverse, oh die Präpositionen und
Conjunctionen gleichfalls „bezeichnende“ Worte seien oder gar nicht
zu den Bedetheilen gezählt werden dürfen, die Dialektiker in Berührung
eum 10h. Saresb. MelaL III, 4, p. 130.: quidquid in isto docetur libro (d. h.
De in!erpr.), aompendiosius e! manifestius polerit quilibet doctorumy quod et multi
/aci'un!‚ excepta reverentia verborum, in doctrinalibus parare mdimeulisl quas intro
ductiones vocantg m'a: est enim aliquis. qui haec ipsa non doceat adiectis aliis non
minus necessariis Percurranl itaquey quid nomen, quid verbuml quid oratio,
quae_ species eiusfquae vires emmtialionum, quid ca: quantitate sortiantur aut qua
litate, quae determinate verae sint aut falsae, quae quibus acqm'pollvanl, quae con
sentiunt sibiv quae dissentiantl quae praedicato divisim, quae coniunclim praedicentur
aut comlersi'm, et quae "an, itcmrquae sit natura modulimn, et quae singularium
contradictio . . . . .. p. 131.: onis enim contentus esl it's, quae vel Aristoteles in Peri
ermeniis dacet? onis aliunde canquisita non adiicitl omnes enim totius artis sum
mam colligunt et verbis facilibas tradunL Vgl. unten Anm. 366. ‚w
203) Abael. Diul. p. 193.: Ouomodo ergo cadcm von: simul a diversis audiri
canceditur atque diversorum aures allingcre." Scd ad haec quidem divers! diverses
pro/erunt solutiones. Hi quidemv qui audiri etiam remota voluntl dimm, vocem
ante os pro/creatis remanentem essentialiter secundum sensuum discretionem ad aures
diversarum vem're. llli autem, qui audiri nolunt nisi pruesentia, hanc in voce-phy
sicam cansidcrant1 quod, quando lingua nostra aerem percutit sanique formam ipsi
nostrae linguae ictus attribuih ipse quidem der, cum ab orc nostro emittitur exte
rioresquc invenit der“, ipsis eh'am, quos reverberatl consimilcm sani formam attri
buitl illeque fortassis ali-isl qui ad aures diversorum perceniunt. p. 190.: Noslri
(amen, memim', sententia magistri ipsum tantum acrem proprie audiri ac sonare ac
signi/icare volebaL Vgl. unten Anm. 499.
204) Ebend. p. 488.: ratum conslat ez suis partibusl voz ez suis non con
stituilnr significationibus, a! fit quidem zlivisio totius in partes, vocis vero non in
significationes Nam etsi hoc in quibusdam vocibus contingat. ut scilicet ez suis
iunguntur significan'onibus, ut hoc i-ocubulum quod est „aus“ m litteris sui's, quas
etiam signihcutl non tamen i'd ad naluram vocis, sed totius referendum ext; in eo
enim quod ex eis vonstal, latum est earumi non cas significans. Es! etiam et alia
quorundam solutiay ut scilicet concedanty nullam vocem coniungi ez signifcationibus
diversis, ad quas videlicet diversas impositiones secundum iaequivocationcm habeat;
neque enim „ens“ ad quaelibet plura dicunt aequiuocum, sed tantum ad diversorum
substantias praedicatorum unde de litterisl quae in eodem claudunlur praediaamenw,
aequivoce non diailur.
205) Joh. Saresb. Metal. II, 20, p. 100.: quod fere‘ in omnium orc ctteln-e ein,
aliud scilicet esse quod appellatica signi/iram el aliud esse quod nominant; nomi
uantur singulartal sed universalia significantur. e a
tas XIV. Einzelne controversiam
mil den Grammatikern kamen, unter welchen die Einen einseitig tbr
Lelzleres sich entschieden, Andere aber auch die Interessen der Logik
berücksichtigten und hiedurch eine Vereinbarung ermöglichten, wornacb
für jene Bedetheile (etwa ähnlich wie bei dem Verfasser De gen. et
spec., s. Anm. 174) ihr späterer Eintritt in die Logik wenigstens vor
bereitet werden konnteio“); gleichfalls einem Einfluss'e der Grammatik
(möglicher Weise durch Bernhard v. Chartres, s. Anm. 89) kann die
Terminologie zugeschrieben werden, wornach man Urtheile, wie z. B.
„Mensch ist ein Substanlivumu als „materialiter im osita“ oder als Ur
theile „de signifieante et significatou bezeichnete 07). An der Frage
über das Wesen der' Affirmation und Negation konnte wieder der Par
tei-Gegensatz hervortreten, indem die Einen sich an die Sprachfom
Andere an die Begriffe, Andere an die objective Realität hieltenm).
Auch bei manchen einzelnen Punkten, welche im Commentare des iine
thius sich erörtert fanden, entschied man sich bald für bald gegen die
Auctorität desselben, so z. B. betreffs der Einheit des Urtheilesm)
oder bezüglich der Zerlegung des Verbums in die copula und ein Parti
cipii|m2‘°)‚ oder hei den Urtheilen, in welchen das „est“ nichtdie
- cle-gum
206) Abacl. Dialect. p. 216.: Praepositiones et coniunctiones de rebus cum
quibus apponuntur1 quosdam intellectus facere videntur, atque in hoc imper/eqi
earum siyni/icatio divilur, quod ipsa quoque resi de qua intellectus haben", M
huiusmodi dictionibus non tenetur sicut in nominibus et verbis, quae simul (‚iff‘
demonstrant .. .. . Unde certa apud grammaticos de praepositionibus sententia matth
ut res quoque eoruml quorum vocabulis apponuntury ipsae designarent w
illa quorundam dialecticorum sententia potiar videlur, quam grammaticorum 017""0'
quae omnino a partibus orationis huiusmodi vones, quas signipeativas esse W se
non iudicaviL divisit ac magis caquaedam supplementa ac colligamenta (s..lb uv
Xll, Anm. 43, 60. u. 111.) partium orationis esse dicit (p. 217.) Sindlllfl'“
nonnuuiv qui omnino a signi/ioannis huiusmodi dictiones removisse dialectum '
struanL
207) Joll. Saresb. MetaL lll, 5, p. 137.: interdum tamen dictionem m" im
coulingit, quum idem sermo ad agendum de se assumitu-n ut in it's, quae 11"“
eeptoies nostri materialiter dicebant imposita et dicibitia. quale est „Iwmo est tw
men, currit est verbum.“ Abael. Dial.‚p. 248.: ouidam tamen transitivam grajum
ticam in quibusdam propositionibus esse volunt. qui quidem propositionum du“
consigm'ficanhbus vociims, alias vero de signi/icante et significalo heri dicwtl. "l i“
iüae, quae de ipsis vocibus nomina sua enuntiant hoc modo „homa est Mm?" M
vox vel dixyllabum“. .Vgl. Anm. 618. _ l
209) Abael. Dialeot. p. 404.: Ouidam autem per „t'acere sub a/finnaliw f
negationeu finitum et iri/initum oocabulum accipiuntl ut „scdet, non sedei“; imm
vero intellectus ab affirmalione et negatione generatos (s. Anm. 175.); sednospol'“
ca, quae ab affirmatione et negatione dicuntur accipimus, essentias scilicet “’12;
de quibus per af/irmationem et negationem agitat Nicht recht verstiindllch “an
ist 10h. Sar. MetaL ll, 11, p. 81.: expedit dialectioa quaestimtes, quale fiiv r
af/irmaro sit enuntiare (umgekehrt an enuntiare sit affirmare hätte eher emen e
denklichen Sinn), et an simul exstare possit conlmdictio. _ am
209) Aliael. Dial. p. 298.: Sunt autem qui adstruant. diverso accidentia 1‘”. n»
enuntiationem facere, cum latia sumunturl quae ad diversa refemntun num
t
dicatur nhomo citharoedus Imnus" (s. Bocth. p. 419.). _ Mm,
210) Ehend. p. 219.: idem dicit „.homo ambulal“, quantum proponit n m
est ambulansu (Boeth. p. 429.). Sed ad Itoc, meminia magister noster V. oppo ‚
solett si‚ , a. nqut.t, verbum propri. um si. gni.ficat.ionem i. nhaorcre dm. l., iterum-amen st
eam inhaeret-ej profecto ipsum norum dicit ac sensum propositionis plffia“
“1:7 f II. J
E— s
XIVm!» Einzelne Controversen. 157
factische Existenz des Subjectes 'involvirlzu), oder bei der Frage über
das Quantitätsverhältniss zwischen Subject und Pradicatnz), woran
sich auch grammatische Spitzfindigkeiten anknüpfen konntenzla). Ja
auch jene richtige Vervollständigung, welche die aristotelische Schrift
De interpr. durch Boethius in den Angaben über das „unbestimmte Ur
theil“ gefunden hatte (Abschn. Xll, Anm. 115), wurde von den Einen
gerechtfertigt, von Anderen aber verworfen, unter welch letzteren uns
ein Magister „V.“‚ welcher „Glossulae super Periermeniasu schrieb, ge
nannt wirdz“). Bezüglich der niodalen Urtheile, — s. Abschn. Xll,
Anm. 119, die Terminologie „modah's“ erscheint nun als völlig reci
pirt —, ist es wahrlich eine eigenthümliche Auflassung, wenn Einige
dieselben derartig von den nicht-modalen ableiteten, dass nicht der that
sächliche lnhalt, sondern der Sinn der Aussage durch die Worte „mög
licherweise“ oder „notliwendigerweise“ niodiiicirt werde, oder wenn
Andere sagten, die Möglichkeit oder die Notliwendigkeit selbst seien in
solchen Urtheilen das Prädicatzls); auch war der Unterschied zwischen
nititu
211) Ebend. p. 2231.: vnde qui-domi cum dicitur homero quoque defuncto
„Homerus es! poela” (Boeth. p. 423.) „esse“ quoque, quod interponitury in
designationc non existentium volant accip1 .‚.. Nosln' vero sententia magistri non
secundum verbum accidentalem dicebat praediculiimem, sed secundum totius construc
tionis signifivaturam et impropriam tocutionem . . Secl quaeritur in illa signihcativa
locutione „Homems es! poe!a“‚ cuius nomen „Hamerus“ aut „poela“ acci'piatur,‘
at uero, si hominis, falsa est anuntiotio eo deluncto, si vero poematis, es! nova
vocis acquiuocatio. »
212) Ebend. p. 247.: ln his autem quae secundum accidens praedicantur nec
totam subiecti substantiam continentl sed in parte tantum subiectum attingunt (Boe!h‚
p. 263.), non est neccsse, pracdiea!um‚uel maius esse subiecto vcl acquatcl
veluti cum dicitur nanimal est homorr vel „quiddam animal est homo" (vgl. b’oelh.
p. 562.). ouanwis tamen et hic quidam wundern, animal quod subiicitur non esse
maius homine, dicunt enimy quia animali quod homo esll ibi subiicitury quod non
est maius homine. .
2l3) Joh. Saresb. Metal. ll, 20, p. 101.: om „omnis homo qiligit se“, quodsi
ez relatioae dictionis proprietate discutiasi incongrae dictum forte causabcris e! fal
sum, siquidem sive collective sive distributioe accipiaturi quod dictum est
„omnis“ pronomen relativuml „so“ quod subiungitur nec universitati singulorum
nec alicui omnium veraciter aptetar. Es! igitur licentiosa relatio (p. 102.) unde
m: sententia eorum, qui ongastiis et subtilitatibus semper insistunt nec bonae fidei
rationem in colloquiis aut lcctionibus curautl haec potius enuntiationis forma esl,
quam regularis formae enuntiatio.
214) Abael. Dialcct. p. 225.: De orationibus vero infim'tis quare hoc loco Ari
stoteles mentionem non fecerih solet quaeri ..i Alii itaque Aristotelcm simplicis
enuntiationis canstilutionem denionstrasse hoc loco notanti alii vero nullo modo ora
tionem inhnitari (dieses Wort begegnet uns hier zum ersten Male) comeduntl qui
bus, memini , magister noster V. essentiebat; nec quidem id tam secundum senten
tiam negabali quam secundum constructionis naturanL cuius quidem invalidom de
coniunctione dictionum calumniam in clossulis eius super Pcriermeuias invenies.
215) Ebend. p. 261: Ratet, qualiter modales propositiones ex simplicibus
descendere ounfitenmur; es! autem magistri nostri sentential eas ita ex simplicibus
descenderej quod de sensu earum uglml, ut, cum dicimus „possiln'lc est Socratem
currere vel necesse“, id dicamusy quod upossibile est vel necesse, quod dicit ista
propositios Socratcs cnrrit“. Ebend. p. 273.: Haea enim- „quendam hominem non
est possibile esse album“ secundum magistri praedictam cæpositionemr quae de sensu
simplicis o it. sic „mm est possibitcr quod dicit haec proposilius quidam homo est
albus". d. p. 277.: ouidam ahmt, per possibile possibititatem praedicari. per
158 XIV. Einzelne Controversen.
possibile und contingens ofl‘enbar ebensosehr ein Gegenstand von (Ion.
lroversen gewordeugmbl wie andrerseits die Aequipollenz der modalen
Urtheile”) oder wenn Boethius bei der Unterordnung des disjuncliven
Urtheiles unter das hypothetische (Abschn. XII, Anm. 141) nur die
Form „Aut A est aut B estu im Auge gehabt halte, so wollten nun
Einige diess durch eine syntaktische Reductlon auch auf die Form „J
est aut B aut C“ ausgedehnt wissen 218).
Aus dem Bereiche der Syllogistik dürfen wir von vornelierein
keine derartige Controversen-Litteratur erwarten, denn die hetrell‘euden
Compendien des Boethius sind gleichsam blosse schulmässige Formulare
welche keine Gelegenheit zu Meinungsverschiedenheiten darbieten. die
aristotelische Analytik hingegen wurde», wie wir sahen (Anm. 8—34l‚
eben damals erst allmälig bekannt und ermangelte selbst dann mh
einer solchen comment'ireuden zurichlungy wie sie für die anderen
Theile der Logik längst vorhanden gewesen war. Doch findet vidi
wenigstens bei Johannes v. Salesbury eine Notiz, wornach jene luuersl
schwierige Stelle der ersten Analytik lietrefl‘s der Umkehrung modiher
Urtheile (Abschn. IV, Anm. 246) zu besonderer Erwägung gekommen
zu sein scheint, insol‘erne man die dortigen Begrifl'e der Naturbestinlml
heit, des MÜSIICIIGI'l-lllld des" Nicht-stattfindens durch eine eigene 'I‘er
minologie (maleria naturalis, contingens, remoui) zu bezeichnen lit
nöthig fand 219). Aus derselben Quelle erfahren wir auch, dass die illi
modalen Urlheilen bestehenden Sleogismeu, welche bereits Abälird tie
kannt hatte (Anm. 17), nun sowohl bei den Theologen als auchiill de"
Schulen der Dialektik häufig in Anwendung gebracht wurdenflol' m
. .
necesse necessitatemy ut. cum dicimus npossibile est Socratem esse vel MW'
possibililatem aut necessitatem ei attribuamus.
216) 10h. Sar. Metal. IV, 4. p. 161.: „Uonlingens“, cuius latissirnui "1‘"
quo upossibiliu aequabatur (s. Abschn. XII, Anm. 119.), in communi "W
usu parietes scheint": nusquam egreditun _
217) AbaeL Dial. p. 275.: Ouidam in his propositionibus (Abschn. Ällv‘lum'
122.) dicunl‚ quod si possibile est vel necesse este Socratem non esse qu
possibile est vel necesse 0st, esse non equum ln universalibus non ita dm“
ut videlicet ltantundem valeat „nun“ ad „esse“ praeposilum, quantum tdv qu
„esse“ copulat rompositunL .an
218) Ebend. p. 442.: Sunt tamen quidam, qui nec discretionrm ullam 'nr
categoricarn et hypotlieticam in disiunctione compositas habenty sed idem dicuntrtltim
ponil cum dicitur nSocrates est vel sanus vel ueger", et cum dicitur „11111 Sofw
est sanus aut aeger“, ut scilicet omnis enunlialio, quae disiunctas mit?" mer
tionesy hypothetica credaturg volunt itaque semper in huiusmodi rutegflfit's‘q _.
disiuncliones recipiuntl hypotheticae sensum intelligit veluti cum dicitur n “am
est sanus vel aeger“, tale esl ac si dicatur vaut Socrates est sanus a
est aeger“. . ' i
219) Juli. Sar. MetaI. w, 4, p. 160, woselbst in einer Inhalts-lieberjig;
der ersten Analytik auch Folgendes vorkOmmt: quid in toto esse aut min ob
quas propositiones ad usum sgllogizandi converti contingat et quas "0"; wfi man.
tineat in hisy quae modcrnorum (s. Anm. 55.) usu dicuntur esse de natura im ral
ria aut contingenti aut remotag quibus praemissis trium ligurarum WM"
tiones etc. . _ w,
noi Ebend.: lie-inde habita modalium ratione transit ad commiwlion‘i‘ qg! mo
necessario sunt aut contingenti cum hisy quae sunt de inesse irPosfm .
divitiae paginae rationem modoan pernecessariani esse dicunt .... ss
g xm Einzelne ControVersen. _-"_. 159
gelegentlich einmal erwähnter Fangschluss bezüglichkder Möglichkeit
des Künftigen ist aus cicero nachgebildet 221). -
Dass hingegen wieder die Topik sich einer ausgedehnteren und
mannigfaltigeren Bearbeitung zu erfreuen hatte, geht schon im Allge
meinen aus dem Werke Abälard’s hervor, welcher bei den einzelnen
'l‘open sich so aussert, dass er überall. schon eine bestimmte Anzahl
formulirter „Regeln“ vorgefunden haben muss, in welche man in den
Schulen die Angaben des Boethius (De iii/li top.) redigirt hatte 222);
auch versuchten von jener Zeit an, in welcher die aristotelische Topik
wieder hervorgezogen wurde (ob. Anm. 281‘.) in der That Einige eine
Bereicherung dieses Zweiges der Dialektik durch Auffindung neuer Topen
und neuer „llegeln“223), zugleich aber mochte sich auch eine richtige
Einsicht über die Stellung und Bedeutung der Topik verbreiten 224).
Doch blickten auch hier die allgemeinen Differenzen des Standpunktes
durch, wenn die Einen einseitig mehr die einzelnen Begrill‘e abgesehen
vom Sprachausdrucke 225), Andere aber nur die innere Nothwendigkeit
der Abfolge in der Argumentation betonten 226), wieder Andere hin
gegen gerade die subjective Wahrscheinlichkeit berücksichtigt wissen
wollten mt Sodann aber knüpften sich mannigfache Gontroversen auch
an einzelne Topen oder Regeln‘an 228). „.4 w...
n— v r uaa
ut aiunt. quasi quidam medius habitus teminerum (vgl. Abschn. X11, Anm. 150).
EI profecto licet nullus modos omnes, unde modales dicuntury singutatim enumerare
sufficial, quodquidern nec ars exigit (s. ebend. Anm. 163.), tamen magistri scho
larum inde commodissime disputanL Vgl. unten Anm. 623.
am Ebend. Polycr. U, 23, p. 125.: Reste! tibi illius Lhmerebal em'm, an posses aliquid facere eoruml quae minimSetoficaictutruuis qeusaeesttc.io Vgl.
Abschn. Vl, Anm. 136. u. 164.
222) Abael. Diafecl. z. B. p. 334. (sunt igitur quatuor huius infercntiae regu
fae), p. 353. (regufae antecedentis et consequenlt's), p. 375. (regulae ab interpreta
finne), p. 376. (tres autem regulas a genere in usum duximus) u. s. f. durch die
ganze Topik hindurch.
223) Joh. Sar. MetaL lll, 9, p. 145.: Non omnes tamen locos huic operi (d.
h. Beeth. de difl‘. lop.) insertos arbilror, quia nec potuerunt, quum et a modemis
huius praeeunte beneficia aeque necessarios evidentius quotidie doceri conspicianL
Ebend. 6, p. 138.: Non tamen huic operi (d. h. der aristotelischen Topik) tantum
tri'buo, ut inanem reputem operam modernorumj qui equidem nascentos et confuler
centes ab Aristotele inventis eius multas adiiciunt rationes et regulas prioribus neque
fimms. s ‚ iv .
224) Ebend. 5, p. 134.: scientia ‘Topieomm ex opinione multorum dia
lectico et oratori principaliter faciL
225) AbaeL bMecL p. 426.: Dicunlur in argumentis ea, quae a propositionibus
ipsis signi/icanturj ipsi quidem inleflectus, ut quibusdam placety quorum canceptio
sine etiam vocis prolalione ad concessionem alterius ipsum cogit dubitantem. g ‚3:
easy Ebend. p. eam Sunt entern, memini. qui verbis auctoritatis nimis ad
haerentes omne necessarium argumentum in se ipso necessarium dici velmf.
227) Ebend. p. 335.: Sunt autem quidam, qui non solum necessarios conse
culioncs, sed quaslibet quoque probabilcs veras esse fateanturg dicunt enima veri
tatem hypotheticae propositionis modo in necessitate modo in sola probabilitate con
siste3r3eq6.)in diqcuuantqutiadmeenml seqnutieantioamnmeagqiusotdrupmroebtaibaimle neossttlruumerudmepreselh,cnssaulmtemdolseeocundum
cum, cui est probabile. ' .1.
sine 228) So wollten Einige zu den maximae propositiones (Abscbn. XII, Anm. 165.)
auch die Hauptregeln des kategorischen Urtheiles beigcziihlt wissen tAbaeL Dial.
p. 5391.), Andere dieselben noch weiter ausdehnen (ebend. p. 366.), oder man
leo xm Einzelne Controversen. Abälard. .
Bedenken wir aber nun, dass last Sämmtliches, was wir bisher
vorzul'ilhren hatten, nur aus zwei Schriftstellern, nemlich aus Abalard
uml Johannes von Salesbury, von welchen uns zufällig grössere Werke
erhalten sind, entnommen werden musste, und daher bei reicherem
Quellenstoil'e wir jedenfalls noch Weit Mehreres kennen lernen würden,
sowie auch dass jede der angeführten Einzelheiten seitens ihres Ver
treters aul‘ einen Betrieb des gesammten Umkreises der damaligen Logik
zurückschliessen lässt, so werden wir, was die Extension der logischen
'l‘batigkeit jener Zeit, namentlich in Frankreich, betrill't, unsere Vor
stellung kaum hoch genug spannen können. Anders allerdings mag es,
sich, gleichsam zur Bekräftigung einer bekannten allgemeinen Wahr
nehmung, mil dem Momenle der lntension verhalten, denn wirkliche
Selbstständigkeit, geschweige denn eine philosophische Auflassung, be
gegnete uns nirgends. Sowie das Mittelalter überhaupt von dem ausser
lich aufgedrungenen Materiale einer Tradition abhängig war und blieb.»
so giengen auch die zahlreichen Controversen der Logik nicht von einem
inneren linpulse aus. sondern beruhen auf einer von Aussen -durch den
Stoll' der Schultradition gegebenen Anregung, auf welche sie gleichsflm
warten mussten, um überhaupt zum Vorscheine zu kommen. So mussten
wir ja auch die Vertreter der liervorragendsten Partei-Ansichtfl’ihrea!
Buhmes entkleiden, als hätten sie von sich selbst aus Bahn gebrocllßflv
denn irgend vereinzelte und herausgerissene Stellen des Boethius, aul
welche man sich eben warf, zeigten sich uns (Anm. 105, 129,1“
170) als die Ausgangspunkte, nach welchen dann das Uehrige gereckt
und gestreckt wurde. Und wenn unter unseren [landen vielleicht “Ph
Abalard einem ähnlichen Schicksale nicht entgeht (Anm. 286), so m
diess nicht unsere Schuld, sondern liegt in der geschichtlichen Wfll'"
heit al's solcher hegründeL
Eben jene Erwägung, dass in jener Zeit einerseits eine sehr grflsäß
Menge von Lehrern sich mit dem überlieferten Stoil'e der Logik bis l“
das einzelste Detail hinab beschäftigte, und andrerseits eben durch dle
traditionelle Litteralur alle derartigen Erzeugnisse bedingt und gelührl
waren, müsste uns schon von vorneherein in unserem Urlheilc Über
Ahalard (geb. 1079, gest. 1142) zur Vorsicht auffordern, und i" dif
That auch wird uns die nähere Einsichtnahme seiner Leistungen "u
Zusammenhalle mit jenen seiner Zeitgenossen vor einer allzu aras-fen
Ueberschätzung desselben bewahren 229). Während wir nemlich belug
‚ U
verlegte das anleeedens und consequens in die einzelnen Glieder des Schlusses
(ebend. p. '353 f.)‚ oder man beschränkte den locus a praedicato bloss aul mea
gorisch-bypothetische Urtheile (p. 381.), wahrend Andere ihn nur als BeWe'San
des locus a genere gelten liessen (p. 384.); auch wurde über letzteren T“?
5""1“ Wieder man“lßra('-h St‘Stl'itte-nY ob er unbedingt gelte (p. 378.) mm nur
causal zu verstehen sei (p. 386.). und ahnlicbc Controversen betrafen Elf“ mus
ab efficienle, bei welchem Theologisches mitspieltc (p. 413.) oder den m"!
interprelalione, in wie weit derselbe mit etymologia zusammentrelfe (p. 375-):
nam Insbesondere scheinen die französischen Gelehrten zu einer Uchl‘l"3'=l"'u.n.ns
ihres La'ndsmannes geneigt zu sein, worin es ihnen unter den Deutschen Schlosst!r
zum mindesten SlelChthut. Das umfassende Werk von Charles de Remußaltßb-ä.
lard (Paris 1845) 2 Bande. ist im biographischen Theile das Beste, vim www
der neueren Lilteratur über Abälard ‚besitzen, hingegen treten bei Enthckluuß
x
I
xm Abalard. v 161
lieh der Ethik in Abälard mit Freuden einen Ketzer seiner Zeit erblicken
und anerkennen, seine theologischen Verdienste aber der Geschichte
der Theologie überlassen müssen, wird sich uns zeigen, dass er auf
dem Gebiete der Logik nicht selbstständiger sich bethatigte als vielleicht
hundert Andere in jener Zeit 230). Allerdings besass er eine grosse
Lebhaftigkeit des Geistes und vor Allem eine ausserordentliehe Gewandt
heit in rhetorischer Darstellung, er warf sich, sowie auf Alles, was,
er ergriff, so auch auf die Dialektik mit passionirtem Eifer, und tratf
sofort als äusserst anregender Lehrer auf 23‘); auf Leichtigkeit des Ver-‘
ständnisses war dabei sein hauptsächliches Augenmerk gerichtet, indem
er auch in der Wahl des Stoffes sich den Ansprüchen der Schüler an
bequemte 232), und es ist erklärlich, dass er darum mehrfach aufge
fordert wurde, seine logische Lehrgabe zum Nutzen Anderer zu be
thatigen '23“). Aber nur dieser seiner formellen Virtuosität verdankt er
Lehre die geschichtlichen Voraussetzungen, welche in den allgemeinen Bestrebungen
jener Zeit lagen. vielleicht zu sehr gegen dir persönlichen Verdienste Abalard’s in
den Hintergrund. wozu bezüglich der Dialektik noch der schon oben (Anm. 49,
vgl. 148) gerügte Uebelstand hinzukOmmt. Die Darstellung, welche Abalard bei
H. Bitter (Gesch. d. Phil. Vll, p. 406 fl‘.) gefunden hat, müssen wir unumwunden
als eine misslungene bezeichnen.
230) Es kann nicht oft genug daran erinnert werden, dass unsere ganze Un
tersuchung lediglich von dem quantitativen Maasse unseres Quellen-Materiales be
dingt ist. Und hierin besteht zwischen Abalard und den übrigen Dislektikern seiner
Zeit nur der Unterschied, dass von Ersterem zufälliger Weise uns sehr Vieles er
halten ist, wornach wir bei ihm im Stande sind, sciuen Grundgedanken in reicherer
Gliederung zu erkennen und durchzuführen, was bei Letzteren uns unmöglich ist.
Aber diesen unserer Darstellung günstigen Vorthcil in einen objectiven Vorzug Aba
lard's umzusetzen, müssen wir uns hüten. ‘
231) Dass er ein Schüler des Roscelliuus, aber auch des Wilhelm von Cham
peaux war und ausserdem bei allen übrigen hervorragenden Lehrern Anregung
suchte und fand, s. vor. Abschn. Anm. 314. u. in diesem Abschn. Anm. 102. u.
104. Von seinem Auftreten als Lehrer erzählt er selbst, Epist. l, c. 2, p. 4.
(Amboes.): Pervem' tandem Parisios factum tandem 2st, ut supra vires aetatis
meae de ingenio meo prarsumens ad scholarum regimen odolcscenlulua adapirarem et
Iocum, in quo id agcrcm, providcrem, insigne videlicet tunc temporis Melidum' castrum
et Sedcm Regiam .. (p. 5.) Ab hoc autem scholarum nostrarum exordio ita in arte
diateclica nomen meum dilatari coepit, ut non solum condisciputorum meomm, verum
etiam ipsius magistri (d. h. Guilclmi Compellensis) fama conlracm pauuatim exstin
guerelur‚ . . . .. (p. 6.) func ego Melidunum reversus scholiis ibi noatras, sicut anleo,
constitui Meliduno Porisios redii, extra civitatem in monte S. Genaue/au scho
larum nostrarum castra posai.
232) Joh. Saresb. Metal. lll, l, p. llli (ed. Giles): Siu omnem librumxleyi
oportet. ut quam facillime potest eorum, quae srribunlur, habeatur cognitio ; non
enim occasio quaerenda est ingerendae difficultatis, sed ubique facilitas generondu.
Ouem morem seculum recolo Peripuleticum l’alatinum; indc'esl. ut opinor, quod se
ad puerilem de generibus et speciebus, ut pace suorum loquar, inclinavit opinionem
molens instraere et promowre suos in puerili-basi quam in gravitate philosophorum
' esse oliscurior; faciebat enim sludiosissime, quod in omnihux praecipil fin'i Augu
stinus ‚ i. c. rerum intellectui serviebai.
easy AbaeL 1ntrod. ad theol. l, Ilrol. p. 974. (Amboes.): Ad has itaque con
troversias dissolvendas cum me sufficerr arbilrareutur, quem quasi ab ipsis incurio
bulis in philosophiae sludiis ac praecipuc dialech‘cae, quae omnium magistra rationum
videturi coiwersalum sciam atque experimente, ut aiimt, didicerinl, unanimiter postu
lant, me talcutum mihi a domino commissum multiplicare difleram. Epist. 1, c. 2,
p. 5.: Non multo autem interiecto tempore ez immoderata sludii afflictt'one nor
Pium-nq Gesch. ll. 11
l
v l
162 XIV. Abalard.
s
den Beinamen „l‘eripateu'eus Palau'nus“, denn einerseits galten seinen
Zeitgenossen die Worte „Peripatetiker“ und „Logiker“ als synonym, da
man ja von Aristoteles überhaupt ausser dem Organen Nichts kannte,
und es bezeichnet jener Ausdruck nur eine sehr einlüssliche oder be
sonders wirksame Beschäftigung mit diesen aristotelischen Schriften mar
ohne dass man dabei etwa an eine volle Durchführung des aristoteli
schen Principes dachte; andrerseits aber hat Abälard selbst wohl einen
glücklichen Fund gemacht, wornach er an Eine bei Boethius vorliegende
Stelle die Berechtigung der aristotelischen Lehre vom Urtheile anknüpfen
konnte; hingegen stellt er sich darum durchaus nicht auf das Princip
des Aristotelismus, sondern versteht die Ontologie schlechthin nur nach
dem Sinne Plato’s. Ja noch mehr; in Abalard zeigt sich uns die ganze
Unklarheit, welche dem damaligen Mittelalter in allen eigentlich princi
piellen Fragen anklebt, gleichsam als eine in rhetorischen gewandter
Form verkörperte, denn er bietet uns das merkwürdige Schauspiel dar,
dass er in‘ Einem Athenizugc christlicher Trinitäts-Theologe und meta
physischer Platoniker und logischer Aristoteliker und dazu noch rhetoy
rischer Ciceronianer ist, eine haarsträubende Mischung, welch natürlich.
von seinen Zeitgenossen nicht als etwas Monströses erkannä, sondern
im Gegentheile zu seinem grössten llnhme gewendet wurde 235).
Von der schriftstellerischen beitigkeit Ahälard’s, soweit dieselbe
dem Gebiete der Logik angehört, war früher nur die „Inveclt'va in
quendam ignarum dialecti-casa zugänglich236)‚ ‚bis in neuerer Zeit be
kanntlich Cousin sich das Verdienst erwarb, aus Pariser Handschriften
nicht bloss ein grösseres die gesannnte Logik umfassendes Werk Abä
lard's, welchem er den Titel „Dialecn'ca“ gab, sondern auch mehrere
Commentare desselben, nemlich Glossae in Porphyrium, class-ae in
Categorias, Gl. in libr. de interpr.. Gl. in Topica Boethii, zu veröll'ent
lichen'lal); hiezu kam noch durch Bemusat die Hinweisung auf einen
zweiten Commentar zur lsagoge, die „Glossulae super Porphyriomus
Welche bezüglich einiger Punkte zu dem Wichtigsten gehörenn‘).
rcptus infirmilale coactus sum repatriarcq et per aunos aliquot a francia quasi re
motus quaerebar ardentius ab iis, quos diatectica sollicitabat doclrinu.
234) Juli. Saresli. a. a. o. l, 5, p. 21.: Peripateticus Palatinusy qui logicac _
opinionem praeripuil omnibus cootaneis suis adeo, ut solus Aristotclis credoreluv
usus colloquio. _
235) ln der von Petrus venerabilis verfassten Grabschrift Abalurd's (bei Atmet.
Opp. ed. Amboes. p. 342.) kommen folgende Worte vor: Gallorum Socrnies, Ptata
maximus liesperiaramy Nosler Aristoteles, togam quicunque fuerunt, Aut par aut
melior Ad cliristi veram transivit philosophiamg in einem anderen von nm
linson gefundeneu Epitapbium (bei nominat a. a. O. l, p. 271.) bcisst es: I'Inngit
Aristotelem sibi logica nuper ademptuml E! piangit Socratem sibi mocrens ethica
demphzm, Physica ltlatonemy lacuudia sic Ciceroucm.
236) Äbucl. Opp. ed. Ambocsius (Paris. nam 41, p. 238 lll '
237) Oiwrages ine'dils d’Abe'lard, publies par V. Cousin. Pun's 1836. 4, wo
selbst die bialertica p. 173—497. (mehrere Partien jedoch nur im Auszüge abge
druckt), die Glossen p. sat-em Ein nicht zu billigendes Verfahren aber ist
es, dass Cousin zu den einzelnen Theilen der Dialektik eigenmächtig Titel-lieber
schri'ftcn schuf, welche den Leser eher verwirren als unterstützen; das Richtige
hierüber s. unten Anm. 272 ff.
238) Aluüurd, par Ch, de Re'musat ll. p. 97 ff. Ji- bedeutsamer aber das
xw. Ahälard. 163
Verloren hingegen isl eine für den ersten dialektischen Unterricht der
Anfänger verfasste Schrift, welche von Abälard selbst mehrmals citirt
wird und (im Zusammenhange mit- einer überwiegenden Betonung der
Topik) die Ueberschrift „De loco et argumentatione“ gehabt zu haben
scheinen“); dieses nemliche Werk ist es jedenfalls, welches an zwei
anderen Stellen unter einem bis zur Unkenntlichkeit verschriebenen
Namen genannt wird 240). Wenn er ferner wieder anderwärts sich so
ausdrückt, als habe er unter dem Titel „Grammatica“ noch eine aber
.malige Umarbeitung der Kategorienlehre verfasstml), so scheint es
. positionibus apponuntur super/tuo (s. Anm. 228.), ..
‘Ehend. ‘p. 305.: diffinitionem syllogismi boethius
wenigstens nicht unmöglich zu sein, dass er an grammatischen Begriffen
die logische Seite erörterte, denn sowie wir schon oben (Anm. 206 f.)
ein gewisses lneinandergreifen beider Disciplinen' trafen, so wird auch
bei Abälard selbst mehrfach eine Rücksicht auf l’riscianus genommen
(s. unten Anm. 250. 263 u.' bes. 272). ' -
Abälard steht als Theologe vollständig auf dem mittelalterlichen
Standpunkte bezüglich der Werthschätzung der Dialektik. Mit Berufung
auf jenen so häufig angeführten Ausspruch Augustin’s 24'3) gesteht er
dort litgetheilte gerade fur die logische Parteifrage ist, desto mehr müssen wir
es beklagen, dass nemus-nt (mit einer einzigen Ausnahme) nicht den lateinischen
Originaltext der von Ravaisson gefiuldenen Handschrift abdrucken liess. sondern
eine französische Paraphrase der Hauptstellen in seinen darstellenden Text ver
flocht, wornach bei Manehem ein Zweifel entsteht, wie viel davon auf Rechnung
Remusat‘s zu setzen sei. Die gelehrte Mitwelt hätte in solchen Fällen wohl einen
gerechten Anspruch auf genaue quellenmiissige Angaben.
239) Dialeet. p. 254.: Ouav' autem invicem contrariae propositiones vel contradictoriaey
quae etiam subalternae vel subcontrariae dimnlur, aut quas ad invicem
inferentias vet di/ferentias qualesque conversiones habeantl in his introductionihus
diligentius pale/ecimus‚ quas ad tenororum diatecticorum eruditionem eonscripsimus.
. commemorat ac diligcnter sin
gulos expediendo dificrentias perlt-artet, sicut in illa altcrcutione „de loco et argu
montana-m-u monsh'avimus. quam ad ‘simplirem dialecticorum inatitutionem conscripsi
'nms. Ebend. p. 332.: Non est autem praetermittenda ad cognitimæm loci difl’errnti'ac
doctrina introductionum uostraruml quas ad primam tanai-orum introductionem con
scripsimus. Ebend. p. 366.: determinationes quae a quibusdam maximis pro
. quas quidem in liix introduc
tionilmsl quae ad parvulorum institutionem conscripsimusl nos posuisse memr'nz'mus.
Ebend. p. 381.: Nane autem locos a praedicato vel subiecto tractemus, quos quidem
multi in his tantum consequentiis assignanl, quae ex categorica et hypothetim iun
guntur (s. ehend.)‚ sicut in introductionibus parvulorum ostendimus. _
um Ebend. p. 308.: Sed de his quidem (so. proposilionibns in syllogisma)
quae utroque lervm‘nov pui‘licipaul‚ in secundo poicherii (Cousin vermuthet enchiridii)
nostri satis dictum esse arbitror. Ehend. p. 424.: lluius autem ln-gumentotionis
sophisticae solutionem primi-is fantasiarum (C. schreibt sofort intruduetimmm) nosti-av
rum liber plene contineL »
c 241) lnlrod. ad theol. IIl, p. ms (Amboes.): Uuod autem nec loco moveri
pussil, qui spiritus est. tam philosophorum quam sanctorum asscrtionc dotem-un
sicut de quantitate tractantes oslendimus, cum grammaticum seribercmas. Theo].
ein-ist. lV, p. 1341 (b. Martene, 'I'Iics. Anerd. V.): lies omnino recte dici non potesl,
quae in se veram non habet entium, uf sit in se una res numero a ceteris omm'bus,
quae ipsa non snnf. rebus entialitcr-discrctu (s. unten Anm. 304.); seil de hoc
diligentomy ut arbitrora tractatum in rvlraotationc m'at'dieamenlorum nostra continet
grammaliea.
242) lnlrod. ad tlieol. ll‚ p. mus Adeo diatecticam commendare ausus est
(so. Augustinus), ttt-tum solam scientiam esse profiteri m'deatur, cum eam solam
ll'
WWÄM. ..._<w«*-—"Y“'*XW—m
164 ' Xiv. Abälal‘d.
-v‚..
-.„-—.
die Nothwcndigkea't einer Disciplin zu, welche im interesse der Beweis—
führung auch die Kenntniss der Sophistik in sich schliesst’“), jl in
solchem Sinne empfiehlt er sogar, auf eine aristotelische Stelle ver-’
weisend, den Zweifel 2‘14), aber als das Entscheidende gilt auch ihm
(vgl. vor. Abschn.. Anm. 17 l‘.) die Gesinnung, in welcher die Dialektik
praktisch ausgeübt wird, indem nur der Missbrauch logischer Gewandt
heit verwerflich ist‘l‘i’). Kurz auch bei Abalard verbleibt die Dialektik
als Führerin des Wissens dennoch in jener dienstbaren Stellung, ver
müge deren sie dem Kampfe gegen die Ketzer gewidmet ist’“), und
sowie er diejenigen, welche er für Ketzer halt, als Pseudo-Philoaophen
bezeichnet und gegen sie seine eigenen philosophischen Argumentationen
richten wuth so bringt er principiell auch sogar das Wort „Logik“
in eine Verbindung mit dem theologischen Logos-Begriffe 2m). Aller-v
dings fliesst hieraus jene fast spaSShal'te Erscheinung, von welcher wir
schon oben, Anm. 38 tl‘., sprechen mussten, dass der Dialektiker Abä
lard die Dialektiker als die grössten Feinde de. Trinität bezeichnete, und
posse facere dicat scieutes. Ebenso Theol. Christ. ll, p. 1235. Epist. 4 (Incedira
etc), p. 239.: llauc quippe scientiam tantis pruecom'i‘s efferre beatus ausus cst
Aagustinus, ut comparatione ceterarum artium eam solam facere scire fateaturv tu
quam ipsa sola sit dicenda scientiu.
243) fntrod. ad theol. ll, p. 1048.: Dispgttationis disciplina ad omnia genera
quaestianum, quae in sanctis libris continentur, plurimum ratet. "'Epi'st. 4, p. 239.1.
utraque tamen scientia, tam dialectica scilicet quam sopltisticu, ad discretionen
pcrtinct argumentorum, nec aliter quis in argumentis esse disci-eius potu-itp nisi qm
fatsas ac deceptorias argumentationee a veris el congruis arynmemalionibuydinin
guere valebit '
non Sie et Nun, ed. Liudeukohl p. 16.: frequens interrogatio, ad quam qui
dem pliilocophus ille omnium perspicacissimus Aristoteles ln praedicantento .‚Ad
aliqm'd" studtosos adhortatur dicens „.. .. dubitare autem de singulis non erit in
tüe" (bei Boeth. p. 172.); dubitmido enim ad inquisitionem venimus‚ inquit-alo
veritatem percipimus.
245) lutr. ad theol. 11, p. 1052.: Nenw etenim scientiam aliquam malim tne
dieen't, etiam illamy quae de malo est, quae iusto homini deesse non poti-sL non
ut malam ugat, sed ut a mala sibi provideat (p. 1053.) Scientias itaque ap
prolmmus, sed fallaciis abutentium resistt'mus. Ebenso Theol. Christ. lll, p. 12421.t
Dialect. p. 435.: Neque enim crimen est in sciendo, quibus obsequiis/aut quibus ‚
immolationibus daemones nostra vota perficiat (diese Disciplin nennt er „de/manv t
mathematieauls sed in agendo St ergo scire malum non est, sed agere. nec
ad scientiam, sed ad actum referenda est malitia.
246) Diatect. p. 435.: Haec autem est dialecticu, cui quidem onmis veritatis .
seu [atsitatis discretio ita subiecta est, ut omnis philosophiae principatum, du:
universae doctrinae, atque regimen possideatl quae fidei quoque catholicae ita ae
cessaria monstratnr, ut scliismaticorum sophisticis rationibus nullus possit, nisi quir
ea praemuniutur, resistere. v
247) Theot. Christ. IV, p. 1312.1‘ Nun enim lioc opusculo veritatem dotiert,
sed defendere intendimus, maxime adversus psendophilosophos, qui nos pliiloqu
phieis maxime rationibus aggrediunturg 'unde et nos per easdem, scilicet philom
phioas, rationes, quas solos recipiunt et quibus nos impetunt, eis praecipue satis
facere decrevi'mu: defendendo veritatem potius.quam docendo.
248) Epist. 4, _p. 241.: Cum ergo verbum patris dominus Jesus Christus A670;
graece dicatur, sicut et voipla patris appellatum plurimum ad eum pertinere eidem
ea noientiaa quoa nomine quoque illi sit coniuncta et per derivationem quandam a
löyo; logica sit appellata et sicut a Christa christiani ita a 1670; logica proprie'
dici videatur ‚ cuius etiam amutores tanto verius appellantur philosophi , quanto re
riores sunt illius sophiae superioris umatoru. ‘c -‘
.1—
‚i. Wun
_ u;‘:m!-. in
-‚-__‚
-..‚-_‚—_-l_.
'xw. nam 165
es liegt jaq auch im Geiste aller dogmen-philosophischen Erörterungen,
dass er diejenigen Dialektiker, welche die Dialektik nicht gerade nach
seinem Sinne anwendeten, kurzweg als Atheisten brandmarkt‘zw), daher
er diesen Andersdenkenden auch die gesamnite Logik mit einem ver
ächtlichen „aester Aristoteles“ und die Grammatik nebst dem Priscianus
förmlich an den Kopf SCllltPll(lel‘l‚250), wohingegen freilich wieder An
dere eben an der Abälard’schen Verquickung logischer Momente mit der
'l‘rinitiitslehre Anstoss nelnnen konntenzm).
Aber Abälard mochte wohl glauben, sich gut aus der Schwierigkeit
ziehen zu können, indem er das Gebiet der Dialektik als ein lediglich
irdisches von dem göttlichen Instrennte; nur ist er, insoferne schon
längst Scotus Erigena das Neniliche gethan, dadurch weniger consequent,
dass er nicht, wie jener, das in einer theologica a/firmati‘va Behauptete
wieder mittelst einer theologia negativa zurückziehl; wohl aber konnte
er hiednrch erreichen, dass jener „vester Aristoteles“ nun doch zugleich
auch „sein Aristoteles“ war. Wenn er nemlich auf das Irdische den
Gebrauch der Kategorien beschrankt‚ da ja alle menschliche Aussage
das dem Zeitlichen zugewendete Verbum enthalten muss 252), und über
haupt den Wortschatz der Menschen als ein die Gottheit nie erreichen
des Mittel der menschlichen Begrill'shildung hezeichnelz-bajp welches
249) Theot. Christ. III. p. 1275.: hesponde tu, mi acute dialectioe scu versi
pcllis sophista, qui auctoritate Peripaleticorum me arguerc niteris, quomodo ipsos
quoque doctorcs tuos absolvis, secundum quorum traditiones nec deum-substantiam
esse nec ipsum esse aliquid aliud cogeris canflteri? llonstat secundum ae—
strarum artium dimziplinasp quae omnium rerum naturas in decem praedicamenta dis
lribuuull deum penitus nihil esse. '
250) Ehend. p. 1282.: Sed cum Aristoteles vester dicit in riimo Perihemienias
elr. aut cum Priscianus dixit etc. ___
251) Otto Fris. de gcsL Frid. l, 47Y piasti (ad. U-ralisius): Sententiam ergo
vocum scu nominum (s. unten Anm. 258.) in naturali tenens facultate non mute
theologiae admiscuit, quare de sancta trinitate docens et nimis attenuansj non bonis usus exemplisl inter ceterascdni'xhictus(ntermelsicphersIonntarsod. ad
theoL ll, p. 1078.): „Stcut eadem oratio cst propasitio. assumptio et conclusiol ita
eadem essentia est pater et fitiua et spiritus sanctus Bern. Chirac. Epist. 190.
(tract. r. crrm'. Abael.)‚ Opp. ed. Martene l‚ p. asa-asa woselbst z. B. p. esca
constituit enim (Intr. ad theol. p. l083.)‚ hoc esse filium ad patrem quod speciem
ad genus, quod hominem ad animal ‚. quad aereum sigillum ad aes, quod aliquam
potentiam ad potentiam ouis Iiar ferat, quis non rtaudat aures ad voces sacri
legasfl Fliezu unten Anm. 478.
252) lntrod. ad lheol. ll. p. 1073.: Patel itaque, a tractatu philosophorum rerum
omnium naturas in decem praedicamenta distribuentmm illam summam maiestatem
esse etc-olusam omninol nec ullo modo regulas aut traditiones eorum ad illam sum
mam atque jne/fabilcm celsitudinem conscendercl sed creaturarum naturis inquirendis
eos esse contentus secundum quod scri itum est „qai' dotem-a est. de terra loqnitar.“
Ebenso Theol. Christ. lll, p. 1273 f. s. oben Anm. 38.). woselbst die Begründung
dieser Ansicht lautet: quod vero omnis hominum loculio ad creatur-arum status
maxime accommodata sit, ex ea praecipuc parte oratiouis apparet, sine qua teste
hisciano (Inst. gr. XVll, 12.) nulla constat orationis perfectiol ex ea scilicetj quae
dicitur oerbumg haec quippe dictio temporis designatira cst, quod incoepil a mundo.
Uebrigens weist uns diess Letztere auch schon auf Ahälard’s Auffassung des sermo
hin, s. unten Anm. am
253) Theal. christ. p. mam vocabula homines instituerunt ad creaturas desig
„und“. quas intelligere potuerunty cum uidelicet per illa vocabula suos intellectus
e
uso XI V. Abälard.
hiemit auch gegenüber den von üott reschall'enen Dingen nur als mensch
liches Erzeugniss zu betrachten ist 54), so belindet er sich bezüglich
der Logik allerdings in einer Uebereinstimmung mil Aristoteles (s.
Abschn. IV, Anm. 1081i. uml die entsprechenden Stellen des Boethius
Absclm. Xll, Anm. 109 L). Und sowie er nun ausdrücklich Logik und
Physik derartig unterscheidet, dass der Gegenstand der ersteren die
Namenbezcichnung .(vocum imposüio) sei, letztere hingegen die Eigen
thümlichkeit der Dinge als solcher betrachte, wodurch aber eben beide
Wissenschaften wechselseitig von einander abhängig seien 255)‚ so kann
er von Aristoteles sagen, dass derselbe, insofern er der Logik diene
mehr in den Worten (voces), als in den Dingen verweile 256). So gilt
ihm Aristoteles als die höchste Auctorität, an welcher man nicht rütteln
dürfe, geschweige denn, dass man ihr je irgend widerstreite 251). li
diese so eben angeführten Stellen könnten uns sogar glauben machen
Abälard habe diesen seinen Führer Aristoteles geradezu im Siuue‘der
Nominalislen verstanden, und wir finden, dass seine Lehre selbslßlll
seine Zeitgenossen diesen Eindruck machte 255), während wir uns aler
dings überzeugen werden, dass Solches nur auf oberflächlicher Ansichl
beruhen kann. ‚
In grossem lrrthumc jedoch befänden wir uns, wenn wir Abäll
hiernach überhaupt auch nur für einen Aristoteliker halten wollten, dean
er ist ja Platoniker, und Plato gilt ihm wieder als der grösste Philo
soph 259), was un's freilich einigermassen an die Schwatzhaftigkeit
k
manifcstare vetientg cum itaque homo voces invenerit ad suos intellectus manifestat
das, deam autem minime intelligere sufficiaty recte illud ine/fabile bonum dimm"
mine non est aurus.
254) Dialect. p. 487.: Neque enim vox aliqua naturaliler rei significatur wfi
sed secundum hominum imposilionem; vocis enim impasitionem summus tifll/fiwm
commisit, rerum autem naturam propriae suae dispositioni rcservavr't, unde et mm
secundum impositionis suac originem re signi/icata posteriorem liquet esse.
255) Ebend. p. 351.: Hoc aulem- logicac disciplinae proprium rclinqwlurv u
scilicet vocum impositiones pensando, quantum unaquaque proponalur orationc i!"
diclimu', disculiat; physicae vero proprium estr inquirerey utrum rei natura mnm
tiat enuntiationi .. .. Es! autem alterius consideratio alteri necessariag ut enim lv
gicae discipulis appareat, quid in singulis intelligendum sit vocabulis, prius "W"
proprietas est inoesligandag sed cum ab his rerum natura non prae se. mi 9""
vocum impositione requiritura tota eorum intenlio referenda est adllogicanlli “m
autem rerum natura percepla fucrit, vocum significatio secundum rerum titolmmm
distingueuda est, prius quidem in singulis diclionilms, deinde in orationibuh 9"“
ex dictiouibus iunguntun S. Anm. am
256) Ebend. p. 401.: Si enim omnia eius (so. Arislotelis) opera studiose ""
spiciumus, magis eum in vocibus immorari quam in rebus invem'emus, „MWST“
verba eius de vocibus quam de rebus exponerenlur, quippe qui logicac dtSMfM
257) Ebend. p. 339.: hanc namque dux Peripatelicorum Aristoteles di/fiflm‘m'"
dedil. p. 228.: Peripateticorum princeps Aristoteles. p. 204.: sed et si MUMM:
‘Peripuleticorum Pl'incipem culpare prasmmamus. quem amplius in hac arte fßßiPw'm‘
p. 293.: sed nihil adversus Aristotelem.
easy Obige (Anm. 251.) Worte des Otto v. Freising: sententiam rocum i"
nominum in naturali tenens faeuttatev welche dort nach jener schon früher _('°r'
Abschn. Anm. 316.) angeführten Stelle folgen, woselbst Abalnrd’s Ansicht in direch
Verbindung mit der Lehre des Boscellinus gebracht wird.
liili Theol. Chrisl. l, p. 1175.: revolvatur et ille maximus philoSophomozl-lldw
p. 1166.: alioquin summum philosophorum Plalouem summum slultum esse ‘Pfl‘
x1v. Abälard. 167
ro's erinnert, bei Welchem gleichfalls nach Belieben bald l’lato bald
Aristoteles der grösste Philosoph genannt wird. lu den Ansichten der
platonischen Sekte erblickt Abälard (auf Augustin sich berul‘eud) die
meiste Uehereinstinimung mit dem katholischen Dogma, besonders be
züglich der Trinität, ja sogar einen Vorzug in jedem Wissen über
hauthf’O); nicht hloss der Begritl‘ des platonischen Weltschöpl‘ers und
seiner Güte und Weisheit 261), sondern insbesondere die Lehre von der
Weltseele ist es, welcher er seine Beistimmung schenkt 2"2). Und von
da ans schliesst er sich nun auch in jenem Momente, welches für die
Logik das principielle ist, an Plato an, indem er mit Berufung aul
Priscianus und Macrobius die Formen der Gattungen und Arten als die
OriginalÄldeen der Dinge in den göttlichen Verstand verlegtmß). t
Wenn wir aber nun hei Letzterem allerdings nicht mehr einsehen
können, wie es sich dann mit jeneni „nilu'l adversus Ar-istotelemu (Anm.
esu verhalte,’ zeigt. uns Abälard hinwiederum noch eine dritte Aul
t'assung der Logik; denn er ist zuletzt weder Aristoteliker noch Plato}
niker, obwohl er — oder vielmehr wohl weil er -— ITeide Anschau
ungsweisen zu vereinigen bemüht ist (s. unten Anm. 292 1.), sondern
er erblickt in der Logik nur ein praktisch dienstbares Werkzeug, und
in dieser Beziehung braucht er es dann allerdings mit den Principien,
mögen dieselben platonisch oder aristotelisch sein, eben nicht sehr ge
hendemns. p. 119l.: non sine causa maximus Plato philosophorum prae ceteris
commendatur ab omnibus. Hiezu die unten, Anm. 293, anzuführende Stelle.
260) Ebend. p. 1175.: Plato eiusquc sequacesl qui testimonia sanctorum patrum
prae ceteris gentilium philosophis fidei christianae attendentes totius trinitatis sum
mam post prophetas potenter edidean p. 1191.: Pluribus quoque sanctorum testi
moniis didieimus. Platonicam sectam catholicae fidei concordare. p. 1192.: liquidum
est. lllotonicam sectani fidei sanctae trinitatis plurimum semper assentire cum
itaque in omni doctrina philosophiae Platonica secta enituerih Augustinus com
memoratl in scriptis eorum se repperissel in quibus quidem tota fere fidei nostrae
summa circa dicinitatem verbi apertissime continetur.
261) Ebend. p. 1157.: Ex summa itaque illa bonitate sua deus iusta etiam
Platonis assertionem optimus ipse omnium conditoiz p. 1163.: deum genitor-em uni- ‘
versitatis Plato dicit, a quo scilicet universa alia haben! esse. p. 1176.: Plato
quoque omne quod a deo esse keimt, genitum etc ipso dicit.
262) Dialecl. p. zrsz anima mundi, quam singularem Plato cogitavit
(p. 475.) quam animam mundi Plato iiocavit, quam ipse ex noy, i. e. mente diviua.
naturae asseruit et eandem in omnibus simul esse corporibus fimih Theol. Christ.
l, p. 1176.: Nun: autem illa Platonis verba de anima mundi diligenter discutiamus.
ut in eis spiritum sanctum integerrime rtesignatum esse agnoscamus (p. 1177.)
cum itaque in ipsa oninia mundi individua et dividua, sive ut dictum est eadem et
dicet-sal concurrit substantial etc. Vgl. lutrod. ad theoL l, p. 1015 f.
263) TIieul. Chrisl. IV, p. 1336.: Ad hunc modum Plato formas exemplarss in
mente divina consideraL quas ideas appellatg et ad quas postmodum quasi ad exem
plar quoddam summi artificio providentia operata est. lntrod. ad theol. ll, p. 1095 f.:
liane autem conceptioneml qua scilicet conceptus mentis in effectum operando prodit.
Priscianus in primo constructionum (d. h. lnsL gr. xvu. 44, p. 135. ed. Hertz)
diligenter aperit dicens. generales et speciales formas rerum intelligi-biliter in mente
divina constitissey antequam in corpora prodirent. Ebend. l, p. 987.: Sic et Mu—
crobius (Somn. Sc. l, 2. 14.) Platonem insecutus mentem dei, quam graeci wüv
appellant, originales rerum species. quae ideae dietae sunty continere meminitt ante
quam etiaml inquit Priseicmus, in corpora prodirentl h. e. in effecta operum pro
vem'rent. -
‚Ü.
w”..—
.1
les XIV. Abälard.
nau zu nehmen. Nicht bloss scheint jene für Anfänger bestimmte Schrift
vöUig aul' dem Boden der Topik verblieben zu sein 264')‚ sondern at
gelangt auch anderwärts an der Hand der ciceronischen Definition dazu,
das Wesen der Logik in die „Beurtheiluhg der Argumentation“ zu ver
legen, welche hiemit das Auffinden der Beweise voraussetztms), sowie
sich ihm an die verschiedenen Arten der Beweise (argumenta) der in
der Schultradition übliche Unterschied zwischen Dialektik, Philosophie.
Sophistik anschliesst 266). Und dürfen wir hiernach vielleicht auch,
schon Abälard’s eigenen Ausspruch, er wolle in seiner Dialektik eine
Begründung der peripatetischen Beredtsamkeit (eloquenla'ae peripatetim)
geben, beim Worte nehmen 267), so tritt dieses Motiv jedenfalls deutlich
hervor, wenn er schon die lsagoge unter die Theorie des Auffindens
der Beweise (die iwventia) subsumirt und hauptsächlich an die auf den
quinque voces beruhenden rl‘open denktns), oder wenn er ebenso auch
das hypothetische Urtheil nur unter diesem Gesichtspunkte auffasst und
daher die Topik demselben vorausschicktwg). Uebrigens mochte wohl
diese Seite der Logik, nemlich eine grosse Gewandtheit des Auffindeas.
auch in Abälard's eigenem Auftreten die hervorragende gewesen sein
so dass er diese Begabung leicht in Si'hftrl‘e und Feinheit philosophi
264) Denn alle oben (Anm. 239 f.) angeführten Stellen, in welchen er im
Schrift citirt, enthalten entweder direct die Beziehung auf die Topik oder lassen
wenigstens eine solche zu. .
265) Glossulae s. Porph. bei Re'nmsat (s. Anm. 238.) p. 94.: Es! scientia alta
agendi alia discemcndiy sola autem scientia disccrncndi philosophia dicitury worauf
dann (p. 95.) die Eintheilnng in Physik, Ethik, Logik folgt, und von lemam
gesagt wird: isl logica auctoritate fullii (s. Abschu. Vlll‚ Anm. 23.) diligens ratlv
disseren-di', i. e. discretio argumentormn, per qqac disserilur, i. c. dispulalw; f"
enim est logica scientia utendi argumentis sine componendi ea, sed discrrnlmll“l
diiudicandi veraciter de iis ltuae argumentorum scientiae-l una compimefllü. QM"
dicimus ratiocinatioaml alia autem discergnendi composita. quam logicum appelltul‘l‘“
Seine Quelle hiefür ist Boeth. ad Top. Cm, woselbst in der Erörterung aber W
ventio und iudicium (s. Ahschn. XII, Anm. 76.) besonders (p. 762.) die Worte?"
beachten sind: heri non potesl. ut dc inventione iudiceturl nisi ipsa inventio 9"“
etstzteriL .
naoi bialecL p. 425.: hion est illud praetermittendum, quod ipse (Ißßum'wl
”Werft, quae scientia quibus utatur argumentis, dialecticos quidem fl ”um"
maxime probabilitatem attendet-el philosophos vero neeessitalcm. sophisms rm "Pu'
trum etc. s. Abschn. XII, Anm. 82. A -
267) Ebend. p. 228.: confido autemj in ca, quer mihi targius csl‚ "mm"
abundantia ipso cooperante scientiarum dispensatore non pauciora vel minora mtt i’m“
stiturum munimenta eloquentiae peripateticael quam illi praesli‘terunl, qm» hamum
celebrat studiosa doctrina. ‚
268) Glassae in Porph, (b. Cousin) p. 553.: Scientiae invcniendi WPI’M'W
iste tractatus (d. h. die Isagoge), quia hic docemur invenire rationes sumcienm l"
probondas quaslibet quaestiones factas . . . . . .. (p. 554.) necessarium ad tas quae
sunt utilia in demonstratione, quia locus a genere, a speci'e, ad diffiflilionem imi
demonstrativis syllogismis.
269) Dialeet. p. 324.: quoniam ergo hypotheticac enuntiationcsy quarum “W
sub consccutione conditionis proponiturl inferentiao suae sedem ac vcritatit mdcnmtq
ex locis quammazime tenenti ante ipsas rursus hypotheticus propositiones torum
tractatum ordinari conncm't, ex quo mazimc hypathrtirarum propositionnm Wim"
seu falsitas llignoscilnr.
xm ihiram _ teo
scher Disputationen und ebenso in Witz und Scherz der Rede bethätigen
konnte 27°). “ä? hiatiim
biese überwiegende Bezugnahme auf die Argumentation ist es nun
auch, welche dem umfassenden Werke Abülard's, der ‚.Dialeetica", so
wohl in Gruppirung der llaupttheile als auch in Behandlung des Bin
zelnen einen grundsätzlichen Charakter aufprägt. Allerdings müssen wir
es sehr bedauern, dass gerade der Anfang des Werkes, nemlich die
Darstellung der lsagoge und ausserdem die ersten Kapitel der Katego
rien, verloren ist; doch sind wir im Stande, nicht bloss, wie sich
zeigen wird, die Lehre betreffs der Universalien genügend zu entwickeln,
sondern vor Allem auch den Grundplan des Ganzen einzusehen.
Die Gliederung ist folgende. indem das bei Boethius durchgängig
eingebürgerte Motiv eines Aufsteigens vom Einfachen zum Zusammenge
setzten (Ahschn. Xll, Anm. 83, 123, 131) zu Grunde gelegt wird, ist
bei der menschlichen Kundgebung (vor, s. ob. Anm. 252 fl'.) das Wesent
liche der Unterschied zwischen diatim d. h. dem einzelnen Worte, und
oratio, d. h. der zusammenhängenden Rede 27‘). Aber nicht bloss auf
der Auctoritat des Boethins oder etwa auch des Augustinus (Abschn.
XII, Anm. 34) beruht diese Scheidung, sondern auch Priscianus (Inst.
gr. ll, 14 11'.) ist es, welcher hierauf den entschiedensten Einfluss ge
habt hat, denn awenn Abälard den ganzen ersten Haupttheil der Dia
lektik, welcher-_von der dietio handelt, als „Liber partiumu bezeichnet
und dabei sogali den Ausdruck „partes orattonis“ gebraucht, so is't‚die
grammatische Anschauung deutlich genug ausgesprochen. Diese logisiihe
Erörterung der Redetheile zerfallt aber dann in drei Abschnitte, nemlich
in die „Antepmeih'camenla“ (s. diese Bezeichnung schon oben, vor.
Abschn.‚ Anm. mox welche die lsagoge enthalten, woselbst es sich
um die von Natur aus bestimmten Prädicate handelt (s. unten), sodann
in die „Praedicmnenta“, d. h. die Kategorien, in welchen die natür
lichen Dinge ihre Wortbezeichnung erhalten, und endlich in die „Post
praedicamenta“, d. h. die Angaben über Nomen und Verbum als die
Bezeichnungsweisen der Dinge und zugleich als die wesentlichen Be
sta_ndtl_ieile des Urtheiles‘lnj. Hierauf demnach folgt als Inhalt des
. F
270) Otto Fris. de gest. Frid. l, 47, p. 433. (Urans): lndi- magistrum mduens
Parisios vem‘l, plurimum in inventionum (diese ist ja gerade das technische Wort)
subtilitutc non solum ad philosophiam neeessan'arum, sed et pro commovendis ad
ioros animis hominum utilium valens.
271) Diatect. p. 212.: list autem dielio simplicis vocabuli nuncupatio. i. e. miz
totaliter, non per partes, significativa, ut „Immo“ vel „eurrit“; oratio autem dicti
onum collectio1 i. e. vox ad aliquid significandam inoental cuius partium aliquid
extra signtficar, ut „homo currit“ At quoniam dietiones orationibus naturaliter
priores sunt, quippe eas eonstituunt ae pevfict'unt, priorem quoque in tractatu locum
obtinere ipsae meruerunt.
272) Ebend. p. 226. sagt Abafard beim_Ucbergange von diesem ersten Haupt
theile zum zweiten: Hactenus quidem Dagoberte fruter, de partibus orationis, quas
dictiones appellamqu sermonem texuimus, quarum tractatam tribus voluminibus
comprehendimusg primam namque partem libri Partium antepraedicamenta pasuimus,
deliine autem praedicanlenta submisimusy denique vero postpraedicamenta novissime
adiecimus, in quibus Partium textum complevimus. Die Auffassung der Antepfldi
camente wird sich unten zeigen; bei dem Uebergange aber von den Prädicauieuteu
no ._xxv. mum
zweiten Haupttlieiles die orau'o, und zwar handelt es sich, d‘a nach
dem Vorgange des Boethius (Abschn. XII, Anm. 112) das kategorische
Urtheil als das einfache und das hypothetische als das zusammenge
setzte betrachtet wird, zunächst um ersteres und im Interesse der Ar.
gumentation zugleich auch um die- auf demselben beruhenden Syllogis
men 273)‚ und Abälard bezeichnete diesen Abschnitt hiernach als „Liber
categoficomm“7"4). Wenn aber nun die Lehre vom hypothetischen
Urtheile 'sich unreinen soll, so lässt er, auch hiezu durch lloch d.
ttim top. (s. Abschn. XII, Anm. 167) veranlasst, die Gültigkeit dieser
Urtheilsformen von den Topen bedingt sein (s. Anm. 269), und schickt
hiemit den „Liber topicomm“. voraus, worauf s erst das hypothetische
Urtheil selbst 'nnd die auf ihm beruhenden Syllogismcn folgeng‘s),
.3“ l
zu den- Postpradicamenten wird p. 209. gesagt: Evulnms superius {tgexatrus} atdßditu
tionem signi/icationis nominum et rerum natur-asl quae vocibus desipnautun diligunt
secundum distinctionem decem praedicantenlorum aperuitg nunc autem ad voces sile
licativas recurrentcs. quae solac doctrinae deserviunt, quot sint modi signi/imm
studiose perquiramus (in ähnlicher Weise p. 245.: non itaque propositiones m
aliquas designant simpliciter quemadmodum nominaL nud es folgt hiemit 11.209“
226. nicht, wie Cousin's willkürliche Ueberscbrift glauben macht, der Abschnittßi
interpr.‚ sondern nur eine Erörterung über die Satztheile. Mit dieser Bezeißhflulll
t und Unterabtheilung des ersten Haupttheiles stimmen dann auch Abälard'S 918?“
Citate überein, indem er sowohl auf das Ganze unter dem Namen Liber fortium
verweist (p. 377.: sicut in libro Partiurn docuinms u. p. 477.: sicut in libro Perl)“
tractatu speciei disseruimusj als auch die Unterabtheilnngen in eben jener Bfltid‘f
nung erwähnt (p. 174.: sicut secundus Antepraedicamcntomm de dil/erentia coliter
p. 249.: nam „homo mortuus" compositum nomen est sicut in primo '
praedicamentorum osleudimusy was sich ebenso wie die gleichlanteuden Citalep.
ego u. 299. auf p. 214. bezieht; bei den beiden Verweisungen p. 204. sicut 1'
libro Partium ostendimus und p. 205. in libro Partium requirantur isl sicher im"
statt libro zu lesen). Uebrigens ist uns durch diese ganze principielle Bett)“DE
der „Redetlieile“ nun erklärlich, dass Ahälard eine Bearbeitung der Kalßß‘m‘“
wirklich als ‚ßrammalica“ bezeichnen konnte (Anm. 241.).
273) p. 227.: iusta et debita serie textus exigente post tractatam ‚111W
dictionum occurrit comparalio orationum Non autem quarumlibet orationem coll
slructionem (auch diess ist ein Ausdruck des Priscianus, s. ob. Anm. 263) me
quimun sed in his tantum opera consumenda rsty quae veritatem seu falsitatemm
tinents in quorum inquisitione dialecticam maxime dosudare meminimusi .“m
inter propositiones quaedam earum simplices sint et natura priores, ut meliorum
quaedam vcro composrtae ac posteriorcs, ut quae ex catcyoricis iunguntur lltli‘o‘u‘ _
ticae‚ has quidem quae simplices sunt prius csse tructandas unaque 8011"" sy o
gismos ez ipsis cornpoucndos csse apparet ‚ ‚
274) Allerdings gibt hier (p. 227.) die Handschrift den Titel „Abru’lu'd‘ ‚Tun
lyticorum priorum primns“, aber nicht nur corn'girt sie sich selbst bei der zwelltt
Unterabtheilung dieses Abschnittes, noselbst p. 253. die Ueberschrift lamel v ‚h
plic-it pri'mus, incipit secundus comndem, hoc cst calt’yoricormn“, son em am“
Abalard selbst citirt diesen Abschnitt als Liber calegoricornm (p. 395.2 “d de
quidem uberius in libro oatcgoricorum cgimus).
275) p. 437.: congi-no ordine post catcgoricorum syllogismorum
hgpolheticorum quoque tradamus constitutionem Sed sicut ante ipsorum t" viam
rum compleziones catcgoricas propositiones oportuit lractaril ex quibus ipSl marti-aq
pariter et nomen cuperunt, sic et hypotheticorum tractalus prius est in 'W’PW 4 .
propositionibus eadem causa consumendus, de quarum quidem locis atlfmmq
fcrentiae quia in Topicis satisa ut arbitrari disseruimusl non est luc m e"
immorandum, sed sah's, earum dirisiones exsequi.
am“
traditianlm
ny oma
dem
a
XlV. Abalard. 171
welch letzteren Abschnitt er „Liber hypotheticorum" mumtesz So
hat Abülard nach seiner-Auffassung die Theorie der Argumentation, von
den einfachen Bestandtbeilen zum Zusammengesetzten fortschreitend,
vollständig entwickelt, und es steht der „Libe-r divisionumuy welchen
Cousin als fünften Theil der Dialektik bezeichnete, in keinem Zusammen
hange mit dem Vorhergehenden'n"), sondern ist eine selbstständige
Monographie (den gleichen Gegenstand wie die Schrift De gener. et spec.
betreffend), in welcher Abälard die Schriften des Boethius de divisione
und de definitione unmittelbar miteinander verband, so'ilass in Er
wägung der inneren Verschiedenheit dieser beiden (Absclm. Xll, Anm.
103) sich recht deutlich zeigt, wie bei Abälard das logische Interesse
in das rhetorische übergebe.
stellung dem angegebenen Eintheilungs-Motive Ahälard’s folgen, werden
wir das Nöthige über den Abschnitt de dieisione, welcher sich an die
Lehre vom Begrifl'e anschliesst, völlig ebenso wie bei Boethius noch
vor der Lehre vom Urtheile einschalten.
Was den ersten Abschnitt des ersten Haupttbeiles, nemlich die
lsagoge oder die sog. Antepraedicamenta betrifft, so müssen wir
die erwähnte empfindliche Lücke anderweitig, und zwar namentlich aus
Bemusat’s (Anm. 238) Mittheilungen, zu ergänzen versuchen, werden
aber biezu auch alle jene übrigen Stellen beiziehen, welche unser Ver
ständniss der logischen Parteistellung Abälard’s verstärken oder erwei
tern können, so dass schon hier das Wesentliche und Principielle
möglichst vollständig erläutert und eine richtige Einsicht in Ahälard's
Logik überhaupt gewonnen werden soll, worauf dann bezüglich der
übrigen Theile der Dialektik auf solcher Grundlage nur mehr das Ein
zelnere anzuführen übrig bleibt.
Es hat etwas Auffallendes in sich, wenn Ablärd in den Glossen
zur lsagoge nicht bloss von „sechs Worten“ spricht, indem er zu den
üblichen fünf noch „individuum“ hinzufügt, sondern auch bemerkt, es
handle sich ausser diesen Worten selbst auch noch um das von ihnen
Bezeichnete — signi/imm eorum -—2"8); jedoch ersteres klärt sich
theils durch die Quellenstelle, welcher es entnommen M27”), theils
276) Auch hier ist das uetnlichc sonderbare Verbältniss, dass die Handschrift
vorerst (p. 434.) den Titel „Abacfards' Anulyticorum'postcrionmt primus“ gibt, dann
aber heim Uebergange zur zweiten Unterahtheilung das Richtige zeigt (p. 446.):
Exptict't primus hypotheticormn, incipit seeundus.
277) Es findet sich auch nirgends in dem Buche eine Anknüpfung an andere
Theile der Dialektik angedeutet.
278) Glossne in Porph. b. Cousin p. 553.: mentio Porphyrii est in hoc opere
tractare de sex vucibus, i. e. de genere et de specie el de differentia et de proprio
et de accidenti et de individuay et dc signi/imus eorum Considerans, nullas
voces magis esse necessarios ad categorias quam istas sez voces, quoniam ez iuis
sex vocibus tonstituuntur pruedt'camenta, ideo perelegit tractare de istis sex noct'lms.
huius operis sunt materia istae sex voces et earum significata, fnis ipse categoriac.
(Cousin verdarb den richtigen Sinn der Handschrift durch Aendcrung und durch
Interpunktion.) Scienliae t'uvem'endi supponitur iste tractatus (Anm. 268.), quia hic
docemur invenire rationes sufficientes ad probandas quaslibet quaestiones factas de
istic sez vocibus et de significatis einem. Vgl. unten Anm. 603.
am Diese Sechszahl hat nemlich, wie sich von selbst versteht, Nichts zu
schafl’cn mit jener Stelle, welche aus den griechischen Commenlatoren (Abschn.
Indem wir daher nun für unsere Dar?‘
in
172 XIV. Abälard.
durch die ausdrückliche Bemerkung auf, dass Porphyrius nicht militis
gehabt habe, den Begriff des Individuums gleich anfangs mitauizuzihieny
da ja das Individuum jedenfalls unter die übrigen fünf Worte falle und
an sich ebensosehr eine prädicativc Bezeichnung eines Gegenstandesv
sei, wie die Gattungen und Arten‘zso). Wenn aber nun gerade diese
Betonung des I’rädicats-Verhältnisses wieder mit dein zweiten Punkte.
nemlich mit der Auffassung des „von den sechs Worten Bezeichneten"
zusannnentrill't, so gibt hier Abälard über diese Grundfrage keine nahe.
ren Aufschlüsse, sondern selbst bei jener It'ernstelle (prima quaestio}.
an welche, wie wir längst sahen, die ganze Parteifrage sich ange
schlossen hatte, gibt er nur eine spitzfindige und betrefl's der Univer'
salien nichtssagende Unterscheidung zwischen solus intellectus, nudus
intellectus und purus intellectuszfl), und auch das übrige Folgende
schliesst sich überwiegend in blosser Worterklttrung an den Text der
lsagoge annal
Hingegen erhält eben dieser l'unltt, welcher uns hier noch dunkel
bleibt, das meiste Licht durch die anderen sog. kleineren Glossen zur
Isagoge. Dort nemlich knüpft Abälard an seine Angaben über die An
_ sichten Anderer (wobei er uns oben selbst aIsQueIIe diente) vorml
polemische Bemerkungen, um hierauf seine eigene Auffassung der Uni.
versalien zu entwickeln. Gegen Wilhelm v. (Ihampeaux bemerkt er (S
oben Anm. 106), dass, wenn ein so leckerer Zusammenhang zwischen
den individualisirenden Formen und den allgemeinen Substanzen ange
nommen werde, zuletzt alle Substanzen, -—- auch deanhönix, welcher
nur Ein Mal existirt, nicht ausgenommen —, eben als Substanzen eiu
ander gleich und identisch sein müssen und hiernach auch von der
Substanz Gottes sich nicht unterscheiden können, sowie dass diem
X1, Anm. 134.; anznluhren war, sondern beruht auf dem Inhalte jener Auf'm
des Porphyrius (ebend. Anm. 43.), welche bei Boeth. p. 15. lauten: Eorunh 1‘“.
dicunlw‘, aliu ad proprietatem dicuntur. sicut sunt omnia indirt'dua, ul est Sncmtti
”l hoc el mihiy alta quae ad multitudinem, ut sunt genera et species ut dimm/rar
rt propria et accidentia.
280) p. 553.: Et cum intendat tractare de istis scz vocibus ct omm (III IM"
omnes) mietet, tamen aon proporiil nisi de quibusdam tantam; ideo M" wm de
individual quia individuam continetur sub unoquoque et in significatione et i" i'm"
dicamentali ordine, nam quemadmodum gcnera et species proprie pummlur in PI“:
‘ dicameaw, eodcm modo individua ipmmm. Auch diess lag im commcnme e’
Boethius zur angeführten Stelle vor, welcher (p. 161.) sagt: Im individwt; quoi
ad unitatem dicmtlur, cunctis superioribus (d. h. quinque vocibus) supponunt W"
individua vero ad nihil aliud pracdicantur nisi ad se ipso, qmm. mi a
atque una sunty atque ad unitatem diruntur. D. h. Abalard entnahm Slt‘h dar
aus, dass die individuellen Bezeichnungen eben doch ausgesagt werden. - dicuntur
praedicantur -. . ‚
281) p. 555.: illa dicimus poni in solis intellectilms, quae tantum intelltflwlw
et non sunt llla dicimus pom' in nudis intellectibus, quael cum stth lll.
intelliguntur emy quam sint illa dicimus puni in puris intellectibusg 0"“ "'—
tglliguntur simpliciter ut sunL _
‘- 282) Bemerkt mag werden, dass auch hier die schon oben (Anm. 167.) gr
wähnte abgekürzte lledeweisel „praedicari in quidn oder npraedicavi t" f'f“ -
IÜT„5PTQCdfPflYi in eo quod qnid“ oder v.prawlirari in eo quod quale" durchttlnll‘g
recipirt ist.
xlvi Abalar‘d. - 173
Wesens-Gleichheit alle: Substanzen oder ihre Gleichgültigkeit gegen jed
wede individuelle Gestaltung dazu führe, auch das Zusammentretl‘en von
Gegensätzen an Einer Substanz zulassen zu müssen may Gegen die
Indifl‘erenz—Lehre wendet er (s. Anm. 132) vor Allem die Definition des
Gattungsbegrill‘es (genus est, quod praedicatur de pluribus), wornach
nie Ein und das Nemliche zugleich Gattung und Individuum sein könne,
und sodann auch das Verln‘lltniss der. Aussage überhaupt, bei welchem
zwischen Individuen und Artbegrifl'en unterschieden werden müsse und
unmöglich die Individualität vom Allgemeinen selbst prädicirt werden
könne, wohingegen, wenn man das Individuum zugleich schon als Art
oder Gattung nehme, die Aussage des Gattungsbegrill‘es ihres Subjectes
beraubt werde oder bei Qualitäten (d. h. bei adiacentia) eben nicht
mehr eine um mehreren Snbjeeten geltende Aussage sein könne 2'3‘).
283) Glossulae s. florpb. bei Rémusat a. u. 0. Il, p. 98.: lie systéme exige
que les formes aient si peu de rapport avec la matière qui leur sert de sujet, que
dès qu’elles disparaissent, la matière ne tii/fere plus d'une autre manare sous aucun
rapport, et que tous les sujets individuels se re'duisenl à l’unité et (i l'identité. Une
grave hérésie est au bout de cette doctrine, car avec elle la substance divine, qui est
reconnue pour n’admettrc aucune forme, est noeessairement identique dtoule substance
quelconque ou a la substance en général Et non seulement la substance de ‚
dieu, mais la substance du phénix (s. Absehu. XII, Anm. 87.), qui est unique,
n’est dans ce système que la substance pure et simple, sans accident, sans propriété,
qui, partout la même, est ainsi tu substance universelle. C'est la même substance
qui est raisonable et sans raison, absolument comme la même substance est d la
fois blanche et assise, car être blanc et être assis ne sont que des formes opposées
comme la rationalité et son contraire, et puisque les (leur premieres formes peuvent
notoirement se trouver dans le même sujet, pourquoi les deux secondes ne s'y trou
veraient-elles pas également? Est-ce parce que la rationalité et l'irrationalite sont
contraires? Elles ne le sont point par l’essence, car elles sont toutes dem: de l’es
sence de qualité; elles ne le sont „per adiacentia”, car elles sont, par la suppo
sition, adiaceutes d un sujet identique. Du moment que la même substance convient
d toutes les formes, la contradiction peut se réaliser dans un seul et même être.
ego Ehend. p. 100.: Mais c’est là ce qui n’est pas soutenable. La définition
qui veut que le genre soit ce qui est attribuable a plusieurs, a ne donnée a l’ex
clusion de l’individu. Ce qu’elle delinit ne peut en soi être a aucun titre, en aucun
état, individu. Dire qu’une même chose tour a' tour comporte et ‘ne comporte pas
la définition du genre, c’est dire que cette chose est, comme genre, attribuable à
plusieurs, mais que, comme genre aussi, elle ne l’est pas, car un individu qui
serait attribuable à plusieurs serait un genre, par conse‘quent l’assertion est contra
dictoire ou plutôt elle n'a aucun sens. Les auteurs disent que cette proposition
„l’homme se promène”, vraie dans le particulier, est fausse de l’espèce. (Hier
jedoeb muss Remnsat entweder einen unrichtigen Text vor sich gehabt oder den
richtigen unrichtig verstanden haben, denn die wiederholte Lehre des lloelhinsv
p. 15, p. 36 n. s. t., lautet mit Anwendung des gleichen Beispieles -— cicero
ambulal, homo ambulat —- natürlich dnhin, dass das Accidens primitiv vom Indi
viduum und abgeleiteter Weise von der Species ausgesagt werde, nicht aber dass
letzteres falsch sei.) Comment maintenir cette distinction, si une même chose est
espèce et individu? (p. 101.) L’individualite resultant de formes accidentelles
ne saurait être l’attribut essentiel d’une substance susceptible d’unioersalite; cepen»
dant cette substance en tant que particuliére, distincte de ses semblables, est essen
tiellement individuelle, violation manifeste de la régie de logique qui porte que ,,dans
un même l’affirmation de l’oppose ercclul l’affirmation de l’autre appose". Lorsqu’on
dit que le genre est attribuable d plusieurs, on parle ou d’attribution essentielle
(,,praedicari in quid“) ou de toute autre,- s’il s’agit d’attribution essentielle, comme
on le nie apres l’avoir 'affirme, elle cesse d’être essentielle, ou elle emporte avec
174 XlV. Abälard.
v f
C
Endlich auch gegen jene uns nicht näher bekannte Annahme bezüglich
einer proprietas der Dinge (s. Anm. 73) richtet er wiederholt den nem
lichen aus der Definition des Gattungsbegrifl'es entnommenen Einwand
und bezeichnet überhaupt. jede Verwechslung oder Vermengung des
Individuums mit dem- Allgemeinen als das Bedenklichste und Unhalt
barste 2’35).
Nach seiner eigenen Ansicht aber glaubte er das Richtige, wodurch
er zuletzt den Gegensatz zwische'n l'lato und Aristoteles versöhnen zu
können meint,‘ dadurch gefunden zu haben, indem er sich auf Eine
Stelle des Buches De interpr. warf, in welcher das Allgemeine als das.
jenige bezeichnet wird, was „von Natur aus dazu gemacht ist, von
Mehreren ausgesagt zu werden“ (quod natum est de pluribus praedi
eari), und er konnte hiedurch in der schon oben (Anm. 254) erwähu'
ten Weise die objectiv natürliche Entstehungder Dinge neben dem
subjectiv menschlichen Erzeugnisse der Wortbezeichnung einhergehen
lassen, ja dieses Verhältniss sogar durch das llleichniss der Statue aus
drücken, welche aus dem objeetiv vorliegenden Steine und der durch
Menschenhand hiuangehrachlen Form bestehtnß). Hierauf aber nun
beruht das eigentliche PartebSchibolet Abälard’s, denn aus jener Natur
hestiumitheit des Ausgesagtwerdens folgt, dass weder die Dinge als
solche 'noch die Worte als solche das Allgemeine seien, sondern die
Allgemeinheit nur in dem Ausgesagtwerden selbst, also in der Redefonn
des L'rtheils, kurz im „sermo“ liege, wodurch nun die verfehlte und
unhaltbare Ansicht vermieden werde, dass man ein Ding von einem
elle san sujl'l; s'il s’agit rl'uttiibulion aeciitenlelle („in adt'acenlm“). lu dr’lrmlwu
n’est plus exacta elle ne convicnt plus d toui gern-e.
285) libani p.102‚: La difflculle' es! toujours de [nire audi-m- er: systeme mi
la definition du gente II faut que la propriae d’eitre uttribuable d plusieurs vfm
l’unirersel de I'imlim'duel; er, an eient de diro que de plusieurs ehoses chamr “l
indiriduellemen! onimul; le nom indieiduel d’animu! serait-il dono Ie nom dipht
sienrs? l'indiridu sentit-il attribuable a plusirurs? l‘eln ne se peul. Mols fammi
animal ne peu! plus se diro de plusieurs, mais de chaoun, il n’y a plus de gen",
ou plnlti! lon! es! renrevse'; c‘csl l'indiridn ou le non-universel qui ‚rund/11W“
de I’unit‘ersel. c’est ce qui ne peul s'a/[r‘rmer de pliisieursy qui s’affirmc de pluwum
et c‘est one pluralite au dumm s’il/[inne de plusieurs que l'on appelle findit-idu
286) Ebend. p‚ 104 f.: Aristote, au diro dlAluilariL paruit llinsinuer tlaimnenL
quund il defini! l’imirersel ce qui es! rw'‚ullril!rtablc d plusieurs „quer! de plufibm
natum est praedicarili C'esl une propriae avec laquelle il es! m‘, qu'il a dloriytm
„u nalirilnlt‘ sua". Or, quelle es! la nativitdl l’origine des disconrs ea de 1mm."
l'inslilnlion humm‘ne, tundlsque l’on'glne des ehoees est la cre'ulion de leurs natum
Celle differt-nm- d’origine peu! se reneontrer Iu' monte on il slagit d'une memo ostentis
ainsi dans rel oriri/iph „celle pierre e! eelte statue ne sont qu‘un", l'e'tol de pth
ne peu! otra ilonna a la pierre que par la puissance rlivine, I'e'ln! de statue llf
peu! iiti-e dome par la main des homan Es lautet nemlich jene, Abscho. l\.
Anm. 197.. angeführte Stelle des Aristoteles in der l'ehersetzung bei boethi
338.: Ouom'om autem sunt haec quidera rerum universalias illa vero smgulariu, du"
autem universale, quod de pluribus natum es! proedican‘, singulare vern, quod mv
etc. Hier also konnte Abälard für den Realismus auf das Wort „rerum“ und
zugleich für den Nominulismns auf .‚praedwari" sich stutzen. So sind in je?"
Zeit, _welche keine principielle Einsicht hatte, sondern nur [leissig die Tradition
studirle, auf einzelne herausgerissene Stellen der Schul-Litteratur, von dem Einen
auf die eine, von einem Anderen auf eine nndere‚ sofort die Partei-Ansichten anl
gebaut worden. Vgl. oben Anm. 105. 129. 134. liil u. unten ega
mg, tibälard. 175
Dinge aussagen könne, wumach ein Ding als Ding gleichmässig in meh
_ reren Dingen sein müsste, wohingegen (—— „res de re non praedicatur“
—) Alles, was ausgesagt wird, und insol‘erne es ausgesagt wird, nicht
ein Ding, sondern eben eine Aussage i512“). Und indem nun Abälard
hiemit obige Definition der Gattung in Verbindung bringt, verneint er
ausdrücklich, dass, wenn die Aussage (sermo) allgemein: ist, dann etWa
auch das Wort als Wort allgemein sei, denn aul' gleiche Weise könne
man zuletzt auch schliessen, dass der Buchstabe allgemein sei, hingegen
müsse man bei jener Definition den durch sie definirten Gegenstand,
d. h. die Gattung selbst, in's Auge fassen, wodurch sich zeige, dass
nicht die Gattung selbst in all ihrer Totalität in dem einzelnen Worte
enthalten sei, _wohl aber das die Gattung ausdrückende Wort in einem
Urtheile von Mehrerem ausgesagt wird, kurz dass eben das Urtheil aus
sagbar ist, — „sermo est pmedicamusu -. weil das Denken die Worte
behul's der Darstellung der Dinge ordnetzsg). Wenn hiernach das Wort
nicht nach Seinem äusserlich wirklichen Klange, sondern nach seinem
inneren Sinne ausgesagt wird, und also seine Bedeutung es zu einem
Allgemeinen machin”), so darl‘ man aul‘ solche Weise wohl sagen,
dass Gattung und Art ein Wort (vom) seien, nicht aber umgekehrt, dass
das Wort die Gattung oder die Art sei, denn das individuelle Wesen,
welches das Wort ist, kann nicht von Mehrereni ausgesagt werden,
wohingegen ein objeetiv Dingliches den Gattungen und Arten entspre
‚y
287) Ebend. p. 105.: Or, du moment que l’universel est d'origine attribuable
à plusieurs, ni les choses ni les mots rie sont universels. Car ce n’est passio mot, '
la „m, mais le discours „sermo“, c’est-à-dire l’expression du mot, qui est attri
buables et divers, et quoique les discours soient des mots, ce ne sont pas les mots, I i
mais les discours qui sont universels. Quant aux choses, s'il était vrai qu'une
chose pût s'affirmer de plusieurs choses, une seule et même chose se retrouverait
également dans plusieurs, ce qui rc'pugnc. Daher ebenso Diatect. p. 496.: nec rem
allant de pluribus dici, sed nomen tantum concedimus. Hiezu die schon oben. Anm.
63., angeführte Stelle des Joh. v. Salesbury.
easy Ehend. p. 107 l.: Mais Abe’lnrd se fait des objections. Comment l’oraison
peut-elle être universelle, et non pas la voir, quand la description du genre convient
aussi bien d l‘une qu’à l'autre? Le genre est ce qui se dit de plusieurs ‘qui diffe
rent par l’espèce; ainsi le décrit Porphyre. Or, la description et le décrit doivent
convenir d tout sujet quelconque; c’est une règle de logique, ‘ta'régle ,,de quocun
que“, 'et comme le discours et les mots ont le même sujet, ce qui est dit du discours
est dit des mots. Donc, comme le discours, la voir est le genre. Cette proposition
est incongrue „nun congruit“; car la lettre étant dans le mot „ et par conséquent
s’attribuant d plusieurs comme lui, il s'ensuivrait que la lettre est le genre. C’est
que. pour que la description ou définition du genre soit applicable, il faut qu’on
l’applique d quelque chose qui ait en soi la réalité du défini, ,,rent de/initi“; c'est
la condition de l’application de la règle „du quocunque“, et ici cette condition n’existe
pas. Le mot ne contient pas tout le défini, il n'en a pas toute la compréhension,
et il n'est attribue d_ plusieurs. af/irnte' de plusieurs, „praedicatum de pluribua“,
que parce que le discours est prédicable, „est sermo praedicabitis", c’est-d-dire
parce que la pensée dispose des mots pour décrire toutes choses.
289) Ehend. 'p. 108.: On peut donc dire que le discours étant un genre, et le
discours étant un mot, un‘mot est le genre; seulement il faut ajouter que c'est ce
mot. avec le sens qu’on a entendu lui donner. Ce n'est pas l’essence du mot, en tant
que mot, qui peut être attribuée et plusieurs; le‘ son vocal qui constitue le mot est
toujours actuel etparticulier d chaque/ois qu’on le prononce, et non pas universel,
mais c’est la signification qu'on y attache qui est (rendrait.
ne m. Abälard. _
_ v - V, \„__.__. ‚
chemles Sein bei solcher Auffassung augendum
kann 29o). Neuilich Gattungen und' Arten, insoferne wir sie denken,
beziehen sich wohl auf Etwas, was existirt, und ergreifen es, aber
nur durch b'ebertragung konnte man sagen, dass dieselben als die von
uns gedachten Universalien exislircu, denn der richtige Sinn tSllllll’‚
dass Etwas existirt, was zu diesen Universalien Veranlassung gihtm).
Und auf diese Weise nun, glaubt Abälar‘d, sei der Unterschied zwischen
Plato und Aristoteles kein innerlich wesentlicher, sondern hetretl'e nur
den Wortausdruuk (vgl. oben Anm. 143 f.)‚ denn nach Aristoteles seien
die Gattungen und Arten, während sie durch menschliche Namenbe
zeiclinung in den Einzel-Dingen liegen, dennoch als das den reinen all
gemeinen Auffassungen des Erkennens Entsprechende ausserhalb des
sinnlich-wahrnehmbaren Einzelnen‚ und nach Plalo— seien die Umver
salien gleichfalls nicht nur Sache subjectiver Denk-Auffassung, sondern
eben als Gegenstand derselben objectiv ausserhalb des Sinnlich-Wahr
nehmbaren extstirend 2"2); ja Ahälard findet sogar für diese Uelierein
Stimmung des Plato und Aristoteles, während er aus Macroliius die
Schulanekdoten über die Feindschaft des Letzteren gegen Ersteren kennt.
wieder einen Beleg in einer einzelnen höchst a'uisserlicli l)
auras
290) Eiland. p. mas slbelard permet qu’on dm- que le genre ou l’ttrm
est un mot ,,est eux“, et Il rejette les propositions converses; car si l'on diall
que le mot est genre, expo-vey universel. on uttn'bueruit une essence indirtduellt.
celle du mot, d plusieurs, ce qui ne se peut. C'est de même qu’on peut dire „er!
animal (.Jn'c status animal“) est cette malitire1 tu Socratite' est Socrale“ PHI“
l’autre de ces rieur est quelque chose, quoique t'es propositions ne puissent din HI'
versées. Dialect. p. 480.: in signifientionibus suis vocabula suepe nominatum Il
cum m quoque vel gem-ra vel sport'es vel nmqersalia vel singularia vel substull“
vel accidentia nominamus; nomen uutem hoc loco accipiendum esl quatlitvtm
siguificalirn simpler, quo rebus pruepositu vocabula pruerltcamus. _
291) Ebend. p. 109.: Il decide que. bien que ces concepts (oh wohl hier“!
laleinischen Uriginale „conceplus“ steht? ich rermuthe eher‚ dass es nthllch
laute, s. unten Anm. 313 ll'.) ne tiennent pas les choses comme rit-senilesl ont“ l“
les donne tu sensation, ils n‘en sont pas moins justes et valables, et embrassent ‘5
choses réelles. De sorte qu'il est vrai que les genres et les espdu's subsistent. "l
re sans qu’ils se rapportent d des choses subsistantes, car c’est par métaphortlwhl
',,per translationern“) seulement que les philosophes ont pu dire que ces universale:
subsistent. Au sens propre, ce srrat't dire qu'ils sont substances, et l'on veut tf
primer seulement que les objets qui donnent lieu (etwa „10mm prudent”) im
uviiversaux, subsistent. Les doutes que ce langage figure a fait naître sont la seul!
source (les difficultés qui semblent urrziler Porphyre. Bei dieser ganzen Stelle b?"
klagen wir es am moisie“, nur auf Rcmusnt’s nicht unbedenkliche Umschreihm‘
angewiesen zu sein.
292) Ebend. p. 110.: Abelord re’duit ces difficultés à des simples questions ik
mots. Ainsi pour lui le dissentimenl entre Aristote et Pluton venait seulement 14!
ce que le premier pensait que les genres et les espèces subsistent par tippt/14""
dans les choses sensibles, ou servent à les nommer en essence, „appellunl in sr".
et que cependant ils sont hors de ces choses, en ce sens qu’ils correspondent fi d'5
concepts, purs de toutes formes accidentelles sensibles. tandis que Pluton voulait q»!
les genres et les espèces fussent non-seulement conçu, mais subsistunl: homlde
sensibles. Ainsi, dit Abétard, la tii/feramm n'est pàs dans le sens, quoique”
semble se montrer dans les termes. Ueber die Quelle des Ausdruckes "appelle!“
in se“ s. oben Anm. 13.; hingegen für die Entgegensctzung des Platonismns um
Arislolclismns überhaupt konnte Abalard auch Itoeth. all Porph. p. 56. lit-ilium
XIV. Abälard. 177
Stelle der Kategorien, woselbst er dem Aristoteles den platonischen
Realismus aufdrängen will 293).
So weist uns nun jener für Abalard als Ausgangspunkt und als
Auctorität geltende Satz „quod natum est de pluribus praedioan'“ (Anm.
286) von selbst gleichzeitig auf zwei Wege hinaus, deren einer in der
Richtung desjenigen. quod „natum“ esl, liegt und in Platonismus aus
mündet, während der andere die Richtung des „Praedt'can'“ einschlägt
und zu einem Aristotelismus führt, welcher stets den parallel laufenden
anderen Pfad in Aussicht behält, und zwar all beides, um die Dialektik
in der Theorie der Argumentation zu verwerthen.
Was nun hiemit die erstere dieser beiden Richtungen betrifft, so
haben wir hier nicht die Aufgabe einer Geschichte der Theosophie, und
werden daher unter demjenigen, was auf Plato zurilckweista nur das
für die zweite, logische, Richtung Erhebliche entwickeln müssen. Die
Quelle für Abälard war hiebei natürlich jener Platonismus, welcher
durch Porphyrius in den Boethius übergegangen war, und so wird aus
des Letzteren Schrift de divisione die Anschauung aufgenommen, dass
durch eine „creatio“ die Art aus der Gattung entstehe, indem ähnlich
wie bei der Statue eine Form dazukomme (superopniente forma), so
dass der Stotl‘ (maten'a) in dem ueuentstandenen Gebilde (materiatum.
vgl. Anm. 160) fortbestehe, und eine Gleichheit des Seins zwischen
Art und Gattung sich ergebe 294).
zwei Bestandtheilen, nemlich materialiter aus der Gattung, formaliter
C
‚L . ‚ ‚
293) Dialecl. p. eos f.: Haec quidem dc relativis (s. oben Anm. 192.)" Aristo
talem plurimum sequentes discimus Si etiam scripta magistri eius Platonis in
hac arte (d. b. in der Logik)‘ novissemas, utique et ea reetperemusl nec forsitan
calumnia discipuli de dejinitione magistri recta videretun Novimas etiam ipsum Ari—
stotelem et in aliis locis adversus eundem magistrum suum et primum totius philo
sophiae ducem ex fomite fortasse invidiae aut ex avaritia nominisl ez manifesta
tione scientiae surrezisse, quibusdam et sophisticis argumentatiouibus adversus eius
sententias inhiantem dimicassel ut in eo, quod de motu animae Macrobius (Somn.
Sc. ll, 14, 2 u. 15. 1) meminit Sed quoniam Platonis scripta in hac arte
nondum cognovit latinitas nostrav cum defendere in his quae ignoramusl non praesu
mamus. lhtum tarnen confiteri possunmsl si attentius Plalonicae definitimu‘s verba
ensentar, eam ab Aristotelica non discreparc senteutiag nam in eo quod dixit,
quod „hoc ipsum quod sunt aliorum dicunturn (diess nemlich ist die Definition des
Relativen bei Boeth. ad Pracd. p. 155.), non tam visus ad vocalem coustructinneml "
ut aiuuty respexissel quam ad naturalem reram relatiouemy- cum enim ait „hoc
ipsum quod aunt“, essentiam demonstravil, non vocalmlum. In solcher Weise also
verfuhr man mit einzelnen Stellen und einzelnen Worten, um Anctoritaten iar Par
tei-Ansichten zu gewinnen. Vgl. Anm. 286.
294) Theol. Christ. IV. p. 1305.: Ex materia quippe ipsum materiatum yenerari
et croari quodammodo tradunt philosophi ; unde Plato Ylen, i. e. corpoream naturam,
tanquam matrem corporum ponitv et boethius in libro hicisionum (p. 639 f.‚ s.
‘Abschn. Xll, Anm. 97 f.) genus dividi in species quasi in quasdam a se quodam
modo creationcs dicity eo quod species ex ipsa generis substantia nasci et confici
habeant superveniente forma, ut homo ex animali superveniente rationalitate et mor
tah'talc, sicut statuo ez aere superveniente figura; et cum idem sit mater-ioy quod
malerialam, sicut idem est animal quod homo (s. ebend. Anm. 98.) vel hoc aes
quod haec statuar non tamen ipsum materiatum est matema sui aut ipsa materia
est matenata ex se, licet sit hoc ipsum quod est materia eius etc. bialecL p. 486.:
in eonstitutione speciei genas, quod'quasi materia ponitun accepta dilfercntial quae
quasi forma superadditurl in speciem transit. w
Piuumq Gesch. lL iz
Hiernach besteht die Species aus r
178 XIV. Abälard.
aber aus dem artmachenden Unterschiede, d. h. der differentia sah
stanlialis; diese letztere aher hal nusschliesslich nur die Function, ebeii
die Species zu erzeugen, denn — was polemisch gegen andere An
sichten, s. ob. Anm. 114, bemerkt _wird — sie geht nicht mit dem
Stoffe selbst in das Wesen der Species über, da sie hiedurch zu einem
Theile des Stoffes der Species würde, sondern sie ist nur die wirb
samc Kraft, daher auch das Gleichniss der Statue nur nach einer jusser
liehen Aehnlichkcit zu verstehen ist, denn Species ist ja die Statue
nicht, sondern nur eine menschliche Zusaminenfügung nat Auch darf
jene creatio nicht so verstanden werden, dass etwa in zeitlicher Existenz
die Gattung vorher da sei, ehe die Species ins Dasein trete, denn go
rade im natürlichen Sein der Dinge existiren die Gattungen nur in den
Arten und ningekehrtzgß), sondern d|ese Priorität oder Posterioritltßllt
dem Gebiete der Aussage (pracdicalio) anheim, welche bald auf dle
Form, bald auf das durch sie Geformte u. s. w. gehen kann 2‘37). Wenn
aber bei diesem Entstehen der Arten aus den Gattungen jene schwie‘
rigere Frage bezüglich der Gegensätze (ob. Anm. ns u. ns f.) zu er
ledigen war, so ist hierüber Abälard's Ansicht folgende: Die Verschit'
denheit der Arten kann nur dadurch beWIrkt werden, dass eine Ver
schiedenheit der Substanzen besteht; diese aber ist ein Erzengel” des
arlmachenden Unterschiedes, welcher eben darum ein substantieller
heisst,_ weil er eine Ausscheidung innerhalb der Substanz und dabei
mnm
l v '1: e
295) Dialect. p. 477.: nominis enim alia pars substantia aniiiialis. alia [WM
rationatitatis vel mortalitatis. componit autem animal hominem materialiter. mltßlt'
litas vom et mortatitas lormaliter (ebenso Glosrae ad I’orph. p. 575.). iiequ flt'
ratiunalitas et mortalitas, cum qualitates sinty in essentiam honrinis, qui subdunt
estl possunt converti, sed sola animalis substantia homo efficitur, per inme
tamen substantialium cius diflcrenliarum, unde recte llorpliyrius mas sabxtdlll i
di/ferentias esse definit (b. Beeth. p. 84., vgl. Abscbn. Xl, Anm. 44.), www
quas ipsa genera, quae ab ipsis divisa saut, spenificantur ivec cum ipmynm‘
substantiam in epi-ciem n-ddunt. ipsae quoque in essentiam speciei simul tmn-tva
sed sola gcnera vel subiecta speci/icantun non quidem separata a difi‘ermtiu, ‚it’ll
nisi ei dilferentiae adveniunti ipsa sata non etiam diffc-tentiae species e/finilllfl m
quidem cum differentiis, sed per difl‘ercnlius, sicut in libro Partium tractatu spem
disseruimus (s. Anm. 272.); si enim differentiac in speciem Irans/‘errentur cum 9"
nere, .. .. ipsas de substantia rei esse et in partem mater-iae venire contingeret .... »
(p. 478.) Nihil aliud materia iam lormix actualiter coniuncta quam ipsum muten‘atlm
ut nihil aliud est hic annulus aureus quam aurum smluae campanum quam boethius (p. 88.) portil, inspercoileusndnitountevmidedtuaidwumcum m
materia sit unum, sed operatione Immimnn, nec substantiae nomen, sed nendum
cum statuu videatur et a'quadam compositionc sumptam
296) Introd. ad theol. ll. p. 1083.: Cum autem species ez genere mari m
yigni dieanturl non tamen ideo necesse cst, genus species suas tempore rtll‘"
existentium praeoederq ut videlicet ipsum prius esse contigerit quam illasg minim
etenim genus nisi per aliquam speciem suum esse contingitæ vel ullatenus wm
1 fuit. antequam rationale vel irrationale Inerit, et ita species cum suis gum-tw
t simul natur-aliter existent, ut nullatenus genus sine i'llis, sicut nec ipsae sine 9m"
esse potuerint.
297) Thcal. Christ. lll. p. 1277.: Proprietas itaque materiae ipsa est phmmst
secundum quam ex ea mateiiatiter aliquid fieri Itabcl, materiali vero proprietas cfl
ipsa e tionem-so posterioritasg proprietates itaque ipsae impermixtae sunt per Pm‘d"
cationeml licet ipsa proprium penniartim de eodem praedicatum-g aliud quippe m
praedicare formam, aliud foi-malum ipsum, h. c. rem ipsam formae subiectum
XIV. m Abülard. 179
zugleich eine Einheit der ausgeschiedenen Gruppen, deren jede Eine
gemeinschaftliche Natur hat, bewerkstelligt 29"); und sowie hiernach
nicht mehr in einer Wesens-Identität der Stoll', welcher die Gattung ist,
in den sänuntlichen Arten vorliegt, so sind es lediglich nur die Arten
der Substanz selbst, welche durch den arlmachenden Unterschied er
zeugt werden; wenn daher alle übrigen, nicht aus der Substanz her
vorgehenden Arten olinO Wirkung eines substantiellen Unterschiedes
entstehen und somit im blassen Stoll‘e begründet sein müssen, so ist
die Einheit des letzteren als eine Wesens-Aehnlichkeit (consimilüudo)
zu verstehen, durch welche z. B. bei dem gemeinschaftlichen Wesen
des Farbe-Seins die Gegensatzlielikeit des Weissen und Schwarzen nicht
ausgeschlossen mm). So unterscheidet Abälard zwischen Formen,
welche selbst Wesenlieiten sind und in den zu Grunde liegenden Stofl‘
(subieclum) erst eintreten müssen, um ihn zu Etwas zu machen, was
er ohne sie nicht wäre, und zwischen solchen Formen, welche keine
Wesenheiten selbst sind, sondern schon im Stoll‘e der Gattung enthalten
sind 3“0); in ersteren liegt natürlich der eigentliche artmachende Unter
schied, sowie in letzteren das sog. zufällige Merkmal accidenteller Un
terschiede, d. h. jene adiacentia (Anm. 284), welche Gegenstand der
nicht-substantiellen Aussage istam Hiemit aber sind bei den wesent
lichen Formen die Gegensätze durch die Thatigkeit des artmachenden
" tibi ‚ gäb»
v i frugis ‘ b“
298) Dialect. p. 418.: nim-nitas itaque substantiae diversitatem generum ac
specierum foci-tj . nam etsi in speciebus substantiae specierum diversitalis causa
sit difl'erentia, hoc tamen ea rerum diuersitatcy substantiae quam faciunt. contingitg
unde etiam substantiales sunt appoltatac huiusmodi differentiam quae in substantiam
venientes et discretionem substantiae faciunt ct unionem communis naturae; neque
enim alia in speciali aut generali natura concludimasl nisi ea quae natura substan
tiae divina univit operatio.
299) libani p. 400, woselbst nach der oben„‚ Anm. 113., angeführten Stelle
folgt: Si enim omnium specierum es! eadem in essentia materiay tunc albedinis et
nigredinis et ceterorum ountrariorum, quae omnia eiusdem generis species esse necesse
.est .‚ Noslra quoqne sententia lenel, solas substantiae species differentiis conficiy
cota-usque species per solam subsistere materiaml sicut in libro Partium ostendimus.
Si ergo eadem prorsus est material quae est in ipsis divarsitasP Scd eadem (d. b.
diuer-situs in ipsis es!)‚ quae est in consiniititudine substantiae non indetenninatae
essentiaeg neque enim ea qualitas. quae est essentia albedmisy essentia est nigre
rimisy esset enim albedo m'gredo, sed consimilis in natura- generis supen'oris; con
similitudo autem vel substantiae vel formae conlrurietatcm non impediL Bezüglich
der consimitiludo vgl. Anm. 307. m‘ "i!
300) Pseudo-AbaeL de intetL b. Cousin, Fraym. phil. (1840), p. 495 f.: Alii
aulem, qui quasdam formas esse essenties, quasdam minima, perhiben!‚ sicut Ablu
lardus e! sui, qui artem dialecticam non obfuscando sed diligentissime perscrutando
ditucidanh nullos formas cssentias esse approbanh nisi quasdam qualitatest quae
sic insunt in subiecto1 quod subiectum ad esse earum non sufficih sicut ad esse
quantitatum ipsum subiectum sufficit vel ad esse sessionis necessaria est dispo
sitio partium Nullam enim formam essentiam asserunt, cui poterihassignariv
subiectum ad esse illius suf/t‘eere.‘
30l) Theol. Christ. llly p. 1280.: sine illa forma sit communis differentia h.
e. separabile accidens‚ ut nasi curvüas, sive magis propria differential i. e. sub
stantialis. sicut es! rationalilas, quae scilicet substantialis differentia non solum
facit alteruml i. e. quoquo modo diversum, verum etiam aliudy h. e. substantiatiter
utque specie diversum. Die Quelle bievon ist Porphyrius (Abschn. Xl, Anm. 44.).
d. ll. p. 79 m 1-“ ._
12'
i
„LA1N_.....
‘mmA...
180 ' xw. Abälard.
Unterschiedes erst entstanden und sol'ort ausgeschieden, währendgie
bei den unwesentlichen Formen als Möglichkeiten im tiattungsstolfe vor
liegen 302)‚ und es konnte Abälard, indem er sämmtlichen bloss quali
tativen Gegensätzen kein Wesens-Substrat unterlegte, sondern ein SOlCllfl
nur in den art-constituirenden Gegensätzen anerkannte, sehr leicht im!
Aulrechthaltung der Unvereinbarkeit des Gegensätzlichen jener obigen
(Anm. 115) Schwierigkeit entgehen 303). with-euit aber so jener Cm
tions-Proc'ess, in welchem der artmachende Unterschied ausscheideud
wirkt und das Ausgeschiedene nach Einheiten zusammenlällt (Anm. nam
in fortschreitender Stul'enl'olge bis zum Einzel-Individuum sich erstreckt
welches als solches wesentlich (d. h. essentialiter oder entioliter, nim
jedoch seiner Substanz nach) von seines Gleichen geschieden istwl
so gilt für Abälard im Anschlusse an l'orphyrius und Boethius allerdings
wohl der Begrifl' des „ms“ als ein vieldeutig allgemeiner summi
hingegen „sulistontia“ muss, insoferne diess der Begrid' des geriet]!
neralissimum ist‚ als jener oberste und letzte Stoll' betrachtet werdenv
an welchem dic 'l‘hätiglteit des artmachenden Unterschiedes beginnt»
So lehrt Abälard als Platoniker eine objective Ontologie der llli'
versalien, welche einerseits von dem plumperen Realismus des Wilbflltn
von Champeaux sich durch sorgfältigem Beuützung des lloethius lt
ihrem Vortheile unterscheidet, andrerseits aber durch obigen nep-it
der corm'milüudo (Anm. 299) zugleich mit dem Verfasser De gen-ß
spem (Anm. 163 u. 177) oder mit der lndilferenzlehre (Anm. 132)
in eine gewisse Berührung lritta‘"). ‚.
«in .'"
302) So kann z. B. bezüglich der olbedo, welche natürlich keine Suhf'l"
ist quam p. 1731.), gesagt werden‚ tuti-alt ad theol. 1ll, p. 1119.: Cum II"
sit „id quod est allmm, esse m'gmm“ et .‚albeds'nem et nigredinem eideli_
inessenp non lomen, ut posxibitc esl‚ id quod est album, esst- niymnifllflmfl
possibile ert‚ albedinem et nigredinem simul eidem inexse.
303) Dialch. p. 390.: quod si gencra contraria per individua speticrill'“
contrariarum in eodem cnntingonl, non est inconvem'ens (z. B. dass Jemand tuiim
keusch und geizig ist, s. Anm. 115.). quippe ipsa contraria non sunt enim 1"“
substantio, sicut species omnia itaque contraria in eodem esse negaan -
et ipse in eadem (d. h. Afl'sl. Coleg.) docuit „sed m'htl, quod videatur simulbe
lraria reciperc passe“ (Boeth. p. 205.).
304) Theol. Christ. IV, p. 1341., welche Stelle schon oben Anm. 241- "t!"
führt wurde. Ebend. Ill‚ p. 1280.: Haei: itaque sola et omnia numero sunt dlll“
rontio, quae tota quantitate suac essentioe discreta simt, sive solo numero abmthu
distenti ut Sorroles ct Plato. sive etiam spesic, ut hic homo et ille equus m 9‘”
aere quoquel ut hic homo‘et haec olbeda‚ ‚um quacunque forma ab invich di
S. Anm. 337. t ‚ ‚
305) Gloxsoc ad Porph. (b. Cousin) p. 569.: lius est nequiuacum numam
illam definitionem; quam habet ens in praedicamento substantiam nunun MM"!
in praedicamento quantitatis-g ens non habet unam subsiantidlem deflmmmv
cum qua praedicatur de omnibus generalissimis, cum hac definitione praedictum m
de substantia .- substantia ext aus, quod neque est qualitas nec quantitas etc-f
Ahschn. X11, Anm. 89.
306) Ebend. p. sem Subatantia est generatissimuml quia est solum gem ‘
(p. 566.) quemadmodum substantia est genus generalisgimuml cum suprema -"_'=_
quod nullum genus supra vom sil, etc. Hiezu obige Stelle Anm. 298. und MM
P- 405.: Genus omne naturaliter prius est suis speciebus genus "l ”um
specierum ‘
sun ln einer ähnlichen an jene Ansichten erinnernden Weise drilcl-Pltlll
xw. Ahälard. 181
Was aber nun die andere, logisch-aristotelische Anschauungsweise
Abälard‘s betrill‘t, so müssen wir zu entwickeln versuchen, wie er
obigen Begriff des „.sermo“ (Anm. 286 ll'.) verstanden wissen wolle und
im Einzelnen begründe, wobei es von vorneherein als beachtenswerth
erscheint, dass er durchweg seinem dortigen Ausgangspunkte getreu
bleibend s‘lch an Stellen halt, welche in dem Buche De interpr. ent
halten sind. Soll nemlich obiger Grundsatz festgehalten werden, dass
das Ausgesaglwerden (praedicari) in der Naturbestilumtheit der Univer
salien liege, so ist es zunächst nur eine Umschreibung hiefür, wenn
gesagt wird, dass die Aussage (sermo) mit den Dingen in einer ur
sprünglichen Verwandtschaft stehe 308), was jedoch natürlich so zu ver
stehen ist, dass die Wortbezeiclmung (vocum impositio) als das Spätere
von den durch sie bezeichneten oqu‘tiveu Dingen tres significata) he
dingt und abhängig istaon), ja dass in-diesem Sinne selbst die Bedeu
tung des Wortes (significatio) noch das Frühere ist, von Welchem erst
das Wort als Wort alibangtalo). Auf diese Weise sind dann allerdings
die Gattungen und die Arten Nichts anderes als das durch diese Worte
Bezeiclinete3‘1)‚ aber dasjenige, was hiedurch bezeichnet wird, kann
hinwiederum Nichts anderes sein, als die Erzeugnisse jenes Creations
Processes von der Gattung an bis zum lndividnum herab‘heund indem
die Gattungen und Arten nur in den Individuen eine concreta Existenz
haben, sprechen wir z. B. in dem Satze „Sokrates ist ein Mensch“ nur
von dem durch diese Worte Bezeichneten, nicht aber ja von diesen
Worten als Wörtenan). Eben aber, da die Gattungen und Arten als
i Abälard aus Theut. Christ. Ill, p. 1261.: Sed nec Socrates, cum sit a lllatone nu
mero diversus, h. e. ex discretione propriae essentiae ab ipso alius, ullo modo ab
ipso aliud dicitun h. e. substantialiter difl‘erens, cum ambo sint eiusdem naturae
secundum eiusdem speciei counenientium, in eo scilicet quod uterque ipsorum homo
est. Ebend. p. 1279.: litem vero similitudine dicuntur quaelibet discreto essentia
liter, quae in aliquo invicem similia samt, ut species idem sunt genere vel individua
idem in specie. Vgl. auch Anm. 337.
308) lntrod. ad theol ll, p. 1074.: constat quippe iuxta ltoethium ac ltlato
nemy cognatas de quibus loquuntur rebus oportere esse sermones S. Boeth. ad Ar.
de interim p. 323.
309) Ih'alect. p. 487.: vocem secundum impositionis suae originem re significata
posteriorem liquet esse. Ebend. p. 350.: Si nominis huius, quod est „Itomo“,
proprium impositionem tenuerity secundum id scilicet, quod substantiae hominis ut
ezistenti ex animali et'rationalitate et martalitate datam ext, ratam omnino consecu
lionem viderit. Hiezu die oben, Anm. 255., angeführte Stelle.
310) Dialect. p. 345.: neqne enim nomina neque verba sunt suis non existen
tibus siyiii/ieationibus. Ebend. p. 482.: propria significatio, illa scilicet, de qua
intellectum proprie vox queat generere.
311) Glossae in Porph. p. 567.: genera et speciesq id est ipsa signi/icata harum
eocum, sowie in obiger (Anm. 278.) Stelle stets: sex voces et signi/icata earum
312) Dialect. p. 204.: Neque enim substantia specierum diversa est ab exsentia
individuorum, sicut in libro (zu lesen prima, s. Anm. 272.) Partium ostendimus,
nec res ita sicut vocabula diversas esse cantingit; sunt namque diversae vocabulorum
in se essentiae specialium et singulariumv ut „homo“ et ‚.Soorates“, sed nonita
rerum diversae sunt essentiaeg unde illam rcm, quae est Soerates, illam rem, quae
homo est, esse dicimus, sed non illud eombatum, quod est „Senates“, illud, quod
est „homo“; unde quod in re speciali coulingit, et in ipsius individuis necesse est
contingere, cum videlicet nec ipsae species habeant nisi per individua subsistere nec
182 XIV. Abälard.
f“
solche nicht das concret Existirende sind, so gilt der alle Spruch „sin
gulare sentitun universale intelligitur“, und indem die intellectuelle
Auffassung (inleltectus) das Nicht-Sinnfällige ergreiftala), muss sie, weil
jenes nicht-sinnfällige Universale dasjenige ist, was zum Ausgesagtwerden
bestimmt ist, nothwen'diger Weise den Entstehungsgrund der Aussage
enthalten und durch jede Aussage als Entstehungsgrund derselben zum
Bewusstsein kommen, d. h. sermo generatur ab intellectu et generatin
tellectumal“). So ist das Aussagen (sermo) das Terrain der Unitersa
lien und nur im Ausgesagtwerden fpraedicarijl nicht elwa als Dinge
(denn ein Ding als Ding ist ja nicht ein Ausgesagtes), sind sie eben
Universalien. I
Während aber nun so jene intellectuelle Auffassung (intellectu),
insoferne sie das Nicht-Sinnfällige. ergreift und hiemit die Erzeugenn
der Urtheile wird, ihrerseits auch auf den platonischen ldealismns(A|nn.
263) zurückweist, ist für die Logik, welche auf die menschlichen
Kundgebungen der Rede sich bezieht und in Aristoteles ihren Meisttr
hat (Anm. aas ff.), jene Kehrseite das Entscheidende, wornach durch
das Urlheil die intellectuelle Auffassung zum Bewusstsein kommt. ES
tragt dabei der Gedanke ein Moment des Zeitlichen (vgl. Anm. 252)
an sich, denn jedes Urtheil bedarf, um ausgesprochen zu werden, elue
Zeit, und erst nach dem snccessiven Auftreten all seiner Theile ist es
wirklich significant, und während das Transitorische der Theile des
llrtheiles nichl selbst schon eine Form hat, welche etwa die „Bedttl‘
tung“ wäre, macht nur das Erfassen des Gedankens lintellectus col
ceptus) den Satz zu einem bedeutungsvollen oder bezeichnenden hlv
so dass auch die Einheit des Urtheiles in der Einheit des cedankelsq
welchen es erweckt, bestehtßw). Eben darum aber hat. das Unheil.
in ca, quae informant et ad invicem faciunt respicereq nisi per
(vgl. Anm. non a .
.313) lntrod. ad theoL u, p. 1061.: proprie de invisibilibus intellectus diatim
secundum quod quidem intcllectuales et eisibiles naturae distinguuntur.
314) Theol. Christ. l, p. 1162 f.: Licet etiam ipsum nostrae mcntis cßflüi’ml"
ipsius sermonis tam effectam quam causam ponerel in profcrenle quidem cantatur m
audiente efl'ectam, quia et sermo ipse loquentis ab eius intellectu proficiscm W"
ratar, et eundem rursus in auditore generat intellectum Pro hoc itaque man“
sermonum et intellectuum cognatione non indecenter in corum nominibus mutuus-tim
licet translationea quod intrebus quoque et nominibus propter adiunctionem nim/quæ
tionis frequenter contingiL ‘ '
315) Dialect. p. 191 f.:
lium suarum prolationem oratio significare dicaturg
gimus, cum prolatas in proximo dictiones ad memoriam redun'mas,
significatio perfecta estl nisi ea tota prolata . . . . .. Cum igitur dicimuh
orationem significarc, non id intelligi volumusl ut ci, quod non esl, IM?"
quaniy quam signi/icationem dimm, allribuamus, sed potius intellectum eat _
oratione conceptam animae audientis confecimusa ut cum dicimus „SocrateS WM.“
siynificatus hic videtur scnsus, quod intellectus ez prolatione ipsius concflmfs m
anima alicuius existit ouod intellectus aliquis generi-tum possumus oral“!me
quamlibet ita siqnipcativam dicerej quod unum de his , ex quibus intellectus wm
piatun Die Quelle hievon ist Boeth. p. 296 f., s. Abschn. Xll, Anm. 110- .
_ 316) Ebend. p. 297.: Multipliccrn illam dictionem dicimusy quae pluribus 'm’
posita estf ex quibus non fit unuml h. c. plura in sententia tenet non mandat
lll. quod ex eis unus procedat intellectusg sic autem e conoerso onmis illa M“
individno, "im
Nostra in eo sententia pendet , ut post omnium Parf
tunc enim ex ea intellectum co ‘f
nec ullius m"
prolatam
am all
protulit
XlV. Abalard. 183
t sowie auch das Wort als Bestandtheil desselben, wesentlich zugleich ‚
zwei Seilen, deren eine in den Dingen liegt, über („de“)'welche es t
handelt (significatio realis), die andere aber den Gedanken betrifft, wel
chen es enthält und erzeugt, über welchen es aber nicht handelt (sig
nificatio intellecluah's), und so geht das objecliv factische Sein und,
Nicht-sein dem Wahr- und Falsch-Sein des Urtheiles parallel-llli Nem
lich das Wort „praedieam'“ hat allerdings drei Bedeutungen, indem es
einmal ganz ausserlich von der blossen Aneinanderreihung eines Sub- V
jectes und eines Prlhlicatesj abgesehen von allern realen Inhalte, ge-zln
braucht wird, sodann aber in zweifachem Sinne das Verhältniss des
objecliv Factischcn betrifl't, insoferne das praedicari bezüglich jenes
Creationsproeesses (Anm. 294 ff. u. 312) entweder das Geformte (ma
ten'atum) oder die Form (forma) mil dem Gattungsstotl‘e (materiaf‘in
eine Beziehung setzt; natürlich aber ist nur letzteres beides dasjenige,
worüber („de quo") das Urtheil handelt, und in solcher Bedeutung ist.
praedicari so viel als esse, so dass, insoferne wir nur in Worten Ur-d
theile aussprechen können, es der Modalität der Ausdrucksweise anheim
fällt, wenn ein Urtheil hejahend oder ein anderes verneinend u. dgl.
ist 318). Auch trifl't ja jene doppelte Beziehung, welche in den Urtheilen
lt i -\
ol
x
dictt'o, quae plurium simi/icotiva ext secundum i'd, quod og eia unus intellectus pro
cedaL S. ltoeth. p. a 5. (d. h. Aristoteles, s. Abschn. lV, Anm. 185 11.).
317) Ebend. p. 238.: Sunt igitur uerum ac falsum nomina intellectuuml veluti
cum dicimus nintellectus verus at falsuslg h. e. habitus de eo, quod in re est vel
non ext, quos quidera intellectus in animo andienlis prolala Sunt rursus verum ac fati-am nomina propositionumj ut cum pdriocpiomsuistinoprlotpeonseriattlo vera
vel fahrt", i. e. rerum vel falsum intellectum generans. Significant propoiitiones idem. l
quod in re est vel quod in re non est; sicut enim nominum et verborum duplex ad
rem et ad intellectum signifieatia, ita etiam propnsiliunes, quae ex ipsis componunturl
duplicem ez ipsis signi/icationem contralnmt, unam quidem de intelleclibusj aliam 1
vero de rebus l’atet insuper adeo, per propoiitiones de rebus ipsisl non de in- j
lelleclibus nos agerc. p. mo f.: Hestal itaque, ul de solis rehus, at dictum est,
propasitiones ayanl, sive idem de rebus, quod in re est, enunlicnl, ut „homo est
animali hamo non est lapis”, sine id, quod in re non ext. proportant, ut „home
non est animal, homo est Iapis“, ut etiam de significatione reali propositionisl non
ß” tantum de intellectualL supraposita propositionis definitio (Boelh. p. 291.) possit
<‚_ expom' sic „significans eorum vel falsumv i. e. dicens illnd, quod est in re vel quod
_ non est in re", et in hoc quidem significatione uerum rt falsum nomina sunt earum
‘. existentiarum rerum, quas ipsae propoiitiones loquuntur. fum autem eandem de
finitionem et de intellectibus ipsis hoc modo ezponimus „Iignifieans rerum vel falsum,
h. c. generaus secundum inventiunem suam ide rebus. de quibus agam verum vel
falsum intellectum“, tunc quidem ipsos nominat intellectus Nota autem, sive de in
tellcotibus sive de rerum esistenliis eri-ponamusl orationis praemissionem neceesariam
esse. Die Quelle hieven h. Boetli. p. 321. Vgl. auch Anm. 347.
318) Ebend. p. 367.: Tribus autem modis ‚.pracdirari" sumitur, uno quidem
secundum enuntiationem vocabulorum ad se invicem in constrnclioney duobus vero l
‚ secundum rerum ad se inhaerentiaml aut cum videlicet in essenlia eohaeret sicut
materia materiatoy aut cum alterum alteri secundum adiarentiam adbaeret ut forma
materiam Ae secundum quidem enuntiationem omnis enuntiatio praedicatum et l
subiectum habcre dicitur . Sed non de his in propositione agilar, sed de praedi
catione lantum rerum, illa scilicet solum, quae in cssenlia, quae verbo substantivo
etliprimitnrs consistat Tantum itaque „praedic-ari“ illud accipirnnsy quantum si j
„hoc illud esse“ dicrremus, tantum per „removeri“, quantum per „mm esse“ .
Cum itaque per „praedicari“ „esse“ accipiamus, super/lue vel „verc“ vel gal/trina
live“ appom'tur; quod enim est aliquid, vere eat illud, affirmatire autem enuntia
184 XIV. Abälard.
enthalten sein kann, mit der alten Unterscheidung zwischen „de sub- 4;
iecto“ und „in subiectou (s. Ahschn. XII, Anm. 92) zusammen, und das v
Gesetz der Aussage (tex praedicamenti) hat seinen Wirkungskreis in
eben jenen zwei realen Bedeutungen des Urtlieilesaw).
Hiemit ist uns nun obige (Anm. 272 ll'.) Gliederung der Dialektik
Abälard's erst völlig verständlich. Im sermo, d. h. im Urtheile, liegt v.
Alles. Hiefür aber sind die Universalien die gehornen, im Crealious
processe entstandenen Prädieate, welche das Denken platonisch erfasst
und im Urtbeile aristotelisch als Universalien ausspricht, daher ja Abä
Iard auch das Individuum als sechstes Wert den üblichen fünf noch
beizählte (Anm. 278 III), denn das Individuum als prima substantia
(Abschn. XII, Anm. on oder, wie es hier auch genannt wird, als
principalis substantia. wird eben mit jenem Worte (vom) bezeichnet,
welches der letzten Stufe des tlreations-Processes entsprichtaz"); ferner
aber musste Ahälard hiebei, da er den artmachenden Unterschied nur
als wirksame Kraft, welcher nicht selbst in „den“ Gattungsstofl' eingebe,
betrachtete (Anm. 295), den Namen der Differenz nicht als Substantivum
nehmen, wie Wilhelm v. Champeaux gethan hatte (Anm. 108), sondern
konnte den Schwierigkeiten, welche hierüber auch von Anderen erhoben
t wurden (Anm. 122) dadurch ausweichen, dass er das die Differenz)»
bezeichnende Wort als ein von derselben abgeleitetes Adjeetivum
„sumptum“ -— erklärte 321). Nach jenen gebornen Prädicateu aber?
H nm l
. ‚v...
tionis est determinatioa quia tantum in vocibus consistit affinnatie, sicut et modi
vel determinationis appositiog modus enim vel determinatio (s. Abscbn. XII, Anm.
119.) lentum vocum sunt designativa, quae sotae moderanlur vel detenninantur in
enuntiatione positae. S. Anm. 327. u. rm
319) Glossae in Categ. p. 579 f.: omnia aut dicantur dc principalibus sub
stantiis sibi subieclis servata lege praedicamrnti .... aut sunt in eis subiecti-t
Eine andere Ausdrucksweise hiefür ist (ebend. p. 585 f.) die Unterscheidung uai-l
schen praedicari substantiatiter und praedicari accidentaliter (Beeth. p. 134.), vgl.
Anm. an
320) Ehend. p. 584.: species, in quibus continentur principales substantiaep
genera et species ordinata post principales substantias sola dicuntur secundae
substantiae (u. öfters ebenso). p. 591.: vere primae substantiae significent aliquid
hor individualel quia illud, quod significatur a prima substantia ‚ scilicet quae m
es! sicut et ronsimilia (so ist nach der Handschrift mit kleiner Aenderung zu lesen,
Cousin gibt Widersinniges), est individuam et unum numeroy i. e. parificalum nn
merali descrr'ptione, i. e. significatur ab hac vom, quae est individuam et unum
numero.
321) Dialeet. p. 456.: De nominibus differentiarwn sciendum est, ut non quidem
substantiam sed sumpla a differentiis sumantun posita tamen loco speciei-uml- oportet
enim in eadem significatione vocabula differentian sumi in divisione generi-si in qua
. significatione ipsa in definitiene speciri ponuntun cum scilicet nomini generali odia
cent . (p. 457.) sicut in nostra fizum est sententia, nulto modo inter accidentia
differentios admittamus (s. oben Anm. 300 f.); quod autem Purphgrius per differen
tias genus in species dividi din't, secundum cam dictum est sententiam, qua naturam
generalem in species redigi atque distribui per susceptionem diflerentierum realiter
nahm, aut potius per difl’erentias genus in species dividi voluit, cum earum roca
bula adiuncta nomini generis speciem designant atque definitionem speciei cempenunt,
hoc modo „unimal aliud rationale, aliud irrationale animal.“ Ebend. p. 189.: ln
sumptis enim non ea, quae ab ipsis nnrm'nantur, comparanhtr, sed tantum formt“,
quae per ipsa circa subiecta dettwniuauturg alioquin et substantias ipsas comparari
cenlingeret, quae a sumptis nominibus nominanturp ut ab eo quod es! albern.
. . -a--g. .
XIV. Abalard. 185
folgen dann in den Kategorien die Dinge selbst’, insoferne sie durch
Worte bezeichnet werden —- „naturae, quae vocibus designanturu ——‚
und die Kategorien enthalten demnach die Dinge 3'32), wohingegen zu
nächst hierauf die Worte als das Bezeichnende betrachtet werden und
den Uebergang zum Urtbeile (sermo) selbst, welches aus ihnen zusammen
gesetzt ist, bilden.
Das Urtheil aber sodann enthält nicht die Dinge, sondern enthält
den Gedanken lintellectusja hingegen handelt es über die Dinge? nicht
aber etwa indem es die Dinge bezeichne, sondern indem es den vom
Denken erfassten Zusammenhang der Dinge mit dem Creationsprocesse
enthält. Während demnach das Aussagen des Seienden (im Urtbeile)‘
nicht selbst ein Seiendes ist, handelt es sich bei dem Aussagen um
einen sachlichen Verhalt, d. h. um das objectiv sachliche Zusammen
hängen des durch das Subject und des durch das Prädicat Bezeichne
ten 323). Diese Unterscheidung von „enthalten“ und „handeln“ bildet
den innersten Kern der Abälard’scben Auffassung bezüglich des Urtbei
les 324). Die Aussage hat nemlieh_ allerdings eine sprachliche Seite,
und indem wir Ein und das nemlit'he Ding mit mehreren Bezeichnungen
im Urtheile benennen (z. B. den Sokrates bald Mensch; bald Körper,
bald Substanz nennen), liegt eben hierin ein Unterschied zwischen
Sprachausdruck und Realität (vgl. Anm. 312); aber während die Aus
sage (praedicalio) für sich allein ‚in einer Losreissung von der sach
lichen lnharenz (rerum inhaerentia) durchaus Nichts ist, hat gerade die
Logik die Aufgabe, das Urtheil in diesem Sinne nach der Seite des
Wortausdruckes zu untersuchen325). - Die Hauptsache ist ja eben das
r
am Ebend. p. 209. n. 245., welch beide Stellen schon oben, Anm. 272.,
angeführt sind. Hiezu aber p. 220.: Subieclarum vero rerum diversitas secundum
decem praedicanientorum discreliunem superius est oslensa, qua principalis ac quasi
substantialis nomini significatio delur; ceterae vero significatioan quae secundum
modos significandi accipiuntur, quaedam posteriores atque accidqitales dicuntur. Vgl.
Anm. 319.
323) Ebend. p. 241.: big/num autem inquisitione crnsemus, utrum illae exi
stentiae rerumquuas propositionis loquunlun sint aliquae p. 245.: clarum itaque ez suprapositis arbitror esse, res dea.lirqeubauss neoxinsteesnsteibeuas, quae
a propositionibus dicuntur Patct insuper, ea quae propoiitiones dicunt nullas res
esse , cum videliret nulli rei praedicalio eorum aptari possil; de quibus enim dici
potest, quod ipsa sint ..Socrates est lupis“ vel „Socrdtes non est lapis“ Esse
autem rem aliquam vel non esse, nulla est oranino rerum essentia; non itaque pro
positiones res aliquas designant simpliciter quemadmodum nomina. lmo qualiter nec
ad invicem habeant, utrum scilicet sibi conveniant annon.--proponunlg quae idcirco
aerae sunt, cum ita est in re sicut enuntiantl tunc autem falsae, cum non est in
re itag et est profecto ita in re, sicut dicit vera proposita-ol sed non 'est res aliqua,
quod dirit; uude quasi quidam rerum modus habendi se per propositianes exprimi
my-l non res aliquas dvsiynantutp
324) Nur aus dem Misskennen dieses Unterschiedes floss es, dass Cousin und
mit ihm Haureau und llernusut in Abalard’s Lehre einen lntellectualismus oder
Conceptualismns erblickten. ‚
325) Dialecl. p. 247 f.: Si quis itaque secundum rerum inhaerentiam realem
acceperit pracdicatianem ac subiectioncm, secundum id scilicet, quod unaquacque res
in se recipit aq subsistitl sicut nihil esse cam videret praeter ipsam1 ita eam nihil
esse periic ipsam invcncn't. AI vero magis praedicationem secundum verba propa
vsilionis, quam secundum rei existentium ‚ nostrum est atlendere, qui logicac descr
.1!»
p
zmu“.
teo XIV. Abälartl.
jenige, worüber das Urtheil „handelt“; diess aber ist weder das Wort
noch der Gedanke (intellectus), denn weder ist durch die Existenz Eines
Wortes die eines anderen Wortes gefordert, noch auch sind die Ge
danken, welche die Urtheile „enthalten“, in einer zwingenden gegen
seitigen Verwandtschaft, da wir ja in 'jedem Urtheile nur Einen Ge
danken haben, und die Annahme, dass wir mehrere zugleich hätten,
zu der Consequcnz führen würde, dass wir gleichzeitig unendlich viele
Gedanken hätten, indem sachlich in der That jeder Zustand unendlich
Vieles in zusammenhängender Folge enthält; hingegen nur in demjenigp‘,
worüber das Urtheil „handelt“, ist der reale Zusammenhang oder iliis
sachliche Sicbverhalten (Anm. 323) zu finden und festzuhalten-3")» das
her auch die Modalität der Ausdrucksweise, d. h. oh Bejahung oder
Verneinung oder dgl. (s. Anm. 318), weder in den Worten noch in den
Gedanken liegt, sondern nur auf ihren' objectiv dinglichen Grund zurück-_
zuführen ist.8 7). " ‘M=--Z‚fl}ä-a(r.
hse lsl es aber auf diese Weise dem Abälard den Gedanken (intellectus), sondern um die factbiescihme Ulrnthhäerielnez niicmhtDingg
liehen zu thun, so verstehen wir nun auch, warum er nach dem Motive
des stoisch-bo'ethianischen Zusammensetz-Spieles das kategorische Urtheil
nur als Vorstufe des hypothetischen Urtheiles behandelt, in welch letz
teres sich die 'l‘opik als Basis der Geltung desselben einschiebt. Das
hypothetische Urtheil als zusammengesetztes hat ja die Rolle, der adi
quate Ausdruck des Zusammenhanges zu sein. und dieser wird durch
Schlüsse, vorausgesetzt dass die Prämissen für den Hörer eine Geltung
der-ndenden Aussage haben, in dem Verfahren der Argumentation klar
gemacht. D. h. dasjenige, was der denkende Mensch in platonischer
Weise erfasst und durch das Urtheil in aristotelischer Weise ausspricht,
soll nun in rhetorisch-ciceronischer Weise zur Argumentation verwerthet
werden. Auch in der Argumentation nemlich, -— wie polemisch gegen
Andere bemerkt wird, s. Anm. 225 —‚ handelt es sich nicht um die
Gedanken (intellectus), sondern um das Nemliche, worüber die Urtheile,
aus welchen sie Gestellt, handeln, nur mit dem Unterschiede, dass hier
l. ‚ t. a
simusl secundum quod quidem de eodem diversas facimus enuntiationes hoc modo
„Socrates est Sorrates vel homo vel corpus vel substantiaug aliud enim in nomine
Socratis quam in nomine hominis vel ceteris intelligiturl sed non est alia rcs unius
nominis, quod Socrati inhaeret, quam atterius. Hiezu obige Stelle Anm. 255.
sem Ebend. p. 352 f.: neque enim veram hanc consequentiam „si es! homoy
est animat“ de vocibus egentem possumus accipere sive dictionibus sive propositioni
bus; falsum est em'm, ut, si haec vex „homo“ nistet, haec quoque sit quae est
„animal“; ac similiter de enuntiationibus sive earum intellectibus. Neque enim
necesse cst, ut qui intellectum praecedenti propositione gener-alani Imbct, habeat quo
que intellectum ex eonsequenti conceptumg nulli enim diversi intellectus ita sunt ar
fines, ut alterum cum altero necesse sit haberia imo nullos intellectus simul diversos
animam rett'nere, ex propria quisque dlscretione corwiccrit, sed totam singulis in
tellectibusq dum eos hebst, vacare inveneritg quod si quis essentiam intellectuum ad
se sequi sicut essentiam rerum, ex quibus habentur intellectusr eonnesseril, profecta
quemlibet intelligentem infinitoa intellectus habere concederet secundum id scilicetl quod
quaelibet propositio innumerabilia consequentia habet UI igitur veritatem conse
cutionis teneamusy de rebus tantum eum agere concedarnus et in rerum natura rc-‚
gulas antecedentis ac consequentis accipiantusl
327) Ebend. p. 404., welche Stelle schon oben, Anm. 208., angeführt ist. Ä fi
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xiv. Abälard. 187
die Suhsumption (inferenlia) es ist, durch 'welche der in dem sachli
chen Bestande vorliegende nothwendige Zusammenhang (neoessilas) im
Schliessen ausgedrückt wird 328)‚ und Abälard glaubt es kaum ol‘t genug
hervorheben zu können, dass die Abfolge zwischen „anteeedens“ und
„cansequens“ (s. Abschn. XII, Anm. 144) nicht im Gedanken, sondern
lediglich l'actiseh in der geschull'enen Natur und der realen Grundlage
aller Urtheile selbst schon vorliegc 329)‚ daher er auch jener anderen
Einseitigkeit, welche wir oben (Anm. am trafen, sehroll' die Auffassung
gegenübersteht, dass die Modalität der Urtheile auch bezüglich der Be
grill‘e des Möglichen und Nothwendigen (ebenso wie oben Anm. 327)
auf eine dingliche lllodification des Seins zu begründen sei 33°).
So glauben wir nun durch das Bisherige über Wesen, Princip und
Durchführung der Dialektik Abälard’s eine richtige Einsicht gewonnen
zu haben, für welche wir selbst, falls es nöthig wäre, ein von einem
Zeilgennssen herrührendes Epitaphium Abälard‘ssML als äusserlichen
Beleg benützen könnten. Allerdings ist es kein aristotelischer Geisl„
welcher uns in dieser Dialektik entgegenweht, sondern weit eher ver-‚g
spüren wir den verpestenden Einfluss des Stoieismus (s. Abschn. Vl,
Anm. 47—56), welcher sich in die Schriften des Boethius hineinge
zogen hatte; denn jene Verbindung eines rohen Empirismus mit dem
‘l ' l
‚h .
328) Ebend. p. ne f.:lf bicuntur in argumenlis va, quae a propositionibus
ipsis significautur, ipsi quidem inlellcalus, ul quibusdam placeti quorumiconceptio
sine etiam vocis prolalione ad concessionem alterius ipsum cogit dubitatva unde et
bene rationis nomen in praemissa ile/initialis (d. h. in der ciceronischen, s. Abschn.
Xll, Anm. 165.) dicunt appani, ratio cnim nomen est intellectusv qui in anima est.
Serl si divisianis verba attendamusv potius argum-ntum accipiendum erit in designatione
earum, quae a propositionibus dicuntun quam eorum intellecluum, qui ab ipsis ge
neranlur Nequc enim in propositione quidquam de intellectu diciturj sed cum
de rebus agitari per ipsam intellectus genereller, qui neque in. sua essentia necessiw
tatem tenet neque inferentiam ad alterum Unde potius de bis, quae propositiones
ipsae dicunly supraposita definitio accipienda esL lll.
329) Intrad. 'ad theoL lll, p. 1134.: Ex quo apparet1 in illa philosophorum regulay cuius possibilc est antecedens elqucoanmsevqeureunmsl site,os ad
creaturarum tantum nomen accommodare. Dialecl. p. aas f.: iiz his itaque mani
festum csl, in consequentiis per propositiones de earum intellectibus agendum non
esse, sed magis'dc essenliu rerum .. Et in hoc quidem significatione eorumy quae
propositiones laquuntun una tamen regula expanilur, quae ail, posito antecedenti
poni quodlibet consequens eius ipsius. h. e. existente aliqua antecedenti rerum essen.
tia necesæ esl existere quamlibet rerum existentium mequentem ad ipsam. Ebend.
p. 351.: Si quis itaque vocum impositiunem recte pensarerit, enuntiationum quarum
libet veritatem facilius deliberaeerit et rerum consecutionis necessitatem velocius uni
maduirteriL Ebenso p. aia f. u. p. 382.
eain biulceL p. 270.: Unde aparte}, ul reetoc sint modalrs, ut etiam de rebus
sicut simplici-s agant et hunc quidem de passibili et impossibiii et necessariop quod
quidem tam in bis, quae singulare subiectum habentl quum in Iris, quae uniuersalvl
licet inspicere. S. Anm. 379.
331) Aus llawlinson angeführt bei Bemussl ll, p. 104.: Hie docuit voces cum
rebus significare, Et docuit voces res significanda natare, fin-ores generum con-uiti
ita specierumg ilie genus et species in sola voce locavitv EI genus et species ser
mones esse notavitg Signi/icaliuum quid sit (diese nemlich ist diis Urtheil. s. Anm.
315.), quid signifiealum, Significans-quid sit (diess ist das einzelne Wort), prudens
diversificavit; Hie quid res essentl quid voces signi/icarentx Lucidius reliquis pate- r
fecit in arte peritng Sie animal nullumquevanimal genus esse probatun Sie et homo
et nullus homo species vocitatur. ei .21“
188 XIV. Abälard.
M
s
formalen Motive des fortschreitenden Zusammensetzens und mil dem
rhelorischen Interesse der Argumentation tritt gerade da, wo Abälard
überall die logischen Momente an die factische Sachlage der Dinge
veräussert, an die Stelle einer dem definitorischen Wissen wahrhaft
dienenden Syllogistikl und im innersten Kerne ist Abülard bezüglich
der Logik weit mehr ein rhetorischer Theoretiker der Argumentation,
als etwa ein l‘latoniker oder Aristoteliker. Jedoch er ist vielfach ent
schuldbar, da er ja von den Hauptwerken des Aristoteles nur etliche
zerstreute Einzelnheiten vom blossen Hörensagen kannte (Anm. 8—18),
und insbesondere darum, weil die unvernünftige Anordnung der Theile
des Organons sowie die porphyrianiscben Anschauungen des Boethius
eine schiefe oder zwiespaltige Auffassung hervorrufen mussten. Es
rächt sich bei Ahälard und vicllcicht bei all seinen Zeitgenossen, dass
einerseits die lsagoge und die Kategorien dem Platonismus näher stehen
und andrerseits zugleich das hernach Folgende den Aristotelismus ent
hält; und ausserdem mochte Abülard durch seine persönliche Begabung
selbst über ein tieferes Erfassen dieser Gegensätze binausgeboben und
zu einem ßhetorismus hingetrieben sein. Es scheint, dass Abälard, wenn
er in jenen späteren Jahrhunderten gelebt hätte, wohl sicher ein An
hänger des Petrus Batnus gewesen wäre.
Es ist uns nun aber noch übrig, Abälard’s Entwicklung der Dia
lektik auch durch die einzelnen Theile derselben zu verfolgen, wobeidg
uns derselbe in gleiche Linie mit den obigen, ihren Namen nach unbe-„
kannten Urhebern der dort erwähnten einzelnen Controversen tritt.
Nach Abalard's eigener Eintheilung (Anm. 272 IT.) folgt nun, nach-g.
dem die Ergänzung des Inhaltes der Antepraedicamenta uns zu den all-i.
gemeineren und principielleren Erörterungen geführt hatte, der zweite
Abschnitt des ersten Haupttheiles, nemlicb die Praedicamenta,
wobei selbstverständlicher Weise Boethius zu Grunde gelegt ist und
Schritt für Schritt begleitet wird. Die Begrill'e des univocum u. dgl.
fallen nach Obigem (Anm. 312 u. 325) natürlich nur der sprachlichen
Seite anbeima”). Die Kategorie der substantie, welche anderwärls
im Anschlusse an Ps.-Boeth. de Irin. auch als subsistentia gefasst wird 33‘"),
erhält ihre Besprechung durchgängig im vollständigsten Anschlusse all
Boothius 334). Ausführlicher wird die Quantität erörtert, obwohl biebei
Abälard auf die Erörterungen Anderer sich stützen musste, da er nach
seinem eigenen Geständnisse in der Arithmetik unwisatend war 335); er
stimmt denjenigen bei, welche (vgl. Anm. los u. 127) der Ansicht
waren, dass die Linie aus Punkten b8810118336)‚ und hält bezüglich des
u
332) So gelegentlich Dialecl. p. 480.: Hoc itaque- nomen, quod est aequivocum
sinc univocum ex vocabulis tantum in rebus conlingil.
333) lntrod. ad theol. ll, p. 1071.: Unde cl substantiae quasi subsistcntiae
esse dietae sunt, et ceteris relms, quae ei ussistunt et non per xe suhsistunt, natu
raüter priores sunt. l
334) Dialecl. p. 173—178. (Der Text der Handschrift beginnt überhaupt erst
in Mitte der Kategorie substantia, d. h. bei Huetlt. p. 133.)
easy Ebend. p. 182.: Elsi multas ab arilhmclicis soluliones rmdien'm, nullum
tamen a me prae/erendmn iudico, quia eius artis ignarum omnino me cognosro.
336) Ebend.: Talent autem nwmim', rationem magisln' nostri sententia praeten
x1v. Abälard. teo
Zahlbegritfes an der durch den Creations-Process bedingten natürlichen
Einheit fest (Anm. aou wornach im Gegensatze gegen obige Meinungen
Anderer (Anm. wg f.) hier die I’articulariti'tt der Einzelnheit die reali
stische Grundlage bildet, so dass einerseits „Zahl überhaupt“ schon die
Pluralität enthält und gleichbedeutend mit „Einheiten“ ist, und andrer
seits die bestimmten verschiedenen Zahlen als Substantive die‘Bezeich
nungen für verschiedene collective höhere Einheiten sind, vergleichbar
dem collectiven Verfahren, durch welches wir die Dinge nach verschie
denen Gesichtspunkten in Arten oder Unterarten oder sonstige Gruppen
bringen 337). Insoweit dort auch die ‚menschliche Beile als ein Quan
tita'tives zu erörtern ist, bestreitet Abälard obige Einseitigkeit, wornach
die Luft für das Significante gehalten wurde (Anm. 203), und indem
er dem Schaffe diese Function zuweist, sucht er diese Ansicht durch
Auctoritäten zu stützen33”). Uninittelbar nach der Quantität aber reiht
er die Kategorien ubi und quando ein, da dieselben von Natur‘ aus in
ihreiu Ursprunge. mit den in der Quantität erörterten Begriffen des Ortes
und der Zeit verbunden sedenans und während er so diese beiden
Kategorien, auch z. B. mit Einschluss des Begriffes „Gestern“ 3‘“),
realistisch fasst, gelangt er wegen des „im Orte Seins“ und des „in
der Zeit Seins“ auf die verschiedenen Bedeutungen des „'iiiesse“3")‚
debat, ut ex punctis lineam constare conoinceretur (p. 183.) Alioquin supre
posita magistri sententiaj cui et nostra consentitl etc. .
san p. 186.: numerus semper in natura discretionem habet, qui solam unitatis
partinularitatem requirit Nomen numeri plurate simpliciter videtur atque idem
cum eo, quod est unitates p. 189.: unde opportunius nobis videturl at, sicut
supra tetigimusy numeri nomen substantivum tantum sit ac particulare unitatis atque
idem in significatione quod unitatesy binarius vero vet ternarius ceteraque numerorum
nomina inferiora sunt ipsius pluralis, sicut homines vel equi ad animalia aut albi
homines et nigri vel tres vel quinque homines ad homines E1 fortasse quoniam
omnia substantiae numermum nomina in unitatihux ipsis plin-aliter occipiuntura omnia
eiusdem singularis pluralia poterunt dici secundum hoc scilicet. quod diversas uni
latum collectiones demonstrant (vgl. Anm. aou Numerus quidem simplex metiatur
pturotey alia vero secundum certas totlectiones determinata. Hierauf folgt dann die
oben, Anm. 199.v angeführte Stelle. Vgl. auch p. 421.: Hacc enim unilas hominis
Parisiis habitanlis et illa hominis Bomae mouentis hunc faciunt bimzriam, unde sola
unitatum pturatitas numerum perficil; ebenso p. 486. "i"
338) p. 190.: illos autem ipsum proprie sonum audiri ac significare concedimus
.... .. p. 192.: unde et Priscianus (Inst. gr. l, 1) aitl vocem ipsum tangere eurem,
itum auditur, ac rursus ipse lioetliius (de Musica, p. 1071.) totam vocem ad
aures diversorum simul venire perhibety worauf noch in folgender auffallender Form
auf Augustin und Boethius verwiesen wird (p 193.): ipmm etiam Augustinum iu
Categen'is suis asseiunt dixissel und etiam boethius dicitur in libro musicae artis
adhibm'ssl'. ’‚ - r»
339) p. 195.: Haclemu' de quantitate disputationem habuimus. Nunc ad tracta
tum praedicanzentorum rcliquorum operam Iransfcramus, eaque post quantitatem exse
quamurl quae ei naturatiter adiunrta videntur ac quodammodo ex ea originem ducere
ac nasci; haec autem „.qnando" et „ubi“ nominibus Aristoteles desinuntl quorum
quidem alterum ez tempore alterum ex toto damit eivai-dium
340) p. 196., s. oben Anm. 196.
341) p. 197.: Ouum autem et „quando“ in tempore esse et „ubi“ in loco esse
determinaan non incommodo hoc loco demonstrabimus, quot modis esse in aliquo
accipimusg Boeihiua autem in editione prima super categorias nonem computat (folgt.
“Ph die Aufzählung derselben aus Boeth. p. 121., s. Abschn. xm Anm. 92.; Cousin
mmml Anstoss, weil er diese Stelle des Boethins nicht fandl).
mo XIV. Abälard.
sucht aber im Gegensatze gegen obige Bedenken Anderer (Anm. 194),
welche die Analogie des Fragewortes ‚.qualiter“ beizogen, jene das
inesse betreffenden Ausdrucksweisen dem grammatischen Sprachgebraucbe
zuzuweisen 342), hingegen jene zwei Kategorien als solche dadurch zu
rechtfertigen, dass in ihnen eine Vergleichung möglich sei, sie daher
nicht auf die Quantität, Welche eine Vergleichung ausschliesst, zurück
geführt werden dürfen 345"), woran sich übrigens noch die Klage an
knüpft, dass Aristoteles die letzten sechs Kategorien überhaupt so karg
behandelt habe 3‘14). ln der Controverse über die Relation (0b. Anm.
192) entscheidet sich Abälard schliesslich für die Auetorität der aristo
telischen Definition 345), sowie in der Frage über die Stellung der ne
grill'e des Aehnlichen und Gleichen (Anm. 193) dafür, dass dieselben
zur Qualität gehören 34“).
Die Postpraedicamenta sodann als dritter Abschnitt des Li
ber partium enthalten, wie wir sahen (Anm. 272), die Erörterung über
Nomen und Verbum, iusoferne dieselben die Bezeichnungsweisen der
Dinge sind und als Theile betrachtet werden, aus welchen das Urlheil
als Ganzes zusammengesetzt ist. Die von uns im Obigen entwickelte
Ansicht Abälard’s über den Begriff der Bezeichnung (signifiari oder
342) p. 200.: Si quis autem „qualitrr“ dicat nihil aliud quam qualitatem
demonstrare, et „ab!“ dicemus nihil aliud quam locum designarc vel ‚.quando“
nihil aliud quam tempus; unde et earum definitiones recte vel „in loco esse" vel
„in !cmp0rc.cssc“ dicinms, quae, si grammaticae proprietatem insislamus. nihil
aliud a loco vel tempore dieersurn ostendunt Pidentur itaque magis pro nominibus
accipienda esse „esse in loco“ vel „esse in tempore“, quam pro de/rnitionibus.
343) Ebend: llaec autem gcneralissima ipso, ut arbitrum comparationis neces
sitas meditari compulit ,- cum enim quantitates non comparari constaret (Beet/i. p.
154), non poteramus comparationem „diu“ ve! „tfiutumi“ rot-„extra“ ad tempus
vel locum reduoere, inc/eque maxime inveniri praedicanienta arbitrum ad quae illa
reducantur.
344) Ebend.: Ac de his quidem praedicamentis difheile est pertraotare, quorum
doctrinam ex auctoritate non habermzs, sed numerum tantumg ipse enim Arisloteles
in toto praedicamenlomrn ser-ie sut stadii operam nonnisi quatuor praedicamenlis
adhibuit. substantiae sortiert, quantitati, ad aliqui-dj qualitatig de facere autem vel
pati nihil aliud docm't, nisi quod conti-arielatem ct comparalianem susciperent .. . . .
de reliquis autem quatuory quando scilicet1 ubi. silu, haberey eo quod manifesta
sunl, nihil praeter exempla posuit De ubi quidem ac quando ipsa quoque atte
stante ltoethio (p. 190.) in I’liysicis de omnibusque altius subtiliusquc in his libr-isl
quos Mcluphysica vocati exsequiturl quae quidem opera ipsius nullus adhuc trans
lalor lutinae linguae optat-ttv ideoque minus natura horum nobis est cognita. Vgl.
obige Anm. 18., woselbst wir schon auf die durch Gilbertus Porretanus später
beigebrachte Ergänzung hinweisen mussten, s. unten Anm. 488 11'.
345) p. 204.: Aristoteles de imper/actione restrictionis sicut Plato de accepta
tione nimiae largitatis eutpabilis oideturl- uterque enim modum excesserit, atque hic
quasi prodigus, illa tanquam avarus redarguendus. Sed et si Arislolelem peripateti
corum principem culpare Irraesumanms, quem amplius in hac arte recipicmus? bica
rnus ilaque, omni ac soli relatibni eius dil'fimltiunem convenire etc.
346) p. 208.: A! vero cum similitudo relationibus aggregetur (Boelh. p. 157.),
non videtur secundum solas qualitates simile dici llis autcm, qui simile ac
dissimile inter qualitales computant (Beet/l. p. 187.), manstrari potest. res quaslibet
in eo, quod dissimiles saut, esse similes .... At fortasse non impedit, si in eo,
quod dissimilitudinem partieiptmt, similes inveniantur (d. h. er halt sich an die
letztere Stelle des Boetbius).
XIV. Abälard. 191
‚‘„l
significatio) führt ihn hier dazu, seine Uebereinslimmung mit jenem
Garmundus (Anm. 82) auszusprechen, welcher als gemässigter Nomi- l
nalist in dem begrifflichen Gehalte des Wortes‚'solchem, das Wesen der Bezeichnung erblickte; einneicAhutffaismsunWgo,rtweelcahles i
Abälard durch Stellen des Boelhius bestätigt findet 347). ln dem Streite, .
0b die Präpositionen und Conjunctionen als Redetbeile zu betrachten 1
seien (Anm. 206), sucht er eine Vermittlung zwischen den einseitigen
Standpunkten der Grummatiker und der Dialektiker herzustellen, indem
er jenen Bedetheilen wohl die Fähigkeit des Bezeichnens zuschreibt,
aber dieselbe in der nemlichen Weise wie den Modus der Aussage
(Anm. 327 u. 330) auf eine dingliche Modification zurückfülirt3‘5)‚ wo
durch, wie man sieht, auch nach Abälard’s Ansicht die sog. Syneate
goreumata (s. Anm. 174 u. 206) folgerichtig in der Logik irgendwo
ihre Stelle finden mi'isslen.‘ ln allem Uebrigen aber seliliesst er sich
enge an Boethius an und sucht Bedenken, welche von Anderen erhoben
wurden, zu widerlegen 34"Ü, wozu ihm sowohl bezüglich der Urtheile,
welche nicht die factisebe Existenz ihres Subjectes enthalten (Anm. 211 )‚ ‚“ ‘
bielegenhei.t geboten waraöo), als auch i. nsbesondere bei. dem sog. un g
bestimmten Urtheile (Anm. 214), betreffs dessen er theils den techni- r
sehen Sprachgebrauch zu begründen versuchte 351), theils die Leistung
des Boethius rechtfertigte 352).
mii ne
3.47) p. 210., woselbst unmittelbar auf obige Worte (Anm. 82.) folgt: Unde
manifestum estl eos velle vocabula non omnia illa significare, quae nominant (dass
z. B. animal nicht sofort schon homo „bezeichne“), sed ea lanlum, quae definite
designant, ut animal scilicet animal sensibile aut albani albi-dinch quae semper in
ipsis denotantur Ouorum sententiam ipse commendare boethius (p. easy videtury
cum ait in divisione vocis ‚.vou's autem in proprias signi/icationes divisio fit etc."
. . . . .. (p. 211.) Si tamen yjsigni/icarcu proprie ac secundum rectam et proprium eius
‚diffinili'oncm signamus, non alias res significare dicemusa nisi quae per vocem con
cipiuntur. Vgl. Anm. 317. ‘
aatem p. 217.: illa ergo mihi sententia praelucere videtury ut grammaticis con
senlientes, qui etiam logicac deserviunty lias quoque per se significativas esse conn
teamurl sed in eo signihcationem earum esse dicamusy quod quasdam proprietates
circa res eorum vorabulorum, quibus apponunlur praepoxüioues, quodammodo deter
minent coniunctiones quoque, dum quidem rerum demonstrant coniunctionem
quandam circa eas detenninant proprietatem
349) Z. B. p. 219., wo gegenüber dem oben, Anm. 210., erwähnten Ein
wande bemerkt wird: veram ipse verbo deceptus erat ac prave id separat, verbum
dicere rem suam iubaerere. ‚ „‚_
amp p. 224.: Sed ad liocv meminil ut magistri nostri sententiam defenderemy
respondere solebaml liomeri et poetae "amen, si per se intelliguntury Llomerum de
signare, unde bene denegetur simpliciter llomerum esse, qui iam defunctus estg at
.vero tota magis orationis sententia intelligenda Dasselbe wiederholt er in der
Lehre vom Urtheile p‚ 251. '
351) p. 220.: Ext autem causa vocabuli „infinilmn“ non tam ad significationem
reducendm cum scilicet nec solis nee omnibus infinitis videatur convenire, quam ad
.w‘ r
enim
‘
\. ita
quandam imponentis institutionem p. 221.: Patel, in/initi di/fnitionem non essey
quod infinita coatinetl sed causam potius esse novae transpositionis et impositionis
naminis. S. Boelh. p. sn f. „M
352) p. 225 1.: Si sensum ersequamur, infinitationis quoque proprietas in
oratione quoque inreuietura et quaecunque sub finita non continentun sub infinita
eadem possunt ‚- ut, cum verum sitl Soeratem non esse album asimun, veram que
que et cum concedimus nSocrates est non albus asinas“, ita quidem. ut non solum
‚q in
‚
.
at ..
p
'I
„J. 1..
192 XIV. Abälard.
Insoferne aber auf dem Inhalte des Liber pai-tiumy d. h. auf der
Auffassung der Universalien, der Kategorien und der Bezeichnungskraft
des Wortes, auch bei Ahälard ebenso wie bei Boethius die Lehre von
der Eintheilung und der Definition beruht, so reihen wir hier jene ap
dere Schrift des Abälard, welche mit der „Dialectica“ nicht in Einem
Faden zusammenhängt (s. Anm. 277), ein. lin Liber Divisionum
nemlich, woselbst Abälard nach des Boethius Standpunkt Eintheilung
und Definition als Eine gemeinschaftliche Disciplin nimmt und der erste
ren nur die Stellung einer vorbereitenden Manipulation für die letztere
anweist, dahei aber auch sein eigenes Verdienst in Bearbeitung dieses
Zweiges zu erwähnen nicht vergisstil”), schliesst er sich zunächst,
auch schon in der Aufzählung der sechs Methoden der Eintheilung
(Abschn. XII, Anm. 96), ganz au Boethius an 354)‚ aber bei der Ein
theilung der Gattung in die Arten bekämpft "er die Ansicht der Realisten,
welche an dem Verfahren der platonischen Dichotomie festhalten zu
müssen glaubten (Anm. 118); denn dasselbe könne keine Anwendung
auf die Kategorie der Relation finden, da, wenn es zwei Arten des
Relativen gäbe, diese weder auf eine oberste Gattung des Relativen
bezogen werden könnten, — indem sie als relative dann gleichzeitig
mit der Gattung als ihrem coi-relatum sein müssten, was aber bei Gat
tung und Art nicht der Fall ist —-‚ noch aber auch auf Unterarten,
indem jede derselben entweder auf ihre eigenen Unterarten zu beziehen
wäre — was zum nemlichen Widerspruche führen würde —‚ oder
auf die Unterarten der ihr coordinirten zweiten Species, wodurch, da
diess wechselseitig geschehen müsste, die Unterordnung zwischen Ober
und Unter-Arten in Verwirrung komme 355’). Bei der Eintheilung des
albani infinitum et asinus remuneaL ac si ita dicatur „es! asinus non albm“, sed
ut tola simul oratio ‚.albus asinus“ negatione ezcludatur (es erinnert diese uu obigen ‚
__ Anm. 113.‚— räthselhaften Syllogismus vom „grandis asinus“); alioquin
una diclionum tantum inhnilareturz
353) p. 450.: Dividendi seu dif/iniendi peruiam . multorum auctoritas trac
tat; quorum non quidem aimulatores non ingrali eorumque vestigia studiose amplec
tentes ad tuuma fralerl imo ad communem omnium utilitatem in eisdem desudare
compellimun Nun enim tanta fuit antiquorum scriptorum perfecti-ol ut non et nostro
doctrina indigent studiov uec tantuni in nobis mortalibus scientia potest crescerev ut
non ultro possit augmentum recipere. Uaoniam vero divisiones dif/initionibus natura
liter priores suul. quippe ez ipsis constitutionis suae originem ducunty in ipso quo
que tractatu dieisiones merito priorem locum obtinebuog dif/initianes vero posteriorem.
354) p. 452 ff.
355) p. 458.: Si autem genus semper vel in prae-imas species vel in proximus
difl'crenüas dividere-tan onmis dieisio genm's, sicut Boethio (p. 643, s. Abschn. XII,
Anm. 98,) placuity bimembris esset Hoc autem ad eam philosopltieam senten
tiam respicih quae rcs ipsas-l non tantum vocesa gencra et species esse confilelur.
Sed ad hau, menum', obieclionem de relatione habebamj si enim in omnibus id
contigit gencribusl ut duabus proaimis speciebus coutineautuiy utique et „ad ah'qnid"
duabus praz-imis speciebus comprehenditun quibus suf/icienter dioiditurg licet enim
earum nomina non habeamusi in natura tamen rerum non minus consistunL Sed ad
supremum genus non possunt re/‘em'; quippe id‚ quod omnibus relativis prius et
genus omnium csl, simul eum ipsis non 2st, unde nec rclativum est ad easj omnia
enim ad aliquid simul esse natura, Aristoteles in praedicamentis docuitg ex eo quo
que ad ipsum referri non possunt duae illae species Sed nec ad subiectus
species referri possuntg si enim aliqua illarum specierum ad inferiorcs specierum ad
._„ __ _.‚.... i ‚.5 - l addi-nu ‘Ä-tw
x1v. A-bälard. 193
Ganzen in seine Bestandtbeile trat Abalard in der Frage, was die ur
sprünglichen Theile (partes principalem seien, den beiden oben (Anm.
125) erwähnten einseitigen Annahmen Anderer dadurch gegenüber,
dass er jene Bestandtheile als die wesentlichen bezeichnete, deren Zu
sammenfüguug unmittelbar das Ganze constituirt. also z. B. Grundmauer
Wände und Dach bei dem Hause, d. h. er legte dabei die Verwirkli
chung des Wesens des Ganzen zu Grunde 31"6), sowie er auch bezüglich
der Theile der Zeit (s. Anm. 202) sich dafür entschied, dass das
aus snccessiven Theilen bestehende Ganze nicht sachlich objectiv ein
Ganzes sei, sondern nur gleichsam als Ganzes oder Eines (quasi unum,
quasi totum) durch die Betrachtung aufgefasst werde 357). Er unter
scheidet aber auch im Anschlusse an Boethius (Abschn. XII, Anm. 97)
die Eintheilung der Gattung von der Eintheilung des Ganzen derartig,
dass, da die Theile der Stoll' des Ganzen sind und die Gattung der
Stoff der Arten ist, die erstere Eintheilung eine Zerlegung in das Spä
tere, die letztere‘aber eine rPheilung in das Frühere scis-sal Bei der
Eintheilung des Wortes in seine Bedeutung (Abschn. XII, Anm. 101)
reducirt er die auf die Modalität des Wortes bezügliche in gleicher Weise
wie oben, Anm. 348, ‘auf dingliche Modificationen 359); seine Ansicht
aliquid referatur, itaque vel ad sibi suppositam rel ad suppositam altert; scd ad
suppositam sibi non potesty cum prior in natura sit ut genus; quodsi haec ad spe.
ciem illi suppositam et illa ad speciem isti suppositam referutur, necesse ext, alteram
altera priorem et posteriorem esse in natura .. (p. 460.) Non poterat (so oder
ähnlich ist zu lesen statt des sinnlosen Nota) itaque huius praedicumenti generalis
simurn duabus contineri speriebusg aut nos itaque in his ultra quam oporteat sub
tiles sumusl aut, si auctoritatem salvam conserrcmus, non ad omnium praedicamen
torum genera resperiL t
356) p. 468.: de principalitatc partium quid nostro praelueeat arbitriog sup
ponamus. Principales itaque partes nobis appellari videntur, quarum ad se con
iunctionem totius perfeclio statim subsequitur, ut tecto et fundamento et pariete con
iunctis domus statim per/iciturl sed non ita eorum partibus compositisg etsi enim
(so ist zu lesen für non) in tecto omnes partes eius iam sint dispositae ac similiter
in pariete et fundamentol deest tamen ad perfectionem domus compasitorum. et pa
rietis et tecti et fundamentil ad se invicem coniunctioj quorum quidem conventus
domus perfectionem statim reddit.
357) p. 469.: quum enim tolorum ezistentiaml quae partes permanentes non
habenti ut in orationibus et temporibus contingit, non possumus secundum omnes
partes simul aeoiperel quippe cum ipsae simul nunquam sint, sed sibi succedant,
unde tantum secundum partium ipsarum existentium latorum dimetimur essentiam .
(p. 470.) Sed si rei veritatem con/iloamur, nunquam proprie ista partibus constare
contigcrit oportet ista tota non esse con/iteri, sed tamen quasi de totis philo
sophos de eis egisse secundum hoc scilicct, quod ca, quac praeterita erant vel futura
erunt (dieses Wort fehlt in d. Handschr.), eum eo, quod praesentialiter esty consi
deratione quasi unum colligebant Ouac itaque in re tota non sunl, secundum
tamen eorum eonsiderationem quasi tota uccipiuntur.
358) p. 485.: Genus omne naturaliter prius est suis speeiebusl totum vero
posterius partibus1 sive illae natura tantum sive tempore compositionem totius prae
cedunt; quod enim in materia rei collocatur natura, necesse est praecederc i'd, quod
ex eo cflicitur; partes outcm totius materia sunt, genus vero speciemmg unde fit,
ut genus in posteriora distribuatur, totum vero in priora dividatun Thcot. christ.
lV‚ p. 1293.: Pars autem teste lloethio (p. 640.) prior est ab eo, cuius pars est‚
et eo eius eonstitutiva divisio in priora fit, sicut generis in posteriora. Ebenso
ebend. p. 1262.
359) Dialcct. p. 481 L: ‚lt quoniam vocis in significutiones omnem divisionem '
Pnanrt, Gesch. ll. la
194 XIV. Ahälard.
über die Frage, ob em Wort auch seine Buchstaben bezeichnen könne,
wurde schon oben, Anm. 204, angeführt. ln der hierauf folgenden
Lehre von der Definition 36°} gibt er eine commentirende Umschreibung
des Hoethius 361), Wobei er Gelegenheit hat, jene Meinung, dass die
Definition nur auf die Qualitäten sich beziehe (Anm. 123), dadurch zu
modificiren, dass allerdings die Nanicnbezeirhnung schon für sich mehr
das substantielle Wesen enthalte (Anm. 317 u. 347), hingegen die An
gabe der Eigenschaften durch den arlmacbenden Unterschied auch ihrer
in
seits auf den formbildeuden I’rocess der Substanz (Anm. 294111) ein-n
gehe, und so Beides ineinander übergreife 352). Auch jene andere"
Schwierigkeit, welche die Definition der Qualitäten selbst betraf (Anm.
mth löst er in analoger Weise; denn indem die Eigenschaft als ein
bloss Beiwohnendes (Anm. aou betrachtet wird. kann die Definition
sowohl auf dieses Beiwohnende selbst, als auch auf die durch dasselbe
inodificirten Dinge gehen, und ebensosehr auch als Definition des Namens
der Eigenschaft gelten, insoferne ja bei den Namen dasjenige, Was
durch sie bezeichnet wird, Gegenstand der Definition ist, und die beli
nition als ein Ausgesagtes stets in Worten sich bewegen muss 363). In
letzterem Sinne wird die Definition als ein Urlheil erklarlicher Weise
namentlich in der 'I'opik aufgefasst, woran sich dort die Bemerkung
manatravimas, ittam quoque vocis divisionem. quae in modos fit, pertractemus .... ..
Unde nec vocis divisio proprie videtur-1 cum in ea de voce non agaturl imo de rebus
tantum
360) Ebend. p. 490.2 liac-lenus quidem de divisionibus Nimo vero consequens esl, ut ad diffinitiones nos convertamust,racqtuaateam, hsaibcuutimudsictum
est. ex dieislonibus nascuntur.
361) So z. B. wiederholt er (p. 491.) auch desselben Auffassung, dass nur
die mittleren Wesenheiteu definirt werden können. s. Abscbn. XII, Anm. 99.
362) p. 492.: lii/finitimum maxime propter ostensionem proprietatumindaountun
interpretationes vero ita nomen aper-ianti utlsola substantiae demonstratio sufhcert
queaL liane enim intcrpretatio proprie rcqairitur, cum de nominalivo quoque sub
stanliae (die Handschr. hat nominatiea qu. substantia, Cousin gibt nominata qu
sabstantia) dutntutur nec rui etiam substantiae impositum sit, tenatur; tune autem
dif/initio superaddilur. cum formae proprietas ignoratur. Cum autem vel interpre
tatio de qualitate quoque vel di/finitio de substantia etiam proponal, principaliter
tamen illa propter substantiam monstrandaml haec vero propfer qualitates ad aliarum
rerum dt'fl'ercntium et plenam rei demonstrationem componitun .
363) p. sos f. (nach der in Anm. 124. angeführten Stelle): Sed ad hau.
memini , tales erant .solutioacs. quae ab omnibus suprapositis obieetionibus liberatt
viderentuiz Dicatur itaque illa di/finifio albedinis esse non secundum essentiam suamy
sed secundum adiacentiam acceptar; unde et eam pracdioari convenit et de ipsa albe
dine secundum adiacentiam hoc modo „umne album est formatam albedinen et de
omm'fms, de quibus ipsa in adiacentiam praedicatur Potest etiam dici di/fiiu'tiv
eadem esse huius nominis quod est „album“, non quidem secundum essentiam sumus
sed secundum signiflcatiunem, nec in essentia sua de ipso praedicabitun ut iridl'ltül
.dtcamus, hanc vocem „allmm“ esse formatam albedine. sed secundum significatione-nh
i. e. scilicet cum significandu, ac si diceremus „res quae alba nominalur, est far
mata allicdine“. Est autem vocem dif/inire eius significationem secundum dif/initionem
aperiri-y rem nero dif/intro ipsam demonstrare. itaque sine dif/initio vocis esse sim
cuiusounqne significationis esse eius diceretury solui poteratg scilicet profecto nihil est
diffinitum, nisi declaratum secundum significationem vocabulum dicinms, nec rem
ullam de pluribus diei, sed nomen tantum ronrerlimus (über Letzteres obeu
Anm. 287.).
XIV. Abälard. ‘ r 195
knüpft, dass das Definirte und die Definition wohl bezüglich des Wesens
identisch sind, nicht aber im Spraclmusdruckea indem, während beide
das Neinliche bezeichnen, doch die Definition mehr auf den Creations-_
Prozess der Substanz gehe, hingegen das Definirte noch manches An
derweitige enthalte, was in der Definition nicht ausgedrückt ist, so
dass demnach auch hier, wie oben Anm. 323—330. der dingliche
Befund, über welchen das definitorisclie Urlheil „handelt“, die Ilaupt
sache ist und durch denselben die Regel sinh bedingt, dass die Defini
tion weder zu eng noch zu weit sein soll 384).
was aber sodann den ZWeitenflanptlheil der Dialektik, nemlich
die Lehre von der oratio (s. Anm. 273 l'.) hetrill‘t, so äussert sich Abä
lard im Liber Categoricorum mit einem sehr hohen Selbstbewusst
sein gegenüber seinen Neidern über seine eigene Leistung im Vergleiche
sowohl mit der_'l'radition als auch mit der Thätigkeit seiner Zeitge
nossen, welch letztere er als ‚.moder-ni“ (vgl. Anm. ss 11.219)bezeich
net 365); ja er meinte, das Buch De interpret. (vgl. oben Anm. 202)
sei überhaupt nur durch die Auctorität gehalten, und es sei leicht,
über diesen Theil der Logik eine Schrift zu verlassen, welche dem
364; p. 370.: lii/timam cum orationis sit species, naturam orationis non pu
text cxcederc, sed, sicu! onmis oratio ex partibus suis suam contrahit signi/icationem
(s. Anm. 3,15.), ita dif/initio aut suis; alioquin dictio videratur, si uidcticet ad sig
nificationem totiusv non pnrtium, rcspioeremus . . . . .. (p. 371.) Aniniul rationale
mortale idem prorsus cst, quod homo. nec tamen ex his sequitur. ut si quid sit
animal rationale mortalia sit homo, si proprium vocum demonstrationem attendamusg
si vero magis rei essentiam, quam vocum proprietalcm, insistamus magisque idcu
titatem essentiacl quam vim verborum attendamus, profecto ronscquentiu. ut ride
licet vel totum in ‚.am'mal rationalc morlale“, quod in „homo“, intelligentes, vel
in „Immo“ tantum, quantum iu „animul rationale morlale" vnde clarum ext,
quantam vim cum enuntiationibus raeum proprietas Ieneat, maximeque illa attendenda
est vocum signi/icatiol quae prima i’sl, i. e. quae in voco ipsu denotutur et secun
dum quam ipso roz imponitur Nam et cum dif/initio cl cii/initum ad eandem
prorsus substantiam habeant impositionem utque enuntiationem saepe tamen non
idem prorsus de ipsa notanti nom „animal rationale mortotru secundum id tantum
hominis substantiae datum csl, quod est animal informutum ratiouutitate et mortali
tutej „Ilomo“ vom secundum ceterarum quoque formarum differentiarum informationem
llaec autem ratio di/finitioncm in rei denionstrutione accipi probutl quod in
ipsa consequentia tautum de relms, non de vocibus‘. agitur. Tlu'ol. Christ. lll, p.
1278.: diffinitio ...., quae ex integro vim et proprietatem di/finiti exprimit et sen
tentiam nominis in nullo excutit nec nli eo excellit-ur (s. Abschn. Xll. Anm. 108.).
365) Dialecl. p. 227 l.: ivec propter acmutormn detmctatiunes obliqugsquc in
vidorum corrosiones nostro derrevinms proposito crilcndum nec u communi doctrinae
usu desistendnm. Etsi enim invidia nostrae tempore vitae scriptis nostris doctrinae
viam obslruul, in his quisqucy quod doctrinae necessarium sit, invem'ct. Nam
etsi Peripatelicorum princeps Aristoteles rategoricorum syllogismorum formas et modos
breviter quidem et obscuri- perstrinzcritl boethius vero hypotheticorum compleæio
nos eloquentiae tatinac trudidit, yrnei'orum quidem Tlieophrasti et Eudcmi operum
moderator (S. Abschn. XII, Anm. l39.)‚ post omnes tamen ad perfectionem doc
trinae tocum studio nostro in utrisque resmvatum non ignora. ttt-m quae ab eis
summatim designato sunt iri-t penitus amissa (—- aber neue Ergänzungen bringt Alia
lard, höchstens etwa mit Einer Ausnahme, s. Anm. 391., nirgends bei -—), labor
noster in lucem pro/oral, interdum et quorundam maledicto ronigat et srhismoticas
expositiones contcmporanrormn nostrorum unint ct dissensionu modmmrnm, si tan
tum audeant pro/iieri negotiuml ilissolcat. v
13‘
196 ' XIV. Abälard. '
selben in keiner Beziehung nachstehe 366). Doch müssen wir gestehen,
dass Abälard biebei von Eitelkeit geblendet sein mochte, denn er lässt
sich auch hier nur von Boethius leiten. Aus diesem ist Alles, was zu
Anfang über oratio gesagt wird, entnommen 307); nur bei der üblichen
Eintbeilung der Salzarten, woselbsl aus Marcianus capella (Abschn. XII,
Anm. 62) auch der Wunschsatz aufgenommen ist, wird der von Boe
thius (ebend.‚ Anm. 111') hinzugefügte Vocativ-Sntz bestritten-3'355). Was
die Definition des logischen Urtheiles selbst betrifft, so kann nach (Ihigem
(Anm. 317) die aristotelische Definition in jene rhetorische hinüberge
lenkt werden (s. Abschn. VIII, Anm. 45), welche bei Boethius in der
Topik sich findet 369). Es folgt hierauf die Eintheilung in kategorische
und hypothetische Urtheile (Abscbn. XII, Anm. 112), wobei neben der
üblichen boethianischen Terminologie (s. ebend. Anm. 124.) uns hier
zum ersten Male das Wort „copula“ begegnet, welches hiemit damals
in der Schule bereits üblich gewesen sein muss 370). Das Quantitäts
verhältniss zwisrhen Subjects- und Prädicats-Begritl‘ (maior und minor}
fallt nach Obigem (Anm. 318 u. 325) dem Sprachausdrucke anheim 371).
Die Eintbeilung des kategorischen Urtheiles veranstaltet Abälard
nach vier Gesichtspunkten, indem auf das l’rädicat die sog. Qualität
und auch die Modalität, auf das Subject aber die Quantität bezogen
wird, sodann in den Terminis überhaupt die Einheitlichkeit oder Viel
heitlichkeit liege und endlich nach der Zeit sich eine Eintheilung in
drei Arten ergebe 872). Vielleicht war es diese Gliederung, in welcher
366) Joh. Sarcsb. Melal. lll, 4 (wo von dem Wertbe des Buches De inlcrpr.
die Rede ist), p. 131.: vixisse recolo Peripateticum Palatinuml quod verum arbi
fror, quia facile esscl, aliquem nostri temporis librum de hac arte componerez qui
nullo antiquaram, quod ad conceptionem veri vcl-cleganliam nerbi, esset infcrior.
sed ut auctoritatis favorem surlirclur, aut impossibile aut di/ficillimum.
367) Dialccl. p. 229—233.
368) p. 234.: llarum igitur oraliouum, quae pcr/‘cclae saut, aliae sunt enun
tiativae, aliae inlerrogalivae, aliae deprccalivae, aliae imperativee, aliae desiderativae
Addunl autem quidam sextam spericm, voraliram scilicet oralioncm; sed mihi
quidem rocatio non videtur diversam speciem a suprapoxitis procrearc, quae quidem
rnculio omnibus aequaliter potest apponi. '
369) p. 237 1.: Propositio est oratio verum falsumve significans; quae quidem
dif/initio (bei Bocth. de difl'. Inp. p. 858.) eadem omnia et sola continet cum ea
quam secundum Aristotelern protulimus i'ch quidem incommode; sicut enim
omnes propositiones rcl a/‘firmatirac vel negativae ac solac, ita etiam verae vel
falsac.
370) p. 246.: Harum itaque aliae sunt cah’goricae, aliae hypothetisae, i. e. conditionales Es! autem calegorii.caer.umprnaeadtiucraatisvearcundum
membra sive species demonstranlla; sunt autem mcinbra, ex quibus com'imctae' stml,
praedicatum ac subiectum atque ipsorum eopulal secundum hoc scilicct. quod verbum
a praedicato seorsum per se accipimus, verbum vero interpositum praedicatum
subiecto copulaL Die Quelle dieser Schal-Terminologie liegt in den, Abscbn. XII,
Anm. 124., angeführten Stellen des Boetbius, wenn auch bei Letzterem das Wort
„cnpula“ selbst noch nicht vorkommt. Vgl. jedoch folg. Ahschn. Anm. 11.
am p. uaa Ouod itaque praedicatum subiecto maius vel aequale dicitur
(Absclm. XII, ebend.)‚ ad vocum enimh'ationcm, non ad essentiam rei, reducitar.
affirm3a7ti2v)acp. di2c5u3n.t:ur Avdel pnreagcadliicnaalei, eqnuuondtqiuaetiaolnieame ipeprstuimnets,impqluiocditeprroaploisaielicounmes aliquo
modo praedicanl, unde alias simpli'ccs alias modales appellamus Ad subiectum rero
iuud rc/erlur, quod aliae universules aliae particulares aliae indefinilar aut singu
ulla-l . A ___-_.
xw. nam . 197
er ein besonderes Verdienst seiner Darstellung erblickte, die Reihenfolge
aber der hier angegebenen Gesichtspunkte änderte er in der Entwicklung
des Einzelnen. Zuerst wird ‚über Affirmation und Negation gehandelt,
wo bezüglich des realen Gegensatzes nicht bloss die an Apulejus
(Abschn. X, Anm. 10) erinnernde Terminologie nmaxime repugnansli
sondern auch für die alternativen Gegensätze der Ausdruck nimmedia
tio“ oder „di'vt'dentt'a“ erscheintßla). Bei der contradictoriscben Elit
gegensetzung wird jene Annahme des Boethius, welche bezüglich des
allgemein bejahenden Urtheiles oben, Abschn. XII, Anm. 114. angeführt
wurde, bekämpft, und die aristotelische Angabe (Abschn. IV, Anm. 217)
als die richtige bezeichnetsnjl was eben damit zusammenhänge, dass
Aristoteles überhaupt bei dem contradictorischen Gegentheile die erfor
derliche Rücksicht auf die Modalität der Ausdrucksweise (Anm. 318 u.
327) genommen hahe375). Hierauf folgt die Erörterung der Quantität
der Urtheile und der durch Quantität und Qualität sich ergebenden Ver
thälltnisse derselbeualß), wobei es eigenthümlich ist, dass Ahälard nicht
der boethianischen Terminologie „consenliens“ oder „convenie'ns“ (Abschn.
XII, Anm. 117 u. 128), sondern des bei Apulejus (Abschn. X, Anm.
11.) vorkommenden Wortes naequipollentiau sich bedient377). Sodann
folgt die Modalität in einer Compilation, welche aus Boeth. de inter-pn
tares nominantur. Ad mulliplieitatem vero ter-minorum illud attineh quod aliae unae
sunt aliae multiplices. Ad dieersitatem vero temporam, quod aliae de praesenti aliae
de praeterito aliae ile futura proponuntun
373) p. 255.: Ea namque opposita contraria dif/iniuntl quae prima fronte sibi
opponunturi h. e. quae maxime sibi repugnanty velut album et nigrum, quae nullo
modo eidem simul inesse passen! Quod itaque simul abesxe non possit, oppo
sitionem non exigity sed dieideatiam seu immediationem. Ueher dividentia vgl.
unten Anm. 427.
374) p. 256.: Ex his itaque manifestum est1 ei, quae dicit „onmis homo
iustus esl“, mabis repugnare nnullus homo iustus es!“‚ quam „non omnis homo
iustus es!“ Eadem enim baec „non omnis homo iustus es!“ cum ea t'fdt’lttl',
quae proponit „quidam homo iustus non ext“, atque pro una et eadem utramque
boethius accipit, cum tamen earum sententia diversa appareat bis, qui eam perspi
eacius inspiciunL Multum enim refert ad sententiam enuntiatianis negativa par
ticula. quod quidem ez hypotheticis quoque enuntiationibus ostenditur; non enim
eadem est sententia istarum „si es! homo1 non est iuslus” et „non, si est Iiomo,
est iustusu . . . . .. (p. 257.) llnde subtilius Aristoteles negatianem universaleml quam
Boethius, dislinzit; bic enim nnon omnis homo est albusu recte semper opponitl
Boethius autem uquidam homo non est albus“. l
375) p. 259.: Apparet autem, Aristotelem eontradictianem affirmalwnis
et negationis non tam secundum sententiamy quam secundum constitutionis materiam
demonstrasse . Ouia vero Aristotetes non solum sententiam cbnlradiotionis, verum
etiam eonstitutionem demonslrarc intendity quae in eorundem terminorum voce consi
Mit, rcctc, postquam eosdem terminos negatione-m habere dizit secundum prolationema
cetera secundum xententiam determinanda videbantur (p. 260.) Es! itaquc recta
ac propria tam voce quam sensu ncgatio, quae negatia praeposita propositae enun
tiationi sententiam eius exstinguit Es his itaque manifestum est, subtilius Art
stotelem eonsirterasse negatiauem universalis affirmationis, quam Boethium. '
376) p. 262. Cousin gibt nur den Titel, ohne den lnhalt, welcher auf Boe
thius (Abschn. XII, Anm. 113 ff.) beruhen muss, abzudrucken. I _
am Glossae in tibr. de interpr. p. am f.: Modo vult ostendere aeqmpullentium
earum Nota, hanc regulam esse in omnibus aequipollentibus u. s. f. stets; nur
Ein Mal findet sich dort p. 600. consentire in aequipollentia. S. Anm. 381.
.ep
198 xw. simam .
[Abschn. XII, Anm. 119 lI‘.) und zugleich aus Boelh. de sytlÄhyp. (ebend.
Anm. 150111) entnommen ist37s), dabei aber in unablässigei' Wieder
holung auf die dingliche Basis der Modalität (ob. Anm. 330) hinweist 3"9),
womit zusammenhängt, dass auch hier (vgl. Anm. 216) possihite und
contingenti als völlig gleichbedeutend genommen werden 380). Auf Grund
des Boethius (Abschn. XII, Anm. m u. 150) werden sowohl die For
men der modalen Urtheile als auch deren Umkehrung (mit der boethia
nischen Terminologie, s. ebend. Anm. 130) und deren Aequipollem er
örtertafll), worauf dann im Gegensatze gegen andere Auffassungen
(Anm. 215) abermals die Möglichkeit als das von der Natur Zugelassene
und die Nothwendigkeit als das von derselben Geforderte bezeichnet,
und hiemit auch die Modalität des Wahr- und Falsch-Seins_ in Verbin
dung gebracht wird 3"). Erst hiernach bespricht Abalard, was bei
Boethius vorausgeht, nemlich das durch die Zeit bedingte Verhältniss
b
der Urtheile, namentlich insoferne dieselben auf die Zukunft gehen, ‘
wobei er sich vollständigst an die boethianische Erklärung des Aristo
teles anschliesstßsa). Ebenso verfahrt er in der äusserst weitschwei
figen Erörterung über den noch übrigen Gesichtspunkt, welcher die
Einheit oder Vielheitlichkeit des Urtheiles betrifft 3"4), und unter wel
chen sofort schon hier auch das hypothetische Urtheil (nach Boethius,
s. Abschn. XII, Anm. 146) gebracht wirdssi’).
378) Dialect. p. 262 fli wosetbst z. B. (p. 264.) auch die Hindeutung auf die
erschöpfte Anzahl aller möglichen Combinationen (Abschn. XII, Anm. 152.) sich
findet.
379 p. 266—270., oder z. B. p. 273.: Sie enim recte videntur mihi omnes
huiusmo i propositioncs ezeponi. ut de rebus ipsis agamus sie: „omnem hominem
possibile esse allmm", i. e. natura omnis hominis patitur nlbedinem, i. e. nullius
hominis natura repugnat albedini u. s. f.
380) p. ossa Possibile quidera et contingens idem prorsustsonantn
361) p. 268.: Ouod tum in conversione simplici quam in conversione per con
trapositionem licet inspicere p. 271 ff. folgt die Angabe der durch Comhination
der Modalität mit Quantitat‘und Qualität möglichen Formen , nemlich Passibile est
omnem (oder nullum oder quendam hominem esse (oder non esse) album, und
ebenso bei lmpossibile und bei Nrcesse‚ sowie bei Non possibile, Non impossibile
und Non necesse Dann im Hinblicke hierauf p. 276.: Nunc autem dispositis in
utroque genere propositionum ordinibus mortalium regulas aequipollentiae tradamus.
Dass hingegen die auf Subordination beruhende Abfolge bei den modalen Urtheilen
unmöglich sei, wird ausdrücklich bemerkt (p. 276.): Sunt autem quidam1 qui et
nostram tenent son!eutiam‚ qui in consequentiis rnodalium inferentiae simplicium
locos vel regulas non uduu'ttant; dicunt enim totius vel partis naturam in talibus
omnino deficcre inferentiisg falsum enim aiunty quod si omne animal impossibile est
esse homi-nomi omnem hominem impossibile est esse hominem u. s. f.
382) p. 277 1.: Nunc autem utrum aliqua proprietas per modalia nomi-nuy ut
quidem volant, praedicetur, persequamur; aiunt enim, per possibilc possibilitatem
praedicari. per necesse necessitatem Sed falso est sed per possibile id de
rnonstratur. quod natura patiatur, per necesser quod exigat et constringat . . . . ..
verum antecedit quidem ad possibilev sequitur vero ad necessarium; falsum autem
ad impossibile tantum sequitur; si enim necesse est esse. verum est esse, et si verum
est essel possibili- est esse,- si vero impossibile est esse, falsum est esse. _
383) p, 280—294. (Iu gleicher Weise aussert er sich über diesen Gegenstand
auch fntrod. ad tlleol. III, p. 1134.). '
384) p. 294—303.
385) p. 304.: faciunt autem sub dirisionem unarum et multiplicium proposi
XIV. Abälard. 199
ita
m
o e
Unmittelbar hieran! aber reiht sich als Abschluss dieses Abschnittes
die Lehre von den kategorischen Syllogismen ananj woselbst wohl
jene ächt aristotelische Definition des Syllogismus, welche wir oben,
Anm. 14, als Beweis einer sporadischen lienutniss der Analytik anzu
l'ühreu hatten, an die Spitze tritt, aber die Entwicklung dann sogleich,
nach Einschaltung einer zweiten aristotelischen Stelle (s. dieselbe oben
Anm. 15) und einer Bemerkung über eine Terminologie (s. oben Anm.
16), lediglich aus Boethjus de syll. categ. (s. Ahschn. XII, Anm. l3l II‘.)
entnommen wirda’"). Es bietet die Aufzählung und Darlegung der
sämmtlicben Mndihdes kategorischen Schlosses durchaus Nichts eigen
thümlichcs dar, höchstens etwa mit der einzigen Ausnahme, dass
Abälard in der dritten Figur die bei Boethius erwähnte und von Porpby
rius herrührende (Abschn. XII, Anm. 137, Abschn. XI, Anm. 82) Hin
zufügung eines siebenten Modus verwirftass). 'Ueher einen Selbstwider
spruch, in welchen er bei Beduclion der Syllogismen mit seiner eigenen
Ansicht über den conlradictorischen Gegensatz (Anm. 374) gerüth, hilft
er sich sehr leicht mit der „Wahrscheinlichkeit“ liinweg3‘9). Sodann
aber Iolgßljene merkwürdige Stelle, in welcher Abälard eine gewisse
Kenntniss jener aristotelischen Syllogismen zeigt, welche aus Combina
tionen der Möglichkeits- und Nothwendigkeits-Urtheile unter sich und
mit Urtheilen des Stattfindens bestehen, s. oben Anm. 17.; sowie er
aber die Sache gleichsam nur vom Hörensagen zu kennen scheint, so
erblickt er auch in jenen Schlüssen, welche nur aus modalen Urtheilen
allein bestehen, keine eigentliche Schlusskral't, sondern blosse Wahr
scheinlichkeit 39").
Ergänzung der Syllcfgisttlsl von welcher wir nicht wissen, ob sie da
mals in den Schulen überhaupt üblich gewesen sei, oder 0b Abälard
selbst sie erdacht habe; es wird nemlich auch aut Comhinationen hin
gewiesen, welche aus Urtheilen der Gegenwart mit Urtheilen der Zu
__ ‚_..___--_ .
'1'. l . . . . .
tionum non solum categoricae enuntiationem verum etiam liypotheticaeg sunt mut
tiplices hypothelieael in quibus vel ex uno plura rel ex pluribus unum vel ex plu
ribus plura consequuntur u. s.“‚.f.
386) p. 305.: Hart autem de proprietatibus oategorioarum enuntiationum dieta
sufficiantg nunc autem in fianis et modis syllogismorum, qui est ipsis liumj propo
situm nostrum per/ieiunum
sem p. aou-mox Auch die Terminologie ist selbstverständlicher Weise jene
des Boethins. und so finden wir auch (p. 3I0. u. 313.) die Bezeichnung „directi“
und ‚.imper/erti syllogismi“, sowie den Ausdruck „per reflectionem coneersionisua
welcher dem boethianischen „per conversionem refraotionemqueu entspricht, s.
Abschn. XII, Anm. 136. '
388) p. 316.: Nos An'atolelem sequentes sex tantum modoshuius figurae esse
deprehendimus.
389) p. 319.: illud aliquos morere poteritl quod in astensione impossibilitalis
per contradictoria aozvrecta dividentibus utimur his propositionibusv quas superius
contradictorias esse neganimusy cum quandoque eas non esse veras rontingatl uniuer
salem scilicet affirmativam et particularem negatiaam-y ut sunt istae „omne iustum
virtus est, quoddam iustunrrrirtus non est/- At vero etsi non necessitate huiusmodi
resolutio ormslringat, probabilitarem tamen maximam teneL
390) p. 321;: Licct autem syllogismi recte diei non possint hiy quos ez solis
modalibus constitutae artieeimusp quia tamen maximam probabilitatem tenenti non
incomgode quandoque a disputantibus inducunlur.
'‚
e 1 5.
" t ’hrä
Q.‘
xl
Endlich aber versucht er noch eine eigenthümliche.
' n .
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. ‚ fig
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200 xw. Abälard. ‘
tc . p . .
kunft oder der Vergangenheit bestehen, was m allen Modis der Fall
sein könne, aber nur dann wirklich einen Schluss gebe, wenn Eines
der Urtheile ein Urlheil der Gegenwart sein“).
Es folgt hierauf der Liber Tapicorum, da aus dem oben an
geführten Grunde (Anm. 269) die Topik dem hypothetischen Urtheile
vorausgeht. Die ciceronianisch-rhetorische Tendenz der Dialektik Abälard's
zeigt sich recht deutlich an der ausserordentlichen Breite und Weit
schweifigkeit, mit welcher dieser ganze AbSChnitt behandelt ist. Doch
ist es nur Weniges, was wir aus demselben hervorheben müssen, denn
dem lnhalte nach beruht das Ganze auf Boethius392). Die Folgerung
‘(infe-rentia), welche in dem Verhältnisse zwischen dem Vordersatze undlh
dem Nachsatze eines hypothetischen Urtheiles bestehe, unterscheide
sich von der Schlussfolgerung eines Syllogismus dadurch, dass sie nicht
wie jene in sich selbst die vollkommene Schlusskraft trage, sondern
noch einer Verstärkung aus einem gewissen Verhalten (habitudo) der
beiden verbundenen Begriffe bedürfe, und diese Bekräftigung der Ab
folge als einer wirklich nothwendigen liege eben in den Tepenaas),
d. h. jenes Verhalten sei nur das Mittel, nicht der Gegenliand der
Folgerung, denn diese gehe stets auf die Wesenheit der im hypotheti
schen Urtheile verknüpften Dinge 394). Aber an dem Nexus der Noth
wendigkeit sei (im Gegensatze gegen die Meinung Anderer, s. oben
39l) p. 322.: Possunt quoque per tempora propositiones syllogismornm variuri
lin singulis figuris. In prima antem sic „omnis homo morielur, onmis citharoedus
est homo, quare onmis eitharoedus morietur" lrel „omni: senex fuit puer1 Nester
autem est senex, quare fuit pucr“. In secunda vero hoc modo unullus lapis maric
tnr, omnis homo mori'otur, quare nullus homo cst Iapis“; vel ita „nullus puer fuit in
eeriis, onmis autem senex fuit invenis, quare nullus senex puer est“. In tertia
quoque talis fit ad modum temporum odmistio „omnc mortale morietun omne autem
mortale rivum est, quoddam igitur vivum morietnr“. Sie quoque per singulos
modos trium figurarum praesenti tempori cetera quoque poterunt aggregari; ez solis
autem propositionibus ceterorum temporum nulla secundum aliquam figuram syllogismi
necessitas videtur contingcre, sicut nec ex solis particularibus aut negatiris.
392) Abalard behandelte diesen Zweig der Dialektik auch in den „Glossae
super Topica" (b. Cousin p. 605 ff), schloss sich aber dort lediglich erklärend
an Boeth. de cli/li top. mil Beiziehung einiger Stellen des Commentar’s zur cicero
niscben Topik an. ‚__
393) p. 325.: lnferentia in necessitate consecutionis onnsistiti in eo scilicct,
quod ez sensu antecedentis sententia exigitur eonsequentisl sicut in hypothclira pro
positione dioitur. p. 328.: in illis conscquentiis, quae formas tenent syllogismomm,
. ita in se perfectae sunt huiusmodi inferentiaey ut nulla habitudinis natura indi
ycant, nullam ex loco ftrmitatem habeant; cuius quidem luci proprietas haec est, cim
inferenliae ex liabitadinc, quam habct ad terminum illatam, con/arre consequentiuel
ut ibi tantumy ubi imperfecta est infert-ntim locum valere Confileamur .i... Hoc ergo,
quod ad perfectionem inferentiae deest, loci supplet assignatio Sowohl die Bezeich
nung „in/'crentiu.“ ist aus dem boethianischen Sprachgebrnnehc „in/erre“ entstanden,
als auch die Auffassung, dass die Abfolge auf dem Nexns der Nothwendigkeit
beruhe, ist dem Boethius entnommen, s. Abschn. Xll, Anm. 153 f.
304) p. 330 f.: Ouac enim in ea ponuntnr wralmla, ess-online lantnml non
habitudinis, sunt designaliea, ut „Iiomo“ et ‚.am'nml" et „lapis“; qui itaque
dicunt „si est homo, est animal, si est lwmo, non est lapis“, nullo modo de habi
tudinibus rcrum, sed de essentiis agunt, nt, si aliquid sit essentia ltominis, et
essenlia animalis esse conccilatur, et tapidis substantia esse deui-yelum _
i ' a
c. v q .
itp k‘if' v -
i Ö
o
. v . i
‚ g. l p i i ‘1 . _ . _‚_JL‚_ .4" .4’ - i
a
’ l . .
‚ l i . t I.»
" xiv. Abälard. ‚ 201
Anm. 227) bei dem hypothetischen Urtheile entschieden festzuhalten 895),
und durch diesen Nexus, welcher in jener Verhältniss-Beziehung liege,
unterscheide sich dasselbe vom categorisehen Urtheile‚ welches die
blosse Existenz ausspreche, während das hypothetische mit Voller Noth
wendigkeit, abgesehen von der Existenz der Dinge, gelte, aber eben
darumbezüglieh desjenigen, was aus der blossen Wirklichkeit nicht
entnommen werden könne, die Beihülfe der Topen in Anspruch nehme 396).
Daher sei in diesem Sinne bei dialektischen Erörterungen das Zuge
ständniss des Mitretlenden, abgesehen von der factischen Richtigkeit,
als eine solche Nothwendigkeit zu verstellena’"), und bei dem hypo
thetischen Urtheile handle es sich nicht, wie Einige meinen (Anm. 228),
um die einzelnen Glieder desselben, sondern eben um den ganzen
Nexus 'zwischen antecedens und consequens 399); auch sei aus dem
gleichen Grunde das disjunctive Urtheil, wie schon Boethius (s. Abschn.
XII, Anm. 141) gezeigt habe, nur als eine andere Satzform des hypo
thetischen zu betrachten 399). Auf dieser Grundlage werden dann die
sog. '„marvimae propositionesn (s. ehentl. Anm._165) im Anschlusse an
Boethius besprochen und mit Bekämpfung der Ansichten Anderer (oben
Anm. 228) auf die Form des hypothetischen Urtheiles besehränkt‘oo).
395) p. 336.: Lluod autem veritas hypotlteticae propositionis in necessitate
consistatv tam ez auctoritate quam ex ratione tenernns. Diese Auffassung des hypo
thetischen Urtheiles scheint dem Abalard speciell eigenthümlich gewesen zu sein
(10h. Saresh. Polycr. ff, 22, p. 122.: Solcbal nostri temporis Peripateticus Palatinus
omnibus his conditionibus obm'are, ubi non sequentis intellectum antecedentis con
ceptio claudit aut non antecedentls contrarium consequentis destructoria parat. eo
quod omnes necessariam tenere consequentiam velit. Ebend. Metalog. llly 6, p. 138.2
Miror tamen, quare Peripateticus Palatinus in hypothetiearum iudicio tam aretam
praescripserit legem, si quidem hypotheticus respucbat nisi manifesta necessitate
urgento). ‚ i
396) p. sensu categoricarum autem propositionum verilas, quac rerum actum
circa earum existentiam proponil, simul cum illis incipit et desinitg hypotheticarum
vero sententia nec finem noi-it nec principium, unde et antequam homo et animal
creata fuerintl vel postquam etiam omnino perierinty aeque in veritate consistit i'd,
quod haec consequentia proponit „si est homo animal rationale morlale, est animal.“
p. 347.: Ouia vero categoricae enuntiationes actum rerum proponunt quantum ad
enuntiationes inhaerentiae praedicatiy actus vero reram es: ipsarum rerum praesentia
manifestus esti necessitas autem inferentiae etc actu rerum perpendi non potes/1 quae
aeque, ut dictum est, et rebus existentibus et non existentibus permanetv- arbitrorl
hinc locum tantum in ltypotheticis propositioniltus requiril cum de ui inferentiae rerum
earum dubitat-art quae ex actu rerum eonvinci non possunt. v
397) p. 342.: Ncquc enim dialecticus curaty sine vera sit sive falsa iri/erentia
proposilae cansequentiacy dummodo pro vera eam recipiat ille, cum quo sermo con
seritur sed haec cahcessio verae inferentiae in necessitate rccipienda est.
398) p. 353.: Quidam tamen has regulas non solum in tota antecedentis et
consequentis enuntiationel verum etiam in terminis earum assignant sed regulae
sunt accipiendae in his, quae tota propositionum enuntiatione dicuntur.
399) p. 368.: quod autem antecedens et consequens in disiunctis quoque llce
tltius accipil, non ad rerum essentiasl sed ad ennntiationum constitutionem respexit
. ...‚ quod ex resolutione disiunctae dignoscitury ex qua etiam resolutione hypothei
ticael i. e. condilionales, disiunctivae quoque sunt appellatae.
400) p. 359 f.: Mazimarum propasitionum proprietates inspiciamusl quibus
quidem singularum veritas consequentiarum erprintitun quaeque ultimam et per/tectam
omnium consecutionum probationem tenent (Tum itaque tlizitnus. eas consecutio
nis sensum haben, catcgorioas enuntiationes ezclusimus. '
J‘. i » u
202 xw. Abälard.
llieraul' folgen die einzelnen 'l'open, Wobei Abalard mit Ausschluss der
rhetorischen nur die dialektischen beiziehen willw'); die Reihenfolge
derselben beruht auf jener Erörterung, in welcher Boethius de difi.
top. (s. Abschn. XII, Anm. 108) die Topen des Themistius (Abschn. XI,
Anm. 96) mit den ciceronischen in Einklang zu bringen versucht‘o‘l);
den Schluss aber obilden Bemerkungen über Argumentation überhaupt
und über die rhetorische Bedeutung der lnduction und des Enthyme
ma’s’wn). Dass die Entwicklung der einzelnen Topen sich in der An
gabe und Aufzählung schulniässig lixirter „Regeln“ bewegt, wurde schon
oben (Anm. 222) bemerkt, und wie sehr überhaupt die Topik in den
Schulen Gegenstand und Veranlassung zahlreicher (Iontroversen gewesen
sei, zeigt sich im Zusammenhange mit tlhigem (Anm. 228) auch in Abä
lard's eigener Darstellung‘“). '
Endlich nun im ‘Liber hgniotlurticoriun1 d. h. in der Lehre
von den hypothetischen Urtheilen und Syllogismen, wird der gestimmte
aou p. 334.: lilud praesciendum ed. nus, qui haec ad doctrinam artis dia
lectieae seribimusl eos solum locos ezscqui, quibus ars ista consuevit uti.
402) lm Vergleiche mit jener Reihenfolge, welche oben. Abschn. XII, Anm.
184., angegeben wurde, gestattet sich die Suche hier folgendermaassen: Den Au
fang machen auch hier (p. 368.) die Topen aus der Substanz selbst, nemlich a
dejinitionel a descriptionel a nominis interpretationeg dann aber reihen sich in
einer combinirenden Auswahl aus Themistius und Cicero die Topen aus den Fol
gerungen der Substanz an (p. 375.), nemlich a genere, a toto, a partibus dirisiris,
a partibus constitutioisl a pariy a praedicatol ab anlecedentil a consequentig hier
auf (p. 386.) folgen als Topen, welche extrinsecus genommen werden, nur die
Unterarten des locus ab oppositis, nemlich a relatione (mit Einschluss des simul
und prins), a contrariisl a primit-one et hubilu, ab a/firmatiom' ct negatione (hfll
dieser Besprechung der vier Arten des Gegensatzes wird fast der ganze b'etrelTende
Abschnitt aus den Kategorien beigezogen); sodann folgen als loci medii (p. 408.)
a relatiaisy a divisione et partitione. a coulingontilms, und hierauf werden als
solche, Welche selten in Anwendung kommen (p. 409.: sunt autem alii. quibus
dialectici raro ac nunquam fere utunlnr, quos tamen boethius non practermisit),
unter den Topen ex consequentibus substantiam noch nachträglich angegeben: ß
cuusa, a mulerie, a forma, a fine, a motu. Uebrigens hat Cousin in diesem
ganzen Abschnitte häufig nur durch Titel-Ueberschril'teu die Reihenfolge angedeutet,
ohne den lnhalt selbst zu veröffentlichen.
403) p. ego fl'. Die Quellenstellen aus Boeth. de di/f. 1011., worauf diese An
gaben beruhen, s. Abschn. Xll, Anm. 82. u. 137.
404) So z. B. führte der locus a substantia nicht bloss auf die Lehre non
der Definition hinüber (Stellen aus der Topik dienten uns oben, Anm. 364., albi
Quellen), sondern es spielte in der Frage über „idcm“ und „diversum“ (p. 373.)
vermöge des Pseudo-Boethius de Irin. (Anm. 37.) auch Theologisches herein (tßl.
Inlrod. ad theol. U, p. 1077 f. Theol. uma Ill, p. 1276-111). sowie bei dem torus
a causa effieiente und a motu (p. 413 fl'.) die göttliche Causolilat des Weltsehopft‘rs
erörtert wuide. Der loeus a genere (p. 378 tl'.) leitet auf den realistischen Cf“
tions-Process hin und mm so mil der richtigen ‚Auffassung des locus a praedicato
(p. 384.) zusammen, welch letzterer unbeschränkt allgemein gelte (p. 381.). Bei
dem locus ab oppositis begegnet uns hier die ‚Terminologie rcomplect-atr und „i'l‘
complexu“ (p. 407.: complexa autem contraria eas dicimus propositiones1 quae lll
eodem contraria enuntiant hoc modo „Socrates est sanus. Socrates est aeyrr"). so
wie „eonatantia“ (p. 408.2 ut immediata inferentiam habeanh adiiciendam eise.
cuius respecta immediata sint, quae quidem determinatio constantia nppcllatur); iltlt-‘ll
vermisst Abalard eine Durchführung der Gegensätze durch alle Kategorien (p. ego .
d. ablid er vermisst, was Gilbertns Porretauus wirklich hinzufügtc, s. Anm.
u. .
xw. Abälard. '- '- 203
lnhalt der Schrift des boethius de syll. hypoth. wiedergegeben. Indem
Abälard aus derselben zunächst die Eintheilung des hypothetischen Ur
theiles (s. Abschn. XII, Anm. 139m) enlwickeltmaL entscheidet er.
sich betrell's der mit der Conjunction „cum“ beginnenden Urtheile (s.
ebend. Anm. 143), über welche er früher eine andere Ansicht gehabt
hatte, nun für die Auctorität des Boethius, d. h. er nimmt jene Ur
theile als hypothetische 4"“); auch bekämpft er obige (Anm. 218) Mei
nung Anderer bezüglich der Stellung des „vet...vel“ in den disjunctiven
Urtheilen 407). Hierauf aber folgt eine merkwürdige Angabe über die
Umkehrung der hypothetischen Urtheile; nemlich die disjunctive Form
derselben lasse sich rein umkehren (durch Vertauschung der Glieder
der Disjunction!)‚ ebenso auch das eine Gleichzeitigkeit enthaltende Ur
theil, welches mit „cum“ beginnt; hingegen bei dem eigentlich hypo
thetischen, welches auf dem Nexus der Naturnothwendigkeit beruht,
sei der allbekannte Grundsatz der Abfolge (s. denselben bei Buethius
Abschn. Xll, Anm. 145) als conoersio per eontrapositionem zu neh
men 408). Wenn aber diese angebliche Ergänzung der traditionellen
Lehre von Anderen bekämpft wurde, so waren diese gewiss eben so
im Rechte, als Ahalard im Unrechte war, wenn er in solcher Ent
gegnung gleichsam ein lllärtyrthum seiner wissenschaftlichen Leistungen
erblickte 4°“). Sodann reiht sich zum Seblusse noch die Entwicklung
der hypothetischen Syllogismen an; dieselbe ist vollständig aus Boethius
entnommen, nur mit einer Aenderung der Reihenfolge; zuerst ncmlich
werden jene angeführt, i'velche oben Abschn. Xli, Anm. ibi-lius
405) p. 437—439.
406) p. 440.: Nunc vero de temporalilms in proximo disputandum est; in his
autem nulla natura consecutionis attendilun sed sola comitationis societas ‚ ul vide
licet simul si! utrnmque Aeqne enim qui dicit „cum Socrates es! am'mal, est
homo“, veras est et qui proponit „cum ipse est homo, est animata Memini
tarnen, quia dicere solchem, tunc hypotheticam esse proposilionem, cui temporale
adverbimn apponebaturq eum ipsum ad propositianes totas referebatur, tune vero
categoricamy cum ad simplices terminos ponebatur (p. 441.) A! vero licet huius
modi temporales ralionabilius eategorieae quam hypotliclicae videantun nos tamen
Bocllu'o adhaerentes eis tanquam hypotheticis in modis syllogismorum utamur.
407) p. 442., woselbst auf die oben, Anm. 218., angeführten Worte folgt:
quod quidem falsum esse eonvineitur ex eis caleyoricis, quae rum anieersales sint,
disiunctivas habent coniunctionem velut ista uomne animal est vel sanum vel arg/nun";
cum enim haec vera esse non dabitelun falsa est mani/este hypotltefica, quae ita
proponitur „au! omne animal est sanuml aut omne animal est aegmm", cum videli
eet neutrum stt.
408) p. 443.: Nuuc autem de eoneersionibus omnium llyputlieticarum superest
‘rlispularc Temporales quidem liypotheticae et disiunctae simplirem tenent con
versionem; sicut enim aequa dici potest „an! nam est aut dies es!“ vel „au! dies
est aut nox est", ita acque dieitur „cum pluiL tona!“ Nalw'alium autem couianclarum conversiones per eontreatpo„sictuimonelmonas!‚olpulmuifti“eri hoc
modo „si es! homo. est animali si non est animat, non est Itomo“.
tom p. 444.: Sun! autem nonnulliy qui ad nomen conversionis hypothetiearmn
obstrepant et vehementer obstupeank eo quod de earum conversionibus Boetliiu'm trac
tare non viderim nec alium quemquum, qui oonsequentiarum naturam ostendercl;
uS!ndeennioms cqa:uidaedmdintaomnenetxo fvuellsitnaotvei,tatseedmeex ancocuvsoenelo,nvqerusoimonoideo neotmiinllei raebsdoalrvgiuupnotssant,
quicunque ad alicuius scientiae perfectionem ez se aliquid post primus tractalores
adiecerunt ?
iot _ xlv. Abälard. Annuymus De interpr.
angegeben sind, dann folgt der Inhalt der dortigen Anm. 162L hierauf
jener der Anm. 159—161, zuletzt jener der Anm. 163; der Grund
dieser Aenderung lag für Abälard darin, dass jene dortselbst Anm.
159—161 angeführten hypothetischen Syllogismen sich in den drei
Figuren des kategorischen Schlusses bewegen, und daher diese „figu‘
rirten“ (figurati) Syllogismen nicht in Mitte der nicht-figurirten einzu
reihen seien‘l").
So ist uns Abälard nach Maassgabe der uns erhaltenen ouellenderjl
hervorragendste Repräsentant des damaligen Betriebes der Logik, aber"
während wir stets im Auge behalten, dass er eben Einer unter Vielen
war, dürfen wir einerseits aus seinen Leistungen auf die seiner näch
sten Zeitgenossen schliessep, und werden andrerseits zu der Annahme
berechtigt sein, dass ein eigentlicher Fortschritt der Logik weder durch
ihn noch durch Andere in jener Zeit hervorgerufen wurde, sonderni
dass nur in der grösseren Anzahl der Dialektiker überhaupt und in dem'
reicheren Detail-Studium der traditionellen Schul-Logik der Unterschied
gegen die frühere Zeit beruhe.
Als einen Schüler Abälard’s zeigt sich uns der Verfasser eines
anonymen Commenlares zu dem Buche de iiilerpr.4“); denn
derselbe wählt nicht bloss die Ahälard’sche Bezeichnung „doctrina ser
monum“ für die Logik, welche er in einer Dreitheilung gliedert, die
uns an Obiges (Anm. 271 f.) erinnerlugja sondern er erörtert auch
bezüglich der Bedetheile, d. li. des Nomens und Verbums, die Frage,
in welchem Sinne dieselben in der Lehre vom Urtheile zu besprechen
seien, in einer Weise, welche als eine Schärfung der Ansicht Ab'a'lard’s
bezeichnet werden muss; es sei nemlich die primäre Function der
Worte, dass sie die Gedanken (intelleclus) erwecken und bezeichnen
(vgl. Anm. 31401), während die Bezeichnung der Dinge das Secundäre
sei, welch Letzteres den Kategorien anheiml‘alle (Anm. 272), sowie sri
sleres der Lehre vom Urtlieilefla)‘, denn geradedarin, dass die W01“
410) p. 447 f.: ipse namque Paethius inter syllogismos conscquentiarum l"
altera tantum hypothetica ronstanttum ct syllogismos cunscqnentiarum ex utraqu
hypolhelica connerarum cos medios Iotaril, qui et mediis propositi'onibus nasceum
tribus flguris continentur Nos tamen his syllogismis, qui figurali non snnt, 80%
qui figurali sunt et a longe diversis propositionibus nascunlur, interscrcre nolutmus.
411) ln einigen Bruchstücken pnblicirl bei Cousin, Fragm. philos., Philos
scolusl. 2, Aufl. I’M. 1840. p. dos m (Aufl. v. 1855, p. aes 11.).
412) p. 409.: Doclrinae slv-manum tmic arti acvommodatae in tribus integritas
vonsislil, i. e. in doctrina incomplcn'nrmnv propositionum Ouod autem tractatus iste de propositionibus tnstitualurl monsettrastyltluomyiospmeorrisuminscfll"
tio quum assignatio intentionis.
413) p. 410.: In perle huius operis agitur dc dictionibus, nomine vidcliccllß‘
verbo, in parte dc propositiouibus p, 411.: Scd asserunt quidaml de nomint
et verbo hic agi per hoc, quod intellectum significant; cum enim duplex sit sigmtj
cutio vocum. una quidem de rebus, altcra vero de inlcllcctibus, hic de vocibus agi
secundum hoc, quod intellectum signi/icantl quae principalior esl. Ex quo aperit
huius operis inte-ntia a Praedicamentorum intentione distarc oslenditur; ibi enim .
vocibus incomplcris secundum rerum signi/icationem agiturl quae sectmdaria ab m
tettectuum signifiraliane habetur posterior; primo enim intellcctus, secundarin "f
significantur; ad nihil enim aliud facta est vocum institutio nisi ad intellectuma ’“l
quippe voces in scientia rerum faciunl, sed tantum intellectus de eis txcitant
XIV. Anonynius‘De' inlerpr. Anonymes De intellectibus. eos '
stets zu Sätzen führen, liege ihre Bedeutsamkeit für das geistige Er
fassen (conceptio), und so seien Nomen und Verbum als Satztheile in
der Lehre vom Urtheile nur in diesem auf die Gedanken bezüglichen
Sinne zu verstehen, und ihre dingliche Bedeutung könne hier nur neben
bei berührt werden 4“). Und während hiemit der Verfasser sit-h auf
jenen Standpunkt stellt, welchen Abälard in den von ihm sogenannten
Postprädicamenten eingenommen hatte, erhält hier die Auffassung des
Urtheiles, d. h. des sermoj ein so entscheidendes Uebergewicht, dass
der durch das Urlheil erweckte und in demselben liegende Gedanke
(intellectus) sogar scharf den platonischen Ideen gegenübergestellt wird,
da die letzteren hloss Fictionen seien, in welchen man nnr die Aehn
lichkeiten der Dinge durch die Einbildungskraft festhalte, während die
Aufgabe des Sprachausdruekes darin liege, nicht hlosse Aebnlichkeiten‚
sondern die Dinge selbst und deren Denk-Auffassung zum Bewusstsein
zu bringen 415). Hiemit wäre hier sowohl jene platonische Seite, welche
der Dialektik Abalard’s anklebt, bereits abgestreift, als auch eine Pole
mik gegen jene Wendung angedeutel‚ in welcher die Status-Ansicht und
die Indifferenz-Lehre sich berühren, und vielleicht könnte man, wenn
wir die Meinung des Verfassers vollständiger kennen würden, hier mit
Recht das Princip eines lnlellectualismus erblicken, welches bei Ahälard
selbst jedenfalls durch platonische und ciceronianische Anschauungen
sehr entstellt und getrübt ist.
Gleichfalls einem Schüler und Anhänger Abälard’s gehört die Schrift
„De intelteetibusu an, welche Cousin als ein Werk Abalard’s her
ausgab M6). ’ Wenn der Verfasser im Anschlusse an die „doetrina ser
. s
vnde eum tam in quam intellectus signi/icenturv asserunt, hic de vocibus non secun
dum reruml sed secundum iiitclleetuum signifieationem agi.
414) p. 412.: vnde propositionem semper reddere possunt et semper ad animi
t‘onceptizmem, non quantum ad rerum nominalionem, significare dici poxsunt; quare
Aristoteles de nomine et verba ibi agit propter orationis constitutioni-m Ouod
autem de vocibus hic mutum secundum intellectuutn significationem agatur, moustrat
bi/aria vocum distinctio facto, in nomen et verbum, quibus simplicibus sive coii
iunctis quilibet intellectus exprimi possunt; in Praedicunientis enim, ubi de vocibus
secundum rerum significntianem agitur, secundum rerum decem diuersitatem denaria
vocum incontplexarüm [acta est partitia.. [Vos autem dicimus, quod licel de nomine
et verba st'cundum intellectuum significationem agat Aristoteles, tamen quod de vocum
significatione communiler inducit, non est ex intentionei sed incirlentcr.
415) p‚ 414.: Ouod autem ideae meditalae a Platane a vocibus primo loco
non significentur. pianum en't, si priiis. quid ipsae sint‚ insperen‘nms. Sunt itaque
formae imaginuriaev quas sibi pro rebus animus configurat, ut illis res ipsas spe
culetur et per eas rerum imaginationi-s sive memoriam retmeat, quas quidem ideas
sive exemplares formas dominant, Plato vero eas inrorporcas naturasv i. c. insen
sibites simititudines nuncupat (die Quellenstelle für diesen Ausdruck s. oben Anm.
134.) unde eas e/fiyies incorporeas. i. e. nun tractabiles eorporeis sensibus.
Plato nominal, qui quidem volebat a vocibus primo loca significun', quod Aristoteles
improbat; mm enim propter rerum vel intellectuuiii similitudines voces repertae sunt,
sed magis propter res ipsus et earum intellectus (Bocth. p. 304., d. h. Aristoteles,
s. Ahschn. lV, Anm. 108.), ut de rebus nobis doctrinam faccmit‚ non de huius
modi figmentis, et intellectum de rebus constituerent, mm de /ig1nentis.
416) In der oben (Anm. 411.) angeführten 2. Aufl. (\‘. 1840.) der Fragm.
pliitos. p. 461—496. (es ist ein eigenthtluiliches Verfahren, dass Cousin in späteren
Auflagen diesen Bestandtheil seiner Sammlung wieder wegliess). Dassdie Schrift
206 u ‘. 1 XIV. Anonymus De intellectihus.
„.M__
monum“ die Begriffe (intellcctus) erörtern und sowohl ihre verschiede
nen Arten als auch besonders ihren Unterschied von Sinneswahrneh
mungenl Einbildungskraft, Meinung, Wissen, Vernunft, angeben will‘"),
so mussten wir ihn eben darum schon oben (Anm. 19) gleichsam als
Zeugen dafür anführen, dass man in jener Zeit eine gewisse, wenn
auch fragmentarische oder vereinzelte, Notiz von der zweiten Analytik
des Aristoteles hatte, und es möchte wohl dem Einllusse einer solchen
erweiterten Kenntniss zuzuschreiben sein, dass diese ganze Abhandlung
in der 'l‘hat zu dem Besten gehört, was jene Zeit aufzuweisen hat.
Der Verfasser, Wi‘lClter dem herrschenden Plutonisnius gegenüber sich
als völlig unbefangen zeigt, steht auf dem aristotelischen Standpunkte
der Erkenntnisstheorie, dass das Denken dem Ursprünge nach wohl
mit der Sinnes-Wahrnehmung verflochten sei, insol'erne es aus derselben
seine Anregung empfange‘lls), dabei aber doch nur durch eine von den
Sinnes-Werkzeugen unabhängige Thätigkeit der erwägenden Vernunft
sein eigentliches Dasein erweise‘w), so dass die Vernunft (ratio) als
die geistige Urtheilsfähigkeit die Beal-l'otenz des begrifflichen Denkens
(intellectus) sei, wovon die Vernünftigkeit (rationalitas) sich nur als
die graduell gesteigerte Fähigkeit unterscheide 420). Eben aber in der
Verflechtung des Denkens mit den Sinnen liege es, dass auch die Ein
bildungskraft (imaginativ), welche auf Erinnerung beruhe und daher
trotz allein Zusammenhange mit den Eindrücken dennoch über die un
mittelbar gegenwärtige Sinneswahrnehmung sich frei erhebe, sehr wohl
nicht ein WerksAbalard’s selbst sei, geht daraus hervor, dass der Verfasser gegen
das Ende (in der oben. Anm. 300., angeführten Stelle) selbst den Abälard nennt;
allerdings war Cousin der Ansicht, dass die letzten Capitel der Schrift nur zu
fällig anderSwoher angereiht seien; jedoch selbst wenn dem so wäre (—- obwohl
ich eher das Ganze für Einen Traetatns über verschiedene controverse Materien
halten mochte —), so scheint aus sprachlichen Gründen auch der Anfang nicht
ein Product Ahalard's zu sein, denn nicht hloss ist der Stil überhaupt hier viel
härter und eckiger als jener Ahälard's‚ sondern der Verfasser gebraucht auch als
synonym mit intellectus die Worte ‚.speculationes“ oder uvisus unimi“, welche man
bei Ahalard vergeblich sucht. Uchrigens s. auch Anm. 432 f.
417) p. 46l.t l)c spernlationibus itaquey hoc est inielleolibus, dissermri sla
iuimus ipsos primum a ceteris animae passivnibns sine afi'ertiom'bus disiimgere
deinde ipsos quoque ab invicem propriis separare di/fcrenliis, prout necessarium
doctrinae semtonum exislt'mamus esse; sunt autem quinques n quibus diligenter cos
disiungi mnvenity sensus ridclicet, imaginatio, erislinmtiuv scimlio, ratio.
4l8) p. 461.: Cum sensu intellectus tum origine tum etiam nomine coniunctus
esl; origine qnidnn, quod quislibet quinque sensnum rem quamlibet atlrartando ipsius
nobis inlelligentiam mox ingeril vocabulo etiama cum videlicet sensum rer
borum dicimus pro intellectu ipsorum. p. 482.: tola humana nolitia a sensibus
surgit ‘
cum p. 462.: Seitsns perceptio rei rm‘poralis es! corporea indignus instrumenta
lntellcctus vero nec corpom' exercilio indiget instrumenti nec etiam virtute rei
existi-mis f’raelerea sensus nullam m'm deliberandi aliquid habet intellectus
esse non potvsl, nisi ca: ratione aliquid uttendatnr.
420) p. 463.: Hutinnem autem dicimus vim ipsum seu fucilitatem disci-eli um'mi.
qua rerum naturas perspicere ac diiudicare veraciter su/‘fioit Tantum itaque inter
rationulilalem et rationem differre arbt'lror, quantum inter potentiam currendi et poten
tiam facile currendi Patrl, intellectum tam u sensu quum a ratione diversem
l esse et eum necexsnrio er ratione descendere tanquam perpetuum rntionix rfi'erlmn.
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XIV. Anunymus De inlellectibus. 207
Quelle von Begrifl'en sein könne, und zwar namentlich derjenigen, in
welchen wir die Eigenschaften (formue uccidenlales) der körperlichen
Dinge el‘fassennl), und überhaupt gehe eine Einsicht fintelligentiajv
welche gänzlich ohne alle Sinneswahrnelunung oder Einbildungskraft
bestünde, über die diesseitige Existenzweise des Menschen hinaus, und
auch wenn man hiebei an unmittelbare göttliche Offenbarung denke, so
sei dieselbe eben darum nicht eigentlit'h als ein begriffliches Denken.
sondern eheinsofort als Wissen zu bezeichnen 4'”. Das. begriffliche
Denken unterscheide such so sowohl von dem Meinen iemistimaliojs
welches zwar gleichfalls nur in Urtheilein, d. h. in der Satzverbindung,
sich bewege, durch die fortschreitende Thlltigkeit der vernünftigen Er
wägungflßh als auch von dem Wissen (seienu'a), welches als bleibende
innere Gewissheit des Geistes auch dann beharre, wenn das Meinen
oder das begriffliche Narhdenken nicht ausgeübt werde424).
Ist so die Thütigkeit des begrifflichen Denkens wahrhaft nach dem
Sinne des Aristoteles in die Mitte zwischen die blosse Sinneswuhr
nehmung und das reine Wissen gestellt, so wird nun auf solcher Grunde
lago die Abälard’sche Auffassung des sermo mit einigen lllodificationen
durchgeführt. Die Gedanken als Erzeugnisse des Aussagens (vgl. Anm.
314) werden ebenso, wie letzteres in diclio und oratio zerfällt. (Anm.
iiija iu'einl'ache uml in zusammengesetzte getheiltu"), wobei das
unterscheidende Merkmal darin liegt, dass in ersteren der ganze Gehalt
un p. 464.3 Imaginnliu est quaedam sensus recordatio coufusa animae
perceptio sine sensu, eius scilicet rei, quam imaginariaru con/usum dicimus. p. 466.2
Nulundum quoque1 quod, cum quidam omnes imaginationes quasdam sensuum recor
daliones esse velinl, h. e. eos ex rebus sentitis solummodo haberiv Aristoteles tameny
teste boetbio super Periermenias (p. 298.), intellectus nostros irnaginatiouibus minime
haberi prohibet Sensus consuctudu, a quo onmis humana nolitia surgil, quaedam
per imaginatianem inqerit animov quae nullo modo attendimus utpote pleraeque
man-„mm formae corporunu quas frequenter sensibus experti sumus.
422) p. 467.: fortasse iuxtu boethium (p. 296.) intelliqentia1 quam paucorum
admodum hominum et solius dei esse dicitv omnem et sensum et imaginationemsita l
transcendit. ut sine utraque habeatur Ltuod nequaquam iurta Aristotelrm in hac
vita contingere credimusl nisi forte per ezecssnm eontemplalionis recelalio divina ali
cui /ial‚ magisque hunc euessum mentis ab Aristotele scientiarm quam intelleclnmq
appellari credimus Während allerdings boethius die aristotelischen Stellen (aus'
de im.) über imaginatio anführt, scheint letztere Acnsserung über scientia nur auf
einer versprengten Notiz aus der zweiten Analytik (s. Ahschn lV‚ Anm. llli lT.)
beruhen zu können. V
123) p. 468.: Elislimare credere esty et eristimatio idem quod credulitas sive
illdtn intelligere autem speeulari est per rationem m ulla est eristimatin nisi
df eov quod propositio dicere habet. h. e. de aliqua rerum vel coniunctione vel divi
sione Vgl. A-mn. 628.
_ iuy p. 469.: Seieutia autem neque intellectus est neque rrislimatio, sed est
‘Dsu animi cerliludo, quae non minus absente vel erislimatione cel intellectu per
maneL Auch diese war nicht aus Boethius zu schöpfen, sondernweist auf die
Analytik zurück (s. Abschn. IV, Anm. 81.).
_ 425) Ebend.: Nunc autem iacta promissionis nostrae propositam ipsos ab in
vicem intellectus superest diligenter distinyuere, ut secundum eos clara fiat sermonnm
discretio Sicut enim sermonumr qui excitant intellectusy ita est et intellectunm
ratem ut videlicel, sicut sennonum alii simplices sunt. singulae scilicet dictiones.
“H compositi velut orationem ita et intellectus ex sermonibus habiti modo
simplices sunt modo compositL
l
mii-d- ' '‚-_“"‘"—‘
208 . XIV. Auonymus De intellectibus.
o
auf Ein t‘vlal (Anni.322)‚ in letzteren hingegen nur suceessiv (Anm. am
zum Bewusstsein kömmt‘“), was dann auch im Hinblicke auf den
Unterschied zwischen Namenbezeichnung und Definition (vgl. Anm. 360111)
derartig ausgedrückt wird, dass die ersteren Gedanken intellectus con
iunctorum und die letzteren intellectus coniungentes seien, sowie ent‘
sprechend bei den sog. negativen Begriffen, d. h. beim nomen infinitum
(Anm. 351) die ersteren divisorum und die letzteren dieidentesn").
Nach diesem Standpunkte wird hierauf auch die Frage über die Einheit
der Gedanken erledigt, indem dieselbe, abgesehen von der factischen
Richtigkeit, lediglich in das Erwecken Einer geistigen Anschauung, die
Vielfältigkeit hingegen in das successivej durch Pausen unterbrochene,
ErWecken mehrerer Anschauungen verlegt wird‘“). Die Berechtigung
oder Nichtherechtigung (samtm vel cassum) der Gedanken, gleichviel
ob sie einfach oder zusammengesetzt seien, liege in dem factischen Be
stande der Dingen"), hingegen von Wahrheit oder Unwahrheit fuerunt
vel I'alsum) könne nur bei zusammengesetzten die Rede sein, denn hier
werde ein vom Denken erfasster Gegenstand als grammatischen Subject
(vgl. Anm. an f.) durch eine denkende Erwägung in einer gewissen
Verbindung oder Nicht-Verbindung ausgesprochen, daher hier auch die
grammatischen Verhältnisse der Verbindung, d. h. der sog. Construction,
von Einfluss seiennojs in welcher Beziehung z. B. das diq'unctive
cum ita
426) p. 471.: E! hoc estl ut arbitrory differentia intellectum dictionis et ora
tionis easdem pronus res siqni/ieuntiumy quod videlicet per tlictionemq quae nullis
scilicet siyni/icativis partibus conslal, omnia simul intelligimusa per orationem rm
eadem per surcessionem culliyimus.
ten Ebend.: Es! itaque intellectus nominis et di/finitionis eius proprie quodam
modo idcm et quodammodo diversus, idem quidem secundum e/fectum intelli-clarum
remm, diversus autemy quia ibi omnia simul, hic succedunt .. .. E! ideo hi
inlclfcctus, qui de rebus ut iam coniunctis huhelur, coniunclorum csl; ille autem
coniungens est intellectus. qui per sut-cessionem progrediendo rebus prius intellectis
alias postmodum intellectus aggreyat . . . . . .. p. 472.: ltu intellectus diuiserunt et div
videns-g sicut enim „animal“ intellectum coniunctarum rerum [au], ita „non animal"v
quod est infinitum nomrrt, divistnum ['acil; et sicut animalis dif/initio coniunv
gentem facit intellectum ita descriptio non—nnimalis dividcntem Sun! itaque in
tellectus coniunctarnm rel tlieisarum rerum dictionum tantum1 coninngentes rcro l'l’f
dit'idculcs intellectus orationum tantum saut. Betreffs des dii-idolis vgl. oben Anm.
373.
428) p. 73 f.: um antoni dicimus intellectusl quicunque simplici-s sunt vel.
si sunt composih', in uno coniunctione vel divisione seu disiunctione Nec refert ad conceptionis modum vel um'tutem, siri- in re ita si!, ut ccoonncsiipsit/uunnt sin
nonl sed ad conceptus solummodo vcritalem; neque enim unus est intellectus .‚ltll’i‘
rationalis“, quomodo nanimal rationuteu Saepe autem contingit in uno intellecll
plures /ieri coniunctionesl verbi gratia si dicam nhomo ambulans qui cur-ntu
p. 475.: Multiplicem vero intellectum dicimus multos intellectus ab invicem disso
latos, u! si dicam „anima!“ c! postmodum paullulnm quiescens addam „ralio'
nale“. Vgl. hingegen Abalard's Ansicht, Anm. 3l6.
429) p. 475 f.: Sanos quidem dicimus intellectusy per quoscunque im, ut sese
res haltet. ultrndimus, siri- illi quidem sint simplices sive romposili,‘ cassi rero c
contrario dicuntur tam simplit'es quam compasih‘, quos frequentius opiniones vacare
consurvimus (s. Real/i. p. 305.). p
430) p. 476 f.: Vorn: autem vel faires intellectus dicimus eos solummodo. qui
compositi sunt . . . . .. unde bene secundum intelligi-ntim quoques non tantum construc
tionisy ordinem sabini-linn dicimus Icrnu'mtm, per quem intellectu primo res substi
‘‚-_r‘w-A—
XIV. Anonymus De intellectibus. 209
l
Urtheil (welches auch hier als Species des hypothetischen betrachtet
wird, s. oben Anm. 399) im Gegensatze gegen obiges dividens als af
firmatives Urlheil genommen werden müsse‘ml). Die Betrachtung aber
der Berechtigung (sanum) der Gedanken führt nun auf die Frage, ob
denu all jenes Denken, in welchem wir die Dinge anders erfassen als
sie sind, unberechtigt (cassum) sei; und indem darauf hingewiesen
wird, dass wir im Denken durch „abstractio“ sowohl vom Stofl'e ab
sehen nnd hloss dic Form betrachten können, als auch von der indivi
duellen Erscheinung absehen und bloss das einheitlich Gleiche derselben
erfassen können, sowie dass wir umgekehrt durch nsubtractiou von der
Form absehen können. so wendet der Verfasser bezüglich der „abstra
ctio“, welche auf die Universalien hinauslauft, jene nemlichen Ausdrücke
an, welche wir 'ohen (Amu. 132 fl'.) bei den Vertretern der Indifferenz
Lehre trafen, aber er lenkt diese Ansicht in den aristotelischen Sinn
hinüber, indem er ausdrücklich sagt, dass das indifl'erens, während es
in der vielheitlicben concreten Erscheinung nie das Existirende ist, doch
wesentlich (essentiatiler) Nichts anderes als das Individuum, sondern
gänzlich das Nemliche (penitus idem) sei und eben nur durch die Aus
sage (per praedicationem) von den Individuen abstrahirt werdenz);
und indem er hiemit von dem platonischen Nebenzuge, welchen die
Auffassung der Universalien bei Abälard hatte, sich völlig frei macht,
weist er entschieden dem menschlichen Denken (intelligere) es zu, die
Dinge in solchem Erfassen des indifferens eben anders zu denken, als
tuilur, quam deinde in copulatione vel remotione alicuius deliberemns p. 478.:
Sicul autem in eo, quod dicitur, vis enuntiationis consistitl ita in intellectu
terminia qui-dicitur, h. c. praedicatum eis deliberantis intelligentiae p. 479.: Non est itaque necessei ut caedem penitus voces in significactoinonsetitiudietmur peni
tus in contextu constructionis valcant, de quo plenius in eonstructionibus prosequimun
Den Priscian'schen Ausdruck „conslruclr'o“ trafen wir schon oben Anm. 263 u. 273.
can p. 479 f.: lii/fert autem ab invicem dividens et disiungens intellectuss quod
dividens intellectus negatianis ext, disiungens vero affirmationis, ex plurihus,
quae mente concipil, unum tantuni constituil, ut quicunque sunt hypolhelicarum
disiunctarum intellectus.
432) ll. 480 f.: lllud quoque inquiri ac di/finiri necessarium indico, utrum
omnis intellectus aliter quam res sese liabeat attendens cas-sus ac varius dicendus sit
Per abstraclionem autem illas dicimus intellectusr qui vel naturam alicuius for
mae absque respectu subiectae materiae in se ipsa speculantun vel naturam quam
libet indi/fercnler absque suorum scilicet individuorum disrretione meditantur Cum
naturam humanem, quae singulis inest homim'lms, ita indul/ferenter ronsidero, ut nul
lius hominis personatem discretionem attendaml h. e. simpliciter hominem excogito,
in eo scilicet tantum, quod homo est, i. e. animal rationale mortute, non etiam in
eo, quod est hic homo vel illev universale a subiectis abstralto indipiduis. Sit ita
que absit-actio superiorum ab inferioribusy sine scilicet universalium ab individuis
per praedicationem subiectis, sive formarum a maleriis per fundationem subiectis.
Subtractio vero e contrario dici potesty cum aliquis subiectae naturam essentiae
absque omni forma nititur speculari. uterque autem intelloctus. tam abstrahens sei
licet quam subtrahenspaliter quam res se habet concipere videtur p. 482.: Nus
qnam enim ita pare subsistity sicut pure conti/ritum et nulla est natura, quae
indi/I'vvenler subsislnl, sed quaelibet res, ubicunque dsl, personaliter discreto est at
que una numero reperitur Humane natura in hoc homine. i. e. in Socrate, quid
aliud est quam ipse? Nihil utique aliud, sed idem penitus essentialiter . . . . . .. Tota
humana nolitia a sensibus surgit; ac per hoc insensibitium rerum status ad modum
sensibitium excogitare ipsa nos sensuum- experimento comprllunt.
Pium-rLe Gesch. ll. 14
. e N _.—_.._.
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ziu mu Anonymus De intellectibus.
v-vv-vwa-w
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sie in der concreten Erscheinung sind, was natürlich nicht damit‘iu
verwechseln sei, wenn das Denken eine l'actische Unrichtigkeit ent
halte “3). Aber auch die Kehrseite jener Frage wird erörtert, neinlich
ob alles Denken, welches die Dinge erfasst, wie sie sind, ein berech
tigtes sei; und es dreht sich die Beantwortung um die Widerlegung
oder Lösung eines Feblschlusses, welcher damals in den Schulen unter
dem Namen des „Esels-Beweises“ (s. Anm. 113) üblich gewesen zu sein
scheint und-Jul folgenden Witz hinausliel': Wer denkt, dass Sokrates
ein Esel ist, denkt, dass ein gewisses lebendes Wesen (nenilich Sokra
tes) ein Esel ist; da‘ aber ein gewisses lebendes Wesen wirklich ein
Esel ist, so denkt. Jener richtig 4i“). Uebrigens bringt der Verfasser
bei seiner Besprechung der Denkthätigkeit auch noch eine Unterscliei»
dung bei, welche im Vergleiche mit Abälard in Bezug ‘aul' Feinheit und
'l‘iel'e der Auflassung als ein Fortschritt bezeichnet werden muss: nein
lieb das begrill'liche Denken (inteüigere) überhaupt unterscheide sich
von dem begrill'licheu Denken eines speciellen Objectes, denn bei letz
terem erhalte in dem blossen Erlassen des Objectes das geistige Schauen
an dem ohjecto seine Bestimmtheit und seinen Abschluss, und ebenso
reiche auch das Bezeichnen (signi/icare), indem es das begrill‘liclie
Denken erwei-ke, über die Einzel-Bezeichnung eines Objectes hinaus,
da letztere in einem bestimmt abgeschlossenen llenken verweile 43“).
' valmy
433) p. 483 f.: Cum dico „intelligo istam rem aliter quam situy duo ‚mit
St'flslts.‘ unus quidem huiusmodi1 si ita dicama quod alius rnodus sit in intelligendo
rum, alias in subsisteniloj i. e. alius rnodus sit in inteuigentia eins, alius in sub
sistentia ipsius titius vero sensus, si ita dirum nintelligo hanc rem aliter quam
sil“, i. e. in statu alio eain allemlo, quam ipsa in se habeatl vel quocunque modo
aliter se habentem quam sese liabeat ...-. Sic utique quaestio suprapositu poti-st in
telligi et secundum diversos sensus diversae sunt dandac responsiones. Si minl
ita quaeraturhutrum omnis intellectusl qui alium modum attendendi Iiabel, quam res
subsistendh nonus sil, non est concedendum Aus dieser ganzen Erorteruuß schi
hervor. dass Cousin zu vorschnell war, wenn er diese Schrift für ein Werk Abi
lard's hielt.
_434) p. 482 f.: Aliam propositi nostri partem perscquumur, utrum uidelicet
onmis intellectus sanus sit dicendnsy qui ita ut sese res habet eam intelligiL Ofl'td
lialict nonnullani impugnatiancm Lhiippe qui hunc hominem asinum esse intelligi-tr
. intelligit et ipsum esse oniniul et quoddam animal esse asinuml quae utraque
vcra mal; concedendus est intelli-germ esse animali cum in asino necesse sil
animal substantiam intelligi Ac per hoc profectus qui intelligitl hunc hominem
esse annnunu verum intelligere conoincitur p. 485.: Nun est audiendusg am
enim hoc nomen „minus“, quia simplex i'sLsermo, vsimplicem liabeat intellectum et
non ex partibus coniunctum. non possumus in praedicatione eius intellectus iiimsarum
enuntiationum distinguere obiici solet, quod omnis, qui intelligit Surre
tcni esse asinumr intelligit quoddam animal esse asinuml et omnis qui liili-iiigit
quoddam animal esse asinum, intelligit rermn, et ita onmt's, qui intelligit Socratem
esse asinuml intelligit eerum. facile responsum daraus, quod eicletn-vtv si medius
terminus in eodem sensu sumatur, firma sit omnino complezio.
435) p. 487.: ‚Von es! neresae, ut si alicuius intellectus conceptus habeant
quoquo modo ideo illud intelligere rli'oar; et licet intelligere simpliciter sumptuni sit
ab intellectul non tamen intelligere hoc sumptunt est ab intellectu huius rciv cum
videlicet intelligere lioc non sit simpliciter hunc intellectum liuoere. sed sit cum
habem ttt-insuper visus animi temiinetur ibi ac per/iciatur. Nam et significare niet"
est quod intellectum constitui-rm non tamen signi/icare aliquid idem est quod intel
lectum de eo consuliter Aliuqnin. cum singuli sermones intellectusxquoque sicut rt
XIV. Anonymus De intellectibus. Adam v. Petit-Pont. ill
So können auch die sensnalistisuhen Nüancen des Nominalismus eben
von diesem Standpunkte aus bekämpft werden, dass die Denkthatigkeit
v in freier Erwägung in sieh selbst fortsr-hreite ‘36), und es wird diese
Selbstständigkeit des Denkens gegenüber dem l'aetisehen Bestande noch
an einigen anderweitigen Beispielen nachgewiesen 437). Eine hierauf
folgende Erörterung über die Eintheilung des Seienden in Substanzen
und Accidentien wurde ihrem Hauptkerne nach schon oben. Anm. 101,
angeführt. Endlirh aber wird in kurzer Andeutung die Frage über die
Umversalien (s. oben Anm. 74) derartig erledigt, dass sowohl den Rea
listen die nothwendige Consequenz einer ins Unendliche fortgesetzten
Einschaehtlung der Formen als auch den Nominalisten der Mangel an
Ideal-Sinn vorgeworfen wird‘“). und bezüglirh der Formen die Abä
lard'sehe Ansieht die Zustimmung des Verfassers erhält‘“).
In der stärkerer: Betonung der Lehre vom Urtheile nmi-hle vielleicht
mit Abälard auch Adam von Petit-l’ont übereinstimmen 440), wel
ehen wir als einen Bearbeiter der ersten Analytik schon oben (Anm.
20) erwähnen mussten, sowie eine unten (Anm. 522) auzufilbrende
Stelle gleichfalls einen Beleg enthält, dass er jenes Werk henülzte.
... a
l -. -
'- ‚ . _ qnd . ‚in; ‚
—-—— an "-r". 1 .’ lll 4"" l' .' in MM'W: fl
res significare dirunlurl non tamen ideo de intellectibus rursum alios intellectus con
slituunL
436i p. 488.‚ weselbst nach den oben, Anm. 77., angeführten Worten folgt:
Ouod onmino falsum apparet cum itaque dicimus „homo intelligilur“‚ hic est
seitens. quod aliquis per intellectum naturam concipit humanem, h. c. animal tale
attendit p. 489.: EI natura tamen ipsius sensus, qm', nisi in aliquam rem
existenten: agat, exerces-ri non potest, concedendum arbitror1 quod si quis hominem
sentiat, hunc vel illum sentiat. At uero intellectus non minus haberi potest etiam,
si res non sit, quia et eorum, quae iam praeterita sunt, memoria recordamar et,
quae futura sunty per providentiam iam concipimus et, quae nunquam suntl non
nunquam opinamur atque fingimus, ut cliinmeraml centaurqu xirenent hircocereum
(s. Beet/i. p. 296.. Abschn. XII, Anm. 110.). ‘
ian p. 489 f.: (Juaerit etiam illud fortassis uliqnis, cum audio „omm's kann)“,
utrum intelligam omnem hominemj vel cnm dicitur de aliquibus duebus, quod .‚llller
eorum curn't“‚ utrum intelligam lallerum eorum currerey vel cum dicitur pcliimaera
quae est alba“, utrum intelligam chimaeraml quae est ulba, sicut eum audio „chi—
mueru“ intelligo ehimaeram1 nec non etiamy utrum cum audio hoc nomen „nun in
telligiliileus intelligam non intelligillile. Hiebei wird dann p. 490—492. überall ge
zeigt, dass mit dem „intelligo“ durchaus nicht das ausserlich factische Sein mit
gegeben sei. ‚
438) p. 494.: oni autem formas universaliter esse-"lies esse rolunl‚ si ratio
nabititer nyant, inquiramus; et primunt inquirendum videtur, si concessen'nt, unum
praedicari de unaquaqhe, sic quoad praedicatione-m suam (der Text, welchen Con
sin giht‚ ist unverständlich) unitatem inesse illi de quo praedicatum innuant. Ouod
si concesserinty Socratem habere unitalem, cum unus sit, concedere debentl et uni
tatem Socratic habere unitatem formam sui, cum una sit, et illam uliam, et sic
tanta multiplicitas fiet. quod in natura uumerux non occurrat (s. unten Anm, 477.)
p. 495.: llli autem qui non asserunt essentiam nisi substantiam fortasse rere
virtutes et vitia et colores aliquid esse tlenegalzuntg sed quam recte id faciant. xa
pientes iudicent
439) S. die schon oben Anm. 300. angeführte Stelle.
440) Er war aus England gebürtig, trat als Lehrer des Triviums in Paris
auf. wo er seine Schule in der Nähe von Petil-Pont hatte, und wurde später Bi
schof von St. Asaph in Nord-Wales. Dass er _in der Theologie ein Gegner des
Gilbertus Porretanus war, berichtet Otto lii-ian de gest. Frid. l, 51, p. imo Urstis.
Mt
in x1v.. Adam v. Petit-Pont. I“.
/-—‚
Wobl würde es durch eine solche 'l‘hätigkeit sich erklären, dass Adam
zu den Neuerern gehörte und somit über Diejenigen lachte, welche Alles
in die lsagoge hineinpl'ropften (s. Anm. se fl'.), aber er scheint dennoch
nach dein Sprichworte, dass man mil den Wölfen heulen müsse, ver
fahren zu sein 4‘“) und wenigstens als Lehrer mit ziemlicher All‘ectation
im Aeussereu doch nur allbekannte Dinge vorgetragen zu haben‘"),
wobei er wohl auch in eitler Prablerei Manches als eigene neue Er
findung ausgeben mochte “3). Von seiner schon oben, Anm. 20, ge
nannten „Ars disserendi“ gab Cousin einige kargliche Bruchstücke, mit
welchen uns wahrlich wenig gedient ist‘“). Wir ersehen nemlich
daraus n|ir‚ dass Adam in der Einleitung eine eigenthümliche Unter
scheidung aufstellte, wornach das Wissen (scientia) auf geistiger Be
gabung allein (vgl. oben Anm. 422), die technische Durchführung aber
(ars) auf Begabung und Uebung, und die Gewandtheit ([acuüas) auf
Begabung, Uebung und Technik beruhe “5), sowie dass er von dem
Urtheile ausgegangen zu sein und innerhalb desselben den sachlichen?
441) loh. Saresb. Melat. lll, 3, p. 129. (ed. Giles): Plane magis dudotmt
quum omdianl, qui in hoc tibcllo (d. h. in der lsagoge) legunt universa et cum
brevitate sua contentam esse non sinnnl; quidquid alicubi dici potesl, hic congcrunt
Deridebat eos noster ille Angtus Periputeticus Adam, cuius vestigia sequuntur
mulli, sed pauri praepcdieutc invidia profitentar; dicebatque se aut nullum uut audi
tores paucissimos haln'tnrum, si ea simplicitate sermonum et favilitate sententiarum
dialecti-ram lraderel, qua ipsum doceri expediret.
442) waltt-r Mapes (s. unten Anm. 525.), Melamorph. Goliae, v. 193 ff. (ad.
Th. Wright p. 28.): lntcr hos et alios in parta remota Parvipontis incolaq non la
quor ignotal bisputabat digitis directis in iota, Et quaccnnqne‘ dixeratl erant per
se nuta.
443) Joh. Saresli. Enlltct. v. 49 11.. woselbst naclr den oben Anm. 59. aher
führten Versen folgt: lncola sum modici Pantis novus auctor in arte, Dnm prius
inventum glorior esse mcnm; Ouod docuere senes nec norit amica inventum Prcloris
inventum iuro fuisse meis Sedula me iuvenum cirrumdal turba putalquc Grandia
iactantem nonm'si vera loqui
444) Cousin, Fragm. phil. (s. Anm. 416.) 2. Aufl. (1840), p. 417 m (Aufl. lu
1855, p. 333 11.). Abgesehen von dem ausserst corrupten Texte der Handsehrifh
an welchem alle Versuche einer Exegese scheitern, ist auch die Masse des Mitge
lheillen doch allzu gering. Dass aber das Werk Adam's für uns von Wichtigkeit
sein müsste, siebt man aus folgendem Anfange des 2. Buches. welcher eine heca
pilulalion des l. enthält und bei Cousin (p. 423.) lautet: Ad prioris a sequenti
libro distinclioncm (Cousin's Text hat sit distinctioncs), quid in hoc dicendum. quid
in illo dichmi, inlarserorc (scheint It'ch oder dgl. ausgefallen zu sein). De quo ei
ad quid ct qualiter artis disserendi institutio, praemanslravimus; a quibus disserendi
principium in corum principiis duplicem, in ipsis dupliciter duplici-m disserenti at
tentioncm praescripsimusy de quo dicat et qualiter id designetg post principia ilvm
duplicem, quid de ca dicat et qualiter id designel; de quibus autem dicat, prim
in quatuor-1 denique distinctius distinrimns, et ex hoc principiorum genera, quae
sunt et ad quae, ducaimas. Nemlicb so unverstandlich diese Worte auch grossen
theils sind, so blickt doch eine ganz, eigenthumliche Gliederung des Ganzen durch.
445) p. 419.: Principinm propositt, de qua et ad quid et qualiter ars disse
rendi instituenda, dicere; propositum autem, de eo et ad id et sic artis rationcnl
insliluere. Erit autemy qualiter artem institui runvcnial, cognita eius initio mum
fcstius lnnotcscat igitun quoniam initium non idem scientiae er um's et [arid
tatis disxerendi; i'd autem innotescel, ex quibus horum initia. cogm'to; sunt autem
ex tribuit ingenio, um, arte Scientiar enim disserrndi ex ingenio absque t'l"
teris initiumg artis autem ex hoc et usui erat-allatis autem ex his et arnn
XIV. Robert Pulleyn. Peter v. Poitiers. 213
I
Inhalt und die sprachliche Form unterschieden zu haben sclteint4“).
Einen Schüler Adam‘s werden wir unten (Anm. 522) trefl'en.
Während nun auf solche Weise‚ wie wir uns bisher hinreichend
überzeugen konnten. die Dialektik in reicher Fülle als specielle Dis
ciplin eine ausführliche Pflege fand, fehlte es um die Mitte des 12.
Jahrhundertes auch nicht an Solchen, welche lediglich von der 'l‘heo
logic aus gelegentlich auf logische Momente stiessen und dann in der
üblichen Weise mit dem platonisch-christlichen Realismus es sich ziem
lich bequem machten oder die Unvereinbarkeit der Logik und der Glau
bens-Mysterien aussprachen. So erwähnt Robert Pulleyn (er lehrte
in Paris und in Oxford, starb im J. 1154), welcher vor keiner dogma
tischen Consequenz zurückscheut, sondern Alles und Jedes zu construi
ren versucht, bei seinen Erörterungen über die Trinität auch Ansichten
der Dialektiker, wobei wir theils Wilhelm v. Champeaux theils Abalard
\\'iedererltennen“7); er selbst jedoch, in der Ueberzeugung, dass hierin?
_d|e Dialektik ein vergehliches Unternehmen sei‘“), schaukelt sich ab
sichtlich von Zugeständnissen aus, welche uns an die Indifferenz-Lehre
erinnern. in einen völligen Skepticismus hinein, indem er verschiedene
Partei-Stellungen der Logik gleichmässig als berechtigt zugesteht und
zuletzt bei dem blossen gewöhnlichen Sprachgebrauche bezüglich der
C - . . . . .
‚4. qunin-ersallen stehen bleibt‘"). Und während Petrus von Peiliers
i
p
I ‚
w _‚_‚ lviii l
446) p. 421.: ‘l’rinripium disserendi ab interrogatione vel enuntialiom'. Quo
m'am igitur ab ipso disserendi principio docendi dine-rere propositum inchoari con
veniens‚ sic de iis docendi disserere principium, a quibus est disserendi Es!
igitur enuntiatio veri vel falsi dii-tio ut ad disserendumg interrogatio vero quid sü,
notius est quam ut dif/iniri oporteat p. 422.: Duplicem ulrinque consideratio
ncm adhibendam instituimus, alterum eorumq de quibus et quae dicunturr alteram
verborum, quibus ea de illis. Uuoniam em'm, quae consideratione percipiuntun verbis
designarl acque conucm'ens, de quo et quibus cnunliclur vel interrogelurv ex arte
considero/og qualiter secundum tocutionem utrumque ut ad disxerendum designari con
venio1. non minus attente considerandum
447) Hob. I‘ulli Senlcnl. l, 3 (cd. Malhnud, Paris. 1655 fol.)‚ p. 33 3.: Dicet
dialecticns: Specics est tuta substantia individuorum totaque species eademque in sin
gulis reperitur individuisg itaque species una est substantiay eius vero individua
multae personae et hoc multae personae tunt illa una substanliu, nam secundum Por
pliyrium omnes homines participatione speciei sunt unus liorno (diess ist die Ansicht
Wilhelms v." Champeaux, s. Anm. 105.) Sed diccs: Sunl nonnullae formae gene
rwn, quae ca nequaquam ducunt ad esse speciemm; sunt quoque proprietales per
linentrs ad substantiam, sed non ef/iciunt personam (so Abalard, s. Anm. 300 f.).
448) Ebend.: Dialeclice, obscura obscurum incredibiti creditum sotrere quaeris;
nihil pro/icis.
449) Ebend. p. ss b.: omnem rcm vere informem discretione cogitatuuml non
varietate formarumy dislinguimusg haec enim est vis mcntis-1 ut concipiat diversis
modis rem ticet formis non diversam (diess mm wörtlich mit dem „diversis modis
altcndere" der Indifferenz-Lehre, s. Anm. 133.‚ zusammen). Ouod dico, difficile
est videre, di/ficilius empfanarc. Nam concolorcs per quid inier se conveniunt, per
quid u discoloribus iii/ferunta si accidentia non suul? An, ut quidam uiunt, conve
niunt ul di/fcrunt, sed in nullo, ut albi similantur (diess ware Abülard's „consi
mile". s. Anm. 299 u. 307.); sed in quo? An in participatione specici? Sed ratio
evincil, universalia non esse (diess beruht' auf dem Ausspruchc uras de re non
praedi'catur“, s. Anm. 132. u. 287.. oder stimmt mit Johannes, v. Saksbury ober—
‘ein‚ s. Anm. 590.). An in dioidua albedinc? Sed singuli cemuntur suam, mm al
lerius. haberc (so die Neminalisten, s. Anm. 73.). verumtamen sihi ximiles esse
b
nil
v- -
‚i
214 xiv. Peter v. Poitiers. Robert v. Melun.
(ein Schüler des Petrus Lombardus, blühte um neo-imo gleichfalls
kegeln die Anwendung der Dialektik aul' die Trinitats-Frage protestirtc‘”),
knüpfte er dennoch viele seiner Erörterungen an Pseudo-Boethius De
Trinilate (s. Anm. 35 11'.) an‚ und zwar mit der komischen Bemerkung,
jene Schrift sei mehr pliilosophisehfl) als theologisch, und man dürfe
daher durch dieselbe sich nicht irreleiten lassenfl”); auch zeigt die
Unterscheidung der Substanz als Subject und der Substanz als Form,
sowie die Unterscheidung der substantiellen Form als einer das Indivi
duum erzeugenden und als einer die Arten und Gattungen hervorrufen
den nur den rohesten platonisch-lheologischen Realismus 452)., Desglei
chen findet sich bei seinem Zeitgenossen Robert von lllelun, dessen
äusserliche Gewandtheit in der Dialektik sehr gerühnil. wirdusjj uur
der ontologische gewöhnliche Realismus, welcher theoretisch zu stumpf t
ist, um auf die legisehen Momente überhaupt einzugehen, uder, wo er a
solches thnt, sich eben blainirl, wie z. B. wenn gegen die Einheitlich- i
‚keit der ‚Bedeutung, welche in „0st“, und jener, welche in „ens“ hegt,
polemisirt wird‘“). Zu verwundern aber ist es demnach nicht, wenn
l '‚t I
quael, quiay licet diverses, habent tamen albedines Sed si formas toltimus. unde
simile-si Si sic dico1 in consuetudine loquor, autores tam divinas quam mnndanos
videor haberc adversos. ‘ "
450) Petri Pictav. Sentan l, 32 (erl. Mallioud, l’arix. 1655, fol.), p. 93 a.:
Non videtur ergo transferendo conversatio dialecticorum ad huiusmodi propter incon
venientia 33, p. 94 h.: ‘Onod ergo dicit Johannes bamascenus (s. Abschu. Xl,
Anm. 170.), non ita accipienduml nt universalia el individua ita accipiantur sicut
in philosophicis disciplinis Si quaemlnr, an hoc praedicabile „den!“ sit univer
sale vel individuian neutrum hic admittendunL Und dennoch wurde auch er ver
ketzart, s. Anm. 478. I '
esu Ebend. l, 4, p. 8 h.: ldeo imponitur Bocthia, quod illam diffinitionem
(d. h. der porsnna) magis posait ut philosophan quam ut theologns. 32, p. 93 b.:
Sed nostri theotoqi plerique non habent illam dif/initionem pro aalhenlica, quia magis
fuit philosophus quam the-ologus et magis ad probabilitatem locutus est quam ad
veritatem '
452) Ebend. l, 6, p. 12 a.: Substantia a substando dicitur ipsum subiectum
quod substat formis. sive sit corpus sire alia resi substantia a subsistendo dicitur
forma, quae adveniens subiecto illud subsislit, i. e. sub se et aliis formis sislil, i.
e. substare sibi et aliis facitl sicut imago sigilli ceram Sed substantialis
forma duplex ext. vel quae facit „quis“, et tatis est onmis individualie proprietasl
i. e. individua et proprio nomine-1 ut Platonitasl cuius participatione Plato est qni's;
'vel quae facit „quid“, al speciale vel generalem i. e. quae speciali vel generali no
mine significalar, ut humanilas, animalilas, cuius participatione Plato est quid, non
vero qms.
453) 10h. Sarcsh. Melal. ll. 10, p. 78 l. (cd. Gilrs): Sic ferme toto biennio
conversatus in monte (d. h. Sanctae Genove/ae) artis huius praeceptoribus usus sum
Alberieo (s. unten Anm. 521.) et Robvrlo Melizlanensi, ut cognomine designetun quod
meruit in scholarum regimine, natione siquidem Angtigena 0st, quorum alter . . . . . ..
Aller autem (d. h. Robert) in responsione promptissimus subter/agii causa propo
situm nunquam declinavit articulum quin alteram contradietionis partem eligeret aut
determinatu multiplicitate sermonis dacereti unam non esse responsioncm in re
sponsionibus perspicaza brevis et eommodus.
454) Ausser jenem, was bei butaeusl bist. um‘e. I’ar. ll, p. 264. sich findet,
hat Huure'au, de te phil. scolast. l, p. 333 ll. noch Mehreres aus Handschriften
mitgetlieilt; aus Letzterem kann, da alles Ucbrige unseren hiesigen Zweck nicht
berührt, bezüglich eines logischen Punktes folgende Stelle (p. 333.) angeführt
werden: ttas vero eoces „es!“ et „ans“ eiusdem esse significationis, omnes philo
o
_..- ‚. Aufl
XIV. Gilbert Porretanus. 215
‚der Dinge und ebensosehr in die feste Bedeutung der Worte‘fl’T),
die Schüler dieses Robert über die aristotelische Topik als ein unbrauch
bares Buch schniähten (s. oben Anm. 29). wm
Hingegen hat bei Gilbertus Porretanus (geboren in Poitiers,
daher auch Pictavienst's genannt, gestorben l. .1. 1154) das theologische
Gezänke über die Trinilät zu einer ganz bestimmten logischen Auffassung
bezüglich der Universalien Veranlassung gegeben, und wir müssen daher
ausser der Schrift De sex principiis, welche in den nächsten Jahrhun
derten für sehr bedeutend gehalten wurde, auch den Gommentar dessel
ben zu Ps.-Boethius de frt-uitalth näher ins Auge fassen. Dass
Gilbert bereits die aristotelische Analytik kannte, wurde schon oben
(Anm. 21) erwähnt; jedoch macht er, abgesehen von jenem Citate, in
der 'l‘hat keinen weiteren Gebrauch von einer inneren Kenntniss der
dortselbst enthaltenen l'rincipien, sondern lien'egt sich nur in dem enge
ren Umkreise der allgemein üblichen Scliul-l.ogik456). Während auch
er uns das eigentht'nnliche Schauspiel des Widersprucbes zeigt, mit
allem Aufwande logischen Srharfsinnes über die Trinität zu discutiren
(s. jedoch Anm. 478) und dabei zugleich eine durchgängige Scheidung
Gottes und des natürlichen Gebietes festzuhalten, selieinter allerdings
über Aufgabe und Stellung der Logik durchaus in sich selbst nicht Itlar
gewesen zu sein. Es lässt sich bei‘aihnhdas ontologische und das
logische Gebiet nicht einmal in jener wie bei Abälard auseinan
derhalten, sondern trotz all seinem realistischen Grundtone acceptirt er
völlig naiv und unbedenklich die Function des‘menscblichen Sprachaus
druckes; denn die Erweckung des Gedankens verlegt er, einen Satz
des Boethiuswiederholend, ganz gleicbmässigv in die Eigenthümlichkeit
und
wenn er auf die nenilicbe Weise die Qualität des Urtheiles in der Ab
folge der. Dinge und der Worte oder in der Modalität des Ausdruckes
findet, -— was uns an Abälard erinnern könnte. s. Anm. 318, 327,
330 -—, und somit die Aufmerksamkeit auf die Sprachform einschärlt 451‘),
so stellt er wieder den philosophischen Gehalt, welcher auf die Eigen
thünilichlteit der Dinge (proprietas rerum) geht, sofort neben die der
.wpln'cae damnum scriplurce; in isli‘s ergo locutionibus „mwulus est ens“, „fltundus
est“, Icrniinis oppositis idem signi/icaliu'; sed nullus tanta amentia ignorantiae ex
cuecztus 0st, qui aliquam harum raeum „essenlm, ext, aus“ in illa significulionc
relenluv in qua creaturis cunvem'l, deum t'cl essentiam divinam signi/icari praesumal
n. s. w.
455) Gedruckt in Boelhii Opern ed. Hasil. 1570, p. lus-mm
456) So erwähnt er z. B. p. 1185. den Unterschied zwischen Syllogismns und
Enthymema, p. 1187. „dialenlicorum topim generalis omnibus 110m“, p. 1225. „re:
gula dmleclicorum de conrrrsione“, p. 1187. ncancoplio cominunis“, p. 1224. „cou—
ceplus non cntis“ (z. B. Ccntanren), p. 1226. nihil als nomen i'n/inilum, n. dgL,
und auch die Erwahnung der sechs Sophistnen (p. 1130.) kann er aus der nem
lichen Qnelle wie Abalard (s. oben Anm. 7.) geschöpft haben.
457) p‚ 1131.: Cum in aliis intelligenliam excitet rei certa proprietas aul
certa vocis positiv, etc. p. 1132.: Trio quippe sunl, res e! intellectch ct sermo;
ies intellectu concipitm'. scrmonr‘ significatur (Iluelh. p. 296., s. Abschn. X11, Anm.
110.).
458) p. 1130.: Oualitas autem orandi vel in rerum atque dicliouum consequen
tia vel in eurundnn lropis atlcndilur. p. 1268.: Ouia omnis diclia diversa signi/icut,
quid ode quo riiliyem auditor dtlcndil.
--v-m
216 XIV. Gilliei't Porretanus.
Logik anheimfallenden Verhältnisse der Aussage (loquendi rationes) und
zugleich neben die grammatischen, die sophistischen und die rhetori
schen Momente hin wm wg: qaam
lst so Gilbert in den Fragen über das Verhältniss des objeetiv
Ontologischen zu dem subjectiv Logischen selbst noch naiver, als Scolus
Erigeua gewesen war, so ist es hingegen nach der ersteren Seite der
Begritl' der Substanz, durch welchen er in dem Streite über die lim
versalien eine Parteistellung einnimmt; und wenn dieselbe uns wesent
liche Berührungspunkte mit anderen Ansichten zeigen wird, so ist dieta
eben ein neuer Beleg dafür, dass die Parteien in mannigfachen Knoten
punkten sich kreuzten. Gilbert nemlich unterscheidet an dem Begrill'e
der Substanz, welcher in allumfassender Weise als höchster Gattungs
begrill' von allen, sowohl körperlichen als unkörperlichen, Wesen gilt,
nach dem Standpunkte der theologischen Terminologie (d. h. des Ps
Boethius) zwei Seiten, wornach bei einem Wesen sowohl dasjenige.
was es ist (quod es! — subsimm), als auch dasjenige, wodurch es
ist, was es ist (qno es! — subsis!eu!t'a), als seine Substanz bezeichnet
wird ‘60). In letzteres aber nun, nemlich in die Subsistenz, verlegt er
in einer eigenlhümlichen Weise dasjenige, was wir bei Scotus Erigeua
als die „Natur der Dinge“ (vor. Abschn. Anm. 105 u. 127) und bei
dem Verfasser der Schrift De gen. e! spem als „um: creatura“ oder
nomina creau'o“ (oben Anm. 159 u. 163) trafen; nemlich er detinirt
Natur kurzweg als den die Wesen formenden artmachenden Unterschied,
und indem er es ablehnt, ein Subsistirendes oder etwa auch die Gattung
oder Art als Natur zu bezeichnen, sagt er, die Natur oder Dasjenige,
„X1!
459) p. mos Nc ergo lectoretu decipere possit aliqua dim‘o, quae. cum sen
sum aurium sono excitati in quacunque oratione ponamr, omm menti, quaeruon
signi/ioniv rerum proprielateni, quam apud philosophus didicil, recola! c! loquendi
rationes. quas logica ministral, altendat atque advmfw es; grammulicorumy Äis'bl'
ex dialeclicorum seu sophislarum, (51‘1an ez rhetorum locis considemns de tot signi
filcalis i‘d. quod ad propositum pertinel, convenientium iui rationum adminiculi!
etgul. t
460) p. 1152.: Hoc nomen. quod es! „substantie“, nun u yenerc naturalmm.
sed a communi ratione omm'um, quae sunt esse, subsistenliiun inditum es! non solum
illis, quae sunt esse, i. e. subsislenliis, sed etiam illis, quorum ipsae sunt cm.
i. e. omnibus rubsistentibus; quoniam tamen omnium, i. e. corpomlium et incomm
Iium, subsistenlium, quod ab illorum subsisicnlt'a communi generalissimum esse, no
men non habetur, saepe latini hoc pro eo ponum; unde el in lsagoge Porphy'itfl
(Boelh. p. 68.), ubi ait „substantia es! quidem", suppom't „e! ipsa esl yenus“.
qut-m iste (d. h. Ps.-Boe!h. de Trio.) scquilur, pro omnium subsistenlinm generalis
simo ait „subslaulia“. p. 1151.: lin-on nescire huius nominis, quod est „Nö
stantia" multiplich in naluralibus itsum, videlicet non modo i'd, quod ul, MM
mam 1'd‚ quo 881, hoc nomine mmcupari. p. 1161.: Non enim subsisten: Mumm.
m! etiam subsistenlr'a appellatur substanlia, eo quod utraque acridenlibus, dira-sil
tamen rationibus, xubslanL Subsislens igitur es! substantia1 non qua aliqua rennt!
es! aliquid, nihil em'm kubsisu-ntc es! aliquid, sed es! illa substanlia, quae es! ali
qu'id; subsistentia vero esl substann'a, non cui quid nitalur, quo ipso aliquid mv
sed quo solum subsislcns es! aliquid Es wäre unrichtig, wenn man in dem Aus
drucke „i'd, quod es!“ das quod als grommntischcs Snbject nähme; es ist Prädical.
denn die Formel für die concreten Dinge gestaltet sich folgendermaassen: m
subsisches sunt esse aubn'slentiarum, d. h. Dasjenige, was ist, ist das Sein seines
Wesens.
‚J.
.» g l _ .‚. .
. . i .
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. . . i
XIV. Gilbert Porretanus. 217
wodurch Etwas sein Sein hat, d. h. die Subsistenz, liege in den sub‚
slantiellen Formen (formae substantiates) und denjenigen qualitativen i
und quantitativen Bestiuuntheiten, welche mit denselben verfluchten i
seien 46‘), -— eine Auffassung, welche er im Sinne des Realismus auch
auf die Natur des lndividuum-Seins derartig ausdehnt, dass er z. B. in
dem Plato-Sein (Platonitas), welches hiennt gleichfalls eine Subsistenz
ist, auch den Grund der Individualität des Leibes Plato's erhlickt'ma).
Aber jene „substantiellen Formen“, mit welchen noch anderweitige Eigen
schaften verflochten sind, erhalten nun ihren eigentlichen Umkreis in -
den concreten Dingen. denn eine Form wohl sei auch das Wesen
Gottes, und Formen seien die platonischen Ideen der Dinge als Urhilder
derselben, Formen endlich seien auch die mathematischen Verhältnisse i
der Figur, aber in all diesen dreien Bedeutungen sei Form ein imma
terielles, hingegen jene Form, welche als das Sein der subsistirenden
Dinge der Grund dessen ist, dass sie smd, was sie sind, und hiemit
als Stoff Desjenigen auftritt. was mit ihr sich verflicht, sei eben darum
nicht immateriell, sondern hier seien Form und Stoff vereiiiigt‘öß). ln
dieser letzteren Sphäre aber nun, Welche auch die des Werdens und
der Bewegung sei, könne die geistige Auffassung des Menschen auf
„(a zu.
461) p. 1231.: haec igitur est propria naturae significalia, quae iii/finitums
i. e. secundum quam signifiaationem natura diffinietur hoc modos Natura est unam
quamque ram informuns specifiaa di/fererttin; secundum hanc diffinitionem nullum
principiuml nullum subsistens corpoream cel incorporeumy nullum genus vel species
subsistrntis, nullum omnino accidens appellatur natura, sowie die kurz vorhergehen
den Worte: naturae nomine monstrare cupientes rei-uini quae generibus et speciebus
sais sunt aliquid, cel generum ipsorum atque specierum substantialem proprietaiem,
qualis est u. g. rationalitus. p. 1255 f.: Natura enim subsistentis est. qua ipsum
subsistens aliquid ext,- hae vero sunt substantialcs formae et quae illis in ipso sub-l
sistente adsunt qualitates et mensurae quoniam sunt aliae nerioris nominic
subsjgfpntiac, quae nunquam a subsistente recedentes perpetuae vocantur. Hiezn
Anu‘i: 486. -
462) p. 1128.: Est enim proprium naturalium, quod sicut numero diversorum
proprietates diversae sunt, ita quoque subsistentiac numero sunt diversam et quod
una singularis subsislentia nonnisi unum numero faciat siibsistentem, ut Platonis et
ciceronis non solum accidentales proprictates, verum etiam substantiales, quibus ipsi
sunt (v. y. rel diversa corpora vel dirersi hamim-s) diversae aunt, et quaecunque
singularis proprietas.Platonem corpus esse vel hominemv eadem nullum alium esse ‚
facit idem. r
463) p. 1138.: Forma quoquc multipliciter dicitur. .Vam esse/ilia deiv quo
opifice est quidquid aesti prima forma dicitnr. Ouatuor quoque sincerae sub
slanliaiu iynisl aery aqua, terra, non quidem quae in syll/a (d. b. Öl”) mutuum
ceoznecmrpelluiroinaemeohraubenrdeemprcaoerdpioctraum,sunItd1easled gqrnueacee,exlatsiynletmveerto ifnoterlmlaigeibicloigsnpoemciinealsuanet saut.
lllud etiam quorumlilu-t subsistenlium quodlibet esse, ex quo unumquodque eorum est
aliquid. et quod earum. quae sibi adsunt, materia est, eorundem subsisteuliuni diei
tur forma, ut corporalitas omnium corporunL llicitur etiam forma illud quartum
genus qualitatis, quod est corporum figum Ex his manifestum est, quod mate
riarum alia informis et ideo simplcx, nt iiim alia farmata cf ideo non simplen,
ut corpora Ouae vero sunt esse subsislenlium, et materiae dicuntur et formae.
Similiter formarum alia nullius materiaey ul opi/icis essentia. qua ipse vere cst.
lllae quoque sincerae substantiam quae corporum exemplaria sunty sine materia
formae sunt Ouac vero sunt subsistentium esset sicut iam dictum est. non
modo formae sed etiam materiae nuncupantun figurae vero xensilium formae
tantum roguominunlur et non materiam x
l l v V g ks
. .‚ i . . ‚1.:
‚1 ty ad
m
‚y .z
me XIV. Gilbert Porretanus.
Grundlage der Sinneswahrnehmung und des Gedächtnisses (vgl. oben;
Anm. 41811.) die an sich unabstracten und concret gewordenen For-i'.
men des natürlichen Seins iinabstractal concreta. nntt'va) durch eine
andere Betrachtungsweise abstract erfassen —— abstractirn attendere —4"“),t.
und sowie bei der Erkenntniss des Göttlichen ein intellectuelles Vor-N
fahren. betrell's der mathematischen Formen aber ein disciplinäres Ver
fahren bestehe, so habe der Philosoph in den natürlichen Dingen ratio
nell (ratio—nabiliter) zu verfahren, indem er die Worte, durch welche
. sowohl dasjenige, was die Dinge sind (quod est). als auch jenes, wo
sv
rd-S
durch sie es sind (quo est), bezeichnet wird, mit verständigem Nach
denken erl'asse, und eben dieser Umkreis der natürlichen Dinge sei es
ja auch, in welchem Arten unter Gattungen subsuiuirt und Gattungeni
von Arten ausgesagt werden “5). So ist uns durch diese Anschauuan
weise Gilbert‘s nisi bereits klar, wie richtig Johannes von Salesbul'y
sich ausdrückte, wenn er sagt, Gilbert verlege die Universalien in die"
„I'ormae nationen der geschaffenen Dinge und bemühe sich um die ncon
formitasu derselben, welche einerseits vom Denken als das Allgemein
erfasst werde und andrerseits in der Erscheinung singulär auftrete ulli
Es erhält diess aber auch noch seine Weitere Bestätigung. l
Die substantielle Form nemlicb hat darin ein Sein, dass sie es ist,
welche das ganze Wesen und die mit demselben verlloclitenen Attribute
eines Dinges bewirkt und so als eine totale der Artbegrill' iSL, welcherE
aus Gattung und artmachendeni Unterschiede besteht‘“), wornach in,
miram-viri .--... I q -g
464) Ebend.: His itaque divisis oddenduni csI, quod primaria maten'n, ius
5117, at primariae formam i. e. oüdlu opificis et sensitium mam omni md
carrnL Ouae vero inabstracta a se invicem atque concreta sunt, i. e. sensih'a, mo
ventnr. formae vero sensilium, quamuis inabstractar ideoque motum ltnbentes, si
- tamen abstractirn attendantnr (man beachte diesen Ausdruck, s. Anm. 133.), hac
ns
vere abstractorurn imitatioue sine mqu esse dimnlnr; non enim tantum sicuti sunt,
verum etiam aliter quam sunty res atiquae saepa. vero cunripiuntuiu l-‘roptcr quod
etiam ipsa animi speculatio dividitur Cum enim natival sicut sunty i. r. con
creta et mabstracta, cousiderat, eo: sua quidem propria potestatey qua humano animo
datum est, cx sensuum atque imaginationum praeeuntibus adminiculis reri sensilia
ratio dicitur-1- scd ca: his quae considerat, natiois scilicet cI inabstractis et motum
habentilms, naturalis et in rnotn et inabslracta cognomiizatur . . . . .. Specalatiov quae
nativorurn inabstractax l‘on/las cousideraL Hiezu Anm. tibi
465) p. 1140.: Ar. per hoc in naturalibus, quae sicuti sunt percipi debentp sc.
concreta et inabslracta, oportebit philosophum versari rationabililcr, ut scilicet posito
nomine, quo ct id, quod est, et i'd. quo esI, signi/icatur, ea vi menlis, qua concreta
reri dehnt, diligenter attendatl quid proprie sibi rel quod est vel quo est concrctionis
consorlio exigahet quid ceterarum speculationurn locis rommnnircl ln naturali
bus enim dicitur homo species generis . . ideoque naturalis concrotionis proprietate
dicitur genus de specie praedicari ..... In mathematicis vero oportebit eum versari
disciplinobititer ln divinis intellectualiter versari oportebiL
466) Die Quelle hieven liegt natürlich in der platoniscb-theologischen Onto
logie des Pseudo-Boethlus.
467) Die Stelle ist oben, Anm. 67., angeführt. _
468) p. 1142.: tia quae est Iota forma substantiae hominis non modo er eo,
quod ipsa tota zum, in quo est, facit Imniuem, sed et ex eo, quod alia parte sui
eundem facit animatuml alia sensibileml otia rationabilemy recte dicitur esse aliquid.
Ouidqaid est alicuius esse, aut est tuta substantia illiusy cuius dioilur esse,
aut pars cius, quod est tota substantiug et tota quidem substantia speciesy quae de
I
h“ .‚_ 1
u -
lt!
XIV. Giibert l‘orretanus. ms
tit-viter Subsistenz, durch welche ein Ding zu dem Suhjecte seiner Wesens
i ‘Attribute gemacht wird, mehrere Subsistenzen wie in Einem Geflechte
ZüSülltlIlelllatlf0fl4GU). lliednreh aber haben die Gallungs- und Art-Be
grifl'e ein anderes Sein als die Dinge selbst; denn erstere haben eben
nur das Sein der Subsistenz, letztere hingegen haben das Sein, Subjecte
und Träger der in der ‚Subsistenz vereinigten Attribute zu seien").
Und so erfasst das Denken die Uattungs- und Arbßegrill'e als die Uni
versalien gegenüber den partieularen Dingen, indem es aus den cou
eret existirenden Trägern der Attribute auf das Sein der Subsistenz
v saminelnd (colliyere) schliesst‘“), wobei dann die natürlichen Dinge
w im llinblicke auf die Gattungs- und Art-Subsistenz, an welcher als an
dem wesentlichen Sein die einzelnen Dinge theilhahen, mit den Gattungs
‚afnnd Art-Yamen bezeichnet Werden, sowie die Attribute als Pradii-ate
i ausgesagt werden und auch denominativ die Subsistenz selbst das Sub
ject genannt wird‘flz). Sowie aber der Begrifl' des Sammelns (cotte
. 1-1». in
l
mm.‚_.
‚eo diriturg est, pars vero eins, quod est totum esse, genus est aut dificremia, quae
speciem ipsum conxliluit.
469) p. 4145.: Subsistmlia causa cst. ul id, quod per eum est aliqaid,
' ' propriis stt subiectum p. 1175;: quotiens enim subsislcns er subsislmtibus
iunctum ext, necesse esl, eius totum esse, t. e. illam qua ipsum perfertum est
sislentmm, ez omnium partium suarum omnibus subsistentii: esseloniunciam.
sum p. 1239.: autem et species, i. c. generales et speciali-s subsistenliae, sub
sistant lanlum, non substant vere, neque enim accidentia generibus specivbusve con
tinyunt, ut quod suntbaccidcntibus debeant (der Begritf accidens ist hier wie uber
'_ all in dem Sinne genommen, dass er gegenüber der Substanz die übrigen neun
l Kategorien umfasst) individua vero subsistunt quidem nere, iri/armata enim
sunt iam propriis et speci/icis differentiis, per quas aubsistuntg non modo autem
subsistunto verum etiam substant individua, quoniam et atcidrntibus, ut esse possint,
minislranl, dum sunt scilicet subiecta accidentibus.
subsis4l7e1n)tiape. imniufnaiiverEssasleinbtuisaesuinnt,uniinveprasrutliiclumlsarsiabuust, caipniupnatrtiscuublsatrainbtuisums,ubsit.anel., sub
stant Llnirersatiay quae intellectus ez partioularibus colligity saut, quoniam par—
licularium illud cssc dicunturj quo ipsa particularia aliquid saut; particularia vero
non modo samt, quod utique 0.1: huiusmodi suo esse sunty z‘i‘rum etiam substanh
472) p. 1137.: Ad gcnerales quoquv et speciales aubsislentiuag quae suhsisten
iiam, in quibus saut. esse iiicuntur, ca quod eis, ut siut aliquid, con/erunts eius
dem nominis, i. e. materialiy alia fit denomiualia. p. 1140.: Essentia est illa res,
quae est ipsum esse, i. c. quae non ab alio hunc mutual ilictioiwiii. et ex qua est
esse, i. e. quae ceteris omnibus caudam quadam cxtrinseva participatione communicat
namque in nuturalibus omne subsistcntium ez forma ext, i. e. de quocunque
subsistentt- dirilur „t'sl“, fomiae, quam in so habel. participationcdicitut p.1141.2
omnia (Ie subsislr'nle dicantar, ut de aliquo liomine Iota forma sabstantiae, qua
ipse est per/actus Iiomo‚ et omm- genus omnisque difl'ereutia, ex quibus eat ipsa
(omposila, ut corporalitas et animalio, et denique omma, quae vel toti illi formae
adsunt, ut tiummiitali risibilitus, vel aliquibus partibus eins. p. 1145.: Ouom'am
subsistentia causa cst, ut id quod per eam est aliqaid, suis propriis sit subiectuml
ipsa quoque per deuominationem eins subiecta dicitur et eorundem materia (p.
1146.) et ideo nmcralilzr cum qualitatibus qualitas dicitur et cum aulis albedinibus
sperialitcr ulbedo, atque alleo multa sunty quae de istis dicnnlar, ut saepe etiam
c/ficiendi ratione a coavriilentibus ad ea‚ quibus coacciilimt, denominativo trans
sumptio fiel, ut nliuca cst longay albedo est clura“. p. 1199.: Hoc iyitur, quod
habet a substantia, nomen ad ca, quae ex ipsa fluz'erunt, denominulive trunsump—
tum est.
l iui s
con
sub
n».—
220 xw. Gilbert Vorreniifiä.
clio), welchen Gilbert förmlich zu einer Definition der Gattung benützt“),
uns schon oben in der Indifferenz-Lehre (Anm. 136), bei Gauslenus,
(Anm. 146) und bei dem Autor De gen. et spm (Anm. 162) begegnete,
so verbindet tlilbert damit in realistischem Sinne eine Auflassung, welclle
er durch die Ausdrücke „substantialis similitudon oder .‚ron/omauter
substatentiae“, am liebsten aber durch das bei ihm so häufige Wort
„confornn'tas“, selbst mit Ausdehnung auf die Namen der Dinge, bezeich
netr“), wobei wir die Verwandtschaft mit der „similis creati'o“ des
Buches De gen. et spec. (Anm. 163) und insbesondere mit Abälarti’s
„consimilitudo“ (Anm. 299) nicht verkennen können; hemerkenswerth
aber ist, dass Gilbert das Wort „indifferentia“, welches ihm doch galt!
nabe liegen musste, ausschliesslich nur bei den theologischen Discas
sionem über die Trinität anwendet‘“), hingegen wohl des WM”
„identitas“, sowohl bei Substanzen als auchv bei Attributen, sich vlie
dient‘nü). Er nimmt überhaupt diese tormgebende Kraft der Univer
salien so realistisch, dass ihm nicht hloss z. B. die Weisse. senilem
auch die Einheit als eine dergleichen Form erscheint, welche hei jedem
Prädicate mitwirken müsse, um den Träger desselben zu Einem ttltttie
zu machen 47"), und während er liiedurcli dem oben angeführten bin
wande (Anm. 438, was möglicher Weise selbst direct geizen nime-rtr
gerichtet sein könnte) preisgegeben ist, gelangt er dabei auf eine tur ‘
die Trinitätsfrage.nutzbare, aber von Anderen wieder heftig itßiiitmlmei
Unterst‘beidung‘zwiscben Einheit und Eins oder überhaupt zwtschen
-'.-<
S
473) p. 1252.: Genus vero nihil aliud pulundum cst, nisi snbsistenlimf‘,”
cundum totam eorum proprietatem ex rebus secandum species suas diffmnhwm
litudine oomparala collerlio. ' x
474) p. 1135.: bina-sac subsislcntiae, ex quarum aliis homines ft “im
equi sunt animalia, non imitationis vel imaginariav sed substantiati minim
ipsos, qui secundum cas subsistunly faciunt esse oon/‘m-mes. p. mar U'm’m"
etiam multa subsistenlia unum et idem non naturae unius singularitath sed "mm
( rum, quae ratione similitudinis fit, unione lila, quae diversarum "dumm"
adunat conformilas, genere vel specie unum dicuntur . . . . .. Tres homines "(111" iri
nere nle sflecie, i. e. nulla subsisu-nliarum dissimilitudinel srd suis accideali
dissimilitudinia distant ‚ sunt conformanlium ipsos subvislentinrum min lefi
p. 1175.: Conformilate aliqua plures homines dicantur cundum propositae naturae ptonitudinem dicitur uibstantiautniuss sihmnimloi.tudoPq. (uImnilg‘mi’a
bum albo simile est et homo homini. p. 1194.: Tales sunt omnes di/frreutlat fuit
quae mil huic goneratissimo proxime cum ipso quaedam contractioris sinnldudittß
cadohnasetrietnutaems gqeunamelriub,etqusaueb iapsilsogiscuibssissluebnatlitaemrnaspeacpipactlelmantouormlponvuelnts.ubapl-te1r2n3a " nim
videlicet subsistontia specialir, quae est huius nominis qualitas una quidem co
mild/e, sed plures essrnliae sinyulan'lalc, de singulis hominibus. Ebenso l'
1262. u. s. l'.
475) So z. B. p. 113-1. u. 1152. u 1169. ‚i
nam p. neas ldentilate unionis homo idem quod homo rsl, tum Mumm.
cicero unione speciei sunt idcm homo idcntitatey quae ut proprietatis m 1‘ ‚
um, rationale idem quod rationale ext, veluti anima hominis c! ipse homo ita
speciei. sed unitate proprietatis sunt unum rationale. w
477) p. 1178.: unilas omnium praedicamentomm comes cst; nam de idcm
cunque aliquid pruedtculur, id praedicato quidem est hoc, quod nuntiat "1) ‚am.
sibi indito et verbi substantici compositione esse significutur, sed unitate tPs' “Mm.
dritte est unum, ut album albedine quidem album est, sed unitate cMCßid‘m" a
diai unum, rt simnl ulbedine cl eins comite unitatl- est album intuth u
XIV. Gilbert Porretanus. 221
den Zablwörtern und den ihnen zu Grunde liegenden ldcalfornien, in
soferne erstere nur von den concreten Dingen, welche eben der form
gebenden Wirkung der ideellen Universalien unterliegen, ausgesagt werden
können “79). Sodann aber knüpft sich an den Begriff der ronformitas
auch noch die Auffassung, dass im Individuum alle möglichen Bestimmt
‘ebeiten derartig vereinigt sind, dass dasselbe in der Totalitz'it seiner Sub
„sistenz (vgl. Anm. iam mit keinem anderen Wesen conlorm ist, und
.r'hiemit die Individualität in dieser Wesens-Unähnlichkeit liegt. wohin
gegen alles Nicht-Individuelle auf einer Aehnliehkeit beruht und hiernach
in seine individuellen concreten Erscheinungsweisen, welche in ihm ähn
lich, unter sich aber unähnlich sind, getheilt werden kann; es be
zeichnet Gilbert diese Anschauung dadurch, dass er das Wort „divi- ‚
den“, Welches wir hier zum ersten Male treffen, für die sog. nomina
appellativa und „indii‘idua“ für die sog. nomina propria wählt‘W).
Eine logische Verwertbung dieses ontologischen Realismus liegt in
jenem Aiifundabkletterii an der Tabula loyica, welches nach dem Vor
gange des Boethius in Definition und Division geübt wird 45"), und
hiemit in der Funclion des Aussagens, insoferne durch dasselbe nie das
concrete Sein selbst, sondern nur das Wesen, d. h. die Subsistenz und
die Wesens-Attribute, über die concreten Dinge ausgesagt werden‘“),
i dit
‚
478) p. 1148.: Uuod est unumv res est unilati subiectaa cui scilicet vel ipsa
unilas imst, ut allw, vel adesty ut albedini; unilas vero est i'd, quo ipsuml cui
inest, et ipsam, cui adest, dicimus nimm, ut album unumj albedo una. Kursus ea,
quae dicimus esse den, in rebus sunty i. e. res sunt dualitati similiter subiectael
quae duae sunt ideoque non unilas ipso, sed quod ei subiectum estl unum
est, nec dualitas ipso, sed quod ei subiectum esl, recte dicitur duo nam vere
omnis numerus non numeri ipsiusj sed rerum sibi suppositurum est numerus. Dass
aber überhaupt selbst dieses orthodoxeste Bestreben bei manchen anderen Theologen
wenig Dank einärndtete, sehen wir daraus, dass, wie Bulaeus, hist. an. Par. l, p.
404. berichtet, der Prior Walther von St. Victor eine eigene Schrift gegen die
„vier Labyrinthe Frankreichs“, nemlich gegen Petrus Lombsrdnsv Abelard, Petrus
v. Poitiers und Gilbert. verfasste; aus Handschriften derselben (in der Bibliothek
von St. Victor) theilt I.aanoi‚ de var. fort. An'slot. c. 3, p. 29., folgende ‘Stelle
mit: ouisquis hoc legeritv non dubitalritl quatuor lahyrinthos Franciar, i. e. Abne
lardum et Lombardumy Pelrum Pictaninum et citbertum I’orrelanam, nno spiritu Ari
stolelico a/flatos, dum ine/Tabilia trinitatis et incarnationis scholaetica lcvitate' tracla
rent, multas haereses olim vomuisse et adhuc errores pullulare.
479) p. 1164.: Si enim dividaum facit similitudor consequens est, at indivi
duum dissimi'litudo. p. 1236.: Homo et sol a grammaticis appettatioa nmntna, a
dialecticis vero dividua vocantar, Plato vero et eius singularis albedo ab eisdem
grammaticis propriay a dialecticis vero individua‘; sed harum homo tum actu quam
natura appellativum vcl dividuum est, sol vero natura umtam, non acta; multi nam
que non modo natura, verum etiam actu1 et fuerunt et sunt et futuri sunt substantiati
similitudine similes homines. p. 1165.: Hestat igitur, ut illa tantum sint individuar
quae ex omnibus composita nullis aliis in toto ponunt esse conformia, at ez omni
(ms, quae et actu et natura fuerunt vel sunt vel futura sunt, Platonis collecla Pla
tonitas.
tum p. 1128.: Sicut in dif/initiva demonstratione species generel sic in diri
siva genus specie declaratur. p. 1130.: „Nulla species de suo genere praedicaturu
in di/fnilionum genere verum est, item „omm's species de suo genere pracdicatur“
in dioisionum genere verum est. v
481) p. ima Nunquam enim id, quod est, praedicatum sed esse et quod
illi adest praedicabile est, et sine tropo nonnisi de eov quod est. (Wenn hiemit
l
222 p xiv. tiilliert l’orretanus.
„-_.
_
‚M
d. li. Gilbert spricht seinen Realismus aus, indem er alle kategorien
als die reellen Uausalitiiten ihrer Erscheinung in den concreten Dingen
betrachtet und so als oberste Gattungen nicht der Aussagen, sondern‘
der ohjecto bezeichnet, wornach die logische Function ([acultas togica)
nur. einen Abklatsch der Realität enthüll‘“). Dabei aber scheidet. er die
Kategorien nicht bloss in der üblichen Weise, dass die Substanz allen
übrigen neun gegenübersteht, sondern letztere zerfallen ihm wieder in .
solche, welche zu dem inneren Wesen gehören, und solche, welche nur
eine äusserliche Verbindung enthaltennii); nemlich Qualität und Quan
tität, welche zur „Natur“ (Anm. 461) oder Suhsistenz gehören, dienen
darum noch der Aussage des wahren Seins florere esse), wohingegen die
übrigen sieben Kategorien, ——— also mit Einschluss der Relation «t»,
nur dem äusserlichen wechselnden Verhältnisse der Zustände (slalus.
vgl. rircumstamia bei Boethius, Abschn. X'll, Anm. 166) ainheiml'al
len 4%“). 1 v
-. g ‚ ‚J
Gilhert die blussen Existentialsittze als nichtssagend bezeichnete, so kam er hie
durch wieder in Conllicl mit Theologen, s. Otto Frisr'ng. de gest. Frid. l, se p.
437. Urstis.: Emt quipr quorumtam in logica sentential quod, cum quis diceret,
Surrutem esse, nihil dicerel; quos pruefatus episcopus sectans talem dicli usum haud
praemeriitate ad theologium verlernt).
482) p. 1173.: Horum nominum illa signi/ieata. quae diversis rationibus gram
matici qualitates, dialectici calegorias. i. e. proedieamenta. vocanti pracdieanlur
sulistanlialiter. p. 11:33.: Oualitas omnium qualitatum generulissimnm est et quan
titas omnium quantitatum ideoque qualitas esl qualitas genere eniuslibel quali
latis, quale vero est quale qualitate-euiustibet generis similiter "ultima, quod est
ad aliquidl relatio est. et nulla relatio est ad aliquidl sed id, de quo ipsa dieitur,
est ad aliquid Uhi quoque et quando et habere et situm esse et facere et pali
nomina sunt generalissima non eorum, quae praulicantur, sed 00mm, de quibus prae
dirrmtw' haec igitur praedicanlenta talia sunt relationibus logicac facultatis,
qualia itta subiecta, de quibus ea convenit diai, permiscrint. p. 1146.: ('eteras,
quae in corporibus sunt, nocanles formas hoc nomine abutimur, dum non filme. evd
idearum sint fixo/reg i. e. {mag/irres, quod utique numen eis melius cmircm't; assi
mitautur enim . . . . .. quadam extra substantiam imitatione his formix. quae non sunt
in materia constitutum sincm-is.
483) p. 1153.: Uuidquid hoc est subsiatenlinm esse, eorundem substantia diti
lur, quod utique sunl omnium subsistentimn specialex subsistenliae et omnes e:- qui
bus hae compositae simt, scilicet eorundem subsistentiunz. per quas ipsa sibi mn
fonuia sunt, generales-y et omnes v. per quas ipsa dissimitia Acct'dcnliu vero de illis quidem substanliis, quae ex esse ssuunntt,y dailfli‘eqrueindtiadlme:mlurl
sive in eis creata sine extrinsecus omm sint, sed eis lanlum, quae esse sunt. ‘
accirlum.
484) p. 1156.: Haer quidem, i. v. substanliae, qilalilales, quantitales, sunt
tatiay quibus vere simt, quaecunque his esse propommtur, ideoque recte de ipsis
praedicari dicunlur; reliqua vero septem generum accidentia non vero essendi
- ratione praedicantun nam . extrinsecis scilicet rireum/usns et determinatus minimo
pracdicarctur, si non mis esset per se proprietatibus informatns. p. 1160.: sic ergo
praedicatio alia est, quae vere inhaerens inhaerere praedicatum alia, quae quamvis
[0mm inhaerentinm lial. tamen ita exterioribus datury ut ea nihil alicui inhaeret-t
intelligo/un p. mss f.: Cetera vero (vgl. Anm. 461.). quae de ipso naluraliter
dicuntur-1 quidam eius status uocanturv eo quod nunc sic nunc vero aliler, retinens
has quibus aliquid est mensuras et qualitatex el maxime sabeislenliasv statualur
sua net loco vet habitu vel retationc vet tempore vel actione vet passione sta
tuitur. So wird auch nusdrücltlichst von der Relation gesagt p. 1163.: relatum
pruedicatw consistit non in eo, quod est esse.
XIV. Gilhert Porretanus. 223
Eben diess Letztere aber nun führt uns auf Gilbert's Schrift De
sex priiwipii's‘öä), ein in der 'l‘hat, klägliches Machwerk, welches wahr
lich nur durch die Boruirtheit des Albertus Magnus zu Ansehen und
Geltung knnnnen konnte. Es begegnet uns dort zunächst wieder (vgl.
Anxn. 461)‘ der Begrill‘ des substantiellen Seins, in welchem die Form
einer Verflechtung der Wesens-Bestandtheile liegt‘s“), wobei ebenso
unniotivirt wie oben (Anm. amp bemerkt wird, dass aus der Singulari
liil der cuncreten Dinge durch das Denken das einheitlich Gemeinschaft
liche (eom-muue) und Universelle ert‘aSst wird‘s"). Sodann aber wird
auf die Kategorien mit jener nemlichen (Anm. 483 l'.) Zweitheilung in
innerliche und ausserliche übergegangen, jedoch mit dem Unterschiede,
dass nun hier die Relation nicht mehr unter den äusserlichen aufgezählt
wird, sondern dieselben nur aus den sechs letzten Kategorien (actio,
passio, ubil quarado-1.situs. Iiabere) bestehen sollen, und da die ersten
vier Kategorien schon hinreichend von Aristoteles besprochen seien, so
will Gilbert nun ebeu jene übrigen sechs vollständiger erörternlss).
So erfüllt er ein Bedürfniss, welches wir schon früher (Anm. lS u.
344) aussprechen sahen, und indem er in seinem realistischen Wahue
auch diese Kategorien als „primipia“ bezeichnet (vgl. Anm. 477 u.
482). erhielt diese seine verstandlose Schrill auch in Anbetracht ihres
Titels später eine solche Bedeutsamkeit, dass sie gleichsam als integri
rendcr Theil in das Organen aufgenonnnen wurde.
Zuerst th'tl actio deliuirl und mit schärfsten: Dualismus zwischen
körperlicher und psychischer Action als reeiproo mit dem Begritl'e der_
Bewegung bezeichnetl“), worauf die Bemerkung folgt, dass die Eigen
lhi'inilichkeit der Action darin liege, passio zu erzeugen‚ und hiernach
die aclio das nrant'iingliche „l’rinrip“ sein"), und es wird nun der
4&5) ln Folge der Aufnahme in das organum gedruckt in fast sammtticheu
ältesten lateinischen Uelierselzungen des Aristoteles; ich citire nach An'stol. om
tat. l’rnet. 1552. ['ol. vnl. l.
486) Cap. l‚ f. 31. L A‚: Forum est compositiuni routinyens, simplici et imm
riabili morum oonsistens Substantiale vero est, quod ran/er! esse ex quadam
composil-imte m:lipusitinni‚ ut in pluribus, quod impossibile est deesse et.
437) f. 31. v. B.: Sicut ez plurium partium coniunctione constitutio quaedam
primorum exeedens quantitatem c/ficilui‘, sic ut singularium dixere-tione unum quod
dam intelligitur eum-m ezcedens praedioalioucm. So auch f. 32. r. B.: omnes ‚lut
dem homines eim hominisv qui communis est et universalia
488) f. 32. l‘. A‚: lit/rum vom, quae conlingunl ea:islenli‚ siuyulum aut ertrin
secus advenit aut inlra substqntiam cdnsirleralur simplt'ci'ler. ul linea, super/idest
ocrpus; ea wro. quae extrinsecus cuniingunli aut uetus aut pali aut disposilio out‘
ense alicubi aut in mora aul habere nerrssurio erunt. Sed de Iris, quae subsidunt
et quae non sulum in quo existunt væigunly in eo qui „De cimyorits“ libro imm-t
bitur dispulalum est; de reliquis vero continua agamus.
489) Cap. 2‚ ebend.: Amo vero est, secundum quam in i'd. quod subtiritur,
agere dicimur Differuut autemv quoniam ca, quae corporis est, moucns es! fle
ceßsurio ‚lind, in quo est, actiu autem animae mm id movel, m qu'o est. sed
coniunctum; anima enim, dum agit, mmmbi'tis est .J. onmis ergo actio in inqu
est, omnisque motus in actione firmabitur. _ ‚
490) f. 32. r. B.: naturalis vero uctiom's proprietas est, passionem ex se in
i'd, quod subticitur, in/erre, omnis enim actio passionis est cffrch'va et sic actus
quidem esl primordiale principium
l
l
I
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224 XIV. Gilbert Porretauus.
Begriff des „[kwere“ in den dürrsten und grundlosesten Behauptungen
auch auf alle übrigen Kategorien angevt'endetM‘), und nach dem Muster
der vier ersten Kategorien das Verhältniss des Gegensatzes und das
Mehr oder Minder auch an dem lacero und pati aufgezeigt‘un). Dann
folgt trotzdem zweitens passim bei welcher die Verschiedenheit der
Wortbedeutung hervorgehoben wird 493). Hierauf wird drittens quando
vorgeführt, welches wohl mit tempus verwandt sei, aber von demselben
sich dadurch unterscheide, dass die drei Zeiten, Vergangenheit und
Gegenwart und Zukunft, kein quando seien, sondern nur eine Wirkung
und Eigenschaft, vermöge deren Etwas als vergangen u. f. bezeichnet
werde (Aehnliches s. oben Anm. 194); auch könne nach dem quando
Nichts gemessen werden, wohl aber nach der Zeit‘g“). Hieran reiht
sich als Gipfelpuukt des Unsinnes die Angabe eines Unterschiedes zwi
schen quando und ubi, da das quando der Gegenwart zugleich mit dem
Augenblicke selbst in dem Nemlichen sei, was bei dem ubi nicht sich
findems), sowie eine Eintheilung des quando und des tempus in ein
fache und zusammengesetzte 49°), und zuletzt die Notiz, dass das Ver
hältniss des Gegensatzes und des Mehr oder Minder bei quando nicht
stattliabeHT). Nun folgt Viertens ubi, wobei die analoge Unterscheidung
zwischen ubi und- locus auftritt‘“), und an die Unmöglichkeit, dass
eum Ebend_: facere vero i'd, quod quale es!‚ ez se gignit Ltuantitatum vero
partirutarium positio effech est et qualitatum ....‚ universa enim haec a situ sub
stantiam et generationem haben! Sims autem agere et paliy in dispositionix nam
que compositione quaedam generatio simplicium fi!‚ quam in niotiva actione consistere
necesse est. uuanda vero tempus. ubi vero locus, habere autem corpus. ea enimy
quae circa corpus suvll, haberc dicuntur.
492) Ehend.: tlecipit autem facere et pati oontrarietatem e! magis et minus ....‚
secare enim ad ptantare contrarium es! et cateperi magis et minus dm'lur.
um C. 3, f. 32. v. A.z Passiv es! effectus illatioque actioms Es! indem
pati commi quae multipliciter dicunturg animae enim actionum unaquaequc passio
dicitur dicitur quoque pussio, quod in naturam agits ut morbus Ea um,
quae nunc relinquuntun in eo qui est „De generationeu libro tractantur (dieses Citat
ist aus Bot-M. p. 190. entnommen).
494) C. 4, ebenil.: Ouando vero esl, quod ex adiacentia (vgl. Anm. 504.)
temporis relinquiturg tempus vero quando non esty utriusque autem ratio coniuncta
esty ut tempus quidem praeter-itum quando non est, c/fechis autem eius et afl'cclio.
secundum quum dicitur aliquid fuisse1 quando esl; instans autem quando non es],
sed secundum quod aliquid aequale vel inaequalc esl,‘ eius autem afl'ech'o, secundum
quam aliquid dicitur in instanti essel quando est ,‘ futurum similiter tempus quando
non m. f. 32. v. 8.: bistat autem et tempus ab eo, quod quando. quoniam se
cundum tempus aliquid est mensurabilr, ut motus lannuus ...„ at vero secundum
quando niliil mensuralur, sed aliquando dicitur esse.
495) f. 32. v. B.: lll/fert enim quando ab eol quod est ubiq quoniam in quo
cunque tempus est vel fuit vel eriI, in eo quidem quando est vel fuit vel erit, quod
secundum idem tempus diciturg quando em'm, quod ezistenti es!‚ cum ipso instanti
8M, et simul in eodem sunt ubi vero et locusr a qua est vel lil, nunquam simul
in cudcm; ubi enim in circumscriptione es!‚ locus autem in complectente.
496) Ehend.: Quando autem sicut et tempus aliud quidem campositum ests
aliud vero simptezg es! adlem compositum, quod in composita actione consimili
simplex veros quod cum simplici procediL
497) Ehend‚: inest autem quundol non suscipere magis et minus amplius
quando nihil est contrarium
498) C. 5, f. 33. r. A.: ubi vero ext circumscriptio corporis a circmnsnriptiune
XIV. üilbert Porre'tanus. ms
zwei Dinge in Einem Orte oder Ein Ding an mehreren Orten sei, sich
auch obige Controvcrse (Anm. 203) über die Fortpflanzung des Schalles
anknüpftw"); auch das ubi wird in einfaches und zusammengesetztes
eingetheilt, und demselben das Verhältniss des Mehr oder Minder, so
wie auch jenes des Gegensatzes, sogar mit ausdrücklicher Beztehung
auf die Begrill'e des Oben und Unten, abgespröcheu 500). Fünftens folgt
situa, oder wie Gilliert es nennt, positio, in möglichst rohem Realismus
aufgefasst, so dass alle speciellen Erscheinungen dieser Kategorie, wozu
auch z. B. Bauh und Glatt gezählt werden (vgl. Anm. 193), nur als
abgeleitete Ausdrücke betrachtet werden 3""); dass diese Kategorie der
Gegensätzlichlteit fähig sei, wird darum verneint, weil Gegensätze nur
Einer Gattung angehören, hingegen das Sitzen und das Liegen verschie
‘denen Gattungen anheimfallen, indem nur vernünftige Wesen sitzen
können, die übrigen aber liegen 5"9); und während auch das Verhält
niss des Mehr oder Minder hier unstatthaft sei, müsse diese Kategorie
in die nächste Verbindung mit der Substanz gebracht werden, da die
Substanzen eben in ihr ihre Anordnung finden 503). Sodann ist sech
stens noch habitus übrig, welche Kategorie mit dem uns von Abälard
her (Anm. 284) bekannten Begriffe der adiacenlia idemitieirl wird 5'");
loci proveniensg locus autem in co ut‚ quod capit et rircwnscribit Nun est
autem in eodem loeus et ubiq locus enim in eo, quod capiti ubi vero in eo, quod
circumscribitur et complectitun
499) Ebend.: Nequaquam igitur duo in eodem loco esse simul possunt nec
idcm unum in diversis Movet autem quis quaestioncm fortasse idem in diversis
et pluribus coucludens, etenim vox in auribus diversorum est .....lion/iteri oportet
omnino, unam particulani aeris ad aures diversorum pervenire helinqaitnr igi
tur, diversam sensum esse imaginabititcr se generantium et similiteiu
500) l. 33. 1‘. B.: tibi autem aliud quidem ximpte.-c. aliud vero compositanig
simplex quideml quod a simplici loco protrdt'l, composilurn autem. quod ex coni
posita Caret autem abi intentione et remisst'onc, non enim dlcitur alterum altero
magis in loco esse ret minus lnest autem ubi, nihil esse contrarium Sur—
cum enim et deorsum esse contraria pluribus videntur .. .. Lontinyit autem contraria
in eodem esse ...., si enim sursum esse et inferius csse contraria sunt, cum idem
sursum cl deorsum sil, colligitur, idem sibimet contrarium ficri.
501) C. 6. f. ss v. A.z Posilio est quidam partium situs et generationis ordi
naliol secundum quam dicuntur stantia vel sedenlia Sedere autem et iacere posi
tiones non sunt, sed tdenorainatire ab his dicta sunt Satet aulan quaestio induri de
curvo et rectu, aspero et leni Non sunt autem positiones ca, quae dicta sunt
omnia1 sed qualia circa sitam existenlio.
502) Ehend.: Suscipere autem videtur situs contrarictatcn nam sedere ad id
quod stare contrarium esse videtur Ponentibus autem nobia, haec contraria ossc.
inconvenientia recipere cogirnurl hoc quod unum sit contrarium pluriumlnn Arnplius
autem contrariorum quidem ratio cst‚ circa idem natura eristcrc; sedere autem et
iacere non circa idcm natura sunt seium-ta, est enim sedere proprie circa rationalial
iacer-e vero ct accumbere circa diversa.
503) l'. 33. v. B‚: Proprium autem positionisy neque magis neque minas dici
Magis autem proprium videtur esse positionis, substantiae proxime assistere
omnibus quidem atiis formis supposilisg positio enim nihil aliud ext, quam naturalis
ipsius substantiae ordinatio.
504) C. 7, f. 33. v. B.: Habitus est corporum et eorunii quae circa corpus
sunt, adiacentio, secundum quam hoc quidem haben. illa vero dicuntur haheri;
haec autem non secundum totum dicunturs sed secundum particularem dinist'unem, u!
armatum esse K . _ ‚_
Pn man. aesch tl. i lß
226 ' xiv. ‚Gilhert Porretanus.
wenn dann gesagt wird. das Verhältniss des Meln oder Minder sei m
der llegel bei habere statthaft, zuweilen aber, z. B. bei Bekleidet-sein,
unstatthaft, und die Ge'gensätzlichkeit bestehe in dieser Kategorie nicht,
weil Bewaffnetsein und Beschuhtsein nicht Gegensätze seieni’osy so
gibt auch diess hinreichend Zeugniss von der logischen Befähigung des
Verfassers; als Eigenthümlichkeit dieser Kategorie wird angegeben, dass
dieselbe stets auf eine Mehrheit hinweise, was nur in mancher Bezie
hung auch bei der Quantität und der Relation der Fall 561'506); endlich
werden noch fünf verschiedene Bedeutungen des Wortes habere linge
führt 507). Nachdem aber dann diese Erörterung über die „Principieu“
abgeschlossen wird 508), folgt noch eine specielle Besprechung des
magis et minus, wobei Gilbert die oben (Anui. 196) erwähnte Contr0-‚
verse abschneidet, indem die tlradabstul‘ung weder m der Substanz
selbst liegen könne, da diess gegen den Begriff der Substanz verstiesscv
noch aber auch in den Accidenzien, da dann der höhere Grad 1. B.
der Weisse in der Grösse der Oberfläche liegen müssteC), wornach
sich ergebe, dass auch nicht III beiden zugleich. nemlich in Substanz
und ihren Accidenzien, das Mehr oder Minder seinen Sitz habe 5°")
Der positive Entscheid aber, welchen nun Gilhert gibt, beruht darin,
dass das magis vel minus in dem Grade liege, in welchem der facti
sche Bestand näher oder entfernter der Wortbedeutung des die Qttililil
bezeichnenden Wortes stehe, eine Gradabstufung, welche bei Subsunzell
darum nicht eintrete, weil die Bezeichnung derselben in festen Grünten
(in lerminis) sich bewege, wobei jedoch Gilbert zum Selbstbekenntnim
des Unsiunes, welchen er verbringt, hinzufügen muss, dass eine solche
Festigkeit sich doch auch bei einigen Qualitäten finde-“0). Die Saclle
l ‚ .
505) f. 34. r. A.: Suscipit autem habitus magis et minus, annatior emm esl
eques pedite in quibusdam autem non uideturj quod cum magis et minus prdf'
dicenlury ut vestitum esse et similia llabitui quoque nihil est contran'nm, emm
urmatio calceationi non est ccnlran'mn.
506) liberalis Proprium quidem habitus esl, in pluribus existere ln P'lw’
autem aliis principiis huiusmodi inveniesg in quantitate enim solum et i" hlfv
quae ad aliquid sunl, similia reperies Habitus autem omnis in pluribus necessaria
existitv ut in corpore et in hist quae circa corpus sunt
507) Ehend.: Dicifur autem habere multis modisg habere enim dicitur altem
tiourm dicitur etiam uns aliquid habere haberi- quoque in membra dicimur
dicitur vir uxorem haberc et recipere uxor vimm ouare modi hnbvndi. q"
diri consueveruntl quinario numero terminanlur.
508) Ebend.: Et quidem de principiis haec dicta su/ricianL reliqua vero i" "L
quod de Analyticis est , quaeranlur volumine (s. Anm. 21.).
509) C. 8. f. 34. r. B,: Nun ergo secundum suscipientium ipsorum crt‘mflüm"
vel decrementum cum „magis rel minus“ aliqua dicunturg nulla enim ratio obuiaret
hominem el animal el substantiam et cetera consimitia cum „magis ct minus-l din
Maus etiam alio monte maior diciturv cum neuler Amplius autem neque-secundum eu, quae inliciuntg si ecnriemseasterruenldudmecmreasgcnaittudiml
albedinis vel alicuius relerorum dicitur aliquid albius aliquo rel secundum parvilatem
minus album vel quomodolibot atitem utique et magis albus equus vel homovel quail
über aliud albius margarita diceturg etenim maior albedinis quantitas equo um“
quam margin-iine f. 34. v. A.: Palet itaquey nihil secundum magis el minm
pi-aedieari neque serundum subierti solum augmentum rrl diminutionem neque setur
dum accidentisg quare neque secundum utrumque
510) l‘. 34. v. A.: oportet igitur ab alio ea moenirß. quae cum „man“ d
xtv.--. Gilbert Porretanus‚ collum Freising e ‘ 227
läul‘t ja schliesslicb auch in den Kern aus, dass in der Vielhcit des
Materiellen überhaupt das Werden und die Relativität ihre eigentliche
Stelle habenan und der unlogische Realist macht dann für dieses
Gebiet den Sprachausdruck zum Maassstahe, während er tur den Um
kreis des wahren Seins in dem Worte nur den Abklatsch einer Idee
besitzt.
So gibt uns Gilbert‘s Schrift über die Kategorien einen wahrhaft
trübseligen Beleg dafür, dass jene Zeit um Nichts weniger unbeholfen
und unfähig war, als die vorhergegangenen Jahrhunderte, sobald man
nur irgend ohne das Gängelband der Tradition in den einfachsten llingen
einen selbstständigen Schritt zu thun versuchte,
Als einen Anhänger aber Gilbert’s bezüglich der Auflassung der
Universalien zeigt sich uns Otto von Freising (geb. 1109‚ gesl
1158), welcher in seine historischen Werke zuweilen förmliche Excurse
philosophischen Inhaltes verflicht und dabei in den üblichen Redens.
arten seinen theologischen Respect vor l’lato und zugleich die Werth
schälzung der aristotelischen Logik aussprichl5l2). indem er gelegent
lich einmal der Annahme beistimmt, dass die concret existirenden Wesen
den lnhalt und Gegenstand der erklärenden Aussagen bilden, hingegen
die Art- und tiattungsbegrill'e im Hinblicke auf die in ihnen beruhende
Ursächlichlteit von den Dingen prädicirt werdenbm), erklärt er sich
ein anderes Mal ausführlicher über dieses Verhältniss, wobei er voll
ständig die Ansicht Gilbert’s, selbst im worllaute übereinstimmend (na
minus“ dicimlur. llumsmodi vero sunt ea, quae sunt in voce commi quae adire-niunty
et non secundum subiecti vet mutatis crementum oet diminutionemy sed quoniam eorumy
quae sunt in vocey impositioni propinquiora sunt sive ab eodem remotiora sunts de
Iu's etenim cum hmagisu dicuntun quae proximiora sunt ed. quae in ipsa voce m,
iugmsithzmiv eum „minus“ autem de tuin quae remotiora consistunt ouanto igitur
ad vocis impositionem acci-dens pim'ori infinitur albedine, tanto et candidior assigna
bitur hubitabit autem attquis. quare haec quidem cum „magis et minusu dican
turl substantiae rem minime Hoc autem contingiL quoniam substantiarum inipositio
quidem in temiino estv ultra quem transgredi impossibile est. Addimr autem et de
accidentibus quibusdani. quae sine .‚m/iyis et minusu dicurtttir. ut quadranyulusl
triangulus et similin.
511) f. 34. v. B.: In sutnecto enim duo sunt, quorum haec quidem est forma
secundum ruh'onem. haec autem secundum matertamg quando igitur in his duobus
est trans-mulatiol generatio et corruptio erit simpliciter secundum veritatem list
autem nmterm muxrimc quidem subiectum generationis et carruptionis proprie suscep
tibitc haec autem hoc aliquid signnicant et substantiam haec autem qmm. huet
autem quantumg quaecunque igitur non substantiam signiflcant. non dicuntur sim
pliciter sed secundum aliquid yenemri.
512) Uhren. ll, 8, p. 27. ed. llrstisiuss Sacrates educavit litatonem et Ari—
stotetenh quorum alter de potentia sapientia bonitate crentun's ac creatum mundi
creationeve hominis tam tuculenten tam sapienterv tam vicina alter vero dialectioae libros artis iwt primus edidisse vel in melveiruistatciorrdeizsipsustart acutis
simcque ac disertissime inde dtsputasse invenitun
513) De gesl. Frid. Prolog. p. 405. U1'stis.: sicut enim iurta quoi-undam in
logica notorum positi-oneml cum non formarian sed subsistentium proprium sit pme—
dicar-i seu declarari, genera tamen et species praedicamento transsumpto ad causam
praedictum dieunturr rel, ut communwri utar exemplar sicut albedo clarat mors pal
lida. eo quod ctaritatis atti-ral palloris altcra causa sit, appellatur. ('Iv. (Der
Ausdruck lmnssnmplio. sowie das nemliche Beispiel albedo clara bei Gilhert p.
1142,. s. Anm. mii -“' - au "H
lixt
f
228 XIV. oni v. Freising. Pseudo-Boethius De unilate.
tioumy naturas forma. oon/iarmt's. madunatt'o, —- nonne esse er lama
eat" —) wiederholtö“). ln demselben Sinne hezeirhnel er an einer
anderen Stelle (mit polemischer Wendung gegen Wilhelm v. Champeux) e
das Universale als „quasi in unum versate“ und knüpft hieran eine ety
mologische Rechtfertigung der Worte und Begrill‘e diotduum und indi
viduam-ubiq auch [heilt er mil Gilhert die naive Gleii-hslellung der
Dinge und Worte-“6), sowie er auch einmal jene logische fumi-ibum
erwähnt‚ welche an dein Kletterhuume der Tabula logira veranstaltet
whitan
Zur gleichen Gruppe gehört auch eine kleine anonyme Sehril‘l„l)e
unitate et uno“, welche oll‘enbar in den damaligen Trinitms—Streiug
keiten die Veranlassung ihrer Entstehung hat, aber ebenso wie jenes
ältere Werk De trinitate für ein Erzeugniss des boethius gehalten
wurde "'8). Es waltel in der Frage über die Einheit, auf welche auch
am lie ycsl. friit l, 5, p. 408.2 Nutinun velut natum aut genitum disci-nileus
a genuina (s. Anm. 464.) ln nam-is igitur omnem naturam seu ‚immun, qut
integrum esse subsistentis sit, vel actu et natura vel natura saltmn con/omnem Intth
necesse est .. .. Partes autem hic voco eas formas (Anm. 468.), quae ad sempme
speciem aut in capite pommtnr, ut yenerales, aut aggrcguntur, ut differeatiates, aut
eas comitanturs ut accidentalcs Patct, humanitatem Socratis secundum omm
parti-s et omnimodam e/fcctum humanitati Ptatonis con/minem esse, ac secundum hoc
Socratem et Platonem eundem et unum in universali Concren'o etiam in naturatilius non solum coadunatiouedicfiorsmoaleereet (snAlnismi.sten4l7i4'.s), Md
ez multitudine ucct'dentium, quae substantiale esse comt‘tantnr, considerari potui
(Anm. 464. u. 471.) Sunt aliae formae subiectum integrum infmmanten du“
naturam tantam couformem hang esse quippe solis, etsi non acta, natura tun/1’"
mam haberc noscitur, quare, quamvis plures solos 'non samt. sine repugnantia Mm“
naturae plures esse possent (Anm. 479.) (p. 410.) omne namque esse e:- fama
ost Tantum de eu, quae a philosophis ymitura, a nobis factura seu creatum
dici solety disputationi-m instituimusg sed notandum quod compositio alia formarum
atia est subsittenttuni. formarum cx formis. subsislentium ez subsistentibus F"
marum autem aliae compositnc, aliau simplicesg simplicesl ut albi-doa composituh “l
humanitas undo boethius in octava regula libri llebdomade „omm' compotm
aliud est esse, aliud ipsum est" (s. Anm. 37.),
515) Ebend. 53, p. 437.: Universale": dicu, non ut eo, quod una in plurihi
sit, quod est impossibile (Anm. 105.), sed ez hor. quod plura in similitudine viventh
ab astimilandi unione universalis quasi in unum cerealia diuntur Ex quo ram
quare singularem ‚ individaatem vel particularem dixerim ‚iroprtetalem, eam niminltlh
quae suum subiectum non ossimitat aliis, ut hamam'tas, sed ab aliis dividit, dlf
cerm't, partiturl ut ea, quam ficto nomine solennis dicere „Platonitas“, a diridltltlo
individua, a partiendo partieulnrt's, a dissimilando singularis dicta. Nee autem
quod potius n dividendo dioiduamy quam individuam dici oporleotg nam cum ‚um
subiectum non solum ab aliis dividat vel dissimili-h sed etiam in sua individuell/d"
et dissimilitudiue tam fimu'ter manare faciat, ut neo sit nec fuerit nec futurum S“
aliud subiectam. quod secundum eiusmodi proprietatem illi assimitori qaeat, militis
individuam privando. quam dividuum ponenda vocatnr, eiusquc oppositnma quod dtfi
dcndo pluribus communirat et communicando divi-diti rectius diniduunl dici dem
(Anm. 479.).
516) Ebend. p. 438.: tium enim omne esn ex forma sitl quodlibet subsistm
rem et nomen a sua capit forma (Anm. 458, 474, 482.).
517) Ebend. 60, p. 444.: iuxta logicoram enim regulam methadus a um"
ad destruendumj a specie valet ad construendum (Anm. 480.).
518) Gedruckt bei boethii Opp. ed. naui 1s1o. p. 1274 IT. ltaoaisson utar
ports snr tes bibliothdqun des departements de t’ouest. Paris 1841. p. 169.) Md
XIV. Einzelne Autoren. I m
Gilbert geführt worden war (Anm. 477 f.) jener nemliche Realismus,
wle bei Gilbert oder bei Ottoi’w), und wir mögen vielleicht höchstens
erwähnen, dass sich hier eine wunderliche Aufzählung verschiedener
Bedeutungen des Wortes „nimm“ tindet 520).
ln die nemliche Zeit aber, d. h. ungefähr zwischen mo und 1170,
fällt auch das Auftreten einiger Anderer, von welchen wir fast nur die
Namen kennen, und es drängt sich uns bei jedem Schritte unserer Un
tersuchung wieder die Erwägung auf, dass die uns zugänglichen Quellen
immer noch nur eine fraglnentarische lt'enntniss ermöglichen. Man wird
es ja als zufällige Notiz bezeichnen müssen, dass Johannes von Sales
bury, wo er den Lauf seiner Studien erzählt, einen gewissen Alberich
nennt, welcher nach Abälard's Tod in St. Genevieve zu l‘aris docirte
und energisch den Kampf gegen die Noininalisten aufnahm, wobei ihn
ein bedeutendes Talent des Distinguirens unterstützt haben magä'n).
Ferner berichtet Johannes, er selbst habe einen gewissen Williram
von Soissons in der Logik unterrichtet‚_welcher dann durch ihn
bei Adam von PeuL-Pont (Anm. 440 tl'.) eingeführt worden sei und hier
auf gegen die Anhänger der alten Logik (anliqai. logicae neluslas, s.
in einer Handschrift von SL-Michel einen anonymen Traclat, welcher nach den \on
ihm angeführten Anfangs-Zeilen identisch mit diesem Pseudo-Boethius ist.
sun p. 1274.: omne enim esse ex forma est in rebus wenn's, sed nullum
esse ex forma est.. nisi cum forma maleriae unita ext,- esse enim non est nisi ea:
coniunctione formae cum materia cum autem forma materiae unilur. ez con
iunctione utriusque necessaoia aliquid unum constituitur ljnitia autem non fit
nisi ab unitate Fonnu autem non tenet unitatem cum materia. nisi unilas si!;
ideo materia eget unitate ad uniendum se et de natura sua habet multiplicarig unilas
vero retinetj um! et colligitv ac per Iiaec, ne materia dividatur et spargaturv necesse
est ut ab unitate retineatur n. s. f.
520) p. 1276.: linum enim aliud est essentiae simplicitate. aliud simpli
dem cognitioney aliud continuitatel aliud eompositionev aliud aggrrya
tiane, aliud praepoaiüonc, atiud accidente, atiudnumero1 aliud rationev
aliud natura unum1 ul participatione speciei plures nationc, aliud m'ore. homines unus, aliud
521) tola Saresb. MetaL ll, 10, p. rs f. (ed. Giles): caritati me ad Peripate
ticum Palatinum. qui tunc in monte Sanatue cenaeo/ae clarus doctor et admirabilis
omnibus praesidebutj ibi ad pedes eius prima artis huius rudimenla accepi . . . . ..
Deinde post discessum eius, qui mihi praeproperus visus esl, adliaesi magistro Al
beritav qui inter ceteros opinatiseimus dialecticus enitebal et erat revera dtominatis
sectae acerrimus impugnator. Sic [ernte toto biennio conoersatus in monte artis
huius praeceptoribus usus eum Alberiro- et magistro Roherlo Metidunensi (s. oben
Anm. 453.) quorum alter (d. h. Alberich) ad omnia scrupulosus locum quae
alienis inueniebat ubiquel u!, quanti-is polita planities, ofl'endt'culo non carerel et,
ut aiunt, scirpus ei non esse! enodis, nam et ibi monstrabah quid oporteat cnodari
Apud hos toto exercitatus biennio sic locis assignandis assuevi e! regulis et
aliis rudimenlorum etenientisy quibus pueritee animi imbuuntur et in quibus prac/ali
ductores potentissimi erant et expeditissimi, ut etc. Eine Erwahnung dieses Alberieh
findet sich auch bei Joh. Saresb. Emhet. v. as f.: tste loquax minimumque dicam
redotet ldetidunum. creditur Atberico doctior iste sua Welcher Alberich aber unter
den Mehreren dieses Namens, welche in jener Zeit erwähnt werden, es gewesen
sei, lasst sich nicht mit Bestimmtheit sagen; die erwähnte Zeitangabe macht es
wahrscheinlich. dass es Alberich von Rheims. mit dem Beinamen de Porta Veneris,
war, welcher später den Johannes v. Salesbury und den Erzbischof Thomas bei
ihrem Exile in Italien gastlich aufnahm. S. Bulaeus, hisl. im. Par. ll. p. 724. u.
llistoire litter. de la Prauce XII. p. m -
ego XIV. Einzelne Autoren.
oben Anm. ss ll.) eine eigentln'imliche Veranstaltung (machina) ersonnen
habe522). Sodann bezeichnet Johannes ein anderes Mal ausser jenem
seinem Gegner, welchen er Cornillcius nennt (s. sogleich unten), den
Vertreter einer anderen, wie es scheint, übertriebenen und abstrusen
Richtung der Logik mit dem fingirten Namen Sertorius523). Hiezu
aber kömmt ausser schlecht beglaubigten Notizen über einen David
in Hirschau und einen iohannes Serlo von York 52“) noch eine an
derweitige Mittheilung durch einen Autor aus dem Ende des 12. Jahr
hundertes, nemlicb durch Walter Mapes, welcher in seinen aulieb
ten gelegentlich eine Kenntniss der in den Schulen hervorragenden
Persönlichkeiten und Richtungen zeigt; derselbe erwähnt (mit der-{e
merkung, dass Aliälard die meisten Anhänger habe) ausser dem Bern.
hard v. Chartres, dem Petrus v. Poitiers und dem Adam von Petit-Pont‚
einen gewissen Heginaldus, einen gewaltigen Schreier, welcher Alle
tadelte und den Parphyrius an den Galgen 'hieng (laqueo smpemiitl1
so dass wir vielleicht in ihm jeneh Cornifieius des Johannes v. Salesl
bury erblicken könnten; ferner neben dem Robert Pulleyn einen äusserst
spitzfindigeu Manerius, einen witzigen Bartholomäus und einen
Robert Amiclas 525). Auch mag erwähnt werden, dass das Gedicht
fut-ta me
522) Ebend. p. 80.: Unde ad magistrum Adam familiaritatem contrazi ul
teriorem Interim ll'illermum Sucsu‘onensem, qui ad cxpugnandam, ut aiunt sur',
logicac vetustatem el consequentias inopinabiles construcmlas et antiquorum sententias
dimendas machtnam postmodum freit, prima logices docui elementa et tandem iam
dicto praeceptori apposui. lbi forte didit-itp idem esse ez contmdictione, quum Ari
stoteles obloquatur, quia „ident quum sit et non sita mm necesse est idem esse"
(diese Worte finden sich Anal. pr. ll, 4. m b. 3, s. Abschmlva Anm. 614.) et item
quum aliquid sity non necesse est idem esse et non esse; nihil enim ex conti-attico
tione evenit et contradictionem impossibile est ex aliquo erenire, unde nec amici
machina impellente urgeri potui. ut c'rcdam, eo: uno impossibili omnia impossibilia
proreuim Selbst abgesehen davon, worin denn diese räthselhafle machirm bestan
den haberi soll, ist mir diese ganze Stelle, deren Text wohl auch verdorben sein
mag, rollig unverständlich geblieben; nur so viel geht aus einer anderen Stelle
(unten Anm. 624.) hervor, dass man an jene aristotelischen Worte die hypotheti
schen Syllogismen anzuknüpfen versuchte.
523) Enthet. v. 116 ms Si quis credatur logicus, hoc satis est; Insam‘re putes
poti-usa quam philosophari. Seria sunt etenim cuncta molesta nimr's, llultescurtt
nugaej vultum sapientis abhorrent. Tormcnti genus est saepe ridere librum. Ablac
laus nimium teneros Serlorius olim biscipulos fertur sic docuisse suos ‚' hoctor enim
iuoenum pretia compulsus et aere Pro magna docuit munere scire m'lu'l.
ffi minl -Trithcm. Arm. Hirsaug. aura 1137. (Ed. St. Galt. 1690, l, p. 403.): Da
u'd .... .. mortuo/ticum habitum suscepit Scripsit quaedam non spernendae teutonis
opusculo dc grammatica L. 1, in Perihermcnias Aristolelis libros duos. Dass je
doch die Angaben des Tritbcmius geringen Werth haben. Weise jeder Kundige;
hingegen noch weit schlimmer steht es bekanntlich mit Pitsms‚ welcher häufig,
wo er nicht den Leland aussehrieb, reine Lügen ersann, daher es vielleicht kaum
der Erwähnung werth ist. dass derselbe, De itlustr. Angl. scripL p. 223 t'. (ad mm.
1160.) sagt: ioannes Serlo dictus magister Serlo ex Eboracenst' canont'cn factus
est Fontanus Abbas Scripsit de aequivocis rlictionibus librum unum, de
univocis dictionibus librum unum. „‘ .‚-‚;r.
525) The talin pocms commonty attn'buted to Walter Maßes, collected and edi
ted by Thomas Wn'ght (London 1841. 4.), woselbst auch das Nähere über Walter
Mapes in der Einleitung erörtert ist. ln Einem Gedichte. Metamorph. Gohae, v.
189 fli (p. 28.), findet sich folgende Stelle: lbi doctor cernitur ille Camorensis, cuius
lingua rehemcns mmcat velut ruszs, Et hic praesul proesulum slat Pt't‘tavtettsis, Prtu:
‚p il
l
ii- ‘I‘hl . XIV; Der sog. Cornificius.‚ w?! md 231
mit einer Austreibung der Mönche aus den Schulen der Philosophen
endigt 52°), sowie dass ein anderes Gedicht, welches ungefähr der nem
lichen Zeit angehört, in sehr Iauniger Weise den Gegensatz zwischen
sinnlichem l’fafl'enthum und seiner logischer Bildung schildertöz").
An die Genannten reiht sich endlich noch jene ganze Bichtung an,
welche Johannes v. Salesbury, indem er nicht gegen die Person, son
dern nur gegen die Sache kämpfen will, mit dem symbolischen Namen
Cornificius bezeichnetus). Die zahlreichen Stellen, in welchen er
diesen seinen Gegner oder die Anhänger desselben erwähnt, treffen in
dem Einen Punkte zusammen, dass es Mehrere gab, welche jede Tech
nik des denkenden Bedens (eloqucntia oder logc'ca) von vorneherem als
unnütz verwarfcn, 'da Alles auf Naturanlage beruhe, und hiemit, wer
diese besitze. ohne alle Technik von sich selbst auf das Richtige komme.
wer hingegen keine Begabung habe, auch durch die Theorie nicht ge
fordert werde 529). Und wenn hinzugefügt wird, dass diese „Philo
et nubenlium miles et cristi-ensis (hierauf die oben, Anm. 442., angeführten Verse)
(‚'eleln'em lhcoloyum vidimus Immbardum, Cum nunc Helyam Pelnim (beides
Grammatikcr) cl Bernardum, Ouorum opobalsamum, spiralos et nardum, Et profesu'
. plurimi sunt Abaelardum, Reginaldus monachus clamose contendit Et obliquis singulos
verbis comprehendit, Hns et hos redarguit, nec in se deserndit, Om' nostrum Por
pliyrium laqueo suspendiL lloberlus lheologus corde vivens mundo Adesl cf llhmeriusv
quem nullis secundo. Allo loquens spiritu el ore profunde, quo quidem sublilior nul
lus est in mnndo. Hinc et Bartholomaeus fccim oculus Rhetor, dialeislitmsy sermone
astnlns, EI Robertux Aminlas simile seculum (‘nm bis. quos praelereo, populus
minutus.
526) Ebend. v. asa (p. 30.): Om'dquirl tantae curiae sanclione datur, Non
n'an in irritum, ratum habeatnr; Cucnllatus igitur grez vilipendalur Et a philoso
phiris scalis expcllatur. Amen.
5‘27) ln- presbytero et logica (gleichfalls von Wright herausgegeben a. a. (l.
p. aiu ff.) in 216 Versen, worin sich allerdings für unseren Zweck kein geschicht—
licher Beitrag findet. Der Gegensatz der Richtungen spricht sich aus z. B. v.
eo fl‘.: Logicus: Fallis, /'afhs, presliytcr, coelum Christianum, Abim‘m' loqucris,
laedis Prisrianum, Tc probo lalsidicunu le probo vesanum Presbyter: Tore, tace,
logier, tacc, vir fallafor, Taue, dux insam'ae, legis variae lalor Log.z Peccasti,
sed gravius adiicis precum Legem hanc adiiciens variam nominare; Sanum cst, dir
serere vel grammalizarey Si insanam putas, velim dicas qnare. l‘resb.: Deo es!
odibile vestrum argumentum; lbi nulla uerilasl lolum est fiq‘meritum, oder z. B. v.
129 llli 1.09.: Audi, inter phialas quid philosopharis; foltus, non philosophus, hinc
esse probaris, Slullo sunt similia singula. quae faris, Epicure lubrire, dux inglu
nici, cuius deus venler esl, dum sie servis ei etc.
528) 10h. Sareab. Metal. l, 2, p. 14.: utique pur cst, sine ilerogalione pcr
sonuc sententiam impugnare, nihilque turpi'us, quamv quum sententia displicel aut
opinio, rodere nomen auctoris veterum opinioni reluclor, quae mullos perdidil,
eo quod popalnnt, qui sibi credot, Itabet, al licel antiquo novus L'crm'flcins ineptior
sit. ei tamen turba insipienlium acquiesciL Polycr. l, Prol. p. 15.2 Acmulus non
quiescit, quoniam et ego meum Cornifict'nm habeo . (tut's ipse sit. nisi ab iniurc‘i':
Iemperet, dimm procedat tamen et pnblicet, aryuat mirum ratione vel auctori
tate mendacium. Aus der Ausdrucksweise in diesen beiden Stellen geht hervor,
dass der Name Corui/icius nnr von einer antiken Persönlichkeit auf den eigenen
Feind des Johannes symbolisch übertragen sei, und es ist mit Gewissheit anzu
nehmen, dass die Angaben des Donatns (Vita Virgilii, c, 17 f. , s. Virg- opin ed.
Wagner l. p. xctx f.) über einen C0miflcius, welcher „ob perrersam naturam“ ein
Gegner Virgils gewesen sei, die Veranlassung blezu darboten.
sem Ebend. Mrlal. l, f, p. m t Miror itaque quid xihi vult, qui elo
quentiae negat esse studendum p. 13.: Cornifirius nosth studiorum eloquentiae
232 XIV. Der sog. Gorniiicius. johannes-jt Salesbury.
sophcn auf eigene Faust“ unl Verschmahung des ganzen Triviums und
Quadriviums sich auf praktische Dinge und auf tielderwerh warfen 5im),
so läge hierin ein bedeutsames Anzeichen, insoferne diese Richtung
nicht etwa von klerikaler oder dogmatischer Anschauung aus. sondern
in Folge eines praktischen Dranges dem Wustc der Schulweisheit abge
neigt gewesen wäre und auf den unmittelbaren werth individueller Be
gabung hingewiesen hatte. So könnten wir Solches als ein Vorspiel
späterer Tendenzen verstehen. numen wir auf den sog. Cornificiu.‘
auch die Notiz beziehen, dass Einige die Kategorien und die lsagoge
als unnütze Elementarbücher verworfen 531), so könnten Wir vielleicht
den obigen Begiualdus wenigstens für einen Vertreter dieser Partei
halten 532), wenn es nicht unnütz wäre, bei einer so lückenhaften
Quellenkenntniss hlosse Vermnthungen aufzustellen. Wie aber Johannes
selbst sich die Entstehung einer solchen Opposition gegen die Schul
Logik gedacht habe. wurde oben, Anm. 52 f.‚ angegeben.
Hiemit aber wenden wir uns zu eben jenem Autor selbst, welchen
wir bisher schon so häufig als Quelle benützen mussten, nemlich zu
Johannes von Saleshuryi‘i’a). Derselbe (gestorben i. .l. naoi
imperilus el rmprobua tmpuynuloi. (1.3, p. 15.: Fuliellis tamen et uuyu suos
"poscit intern» auditor-esl quos sine artis bcne/icioy si vero sunt quae promt'ttt'l, faciet
l eloqitentss et tramilc compendium sine labore philosophos. C. 6, p. 23.: Neque enim
ul L‘orm/icius meipsum dovui Nun est ergo ex eius senienlio studendum praeccptis
eloquenliae, quoniam eam cunclis natura ministral uui nryat; si ultro minislrat aul
spe/de, opera super/Int‘l et ililigeittia; si vero uegul, ine/fen est ei inam's. C. 10.
p. 29.: Eo itaque opinionis vergil intentio ‚ id non omnes mutos Meint, quod nec
tii-ri potest nec expedil, sed ul dc medio logicum lollaL Ebend. ll. Prael. p. 62.:
tom-cal quam, etsi mutilus sil et amplius mnlilandns, domi/imus purielem solidum
caecati more palpa»: impudenter altentat ei impudcntius criminalnr. Ebend. ny 25.
p. 181.: Sed (‘orni/iot'us nollet-l logicae t'riminutnr, philosophantt'nm wurm. non
immcriio conlemnelttr. Enthel. v. 61 lis lium sil ab ingenio lommy non sit libi
ourae. quid prius addiscas posleriusve legum Hat‘c scola non cnral, quid sit modus
ordore quid sit, 01mm teneant doctor discipulus-ve t'iam.
530) Metal. l. 4. p. 20.: Alii autem (-‘omificio similes ad vulgi pro/essiones
easque profanas relapsi sunt parum runmles, quid philosophia doreal, quid appeten
dem fuyicndumvc denuntiet, dummodo rem fariunl, .si posstmt, revie, si non quo
cunque modo rem (H01. Ep. l. 1. 65.) Evadebant illi repenlini philosophi et
.cum Comt'fioio non modo lrivii nostri, sed totius quadrivii oontemptores.
san Ebend. lll, 3, p. 123.: Sinn, qui librum islum (d. h. die lialeyoriaejv
quoniam elementttrius esl, inulilem fere dicunl, el satis esse putant ad persuaden
411"". se in dialectica disciplina et apodictica esse per/min. si conlmpserim vel igno
raverinl illu. quae in primo commento super Porphyrium. antequam artis aliquid
attingatur, docel Boethius praeleyenda.
532) Möglicher Weise ltt‘mnte dann in obigem „luqueo suspendilu (Anm. 525.)
selbst wieder ein Wortspiel mit t'orm'ficius und conti/ez stecken. Ein anderes Wort
spiel mit cornicari s. unten Anm. am
I 533) Gründliche litteraturgeschichtliche Untersuchungen über Joh. v. Salesbury
hat Christ. Petersen in seiner Ausgabe des Entlieticus (Hamb. nam gegeben. Die
Monographie, in welcher Herrn. Reuter (Joh. v. Salesb. Z. Gesch. d. cbristl. Wis
sensch. im 12. Jahrh. Berl. iam die Lehre des Johannes darzustellen versuchte,
leidet durchgängig an einer ebenso Schiefen als ausserst mangelhaften Orientirung
des Verfassers. — ich citire nach der Gesammtausgabe von A. Gites (Oxford
1848, S, 5 Bande, wovon der Polymuticus den 3. u. 4. Band fallt, der Mi-ialooicus
aber im n. sich findet), wenn auch dieselbe durchaus nicht sorgfaltig gemacht
t l
. ß l .
XIV. Johannes i. Salesbury. eas
hatte das Studium der Logik in Aliälard’s b'cliule begonnen, bei obigem
Alberich, bei Robert von Meluii und Wilhelni von Conclies fortgesetzt.
trat dann in wissenschaftlichen Verkehr mil Adam von Pelil-Pont1 hörte
abermals Dialektik bei Gilliert l’orretanus. Theologiev bei Robert 1‘ulleyn.
kehrte dann zu den Abälarilianerii zurück. welche während der zwanzii.y
Jahre Nichts gelernt und Nichts vei'geSsen balteus-ny und verfasste
um d. J. 1160535) seinen Metaloyicus, in welchem er hauptsächlich
seine Ansichten über Logik niederlegte. Johannes hat dieses sein Werk,
wie er selbst sagt, nach langjähriger Unterbrechung seiner logischen
Studien nur aus dem Gedächtnisse rasch in kurzer Zeit geschrieben.
nicht um einen Uommentar zum Lehren oder Lernen zu verfassen, son
dem hauptsächlich uui gegen die erhobenen Angritl'e den Nutzen der
Logik zu erweisen und so dieselbe zu vertlieiiligenm"). ‚
Der Nützlichkeits-Standpuiikt ist ihui der entscheidende, und es
wird uns schon hiernach nicht unerwartet sein. wenn wir in ihm einen
völlig principlosen Eklektiker trell'en werden 537). Bei dem praktischen
Utilitiits-Drange unterscheidet er sich von seinem Gegner llornilicius nur
ist und namentlich durch die sinnloscstc Interpunktion häufig das Verstanduiss er
schwert (die nothigcn Aenderungcii hierin nehme ich stillschweigend vor).
534) Metal. ll, 10, woselbst nach der oben Anm. 521. angeführten Stelle
folgt (p. 79.): beinde me ad grammaticum de ConrJiis transtnli ipsumque triennio
doccntem uudi'ui‘; hieraul folgt der Inhalt obiger Anm. 522.. sodann (p. 81.): Re
versus itaque repeii magistrum Gitbertmn ipsumque audiui in logicis et divinng
sed nimis cito soliti-actus rst; successit Hubertus Pallas, quem uita pariter et scientia
conmmidabant; deinde me excepit Stm'un I’eriacensis .. .. sed lms duos in sah's theo
logicis habui praeceptor-es lucundum itaque visum est, veteres, quos reliqueram
et quos adhuc dialectica detinebat in rannte, revi'sere socios1 con/erre cum eis super
anioiguitatibus prislinis, ut nostrum invicem er collatione mutua commettremui pro
fectum. lnventi sunt, qui fuerunt et ubi; neque enim ad palmam visi sunt pro
ressissc ad quaesi‘iones pristinas dirimendas neque propositiuneulum unam adieceranL
Eheiid. Ill, 3, p. 129.: Habui enim hominem (d. h. den Adam v. Petit-Pont. s.
Anm. 441.) familiarem assiduitate colloquii et communicatione librorum et quotidiano
fere exercitio super emergentibus arliculh conferendi'; sed nec una die discipulus
eius fui , ei tamen habeo yralios. quod eo doc-ente plura cognovi. plura ipsius
ipso arbitrio reprobavi. Vgl. liiezu Anm. 54.
535) S. Petersen a. a. 0. p. vl u. 7311".
tue-
636) MelaL Prol. p. 8.: St quideml quum opera lugicorum vehementius lan
quant inutilis rideretur, et me indiynaiitem et reuiteulem aemulus quotidianis /ere
iurqiis provocaret, tandem litem eccepi et ad calumnias studui respondere Pla
mit itaque sooiis, ut /t0t‘- ipsum tumultuai-io semione dictorum cum nec ad senten
tias subtiliter examinandas nec ad verba expolimdu studium superesset aut otium .. . .
(p. 9.) Nam ingenium hebes esl et memoria infidelior, quam ut antiquorum (s.
Anm. sa II.) subtilitatcs percipere am, quae aliquando percepto sunt, diutius valeant
retinere Et quia logicac suscepi patrociniumy Metalogicou inscriptus est libeh
Ebend. lll, prael‘. p. 113‚: Amu' fere viginti elapsi sunt, ex quo me ab officini's
et palaeslra eurum, qui logicam pro/itentur, rei familiaris avulsit anguslia . Unde
nie ercusati'orem habendam puto in hisv quae obtusius et incultius a me dicta lector
inveniet (p. 115.) Ergo procedat oratio, et, quae onliqualae occurrunt memo
riae de adolescentiae stadii's, quoniam iucunda aetas ad mentem reducitur etc. 111,
10, p. 156.: propositum est scilicct, ut potius aemula occurraturl quam ul in artes,
quas omnes docenl aut discimt. commentarii scn'bantur a nobi's. l
537) Herm. Reuter ist gauzlich in lrrthum. wenn er von einem „höheren
philosophischen Standpunkte“ spricht, von welchem aus Johannes sich über die
damals streitenden Parteien erhoben habe.
asa XIV. Johannes v. Salesbury.
idudurcb. dass er nicht wie jener die Srhnldot-trin verwirft, sondern
diese selbst praktisch machen will: aber Philosoph ist er ebenso wenig
{als Cicero. mit welchem er sich in inniger Uebereinstimmnng befindet.
Er bekennt sich ja selbst ausdrücklich zur Probabilitäts-Lebre der von
Cicero empfohlenen akademischen Sekte 53“) und findet hiernach in der
praktischen Nutzbarkeit den einzigen Zweck aller Wissenschaft 539). In
solchem Sinne äussert er sich über die Wortklauberei und Spitzfindig
keit der llialektiker in so starken Ausdrücken. dass der principiellste
Feind aller Logik kaum heftiger sprechen könnte 540); ja sogar an den
Erörterungen über die Kategorien, welche sein Lehrer (‚‘ilbert gepllogen
batte‚ Iindet er, obwohl vielfach mit demselben einverslanden (s. nnten
Anm. 582 tl'. 593 ll. u. 606 Il‘.) dennoch zu ladeln, dass hierüber die
moralische Selbsterkenntniss verkürzt werden könne 5“1), und hinge
rissen von dem Eifer für Moraltbeologie bezeichnet er die aristotelische
Logik. welche er doch gegen Angrill‘e vertheidipen will. mit dem Worte
aalutiae, welches wir bei fanatischen Gegnern der Philosophie zu finden
gewohnt sind 542).
538) Polycr. l, l’rot. p. 15.: ln philosophicis academiee disputans pro rationis
modulqu quae nceurrebant proliabitia. senatus sum, nec Aeademieorum erubeseo pro
fessionem, qui in bisj quae sunt dubitabilia sapientil ab eorum vestigiis non reccdo;
licet enim serta baec tenebras rebus omnibus videatur inducere, nutlu veritati exa
minandae fidetior et auctore Citerone, qui ad eam in senectute divertily nulla pro
feclui lamiliarior est. Metal. ll, 20, p. 102.: qui me in bis, quae sunt dubitabitia
sapientii academicum esse pridem professus sum.
539) Melal. Prol. p. 9.: De moribus vero scienter nonnulla inserui ratus, omm'a,
quae leguntur aut serilmntur. inutilia esset nisi quatenus alferunt aliquod minimi
culuni t'itae; est enim quaelibet professio pliilosopbaudi inutilis et falsa, quae se
ipsum in cultu virtutis et vitae exhibitione non aperit
540) l’olycr. vu. 9, p. 110.: Suspiee ad moderatores philosophorum temporis
nostri eos in regula una ant duobus aut pauciitis verbis invenies ocmpatos,
aal. ut muttnm, raumlas quaestiones aptas iurgiis elegerunly in quibus ingenium
suum etereeant et eonsumaut aetateing eas tamen non sufficiunt enorlnre, sed nodum
et totam athbiguitatern cum intrieatione sua per auditores suos lransmittunt posteris
dissotoendumy latebras quaeruntl variant faeieml verba distorquenh si in eo
perstiteris, ut, quocunque verba ile/inani et volaantur, quid velint1 inlelligas. et
quid sentiant in tanta varietate rerbornm, et tandem vincientur sensu suo et rapien
tur in verbo oris sm', si substantiam eoruml quae dicurtl, ottigeris firmiterque tenue
rie. Ebend. 12, p. 122.: Errant utique et impudenter crrant, qui philosophiam in
solis verbis eonsisterc opinanlur; errant, qui virtutem verba putant Oui verbis
inhaerentl malunt videri quam esse mpientes, quaestioneulas morent, intn'cant
verba, ut suum et alienum obdueant sensum. paratiores venti/are quam examinarel
si quid difficultatis cmersiL Hiezu obige Anm. 58.
541) Ebend. lll. 2, ‚p. 164.:‘lnde est forte, quod illt', quia prima totius
philosophiae elementa posteris tradere ruraverunty substantiam singulorum arbitrati
sunt intuendam, quantitateml ad aliquid. qualitatem situm esse. ubi, quando, haben,
facere et pati, ’et suas in omnibus his proprietates, an intensionem admittunt et
susceptibilia sint contrariorum et an eis ipsis aliquid iniveniatur adversum (all diess
letztere hat eben Gilbert erörtert. s. Anm. 489—509.); proridc quidem haec et
diligenti-ri etsi in eo negligentiores exstiteruntv quod sui ipsius notitiam in tanta
rerum luee non asseeuti sunt etc.
542) Ebend. IV, 3. p. 227.: Astutias Aristotelis. Chrysippi acumina omnium
que phitosopborum tendiculas resurgcns mortuus confutabat. Metal. lll. 8. p. 141.:
Pythagoras naturam excutit Socrates morum praeseribit normam. Plato de omnibus
persuadct, Aristoteles argutiax proeuraL Vgl. Anm. seo
iile p cul-ni -.......r-u —-\-‚ mih
XIV. Johannes v. Salesburj. 235
W” Suchen wir hiernach ausfindig zu maclnen,‘welcfid" prlnc‘ipielle
Stellung Johannes der Logik auwcise, so deutet er einmal bezüglich
der Eintheilung der Wissenschaften einen Grundton an, weicher» uns
sehr an Hugo v. St. Victor erinnert (Anm. 45 f.)‚ indem als» dienende
Machte unter der Herrschaft der divina pagina die mechanischen, die
theoretischen, die praktischen Disciplinen, und die das feste Bollwerk
aufbauende Philosophie bezeichnet werdenslmj1 wobei beachtenswettb
ist, dass auch Hugo die Aufgabe der Logik in die Vervollkommnung
des Sprechens verlegt. Und wenn ein anderes Mal'im unverkennbarsten
Anschlusse an fiilbert _(Anm. 465) eine dreifache Function der Vernunft
(ratio) unterschieden wird, insoferne der coner-ete Gebrauch derselben
(Modus concrclivus) auf die sinnlich wahrnehmbare Natur‘gebe, die
abstract auflösende Thätigkeit (resoleere) zur Mathematik führe, und die
beziehungsweise Vergleichung (con/‘erre et refer-er Aufgabe der Logik
'sei‘“), so sehen wir schon hieraus, dass Johannes die Fähigkeit hat,
verschiedene Ansichten Anderer beliebig aufzugreifen nnd eklektiscl
nebeneinander hinzustellen. '
Nun aber ist der eigentlich eklektische Standpunkt für die Logik
der rhetorische, denn dieser überhebt sich aller Schwierigkeiten, welche
in den philosophischen Grundfragen auftreten können, und so ist auch
Johannes von der Mühe dispensirt, sich etwa für Eine philosophische
Auffassung zu entscheiden. Ohne die Stellung der Logik im Gebiete
der Wissenschaften naher zu bestimmen, und ohne das Verbältuiss des
subjectiven Denkens zur Ohjectivitat oder zur Form des Sprachausdrucltes
nach irgend Einer bestimmten Ansicht zu erörtern, kann er sich dabei
begnügen‚ in einer bunten Fülle verschiedener Wendungen und mit Be
nutzung der üblichen Schultradilion den Feinden der Logik den Begriff
und den Wertb der neloquentiau entgegenzuhalten 5“5). Die Art und
Weise, wie sich das Denken zu dem Wortausdrucke verhalte, wird
durch eine rhetorische Floskel bezeichnet, indem von einer „süsscn
und fruchtbaren Ehe“ der Vernunft und des Wortes gesprochen wird 5“0),
543) Entbel. v. 441111: Hnev scripturarum regina vocatum eandem bivinam
dicuntw ”am: caput agnoscit philosophia suum; Huio omnes artes famulaeg me
chanica quaeque Dogmala, quac variis usibus apta vides, quae ius non reprobaL
sed publicas approbat ums, Hufe operas debent militiamque suam; Practicus huic
servit servitque theoricusg arcem imperii sacri philosophia dediL ln Bezug auf Hugo
vgl. Anm. 555. -
544) Ebend. v. 659 fit lles triplici spectare modo ratio perhibelur, Nec quarb
tum potuit mens reperire modum ‚- concretivus hic eiti alius concreta resolvit. lles
rebus con/ert zlcrtius atque refertg Naturom primus, matheum medius comitatum
Vimficat extremum logica sola sibi.
545) Helal. l, 7, p. 24.: Comicalur haec domus insulsay suis tamen verbis.
et quam constat totius eloquii contrmpsisse praecepta Ait enimj super/lua sunt
praecepta eloquenliae, quoniam ea naturalitcr adest aut abest (Anm. 529.). Om'd,
inquam‚ falsius? Es! enim eloquentia facultas dicendi commodc, quod sibi vult
animus expediri (p. 25.) Ergo cui facilitas adest commode ca-primendi verbo qui
dem, quod gentili eloquens est et hoc faciendi facultas rectissime eloquentia nomi
natum qua quid esse praestantius possit ad usum, compendiosius ad opes, fidelius
ad grati-anti commodius ad glon'am, non facile t‘ideo.
546) Ebend. l. 1. p. 13.: Ratio, scientiae cirtutumque parensl quae dc
verbo frequentius concipit et per verbum nurncrosius at fructuosius paritl aut omnino
236 xiv. Johannes v'. Sa'lesburir.
und den gleichen Werth hat die Redensart, dass die Eigenthümlirhkeiten
der Dinge in die Worte „überflieSSen“, und bei der bestehenden ‚Ver
wandtschaft der Dinge und der Aussagen (vgl. das Nrmliche hei Abä
lard, Anm. 3081 und Aehnliches bei Gilhert, Anm. 457) es sich nur
darum handle, eine noue von Dingen im üe|ste und eine Fülle von
Worten im Munde zu besitzenöfly Kurz der einmal vorliegende Be
fund der redenden Kundgebung bietet für Johannes den wesentlichsten
Gesichtspunkt dar, 'und so definirt er „Logik im weitesten Sinne“ in
Ciceronischer Terminologie als ratio loquendi rel dt'sserendt', wornach
ihr die Disciplinirung der Aussagen (magisterium sermonum) anheim
l'alle, und sie hierin sowohl ihren Nutzen zeige als auch unter den
freien hünsten die erste Stelle einnehme, denn in jenem weitesten Sinne
umfasse Sie auch den Umkreis der Grammatik 54’-"). Indem aber hiemit
sich doch die Forderung ergäbe, hei dieser weiten Definition das wech
selseitige Verhältniss der Grammatik und der Logik (vgl. sogleich unten
Anm. 556) genauer festzustellen, lässt der wissenschaftliche lndifl'eren
tismus des Johannes auch diese Frage wieder bei Seite liegen, indem
der Entscheid darüber, ob die Grammatlk wirklich ein Theil der Logik
sei, ausdrücklich abgelehnt wird‘s“). Wenn ferner gesagt wird, die
Dialektik solle durch Erwägung der Aussagen (sermones — der so häu
fige Gebrauch dieses Wortes erinnert von selbst an Ahälard —-) zu einer
Wissenschaft der Prüfung und Feststellung _des Wahren gelangen, so
hat diess wieder nur den beschränkten Sinn, dass die Dialektik als
tretl'lichste Dienerin der Rede-Gewandtheit (ministra eloquento'ae) hierin
ihren Nutzen bewährt, indem sie zum Maassstahe des Wissens wiriluolv
sterilis maneret aut quidem .iu/‘oecuiida, si non oonceptionis fructum in lucem ederet
eloquiol et inviccm, quod sentit. prudens agitalio mentis hominibus publicaretg haec
autem est illa dulcis et fructuosa coniugutio rationis el wrbil quae etc.
547) Ehend. 16. p. 42.: Nalura cnim copiosa est et nbcrtatis suae gratiam
humanae indigentiae facit; inde ergo ext, quod proprietas rerum redundat in roces.
dum ratio a/fectrt. sermones relms, de quibus loquitnn esse cognatos. Polyu'. Vll.
12, p. mia Nihil enim utiliusv nihil ad gloriam aut res acquirendas commodius
iuoentuti. quam eloqnentia, quae ex eo plurimum comparatury si rerum in mente et
in ore copia sit verborum
5-18) MetaL l. 10, p 29 lla Est itaque loyica, ut nominis significatio latissune
patent, loquendi vel disserendi ratio (s. Abschn. Vlll, Anm. 23.); contrahitur enim
interdum et dumtaaat circa disserendi rationes vis nominis coarctatun Sioe itaque
ratiocinamli vias doceat sive omnium sermonum regulam pracbeat, profecto desipiuntr
qui eam dicunt esse inutilem Sed, ut quam latissime protendatur signi/imum
ei ad praesens ser-manum omnium magisterium tiibuaturz 'Ebend 13. p. 34.: Ha—
rum autem omnium (d. h. artium liberalium) prima est logica. ab ea tamen sui
purle, quae in prima sermonum institutione rersatur. ut nomen logices, sicut ioni
dictum est‚ quam latissime pateat et non modo ad disserendi scientiam contra/tatum
est enim grammatica scientia recte loquendi scribendique et origo omnium libet-alium
disciplinarnm.
549) Ebend. ll. praef. p. 62.: Sit aut non sit grammatica pars logicesl non
contendog constat enim. quod in sermonibus vertitur eosque ministro/1 etsi non omnes
sermonum examinet rationes.
550) Ehcnd. lll, 2. p. 121.: uuum eo tendat dialectices tota intentw, ut sera
manum vim operiat et ex eorum praedicatione examinandi iieri et statuendi scientiam
assequaturg hoc agi-tj sive dioidatl sr'uc definiat, swe collioaL sive ea quae fuerant
collecta resolvo/i Ebend. ll. 9, p. 77.: Liqwt. dialecticmn.‚ quae inter ministros
XIV. Johannes v. Salesbnry. . v gai
und zum Beweise dieser Nützlichkeit stellt auch Johannes seinem (Zor
mficius jene augustinischen Worte entgegen, welche wlr nun schon so
oft angeführt trafen 55'). Gerade der Nutzen aber wird nur in der
obigen Fülle der Dinge zu Tage treten können, und darum dringt Jo
hannes darauf. dass man von dem logischen Scliiil-Unterrichte. welcher
in Wortkrain und Sophistik sich bewege, hinwegstrelie und auf den
Stoff anderer Disciplinen übergelte, damit eine Fülle der Rede (copt'a
eloqwntiue) erwachse, vermögc deren man in Allem wenigstens nach
Wahrscheinlichkeit disputiren‚ wo nirlit sogar das Unwalire Siegreich
bekämpfen könne aML Wie sehr aber (llCSS mit innerer Anknüpfung
an die rhetorische Seite der Logik. d. li. an die Topik, gemeint sei,
geht daraus hervor, dass in wörtliclier Ueliereinstiinmung mit Boethius
de (lt/f. tnp. nur nach dem Standpunkte der Argumentation die metho
diselie That der Logik auf die streitigen l’nnkte (quaesti'o oder thesis)
der einzelnen übrigen Disciplinen beschränkt wird; welch letztere hie
durch auf diesen nützlichsten Zwaig des Wissens angewiesen seien 553).
Denselben Sinn hat es auch noch, wenn sodann die „Dialektik im enge
ren Sinne“ als-ratio disserendi definirt und ilir in üblicher Weise die
Unterscheidung des Wahren iind Falschen, jedoch abermals mit Beizie
liiing des WillII‘St'llf‘lflllf‘llen, zugewiesen vi'irili'“), und iiin der ’l‘eclinik
a-a-plb :‘. li "r .w
. » aus
eloquentiae eapeditwsima est et promptissimaq unicuique prodesse ad meneurani
scientiae euae. q
551) Ebend. IV, 25. p. 182.: I'alcr lluyusll'fluß rui temerarium est obei'nra,
eum tantis cfl‘ert pruecoiiii's, ut oiluperari non possit nisi ab hisl quorum nulla est
prudentia „Haec docet dowrc, haec docet discere ouid valeat seife, scit
solag scientes facere non solum vull, sed et polesl". ljuiil ad haec Foriii/t‘ci'us?
552) Ebend. m p. l84.: Ferc‘vnim inutilis est logira, si sit so‘n,- tune de
mum eminely quum alliunctarum virtute splendesciL fenerae tamen aetati indulgen
dum est aniplius, et. ut copiam eloquentiae comparct, interim est ferendatverliositas
Procedente ergo aetate et sensu verbosilatis cohibeatur licentia et sophisticael
quam Aristoteles dictilwam, uns circumventoriam vel cavillaloriam dicere passumus,
improbitas conquieseat. Ebend. ll. 9, p. 77.: Sie dialecti'ca, si aliarum diseiplina
rum vii/ore destiluatun quodammodo manca est et inutilie l'erc; si aliarum robore
vigeaty potens esu omnem destruere falsitatem PI. ut minimum ei adscri'bam, iunii-ia
de omnibus probabiliter disputan Enthel. v. lll ll'.: Landat Arietotelem solum,
aperuit tiineronem Et quidquid llatiis Grucci'u capta dedil, Uonspuit in leyesv vileseit
physicuy quaevis Littera sordescil, logica sola placet Vgl. Anm. 52. n
5.53) Mt’ltll. ll.‚ 12, p. 83.: versatur exercitium dialecticae in omnibus disei
plinis. siquidem quaestionum habent mam‘imn; sed eam, quae hypothesis dieiturv i.
e. quae circumsluntiis (s. Abschn. Xll. Anm. 166.) impliratnr‚ relinquit oratori.....
Thesi'm vero oindirat sitiiv i. e. quaestionum a praediclarum circmnstantiarum nexibus
absolutam 13. p. sua thiaerunt ergo singulae (so. dixciplinae). et licet suis mu
niantur principiis. eis tamen logica melhodos was, compendii scilicet rationesl com
mum'ler sulmii'nistral, unde non modo ad exercilalionem. sed ad olmiatioues et ad
disciplinas utilissima esL
554) Ebend. ll‚.l, p. 62.: ut itaque nominis signi/icatio commitatum logica
ut ratio disserendiy per quam totius prudentiae imitatio solidatun 2. p. 64.: hic
quideml sicut boethius in commento ieeunda super Porphyrium asserit (p. 47.). ut
ortus logicac-diseiplinam oportuit enim esse scientiam quae verum a falso discernent
et doceret, quae ivutioeinatio vei-um teneat semitam disputandil quae verisi'milem. et
quae [i'cta sit et debeat esse suspectag alioquin veritas per ratiocinantis operam non
poterat inrem‘ri. lv 15, p. 41.: ltiulectica autem id dumtazat aceeptaty quod verum
m aul verisimilel et quidquid ab his longius dissidct. dicit absurdum r
238 XIV. Johannes v. Salesbury.
der Argumentation iullen soll so die Dialektik als erste Einführung in
die Philosophie benützt werden 555). Da aber jede Argumentation oder
Disputation in Wortausdrücken sich bewegt, so wird nun in Anbetracht
dieser engeren Definition (vgl. hingegen Anm. 548) in ähnlicher Weise
wie bei Abälard (Anm. 271) die Grammatik, welche bloss von dic-tio
handelt, von der Dialektik, deren Gegenstand und Inhalt die dieta seien.
unterschieden, dabei aber in lediglichem lndill'erentismus die Frage als
unerheblich bezeichnet, ob es sich dabei um die Aussage oder um das
Ausgesagte handle 55'“). Und während Johannes hiemit wieder die in
der Schule von boethius her übliche Eintheilung der „Logik“ verbin'
delllep führt ihn zugleich seine Kenntniss des Aristoteles auf die
Unterscheidung der Apodeiktik und der Dialektik, wobei ihm jedoch
auch die erstere keinen inneren eigenen Zweck in sich selbst trägt,
sondern immer die Nutzbarkeit der gesammten so eingetheilten Logik
die Hauptsache bleibt 558).
Von solchem Standpunkte aus vertritt nun Johannes gegen die Ver
ächter der Dialektik auch den Werth der vorhandenen logischen Littera
tur. Dass er in dieser Beziehung der erste Autor des- Mittelalters ist,
. 555) Ebcnd. ll. 3, p. 65.; I'ro/ecta igititr hinc est et src perfecta scientia dis
serendiy quae disputandi modos et rationes probationum aperit aliis philosophicis
disciplinis posterior temporel sed ordine primo (ebenso Hugo v. Victor, Anm. 46.,
vgl. Anm. 543.); inchoantibns enim philosophiam praelegenda ests eo quod vocum et
intellectuum interpres est, sine quibus nullus philosophiae articulus reete procedit
in tuoem.
556) Ebend. 4, p. 67.: Est autem diatecticu, ut Angustino placet (s. Abschn.
Xll, Anm. 30.), bene disputandi scientia Es! autem disputorc, aliquid eoruml
quae dubia sunt aut in conlradictione posita aut quae sic vvct sic proponunturl ratione
aupposila probare vel improbure, quod quidem, quisquis ex arte probabiliter lucu
ad diolectici pertingit metum. Hoc autem ei nomen Aristoteles auctor suus imposuil.
eo quod in ipsa et per ipsam de dictis dispulalurg ut enim grammatica de dictio
nibus et in dictionibus teste llemigio (vor. Abschn., Anm. 172.), sic ista de dictis
et in dictis esl; illa verba sensuum principaliter-a sed haec ezaminat sensus verbo
rum, nam lexn‘w graeco etoquio, sicut ail lsidorus (vor. Abschn. Anm. 27.) dictum
appellatur. Sive autem dicatur a graeco M'Eig, quod locutio interpretatur swe
a lexn‘w, quod dictum nuncupatur non multum re/‘ert, quum nominare lorutiouis
vim el eius quod dicitur verilalem et sensumf idem aut fere idem sit; ms enim
verbi sensus esL llL 5, p. 137.: Est autem res. de quo aliquidj dicibile. quod
de aliquog diatim quo dicitur hoe de itlo, worauf die oben. Anm. 207.. angeführten
Worte folgen. i
557) Ebend. ll, 3, p. filii Pro eo namque logica dicta i‘st, quod raliunutis, t.
e. rationum ministratoria et excaniinatrizc est. ltivisit eam Ptato in dialecticam et
rhetoricam, sed qui ef/icaciani eius altius metiuntur, ei plura attntmunt, siquidem
ei demonstrative, probabilis et sophistica subiiu'untur, u. s. w. völlig nach Boethius,
s. Abschn. Xll, Anm. se Ebenso 5, p. 68.: ltemonstratiua et probabilis et sophi
sticu, omnes quidem consistunl in inventione et iudicio et itidem divitlmtes. defi
nientes et colligentes domesticis rationibus utuntun s. ebend. Anm. 76.
558i Ebend. ll. M, p. 35.: Pn‘ncipia itaque dialeclicae probabilia sunty sicut
demonstrativae necessaria. lll, 10, p. 152.2 Sophisma est syllogismus liligatorinsv
philosophenm vero demonslrativusv argumentum autem syllogismus dialectieus. sed
aporisma (s. Abschn. lV. Anm. 33.) syllogismus dialecti-cus conlrudiclionis. llorum
omnium est necessaria cognitio et in [urtümlisz singulis perutilis est e.cermatia.
. p. 154.: Sic suorum instrumentorum necesse est logicum expeditum habere foculta
tem. ut scilicet principia nouerity probabilibus abundeL syllooizandi et indueendi omnes
ad manum habeat rutiunes.
XIV. Johannes v. Salesbury. 239
\
welcher eine vollständige Kenntniss des gestimmten aristotelischen Orga
nons zeigt, wurde schon oben. Anm. 26 u. so ll'.‚ bemerkt, und es ist
nun anzugeben, wie er sich das ganze Material und die einzelnen Tbeile
desselben anschaute und zurechtlegte. Den Aristoteles, dessen logische
Schriften er nicht mehr wie Andere theilweise vom blossen Hürensagen
kennt, bezeichnet er als den wahren Feldherrn (campiduator) aller
Logiker und, wenn auch mit Vorbehalt der Auctorität des christlichen
Glaubens und dcr Morallbeolugie, jedenfalls als den Lehrer der Dispu
tirkun'st 55‘"), d. b. l'ür den inneren phil0sophiscben Werth der aristo
telischen Logik hat natürlich der Ciceronianer Johannes keinen Sinn,
sondern er erblickt in ihr nur eine ausserliche Tecknik, daher er auch
— was an obigen Ausdruck „astutiae“, Anm. 542, erinnert — der
Ansicht ist, Aristoteles sei in der Polemik gegen Andere stärker als in 1
dem positiven Aufbauen der eigenen Lehre‘“"°). Von der Annahme aus
gehend, dass die Logik als Technik der Aussagen (scrmones). indem sie
inventio und iudicium enthält (Abscbn. XII. Anm. 76), das Werkzeug
aller Üisciplinen sei, und eben hiedurch Aristoteles sich den Beinamen
des „Philosophen“ erworben babei’fil)‚ betrachtet Johannes das ganze
Organen in einer Weise. welche völlig mit Abälard’s Auflassung (Anm.
271 lI‘.) übereinstimmt, indem Aristoteles die einfache vom signi/icativa
aus der Hand des Grammatikers empfangen und in den Kategorien der
artig erörtert habe, dass sie hernach in der Zusanimenl‘ügung des Ur
tbeiles (De. interpr.) betrachtet werden könne, und bieraul' die Entwick
lung dessen, was zu inventio und iudicium gehört, folgen könne; die
lsagoge, Welche l'orpbyrius zu dein ersten Hauptabscbnitle verlasst habe,
gehöre eben nur als Einleitung zu dem Ganzen und solle nicht. wie
Viele thun (Anm. so (II), gleichsam zur Hauptsache gemacht werden”“).
0—.4
‚ ‚ I l v ' - x
K
559) Ebeud. III, 10, p. I47.: llei rationalis api/ius et campiductur (Giles gibt
campi doctor) eorum, qui logicum profitentun IV, l, p. 157.: llampuluctor (ebenso)
itaque Peripatetioae disciplinam quae prae ceteris in veritatis indagatione lalioratl
infeliceni summam operis dedignatus totuni componit (Anspielung auf Ilnr. Ars poet.
v. 34.)‚ cerlus, quod cuiusque operis per/actio gloriam sui praeconaiur uuetoris.
IV, 23, p. mox Sirut optimus cumpiductar (hier auch bei citus das Richtige) hune
ad inferendam pugnamv illum instruit ad cautelam. 27. p. 183.: ivec tamen Ariato
talem ubique plane aut sensisse aut scripsisse protestorl ut sacrosanctam sit _. quid
quid scripsit ; nam in pluribus obtinente ratione et auctoritate fidei couaincitur errasse.
linde sic turcipiendus est. ut ad promoeimdos iurenes ad gratiam-s philosophiaa
instituta doctor sit non niorum, sed disceptationum
560) Ebend. III, 8. p. I4l.: Aristotelem prae ceteris omnibus tum aliae dis
serendi ratiocinationes quam definiendi titulus (d. h. der Inhalt des 6. Buches der
Topik) illustmrl't. si tmn potenter ndstrur-ret propria, quum potenter destruzitiv
aliena v
561) lint/u-L v. 82l tiis Mugnus Aristoteles serinouuin possidet artes Et de vir
tutum culmine namcn habet. ludieii libros eomponit et inoeniendi Vera, facultates
tres famuluntur eig Pliysicus est rooresque dooet. sed logica servit Auctori semper
officiosa sno; Haer illi nomen proprium facit ‚esse, quod olim Damit amatari sacra
xopbia suac Nam qui praeecllity tituli communis honorem l’indiral. Metal. II. 16.
P. 88.: omnes se Aristolelis adorarc vestigia glorianturv adeo quidem. ut commune
omnium philosophorum nomen prueeminentia quadam sibi proprium fereritg nam et
Imtarwmalice, i. e. excellenten philosophus appellatur.
562) Metal. ll, 16‚ p. 89.: ilie ergo (d. h. Aristoteles) probabilium rationes
Pfdvftnt- in ruteni et quasi ah elemeutis incipiens usque ad. propositi perfectionem
eto XIV. Johannes v. Saleebury.
So scheide sich aber das Orgauon auch wieder in Zwei Hauptgruppen
ab, insoferne die lsagoge, die kategorien und De t‘nterpr. nur als Vor
bereitungsstufen (praeparatict'a artis) gelten können, indem diese Bücher
mehr ad artem, als de arte seien, wohingegen die eigentliche Technik,
worin inventio und iudicium ihre Fülle entwickeln, in ‚den drei Haupt
werken Topik, Analytik und Soph. Elenchi vorliege mm Eben aber
im Hinblicke auf inventio und iudicium ergebe sich biuwiederum ein
anderer Gesichtspunkt der Eintheilung, insol'erne die Topik nebst den
ihr vorausgehenden Büchern überwiegend und grundsätzlich zur inventio
gehöre, hingegen ebenso Analytik und Soplt. Et. dem iudicium dienen
v sollen; doch dürfe man diese Eiutheilung (von welcher wir dann aller
dings nicht wiesen, warum sie überhaupt zu Grund gelegt worden sei)
auch wieder nicht schroff festhalten, da auch die Analytik und Soph.
Et. zur inventio beitragen, und umgekehrt auch die ’l‘opik zu iudicium
‚ förderlich seii’“). Neben all diesem aber heutet Johannes die Durch
führung eines GleichniSses für die Auffassung des (lrganons aus, indem
die Kategorien den Buchstaben, das Buch De interpn den Sylhen ent
sprechen soll 565), worauf dann die Topik das Wort (dictio) repräsen
‚.1,
evcxit. lloc autem ptauum est Ins, qui scrutantur et dlscutiunl opera eins. voces
enim primo signi/icativass i. c. sermones ini-amplexas de grammatici manu accipiens
differt-alius et vires eorum diligcnter cxposuit, ut ad complezionem enuntiationum et
inreniendi iudicundique scientiam facilius uccedauL Seil quia ad hanc elementaren
librum magis elementarem quodammodo scripsit Porpliyn'us, eum ante Aristotelem esse
credidit antiquitus praelcyeudumg recte quideml si recte doceatury i. e. ut tenebras
non mducut emdtendis nec consumal aetatem Linde quoniam ad alia introducto
rius cst, nomine lsugoyarum instribiturg itaque inscriptioni dcrogrmt, qui sic rer
santur in hoc, ut locum principalibus non mtiriquanL
563) Nachdem nemlich Metal. lll, 1 über die Isagoge, c. z u. a nber die
Kategorien und c. 4 über De interpr. gehandelt worden. beginnt c. 5, p. 134.:
Artis pracparaticia pruecesseruntl ad quam suus opi/ez et quasi legislator rudem
omnino tiruaem irreverenter et, ut dici sulet. illotis manibus non censuit admitteu
dum lltilissima quidem sunt et, si non satis proprie dicuntur esse de arte,
satis rere dicuntur esse ad artcm; purum untem‘re/ert, sic magis dicatur an sie.
ipsum itaque quodammodo corpus artis deductis praeparaticiis principaliter consistit
in tribusl scilicet 'l'opicmwn, Analyticorum, Elenthorltm notitia; Im enim perfecta
cognitis ct habitu comm per et exercitum roboratis inventionis at iudicii copia sit/fra
gabltur in omni facultate tam demonstratori quum dialectico et sophtstam
564) Ebend.1\', l, p. 157.: ljnde quum inventionis instrumenta pracurasset
et uxum, quasi in con/latona sedens czarninalorium qaoddam jtuduit cudere. quo
diligcntissima fieret emaniinatio nttionumg hic autem est Analyticorum liberv qut ad
iudicium principaliter spectat et tamen ad incentinnem aliqualenus pru/irit; nam
disciplinarmn omnium connexas sunt rationes. et quaelibet sut perfectionem ab atiu
mutuatur. lll, bs p. 134.: Scientia l-opicorurn1 quae etsi inventionern principaliter
instruat, iudiciis tamen non mediocriter suffraqatur . . . . .. siquidem sibi invicem uni
versa contribuuntl eoque in proposita facultate quisque ezpoditior cat, quo in vicina
at cohaerente snstructior l'un“; ergo et tam Analytico quam Soploistica con/erunt ia
oentori et fopuu itidem conducit iudicanti. facile tamen aequmwrt'm, singulas in
suo proposito dominari et accessorium esse beneficium cohaerentis. IV, 8, p. 164.:
Licet ad iudicium maxime dicatur haec scientia (so. demonstrative) pertinere, inven
tiom tamen plurimum conferL
565) Ebend. lll, 4, p. 130.: Liber llerieimeniarum vel potius Periermcnias (s.
vor. Abschn. Anm. 33.) ratione proportionis syllabicus est, sicut llraedicamentorum
clementariust nam elementa rationum.-quae singulatim tradit in sermonibus incom
plexis, iste colligit et in modum syllabae comln‘ehensa producit ad veri falsique
XIV. Johannes v. Salesbury. 241
tire und hierin das Zusammenfassen (colleclio) der Bestandtheile ent
halte 586), und zwar in der Weise, dass bei der stets aufsteigenden
Entwicklung das erste Buch der Topik die Grundlage der ganzen Logik
sei 567), und somit dann das achte Buch der Satzverbindnng (eonstruc—
u'o, ein Ausdruck Priscian’s, vgl. Anm. 273) entspreche, wodurch in
eben diesem Buche der Höhepunkt der Logik erklommen sei, und das
selbe im Vergleiche mit der ganzen neueren Lilteratur (der moderni,
s. Anm. 5511:) als die bei weitem nützlichsle Schrift bezeichnet werden
müsse 5M). Die hierauf sich anschliessende erste Analytik wird unter
Hinzufügung einer barbarischen Interpretation des Namens (vgl. Anm.
ea u. vor. Abschn. Anm. 288) zwar gleichfalls wegen ihres Nutzens
gelobt, jedoch zugleich wegen ihrer sterilen Form geladelt, da nicht
bloss der gleiche lnhalt anderwärts (d. h, oll'enbar bei Boeth. de syll.
cat. u. lntrolL ad syll. cat.) viel leichter und eindringlicher entwickelt
sei, sondern jenes Werk überhaupt in seiner verworrenen icari/usqu
und unverständlichen Schreibweise für den ausseren Apparat der Argu
ementation (ad phrasim instruendam) ziemlich unbrauchbar sei, und man
daher nur die in demselben enhaltenen Regeln (also ungefähr in der
Weise wie bei Boethius a. a. O.) auswendig lernen solle, das Uebrige
aber wie Spreu oder diirres Laub bei Seite lassen könne “9). Und
significationem. tantae quidem subtilitatis est habitus ab untiquisl ut in praeconium
eius celebratum ferat isidorus (s. ebend. Anm. 34.), quia Aristoteles, quando Perier
menias scn'plilubat, calamum in mente tingebat.
566) Ebend. 6, p. 137 f‚: Sicut autem elemenlarius est Praediconuenturumy Pe
riermeniarum vero syllabicum ita et Topicomm liber quodammodo dictionalis est.
Licet enim in Periermcvziis agatur de simplici enuntiationei quae utique veri falsivc
dictio est, nondum tamen ad vim colligendi pervenit nec illud assequitun in quo
dialectices praecipua opera versalur; hir- vero primus est in rationibus explicandis
doctrinamque facit localium argumenlationum et sequentium complezcionum pandil
initia.
567) Ebend. 5, p. 135.: octo quidem voluminibus clauditun fiuntque semper
novissima eius potiora prioribusg primus autem quasi materiam praeiacit omnium
reliquarum et latius logicac quaedam constituit fundamenla.
568) Ebeud. 10, p. 147.: Arma tironum suorum locavit in arc-noi dum hermo
num simplicium signifiralionem ecoiveret et item enuntiationum locorumque naturam
aperiret lll autem praemissae similitudinis sequamur proportioncm, quemadmo
dum categoriarum elementariusy Pericrmeniamm syllahicus, praemissi Tnpici dictio
nales libri sunt. sic ropicorum octaous constructorius est rationuml quarum alemania
vel loca in praeccdcntibus monstrata saut. Solus itaque versatur in prueceplis, ex
quibus ars compaginatun et plus con/ert ad scientiam disserendi, si memoriter lia
beatur in corde, quam omnes fere libri diatecticaai quos moderni pracceptorex nostri
in scholis legere consueveruntg nam sine eo non disputatur arte, sed cum
569) Ebend. IV, 2, p. 158.: Anaiyticorum quidem perutilis est scientia et sine
qua quisquis logicum profilelur, ridiculus esL lll vero ratio nominis ezponatun
quam graeci analytic-en dicuntl nos possuntus resolutoriam appellare (diess entnahm
er aus Boethius, s. Abschn. XII. Anm. 77.), familiarius tamen assignabimusl si
dixerimus vaequam locutionem“, nam illi „ana“ aequale, nimiina locutionem di
cunt. frequens autem est, quum sermo parum est inlelleclus, ut cum in notiorem
man; desideremus aequivalenterg unde et interpres meus (wohl Einer jener beiden
Uebersetzer, welche wir oben Anm. aa f. trafen), quum verbum audiret ignotumy
et maxime in compositis, dicebat uanaleliza hoc", quod volebat aequivalentcr exponi.
ceterum licet necessaria sit doctrinay liber non catenus necessarios ext,- quid
quid enim continet alibi facilius et fidelius tradituri xcd certe verius aut fortius .
anny Geseh. II. lii
242 XIV. Johannes v. Saleshury..
wenn sich nach des Johannes Ansicht diese Unverständlichkeit z. B.
namentlich in dem letzten Capitel der ersten Analytik (Abschn. IV, Anm.
649 l.) zeige 57°), so richtet er den nemlichen Vorwurf auch gegen die
ganze zweite Analytik, nur mit dem Beisatze, dass ein Theil der Schuld
vielleicht an der Uebersetzung liege57‘). Hingegen nun lindet der
Ciceronianer Johannes wieder sein rhetorisches Fahrwasser in den Sopli.
Elenchi, welche er hiemit losgetrennt von der Topik an den Schluss
des Organons stellt; er sagt, kein anderes Buch sei für die Jugend
nützlicher als dieses, und sowie dasselbe den grössten rhetorischen
Behell‘ (ad phrasim) gebe, so sei es auch den beiden Analytiken vor
zuziehen, weil es den logischen Sprachausdruck (eloquemt'a) in leichte
rer Verständlichkeit l'ördere mi Aus der 'l'opik aber, welche ja die
Grundlage der Logik enthält, seien die hetrell'enden Schriften des Ci
cero und des Boethius geflossen, sowie des Letzteren Buch De divisione
(hierin allerdings hat Johannes vollständig Recht), welches unter den
boethianischen Werken eine besonders hervorragende Stelle einnehme 573).
Somit sind wir nun über den Standpunkt des Johannes vollständig
orientirt und erblicken in demselben gewiss mit Recht eine Steigerung
adesumy was Abälard (Anm. aen eloquentia Peripatetica genannt hatte,
„
misquam, siquidem et ab invito fidem cætorquet Porro exemplorum con/usione et
traiectiaue litterarumy quas tum de industria tum causa brevitatis tum ne falsitas
alicubi exemplorum argueretur interseruih adeo con/usus est, ut cum magna labore
ea perveniatun quod facillime tradi potesL 3, p. 159.: S'iqu autem rcgulae utiles
sunt et necessariae ad scientiamy sic liber fere inutilis est ad phrasim instruendarm
quam nos verbi supellectilem possumus appellare Ergo scientia memoriter est lir
manda. et verba pleraque ezeerpenda saut, quae alio commode transfenmtur et
quorum potest esse frequentior ususg reliqua eoaequantur faliie sine fructu et ob hoc
aut calcantur aut sua relinqunntur in arbora (Hierauf folgt die oben Anm. 20.
angeführte Stelle.) Ebend. lll. 4, p. 132.: Sunt autem pleraquev quae si a suis
aeellus sedibus. aut nihil aut minimum sapiunt audilon', qualia fere sunt omnia
Analyticorum exempla, ubi litterae ponuntur pro Ierminis, quae sicut ad doctrinam
pro/iciunt sic tractatal alias inutilia sunt ; regulae quoque ipsaey sicut plurimum
vigoris habent a veritate doctrinaey sic in eommercio verbi minimum possunL
570) Ebend. IV. 5. p. 162.: Postremo agit de cognitione naturarumg grande qui
dem capitulum et quod licet aliquatenus proposito con/eral, iidem tamen promisei
nequaquam impleL unum scio. me huius capituli beneficia neminem in rognitione
naturarum vidisse perfectum
571) Die Stelle wurde schon oben Anm. 27. angeführt.
572) Metal. IV. 22‘ p. 178 f.: Sophisticam esse dictum csl, ‚quac falsa imagine ‘
tam dialecticam quam demonstratioam aemulatur et speciem quam virtutem sapientiae
magis afiectat opus quidem dignum Aristotele et quo aliud magis expedire iu
ventuti non facile dixerim .... .. frustra sine hac se quisque gloriabitur esse philo
sophiam quum nequeat canere mendaeium aut alium depreliendcre linde et ad phrasim coneiliandam et totius philosophiae investigatimoanenstiseonptheimsticac
exercitatio plurimum prodest. ita tamen ut veritas, non eerbositas sit huius erercitii
fructns. 24. p. 181.: in eo autem mihi videntur (so. Elenchi) Aaalyticis praefe
rendi. quod non minus ad exercitium con/erunt et faeiliori intellectu eloquentiam at
promuvent. .
573) Ebend. lll. 9, p. 145.: qui vero librum .hune (d. h. die aristotelische
Topik) diligentius perseruiatun non modo lla-mortis et lioethii Topicos ab his septem
voluminibus (d. h. aus den sieben ersten Büchern) erulos deprehendet. sed librarii
bivisionumy qui compendia verborum et elegantia somnum inter opera libet/iiiv quae
ad logic-am spectanh singularem gratiam nactus ext.
ik i .lL-A
XIV. Johannes v. Salesbury. 243
und wenn in philosophischer Beziehung schon bei Abalard eine unor
ganischc Vereinigung entgegengesetzter Ansichten obuewaltet hatte, so
ist bei Johannes auch diess in höherem Grade der Fall. Es ist eigent
lich consequent, dass Letzterer bei seinem ausschliesslichen Augenmerke
auf die Eloquenz der Argumentation sich sogar um eine bestimmte For
mel umsieht, durch welche er über alle Schwierigkeiten, die in einer
festen philosophischen Parteistellung hegen könnten, sich von vorneherein
hinausheben kann. Diese Formel ist seine „ratio indifierentiae“, d. h.
das Verfahren des vollendeten Imlill‘erentismus. Er weist neuilich zu
nächst, da es sich um die Kenntniss der aussagbaren Dinge tret-um
pmedicamentat'ium, s. Anm. 605) und der Aussagen selbst (sermnnum)
handelt, auf die Vieldeutigkeit der Aussagen hin, und bemerkt, dass
dieselben zur Zeit des Aristoteles einen anderen Sinn haben konnten,
da ja nach dem AuSSpruche des Horatius die Worte in steten] Wechsel
dlhinlliessen und nur der Gebrauch sie so oder so feststelle 57‘). Und
wenn nun auch zugegeben wird, dass bei gleichem Sinne der Wortge
brauch der Alten ehrwürdiger sei. als jener der Neueren 575), so sei
grundsätzlich der Gebrauch doch mächtiger, als Aristoteles selbst, daher
man auch, insoferne die objectiv dingliche Wahrheit und hiemit der
reelle Sinn der Worte in Frage komme, wohl die Worlausdrücke zum
Opfer bringen dürfe, während andrerseits, so lange es eben angehe‚
zugleich Wortlaut und innerer Sinn aus der älteren Lehre beibehalten
werden könne 57°). Schon hieraus ersieht man, ‘dass dieser Grundsatz
zu einer äusserst bequemen Manier führen muss, alle auftauchenden
Schwierigkeiten zu escamotiren, denn man braucht in all solchen Fällen
nur zu sagen, der Wortausflruck habe im Laufe der Zeiten eine andere
Bedeutung erhalten, oder es hege an demselben überhaupt Nichts. So
jsagt ja Johannes (gelegentlich einer Ansicht des Bernhard von Chartres)
selbst, er lege kein Gewicht darauf, ein Wort heim Wort zu nehmen,
b... ‚.7.
574) Ebeud. 3, p. 128.: Pro/ecto rernnt praedicamcntalium et sermonum peru
titis est nolitia et quia muttipticitas sermonum plerumque intelligentiam clau
dit, quotiens dicatur nnnmquodquc, docet (so. Aristoteles) esse quaerendum Con
tingit autem tractu temporis et ncqniescmte utentium eotnntate, muttiplicitatcm semioan
nasci itemque exstingui (p. 129.) Muttipiicius dicitur. quam Aristoteiis tempore
diceretnr, et quae tunc verba aliquamy nunc forte nullam habent significntionem,
siquidem „Mut/n rennsccntur quae tam ceridrrc. cadentquc ouac nunc sunt in honore
vonnbulu, si volet ususl Ouem penes arbitrium est et ius vt nonita loquendi-1 (Hor.
Ars poet. v. 70 ff.).
575) Ebend. 4, p. 13l.: Procteren reverentia exhibenda est verbis nuctorum
cum cultu et assiduitate Mendi', tum quia quandam a magnis nominibus antiquitatis
praeferunt mniestntem, tum quia dispendiosios ignorantnr, quam ad urgcndum aut
rtsistendum patentissimo sunt Liest itaque modemnrum et veterum sit sensus
idem, venernbih'or est vetustns.
576) Ebend. p. 133.: Pntet itnque, quod usus Aristotele potentior cst m dera
gando verbis vel abrogando nerba, sed veritatem rcrum. quoniam eam homo non
statiu't, nec voluntas humana convrllit. ltnque, si fieri potest, nrtinm verba teue
antnr ct sensns; sin autem minus, dum sensus mancnt, ezcidant verbn, quoniam
artes scire non est scriptorum verba reoolvere, sed nosse vim earum atque sentcntiru.
Enthct. v. 27 E: oni sequitur sino mente sonum. qui verba capessitl Non sensum,
index integer esse m'qm't: Cum vim verborum dicendi causa ministmt, tiunc si nc
scitur. quid nisi ventus ermtt?
16‘
244 XIV. Johannes v. Salesbury.
und es sei gar nicht nüthig, mit einer einzelnen Stelle in solchem Sinne
auch alle übrigen in Einklang zu bringen m Und in der 'l‘hat gestaltet.
sich auf diese Weise die ratio indifferentiae, welche er auch behufs
des Uebersetzens für die richtige hält (Anm. 32), überall da, wo er
sich auf dieselbe beruft, zur ausgesprochenen Methode der Unwissem
schaftlichkeit. Denn sicher höchst leichtfertig ist es, wenn er nicht
bloss „significare“ und „pmedicare“ als völlig synonym nimmt, während
doch Abälard sich um eine feste Begrilllshestimmung bemüht hatte (Anm.
318), sondern dabei es auch als durchaus gleichgültig bezeichnet, ob
z. B. durch die Adjectiva die Eigenschaft oder deren Träger gemeint
sei; und indem er für jeden einzelnen Fall diess einer benigna inter
pretatio überlässt, gelten ihm die Kategorien gerade darum als ein haupt
sächlicher Empfehlungsgrund seines Verfahrens, weil sie bald über die
bezeichnenden Worte bald über die bezeichneten Dinge handeln 5’75).
Ebenso verfährt er gelegentlich mit einer aristotelischen Stelle und
kömmt dabei nach seiner uidi/ferentia oder ratio licentiae zu dem Resul
tate, dass das sinnlich-wahrnehmbare Einzel-Individuum cbensosehr Prä
dicat wie Subject sein könne 579). Und wenn in solchen Fragen bei
Johannes die Logik zu Ende ist, ehe sie überhaupt begonnen hat, so
577) Metal. lll, 2, p. 120., woselbst nach der oben Anm. 93. angeführten
Stelle folgt: Habet haec opinio sicut impugnatores sic defensores suos. Müu' pro
minimo est‚ ad nomen in talibus disputare. quum intelligi-ntiam diclorum sumendam
noverim ez causis dicendig nec sic memor-alas Aristotetis aliorumve anctoritates inter
pretandas arbitrari ut trahatur istucl quidquid alicubi dictum reperilur.
578) Ebend. p. 122.: lix quo liquet, quoniam „significare“ sicut et „braut?
care“ multipliciter dim'tur; sed quis modus lamitiarissinms sit, discernere palam est.
lade ext, quod „iusms“ rt similia passim apud auctores nunc dicuntur iustum nunc
iustitiam significare vel praedicare Tale est illud Arislotetis „qualitatem signifi
rant, ut utlmm, quantitatem ut bicnbitumn tCal. 4, s. Abschn. lV, Anm. 303.; bei
Boeth. p. 127.); sic ulique, quia dantur a qualitate vel quantitatey ita et qualitatem
praedicanl, quam apposita dcmonstrant inesse subit-crisi interdum dicuntur signi/icare
qualia, quoniam appositione sua deetarantl qualia sint subiecta Sed haec a ab, si
sit benignus inlerpres, non multum distanty etsi audito „allms“ intelligaturv in qua
est albedo, quum autem „albcdo“ dieitur, non intelligatun in quo tatis colorv sed
potius color faciens tate. lllud rera, quod audita voce concipit inlellucme, ipsius
famitiarissima signincatio est. 3, p. 1'22 f.: Ouia ergo aut aequivoce aut univoca
aut denominatice. ut sequantur indifferentiae rationem. singula praedicantun ipsaque
praedicatio quaedam ratiocinandi materia est. praedicamentorum praemissa sunt in
strumenta Ralionem vero indifferentiae quam senipenapprobanms, liber iste camp
mendat prae ceteris, etsi ubique diligenter inspicienti manifesta sil; agit enim nunc
de signi/icantibas nunc de signi/icatis aliorumque doctrinam facit nominibus aliorum
579) Ebend. ll, 20, p. 110.: llinc forte est illud in Anatyticis „Aristomenes
intelligibitis semper est, Aristomcnes autem non semper" (Anal. pra l, 33, bei Boeth.
p. 495.); et hoc quidem est singulariter individuam quod solum quidam aiunt posse
de aliquo praedicari Ego quidem opinionem hanc vehementer nec impnyno nec
propugnog nec enim multum referre arbitror ob hoc, quod illam arnptector indifferen
tiam in vicissitudine scrmonum, sine qua non credo quumpium ad mentem auclorurn
fideh'ter pervenire . . . . .. ip lll.) itaque hic sicut et alibi vxsecutus rst, quod decet
liberatium artium praeceptor-eni1 agensl ut dici dalet, Minerva pinguiori, ut intellige
retur Om'd ergo proh-ibct. iuxta hanc licentiae rationeml ea quae- sunt sensi
bilia vel praedicari vel subiici. Nec opinor‚ auctores hanc vim imposuisse sermoni.
ut attigatus sit ad unam in iuncturis omnibus significati'onem, sed doctrinatiter sic
esse tocutos, nt ubique serviant intellccliu', qui commodinimus est et quem ilu' haberi
prae ceteris ratio exigiL lliezu unten Anm. aut
XIV. Johannes v. Salesbury. 245
dürfen wir uns nicht wundern, dass. er in etwas versteckteren Schwie
rigkeiten sofort ungenirt seinen Standpunkt ausspricht, wie z. B. wenn
er bezüglich des allgemeinen Urtbeiles die objective lnhäre‘nz und die
subjective Aussage als gleichbedeutend nimmt und höchstens dabei eine
Aenderung des Wortausdruckes erblickt, welche im Laufe der Zeiten
sich eingestellt habeöso). mi
Verfolgen wir hiernach das Einzelne, was Johannes bezüglich des
Umkreises der Logik iiusserl1 nach dem Faden der Eintheilung, welchen
er selbst für das Organon zu Grunde legte, so begegnet uns bei ihni
erklürlicher Weise zunächst in der Erörterung der lsagoge, d. h. in der
Frage über die Universalien, der äusserste Synkretismus oder Eklekticis
mus, welcher zuletzt in eine stoisehjciceronische Auflassung ausmündet.
‚Nicht der Standpunkt eines über dem einseitigen Partei-Gezänke stehen
den Philosophen, sondern Mangel an philosophischem Scharfsinnc oder
Bequemlichkeit des rhetorischen Praktikers ist es, wenn Johannes den
ganzen Streit über die Gattungs- und Art-Begriffe als einen kindischen
bezeichnet, indem er sich dabei lediglich auf jene obige (Anm. su f.)
Vieldeutigkeit der Worte zuri'ickzieht, da Gattung und Art sowohl das
Princip der Entstehung, d. h. die ontologische Basis der Dinge, als
auch das Aussagbare, d. h. den logischen Wertb der allgemeinen Be
griffe, bedeuten können 581). Und sowie er hiebei sich auf des Boethius
Erklärung der lsagogc stützt, so ist es, wie sich zeigen wird (Anm. 602),
schliesslic-h auch wieder eine einzelne Stelle des Bnetbius, in welcher
die Ansicht des Johannes concentrirt vorliegt, so dass wir auch bei ihm
neuerdings einen Beleg vorfinden, wie sehr die ganze logische Bewegung
jener Zeit an herausgerissenen Aussprücben der traditionellen Autoren
klebte. Völlig ähnlich wie Abälard an Eine einzigeStclle die Doppelt
heit seiner Auffassung anknüpfte (Anm. 286), verhält sich das Ganze
auch bei Johannes, insoferne er den Universalien eine ontologische und
zugleich eine logische Geltung verleiht; nur ist bei ihm die Verquickung
der Standpunkte nicht hloss mannigfaltiger und abenteuerlicher, sondern
580) Ebend. lll. 4, p. 132.: Uuod dicitur „in toto esse alterum altere“ vel
„in toto non esse" et „universaliter aliquid de aliquo praedicari“ vel „ab aliquo
removeriu idem est (vgl. Anm. 16.). frequens tamen usus est alterius verbi et alte
rius fere intercidih nisi quatenus ex condicto interdum admittitun fuit fortasse
tempore Aristotelis utriusque usus celebrior, sed nunc prae altero viget alterumj quo
niam ita vult usus. Sic et in eo, quod dicitur contingens, aliquatenus derogatum
est ei, quod apud Aristotclem obtinebuL (Vgl. Anm. 216.)
' 581) Ebend. 1, p. 11611: Se ad puer-item de generibus et speciebus incli
navit opinionem (d. h. Abälard) molens instruere et promoucre suos in pucrilibus,
quam in gravitate philosophorum esse obscurior itaque sic Porphyrius legendus
esl, ut sermonum, de quibus agiturs significatio teneatur et ex ipsa super/icie
habeatur sensus verborum Suf/iciat ergo introducendo nasse, quia nomen generis
multiplex est et a prima institutione significat generationis principium dehinc
translatum est ad significandmn i‘d, quod de differentibus specie in quid praedicatur
(über diese abgekürzte Terminologie s. Anm. 282.). ltem et species multipliciter
diciturl nam ab institutione formam significat ....‚ hinc autem sumptum est ad sig
nificationcm eius, quod de diflerentibus numero praedicatur (All dieses beruht auf
Boeth. p. 22. u. 57 f.) quid ergo sibj volunt, qui quidquid aliud excogi
tari potest, adiiciunt? vocabulorum simpliciter aperiantur signi/icationesy appre
ltendatur illav quae proposito cougruil, peiz descriptiones ccrtissimas etc.
me XIV. Johannes v. Salesbury.
auch weit widerspruchsvoller, als bei Abälard. Nemlich Johannes spricht
nicht bloss_ gelegentlich als Theologe über die Begriffe der Substanz?
und der Wesenheit in der nemlichen Weise, wie wir diese Dinge bei
Pseudo-Boelhius de Irin. und bei Gilbert finden 5“), sondern auch in
jener Schrift, welche der Logik gewidmet ist, aussert er ausdrücklich
seine Uebereinslimmung mit Plalo‘s ontologischem Realismus, wornaoh
dem Intelligiblen das wahre Sein zukommt, die concreten Dinge aber
nicht einmal des Verbums „esse“ würdig sind 583). Und sowie er die
Unvergänglichkeit der Substanz und die fortdauernde Wirksamkeit der
Form als die reale Basis des Seienden behauptet, dabei auf dem alt
überlieferten Satze „singalare sentitur, universale intelligituru fussend 55’4),
so ist ihm auch Gilbert der Führer in Bezug auf die Begriffsbestimmung
der Natur und die formgebende Kraft des artmacbenden Unterschie
des E"35), ja er bedient sich sogar des Wortes „forma natiuamfng
Anm. 467), und desgleichen fehlt auch der Begriff der Theilhaftigkeit
bei ihm ebensowenig als bei allen Realisteni’“); endlich selbst die
Auflassung der Individualität gestaltet sich auf eine Weise, dass wir
Gilbert’s Unterscheidung zwischen dividua und individua (Anm. 479)
darin wiederel‘kenneni’s").
582) Epist. los (I, p. 270.): Ouidquid autem subsistitl sine dubio in genere
vel in natura vel in substantia manet; quum ergo essentiam dicimus significare na
turam vel genus vel substantiaml intelligimus eius rei, quae in his omnibus semper
esse subsistat Ouod si apud graecos expressam habent differentiam hacc, quae
hie toties inculcata suntl essenlia, natura, geaus, substantia, eam expediri omnium
arbitror interesse quam plurimum _
583) Metat. IV, 35, p. 193.: Plato quoque eorum, quae vere sunt, et eorump
quae non sunt sed esse videntury differentiam docens intelligibilia vere esse asseruiL
Unde et eis post essentiam primam recte competit esse, i. e. firmus cer-tusque
statuse quem verbum, si proprie pom'tur, exprimit substantivumg temporalia vero
videntur quidem esse, eo quod intelligibilium praetendunt imaginem sed appellationc
verbi substantivi non satis digna sunt1 quae cum tempore transeuntl ut nunquam in
eodem statu permaneanty sed ut fumus evanescant; fugiunt enimy ut idcm ait in
Timaeo (p. 49 E) nec exspectant appellationem p. 195.: ideam vero sicut
aeternum audebat dicere, sic coaeternam esse negabaL
584) Enthel. v. 1013 f.: Nutla perire potest substantiav formaque formae Suc
cedens prohibety quod movct, esse nihiL v. 1233 f.: Sotis corpori-is sensus carnalis
inhaeret, Res incorporeae sub ratione iacent.
585) Metat. I, 8, p. 26.: Es! autem naturas ut quibusdam placet (hiemit ist
offenbar Gilbert gemeint, s. Anm. 461.), licet eam sit diffim're difficila, vis quae
dam geniliva rebus omnibus insitaa ex qua facere vel pati possuntg geniliva autem
diciturj eo quod ipsum res quaeque contrahat a causa suae generationis et ab eo,
quod cuique est principium ezristendi . (p. 27.) Sed et unamquamque rem infor
„ums spe-ciim din-erentia aut ab eo estv per quem facta sunt omm'a, aut omnino
nihil est Esto ergo sic potens et efficaz vis illa genitiva indila rebus origi
naliter.
586) Enthet. v. 395 II: Es! idea potens veri substantiay quae rem ouamlibet
infonnat et facit esse, quod est; Omne quod est veruml convincit forma vel actusl
Nec falsum dubitesl si quid utraque careL Forma suo generi quaevis addicla tene
tur Et peragit semperj quidquid origo dabei; Ergo quod in forma nativa constat
agitces ouod natura maneas in ratione manet, Esse sui generis verum quid dicitur
idque indicat electus aut sua forma probat. Polycr. III, 1, p. 162.: implet autem
haec vita omnem creataram, quia sine ea nulla es! substantia creaturae; omne enim
quod est, eius participatione est id quod est.
587) MetaL II, 20. p. 105.: Ergo si genera et species adeo non sonti mnino
XIV. Johannes v. Salesbury. 247
I:
Aber nach solch unzweideutigen Ansspri'iclien' staunen Wir iinii
billig, wenn Johannes darum, weil das lntelligible nicht universell sein,
sondern nur universell begriffen werden könne, den Streit über die
Universalien für einen gegenstandslosen erklärt. in welchem man die
Suhstantialität eines Schattens oder eines flüchtigen Nebels zu erhaschen
suche 559). Auch erhält für die Logik nun Plato nebst Augustin und
allen l’latonikern förmlich seinen Abschied, um dem Aristoteles Platz
zu machen, allerdings mit dein tröstliclien Zusatze, dass des Letzteren
Ansicht vielleicht wohl um Nichts wahrer, aber jedenfalls für die logi
schen Partien passender sein”). Sonach werden nun alle Diejenigen
getadelt, welche in die lsagoge eine platonische Auffassung liineinlegen
oder anderweitig von Aristoteles abweichen, und mit der entschieden
sten Berufung auf den Ausspruch des Aristoteles, dass die Universalien
keine getrennte Existenz für sich haben, wird jede Ansicht, welche von
einem Sein derselben spricht, von vorneherein abgewiesen 59“7), und so
namentlich auch die Status-Lehre von diesem Gesichtspunkte aus be
kämpftöi“). Sind wir aber nun in der 'l‘liat begierig, wie dieser Wider
spruch gegen das Vorige sich lösen soll, so steigert sich vielleicht
unser Erstaunen noch von Schritt zu Schritt. Johannes stellt nemlich
wohl zunächst den Gedanken (intellectus) derartig in den Vordergrund,
dass er in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit dem Verfasser De in
tellectibus nichl bloss das verbindende und trennende Denken (intelleclus
nihil sunty quod si unumquodque eorum ab ipso ext, unum plane et idem bonum
est. Si autem quid unam numero esl, protinus et singulare estg nam quod quidam
unum aliquid dicunts non quod in so, sed quod multa vii-al expressa plurium con
formitateq articulo praesenti non iterogant V... omnis namque substantia aceidentium
pturalitate numero subestg accidens autem omne et forma quaelibet itidem numero
sitbiacel, sed non aceidentium aut formarum participationel sed singularilate subiecti
588) Polycr. Vll. 27, p. 127.: Sieut in umbra cuiuslibet corporis fmstra soli
ditatis substantia quaen'lur, sic in his quae intelligibilia sunt damma-at et univer
saliter conripii nee tamen universaliter esse, queunL-solidioris ezisteutiae substantia
nequaquam inrenitur. ln his aetatem terere nihil agentis et fmstra laborantis est.
nabulae siquidem sunt rerum fugaeium et, quum quaeruntur avidius, citius eva
nescunt.
589) Meluf. ll. 20. p. 112.: Licet Plato metum philosophorum grandem et tam
Augustinuin quam alios plures nostrorum in statuendis {der's habeat assertores, ipsius
tamen dogma in scrutinio universaliwn nequaquam seqiu'mnr, eo quod hie Peripateti
corum principem Arislotelem dogmatis huius principem prohlemur Ei, qui I’eri
pateticomm libros aggreditun mayis Aristotelis sententia sequenda est, forte non quia
terior. sed plane quia his disciplinis magis accommodata esL
590) Ebend. 19, p. 94.: Quasi ab adverso petentes (nemlich die Erklärer der
lsagoge) veniunt contra mentem auctoris et, ut Aristoteles planior sit, Platonis sen
tentiam docenl aut erroneam opinionem-n quae aequo errare deviat a sententia Ari
stotelis et Platonis, siquidem omnes Aristotelem profitcntur. 20, p. 94.: Porro hic
genera et species non esse, sed intelligi tantum asseruit (Anal. post. l, 11 u. 22,
s. Abschn. lll. Anm. 66. ii. Abschn. IV, Anm. 373.) (p. 95.) Ergo si Aristo—
telei verus est, qui eis esse tolli't, inanis est opera praeeedentis quare ab Aristotele ncedendum est counedendo, ut universalia isnivnets,tigua.tios.nisf., s.
Anm. 70.
591) Ebend. 20, p. 102 f.: Sed esto, ut statum aliquem generalem appellatiaa
significent, status ille quid sit, in quo singula uniuntur et qui nihil singularum
cst, etsi aliquo modo somniare possim, tamen quomodo sententiae Aristotetis eoapte
tury qui universalia non esse contcndit, non perspicuum habeo.
i.l . n,
248 XlV. Johannes v. Salesbury;
coniungens et disimigeiis. s. Anm. 427) und hauptsächlich vor Allem
die Kraft des Abstrahirens (im. abstrahens, s. Anm. 432) hervorhebt,
söndern auch mit Zurückweisung des Einwandes, dass das abstrahirende
Denken ein nichtberechtigtes (cassus, s. Anm. 429) sei, dem Denken
die Fähigkeit vindieirt, die Dinge anders zu betrachten, als sie im Con
creten sind (s. Anm. 432 f.)‚ und hiedurch die Abstraction als die Grund
bedingung aller geistigen Technik bezeichnet, wobei er sich sowohl in
Uebereinstimmung mit Gilbert (abstracu'm attendere, S. Anm. 464) be
findet, als anch in Ausdrücken sich bewegt, welche wir bei der lu
difl'erenz-Lehre trafen (generalife'r intuen', diverso modo allendere, s.
Anm. 133 u. 137), und zugleich wieder mit dem Verfasser De gen.
et spec. in dem Begriffe des Sammelns der Aehnlichkeiten (s. Anm. 162 f.)
zusammentrifl‘t, ja unter dem Vorbehalte, dass es sich nur um die sub
jeclive lienkkraft handle und objecliv in der Natur die Universalien nicht
existireu, sogar jenes Wortes sich bedient, welches in der von ihm
bekämpften Status-Lehre (s. Anm. 132) das übliche war 5‘”).
Laufen so in bunter Auswahl aus den Answhten Anderer mehrere
Faden in die Auffassung der subjectiven Denknperation zusammen, so
soll nun unerwarteter Weise hiemit wieder der Gilhert’sche Realismus
in Verbindung kommen; nemlich Unkörperliclikeit sei nur negatiVe Be
zeichnung der Universalien, hingegen nach ihrer posuiven Grundlage
seien dieselben, wie überhaupt Alles, in ein Abbängigkeits-Verhältniss
zu Gott zu bringen; Gott aber habe die geformte Materie geschaffen,
d. h. sämmlliirhe Formen, sowohl die substantiellen als auch die acci
dentellen (s. diess bei Gilberl oben Anm. 461 f.) haben ihr Sein und
ihre Wirksamkeit von Gott, und so habe bei der Ausprägung der Dinge
eine Rücksicht auf Art-Begriffe obgewaltet, welche hiemit der Logiker
J“ "
sem Ebeud. 20, p. 95.: ivec verendume ut cassus sit intellectusl qui cu pers
ceperit seorsum a singufarifms, quum tamen a singularibus seorsum esse non possint.
intellectus enim quandoque rem simpliciter intueturj uelut si hominem per se intuea
fur, quandoque gradalim suis incedit passilmr, ut si hominem albere contempletun
et hic quidem dieitur esse compositum iion-o simplex rem interdum inspicit, ul-cfl,
ut si illatonem allenrfal, interdum alio modo; nunc enim componi-ntim quar-non sunt
compasila, nunc abstrahendm quae non possunt esse disiuncta p. 96.: ceterum
componens qui diiiuncta coniuugil (das Beispiel ist linearem“), inanis estg abstra
hens vero fidelis et quasi quaedam of/iciua omnium artiuuL Et quidem rebus ean
stendi unus est modus, quem scilicet natura contulitp sed easdem inteltigendi aut
signi/icaridi non unus est modus; licet enim esse nequeat homo, qui non sit iste vel
alius homo, intelligi tamen potest et significari Erye ad signi/ioationrm incom
plezorum per abstrahenteni intellectum gencra conoipiuntur et spet‘ics. quae tamen si
quis in rerum natura diligentius a sensibilibus remota quaerat, nihil aget et frustra
taborabity nihil enim tale natura peperitj ratio autem ea dcprelu-ndil substantialem
similitudinem rerum differentiam perlraolans apud so. Polycr. ll, 18, p. 96.: lntel
lectus nunc quidem res ut xuntj nunc aliter intuelur nunc simpliciter nunc nom
positc, nunc disiuneta coniungit nunc coniuncta distrahit et disiuugit p. 97.:
Si abstrahenlem lateris intelli-otium liberalium artium o/ficina peribit Sie hominem
intellectus attingita ut ad neminem hominem aspeclus illius descendut generaliter in
tucns, quod nonnisi singulariter esse potest Dum iaan rerum similitudines et
dissimilitudines colligit dum differentiam convenientias ct convenientiam differentias
altius persei-matum .... multos ‚zpud im rerum invenit slatus. alios quidem nmi-er
sali-s alios singularem
XIV. Johannes v. Salesbury. 249
nicht von Gott trennen dürfe, sondern kraft deren „die Dinge vorerst
in ihre Wesenheit und sodann in das menschliche Denken eingiengeun 5“).
ln Folge dieser mystischen Causalität desjenigen, was Gilberl substan
tielle Form genannt hatte, kann nun Johannes sagen, die Substantialität
‚der Universalien gelle nur bezüglich des Erkenntnissgrundes (causa
cognitionis-j und zugleich bezüglich des Entstehens der Dinge (natura),
denn jedes Wesen, welches in der Tabula logica auf einer je niedreren
Stufe stehe, bedürfe zu seinem Sein und zu seinem (iedachtwerden
eines anderen auf einer je höheren Stufe befindlichen Wesens; aber
ein Sein_haben die Universalien weder als Körper noch als Geister noch
als Einzel-Dinge 5M). So also glaubt der Anhänger Gilbert’s ein Aristo
teliker sein zu können, und sowie er meint, er entgehe jener unnö
thigen Verdopplung der Wesenheilen (s. Abschn. lll, Anm. 64), welche
eine Folge der platonischen Auffassung ist595)‚ so sagt erant das
Ausdrücklichste, dass die Universalien. welche den Dingen in ähnlicher
Weise zu Grunde liegen wie der unkörperliche Plan des Handelns den
sinnlich wahrnehmbaren Handlungen zu Grunde liegt, eben ausschliess
licli nur in den Einzel-Dingen gefunden werden, welch letztere als die
erscheinenden Exemplare (exempla) derselben sichtbar vorliegen, d. ll.
Johannes vertritt —-— und er ist hierin der Erste, welcher diess thnl
-— entschieden die Auffassung der „anion-rsalia in re“ und bekämpft
sogar die platonische Ansicht der „universalia ante rem“, da es ausser
halb des Einzelnen kein Allgemeines gebeämi). Da ihm aber dabei immer
593) Mclnl. lly 20, p. 103.: Sed et nomina, quae praemisil „iucorpoream“
et „inserisibile“ universalibus convenirey privativa in eis dumtaxat sunt nec proprie
tates aliquas, quibus natura universalium discernatur1 illis attribuunh siquidem nihil
incorporemn aut insensibile universale est Ouid es! autem incorporcum, quod
mm sit substantia creata a deo vel ipsi concretumP valeant aulem, imo disper
vom universalia, si ei obnoxia non saut. omnia per ipsum facta sunty utique tam
subiecta formarum quam formae subiectorum formae quoque tam substantiales
quam accidentates habent-ab ipso ut sint et ut suos in subiectis operentur s/fectus;
quod itaque ei obnoxium non est, onmino nihil est p. 104.: lit enim ait Augastinas, formatam creavit (dheiuesznmautnetreinamAnm. 6E103.)spectat
illud ltoethii in primo de trinitate „omnc esse ere forma estrr (Anm. 37.) cuili
bet ergo essay quod est aut quale aut quantum est. a forma est p. 105.:
Fundamente ieeit deus. et in ipsa expressione rerum habita est mentio specierum.
nou illarum dico, quas logici finganl nun obnoxius creutoriy sed formaram, in qui
bus res prodierunt primo in essentiam suam et in humanum intellectum demnm, nomi
hoc ipsum atiquidl quod coetum aut terra dieitury formae effectus est.
594) Ebend. p. 97.: and autem universalia dicuntur esse substantiatio singu
laribus, ud causam cognitionis referendnm est singutariumque naturam (in ahnlicher
Weise hatte Scotns Erigena von den Universalien die Ausdrücke causaliter und
elfectualiter gebraucht, Abschn. Xlll, Anm. 129.); hoc enim in singulis patetg si
quidem inferiore sine superioribus nec esse nec intelligi possunt Oaia ergo
tate erit tate et non exigitur a tati tam ad essentiam quam ad notitiamf ideo
hoc illi substantiale dieitur esse,- idem est in iridiuidais, quae erigunt species et
ycnera, sed nequaquam exiguntur ab eis universalia tamen et res dicuntur
esse et plerumque simpliciter esse, sed non ob hoc aut moles corporum aut subtilitas
spirituum aut singularium discreto essentia in eis attendenda cst.
595) Ehend. p. 98.: itaque deturl ut sint universalia aut etiam ut res sint,
si hoc pertinacibus placet ; non tamen ab hoc verum eritr lrenqs numerum augeri vel
minui pro eov quod ista non sunt in numero rerum.
sem Ebend.: llli/tit autem universale est nisi quod in singutaiibus invenitur i
uso XIV. Johannes v. Salesbury.
der Gdbert’sche Begrill' der substantiellen Form vorschwebt, so ist es
erklitrliehj dass er an jene aristotelischen Stellen sich hält, in welchen
Gattungs- und Art-Begriff als etwas Qualitatives bezeichnet werden wm
ln diesen qualificirenden Formen erblickt er die „Hand der Natur“,
welche die Dinge in die Formen einkleidele, damit der Mensch sie
leichter erfassen könne, und darum tritt nun die prima substantia des
Aristoteles, d. li. das Individuum, in den Vordergrund, von wo aus das
Denken für sich allein zu dem Allgemeinen der Art- und der Gattungs
Begrifl‘e sich mittelst der Formgleichheit des Einzelnen (eon/ormitas, s.
diesen Begriff bei Gilbert oben Anm. 474) in aufsteigender Linie er
hebt 595), und sowie Johannes hiebei wieder mit der Indifferenz-Lehre
zusammentrill‘t, so gebraucht er auch in dieser Beziehung selbst den
Ausdruck „conformis status“"'99). So wird die Formgleichheit der
..__ w
ivec moneatl quod singutaria et corporea exempla sunt universalium et incorporaliumg
quum onmis ratio gerendi incorporea sit et insensibilis, illud tamen quod geritur et
actus quo geritur plerumque sensibilis sit (auch dieses en'nnert an die Bedeutung,
welche Scotus Erigenn in das Wort „agere“ legt, s. Abscbn. Xlli, Anm. 131.).
p. 108.: Habila tamen ratione aequiuocationis, qua ens vel esse distinguitur pro
diversitate subiectomml species et genera utrumque non sine ratione esse dicunturz
Persuadet enim ratiol ut ea dicantur esse, quorum exempla couspiciuntur in singu
laribusr quae nullus ambigit esse. Nonautem sic dicuntur genera et species exem
plaria singuloruml ut iuxta Platonici dogmatis sensum formae sint ezcemplaresy quae
in mente divina intelligibiliter canstitcrintl antequam prodirent in corpora (diese ist
die Stelle Prisciau’s, s. Anm. 263.), sed quoniaml si quis eins, quod communiter
concipitur audito hoc numine „homo“ aut quod definitum cum dicitur homo esse rmi
mat rationale morlale, qnaerat exemplumr statim ei Plato alinsee hominum singulorum
ostenditur, ut communiter signi/icantis aut definientis ratio solideturx
597) Ebend. p. 100.: ltem Aristoteles, genera, inquit, et species circa sub
stantiam qualitatem determinant (Cal. 5, s. Abschn. IV, Anm. uso item in
Elenc/iis (c. 22, bei Boelh. p. 750. in etwas abweichender Ucbersetzung, s. Anm.
34.) „Iiomo et omne commune non hoc aliquid sed quale quid vel ad aliquid aliquo
modo vel huiusmodi quid significat“ et post pauca „mani/eslam, quoniam non dan
dum, hoc aliquid esse, quod communiter praedicatur de omm'bus, sed aut quale aut
ad aliquid aut quantum aut talium quid significare“. l’rofeclo qnod non est hoc ali
quid, significatione expressa non potest explanari quid sit.
598) Polyrr. ll, 18, p. 98.: Et primo substantiaml quae omnibus subestl am
tius intuetur (so. inlelleclus), in qua manus naturae probatur artinciss dum eam
variis proprietatibus et formis quasi suis quibusdam vestibus induit et suis sensuum
perceptibitibus informat, quo aptius possit humano ingenio comprehendi. ouod igitur
sensus percipit fonnisque subiectum estv singularis et prima substantia 0st,- id rcro,
sine quo illa nec esse nec intelligi potest. ei substantiale est et plerumque secunda
substantia nominaler Universale, si, [im non natura, conformitate tamen sit
commune multorums quod forte facilius in intellectuv quam in natura rerum. poterit
inveniri-y in quo genera et speciesy difl'erentt'as, propria et accidentiaj quae uniuer
saliter dicuntur-y plenum est inveniril quum in actu rerum substantiam universalium
quaercre exiguus fructus sit et labor infinilus, in mente vero utiliter c facillime
reperiuntur. Si enim solo rerum numero diffirenlium substantialem similitudinem
quis mente pertractct. speciem tenet ; si vero etiam specie differentium convenientia
menti occurraty generis latitudo mente diffunditurg denique dum remm, quas natura
substantiatiter vel accidentaliter assimilaoitl conformitatem percipit inlrlleclus, uni
versalium compreliensione movetur p. 99.: numquid abstrahens intelleclus, dum
haec agit, otiosus ut aut inutilisl pe quem animus honestarum artium gradibus
ad thronum consummatae philosophiae conscendil?
599) Enthet. v. 849 tta Es! individuum, quidquid natura cream'l, Conformisqae
XIV. Johannes v. Salesbury. - 251
Dinge mit der Gemeinschaftliehkeit des Gedankens (intellectus commu
m'tas, eommuniter intelligi) in unmittelbare Verbindung gebrachtwo),
die Universalien selbst aber als solche lediglich in die Erkenntnissweise
(modus intelligendi, was selbst mit der Lehre von der manet-ies über
einstimmt, s. Anm. 88) verlegt, wornach sie „ligürliche“ und nur der.
„Doctrin“ angehörende Worte (auch die Nominalisten hatten von figura
locutionis gesprochen, s. Anm. 81) oder kurzweg „Figmente“ genannt
werden, welche zu den Einzel-Dingen in dem Wechselverkehre des
Zeigens und Gezeigtwerdens stehen und darum von Aristoteles lüglich
als „monstra“ (—- monstrare —) bezeichnet werden konnten‘w‘).
Diese Aullassung der Universalien aber isl nun allerdings so dehn
bar, dass Johannes in den Begrill‘ des Figmentes auch das psychologi
sebe Erfassen der Urbilder (exemplaria), welche in mystischer Weise
aus den Dingen (exempla) aul' die Seele wirken. verlegen kann und
hiebei seinen eklektiseben Synkretismus deutlich genug ausspricht, in
dem er neben 'jenem nominalistischen Anklange die Universalien mit
einem an Scotus Erigena (s. unten Anm. 613) erinnernden Ausdrucke
als psychologische Erzeugnisse (phantasiae) bezeichnet, hiemit aber zu
gleich die stoisch-eiceronische Auflassung verbindet, wornach dieselben
subjective Begrifl'e fili/notaty notiones, s. die oben Anm. ea angeführte
Stelle) sind, und ausserdem noch sehr merklich nn den Platonismus
hiniiberstreil't oder wenigstens mit Gilbert übereinstimmt, insoferne auch
ihm die Universalien als die aus den Aehnlichkeiten der Einzel-Dinge g
hervorleuchtenden Spiegelbilder einer ursprünglichen ideellen Reinheit
gelten, womit schliesslich noch der Aristotelismus sich vermischt, da
diese Phantasie-Gebilde eben keine von den Einzeldingen getrennte
Existenz besitzen, sondern, wenn man sie so festhalten wollte, wie
Schatten oder Traumbilder entsehwindenfioz). Wenn es nun in der
status est rationis opus; si quis Aristotelem primum non censet Iiabctidunu hion red
dit meritis praemia digna sm's. ' ' .
600) Metnl. ll, 20, p. 98.: Ergo quod mens communiter intelligit et ad singu
laria multa aeque perlinet, quod vox communiter significat et aeque de multis rerum
est, mdubitanter universale est p. 107.: Secundum intellectum illum deliberari potest
de re subiecta, i. e. aclualiter excmpli'fimn' ab intellectus commtmitatem, et res,
quae sic intelligi potest, etsi a nulla inlelligatur, dieitur esse rommunis; res enim
sibi con/omnes sunt, ipsamque canformilatem deducla rerum cogitatione perpendil
intellectum
601) Ebend. p. l07.: Ergo dumtaxat intelliguntur secundum Aristotelem um}
cerealiay sed in actu rerum nihil ext, quod sit universale; a modo enim intelligendi
figurali'a haec et licenter quidem et doctrinaliter nomina indita sunt. p. 108.: Ergo
ex sententia Aristolelis gcnera et species non omnino quid ‚rit, sed quale quid quo
dammodo concipiuntur et quasi quaedam sunt ligmenta rationis se ipsum in rerum
inquisitio-ne et doctrina aubtilius ezercenlis Passant et monstra dici (in Bezug
nul die bekannte antiplatoniscbe Stelle des Aristoteles, s. dieselbe oben Anm. 31.),
quoniam invicem res singulas monstranl et monstranlur ab eis. lll, 3, p. 127.:
Eo vom, quae intelliguntur a singularibus abstracta, quae ex'con/brmitate singularium intellectu non cassa concaipnii'muintufir.ymenta sunt,
san Ebend. ll, 20, p. 96.: Sunt itaque genera et species non quidem res a
singularibus actu et naturaliter allenae, sed quaedam naturalium et actualium phan
tasiae (auch dieses Wort findet sich gleichfalls — vgl. Anm. 594. n. asa -
bei Seotus Erigena, s._Absclm. Xlll, Anm. 125.) renitentes intellectui de similitu
252 XIV. Johannes v. Saleshury.
That kaum möglich scheint, mehr Widersprüche aufeinander zu häufen,
als hier sich zusammenfinden, so müssen wir uns freilich daran erin
nern, dass Johannes Akademiker zu sein behauptete, und ihm der Vorzug
der aristotelischen Speculationsweise nicht so fast in der Wahrheit der
selben, sondern nur in einer gewissen Angemessenheit zu liegenschien
(Anm. 589). Keinenfalls aber darf es uns wundern, wenn nun auch
die oben (Anm. 598) sehr betonte „individuelle Substanz“ des Aristo—
teles neben aller Berufung auf den Grundsatz‚ dass das der Natur nach
Spätere für den erkennenden Menschen das Frühere ist, dennoch unter
den Händen des Johannes in eine sehr unaristolelische Wendung hin
übergelenkt wird; denn derselbe denkt auch hiebei nur an jenen lll-ea
tions-Process, welchen tiilbert bis zur Individualität (nicht. bis zum ln
dividuum) fortgesetzt hatte (Anm. 462), und in solchem Sinne stellt er
den Begriff des Individuums den tiattungs- und Art-Begriffen völlig
gleich “03), -—- eine Auffassung, welche uns daran erinnert, dass-schon
Abalard das „individuum“ gewisserniaassen zu den Universalien zählen
wollte (s. Anm. 278). Ja,‘ während Johannes gesagt hatte. in der
Logik sei Aristoteles der Führer, stumpft er vermöge seiner rhetorisch
stoischen Auffassung der Universalien sogar jenes Partei-Sehibolet ab,
welches stets die Aristoteliker den Platonikern entgegenhielten, nemlich
den Satz- „res de re non praedicaturu (s. Anm. 132 u. 287), denn er
meint, wenn auch nicht das Ding selbst als solches in den Urlheilen
sich befinde, so werde doeh in dem P'rädieate das Ding bezeichnet.
und auf solche Weise hebe die obige duldsame Auslegung, d. h. die
Methode des Indifferentismus (Anm. 574 ll'.) auch über diese Schwierig
keit hinweg‘m‘). Zuletzt ja erklärt er sich in Erwägung der Vieldeu
dine aetualium tanquam .in speculo natieae puritatis ipsius animae. quas graeci
lvvotag sine simulat/variae appellontl h. e. rerum imagines in mente apparentes
(s. Abschn. Vlll, Anm. 37. u. in Bezug auf Gilbert ob. Anm. 482.. die Hauptstelle
uber des Boethius oh. Anm. 64.); anima enim quasi revcrberala aeie contemplationis suae
in se ipsa reperity quod di/fim'l, nam et eius ezemplar in ipsa esit exemplum vero in
actualibus p. 97.: illa itaque exemplaria cogitabilia quidem sunt et quasi phan
tusiae et umbrae existentium secundum Aristotelem, quas si quis apprehendere nititur
per ezistentiamq quam habent a singularibus separatarm velut somnia elabuntun
603) Ebend. p. mox Ouae autem communiam sunty et priora quidem simpli
citerl nam et in aliis intelligunturg quae vero singularia, posterivm; sed plerum
que, quae naturaliter priora sunl, et nolitia simpliciter ignoliora sunt nobisv namque
solida magis familiariora sunt sensilma, quae vero subtilioral longius absunt (Arist.
Anal. posL l, 2, s. Abschn. IV, Anm. '74.) .‚.' Sunt itaque genera et species exem
plar-ia aingulorum, sed liac quidem magis ad rationem doctrinaev si Aristoteles verus
cal, quam ad causam essentiae. Procedit et haec monstruom, ul licentius loquar,
figmenlmzmi speculatio usque ad ventilationem .singularium ouum enim Plato
esse non possit informis et expers loci aut temporisy eum ratio quasi nudum de
duclo respeclu quantitatis et qualitatis aliorumque aeeidenlium simpliciter intuetur et
individuam nominatg sed et hoc utique doctrinalis instantiac et subtilioris agitationis
tigmentum esl; nihil enim tale in rebus occurrity tale quid tamen fideliter intelli
yitur. .
604) Ebend. p. lll f.: Hoc ipsum ergo quod dieitur „pracdirari“, ab ad
iunctis plures signi/icandi contrahit modos Nam quum sermo de sermone iungi
bilitutem quandam tenninorum verae affirmationis innuitv quum de re sermo dieitur
praedicari. ostenditun quod ei talis nuncupatio aplatur. item vero de re praedicari
W_4M__mm du ad
. .
y t
XIV. Johannes v. Salesbury. _ - 253
tigkeit der Worte auch noch damit einverstanden, dass man die Univer
salien selbst Dinge nennen könneüo“), wobei wir allerdings aus dieser
Aussersten wissenschaftliched Gleichgültigkeit den Eindruck empfangen,
als sei es überhaupt nicht der Mühe werth gewesen, uns um .die lin
sieht in die Meinung. des Johannes bezüglich der Universalien so- sehr
zu bekümrnern. ‚im an? c ‚er
Nach dem Bisherigen, was über den allgemeinen logischen Stand
puth des Johannes sowie über seine Stellung zu der hauptsächlichsten
Partei-Controverse anzugeben war, ist von vorneherein nicht zu erwarten,
dass er in den übrigen llaupttheilen der Logik, obwohl ihm auch die
Kenntniss der Analytiken zu Gebot stand, eigentlich einen förderlichen
Einfluss ausgeübt habe; und es sind auch im'Ganzen nur wenige ein
zelne Punkte, welche wir hervorheben müssen. nam wa
‚e Was hiemit- zunächst die Kategorien betrifft, so tritt erklärliclier
Weise hier wieder mehr die Auffassung des Gilbert in den Vordergrund,
und es stimmt völlig mit demselben überein, wenn Johannes diesen
Zweig der logischen Erörterungen, welchen er als „praedicamentatt's
inspectiou bezeichnet, hauptsächlich in die Erwägung des Was (quid)
und der qualitativen Bestimmtheit (proprietates, vgl. Anm. 459) und der
Gegensatzlichkeit verlegt, wobei er die Beschränkung auf das Natürliche,
‚d. b. auf dasjenige, was Gilhert (Anm. 464) nativum genannt hatte,
‚einhä1t6°5). Hiemit aber verbindet sich ihm der Standpunkt Abülard's
(s'. Anm. 272), dass in den Kategorien es sich um die einfachen unver
bundenen Sprachausdrücke handle, insoferne dieselben an sich „be
zeichnend“ sind 607). Die Erörterungen über univecum, aequivocum
u. dgl. nennt er. hierin dem isidorus folgend, Werkzeuge der Katego
rien 00%), und es liegen ihm dieselben wegen seiner steten Berück
interdum notati quoniam hoc est hoc, ut puta Pfote homo, interdum quoniam lioc
participat hoc, utpote subiectum acaidente. lvi-c erubesce confitcri', quod rcs de re
praedicetur in propositione, etsi res in propositione non sit, quum hoc in monte
mihi versetur, quod res signifieetar praedicato termino verae a/‘finnalt'oiiis, cuius sub
iecto aliqua de re agitur aut res aliqua significatur. ltaqne non adversantium litterae
arbitror, sed amicandum eique mos gen-ridas est in admittenda licentioris verbi in
di/ferentia.
tion Ebend. p. 112.: Sed et rei numen latius puteat, ut possit universalibus
cmwenire, quae sic auctore Aristotele intelliguntur abstracto a singufarifms, ut tamen
esse non habeant deductis singularibus. So erklärt sich dann freilich der aben
teuer-liebe Ausdruck uras praedicamenlalis“, Anm. su
606) Ebend. lV, 30, p. 187.: Es! autem praedioamentalis inspectio et prima
fere philosophandi via, de qualibet re proposita quid sit allendere, itemque quibus
proprietatibus ab aliis tii/ferat et quomodo aliis con/ormetur, deinde an rit ei quid
contrarium et an ipsum susceptibile contrariorumg quae quum innotueruntl res fami
liarius assignata in notitiam transiL Potycr. lV, Prof. p. 218.: Est ergo priqu
philosophandi gradus, genera rerum proprietatesque disculerel ut quidquid in singulis
verum sit, prudenter agnosoal. Ebend. ll, 22, p. 121.: Dem'qae apud philosophos
cautum est, talia manere pracdicata, qualia subiecta permiserint, omniumque prae
dicamentatium vim et proprietatem naturalium flm'bas limitari.
607) Metat. lll, 2. p. 119.: categoriarum liber Aristotelis elementarius est et
accedentii ad logicum quodammodo infantium exci'pit; tractat enim de sermonibus in
eompiezis in eo, quod rerum significativi .mnt, qua nihil prius est apud dialectioum.
Vgl. hingegen Anm. 578. ‘
608) Ehend.: Univocorum quoque et denominativorum adeo necessaria est cogni
asa XIV. Johannes v. Salesbnry.
sichtigung der Vieldeutigkeit der Worte ganz besonders am Herzen,
obwohl er wie wir sahen (Anm. 577), durch seinen Inditl‘erentismus
gerade auch diese Begriffe ahscliwächte oder verwischte; das multi
aocam und diversioocum will er überhaupt lieber der Grammatik zu
weisen 609)‚ Jene „Bezeichnung des Unverbundenen“ (significatio in
complexorum) soll durch zwölf Fragen zur Erkenntniss gelangen, deren
erste das „Ob“ ist, worauf zehn Fragen entsprechend den Kategorien
folgen, und als zwölfte das „Warum“ den Schluss macht; letztere je
doch fällt in ihrer Beantwortung dem göttlichen Wissen anheim und
geht somit über die Philosophie hinaus, welche sich mit den ersten
elf begnügt, wovon die erste wieder nicht zur Logik gehört; indem
aber die Logik den Umkreis des Gewordenen (d. h. Gilbert's nativqu
durchforscht, findet sie für ihre zehn Fragen die zedin Kategorien vor,
welche als Sprachausdrücke für das in den concreten Dingen Verflech
tene (Anm. 469) „ausgedacht“ sind, und so haben die zehn „geriet-a
praedicaltiliumu völlig gleiohmässig in den Aussagen und in den Dingen
(sitze in sermonibus sive in rebus) ihren Umkreisölol. Während so
die Hauptfrage dem Johannes auch hier wieder gleichgültig ist, legt er
ein grösseres Gewicht auf jenen Einen Beispiel-Satz, in welchen Aleuin
alle zehn Kategorien gebracht liattefiuj, und entscheidet sich auch darin
für Gilbert's Auffassung (Anm. 481 f.), dass er selbst einer aristoteli
schen Stelle gegenüber die Behauptung festhält, dass sämmtliche Kate
gorien nur zur Erkenntmss des Wesens. d. h. des sawasuv dienenau);
ti‘o, ut haec (n‘a, scilicet aequivoca, univoca et denominativa, asscrat Isidom:
categoriarum instrumenta (s. Abschn. Xlll, Anm. 32.).
609) Ebend. 3, p. 123.1 Mulliaora et diversiooca, quae boethius adiicit (S.
Abschn. XII, Anm. 88.), magis ad grammaticam pertinenL _
610) Ebend.: lncomplezorum significalia innotescit Prima quidem nosse
de aliquo, an sit. deindel quidy quale, quantle ad qm'd, abi, quando sit, quo
modo xitum. quid Iiabeat, faciat, patiatnr; novissima speculatio est in singulis,
quare sil, et quae iam non modo ad angelicam per/ectionem, sed ad diainae maie
statis praerogaliaam arccdit-.... (p. 124.) cumulus itaque scientiae in hoc duode
nario solidatar,‘ investigatio philosophica undenarii sobrielate contenta csl; porro
logirus decem institutionis suae elementa cognoscit Sed quia naturalium prima
est inquisitio, in ipsa primo decem praedivamerita formale sunt excogitatique iter-rno
nes. quibus de bis, quae prima occurrunt sensui aut intelleotai, qualia sint corpora
aut spiritus, quid, quantam et quale ossety aut secundum ceteras quaestiones natu
raliler pracedenles, declaratur unumquodque 20mm; unde et praedicamcnta diata
saut, sive in sermonibus sive in relms, decem genera praadicabilium, quae sir ad
singutares individuasque substantias applicaalur.
611) Ebend. p. 126 f.: Isidorus, Aloainus et quidam alii sapientam . . . . ..
sententiam plenissimant praedicamentorum absolutione perficiunt, ut in hoc comm
patet eremplo, s. Abschn. Xlll, Anm. 57.
612) Ebend. p. 126.: omnia ergo genera xpeciesquc substantiarum et qualita
tarn aliorumque primo ingemnt praedicamento. quoniam appositione generis speciei
primae satis/tt quaestiom, i. c. declaratur de aliquo, quid ipsum sit Hoc quidem
ab Aristotele videtur uliennmg ait enim nun folgt die oben Ahschn. IV, Anm.
324-. angeführte Stelle Top. l. 9 in einer von Boethins (p. 666.) etwas abweichen—
den Uebersetzung (s. Anm. 34.); hierauf: Eqaidem non hic videtur auctor expri
mere , quod in eodem praedicamenta, etsi eundem modum habeant pracdicandi, sint
omnia germ-a1 aut quod novem genera accidcntalium rerum non pracdicentar de sub
estantiih aut quod eodem modo praediccntur de saln'ectis et de cantcntis sut-ox
. xm Johannes v. Salesbtiry. ‘ 255
ja für die tiilbert’sche Annahme (Anm. 462 u. bes. 479). dass die in
dividuellen Bestinimtheiten die Totalität der Substanz betrefl'en, beruft
er sich sogar auf den Dionysius v. Areopag, d. h. auf Scotus Eri
genaöla). Indem er aber, wie gesagt, die onlologische und die logi
sche Seite völlig naiv parallelisirt, bringt er jene Verflechtung der con
creten Dinge, gleichfalls Wie Gilbert (Anm.'472)‚ in eine Verbindung
mit der Grammatik, indem die Substanz dem Substantivum, die übrigen
Kategorien aber als lngredienzen der Eigenthümlichkeiten dem Adjec
tivuni entsprechen sollen, und wegen der aul‘ alle concreten Wesen
sich erstreckenden Kategorie des Thuns und Leidens oder der Bewegung
(Anm. 464 u. 4891".) sich nothweniliger Weise das Verbum ein
stelltül4).
In der Lehre vom Urtheile, für welche Gilbert’s Ontologie Nichts
darbot, schliesst sich Johannes oll'enbar tlieilweise an Ahällard an, denn
er spricht nicht hloss wie Jener (Anm. 314 11'.) von dem wechselsei
tigen Erwecken der Gedanken durch die liedemaly sondern insbeson
dere gilt auch iiim (vgl. bei Abälard Anm. 330 u. bes. 382) das Wahr
sein und Falsch-sein als eine hlosse Modalität, welche bei den Dingen,
bei den Qetlanken, und bei den Aussagen eintrele‘HG). Hingegen he
613) librum ll, 20, p. 106.: Sic ct quodlibet accidens in toto sui subiecto cst
totaliter. sed totius partioliterl si pro perle, et quodlibet subiectum accidentis sui
timitibus coaequaturg hoc idem de generibus et speciebus protcstari non vereor; quin
mundo rcclumante dicamy quoniam a deo sunt aut omnino nihil sunt (s. Anm. 593.);
clamat mecum et llionysius Areopagita et numerum, quo discernunturl pondus quo
statumtlur, mensuram qua diffiniuntur omnia1 dei dicit imaginem (vgl. Abschn. XIII,
Anm. 139 L). Andere Anklänge aus Scolus Erigena s. oben Anm. 602.
614) Ehend. l, 14. p. 36.: Substantiis omnibus sua quasi impressa sunt no
minu; sed quoniam ipsarum multae sunt differentiam aliae quidem a quantitatel aliae
a quatitatel aliae a variis accidentium formis, itcm aliae ab his quae familiariora
sunt et ad esse conducunt; idcirco quibus hoc designantur-1 nomina sunt inventa,
quae possent adiici substantivis ct eorum iiim et naturam quodammodo depingercnt
Sicut enim accidentia substantiam vestiunt et informanll sic quadam prepar
tione rationis ab adiectivis substantiva informantur Pro eo, quod substantiay quae
sem-ui aut rationi obiiciturj sine m0tu, quo agendo vel patienda aliquid tempor-aliter
moveturt esse non potest, idco ad designandos motus corporalos ayenlis aut patientia
azcogitata sunt verba.
615) Enthet. v. 497 mi Aer sublüis, quem guttur format ct oris Organe, qui
sonitu possit ali aure oapij vox le, quae rescrat uni, quid cogitat alter, lnque
vicem reddit pervia corda sibi. Motel. I, 19, p. 49.: Sernm institutus est, ut ex
plicct intellectum
616) Metal. IV, 33, p. 190.: Locutiu, quae vcra dicitur. a madet quem inmu'l,
modalis appcllatur-g item opinio vcr'a a modo percipiendi et ratio vera a qualitate
ezaminis sui ,- rcs quoque singulae verae dicunturl dum in his taliter percipi-enu
dis nullius imaginis phantasmatc circumveniatur opinio. Ehend. 36. p. 196.: Si
enim rem sic esse ut ext, aut non esse ut non est, comprehendit (so. intellectus)
iudicio certo et fideli usus est; sin autem est non esse quod est, vel esse quod non
estv opinaturl procul dubio fallitur ct erratg ide-m quoque est in sennonibusg res
lautem, quae se ipsaml prout est, intellectui subiicit, vera cst; quae oliter, vana
et falsu. Ergo a modo percipiendi convincitur veritas aut falsitas tam opinionum
quam rerum. semnonum vcro a modo significandi. Entlict. v. eos lf.z Hinz: aliud
verum rerum connezio monstmt, Ouam sine compositis nemo videre polest; list in
tellectus verusv quia concipit ipsom; Sicque triplex veri dictio rebus ineslg Es! sermo
verus, quotiens designat eandenh Si se res habi-ann ut data verba ferunL
\
256 ' XIV. Johannes v. Salesbury. ‚
züglicli des sog. unbestimmten Urtheiles (vgl. Anm. 351) nimmt er den
Standpunkt ein, dass dasselbe l'ür das Erkennen untauglich seien).
Jene Urtheilsl'ormen, welche der Grammatik angehören und uns oben
tAniii. 207) unter dem Namen „materialiter impositau begegneten, be
zeichnet er als „seeunda intpositio“6‘3), und er warnt bei dieser Ge
legenheit vor dem logischen Missbrauche, welcher mit solchen Urtheilen
durch sophistische Witze gemacht werden kann, dabei die Probe eines
absichtlich gebildeten unsinnigen Satzes gebend‘m’). Beuierkenswerth
ist, dass er elieiidort die „Syncategoreuniata“ (s. Anm. 174, 206, 348)
erwähnt, jedoch in einer Weise, wornach er ‚nicht geneigt scheint,
denselben für die Logik eine Bedeutung wzugestehen, da er sie eben
jenen grammatischen Bezeichnungen gleichstellt, welche als blosse se
cunda impositio nicht leicht wieder aul den primären dinglichen Sinn
zurückangewendet werden können “20).
Aus dem Gebiete der Topik mag etwa erwähnt werden, dass lo
hannes in den Erörterungen des Aristoteles über den Gattuiigsbegrifl‘
eine Ergänzung und Berichtigung der Angaben des Porphyrius erblickt “21),
sowie dass er im Hinblicke auf die maæimae propositiones (s. Abschn.
XII, Anm. 138) ähnlich wie boethius die Festigkeit des mathematischen
Beweis-Verfahrens bervorhebt 6'22).
In der ersten Analytik findet er nicht bloss bei den Formen des
kategorischen Sehlusses eine Unvollständigkeit, welche durch Spätere
gehoben worden sei (Abschn. XII‚ Anm. 136). sondern sagt auch be
züglich jener Schlüsse, welche aus Coiiiliinalionen kategorisrlier Urtheile
617) Metal. II, 20, p. l01.: onmis itaque diclio, quae non sutis.proprie
ponitur aut certo et sua ratione ile/inito innititur subiecto; alioquin suo priuabilur
officio, quum ratio cognitionis cerliturlinis finem quaerat aut teneat
618) Ebend. I, 15, p. 37.: Procedat ratio ad secundae impositionis originam.
llelms itaque quum nomina primitiis essent imposital reversus ad se animus im
ponentis ipsis nominibus vocabula indidit, per quae sermonum doctrina procederct.
Ergo dictum est nomen substantimtm, adiectt'tmm. verbum
619) Ebend. p. 40.: Abusio est1 si quis dicat „equus desinit in S“ et simi
Ii'a; item „Cato sedens inter laniruluin et calendas Maritas (es erinnert diess un
willkürlich an den Volkswitz der Augsburger: „Zwischen Pfingsten und dern Klinker
Thor“) vestes populi nomani qualemario aut senione resarci't“ aut sermo non est aut
quovis sermone nugatdrio eorruptior.
620) Ebend. 16, p. 43.: Et quideni, quae a rebus sumptu suntv od res redire
possunt, sed quae inventa sunt ‚ ut verborum iudicent qualitatemy non eadem commo
ditatr- rel usu devoeanlun ut rerum iudicent quatit/ziemi videntur enim aliquid habere
simile cum tiis generibus cerlwruni, quae graece synealegoremata appellantun eo quod
sicut illorum ab adiunctis aut est aut perpenditur significati‘o, sic ista originis suae
sociata sermonibus suum commode ezeitant intellectumj alio vero traducta velut na
turali aigore destituta evanescunt rel absona sunt.
621) Ebeud. III, 7, p. 140.: Hoc tamen ab Aristotele (Top. IV, 1—6.), quo
niam Pm-pliyrms, quem parvuli scquunlnr, aliud docuity adiiciendum puto, quoniam
sicut genus unieore et non denami'native, sic nec secundum quid praedicaturg unde
constat, corpus non esse genus animalis ‚.‚.. Sed minutiores philosophi cum Por
phyrio vulgi sequuntur opinionem qui fere id solum consuevit approbare, quod sen
sibus patct.
om Polyor. VII, 7, p. 103.: Sie et geometriue primo petitiones quasdam quasi
totius artis iaciuut fuudamental deinde eommunes animi eonceptiones adiieiuntl et
sic quasi acie urdinutu ad eu, quae sibi sunt demonstranda, procediml.
‘f’ —- v XIV. Johannes v. Salesbury. in 257
mit Nothwendiglteits- und IIIi‘iglichkeits-Urtheilen bestehen (Abschn. IV,
Anm. 558 fl'.), dass dieselben von Aristoteles nicht erschöpfend darge
stellt seien, und hiemit noch für Andere hier eine Thatigkeit übrig
bleibe, welche jedoch für das bestehende praktische Bedtirfniss der
artiger Schlussweisen praktisch Bequemeres liefern solle ö23), — ein
Gerede, welches auch seinerseits selbst auf obige benigna interpretatio
Anspruch machen zu müssen scheint. Aehnlich spricht er sich über
die hypothetischen Schlüsse aus, welche vielleicht Aristoteles wegen
ihrer Schwierigkeit absichtlich weggelassen habe; doch sei neben einer
Einweisung auf diese Syllogismen, welche schon in der Topik vorliege,.
' insbesondere Eine Stelle der Analytik die Veranlassung gewesen, dass
Boethius und Andere die Lücke ergänzten, obwohl auch durch diese
noch nicht die wahre Vollständigkeit erreicht worden sein“). Dass
Johannes auch bei der Analytik nur den praktischen Zweck der Argu
mentation im Auge hatte, zeigt sich bei seiner Erwähnung der petitio
principiimila sowie einiger anderer technischer Momente, unter welchen
er für das Verfahren des Gegenbeweises die Terminologie „catasylto
gio-musu wähltm“). Ans der zweiten Analytik konnte er die Kenntniss
623) Metut. IV, 4, p. 160.: nium figurarum subnectit rationes (an. Aristoteles)
. et qui modi in singulis figuris ez complezione cxtremitatum proveniuntv docet,
data quidem semente rationis comm, quos sicut Boethius asserit (die Stelle ist oben
Absehn. V, Anm. 46. angeführt) Thcophrastus et Eudemus addiderunt. Deinde ha—
bita modaliam ratione transit ad commixtiones. quac de necessario sunt aut contin
genti, cum his quae sunt de inesse Nec tamen dico, ipsum Arislolelem attcubi,
quod 'legerim, nisi forte quod ad prapositum, de modatibus sufficienter egisse, sed
procedendi de omnibus fidelissimam scientiam tradidtt; ezpositores vero dioinae pa
ginac- rationem modomm pemecessoriam esse dicunt Et profecto licet nullus
modos omnes, mute modales dicimtur, singulatim enumerare suf/iciat, quod quidem
nec ars cxigit, tamen magistri scholarum inde contmazlissimc disputant et1 ut pace
multitudinis loquar, Aristotcle ipso commodius. Vgl. Anm. 220.
624) Ebend. 21, p. 177.: Dialccticam et apodicticam praecedentia docent.
ln iis tamen de hypotlieticis syltogismis nihil aut 'parum est actitatam, seminarium
tamen datum est ab Aristotele, ut ei istuc per industriam aliorum possit esse pro
cessuss Quum enim tam probabilium quam necessariomm loci monstrati sint, osten
sum est, quid ex quo sequatur probabiliter aut neocssario, quod quidem ad hypo
theticorum iudicium maxime spectat Praeterea Boethius (De sylt. hyp. p. 609.)
hoc pro seminario inveniendornm dicit acceptuml quod Aristoteles ait in Analylicis
(s. oben Anm. 522.) „idcm quum sit et non sit, non necesse est idem esse." Ergo
ipse et alii (s. Abschn. XII, Anm. 139.) aliquatenus suppleverunt impcrfectum Ari—
stola-lem in hoc parte, sed quidem ut mihi visum est, imperfecta (Inwieweit Letz
teres richtig sei, s. ebendJAnm. 155. u. 163.) Sed forte ob Aristotete de in
dustria relictus est hic labori eo quod plus difficuttatis quam utilitatis videtur habere
liber i‘llius, qui diligentissime scripsitg profecto si hunc Aristoteles more suo exse
queretur, verisimile 2st, tantae difficultatis fore libruml ut praeter Sibyllam intelligat
nemo. ivec tamen hic de hypotheticis satis arbitror expedituml supplementa vero
scholarum perutilia et necessaria sunt.
easy Ebend. 5‚ p. 161.: Adiicit (Anal. pr. II, 16., s. Abschn. IV, Anm. 628.)
et regulam petitionis principiil quae speculutio tam demonstratori quam dialectico
satis accommodata est, licet hic probabilitate gaudeat, ille veritatem dumtatcat am
plectatur.
626) Ebend. p. 162.: chuitnr de causa falsa conclusionisl ut oatasyllogismi
(so ist. auch wirklich in der Uebersctzung dcs Boethius p. 516. das betreffende
Capitol überschrieben, Anal. pr. II, 19., s. Abschn. IV, Anm. eam et elenchi (ebend.
Anm. 632.) et de fallacia secundum opinionem (ebend. Anm. 634 f.) et de miser
linum-ua Gescb. II. 17
258 XIV. Johannes v. Salesbury. Alanuo v. Lille.
der sog. vier aristotelischen Principien schöpfen 627), und ausserdem
wurde auch er auf die erkenntniss-theoretischen Fragen geführt, welche
er jedoch weit schlechter erörtert als der Verfasser De intellectibus
(Anm. 418 111), denn auf einen noch ziemlich aristotelisch klingenden
Anfang, welcher die Sinneswahrnehmung, die Einbildungskraft und die
Meinung betrifft, folgt sofort der ciceronische Begriff der praktischen
Klugheit, worauf sich Plato’s Auffassung der Vernunft (ratio) aureiht,
um zuletzt zu der theologisch verstandenen Weisheit (sapt'entia) als
endlichem Ziele zu führen 628). ‚uns „g
Auch aus den Soph. Elencht', welche Johannes an den Schluss des
aristotelischen Organons stellte, dürfte höchstens die Terminologie „re—
luctatorius syflogismus“ erwähnenswerth sein 6‘19), sowie aus dem Um;
kreise der Schriften des Boethius die Erwähnung der fünfzehn Arten
der Definition (s. Abschn. XII. Anm. 107), wobei die oberflächliche
Lectüre des boethianischen Buches den Johannes auf die Meinung brachte,
auch cicero habe eine Schrift De definitione Einige Verwandtschaft mit Johannes von vSearlfeassbsutrfiyao)z.eigt bezüglich
der theologischen Ontologie der ebenso gesclimaeklose als all‘ectirte
Alanus von Lille (gest. um 1200), insoferne Beiden die Auffassung
des Gilbert Porretanus in solchen Fragen als gemeinschaftlicher Aus
... LIMA.
sione medii et eztremorum (ebend. Anm. 636 f.)‚ citius tamen tota utilitas longe
commodius tradi potesL v ‚_- i
627) Enthet. v. 375 fili ouatuor ista solent laudem praestare wenn's, Subl'ectum,
spenies, artificisque manus, finis itcm cunctis qui nomina rebus adaptul Arist.
Anal. posL ll, 11., s. Abschn. IV, Anm. 696. Es war demnach völlig unnhthig,»
wenn man die Vermuthung aufstellte, Johannes habe die Bücher der Metaphysik
gekannt.
easy MetaL lV, 9, p. 165.: Ouum sensus secundum Aristolelem (Anal. post u,
19, Abschn. IV, Anm. 51.) sit naturalis potentia indicativa rermn, aut omnino non
est aut viz esl cognitio deficiente sensu p. 166.: Aristoteles autem sensum potius
vim animae asscn‘t, quam corporis passionum 10, p. 167.: lrnaginatio itaque a
radice sensnum per memoriae fomitem oritur. 11, p. 168.: Primum cnim iudicium
viget in sensuy secundum vero imaginationis est, ut quum aliquid perceptorum
retenta imagine tale vel tate asserit de futuro indicans vel remotog hoc autem alter
utrius iudicium opinio appellatur (so ist daia bei Boethins übersetzt, s. oben Anm.
19.; hingegen eristimatio s. Anm. 423.). 12, p. 169.: Prudentia autem estl ut
ait ('icero, virtus animae, quae in inquisitionc et perspicientia solertiaque scri aer
satur. 13, p. 169.: lnde estl quod maiores prudentiam vel scientiam ad tempora
lium et sensibilium notitiam retulerintl ad spiritualium vero intellectum et sapientiaml
nam de humanis scicnlia, de divinis sapientia dici solct. 16, p. 172.: Ergo et po
tentia st potentiae motus ratio appellatum hunc autem .motum asserit Plato in Po
lilia nim esse deliberaticam animae etc. 19, p. 175: Sapientia vcro sequitur in
tellertum, eo quod divina de his rebus, quas ratio discutit, intellectus euerpsü,
suave-m habent gustum et in amorem suum animas intelligentes accendunt.
629) Ebend. IV, 23, p. 180.: Sicut enim dialecticus elenchol quem nos relucta
torium dicimus syllogismumy eo quod contradictionis ext, utitur etc. Vgl. Polycr.
llf, 27, 145., woselbsl unter dem Namen „comutus“ ein Dilemma angewen
et wir . '
630) Metat. lll, 8, p. 141.: Sumpserunt hinc (d. b. aus ArisL Top. V1.) doctri
nae suae primordia Marius victorinus et itoei/tius cum Cicerone, qui singuli libros
definitionum ediderunt; illi quidem dejiniendi nomen usque ad quindecim species
difalnverunt, describendi modos delinitionis vocabulo supponenlesl huic vero de sub
stantialiqpraecipue cura est (die Quelle dieses lrrthumes s. Abschn. XU, Anm. 103.
11.106 ulla-l . i
XIV. Alanus v. Lille. 259
gangspunkt dient. Jedoch bat Alanus den logischen Gehalt dieser Onto
logie, deren Beurtbeilung oder Werthschatzung den Theologen über
lassen bleiben muss, nicht einmal in jener Weise, welche bei Gilbert
oder etwa auch bei Johannes hervortritt, ins Auge zu fassen der Mühe
werth gefunden, sondern sich in seinem schwülstigen Gedichte „Anti
claudianusu bezüglich der Logik auf den Standpunkt der allergewöhn
liebsten Schuldoctrin gestellt, welche auch er nur als ein Mittel der
Argumentation behul's der Bekämpfung der Ketzer anerkenntöal). Indem
er die sieben Künste in ähnlicher Weise wie Marcianus capella als
symboliscbebFiguren auftreten lässt. schildert er, nachdem zuerst die
Grammatik vorgeführt war, an zweiter Stelle die Logik als eine äusserst
fleissige und strebsame Jungfrau, an deren gebleichtem Antlitze nur
Haut und Knochen zu bemerken seien, so dass man die Folgen der im
Studium durchwacbten Nächte erkenne 632); sodann zahlt er ihre Gaben
auf, welche sie zum Kampfe für die Wahrheit mit sich bringe, und
zwar nennt er dabei vorÄAllem die Topik mit ihren maximae propo
sü-iones, in dieselbe die Syllogistik, sowie lnduction und Exemplum ver
llechtend, dann folgt die Definition mit Einschluss der Beschreibung
(vgl. Abschn. Xll, Anm. 9) und die Eintbeilung der Gattung in die Arten
sowie des Ganzen in die Theile, und ausserdem die Wiederverbindnng
des so Unterschiedeneu, durch welch sinnmtliche Functionen die Logik
als Werkzeug oder Schlüssel der Weisheit, sowie als Watl‘e für alle
übrigen Künste wirkeßaa). Endlich die Aufzählung der Autoren der
Logik preist den Porpbyrius als einen zweiten Oedipus, tadelt die Wort
verwirrung des Aristoteles, durch welche die Logik wieder verdunkelt
oan AnticlamL vu. 6 (Alam' Opp. ed. C. de Visch, Antw. 1654, foL p. 394.):
Suecedit logicac virtus argula, Haec docet argutum Martem rationis inirel Ad
venae parti concludere. frangere viros oppositas partemque suam ratione tueri, vesti
gare fugam veri falsumque fugare. Schismaticos logice falsosque retundere fratres,
Et pseuaotogicos et denudare sophistas.
632) Ebend. lll, l, p. 345.: Latius intendens sotlers studiosa loborans Virgo
secunda sludet, intrat penetralia mentisfSollicitatque manum, mentem manus excitat
urget lngenium Et dccor et species af/lasset virginis arlus, Sicut praesignis
membrorum disserit ordo, Ni facies quadam macie respersu iacer-etj Vallat eam macies,
macie vallata profunde Subsidet, et nudis cutis ossibus arida nubitg llaec habitu
gestu macte pallore figurat lnsomnes animi motus vigilemque Mincrvam Praedicat, et
secum vigiles vigilasse lucernas.
633) Ehend. p. 345 f.: Monxtrat clcnchorum pugnas logic-aeque duellumy Qua
titer ancipiti gladii mucrone coruscans Vis logicac veri facie tunicata recidit Falsa,
negans falsum veri latitare sub umbra Ouid lacus in logica dicatur quidve lo
lcalis congruitasy quid causa loci. quid mazima, Om‘d sit vis argumenti manans a
fonte locali. Cur argumentum lirruet locusi arme! clenchum Maxima, quae vires
proprias largitur elencho ...„ cur liget extremes medius medialer corum Terminus
et firmo con/ibulct omnia nexu ....‚ Oualiter usurpans vires et robur elenchi Singula
pereun-it inductioy colligit omne ...„ Oualiler exemplum de se parit Ouomodo
delinit1 partitun colligity unit Singula, quae gremio complectitur illa capaci, Ouo
modo res pingens descriptio claudit easdem Nee sinit in varios descriptum currere
vultusv ouid genus in species divisum separaty aut quid ltividit in partes totum
rursumque renodat, Ouae sunt sparsa pn'us, divisaquc cogit in unum. oualiter ars
logicac tanquam via, ianua, clavis, ostendit rescrut aperit secreta sophioc, Ouuliter
arma gerit et in omni mililal arte.
17'
260 XIV. Rückblick.
und verhüllt worden sei, worauf Boethius wieder Licht und Ordniing
in das Ganze gebracht habe 634).
Hiemit sind wir an der Gränzscheide des zwölften und des drei
zehnten Jahrhundertes angekommen, welche auch dadurch sich kenn
zeichnct‚ dass gerade zu jener Zeit von verschiedener Seite her dem
lateinischen Abendlandc neuer Stoff zugeführt wurde, dessen Betrachtung
der Gegenstand der zwei folgenden Abschnitte sein soll, um hernach die
ausgedehnten Wirkungen des neu binzukommenden Materiales enttvickeln
zu können. Erfreuliche Gesichtspunkte bezüglich des culturgeschicht
lichen Fortschrittes hat uns die bisher geführte Untersuchung allerdings
wahrlich nicht dargeboten. Wir haben wohl multa, aber sicher nicht
multum an uns vorübergehen lassen. Hat ja sogar die allmälig er
wachende Kenntniss der aristotelischen lIauptwerke kaum nennenswerlhe
Früchte getragen, und an Stelle einer wahrhaft philosophischen Auf
fassung der Logik, zu welcher das Studium des Aristoteles hätte ver
anlassen können, schien zuletzt selbst lieber noch der Drang nach
praktischer Rhetorik sich geltend machen zu wollen. Und selbst die
folgenden späteren Abschnitte werden uns auch zu jener Zeit, in weicher
ein neuer Geist die Fesseln der Tradition und der ausserlichen Aucto
rität durchbricht, auf dem Gebiete der Logik nur eine gesteigerte Wie
derholung dieses Spieles der Geschichte zeigen, wornach die Logik
unter sehr verschiedenen Auffassungen stets wieder aus einer innerlich
philosophischen Basis binausgedrangt wird.
634) Ehend. p. 347.: Auctores logicae, quos douat rccolens defunclos suscitat orbi. tllic ltorphyrius arcana resfoalvmial, puelreanlntier VOietdai,podes
nostri solveris aenigmata sphingosg verborum turbator adest et turbine multos Turbat
Aristoteles noster gaudetque latere. Sie logica lroclol, quod non tractassc videtur-1
Non quod aberrat in hoc, sed quod velamine verbi omnia sic velat, quod via: labor
ista rei-elet in lucem tenebrosa refert, nova ducit in usum Excusatque troposl
in normam schema reducitl Ezserit ambiguum Secerinusy quo duce linqucns Natalem
linguam nostri peregrinat in usum Sermonis logicac virtus dicatque latinum.
mi ____——- — - 71-7 —*' L—M-I‘
.xv. ABSCHNITT.
ElNFLiUSS DER BYZANTINEB.
Hatte der Betrieb der Logik schon in der zweiten Hälfte des 12.
Jahrhundertes einen höchst ansehnlichen Zuwachs des Materiales da
durch gefunden, dass man die früher unbekannten hauptsächlichsten
Bestandtheile des aristotelischen Organons kennen lernte, —- wenn auch,
wie wir sahen, die Wirkung hievon zunächst nicht so bedeutend war,
als man hätte erwarten können —, so trat nun mit dem Beginne des
13. Jahrhundertes gleichzeitig von drei Seiten her eine neue Vermehrung
des Stoll'es ein. nemlich durch Benützung byzantinischer Litteratur-Er
zeugnissc, durch Beiziehung der Leistungen der Araber, und durch das
Bekanntwerden der übrigen Werke des Aristoteles, unter welchen selbst.
verständlicher Weise vor Allem die Bücher der Metaphysik, sodann
aber auch die Schrift de am'ma auf die Logik einen Einfluss ausüben
mussten. Und so wird uns denn auch neuerdings unsere schon wie
derholt ausgesprochene Ansicht, dass das ganze Mittelalter lediglich von
der ausseren Zufuhr des Materiales abhängig war, durch den geschicht
lichen Verlauf ihre thatsächliche Bestätigung erhalten.
Dass durch die dritte der genannten Erweiterungen des Stoffes
ein Umschwung in der Stellung der Logik eintreten musste. ist klar',
denn nachdem bis dahin, abgesehen von platonischer Physik, die Logik
allein den Umkreis der eigentlichen Philosophie repräsentirt hatte, kam
dieselbe nun seit dem Betriebe aristotelischer Metaphysik und aristoteli
scher Psychologie in das Verhältniss einer Coordination oder auch einer
Suhordination zu anderen Zweigen der Philosophie. Doch wie sich
diess gestaltet habe, wird erst unten im XVll. Abschnitte dargestellt
werden können, wo der chronologische Faden an dem Punkte, an wel
chem wir ihn so eben verliessen, wieder aufzunehmen sein wird. ln
gleicher Weise muss es jenem nemlichen späteren Abschnitte vorbe
halten bleiben, die Wirkungen selbst vor Augen zu führen, welche 'aus
den beiden anderen neuen lngredienzien, nemlich aus der byzantinischen
und aus der arabischen Litteratur, sich ergaben.
Hingegen ist es nun unsere nächste Aufgabe (— denn die Dar
stellung der achten und vollständigen Lehre des Aristoteles liegt längst
hinter uns —), eben jenes doppelte fremdlandische Material, welches
in die Sprache des lateinischen Abendlandes übertragen wurde, vorerst
für sich allein kennen zu lernen. Sowie aber dort der byzantinische f
Q
262 xv. Berührung mit den Byzantinern.
und der arabische Einfluss im 13. Jahrhunderte zur nemlichen Zeit zu
Tag treten, so ist es für die Geschichte der abendländischen Logik an
sich völlig gleichgültig, welchen von beiden wir zuerst betrachten, und
es mag etwa der erstere nur darum vorangestellt werden, weil er mehr
eine unmittelbare Anknüpfung an Erscheinungen darbietet, welche bereits
früher Gegenstand unserer Erörterungen gewesen waren.
Wohl aber dürfen wir schon hier zur Orientirung die weitgreifende
Bemerkung vorausschicken, dass die Logik, soweit sie im 13. Jahr
hunderte neben der ausserlich eingelernten aristotelichen Philosophie
eine selbstständige Stellung erhielt, nun durch Uebertragung eines by
zantinischen Compendiums und byzantinischer Technik eine veränderte
Gestalt annahm und einen folgenreichen Zuwachs an lnhalt erfuhr, so
dass nicht ohne Berechtigung in den Schulen für diese „neue Logik“
die Bezeichnung „m'a moderne“ üblich wurde. Sowie man den ge
sammten Zeitabschnitt von lsidorus an bis zum Beginne des 13. Jahr
hundertes füglich die Periode des Boethius nennen kann, wenn auch in
den letzteren Jahrzehenlen derselben einige Kenntniss des Aristoteles
mitspielte, ebenso darf man bezüglich der eigentlichen Schul—Logik fast
die ganzen nächstfolgenden drei Jahrhunderte als die Periode des Psel
lus bezeichnen, wenn auch die altere boethianische Tradition als „m‘a
a'ntiqua“ nehenherlief, oder Erneuerungen früherer Partei-Controversen
sich einstellten. ‚
Im XI. Abschnitte wurde die vielfach unbedeutende und sterile
Reihe der griechischen Commentare zur aristotelischen Logik und der
griechischen Schulcompendien bis in das lll. Jahrhundert hinahgeführt;
und indem schon dort (zw. Anm. 82 u. 83) bemerkt wurde, dass vom
5. Jahrhunderte an diese Litteratur spurl0s an dem lateinischen Abend“
lande vorübergieng und gleichsam seitab lag, wohl aber (ebend. Anm.
176) bei Petrus llispanus (13. Jahrh.) eine Einwirkung sich zeige, welche
mit Psellus begann, so müssen wir nun hier, nicht etwa zur Fort
setzung der dort schon angegebenen litterär-geschichtlichen Entwicklung,
sondern lediglich um jener lateinischen Schul-Logik willen, welche vom
13. Jahrhunderte an betrieben wurde, alles dasjenige vorführen, ‚was
als neues lngrediens wirkte. Denn äusserliehes Aufralfen und ausser
liches Uebertragen des sich darbietenden Stoffes war ja überhaupt die
methodische That des traditions-süchtigen Mittelalters, und so kann auch
die Geschichte der Logik gleichsam nur registriren, welcherlei Bausteine
zugeschleppt werden seien. süß
Dass nun ein thatsächlicher Einfluss byzantinischer Litteratur auf die
lateinische Logik bestand, wird im Folgenden selbstredend dargestellt
werden. Die Frage aber, wie derselbe überhaupt ermöglicht wurde, gehört
theils der allgemeinen Kulturgeschichte an, theils liegt ihre Beantwortung
in so altbekannten Thatsachen und Verhältnissen, dass wir den Leser zu
beleidigen fürchten, wenn wir an die Kreuzzüge und die Entstehung des
lateinischen Kaiserthumes (Einnahme Konstantinopel’s durch die Kreuz
fahrer i. J. 1204), an das endlose Gezänke der Theologen beider zum
Schisma treibenden Kirchen, an die juristische Gelehrsamkeit, welche in
Erklärung der Basiliken niedergelegt wurde, erst noch ausdrücklich er
innern wollten. Einzelne Momente, welche unserem speciellen Gegen
Eh“
J’ A‘ x-v. Berührung mit den Byzantinern. ' ' 263
stande naher liegen, trafen wir bereits im 12. Jahrh. (s. vor. Abschn.
Anm. 25 n. 32 f.); eine völlig entscheidende Wirkung aber musste es
für die ersten Jahrzehente des 13. Jahrhundertes haben, dass der all
gewaltige Papst lnnocenz lll., welcher das durch seine lntrigue in die
Welt gesetzte lateinische Kaiserthum vortrefflich für seine Zwecke aus
zunützen wusste, im J. 1205 den Wunsch Balduins bei den französi
schen Prälaten befürwortete, dass „zur Ehre Gottes“ Geistliche aus
Frankreich nach Konstantinopel sich begehen und dort den Samen
christlicher Bildung ansstreuen sollten l), — ein Wunsch, welchen der
Papst gleichzeitig auch an die Universität Paris richtete, dabei nicht
vergessend, die Bereitwilligkoit der Missionare auch durch llinweisung
auf irdische Schätze und Genüsse anzuspornen‘?) Und wenn uun auch
hiebei Förderung der Wissenschaft wahrlich ebenso wenig der Zweck
war, als bei dem collegium constantinopoli-tamem welches in der nem
lichen Zeit der winkelzügige König Philipp August in politischer und
papst-frcundlicher Tendenz zu Paris einrichtete 3), so war es Sache des
mittelbaren ausseren Erfolges, dass nun Vertreter oder Schüler der bis
dahin hauptsächlich in Frankreich blühenden Logik in Berührung mit
einer fremden litterarischen Entwicklungsstufe kommen konnten, welche
Wohl in den Augen eines Papstes einer Maassreglung zu bedürfen
scheinen mochte, an sich aber in der glänzenden Litteratur-Epoche del
Anna tlomnena äusserst manigfaltig und reichhaltig emporgehlüht war
und bezüglich der Logik wenigstens nicht in höherem Grade, als die
bisherige lateinische Littera‘tnr, unphilosophisch und schulmässig auftrat,
1) ltiplomataa flrartaey lfpistolae ctc. Rcccuil de Brequiguy et La Porte du
Theit. Paris. 1791. ll, p. 712.: llniversitalem vestram rogamus attente et hortamur
per apostoliea vobis scripta mandautesl quatenus pium eius (so. Balduini) desideriumi
quantum in vobis fucrit, promoventes de singulis ordinibus viros maribus et scientia
connntndandos ac in religione ferventes ad partes illas deatinare curcfis, per quos /
novella illa plantatio in disciplina domini erudita fractum reddat suis temporibus l
opportnnum ad laudem et ylori'am redemptoris et orientalis ecclesia in di- .
cinis laudibus ab occidentali non dissoneL
2) Ebend. p. 713.: Mayistn's et scholaribus llnrisiensibus '.... suppticavit (so.
Batduiuus), ut vos inducere ac manere apostolicis litteris dignaremarl quati-nux ini
Grucu'am accedentes ibi stttderetis litterarum studium reformare Um'rcrsitatem}
vestram royamus, quatenus diligentius attcmlentes, quanto maiores vestri difficuttates
et grot‘ominn sunt pcrpessi, ut adulescentiae suae primitias imbuerent litteratibus
disciptinis, non taedeat plerosque vestrum ad terram argento ct auro gemmisque
refertam. frumentoy vina et oleo stabilitarit et bonorum omnium copiis a/fluentem
accedcrc, ut ad illius honorem et gloriann a qua est omnis scientiae dunum, sibi et
aliis ibidem proficiant. praeter temporales diritias et honores aeternae gloriae prae
mia receptmL S. Jourdain, ficclterclics erit (2. Aufl. 1843). p. 471.
ap llulaeusy Hist anie Paris. III, p. 10. (aus Fttesncus, de statutis theol.):
Post expngnatam constantinopolim a francis et Venetis sacro foedere ianctix Phi-ll
lippo Augusto rege Lutetiae conditam est collegium constantinopolitath ud ripam
Sequanae prope forum Malbertinuma nescio in arcano imperii consilio, ut graecorum ‘
liberi Lutetiam venientes una cum lingua latina paultatim vetus illud et patrium m
Latinos odium deponerent eorumque humanitatem et benignitatem experti ad suos
reversi non sine magna Latini nominis incremento virtutes illas passim prnedicarcnt.
ac velut obsides habitiq qut-l si quid parentes et omnes graeca levitate adversus
Latinos „mitunter, ipsi adolestentes Lutetia conetusi fuerinL S. lourdain a. a. a
p. 49 f.
264 XV. Berührung-mit den Byzantinern. Psellus.
l
vwohl jedoch vor derselben den Eiiieii Vorzug besass, dass in ununter
brochener Succession stets auch die Hauptschriften des aristotelischen
Organons erörtert und benützt worden waren. Dass ausserdem in Un
teritalien die Kenntniss der griechischen Sprache (wenn auch nicht der
griechischen Litteratur) und der Verkehr mit Griechen nie völlig aus'
gestorben waren, sowie dass Venedig in lebhafter Wechselbeziehung
mit dem griechischen Oriente war, ist hinreichend bekannt, und so
mochte neben denjenigen Erscheinungen, welche wir schon früher trafen
(vor. Ahschn. Anm. 3, 25 u. 33), wohl im Laufe der Zeit noch in ge- ’
steigerter Weise durch Uebersetzungen eine Vermittlung hyzautiniscber
Schriften bewerkstelligt worden sein, wenn wir auch nicht mehr im
Stande sind, einzelne Fäden einer solchen 'l‘hätigkeit auf dem Gebiete
der Logik nachzuweisen oder zu verfolgen 4).
Bei Weitem das einflussreichste Erzeugniss der byzantinischen Lit
teratur war das compendium des Psellus (s. ohen Absclin. Xl, Anm.
173 fl‘‚), welches unter dem Titel stvong elg ripa ‚Anaerors'loug Äoys
n'r‘jv Ämorzjn'qv die gesainnite aristotelische Logik enthielt. Dasselbe
übte die weitgreifendste Wirkung auf das lateinische Abendland dadurch
aus, dass es sofort bei seinem dortigen Bekanntwerden zur Grundlage
der Compendieu-Litteratur gemacht wurde. Neinlich es lag in dieser
Beziehung allerdings wohl das eutscheidendste Fai'tum darin, dass Petrus
Hispaiius die Syiiopsis des I’sellus wörtlich übersetzte, aber aus Hand
schriften der Pariser Bibliothek machte ich die überraschende Entdeckung,
dass Petrus Hispanus durchaus nicht der erste Uehersetzer des Psellus
‚war, sondern dass bereits einige Jahrzehnte vor demselben durch An
dere, wie namentlich durch Wilhelm Shyreswood, das compendium
des Psellus in die lateinische Schal-Logik eingeführt und sogar mit
einer weit grösseren Selbstständigkeit verarbeitet worden war. Und
nur durch die Auctoritäl, welche Petrus Hispaiius als Papst in dem
römisch-katholischen Abeiidlande genoss, konnte es geschehen, dass jene
Bestrebungen anderer Schriftsteller des 13. Jahrhundertes, welche gleich
falls auf byzantiniscber Litteratur fussten, allmälig bei Seite geschoben
wurden und iiiit einer gewissen Monotonie sich ausschliesslich das geist
losere Elahorat des Petrus hispanus auf lange Zeit hin einbürgerte.
Während aber all diese Verhältnisse, wie sich von selbst versteht,
ihre genügende Darlegung im XVll. Abschnitte finden werden, wenden
wir uns nun zu der Synopsis des Psellus selbst, um hiedurch die Ori
ginal-Quelle jener lateinischen Litteratur-l’rodukte kennen zu lernen 5’).
4) Giriiigirol. Sradenigoy llagionamento istorico-critico intorno alta letteralura
greco-italiana. Brescia usa 8. enthält, ohne irgend neue Spuren der Forschung
zu eröffnen. ein ziemlich nnkritisches Register von Italienern, welche des Griechi
schen kundig waren. Die Abhandlung von Friedr. Cramer (Dissertatio de graecis
medii aevi studiis. Pars prior et altera. Sundiae 1849 u. 1853. 4.) bricht an eben
jenem Punkte ab, welcher uns hier zumeist interessirt, nemlich bei dem Eintritte
der Kreuzzüge.
5) Ich halte es für unerlässlich, mehrere einzelne Abschnitte des l‘scllus
gleichsam als Probe wörtlich im Originaltexte mitzutheilcn, um sodann entsprechend
im XVll. Abschnitte das Gleiche zu thun; denn nur hiedurch kann der Leser die
eigene Ueberzeugung schöpfen, in wieweit z. B. Wilhelm Shyreswood selbststän
xv. Psellus. nos
væ- F„‚«‚A‚ ‚_„
Psellus beginnt mit der Notiz, dass die Dialektik die Kunst der
Künste (ars artfum) sei‚ um dann sogleich von der Etymologie ihres
Namens aus auf den Begrill' der Sirache und hielnit auf jenen des
Wortes camuna und des Sehalles (quwg) zu gelangen“), wodurch sich
sofort als erster Haupttheil des Compendiums der lnhall des Buches
De interpr. einstellt und sonaeh die Lehre vom Urtheile voraustritt.
Es wird nemlich zunächst in der üblichen Schulmanier ausführlicher
über den Schall und über die menschliche Ausdrucksweise gehandelt.
welch letztere entweder nicht bezeichnend oder bezeichnend camini
quorvumj) sein könne; der bezeichnende Ausdruck wird in den ver
bundenen (ovpnm/lsypevn)‘ d. h. den Satz, und in den unverbundenen
fiiciiptarlisntog-js d. h. die einzelnen Worte, eingetheiltT), worauf in der
diger den neuen Stoll' benützt, hingegen l‘etrus Hispanus nur wörtlich übersetzt
habe; und ich hege das Vertrauen, dass dann der Leser meine Angaben über die
übrigen‚ nicht ausführlich abgedruckten, Theile der sich entsprechenden Compan
dien mir auf mein Wort glauben werde. Uebrigens ist auch zu bemerken‚ dass
die Summuta des Petrus Hispanus gleichsam als eine zweite liandschriftv und zwar
baulig in der That als eine bessere Recensiom zur Textes-Kritik des Psellus be
nützt werden muss; jene Augsburger Handschrift, aus welcher Ehinger die Synopsis
herausgnb (Angst). tim 8.), —- jetzt in der Münchner Staatsbibliothek befindlich
(Cod. ymcc. Mun. 5-18.)—‚ enthalt auch noch (fol. 33 ff.) ein Ereerpt der Synopsis
von sehr später Hand.
6) Mich. Pselli Synopsis Org. Arisl.‚l‚ l, p. l. l‘ed. Eliinger): dialexuxri ian
1511/1} n mihi xat {men'huq iniarnpaiv 1196; nis unaaafw In)» yeädd‘wr
dozdc o t‘w lxovda, xai d‘u‘z roi/m 81/ rj xniau 1an Smarqptaiv nonita-lv
sh'm Ihr dtalsxnxr'gv xoi Asyenu ae 1‘; dialcxnxfi (im) n‘y; Judäa“.
' cli o‘md nic hdnida 11'); o’ryzmvou'dq; n‘) ;,Ausraäü“ xat zur"; „le'yw“, i'v' ä
a d‘voiv ‚anal-"1‘: 1013105110101! 167/09. mii nnoßa'llovzog animuin xai Ioü
dnox woluslyov- ii dnö mo diulsle’läm xat durxengoä‘ah miflg iiti d‘rjlov—
dn [In ruf; yvaiym; d‘zmgoüwm ot dcaleydyevon xir inci ndtdleftc
01} dui/arcu ysväm‘iaz et Iiu‘; actu-rationes löyov, oüd" fiti a löyo; et zu)
paso'msuoümy; qitw/nh fläou Ä qunin ipdcpog fig den, dicit mitto a3; dno
neotlgou toü 1,06qu d xrs‘ov. Es ist wahrlich nicht nöthig‚ bei jedem einzcl
nen Paragraphen des Psel us auf die Quellen, aus denen sie geschöpft sind, zu—
rückzuweisen, soweit das Ganze uns nur den Inhalt der am Schlüsse des Alter
tbumes recipirten Schal-Logik zeigt, welcher aus dem im XI. Abschnitte Erorterten
hinreichend ersichtlich sein durfte. Wohl hingegen werde ich sorgfaltig alle die—
jenigen Punkte hervorheben. für welche jene Sehnltradition nicht zureichend ist,
und namentlich macht in dieser Beziehung der Schluss des compendium eine
bedeutsame Ausnahme, woselbst uns die Frage über die Quellen des Psellus sehr
fühlbar werden wird. y t
‚7) Ebend. p. 3.: lliocpog rotruv Betty, ay tiv xuplmg 1'; dzoi; iii/ulqu
ßdwm'm. ls’yw de 'rö xugtwg, duin ei xat o av-ltngnoc xai a xaidmv duode
1m, rof/ro 01’»: iariv el pii d‘u‘z ipdipou. fuiit Wut/‚um a [ze'v lati qmm) d
es oii qmm}; xal qmwj {an tlm'qno; me oaiyarog roü L'ain 71900/61361; rot";
quamuis dgyoivoig ‚ueyogthzzs’vog' «pumxr‘z es öanva, oic 1‘; (pwm‘uzogwoü—
nuy le’yomm xai sio‘z silua dd‘o'weg, ylaioda„ oügaw’mcog, laiguyfy xa‘z
äw'gaä‘ ipsum d‘ä ö oux (du (puwzj iariv a qupqua/og 3x rfig uuyxgoüosmg
taiia eint/üle o'mydrwv, uSg i1 ägaüm; wir dtrd‘ng xat ö növ nodröv x11}
nog xai ru Spou-L T1511 quöv m‘ yev eiai anuni/natat mi ac 01‘)" owner
‘nm‘g rpqu Sony il nagwtaiaci n. xai dnlonoiuiirm rj dxofi, olor ävägonmgr
oii armat/uini iariv r'j tuqu tj äxoü naglnruioa, otoy ßc'r, poti Tür 0'17—
‚ummxaiv (pwmüv at ubi clari aqyuvnxal (puo'u, at o‘e ‚Haar cpww‘) rpuau
vmum/nmi {nur iy nagd näin ib uino nagwnüaa, dig-nee a otei/aybe
nini n’mäsvoüwwv ödüvnw (61110311 scheint ausgefallen zu sein) xat 1‘; zahl xv
me xv. Psellus.
üblichen Weise die Angaben über das Substantivum t’) und über_das
Verbum folgen, woran sich die Bemerkung knüpft, dass nur diese bei
den fiir die Dialektik wirklich als Bedetheile gelten können, hingegen
die übrigen Arten der Worte blosse syncategoremata (s. vor. Abschn.
Anm. 174, 206, 348) seien 9). Die übliche Aufzählung der Arten des
Satzes (Löyog) erscheint hier in der Terminologie der Grammatik (lndi
cativ-, lmperativ-, Optativ-, Conjunctiv-Satz), daher auch der lndicativ
Satz als das eigentlich logische Urtheil bezeichnet wird u’).
Das letztere (npdmotg) wird nun vorläufig in das kategorische und
das hypothetische eingetheilt, hierauf aber sogleich bezüglich des kate
gorischen die Angabe der wesentlichen Bestandtheile angereiht, wobei
mit völliger Entschiedenheit die Dreizahl derselben, nemlich Subject,
Prädicat und „Gepula“ :(vgl. vor. Abschn. Anm. 370) ausgesprochen
wird 11). Indem sodann die Erörterung der Verhältnisse der Quantität
(allgemein, partwular, singulär, unbestimmt) und der Qualität l'olgt, ist
zu beachten, dass nicht bloss neben speciellen Definitionen des allge
meinen und des individuellen Subjects-Begrill'es (590; uowog und 3909
hurtig) ein besonderes Gewicht auf die grammatischen Zeichen lombij
der Quantität gelegt wird, sondern auch acht schulmässig drei Fragen
t
möv i'laan‘; ögyr‘w i xagdy- (nur?) ääosi‘oqyavnxr} Farm iy xan‘v rfiv roi
tiqualtov sanum Önoüv flüQlÜ‘llüO'flfUl’OV äwigwnog. Tröv cntias/nsinsiv
(pmwöv il per Errnv r‘mlfi xal daopnlsxrog oiov 16 iivquu xni ro dimm, i
de m'a/‚9610; xal ov/znanley'ye‘vn, view Ö log/0;.
e l, 2.
si l, 3. Der Schluss des Capitels lautet (p. 9.): ’Ioze’ov de ön il d‘mlsx
um) duo ludwz stitum pfgn 1017 ioy/om us Ö'vqua d‘nlud‘i‘] xtd ro diluc- nii
et illa pfgn mihi ngogxatnyogvi/iara (aus Petrus Hispanus sowie aus Wil
helm Shyreswood, verglichen mit der obengvor. Abschn. Anm. 174. angeführten
Stelle Priscian's„ ist auch hier sicher uvyxnmyogfiyrua zu schreiben) iiyow
ngoganyavnxm ‘
10) l, 4, p. 9.: Aöyog dari qmm/1‘] onyrw'rmi‘] xarr‘: tri/vitiing ils- 1d:
paean zmä’ uinii armati/ei zelmniopäva Tiüv Ao'ymv et per eimje'lemi
oi d" dreißig rov ae utueur 1.6 iov oi yev eiow a iorixoi, oiov är
ögumog rgs’_u‚ oi d‘E ”(iodralemfi, urov 61'111; nipa ol di süxnzut, (ö; ro
yä‘voiro xulog schwierig, ut de ünomxnxoi, oiml iv 3‘119.17; necis ‚es, duio‘w
am 71111011. routum 63 mirth ö öpmnxo; ydvog ldyog Qo'fl ngduzmgl
lnei peduog dlfiä‘emv ii tpezldog trugen/61.
ll) l, 5, p. 13.: Hgdmat; ian Adyog dinSsmv Tür ngorrio'swv il (als! starr/yogixr‘; il d‘ä z‘moöenm}, r')‘ Kiapnsin//d0oc91amq]pafltgvöwnrruf;
lati löyog xataanixdg 1'1‘ änoqunxö; mag xarci rwog r’i rwö; dind twog.
Karrlyogtxr‘; ngönmf; fumi 1'; Flaum ünoxdyevov xal zurriyoyoüpsvov xai
dwd‘h/ (dass diese zwei Worte im Texte ausgefallen waren, zeigt sowohl Petrus
hispanum als auch das sogleich Folgeride) ful uiov „s’il/3901710; rgeln‘“ lv
‘rmiry JE rj ngonioei rd „dirßgwnog“ iariv imoxs/pswov xal ro „195 er“
xurqyogod‘uevw xal 16 aus/der fv us „i‘n‘nv“, a 6711011, ei illegitimae ouzmg
„fit/3901110; wem“, niimigtonog rgfxwr loflv‘“ immilla yäp ro niivSgw
710;“ intonsums ra „19511011“ xmqyogeitm, xal 101710 id gis-hum ro ‚.Son’v“
ovg'eüyvvm stas-tinm 11; oüvd‘eoyo; ro Z'v ‚und roa E'rägou Sowie aus
dieser Stelle mittelst der lateinischen Logik des 13. Jahrh. der noch heutzutage
recipirte Sprachgebrauch floss, so möchte ich auch die Möglichkeit nicht geradezu
verneinen, dass jene obige Stelle Abalard's (vor. Abschn. Anm. 370.) gleichfalls
auf einer versprongten Notiz byzantinischer Schuldoctrin (s. ebend. Anm. 33 f.)
beruht haben könne. ‘
xv. Psellns. l 267
formulirt' werden, welche sich auf die Substanz des Urtheiles (ot’io'la,
d. h. ob kategorisch oder hygothetisch) sowie auf die Qualität und die
Quantität desselben beziehen1 ). «1t
sl’dp In gleicher Weise wie bei Boethius (Abschn. XII, Anm. nam knüpft
sich dann an die Bemerkung, dass zwei Urtheile entweder ihre beiden
Begrill'e oder Einen der beiden oder keinen gemeinschaftlich haben
können, sogleich die gewöhnliche Angabe bezüglich der vier Urtlieils
formen (allg. bej., allg. vern., part. bej., part. vern.), wann dieselben
conträr oder contradictorisch oder subaltern oder subconträr seien“),
und die hierauf bezüglichen Regeln werden durch die Eintheilung ein
geleitet, dass der Stoff (3117) der Urtheile entweder eine Nothwendig
keit oder eine Möglichkeit oder eine Unmöglichkeit (dvayxufa, Evdsxm
phi", iidiva-rom enthalte l")‚
' Sodann wird gleichfalls an die Gemeinschaftlichkeit der beiden
Termini die Lehre von der Umkehrung (o’mrwrgoqvfi) geknüpft, und zwar
zeigt uns auch diese hier die nemliche Dreitheilnng comm und: avu
I2) Ebend. p. 15.: Tlöy xatnyo‘gtxaiv ngonioeaw 1'; yev xai‘idlou iy d‘ä
pegixi‘y a Ja‘ änqogd‘iögmro; iy de ivixrj. Kai xuöölov ‚du fama lu a
xowö; agas imdxutat Gruseln» xaäo'lou ngogl‘zwgmyävo; wird; de Sgog
iariv Ö xan‘: rclativum Mywäw neqwxm'; (eine weitere Verwendung des 6'909
trotz/69.5. unten Anm. 69.) omnia cli xaäölou du“! rai/m- näg, audete
gxaflrog, äxzirsgoc xal ui Spotm (p. I7.) llgölau't; utendi lo'nv, fu yp o
Jean/d; 690; ünöxsztm mutete; ‚segnen? ngogd‘migmyb'og' ongst de pagani
sim mom- rlg‚ S'rsgog, flieg, lonrö; xal 10‘: fignum lingua löngo'g’hlzw,
Er g imöxsnui ö xmvö; 69a; t’z'rsu anyetou 'Evnri/ d" tio-ritu (v y 17:16—
xenm 590; dilapsa/stvog iiyovv {man}; ii xowö; ‚und damnatis- dnmvuplug.
"090; wao'; domi a mas hoc ydyov ls‘yeoi‘im nsqusi; iiirt mh
xarqyogrztüv ngouiaeaw 1‘; latu dan zarmpanxr‘; ij ne e‘mozpauxrj . ‚ . . .. T17;
Kponiuewg 101116; d‘iutgaupg'wl; lal-tou 501W, fin xal 16 nagi rnönj; C17—
roüyevov rgmioüv 801W, olor rlg; nota; nam ra ‚uiv obit „zlg“ lin-ui
nagi ydyng n'jg' 0üo't'ixg, 1:3 ‚.nola“ nagi 11'}; notommc1 rö „210'017“ nagt
tiis noadtntogi 3861/ xai npd; ‘n‘w lgainjaw fini yiu dui teü „11;“ yevo
‚uärrjv duaxgnn’oy, iiti xrnqyopun‘y ii Ünuöernnj' 71ng cii 11‘111 illic roü
„nola“, ön xuzatpanzn‘; i (inoqanxrj' nodc dli riyv dux zoü „nöaq“, is'n
xußö/lou q‘ quani (ausgefallen ist ii äwxr‘j ii singoqd‘to'gmrog).
13) l, (f: p. 19.: "Er: nim zanyyogimöv ngoniaswr 'ai ubi xowwvoümv
üyiporfgmv nisi ö'ganl, mortari roü ünoxuys’vov am) toi xazqyoguupfiwv,
uigil a iingwndg lau motu a oivlfgwnog ein: lati Cqüov' ai at ammon
gtovav, oiov ävi‘ipwna; meum ä'yägwno; d‘iule'ysrai, i ävägwno; 196'161,
mtus- rpe'lu, altissimi-wg zweirm' giium di erlöst/6;, uiou ö Illaizwv titu
M'yszm. am) i'nno; xlvii-tm (p. 21.) vlin uöv nqozdosaw nim xmrawou
naiv dpi/‚odng nöy 6'ng am! rj nihil nitet ai Ius‘v stant hmnim rd de
üusvavrlm, «i yiu ävritpuruml ai d‘l imiule u. s. w.; auch die übliche
Figur (s. z. B. Abschn. XI, Anm. 157.) fehlt nicht.
14) Ebend. p. 25.: roy ngonineuw rendi ldm/ 1‘) iiim d‘qlurön oiy
vtyxufu, ivd‘slo‘ufrn am) däz'nlutog‘. livayxnt'a iiirt lo'rlv, iv a in xanyyo
geüuwöv iam lx 11'1; orbatus roü z'moneiyävov ii t’d‘iov nii-rom oiou äväpw;
1:6; lati Cq'nw, inopinatis lati yelarrnxög. ‘Evd‘sloys’m i'll.” Errrly, tv y
16 nurnyogoü/‚levo‘v citharae fugiunt imi a'nrsiwu fuit (man: {von Ewev für,
toi t'moxet (von 4809135, oiov 6 auscultauit- ian lsvxdg. g ö mirqu lati
„am. Hdvvarog 121.1; (drin, iv ns namyogmipevou 01‘» d‘ümnu avvslösiv
nii imoxnpfth oiav äyägwndg lama 51/09. No'yo; mir lrmlwv iariv
n. s. w. Die Quelle der Dreitheilung s. Abschn. XI, Anm. 157. -
268 ' XV. Psellus.
Mumie, xat' dam'äsow), welche wir bei Boethius (Abschn. Xll, Anm.
129 f.) trafen 15). ‘
Hieraul‘ folgt in einer völlig verrückten Anordnung, deren Unrich—
tigkeit die lateinischen Bearbeiter gar nicht bemerkten m)., zunächst das
hypothetische Urtheil, hierauf wieder die Aequipollenz der kategorischen
Urtheile, und dann die Lehre von den modalen Urtheilen (während,
wie man aut den ersten Blick sieht, nach der Conversion die Aeqni
pollenz folgen musste, und hieraul' die Lehre vom'hypothetischen U1»
theile und dann jene über die Modalität sich anschloss). Was hiernach
vorerst das hypothetische Urtheil betrifl't. so wird dasselbe nach stoi
scher weise in das conditionale cli duolovöiug), das copulative (eup
nleimmf), und das disjunrtive (dmfsvnrmfi) eingetheilt (— bei Boe
thius war von dem „copulativen“ Urtheile keine Rede, s. Abschn. Xll,
Anm. 141 —-), und jede dieser drei Arten nach formalen Regeln be
züglich ihrer Wahrheit oder Falschheit näher untersucht“).
Ueber die Aequipollenz kategorischer Urtheile (ieoövvoqwüoai 11:90
rdo'sig) gibt Psellus sofort ohne alle weitere Begründung in lediglich
schulmässiger Weise vier Regeln (mm/61159), deren jede er mit einem
Beispiele belegt 1").
15) l, 'l, p. 29.: ”En nov ngonioeuw, al luerfxovaw dui/tortng für
Ö'Qm', dilreargnpys‘vy rj mifer 191146; iariv n o’wnurgoqfi' r‘urhüg, mera
dupßeßqxög, xal amt’ (EUH'ÖGUUJ. Auch die Regeln entsprechen genau den bei
Boethius angegebenen, so dass, indem die Lehre von der Umkehrung sich in dieser
Form bei den Commentntoren nicht findet, bei den Byzantinern jener Zeit eine
Kenntniss der Schriften des Boethius vorausgesetzt werden muss,- class Psellus
selbst denselben citirt, s. Anm. 28. v
16) Sowohl Wilhelm Shyreswood als auch Petrus hispanus folgen dieser
verkehrten Reihenfolge; nur Lamhei't von Auxerre lässt das an eine falsche Stelle
gekommene Capitel über das hypothetische Urtheil hinweg.
17) l, 8, p. 33.: Ilgdrnm; ünoösnxri toum 17g alexandri pfgn eiai 6‘150
xatnyog1.xal..... "Er: taiy irnott-pnxciv nguniaewv fi ‚ue'v latw ff dxolov
litus il de mundum-mh ri d‘ä diai-emener ’EE äxolovöi’n; per oÖv ictum
lv fl auvn'mmwm ai oan mcrnyoglgal du}: rui (p. 35.) on/‚tnlsxrmfi de (arw fv o‘uwinrovromuvdm‘‘e'o doov m‘rtroüqy„oeot“nmi reg
„im!“ auvd‘änyqi d‘iafleux'um‘; d" (mir, in ouvdnrwrm ai duu amin
yogixal d‘u‘z roa „ö“ auvd‘ädyou (die stoischc Quelle dieser Dreitheilnng s.
Abschn. Vl. Anm. ms 11'.) IIQÖ; n‘lv dlfißemv tiis (E äxolouö‘irz; multae
16 tfiv ngrmyovyfvrw pit düvum‘hu all-118i] övev nis anutvrlg ngog nfi
us tpeüd‘og athin dndzgrl ro rhv ngnqyouye‘qu duri/adam auris-i auti r’z'rev
tris änoye’vn; (s. ebend. Anm. uso llgog n‘pl nic avunlexrtzic euri
äslm' Crlrsizm ro äxrirspml annk nüv lueng dlnös; cll/m 7:96; se 'rd
11161760; atlt-iis ignei 'rd ßiitegov nov ysgaiv athin eivai IPevd‘e'; (s. ebend.
Anm. 155.) 1196; dli riw dlfiöemi/ n‘y; diai-summis tiito/uni 16 ach-epota
avitis ye’gog eivai rund-5'; rrng de 'rd ipsüd‘o; antris Cnrehai alqu tr‘x
„ein; antris eivai utendi (ebend. Anm. 156.). So bezeugt uns Psellns, dass
stoische Schal-Logik in der Tradition bei den Byzantinern fortgelebt haben muss,
wenn auch die uns erhaltene Litteretnr der Cominentatoren uns hierüber keine
näheren Aufschlüsse gibt. -
18) l, 9. p. 39.: lindanum- nagt nov iaod‘uvapouau‘w ngordoewr dei
ßewgfimu, nagi (51' rami/roi nveg d‘ld‘owai xuvö‘veg. ’Eoiv nvo; onyefov
ri xatiolou ö'vro; ri ‚uepixoü nem-elli rb dgvnnxdv yoolov, lood‘vvu‘uei IQ}
olxs’frp n’wnrpmmqi Asürego; xavm'v lirer ovtoc‘ imi Two; angeli/v xu
‚9-61011 öuteqov ntia ns (zpmynxör yogtov, idod‘m'uysi‘ rai lvavrtqz äuumü.
nam xarw'v tare roieürog' M'v n'yo; xaöölou li psalmi anyeiov
XV. Psellus. neo
Hierauf wird die Modalität der Urlheile (roo'nog, s. Abschn. Xl,
Anm. 159) definirt und unter den adjeclivischen Redetheilen, welche
als Ausdruck des Modus dienen sollen, insbesondere (mit Verweisung
auf Priscianus) das Adverbiuni gleichsam als Adjeclivum des Verbums
hervorgehoben; unter den Adverbien selbst aber erhalten diejenigen eine
speciellere logische Bedeutung, welche das Verbum bezüglich der Ur
thcile-Bildung toum-holy näher bestimmen, und es werden als solche
die sechs Adverbien situuyuuimgy Evöexoits'vrog, dum-uicl iiidvvoinug, 0’111)
ßifig, spendoög aufgezählt, durch welche allein die Entstehung modaler
Urthcile (roomnui ngoroiosig) möglich sei l9). Nach’ der Bemerkung,
dass es für jene sechs Bestimmungen auch substantivische Ausdrücke
gebe, wird nun das Charakteristische der modalen Urthcile in den Uni
stand gelegt, dass in denselben eigentlich das ‚Verbum das Subject und
der Modus das Prädicat sei, was bei allen übrigen Urthcilen der blossen
lnhärenz nie stattfindc; sodann aber Wird die Besprechung der beiden
Adverhien itineris und tpevaaig als übcrllüssig crklärt‚ weil bei diesen
beiden Modalitäten die Verhältnisse des Gegensatzes und der Aequi
pollenz u. dgl. völlig die nemlichen seien wie bei dem einfachen lnhä
renz-Urtheile 20). Nachdem hiemit nur die vier Modi der Notliwendigkeit,
#— l
i
71901685 am“ frangentia m dounnxoy ‚uogtur‚_ taoduvayci rai Id‘t’qi 171m).
lfiliy m routum nisi xaydumv et; maei/roy dxoluuöei xuvaiy' iuy d‘iio
oqyeia rat‘iölov n’moqmnxd: nthiam iv "p nurui löyzp oi‘i'tw; dicte us liv
ly tqi bnoxeippr 1o cll lomt'w fv t i mum/agno e’mp st‘mu, diu 'roü ngui
Iou dadura/tii rai tuantur Eauroü, illa at roi d’e‘vre'gov np id‘t’q) diroque
11xu1 Es entsprechen diese vier Regeln den Angaben des B0ethius‚ s. Abeehr).
Xll, Anm. 117.
r. 19) Ebend. p. 41.: T 0'110; iuri nugaxet wo; np ngdyyan ngogd‘w
pso'yü; rhl {määrou yn/oßevog' dU.‘ fuit r imi-hion lora denloüv, ian
1&9 Eni-‘inqr dudyozmga oiov Äeuxö; ps'lag xai rci/muni xat 361111 interner
quim-cogi oiou 16 lnfggnfuz, xani‘z yd rbv ”(umriqu (Priso. Inst. gr. XV,
, l; übrigens hat diese Citirung Priscians durchaus Nichts auflallendes, da der
selbe bekanntlich in Konstantinopel lehrte und wirkte) lufggrlyd iariv äm’äero‘v
("#445on dui 101710 xal a rgdnoc d‘mloüg lau (p. 43.) ”EH ubi hug
qyazaw m tv drpoglijovac 15 giium ldytp auvt'h’ßewg, oimr ntim rd Z'ä'
wuyxulwg, vd’exope‘rwg, d‘waroig, defui/cler lunam xal illeud‘aig' ni
JE cluo troum ro giium zdgnl wü nga'yyaro; ni di ricpogtiovm ro
giium Äqu) mult/ov .....xuc mus ällov; aviti/reg minas mel nü‘v ritu
in'mßeo'w ätpogtCÖvuuv ioannem oiöv stant outm' dmyneule lvd‘exque'vwg
zu) rd lamel (p. 45.) yo'ro; ixetvog a ripa aüvt‘lww o’upogig‘wv 1967m;
noiei‘ rgomm‘yv ngöuwn', am) weg) nov tolouraw „61'011 humani oxo
n‘oü er.
pom l, 10, p. 45.: 'lqn'ov dh ön 05101. oi se rgdnot 11013 ubi tta/md
vownu grno „flaumig, oiow dvayxafwg, (vdsloye'vwg noti de acquiru
m59, ocov vaatäv, ddnlyuroul dvayxm‘ov, Svdcxolueuovx (11.17.95:, ipevdäg.
(p. illonim Iore’ov, iiti lv nu‘g ‚und: rgönov ngonio'em ro ‚uev iii/m
dei ünoxea‘oäui, rov d‘ä Igo'zzov xanlyogeioöm' nuam d‘ä ut cum ngoni
aczg le’yollflu mei roü n ogu'vai, du}: ns növ pan rgdnou ngortlotaw xal
u‘i mag clarat d‘qlovinör auras di ulli/ov ruat ma naoi-eivai rai bhoxnppr
ns xamyogoüpevov d‘qloüuag' con xal 1‘] rin- ngoroio'ewg dtpeiloyävn d‘aut—
gwi; drilm Sri d'qlovön nisi ngozdoewv 1'; yiu r amxn 1‘7 de negl ma
"goss/Wal, HU.’ beatum ‚uev ai nnotdoug ai; ro Slnttlc xal ‘rö ipsi-doc
floögxenm, ais rpönag nugeloßmam/ du} ro rov mhin/ 19671011 iv mutatis
ylveaoaz iip/ dvrtSmw xat ui Mund, iir d‘r‘; xliv ruf; fiiluu- ruf; ruet
rov fireiwm.
mo xv. Psellus.
Statthaltigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit übrig bleiben, folgt die
Angabe, dass für ein Urlheil sich hiedurch sechzehn Formen ergeben,
denn bei jedem Modus sind vier Formen möglich, da derselbe entweder
ohne alle Negation ausgesprochen sein kann, oder die Negation ent
weder beim Verbum oder beim Modus oder bei beiden stehen kann 21).
Und somit werden nun bezüglich dieser möglichen Formen weit aus
führlicher als bei Boethius (Abschn. Xll, Anm. 122). die Verhältnisse
des Contradictorischen, Conträren, Subeonträren und Subalternen unter
sucht ”), und das Ganze nach üblicher Schulmanier in eine Figur ge
bracht”), worauf noch speciell die Regeln der Aequipollenz dieser
‚21) Ebend. p. 49.: ‘Io're'ov de 511 Emma; nili 1013er reditum notat
ngortioug rganmdg rfarmgag xai oörw rear wdnwv eum naadgww at
ngorddug sidi rsrgcim; "bange; fiyovil dsxae'E' ei yr‘rg imm/den Ö nomine
zu)ng dprfio'emg‘, noui ytav ngdmaw rgomxriv .....'el Myqaöetq ‚uu‘ ting
nam ngocxeme’vn; mi (Sfipun (die xletalem drei Worte sind im Texte ausge
l‘allen), nolet irfgaw tfiv 19111111 noui 11961116111, ei ini/athin .yer’ äg
wfidew; ngogxupe'vq; In? 1961m: rbv rerdgmr nolets ei quödq yeni -
duoiv dgvfio‘zwv, nig- ytdy br ngagzuyfng rqö ari/mu rfi; di än‘ga; ‚190;
xu {wie np rgdmp Ku roürov rbv rgdnov dqf äxdamv mir Immigwr
190mm! ui morden; luyßaivormr. Wahrscheinlich konnte dieser Abschnitt
der Schul-Doctrin aus Syrinnus entnommen werden; wenigstens scheint derselbe,
soweit wir ihn früher (Abschn. Xl, Anm. 98. u. Abschn. Xll, Anm. 118.) kennen
lernten, völlig der Mann zu solchen Combinations-Spielereien gewesen zu sein.
22 Ebend. p. 51: notatas xm'a‘w, an qi d‘v xnrarrnnmü; sigmptvqx
dnoch oönu ra dvvrut‘w', 1017119 änodld‘orm md rd (vd‘elöyww oyolwg,
dm'orpdaxsrui de uüroü rd dd‘üvarov, am). tintum-cinis ngoewweypfvov dno
(pdo'xsrm. xal 16 ämyxaiov
AEÜIEQO; xm'u‘w, 511 q: tiv o‘moqanxo}; cle-rmpr änodtd‘oü'rm ‘rd Ju
varb'v, ruünp admi dnodld'omr n‘a findexöpevml, änorpdoxenu og aüroö
i‘d duhirutrovy xal dvru/‚unxüc ngosvnveype‘vov o’moqwiuxum rz‘z dvayxm‘ov.
T(‚(109 „mehr, an ov äv amtmrunzü; slenye'vou incipiam/tm t
d‘watdr, r’mö mi aü‘roö dnorflio‘xum id irdezöyww, dnod‘ld‘mm d!
m)qu tia r'zd‘üvmor, am! np ‘roürov n’nmqmnxeü; Umwlq: rinod‘ldorm rd
ävayxufm'.
fel-moras xmnür, an otr/ äv dnoqunxn'i; elgqßävov dn dmmmr 16
omnem 1061011 r’moquio‘zsrm rd Ealdslöysvov, dnod‘ld‘ormogll «1';th 'rö
ddüvurov, xal roü a‘wnqaunxzö; wüth ävrmuyärov xume/uinum 16 zivay
azaram
23) Ebend. p. 53.: “O Jfilov raüry rj Sxße‘au'
zrpdlotiwrgbeuxamfsg-mvtxdiierv nw
iz1[rIovm3gdx4oaeqg1d’c1vmxyilwtn)dnvv
'(‘MVo
hmin‘iksrym(mdza‘oalgülmdvnnerrndqtv
gzmZe{mvoaxayeqxnduuiröenv
as
si
t+e.
äea
adiQbioarvg
”yß2‘;
S‚
rBmAzewmoafxrenzo‚avstwnq
i'lnfn‚QaimZ1‘1eatur1wvmim
e‚e{u0sxunen.,n-iant1so.n
iarmoduggeasmv/fgunvzrxomevqw
äaz‚imrO‘wrgumvxüeargy’:zxdl‘uirelöwnv
dorml1wse9aoe6gar‘dmvd1v5n1y?
FEw0tmviaäg6iqgöi'pmxdetvruaq'rv
zxz5mdrwugx0fvgozmmisorwlnlv
5Hzlpmvmmaad3xyitzglaidei]iömvn
MYe_-<
ä
s-e
i“2';
sE' E“
hPmIliIArzuowapvtxm/gnroravulrvn
P‘wpmtaEavagägsifzndxöpnsiwldwv
ßäwFmOyäraüagüvgnlmünxzö.vnew;
äZä0rtrru1guoa'y»fx»n:vza:fteöwhv
ILZ
272 XV. Psellus.
modalen Urtheile, jedoch mit Hinweglassung des hldexonwova hervor
gehoben werden 24). Dabei aber ist uns im Hinblicke auf die latei—
nische Schul-Logik von grösstem Interesse, dass hier bei Psellus zum
ersten Male technische Memorial-Worte erscheinen (ähnlich den in der
Syllogistik angewendeten, s. sogleich unten Anm. 45112); es erhalten
nemlich die vier Vokale A, E, I, or eine symbolische Bedeutung
für die vier Formen, welche bei jedwedem Modus möglich sind, indem
A das modale Urlheil bezeichnet, in welchem keine Negation ist,
E jenes, in welchem die Negation beim Verbum steht,
I jenes, in welchem die Negation beim Modus steht, und
or jenes, in welchem die Negation beim Verbum und heim
Modus stehtflö);
und aus diesen Vocalen sind nun für die übliche Figur Worte gebildet,
welche nicht bloss für sich wenigstens wirkliche Worte sind, sondern
auch bei ihrer Zusammenstellung in Einen Satz einen verständlichen
Sinn geben, nemlich: „Ao'ulo‘iijzsvai illia/dec Hugvaofov Entpa'xovow“.
Nachdem auf diese Weise die Lehre vom Urtheile erledigt ist, folgt
der Inhalt der Isagoge, wobei die quinque voces als „m'qyogmu“
(-— praedicabilia ——) bezeichnet werden, und bezüglich ihrer Geltung
die Auffassung sich zeigt, dass das eigentliche Prädicabile und das Uni
versale an sich das Nemliche seien (vgl. Abschn. XI, Anm. 130 ff.) und
nur dadurch sich unterscheiden, dass ersteres durch den Sprachaus
druck und letzteres durch das objective Sein bestimmt sei 6). Die
24) l, 11, p. 57.: ’Inrfov, (in ntiam af nyonio‘u; nt lv zu? nguinp
xstysvm oeluflrp io‘od‘uvapoüm dui zoü ngairov mwövo; am) dvnarpe’tpovdw
iv ärwraig, ui ds‘ lv In] deutend: dui 1017 devrfgov, xai virun atan miv
eum u. s. w. . . . . .. (p. 59.) 'ldre‘ov de äri. lu np ngosigqyävrp oii ylyon
‚umqu nsgl mil hdqqufrov d'air rd drrmrgt'qew aoro np dvvarq] (über
diese Gleichslellung des ‘1'6616f161’01/ und des d‘v‘mro't' vgl. Abschn. XII, Anm.
119. u. Abschn. XIV, Anm. 216.).
25) Ebend. p. 59., woselbst Psellus die. Erklärung der Vocale obiger Memo
riaI—Worte (Allvloüyezial, ’Ilwid‘s; u. s. f.) gibt; allerdings aber zeigt uns der
gedruckte Text in sinnloser Weise die vier Buchstaben A, B, I“, A; hingegen
enthielt die oben (Anm. 5.) erwähnte Handschrift (fol. 7 a) ursprünglich das völlig
Richtige. wofur eine spätere Hand mit schwarzerer Tinte das Falsche hineincorri
girte. Es lautete nemlich die Stelle in der früheren, noch deutlich erkennbaren
Lesart folgendermaassen: ’Iars‘ov dh ö'n dui 1017 „A“ voefrai il xasdlov
xuratpa'nan‘j ix roü ‚ufgou; roi (lq'parog öpotm; xai roü rgörrov, dui 1017
„E“ iy dnoqarixr'] yiu lx roü yt ov; roi (ii'huarog, xrrmq anxii «u lx 1017
Iue‘gov; rui rpo'nav, dui 'roü „I“ n zinoqarlxr‘] yiu ix zoü lut'gou; roi 196
noul xu‘ruqanxr‘; es Ex ma ‚ue'gov; roi' (ifiparog, dui roü „OY“ il 32m!!
Qwäsr drroqunxr‘j ix te roü (Myrron xai 'roü quinam /
26) II, Prooem. p. 61.: ra xu'rnyoplxöv nore ‚usw lapßoivsrm xvgfw;
am) oürw [alt/(W xazqyogim‘w leo/eratj ii {211 nlsidev Afytszruy nore ea
lapßui‘verm xonwüg, xal oiitw Myerm. zurqyogzxötl, ante fixaä' im); yövuv
ii mira nluo'z'ww xa'rqyogsirai. "Oäsv ab xvglw; inrympoliis-you xmnyogi
m rotindy (an ui xm‘iälov‘ d‘mqe'gsr JE all-roi o w; nfi ua Es xani
yogtxiw a timam rqü lie/cadmi 'rö di xumion nfi s vm' ian 65‘ to xa'rq
yogixöv r nequi/roy xazu 111.616va uarqyoisfoäm. xuöölov de te nsqvxd;
lu nletoaw dum (wahrlich eine bequeme Ver indung des Platonismus und des
Aristotelismus). ra 63 amzqyogzm‘w iiyovv xaäölov diargu‘rru ye'rn, smits
diatpogqiy ldttp xal o‘v/zßefirjzdn‘ Saw negl Torier irraväoi' demgfiompev.
XV. Psellus. me
Besprechung der einzelnen l'ünl' Worte und ihrer gegenseitigen Verhält
nisse”) enthält durchaus Nichts bemerkenswerthes, weder an sich noch
bezüglich der Schul-Logik der Lateiner. Höchstens das Eine mag er
wähnt werden, dass Psellus einmal ausdrücklich den Boethius eitirt'").
Die hierauf folgende Lehre von den Kategorien wird durch
mehrere Erörterungen, welche in einem äusserst losen Zusammenhange
stehen, eingeleitet (die lateinische Schul-Logik nennt diesen Complex
Antepraedicamenta); nemlich zunächst werden die Verhältnisse des Ho
monymen, Synonymen und Paronymen als Arten der Aussagelrgdrroi
roü umnyopeiv) vorgeführt“), sodann als ein höchst nothwendiger
Gegenstand die neun Arten des liv mtt all/m (s. dieselben bei Porphy
rius, Abschn. XI, Anm. 66, und bei Boethius, Abschn. Xll, Anm. 92)
aufgezählt“), worauf die Erklärung des mveri agnoscenda/ov und des fv
dnoxsmävgo sich anreihtal), und zuletzt noch drei Regeln gegeben
werden, deren erste namentlich den Grundsatz (die sog. regula de quo
cunque einprägt, daSS alle Pradicate eines Prädicates auch vom Subjerle
gelten '2). Die Kategorien selbst werden, wie wir diess schon früher
sahen (Abschn. XI, Anm. 68. und Abschn. Xll, Anm. 90), auf das Schrofl'ste
in Substanz und Accidens gelbem“), von den einzelnen Kategorien aber
27) n, 1—1, p. 63—95.
28) ll, 4, p. 79.: ‘Io'n‘ov es, 5m emolu a borinog (Boet/i. de Divis. p.
am s. Abschn. Xll, Anm. 99.) pol/ov zd alios- öplg'eo'ßai' ö yev 7&9 agro og
8x yir/aug xal nuo‘nvnxtöv elviu depellit d‘taqiogtöv, yo'vov de te sld‘o; zu
yitas xal d‘mrpogdg.
29) lll. 1, p. 95.: [196; ritu Snlvaow növ xmqyoguür ärayxaid
nm ngawzonsfyevoz ”9031011 elra b’n‘ auras- ßad‘müyst‘m' xai d'r) ngiümv
Io'z’e‘ov, Ö'n. ö roa narnyogsü' 1967m; 191711017; tio-ut nüv yolo xaznzrogov
yivum rie yev elmv dyni‘vuya ni at dvvaivvpu 10‘: de nugw'vu/‚m. quaj
vde alani u. s. w.
30) lll, 2, p. 99.: fab lsyoyfvwv 16: per eiai auynsmtsyßäva, olor
„518910710; rot/rula ra‘: de iii/ev däunloxfig, olor „ävögwuog“ q" „192’151“.
illia ngiv fi ro iteqov yfgog nic tmge‘oew; ünod‘raigeäfivat der? dictoru
laaäm miue Evvs‘a zgönou; roi E‘V um Eli/a1, druyxat'ou; limat- ngog ripv
15110 fvnv dinlgeo'iv zu). und; illia neh/m 10‘: ana tuli-ra drogmb‘qo'öpe‘yu.
tm olgenden jedoch werden nur sieben Arten aufgeführt, indem das o}; delos
{r rqi yir/el und das ais yävo; {v In? delet lehlenf die Reihenfolge der übrigen
ist: u}; (‚4490; er rai öltp —‚ nic am tiv tois pigeat -- , og ci'd‘og iv iuy
—-, a'ig ouyßeßqxdm n ünoxuya’mp —, u}; ev naturiqu -. uic {v ritu —„
a}; lv äylg'sfip.
31) bend. p. 103.: rm ö'vruw ni yev sie: tradit onoxerpdvovx hi imo
zeeytwp de oüd‘em' sim . . . . .. 16 Mysoälm. zaß’ bnumslgtäro'u, ais 8111411730:
tanaim/enuy io'ri ro roi z‘moxoizw diurna/aestimat 10 6’ eivai 81' imo
xscpe‘vcp, aig- timeam luyßäverui, azara ro avyßsßqxn'; iariv 81' firmam/aerae
To‘: ot M761“: xm‘l' Önoxups’vov xai sfo'iv lv ünoxupe’wp . . . . .‚ Tv‘z
d! sidlv lv ünnxsiye'wp zu) zuä’ firmam {von aida/og le’yov'rm Eine
versinnlichende Figur hierüber, wie sie Boet ius gab (Abschn. Xll, Anm. 92.),
findet sich hier nicht.
32) lll. 3, p. 105.: nom gregem 5159011 unam/agrirau1 ö'o’a xurd mi
za‘nn‘opcvys'vou Myowouv zu) tmna mfi ünozsiye’vou ruina ndv-m Ääysrm.
nov d‘mqpögaw yn'aiv xal ph fm’ fuiurum "tuype‘vwv dui ‚091i sim
1d gran xal ai‘ dmrpogat' . . . . .. Tniv Je ye induruit yewöv oüd‘ V wohin
I’d; autem d‘mqogr‘i; eivai
33) lll, 4. p. 109.: rov ea xurd nd‘eyluv dvpnlouz‘w Äeyoye’raw ixa
ormr ö oüetiw unpatvu ii auyfießqxng‘ zu) d oupßsßnxeg, a frondem-tx ii
Pninnt Gesch. ll. 18
274 XY. Psellus.
nur Substanz, Quantität, llelation und Qualität in ausführlicher Erör
terung 34) und ganz kurz noch Thun und Leiden“) besprochen; die
übrigen fehlen. Bemerkenswerlhes bietet auch dieser Theil des Com
pendiums nicht dar. Der Anhang zu den Kategorien. welcher bei den
.Lateinern Postpraedicamenta heisst, enthält hier zunächst die übliche
Lehre von den vier Arten der Gegensätze 36), hierauf Angaben über die
verschiedenen Bedeutungen des victorino-vim sowie des sua 39), ferner
über die sechs Arten der uquozg”), und endlich hinkt hier noch die
Besprechung der Kategorie des fletu in einer Aufzählung der mehrfachen
Worthedeutungen nach 4°). Die Quelle aber all dieser letzteren Capitel
scheint Theinistius zu sein“). _ „W g.“
lndem nun unmittelbar hierauf die Lehre vom Syllogismus folgt,
wird ohne alle weitere Anknüpfung an Früheres sofort mit der Definition
des Urtheiles cacumina und jener des Begriffes (5'909) begonnen, woran
sich die Erklärung des ‚wird: nan/rog- und nutu unus-vds ldictum de
omni und dictum de nullo, vgl. Abschn. Xll. Anm. 132) anknüpft“),
worauf die aristotelische Definition des Syllogismus angegeben wird und
die Dreizalil der Terniiiii die nöthige nähere Erörterung findet“). An
‚am an; m was
#_—_——_n—
s? -
natarum r’i nodc n iiyovv o‘wuqogäv ii noü i nad 1”; xcidunt q" Flur ii
noreiu ii ndoxew.
34) in, a—e, p. 111—143.
35) in. 9. p. 14a.
36) lll. 10, p. 145.: Atyerai cll eum n ävnxeioäat frigus rapui-roise
nisi yog ävnxezpe‘vwv rd ‚m einw &VathQlXÖS ävuxetpevu rd di
oregnnxituu m d‘e‘ elo'w Evas/1m rie d! eiaw üvnq'unxni; «in/tunl
‚zum Näher erörtert aber werden nur die letzteren dreiv denn bezüglich des
Gegensatzes der relativen Begriffe wird auf die Kategorie der Relation verwiesen
(p. 147.: nagi ylv ouu nov dvacpogrxoiu domui 1196169011). p
37) lll, ll. p. 151.: T6 JE ngoregov Myenu zergaxzü; ngorsgoy
xm zgduov n dregov ra un dvttdtgfq/ov azara n)» tou eivai incircu
ärlnw, dici-reg ro tv Myewi nodrsgov növ duo ngdnyov ri min
ngdrsgov 16 ptilmonum nagd dc roz'rrou; roi/g etonufvouc tfoaaeug
r önov; Sozial ullos 1961m; roi ngozs'pov' nüv ydzp uvrtargeqrdwwy und
mu roü elucet dxoloiiöriow ro ai'nov annis-auv aurigth roü eivai ngdtsgoryt
eixo'zw; quem Myon' är. . t
38) lll, 12, p. 155.211)“: de Myszcu. mm rogis rgo'noug' ant 1';
ye'th; iv rui abnp xgdwp .....c ni: iberiaratfipoumv nur „(um oi’nflrepöv San
‚90211901; atlt-tom digneg 1a ävnlpogrxa . . . . .. ru lx roü admi yfvovc div-ru
dumm;le durham l - _
39) "1,13, p. 157.: sziaew; cll tmn eich/Ff, d'nlovou ye’veam, (pöogoh
uiifnazg, ‚sahnig, ällofwm; xal r', xmr‘s tdrror psraßolq' u. s. w.
40) lll, 14. p. 159.: T6 ce Z-‘lew nobler"; rg'änoz; le’yerm..„. e'xuv und
moror-nra Sxæw yiyeltog 31611/ id neg‘z 16 otium ‚...‚ui; h ‘ye'gei.
. alc fu dyyelq: .. .. flint xtriluura . .. fletu 'uvaixu ’Iomg ovvj xat
tum roü Flur retinet qui/sin Eiy' ot de elwäozs; le'ywäar aled‘z‘w nun/reg
xnrngläunwm.
41) Wenigstens wenn wir diese l‘ostpradicamente mit dem Schlusse des pseu
do-nugustinischen Compendiums (s. Abschn. Xll, Anm. 50.) vergleichen und den
Charakter des letzteren (s. ebend. Anm. 42.) erwagen, wird es uns hucbst wahr
scheinlich, dass Psellus hierin ebenso wie in der Topik (s. unten Anm. 64.) die
Schriften des Themistius zu Grund gelegt habe.
es“) [vs lu P- lßä' . i 1.. ‚1‘ bat fuit .
g. f 43) m in D- lacu - guillelmu- i - Mif'i» Q ausu
XV. Psellus. 275
die Definition der Figur (611'190, — wobei, wie sich von selbst ver
steht, nur von drei Figuren die Rede ist —), sowie des Modus (wo'
nog) schliessen sich dann fünf allgemeine Regeln an, welche auf samml
liche kategorischen Syllogismeu sich beziehen“). Bei Angabe der
sämrntlichen Schlussmodi der drei Figuren finden wir auch hier in der
ersten Figur ebenso wie bei Porphyrius und Boethius (Abschu. XI.
Anm. 82. u. Abschn. Xll, Anm. 136) die Beifügung jener fünf theophra
stischen Schlussmodi, welche auf einer hloss mechanischen Ausbeutung
der vier aristotelischen Modi beruhen (s. Abschn. V, Anm. 46); hin
gegen in der dritten Figur bleibt der von Porphyrius und Boethius
hinzugefügte siebente Modus hier hinweg. Die schulmässige Erörterung
sämmtlicher lllodi nebst den üblichen Beispielen“) bietet an sich weder
Neues noch überhaupt Bemerkenswerthes dar. Wohl ‘hingcgen trell'en
wir hier bezüglich eines rein formellen Momentes der Schuldoctrin die
Quelle einer bekanntlich weitverbreitetcn technischen Manipulation; Psel
lus ist nemlioh der erste Autor, bei welchem sich Memorial-Worte
(vgl. Anm. 25) für die einzelnen Schlussmodi finden“). Die vier ersten
aristotelischen Modi der ersten Figur erhalten die Bezeichnung
ngpyma
m3%iVh.ii.K‚iÄm“".‚€ß ru aull w‚ifwe K ygamiög
n rszvmdg 4 7);
ms eain-f ‚e » -
44) Ebend. p. 167. u. 3, p. 169., woselbst jene Regeln timuit/cc xaöohzol
7196; E'xaorov nili axnydrwv xal nüv Igömov) lauten: 179‘610; xavair Sony,
61a lx zwänge}? pquva fi einpogdioglotwr i ärmuüv ori d‘z'n'utm ysvsaäm
nulli/ytaqu öäw d‘u‘ r‘r äriguv sim xasdlou 4661296; lama an h:
xnäaga‘i; sinat/armati ou iiinum ynlfaflaz ouAloym‘uöc, fiant dei n‘lv
Ärs’gm' regnum efl/m xamgvanquu Tgfm; Karin, an 11}; he’ng tan nga
roiosaw aum/g ysglxizg dvaym; rd mzpnfgaapa ysgtxdr eh'm, dif oü rö
liminach Tfrugl'ög (01W, ön tiis Sttgag rotisz uiimm dnoqmmr'lg
dreiqu ni avynfgaoya dnoqa'nxdv all/a1. 1111141110; tarba ö'n 16 ye’mm
nüd‘e'nore ngög rb dupne’grmyu Forum.
45) IV, 3, p. les-m 5, p. 193. ‚ r
46) Allerdings bietet die gedruckte Ausgabe diese Memorial-Worte nicht dar,
sie finden sich jedoch vvollständig in der oben erwähnten Augsburger Handschrift
(fol l7 ff.) am Bande eingetragen, und zwar von der nemlichen Hand. welche
den Text geschrieben hat, so dass nicht abzusehen ist, warum Ehingcr dieselben
nicht abdi'ucltte. Wollte man aber das Alter der Handschrift (14. bis 15. Jahrh.)
zu dem Einwande benützen, dass der Abschreiber diese Dinge aus dem compen
dium des Niccpborus Blemmides (s. unten Anm. 113.) habe eintragen können, so
fällt dieses Bedenken sofort wieder dadurch hinweg, dass Blemmides bei der
ersten Figur überhaupt nur vier Schlussweisen aufzählt, hier aber sammtliche neun
ihre technischen Worte bekommen; ausserdem auch waren die oben Anm. 25.
angeführten lllemorial-Worte durch ihre ausdrückliche lllotivirung in den Text selbst
verflochten, und wir müssten schon durum den schwer zu bestreiteuden Schluss
ziehen, dass wenn Psellus einmal bei irgend einem anderen Punkte eine derartige
Technik anwendete, er gewiss bei dem formalsten Capitel der Schuldoctrin das
Gleiche gethan habe; in zuverlässig waren die Memorial-Worte der Syllogistik die
früheren, und jene obigen wurden denselben erst nachgebildet.
47) Auch hier demnach wie oben (Anm. 24.) sind die technischen Worte so
gewählt, dass der aus ihnen gebildete Satz als solcher einen Sinn gibt, nemlieh
„Buchstaben schrieb mit dem vth‘rilfel der Gelehrte“. (Bei den Lateinern Wilhelm
18'
. l l
L v "
276 XV. Psellus.
die fünf theophrastischen Modi der ersten Figur heissen:
I‘pa'izimow
Frage
Ioipwt
noipöevog
agam-m
die vier Modi der zweiten Figur:
ninum/et
xmexz
vitelrgtou
3101011 M);
die sechs Modi der dritten Figur:
"Armer
Göevagdg
iodmg
äcm'öt
diumos
tpe'gwrog 50).
Der Schlüssel dieser Memorinl-Worte liegt, wie man auf den ersten
Blick sieht, darin, dass auch hier wie oben die Vokale als Symbole
gelten, nemlieh
A bedeutet ein allgemein bejahendes Urtheil.
E ein. allgemein verneinendes,
I ein particular bejahendes, und
' o ein particular verneineudes.
Es lässt sich aber auch der Ursprung dieser abkürzendeu Symbolik
mit ziemlicher Gewissheit nachweisen; denn für die so eben angegebene
Viertheilung der Urtheile war langst bei den Commentatoren die kurze
Bezeichnung „näg, ot’iöalg (wofür aber sehr häufig audio slehtlh ris
01’) näg“ recipirtsl), und man bediente sich derselben bei bestimmten
ShyreSW0°d‚ Lambert v. Auxerre und Petrus Hispanus lauten die Worte Barbara,
celarente Darii, Fen'o). _
48) Diese fünf Worte, welchen den Sinn geben „Durch Buchstaben errichtete
den Grazieu eine Jungfrau ein Weihgeschenk“, waren bisher gänzlich unbekannt,
da sie bei Blemmides fehlen und nur in jener Handschrift des Psellus sich finden.
(Bei den genannten Lateinern, welche diese Schlussweisen gleichfalls zur ersten
Figur zählen‚ sind die recipirten Worte Baralipton, Celantcs, babitisl Fapesmo,
Frisesmorum oder Frisesomorum.) Dass aber diese fünf Modi durch Galeuus zu
gxsritar eigenen vierten Schlussligui' umgestaltet wurden, s. oben Abschn. lX‚ Anni
49) D. h. „Er schrieb (oder sie schrieb, nemlich die Jungfrau): Erlrage
einen gemassigten Mann, welcher ohne Zorn ist“. (Cesare, Campeslres, Feslina‚
Barone.)
50) D. h. „In Allem ist der Starke, welcher’in gleichem Maasse einem Schilde
vergleichbar ist, der Tüchügste“. (Darapti, Felapluu, Disamis, Dalisi_. Bocardo,
Ferison.) '
51) S. dieselbe z. B. Abschn. Xl, Anm. 156., in einer Stelle. welche bereits
dem Ammonius (Ende‘des 5. Jahrh.) angehört. Es mag hervargehoben werden,
dass bei ‚allen Commentatoren das particular verneinende Urtheil nicht etwa durch
mng ov'“, sondern stets durch qoii 1161;“ abgekürzt bezeichnet wird.
m -.L. __ adh
-.u- .
.e
XV. Psellus. 277
traditionellen Figuren zur Versinnlichung der einzelnen Schlussweisen E'2).
Und nun mochte sehr leicht es sich als abermalige Vereinfachung dieser
Abkürzung einstellen, dass man nur die prägnanten Hauptvokale jener
vier Worte heraushob, wobei „1:079“ und „rlg“ sofort von selbst auf
A und I führten, bei uofnisigu oder noch mehr bei noi/diva das accen
tuirte E hervortreten konnte, und dann bei „01’: nicu das o entweder
wegen des „01,1“ oder etwa auch darum gewählt wurde, weil es der
übrigbleibende vierte Hauptvocal ist.
Nach der Angabe der neunzehn Schlussmodi folgt bei Psellus ein
Corollarium über die syllogistische Tragweite der drei Figuren, sowie
eine Erörterung über die zum Sehliessen untauglichen Combinationen
(319mm: uvfivylm) der Urtheile 53). Hierauf wird in aller Kürze über
jene Syllogismen gehandelt, welche aus Verbindungen von Urtheilen des
Stattfindens, Möglichkeits-Urtheilen und Nothwendigkeits-Urtheilen be
52)Nemlicl1 z. B. bei Philoponus (Comment. in Pn‘om AnalyL Venel. mm
fol. xx fl‘.) wird in der ersten Figur der erste Modus dargestellt:
mis ' mig
oder z. B. der vierte Modus:
ayioif
01': nds
Für die zweite Figur sind aufwärts stehende Dreiecke gewählt, und z. B. der
dritte Modus ist:
aditu
01) mig
Für die dritte Figur aber abwartsstehende Dreiecke, und dort ist z. B. der
zweite Modus:
ov mit;
mit?“
53) IV, s, p. 193. u. m 6, p. 195.
i F
278 xv. Psellus.
stehen 5‘), sodann aber ausführlicher über die hypothetischen Schlüsse 55).
Die Lateiner fanden für gut, diese beiden letzteren Capitel sofort weg-ti
zulassen. Hingegen fehlt bei Psellus ein die Syllogistik ahschliessendes
Capitel, welches bei Petrus llispanus sich findet und unter der Ueher
schrift De potestau'bus syllogismorum noch einige Punkte enthält, welche
bei Aristoteles iin zweiten Buche der ersten Analytik besprochen sind 5“).
Auf die Lehre vom Sclilusse folgt nun unmittelbar die T0pik,
und es ist zu beachten, dass dem lateinischen SchubBetriebe der Logik
durch Psellus das eigentlich logisch-philosophische Werk des Aristoteles,
nemlich die zweite Analytik, nicht zugänglich gemacht wurde. a
Die 'l‘opik beginnt mit einer ziemlich ausführlichen Erörterung i
i'iher motoabg edw nom-ddwv (invemio propositionunop d. h. über die ' '
Frage, wie der Dialektiker den nötliigen Mittelhegrifl' einer Beweisführung
finden könne 57), ein Capitel, welches die Lateiner übergieugen. Hier-6‘
auf wird lo'yog nach seinen verschiedenen Wortberleutungen erklärt, ne
und unter denselben für die Topik jene als die entscheidende hervor-ä
gehoben, wornach ldyog den Mittelbegrill‘ eines Sclilusses bezeichnet“); ‘
diess bildet den Uehergang zur Definition des mesigmm (argumeutum) ‘
und der dmööuätg (argumentatio), woran sich die gewöhnlichen An-ä
v gaben über erlztrymyria äm‘hijmjta und nagdderij anschliessen, um sov '
dann zur Definition und Eintheilung des canos dualsmmög zu führen“).
Die Anordnung der einzelnen Topen ist folgende: Vorerst die tozot
annzgmol, und zwar zunächst jene in tris oz’mlag, nemlicli ex zoü.
liquiij in nig- dnoygaqrfig, ä» tiis founvslag roi Övo'paz'og‘m); so- '
dann jene in rrSv non/arvode t'fi mich}, neuilicli dm) toi 311012 xai w
roii Me'govg, dno 117g ulriag uui roü alrlzotsslelouurogy dm) 7611566029, in .
‘——A w t
z ‚
54) lV, 7. p. 197. ’
55) IV. 8, p. 201 ff. Die Lehre von den hypothetischen Schlüssen ist hier si
jene nemliche, welche wir Abschn. XI, Anm. 166. trafen. Ä
56) Nemlich das nlelw uulloyu'Cwö‘az (s. Abschn. lV, Anm. 608.), lx wen
dubi 15111181} aulloylg'so'ö‘m (ebend. Anm. 610.), xüxlq; defen/uuam (eh. Anm.
615.), äI'IIdTQ€q?ELW sunama/adu (eh. Anm. 619.), und a d‘ui: roi eiiim/iimu
avlluytapedg (eh. Anm. 623.). Es bleibt biebei immerhin die Frage‚ ob nicht
die llinweglussung dieses Capitels bei Psellus lediglich auf Rechnung der hand
schriftlichen Ucberlieferung zu setzen sei, und ich möchte diess sogar für das
Wahrsclieinlicliste halten.
57) V, 1, p. 206 m
58) V. 2, p. 218.: ‘O 1.670; nollaxrö; itp/eum 119071011 ubi ydg tod
mw a ‚Äo'yo; tj aüro'; San rai ögmpqi ii rj ünoygaqfi ilu- lv np „ausmi
vvyd Elan' ant millio/xa xowz‘nl xal ä ‚wird rou'vqun 167/0; ris oüolu; ö
GÜTÖS“. Jeüreyov de roonov 167/0; ra «616 lla-nv Sneg lo'yog dem"); n,
alt-nep oi ldym iiyouv ol dvlloywyol minl d‘mltyoyävwv. uum d‘ä rgönov
a 1.6210; Sarlr ante ro eld‘o; n]; eum tfigneg Er rai palatgltp a yiw at
6‘1790; dann {I'M}, h at ngogenallieiaa ‘rqi md‘figq: thalamis fumi 6160;.
"Enger os tgdnov ldyog Edtlv ante q‘ vivatur zoü rton/oii 1017 aream/apou
yfrov xan‘r nicw'vwv, läuten r) oninia 'roü yal/ove 1’] roi slcl‘oug. nagd
tot'rtov; de TOÜ; 1967101); 1.670; iariv Sneg m yämw, d‘r,’ (w Emiyenn ro
avpnägaajm, xai meni rai/mv tov todnov layprirerar a Adyog lv rai
69147qu ruit {nlqurj/zamg.
59) V, 3. p. ego-au p. 234.
60) V, 5, p. 234—7, p. 246. (Loci intrimeci a substantial und zwar a de
finitione a descriptionej ab interpretatione-y
ac e-f
-. intx
XV. l’sellus. 279
«pfl'oiiäg, Ex zaiv 19fioenw, in zöv xowfi avpßeßmtörmv“); hierauf die
ufum igczmrsgmois nemlich eg ävunsinävaw, wobei die äwtduppnpe'va
t , \ I l l l ‚ f 3
-e\nzureihen waren, cum nezgovog um imum/ogy am opolo'u, eg uua
iii
t"
i: t
p
3°
-Sebultraditi0n herrühren. i.“ kf ut nat nv
Aoyfug, o’tmi nemlzizpewg, fi e’tgtaiiwrog“); zuletzt die nium pium
nemlich in 1031/ qurot'xmv‚ dm‘) moioeow, dm) ammianus-on Die
hauptsächliche Quelle des Ganzen dürl‘te bei Themistius zu suchen
sein 54). m- .«-- a, " m
Die Sophistici Elenchi fehlen bei Psellus, jed'öeh, wie es scheint,
sicher nur durch Schuld der handschriftlichen Tradition ü5).
im Hingegen schlieSSt sich unmittelbar an das letzte Capitel der Topik
ein Bruchstück einer ebenso eigenthümlichen als ausgedehnten Erör
terung an, welche bei den Lateinern unter der Bezeichnung „De ter
minorum proprietatibusu und theilweise unter dem Titel uSyncalegoreu
Es wird nemlich zunächst mit einer Bemerkung, welche aus dem Ab
i schnitte über die Kategorien wiederholt list (s. Anm. 30), sogleich auf
die Definition der „Bedeutung“ impudica -— significatio) übergegangen.
und letztere wegen ihres dinglichen Gehaltes auf jene Worte beschrankt,
welche in sich einen allgemeinen oder particularenTInhalt darstellen,
‚so dass die blossen Zeichen der Quantität nicht zu den eine Bedeutung
darbietenden Begriffen (6'901) gehören sollen“). Die Bedeutungen wer
den sodann in substantielle (oi’mmideig) und attributive (änsigauzoi) der
iarlig getheilt,‘-dass den ersteren die Substantive und den letzteren so
.61‚_)I V,N8,ut p. 2vn4i6—13,dfipd. in280. (Lon' intrinse. ci a c. ontomitamibus substantiam,
und zwar ‘a toto el parte, a causa cf v/fcctu, a generalione, a corruptione, ab usi
(ms, a comnmniter accidmlibus). W" «Mr 4‘": r M
62) v. '14. p. aeie-nov p. 302. (Loci ertrinseci, und zwar ab oppositix,
disparate, u maiori ct minon', a simili, a proportionc, a lranssumptione, ab aucto
n'tatc). lm Texte des Psellns jedoch besteht eine Verwirrung, insoferne das Capitel
über die zirndiyg'qyäwz (disparate) von den äwmetpsvu (opposita) losgerissen
“K
r und an das Ende (cl 20,) gestellt worden war. v v
1‘ 63) V, 21, p. 302—24, p. 308. (Loci medii, und zwar aconiugatis, a caul
bus, a divisionc). rp- mu a
64) Es stimmt nemlich! die Reihenfolge der Topen im Allgemeinen mit dem
jenigen überein , was wir von der Topik des Themistius wissen (Abschnl XI, A'nm‚
96.); einzelne Abweichungen können immerhin von dem allmaligen Verlaufe der
vzjxn mv
“65) Denn cs wäre schwer einzusehen. wie ausserdem Wilhelm Shyreswood
und Lambert non Auxerre und Petrus llispanus gleichmässig auf den nemlichen
Gedanken verfallen wärenfdiesen Abschnitt aus Aristoteles oder uns der Ueberf
setzn‘ng des Boethins zu ergänzen. wom hingegen kann noch die Frage offen
bleiben, an welcher Stelle die Sophistivi Elenchi ursprünglich bei Psellns gestanden
sein mögen, s. unten Anm. 91.
t 66) V, 25, p. 310.: Tcüv ityoyfwuv 1d yev usu‘z evenlazfi; Mye'mt,
om ‚.angrirq; magna 1’} niiwligwnog- Asmzo'g“, rd rn u'vsv ovynlozfig,
m'ov niiysgmnosm i'xnuro; Je m‘w ddupnlsxzwv agam i ollohw on uhm
ii 7101611114: (diese beiden Worte sind im Texte ausgefallen) ii noadmza u‘wu
(pogdv ij noLeiy ii mia ew, 01‘in de an‘ml növ filiam iri/mata aa‚ dig
l'vraüäu lapfliivum, ad ngziypmug du} dann); und: uvvö‘rixqv nagd
uwmg- Juiu, lauda m‘w ngäyya ii macion larh/ ii pegszh d‘eZ nic
tpam‘xc 1d; ph (fehlt im Texte) amumvoz'raa; xudölov i ‚usgixt‘w imi angulum
nwxal oihw; ein: Zaovwi 6'901, ais Svruüäa Auyfldvsmi b ögor' eum 10‘:
ruffde 1’7‘ rd pagani o'nyilu m) ke‘yoyav 59011521».
mala“ (s. unten Anm. 92) ihre höchst einflussreiche Aufnahme fand.‚_.
A
"Q
280 xv. Psellus.
‚.
wohl die Adjectiva als auch die verba angehören sollen, woran ‚sich
die Bemerkung knüpft, dass die Substantivitat (oi’mimdömg, —- „sub
stantivatio“) und Adjectivität (finiüermömg, — „adiectivatt'o“) weder.
Dinge, noch auch Modificationen der Bedeutung, sondern Modificationen
der Dinge seien, indem die Substantive eine „Unterstellung“ firmitat
von) und die Attribute eine Verknüpfung (ovpnläusw) hervorrufen“).
Es sei nemlich die Unterstellung (wwöeotg, — „suppositio“) die An
nahme eines substantivischen Begriffes anstatt eines anderen, namentlich
eines particnlareren, und sie fliesse erst als eine abgeleitete aus der
„Bedeutung“, insoferne letztere bloss Sache der Sprache sei, die Unter
stellung aber auf der bereits bestehenden Verbindung der Sprache mit
der Bedeutung beruhe; das Nemliche aber, was die. Unterstellung bei
Subätqantiven, sei die Verknüpfung (ovimlomi) bei attribntiven Wor
ten *).
Und nun wird die „Supposition“ (-— ich will inichfortan dieses- v
bei den Lateinern recipirten Wortes bedienen —-) auf das Ausfüherl
lichste erörtert. Zunächst nemlich folgt die Einlheilung derselben, in- l
soferne sie entweder allgemein (nowfi, -— „eommimis“) oder bestimmt
timemus-um - „discreta“) sein kann, je nachdem ein allgemeiner Be
grifl‘ (5'905 x0wo'g, vgl. oben Anm. 12) oder ein individueller Begriff,
welcher auch durch Demonstrativ-Pronomina ausgedrückt werden kann,
angewendet wird; die allgemeine Supposition wird dann wieder einge
theilt in eine natürliche (qmdmfi, -— „naturalis“) und eine accidentelle
(und: ovpßeßnno'g, - „accidenlalis“), indem erstere auf den gesamniten
Umfang eines sog. Allgemein-Begriffes sich beziehe, letztere aber eine
Beschränkung auf specielle Determinationen, welche an dem Allgemein
Begrifl'e sich finden können, enthalte 69). Ferner aber zerfällt die acci
l
67) Ebend. p. 312.: fuiit aqpuamir iy yev lguv oüumid'ov; ngriyguutm‘
xai Eli: id ylveo'äm df dvdyaros oüa'zuid‘ovg, oiov „l’z'ri'lptu7105“‚ id 361W
Snugdzrov xal ixat rb yheoom 1'1‘ df övöparo; Gmöftou i dui gidyarog
m’m/ „leuxo'g“ i „rgäzu‘“ d‘län xvgtwc 06x imi mutuo/a Sm'äeto; xai
0170166115, dild n aqyafwrat oüo'md‘oü; xat n aqpalverm imam-muic
3161:, il {mänixo'tng xal oüo'twd‘ömr orbe eiai ngoiyymu, dux slai rpdnou
nüy ngay ritaw, ä quat'roytut, xal oii 11'}; mutantur 6861/ tft 0&6“:qu
övöfm'm e‘yovnu ünunäe’vm, ni de SnMeru uvpnltxuu
68) Ebend.: ‘Ynööwt; ydq (an 719651”!ng 6'9on oio-midum livn' 11110;"
dum feu d‘ä intimam xal augeatur an yev anyanla Bart d‘t‘ fumigans
wvfi; und; n‘a oqpuwäpevw npäyzza, vno’äem; df (an necis-bnng agnou
min dqpulvavrog gb aenigma dild yegmoi n'yog, u}; örav Le‘yqrou nav
ägwnog 195'161“, ourog o 90; ö „ävägwnofl‘ ünozlö‘ezm dm) wayrilou;
xal illdrawog xal 'rtöv illam Kai. dui rt 1‘; aqpualu 21901an lati rfi;
t'moöe’o'ew; xal 01} armati/ovtu n‘a «1’116,- duin rd mutati/uv lati fig (peu
vfig, zö de ün'ormwöm ö'gou fida onyatvoyrog route‘o‘n duvt'h‘mu lx (P0)
vr‘l; zu) aq aalag‘ il imößwi; dea odae lati unyaatu. vanloxrjs tum
ngöglqipi; iimu t'mäe'rov fi'youv Gnovatw'd‘ou; livii uwc.
69) V, 26, p. 314.: nu bnosfamv r‘; ph San xgwr‘, il d‘ä dzt„9‚ay€Vq.
'Ymiäealg acon/ri tatur 1‘] d‘z' ögou yzmpäw; x0woü, oilov „ävögqmog‘“ 13:16
8wrg d‘rwgm’ße'w; iariv 1'; df s ov ywopfrn dzwgwyävou, m‘ov „Zeugni
nisu 1’1‘ (aus Petrus Hispanus geht ervor, dass hier folgende Worte ausgefallen
sind: ywo fun d‘r’ 6901/ xowoü funi dvrwvv/Alag inzd‘szxnxfi; mii neuro
1unou s cusy oiov) „01/10; d dvdgwnog“. "En nam xmwüv ünoöfoewv il
XV. Psellus. 281
dentelle Supposilion abermals in eine einfache flint/m - „simplex“)
und eine persönliche fugae-misisti - „personalis“); die erstere der
selben bestehe in der Annahme eines Allgemein-Begriffes an Stelle des
von ihm allgemein bezeichneten Dinges, d. h. ohne specielle Beiziehung
jener Dinge, welche als zu seinem Umfange gehörig unter ihn fallen
fuit mnizeqa, tit mmwoi'regu); und zwar bestehe bei dieser „einfachen
Supposition“ wieder ein Unterschied, je nachdem der Allgemein-Begriff
im Subjecte oder im Prädikate stehe, und man müsse hievon jene Falle
streng ausscheiden, in welchen der Allgemein-Begriff durch einen Zu
satz (Affig nugacnpemnmi) eine nähere Bestimmung, z. B. namentlich
durch restrictive Ausdrücke eine Beschränkung erfährt, denn alle der
gleichen Supposition gehe bereits in die „persönliche“ über; dass aber
auch dann, wenn der Allgemein-Begriff im Prädicate steht, es eben
'eine einfache Supposition sei, wird ausdrücklich an einem traditionellen
l" Beispiele gezeigt“).
gi
tav
p
yev qzuozxiy iy d‘l xanit dvppspyxdg ‘Ymiöem; epi/anni fati ngdgliytpig
ö’gou uowoü livii ndvrwv. utp' mv erqeasin neq/unen oiov a ävßpwn'os
notal ul‘nt‘w ellnpytvog (in den orten tumv m'nt‘w liegt ein Gegensatz im
Vergleiche mit 7:96; n, s. unten Anm. 82.) tx n'y; idlu; quidem imortsnmv
n’wri noivruw n’a/8916110011 növ yevoyefvmv xal iivnov xai loquimur nmi
o'vyßeßqxö; di 131100561; tan ngdglryipig öguv xpivoi n’wr’ beehren, ä‘ n‘a
dvvnpepsfvov (uran oiov „ävögwnog Ea‘rzr“ ovro; ö deae a „t'z'vßgurrog“
üvro‘rlßnm hiatiim ein/II uüv iiieoraitwv, Srav Ja lfyryzou „ärägmno; iri/ul
imorærym nagt raiv nugslsdvrmm xal Stuvndvllgwnug Eo'rm“, imorwnot
negl‘ nov yelldvtuw' xai oihw d‘mqögou; firmatque {zu xurä 1d; dui
qvogag ndv aü'roü my aul/dver
70) Ebend. p. al .: fiiv di rani cuppepryxoc imoilfoewv iy ye'v t‘aer
l'znlfi iy ss ngogwqu" t‘mh‘; imöäeal; {an usöglndu; domi xowvö livii
ngsiy am; mis-cion aqptmvoyivop 61‘ admit c 510W lt rm „6 dva-gas
mic anv 6160;“ ii „10 (1561/ tan yivum ovro; ö ö'go; ö nizvttgamogu ima
rtanmv vivit roü o‘wßgw'nov 51' rai xowa‘i, äll‘ oi’m dm" i’z'llou mag taiv
zatwte'ng, Qualm; xal oirrog s 390; „1 Cqäo'v“ ünorläqow div-xl 'roü ayiav
lv eqi xowqi imi ut’m o‘wr' mou tii/og taiv ransivorfngi n‘i; d" ailng
zu). i‘ll äxurägzp (zu lesen initiatam 5 q: uoquil «i; „16 yelaarmdv lauv
IJzov“ iy „tö loyixdv Eo'n quvogeiu 11 „rd lewco'v lati oupßeßqxög“. "Erz
19W o'nrltüv fmoäeaewv iy cv dann ögov xowoü lv ünoxußtwp 1690105,
oitrv „ö ävägmno'; iariv agios-ny iy d‘e‘ lauv Sgov xoivoiz näjno; lv xarn
710901446th xaratpanxq], oiov ‚.nä; 55118910116; {du quov“, ainos a 390; „n‘a
tamen lv rqi xanyyogovysqui 12861; änlfiv {zu lindanum d‘io'u pidvov imo
rtonotv dyrl tic q-üo’ew; mii ye'vovg' illa d‘ä e'o‘uv ii ov erowoü teße’wog
yeni M'Ew fluguflqpezwryn‘w, olov „1:627 quov nagd trov c’wäpwna'v iariv
äloyov‘“ Evzaüi‘lu ydq cum; ö 590g a niiivtlgmrzogu anliv e'le; undaemvi
oii ydq Enorm: raüra' nndv ayiav nagd tov dodownov Garni aloyov, miv
aga Cq‘iov nagd roiwv rov iivttgwnciv Sauv a'loyorv“, dU.’ larlv exer us
maxi/ua ‘rfi; 1.56er rai ngoifvm se n‘mlfig ürmßs’aewg elg noogwmxiyv eI;
" ugogwmw' apum xo’wmüöu na ävägmno'; iariv eld‘og“ (ausgefallen: ü;
iiec iivdgamdc Sanv eld‘og) xal milw nmite iivSgwi-tdg ian (4301/, mis
iiec ävägwmi; iariv (ausgefallen tobra ra I'm)“ lv näai. ydq xlvi-mi
ngdodog S5 6111]]; ünoßäo'ew; sic npogwmxm'. "O'n de ö xetvog ogogrlv
rq} xurqyogovpe’flq: natis anteh- stgeirai. d‘filov fix mii igna/nagi nat-vl
. rm nov dvnzupe'vmj. mihiy Sauv Smarry 1;; et ph ye‘ig ou‘rog o 090; „n
1. Inmniyn‘i änlr‘w sign vna-iuniip spem-lis v ryvo audacem yitg pegixiy 8m
011ith animos-v æoivvlvavttaw Sortv- iy yitg latgixiy ovx lati mivrwv wir
Svszvrtwvs sua ’ ' ov roü oyiatvovtog xal voo'oüvtog, xal i- ygupzpwnxiy
toi iygyoayeiloywqudmom xal in) nisi iillwv suum m
‚t iu
282 xv. Psellus.‘
Und es folgt nun die zweite Species der accidentellen Suppositioni.‘
nemlich die „persönliche“; das Wesen derselben liege im Gegensatze
gegen die einfache gerade darin, dass ein Allgemeinbegrill' an Stelle
der unter ihn fallenden Dinge, welche seinen Umfang ausmachen, ange
nommen werde; durch eine abermalige Eintheilung aber wird sodann
innerhalb dieser persönlichen Substitution wieder unterschieden eine;
feststehende (ÖIOJQLGME'V'Y), —- „determinata“) und eine verworrene fer/uy
xsx-vpfvm - „confusa“); die erstere linde Statt, wenn die Quantität
des Allgemein-Begrill‘es entweder gar nicht oder particular ausgedrückt -„.
sei, und eine feststehende werde diese Supposition darum genannt, weil l
ein auf derselben beruhendes Urlheil, wenn auch zu allgemein ausgei
sprechen, dennoch jedenfalls von Einem unter den AllgemeimBegrifl'
fallenden Individuum wahr sei; zur Erläuterung aber wird hier zum
ersten Male (wir werden sehen, dass im weiteren Verlaufe diess zum
wesentlichen Bestandtheile dieser Erörterungen sich umgestaltet) ein
Sophisma beigezogen, welches zu den in zo'ü upjttarog nis lägen);
genannten gehört "'1). „f.
Die Besprechung aber der zweiten Unterart, nemlich der „ver
worrenen“ Supposition führt zu noch ausführlicheren Untersuchungen
und zur Schlichtung einer Gontroverse. Eine verworrene Supposition
liege dann vor, wenn ein Allgemein-Begriff durch Vermittlung des zepm
chens der Allgemeinheit .(d. h. des Wortes „Alle“) an Stelle mehrerer
unter ihn fallenden Dinge angenommen werde; dabei aber sei wieder
ein Unterschied, je nachdem diese Unterstellung aus der zwingenden
Nothwendigkeit jenes Quantitäts-Zeichens oder aus der zwingenden Noth
wendigkeit des Sachverhaltes selbst hervorgehe, und zwar betrell‘e der
erstere Fall das Subject, der letztere aber sowohl das Prüdicat“). Aus Letzterem aber folgt nun dideieabceorpmuallaigealsUnatuecrh
-«- -. c- . - ‚N u
#Hmmmxm p m-‘i iy»v'‚.‘._v’jt»‚ nam r Ei - ‚5....
1 u lucu g. li-r. ‚ .w
71) Ebend. p. 322.: (Ipogwmxrj lotw z‘möäem; lit/ng- xuwoü 6'900 ävzl
ubi id‘faw immutatam oiov „äväguuro; tollun- 05m; ydp ö ö'po; ö „är—
ligazmogu ueftra n‘wrl minl Id‘tuw uazwre‘gmv. "Er: mh ngagwmxdv inlo
ßs‘aeaw iz ‚uäv lata d‘twgmpe'w; r) de avyxezvpe'vq. Aiwpmye’vq phi Ä. s
um 1‘7‘1' illa ö’go; xowd; dvd‘zoqfo‘rmg rilqyyäim; ii yeni ngugduogm oü "roz
angelou ‚uepluoü, oiov „558910170; Igeln“ n’ „üvägamo; zwei‘rm‘ ii „tl;
iivöqmnog rgsxsr“ am) läysrm auriga roürwv almae-uam d‘uin, et xai
lv Exare'gq roümw ouro; d 590; ö „511189017105“ ünorti‘r'nmv duri ”und;
dvßgw'nov rge’lmlrö; te öpolmg xal (u), aptus 51/6; regiones älnän'; (art'y'
illle ydq tan rö üflonb‘ävai xal duo 161/ Äo'yov cansa änod‘zd‘o'vm minl
n‘voc' tv ydg 107; "QOEIQfi‘Lläl'OIS‚ u); doman 0510; ö 590; 6 „51/19an0;“
ünortt‘hgaw du) navrög o’wßgainov, dicam mil rgtzawog oörw xal toi
Auz) ret an“, am dnodtdiwo'z rbv cansa ldyov (161ml duri ‘roü ret/ramos i
duin de eurem rosith Eint d‘zwgwyärn, dfilov lvreüäw' Stuy yt‘z M- t
yrruu „qusz ian megviryg iimili den Kim‘ng xai ini növ illam memi
"0;, fisa ppdv den nis ius anfing“, 27111178“ ad alium 1179155205; lat-w
r‘mö 11 Eiovew cfanm {wer ni ylav d‘rmgmye'vnv, xal einer; ö xowö;
590; äd‘wglotw; im; e); {In ümiöedw diwqtdpfvnv‘ nimirum xal ‚uen‘r
ubi p72t)glExboeind”.popg.dt3o2p4m.':yoüZ.vyxszv imp 137168501; Z' ar: Jim/i; ö'gov ron/oi blva
dui nludev yæonsdongg xatlon ngogdzogzdpoü, o); amp lfymm „wie ‘
änögmzrdg (an nimial 01110; d agas 6 „änögmnog“ ywireüovro; roa xa
Solov qr/yclov ugaru‘nu tiv-ri rrluövaw nis iudaj-ovirovrmy o'vrog idlov
XV. Psellus.v H ubi ‚‘Q" ‚i 283
eflw '
Scheidung, dass bei dieser Supposition der Subjectshegrifl' in beweg
licher Weise tuum-rng -— „mobiliter“) und in vertheilender Weise
(6101121111111075‘, — „distributt've“) verworren supponirt werde, nemlich
ersteres darum, weil durch alle Unterbegrifl‘e herabgestiegen werden
kann, und letzteres darum; weil er von jedem Einzel-Individuum ilt,
hingegen dass der Pradicatsbegrifl‘ nur auf unbewegliche Weise (am
Vijrmg, —— „1'mmobiliter“) supponirt werden könne, weil hier ein Herab
steigen auf die niedrereu Theile des Umfanges unstatthaft ist, wenn
man nicht in Sophismen verfallen soll; eben hieran aber knüpft sich
das Bedenken, ob diese Behauptung einer verworrenen Supposition des
Pradicatsbegritl'es nicht im Widerspruche stehe mit obiger Angabe (Anm.
70), woselbst die Supposition des Allgemein-Begriffes, auch wenn der
selbe im Pradicate stehe, zur einfachen (du/117) Supposition gerechnet
worden war 73). Und indem nun Psellus die Lösung dieses Wider
spruches vorerst nach der Ansicht Anderer angibt, welche daraufhinaus
lief, dass einerseits die Gattung als solche durch eine einfache Suppo
sition substituirt werde und andrerseits zugleich die in den Individuen
vervielfältigte Gattung zu einer unbeweglichen verworrenen Supposition
verwendet werden könne, und hiernach kein Widerspruch zwischen
jenen beiden Angaben bestehe, ‘spricht er nun seine eigene Meinung
aus, welche dahin lautet, dass der allgemeine Prüdicatshegrifl‘ überhaupt
zu keiner verworrenen Supposition, weder in beweglicher noch in un
beweglicher Weise, tauglich sei, sobald heim Subjecte das allgemeine
0110211116100. ”151111511 o'vyxslvyävwv 6110860111111 il 11:1 tan avyxezvytwl
rj dvdyxg 1017 ngogd‘mgioryoü ri 1017 rgdrrovy 1‘] d‘e' tan 0172111141611)? tg
dvdyxy 1017 ngäyyamg‘ ais 311111 lla/nnn ..ndg 1511/8901710; ftpor (011“, 01110;
a 6'905 6 „äuägwnof‘ 117 111'02ny 1017 211.961.011 quetov auy/reino ii dimit
yetm 1‘1an 512110101: idtou flumen/tintum xal ind fxaarog 17110910710; lla
rijv Mlay firta 5111, d‘u‘: mino 16 gaya 101710 16 nimi-l xgurehm rj
üwiyxy 1017 1191271111110; fun indoli-twv ünäQEean', dra-l 50011/ misenian
zu) ind imimcp dvlfgainow lvwrw fi Id‘la quiqu dui 1017m 219111111111
rj diifiy/xy 1017” ngäypruo; 111’112‘100'06110‘11 gqiaw 10 ttim/l 0‘170" ddwv
1131851071011 o 111130111110; am) ars oauw 1171119551011 md muta 10 „t'o'zl“
f “
2175) Ebend. p. 326.: "08W 01710; 6 agas 6 „ävöpmnng“ ls‘yerm 611011
eivai ouyxeluyefvw; aum-mis- (dass dieses Wort ausgefallen sei, zeigt sowohl
das Folgende als auch Petrus Hispanns) nmi d‘uwsyqrmeög' eum ovyxszvpfvwg
phi nmi dünn/‚111111107; 1711016917111, duin xgareinu dwl nmwbg 1111691137101),
1111111107; ‚11, dier 5521111 ylveob‘m 11111121 nam (zu lesen 1111111190011) 61189
3110101011 id'fov fmoxuyfvovy nimi „nägftvägmrro; ctii-wg zmxpdrnc äpa'
nec 51'119ng10; infima Illdraw agam 01710; .11 6 agas „16 ftporh ltysnu
dyyxelüaäw cbuwlnocv dzdn 01’111 iimu 7111110301 1111111131100! 1‘171‘ 111716,
oiov unis 5211891117169 81111 (ausgefallen fugam 1117; 1'1' a fivSgwndg 8011) 101710
fd C0701“, r’uU.’ iariv Exu‘ il ngöodo; 01116 11); anim- cis 11‘711 711109111111—
1:01, uig- Svtawa „6 ävögwnci; ian nymitatov 11511 2111000111111, aga
nvmg 6 111199111116; so'n 1111105111101 mh 1111011111011“ xal „10 6611011 111711
thesm 1111116111161! lum xal 1) alga 666‘011“ cum xal 101710 d‘un/{911,
med 81/ 1013101; {11111/ 1‘; final-natg a‘md 1017 ‚utgov; 1017 6110151115100, 2x65
(‚Ö dnb 1017 ytgoug 1017 xumyogovyli/uu, ei xal 10177111111’011 doni 0177109
demon 7196169011, an lv mrhg 11'] „mit; 3118901116; 111111001“ 01710; ö
poe „10 ciim/u 21' np xmqyogovptmp 16861; tim/liv ixat 1711685011, xal
anni/oa le’yezm itur uvyxelupe‘qu (die letzten funf Worte fehlen im Texte).
asa . xxv Psellus.
frva
Quantitätszeichen bejaheud stehe, denn der Prädicatsbegrifl' repräsentire
(im Hinblicke auf eine Stelle des Porphyrius) dann stets einen Gattungs
begrilf, die Gattung aber höre durch jene Vervielfältigung, sei es durch
bewegliche oder durch unbewegliche, jedenfalls auf, Gattung zu sein H),
was auch seine Bestätigung durch eine aristotelische Stelle finde 75).
Nun aber wird diese Erörterung noch in weiteren Unterscheidungen
fortgesponnen; zunächst nemlich sei zu erwägen, dass der Begriff des
Ganzen mon ein anderer sei, insoferue er den Gattungsbegrifl' betreffe,
und ein anderer, wenn er quantitativ verstanden werde; eben letzterer
aber komme bei der verworrenen Supposition in Betracht, und zwar
als der des vollständigen Ganzen bei der beweglichen, und als der des
m Ebend. p. 328.: nodc 101710 lexu’ov zuni uan (diese Worte fehlen
im Texte), d‘zän, milib ye‘va; amzrlyogsirm ixat xuniz roi sldovg-l ofinu xai
outog 6 590g ‚16 iiim/n v'wti zon'oü minic xgarzizm, 57160 fari 16 yerog,
nmi oiirwg ö 090; infit i‘sz Ün'di‘icmv‘ xat‘iö di 1‘; xou'z‘; mini cpjmg (der
Text gibt 2:036 ixu‘vn n lunam Sxefvov Toü ye'vov; nollanluauiCetm dui
zfi; 1371006060); roi ärä-gw'nov, oz'irw le'yezuu fluit avyxexuye’z'qv, oii zum
"In; dif äxwrirwg' 1'; ydq avyxezullfvn zu uü; intimam ui’; d‘üvarm aga
elva: iui-ni 11‘]; 0‘011.71; mihi zarr‘z m aürö ours ‚und dich/‚09a, dif 1‘] dxl
wizwc ovyxezvyfrn fmdlnowg d‘dvarm fflm eivai yeni 11"}; dnlfi; ad xani':
rd aim‘), dild xan‘z didqoga, uic el'gqnzi (letzteren Satz gibt Petrus Hispanus
bei gleichem Sinne in abweichender Form)‘ xaiaoü'zw dei Mini! tiv lvawldulrm
ii-ug iqatvero roi; ngauqque'vozg fin ö xon'ög 390; ty nil xarnyoguvytyqz
refleng {zu rinlfiv initiatam auri auy/yehazidxwritwg xasdlov zum"; «zum?
ngogd‘wgmyoü 6'11ng SV np ninoxuysfwyy oz'ov hnch äwöngw'g fun quar“
(dieser Satz fehlt bei P. llispanusy alpin de iyd (diese Worte übersetzt P. hispa
nus ganz gemuthlich mit nsed ego credo“) uiridi/urov si‘Vm, xowbr ögiw testium
ly 1q3 xarziyopovyewp avylzia't’mz m'muög ii (die beiden letzteren Worte fehlen
im Texte) r’txn'rizwggxathiluv anyttov 81/ ünomye'rqi zmraqanxü; (fehlt im
Texte) “951'105, oz'm' „nä; iiivt'igwno'g Gau Cq‘mv“, öpoim; dii minl wir
ä}.le (c. 27, p. 332.; Ehinger nemlich beginnt sinnlos hier ein neues Capitel),
digre, dique xai ö llogqndgwg floiilczou, nini xarnyogou'ywov ii peZCor ij
Hanoi! i dvzenrgaylue’vw; le’yetm am) nagi xarqyogtag rd xuß’ rci/rd
o‘xouei (s. Abschn. XII, Anm. mm- Ewaüäa de .‚mi; äväpwno'g lo'n fiqiov“
xunlyogla xay (11316 ian xal yil dweatgayyfvwg zumyogeirm, ”im”
figu (letztere zwei Worte fehlen), md ß!) u}; dvyßeflqxdg, figu n}; oümzüd‘sg'
figu 1’,‘ yci/og 1’, d‘iaqopni' (diese fünf Worte fehlen hinwiedemm bei P. Hispauus).
dild pii d‘mqmgd‘ aga ye'vog‘ alani pfwol 1‘] (püde roi ye’vovg nounnla
mmimam i‘m/qm}; ii äzwrirw; oüx lurl ye’vog' oüxoüv öraw Myrlnu „mit;
dil/somnis ian Cq‘nw“, nöeye'vov hilai/nga ye'vov; oüx 31112 thwrxnivy ö'gov
tim xowöz' nollunladzoiiwßm acu/rimis1 1’) äxwfirmg, fig-nc oqyainr tiv
qiüaw mia ye'vov;‚ duin iidr; ovi-z äv mi ye'vog, aris-neq ei Ö ‚.ävßngmg“
auy/gloria xn'rlnä; i 60:11”;sz oüx lativ 1’qu 6160;.
75) Ebend. c. 27‚ p. 334.: "Erz ib mich doxei ix 101) Jigmrotflov; {v
1 ‘ nguinp wir Tonian (Top. 1.}, 103 b. S.)' Myezaz yiig' „(imiqu mir
to xmqyogoüyerov und nvo; 11 firtmfpayye‘vw; Äxelvou xanlyonefaäai
fi yzj' e? ‘ulv dvrwzquzzys'vwg, ‚0910710; Sarw fi mon ei d‘ä (‚zu drte
azgaypävwg, i m’nzei dc zöv opidydr ii oüdluzuög' ei ph m'ntez, lati
dvfzßeßr’xög‘ ei nlntei, 1’7‘ ye'vo; la‘r‘n/ ii chtzqvogczfh xai axonef ö 219161015
111;, ö'mn; d‘r sin fi xunyyogt'u 69191), zu) lindanum tö daac xaä‘ dind
nollunlao'nmääv. sut lv tati-ty nj „nä; ärägwnog“ {du xurnyogia xai
„ärägwrwg‘“ iri-trinum xal ‚ufi ävreatpuyfzfvw; xnrqyogeinu ii cuppepqzdr
alga ye'vog ii d‘iaipogni' dild ph dlalfogili- ägu e‘vog' xai 0171m; 7196; mihi
nogsüoyev, nigrae xai ngüzov. ladunt-rov ow, rbv xowz‘w agor e'v qu
xatqyoguuyäyq: natvra mvnnü; ii dmmirws dvyzeiaäm.
.i_ A__ *—%-__
xv. Psellns. 285
unvollständigen bei der unbeweglichen Supposition, uml aus eben diesem
Grunde könne bei dem Pradicatsbegrifl‘e, welcher stets Gattung sei, von
einer verworrenen Supposition keine Rede sein 76). Ferner sei die
aufsteigende Beziehung des dem Umfange nach Niedrigeren (mit nauti
repa) auf das Höhere (161 o’wairsga) gerade entgegengesetzt dem Herab
steigen, nur die erstere aber finde bei dem Allgemein-Begriffe als einem
wirklichen umfassenden Gattungsbegrill‘e statt. letzteres hingegen enthalte
allerdings jenen Process der Vervielfältigung, habe aber eben darum
init der Gattung als solcher Nichts zu schaffen 77). Der Grund des
Zweifels aber, zu dessen Lösung diese Bemerkungen dienen sollen, sei
darin gelegen, dass man eben bei Urtheilen, deren Prädicat ein Gat
tungsbegrifl‘ ist, die Supposition völlig in gleichem Maasse für den Suh
jects- wie für den Prädicats-Begrifl' annahin, weil da letzterer in jedem
unter den Subjects-Begrifl‘ fallenden Individuum sein individuelles Dasein
habe; hingegen bei Urtheilen, deren Prädicat nur eine accidentelle
Eigenschaft ausspreche, habe man sofort bemerken müssen, dass jene
Eigenschaft je nach ihrem Vorkommen an ihren Trägern eine Verviel
fältigung erfahre, und dass dabei im Subjects-Begrifl'e nicht eine Indi—
vidualisirung einer im Prädicate liegenden Gattung bestehe 713); daher
76) Ebend. p. nam "Erz ölov amäölou, ante ye'amg, am) filov iv no—
mimn dvzmeatv flavam mur yfiv ab am lv noodrnn d‘z ak Myerm'
San yir ydg ölen w lv nomini-n a’vyazsn}. maluit/ovy va o arowb; 590;
amantis auyzsfnuy am) ian n ö’lov lv aroo'or n. äuvynlfigwrov, öruv dau
a'rjtwg ö xoavt‘a; päMow ovyxu‘rm. Ei figu o roll/Ö; ö'go; dm).ng am) 1!"
UWZGTTRI, ciim arai n‘a hi noadrnu Slov 196mm um": am) inillis am) ny
yivum (dieser Satz fehlt bei Pelrus Hispanus). Oz’aaroüv üd‘üvmöv tan n‘a SV
„00611111 filov slmu ye'a'og, 5.951» äd‘üvuröv ian ‚röa/ aemyäv ögovvlv np
xatnyogovctpr reääa/mlmq/Zez'db‘uz, nic l‘lsyov. ‘ ‘ m ‘ ‘
77) E end. p. 338.: 'En il nagdihmg Huhn], talia ijv dvdpegov n‘a am
rua'regoa/ sic 16 ävw'ngw minim/1 dvnxuyfvn iariv lxefvy (ä nagußäau,
mch ijv dilaniantur fl‘a r‘u'aa'regov et‘; n‘a amrnitrgov' cum xarä rbv ngui
mv lappdverm n‘a amwbv {V np löyqa roi xnwoü' ot‘a'nu ydq m‘nö n‘a am:
a'öv iv iturth negltxez na'vra n‘a inf min‘a ö'a/nz' dild amn‘z fiiv Äre’gtw
Aaypzivnm n‘a amwöa' nounnlamaasiv ri (die letzteren drei Worte fehlen im
Texte) avyxexvye‘vov fiyouv u'a xtyajuög xola/t‘w r’wr) nnivrnw iiyavv (ofl'enbar
fehlt d‘quaqnxaig, s. Anm. 73.) (in/8‘ inftrer 319a (zu lesen 3'49' ei) id
ye’vo; i'm'u‘rm. stass ru‘nö fv np ‘roü xowoü löyqa, alit lati Juvan‘av at’an‘a
noüuarlao'miCeaöm.
78) Ebend: Kai taiia lv auyxwgui (bei l‘. Hispanus: Et haec quatuur
argumenta sunt eoncedenda)‘ 1‘; ge roü invenirem al-rtov (zu lesen admi/g nirz'a,
P. Hispanns: causa autem, propter quam movebantur isti qui fuerunt huiusmodi
opinionis) puellam lvfhirremu -läyovm ydql 03;, ö'rav lfymau „71:2; 31'390;
110'; {an mora Szaarov ävßgwnm' {xsw 11‘71' t'd‘üw 67mng am) anörqtn,
aem‘h‘a t’zd‘üvarov Fit/391071011 5211m. am) luiy eivai quoa', vimm 6 agas „Ctfior“
dar!) maei/twv quwr xganitat n’n'?’ öo'aw o‘rvßgninwal r’ivßgwno; (letzteres
Wort fehlt im Texte)‘ Myquw ydq lv Iaürg ff] ngoniau yndiv dvcn ddog
(dieser Satz fchlt bei P. Hispanns, sowie überhaupt auch im Folgenden manche
Abweichungen sich zeigen. und jedenfalls beide Texte, sowohl der uns erhaltene
des Psellus als auch der von Petrus Hispanus benutzte, vielfach con-nm sind)‘
öruv di ltywyev „azäg ärägamo'; (an hamis-u fi „m2; äv-‘igmnög tan
„eine“, fin dd‘iiva'rov ävßngrov dann am) ‚m‘; glraz Cq‘a'ov, riviqu rooaüm
illia fv np linearer,“th vosiaöw, ö'oot ävägwnnf sio-m dva ö'rmw „d'r
99mno;“ argaflfim. mm [n‘w immor Mysw, n‘a nlijt‘log have 103V (qm—
l
286 XV. v Psellus.
f
‚h
zeige sich bei richtiger Erwägung dieser Verhältnisse, dass der Gattungs
begrifl' eines allgemeinen Prädicates zu keiner verworrenen Supposition.
weder in beweglicher noch in unheweglicher Weise verwendet werden
könnew). Hierauf aber wird in ähnlicher Weise gezeigt, dass auch
die copula keiner verworrenen Supposition fähig sei, indem der Gattungs
hegrifl‘, welcher im Prädicate liegt, von Anbeginn an im Subjeclsbe
grill'e vorhanden sei; und hiemit wird obige Angabe (Anm. nm dass
die eine Species der verworrenen Supposition auf zwingender Noth
wendigkeit des dinglichen Bestandes beruhe und sowohl im Prädicate
als auch in der copula auftreten könne, jetzt direct dahin berichtigt,
dass eine verworrene Supposition überhaupt nur durch die NothWendig
keit des Quantitätszeichens erfolge, da jene in der lndividnalisirung
liegende Vervielfältigung des Gattungsbegrill'es nur dem natürlichen Ge
biete anheimfalle, hingegen für das logische Verfahren der Gattungs.
begrill' als solcher von derqjerwirrenden Veryielfältigung unberührt
bleibe, wornacb die einzige Veranlassung der verworrenen Supposition
nur in der Allgemeinheit des Quantitätszeicheus liegen könne m
nirwv du} rd 1117,30; 11‘}; zumyoglu; Fr 6111m, an 126i lurbe ami ‚ue'lm/
nollunlaauiinm. mortui M710. rbv d'r/‚900121011 uvyxtioäar rani 11‘11/ fuit
‚1101110711 öd‘ör (richtiger P. Hispanus: logica lo nendo. non ualurnliler) lx roiv
zqiov xai loytxab. du‘z 101‘110 In 5011103 {0301- zu, iimu Eis/19901110; noble:
nlrwniium xal 31' 1511010) ixit 11‘) nlfiäog ixsi'vo nini quzn'1w‘u' anni lfyg
(zu lesen de Mym) „7112; iiz/agminis io'n 1.10169" xai „nä; 5113901116; lem
Ming“, 2111’ aida/rt rgdnor 1‘154 111610; 1d; Ctpcinjra; Ex 1017 11011;;10900—
hom ‚ ‘
H 79) Ebend. p. 342.: logatus tori xiw 107 ngoeth/‚uärqi, Erar xanjyo
971100 ria yäwg, 060,111 „7161; fit/8910716; tan cgici/m (v nul/tg yliy rj nga
nutu fmdxenou o 111199101105, lv (p mehr“ rd aliam enim 1an {Q1011}—
tnw, ais 111111101, am) mum/optima 101710 16 ye‘vo; ni {1501" duin aridam
1961101 O'L'j’XEI‘Ifll 2111111107; i o‘txtmjtaug, dua stizm (zu lest-n xguni‘nu)
8x25. ärrl tic 011311501; athin roü yt'rou; ma xowfi mrmyoguwü nani ftind
it'uw' 6'051 xal C4701 xurrjyogehm xal Cq'ior roeimt tv np throueqdvqsv
wgnsg 311111730 umh Cqöm' loyun‘w 011111611 ian quov“.
80) Ebend.: ‘Quofw; de läyoyer, 511 roi/m 11‘) (”um 11)„2010'“ ab avjxci-
tou antnig i äzwq'rwg {115) rd Ctiiov ev rqi dvopaimp u‘xn' m‘irö imo
xelyerov ngiv moniam Er ri ngordan xazqyogovye‘mp zem’ obolum ii
‚und Ut'ßßfßflltlg (Petrus hispanus hatte einen etwas abweichenden Text vor sich).
Kai dui 101710 ubi flpodyovdm' d‘o'fav (d. h. das oben Anm. 72. Gesagte;
schlechter ist die Lesart, welche P. Hispauus übersetzt: quandam divisionem facllm)
dmaxaväiayw, 61110er11 an 1151/ aul/xe uyfyaw bnovfaewr 1'7 phi ann/si
nu 11‘] 12111?ny mfi ngogd‘iogwyoü ri E 111.1’1miyxy 1017 flQliy‘LlflJOQ. ‚15'
yopev ydzgl fiiv auyxvaw tium tf fwdyxy 1017 neas-dicetquafiv wgneg xai
8111117311? imm „miv quov loylxov 91117161 ian quov‘" 01'110; ö 890; ö
„Crfio‘u“ am navtbg quov zgarsi‘ruz a 801W (1139107100, magnce xal lv
ratiry rj ngordou „rräg äräganrö; 5'011 C ovu 0510; ö agor 6 „3119901
1105“ tii/ri 7111116; äv-‘igw'nov ZQH'IEÜ'I“ xai vrl 11111/16; qiov firmo iiz-secu
710;“ xal 1616011, 100015101; ini sinu dväywnömrag, 6001171011 {11161 reg
xal dvdnalzyfxard 15111 nic 0.130610; ödöv, nani d‘ä 11‘711 nh loynuiiv Jz‘n'
(auch hier gibt P. hispanus einen anderen Text, wie oben Anm. 78.) lv izdarry
atdycp 1017 drögm'nuv, n'igfleg d d'r/89101101; hi 10] muui gan- 1b 111’110, aen
16 ratquu 161108111 11‘11' lhamagna-tmn 1’1‘ ixta/nv rm 1‘: rbv lo'yov imi rfi;
51.115' lv 6% ti 66‘113 tiis ([60er ri 1111691071611); 1‘7 Fyry tuin ldrl nagd ri‘p'
uinu dicmg xal 1) quam d‘i' as 201111 n 6111199017161”; 1‘; iyil lv t’yol. Kai
dui 101710 16 gvmsi‘or aum/fav 1611 cit/demum 01’; 01.1772? xai 10 apoll (aus
IQ. XY. Psellus. 287
„ Hiemit aber bricht unser griechischer Text des Psellns ab?’)‚ und
‚wenn auch der Leser viellcicht den Eindruck empfand, dass hier die
Logik wirklich toll geworden sei, so wollen wir einerseits diesem rich
tigen Gefühle durchaus nicht widersprechen, müssen aber bemerken,
ass es sich hiebei erstens um eine Logik handelt, welche ein paar
. ahrhunderte das lateinische Abendland beherrschte, und zweitens dass
wir eigentlich mit diesen Erörterungen noch lange nicht zu Ende sind.
Nemlich nur ein Fragment ist es, — wie wir schon oben sagten -—‘-.
von welchem uns die einzige bisher henützhare Handschrift des Psellus
'eine Kunde gibtj Schon bei aufmerksamer Betrachtung des Bisherigen
konnte man nicht bloss aus einer obigen Stelle schliessen, dass nach
j"; der Supposition und, wird gewiss noch die Supposition nani zo nods
n oder, wie die Bezeichnung bei den Grammatikern lautete, 1031/ tiva
‚tpogtmöv folgen müsse “2), sondern noch deutlicher springt in die Augen,
dass die oben bereits erwähnte dvimlomj S3) eine der mindatam parallel
gehende speCielle Erörterung gefunden haben muss. Und in der That
linden wir auch diese beiden (lapitel bei den auf Pscllus beruhenden
Lateinern, indem dort sowohl die suppositiu relativorum ausführlich (in
einer Zweitheilung nach retulit-a substantiae und relative acct'dentia)
äbesprochen wird '34), als auch die copulatioäd. li. ovpnlomj) ihre
'nähere Darlegung findet”). ema- ‚M wm
„r Aber auchw hiemit war die Theorie betreffs derjenigen Gesichts
qunkte, welche sich an (modulo (significatio, s. oben Anm. 66 f.)
‚"Fkuüpl‘en, noch nicht abgeschlossen, sondern so gewiss die Lateiuer
(nicht bloss Petrus Hispanus, sondern auch Wilhelm Shyreswood und
Lainhert von Auxerre) für die Schul-Logik in allein Uebrigen, was wir
bisher vorführen mussten, vollständig und fast ausschliesslich das Com—
pendium des Psellus zu Grunde legten, ebenso gewiss ist es, dass sie
auch bezüglich jenes ziemlich umfangreichen Bestes, welchen uns div
fragmentarische Handschrift des l‘sellus leider vorenthält, nur das Nein
liche thaten, d. h. dass die Synopsis des l’sellus auch noch Alles Fol
gende, welches ich hier nur kurz berühren werde S'5), ursprünglich
gefallen ist lt' xmqu dild rd qum' id ounlxum'llr et; ubi i’irägwnor du?
{ab idt‘wr iwt/agam 5921/ mida minuta tan 'ij dvdyxy me anyelov
q foi rgo'nov.
81) Anstatt einer weiteren Fortsetzung folgt nur noch (p. alea eine an diesem
Orte völlig unpassende Tabelle der einzelnen Topeu.
82) S. in Anm. ea die von mir dort besonders betonten Worte mar (26161/
ellqpye‘vog.
83) S. Anm. 68., hauptsächlich den Schluss derselben, sowie den Schluss der
Anm. 67.
84) Bei Petrus Hispanus unmittelbar nach dem Obigen (Anm. 80.) folgend.
85) Allerdings fehlt dieses Capitel bei Petrus Hisponus, hingegen fand ich cs
in jener Pariser Handschrift, welche die Dialektik des Wilhelm Shyreswood ent
hält, unmittelbar nach der Lehre von der Supposition eingereihL
86) Es versteht sich von selbst, dass das Nähere im xvn. Abschnitte enl
wickelt werden wird, wosulbst ich bei jenen Partien der lateinischen Schul-Logik,
welche bereits hier aus Psellus vorgeführt sind. mich kürzer fassen und Manches
durch blosse Verweisung auf das hier Gesagte erledigen kann, hingegen jenen
Rest, dessen griechisches Original wir nicht mehr besitzen, ausführlicher dar
stellen muss.
‚ü--_‘„ä„
288 xv. Psellus.
‚q
gleichfalls enthalten haben muss“). Ja ich habe allerdings auch an
die fast abstruse Möglichkeit gedacht, dass der uns erhaltene Text der
Synopsis nur fälschlich den Namen des Psellus trage und zuletzt nichts
Anderes sei, als eine von einem Griechen (ungefähr um d. J. 1400)
angefertigte Uebersetzung der Summula des Petrus Hispanus; und wer
dieses Hirngespinnst weiter zu verfolgen Lust hätte, könnte allenfalls
darauf hinweisen, dass in der Synopsis Priscianus erwähnt wird (Anm. "r
19) und an zwei Stellen in Beispiel-Sätzen der Name Cicero‘s vor-3‘v
kömmt sal Während jedoch Letzteres wahrlich nichts Auffallendes haL‚ ‘
sobald wir uns erinnern, dass die griechische Schul-Logik den Boethius
gekannt haben muss (Anm. 15 n. 28), und auch ausserdem bezüglich
des Uebersetzens gerade aus Petrus hispanus der direete Gegenbeweis
geliefert werden kann 89), so liegt sicher das Hauptgewicht darauf, dass
es ein unerklärbares Wunder wäre, wie denn mehrere Pariser Logiker
in gleicher Behandlungsweise auf einen so ausgedehnten und vordemv
unbekannten Zweig der Dialektik hatten verfallen können, wenn sie
nicht gleichmässig durch ein neu aufkommendes Material liiezu veran
lasst worden wären; ja eine schon oben (Anm. 16) erwähnte Einzel
heit ware noch wunderbarer, dass nemlich zwei Autoren unabhängig
von einander bei den nemlicheu Capiteln die nemliche verkehrte Reihen
folge eingeschlagen hatten. Doch wir wollen eine blosse Hallucination
nicht weiter erörtern, sondern in der unverrückbaren wissenschaftlichen
Ueberzeugung, dass jene mehreren Lateiner nur aus Psellus schöpften,
behaupten wir, dass in der Synopsis auch noch Folgendes enthalten
gewesen sein muss.
Zunächst nemlich musste sich an Ohiges dasjenige anreihen. was
bei den Lateinern bezüglich der amph'atio (wohl „uiigiqn'tg“ oder uinuni
Eijotg“) und der appellatio (doch wohl nargos-miole und restn'rlio
(wahrscheinlich „MEICOO'LQ“, schwerlich „ovürokri“) besprochen wird 9"}.
al
S7) Freuen würde es mich, wenn ich hiedurcb die gelehrte Mitwelt oder
allenfalls auch Nachwelt auffordern könnte, in den Bibliotheken Nachforschungen
uber Handschriften der Synopsis anzustellen; meine Ansicht konnte durch neue
Entdeckungen ja nur bestätigt werden, indem eine Widerlegung derselben auch
dann nicht einträte, wenn die Verstümmlung des Textes noch an mehreren anderen
fragmentarischen Handschriften sich zeigte.
88) S. Anm. 71. und ausserdem V, 8, p. 256.: T6110; ana ‚115‘900; h 71006
11711 01'011 „me9010; 191’151 xal lnnhwv 191‘111 xai Kmtfgmr 191'151“,
im) 7!te 1071' ä).le 07911111119.
89) Bei Psellus nemlich lautet eine Stelle (V. 301111, 6'1111' gr ysgszv dnodruwüzjrm. 61' äl3,lopv. 2u2t6e.)n:toHnalnvoioidgicelu/umdbfr
11 sirgfmcezmr 16; „16 rof/g enpatovg ilffylteiidl nolsyefv xaxdv 8011. xai
16 mire lfogw-Movg (1'911 1197/5101; nolrßeivuaxo'v 3011“. Und wenn hiefür
bei Petrus Hispanus (Summul. V, 2, fol. 36 a.) ‚steht: iiz-amplum est, quando unum
partieulare probatur per aliud propter aliquod simile rqierlum in ipsis, ul„Leodim
ses pugnare comra Tongcrenses malum est, ergo Mechefim'ensrs pugnare contra Loua
nicnscs malum est“, so ist klar, dass derjenige der Uebersetzer ist, welcher ein
traditionelles Schal-Beispiel durch Anspielungen auf Zeitereignisse (Kämpfe zwischen
den Städten Lüttich, 'l‘ondern, Mecbeln und Löwen) umschreibt. I
90)‘ Die vernünftigere Anordnung dieses Stoffes im Vergleiche mit jener des
Petrus Hispanus, erscheint allerdings bei Wilhelm Sbyreswood und Lambert von
Auxerre, insoferne diese Beiden in der appellatio die Hauptsache erblicken und
erst mittelbar mit derselben die ampliati‘o und rerln'ctio verbinden.
xv. Psellus. 289
tft-martii
Und nachdem auch schon hier sowie im Obigen (Anm. 71.) zur Erläu
terung Sophismen beigezogen waren, erscheint es immerhin als möglich,
dass Alles bis hieher von der significatio (o'ijpaola) Gesagte nur als
Einleitung zu den Sophislici Elenchi betrachtet wurde, und demnach
dieser letztere Abschnitt aus Aristoteles bei Psellus nicht schon weiter
oben (s. Anm. 65), sondern erst hier eingereiht warm). Mochte je
doch dem sein, wie es wolle, so musste jedenfalls in der Synopsis
noch eine ausgedehnte Gruppe anderweitiger Erörterungen gefolgt sein.
Während nemlich das Bisherige überwiegend nur die Subjects- und
Prädicats-Begritl'e der Urtbeile betroffen hatte, war noch übrig, nun
auch die logischen Functionen jener übrigen Redetheile zu betrachten,
welche wir schon oben (Anm. sp unter dem Namen ovyxamyootzinata
vorläufig erwähnt fanden ny Und die Gompendien der Lateiner zeigen
uns, dass in diesem Theile der Dialektik zuerst von der distribuu'o
(wahrscheinlich wohl „diavojm'“ oder etwa „rdz dmvsnmmoi“) die Rede
war, woselbst es sich um die Worte omm's, nullus, nihill uterque,
nomen mm, totuss qualislibet, quantuscunque, infinitus (also um anus-1
odöeig, mida/1 Exdreoog. odderegog, oii, 5110;, duozoooüv, 61:060601311,
iimeagog) handelte und Sophismen, welche durch dieselben entstehen,
zu lösen waren”). llierauf mussten jene Redetheile gefolgt sein,
welche zur völligen Verdeutlichung des Sinnes eine nähere Auseinander
setzung bedürfen, d. h. die exponibilia (wohl offenbar gnesme
wozu die exclusiva (etwa „o’moxkewrmä“?), die exceptiva (wohl „läut
gezmci“), die reduplicativa (sicher „tiwudmlmmn'i‘j, sowie die Worte
incipit et desinit („3916100 und hjyez“?)‚ abemials infinitum sodann die
comparau‘va et superlativa (sicher nova/nominat und zinsoöa'rmoi“), sowie
difl'erentia (etwa „qutopmä“) und noch einmal latus (dilog) gehörten 9‘).
Endlich aber scheinen auch noch die übrigen Conjunctionen (Güvdeoitot),
soweit sie nicht schon in dem Vorigen erörtert worden, noch speciell
m die Dialektik beigezogen worden zu sein“). Auch mag bemerkt
sn Wenigstens ist zu beachten, dass Wilhelm Shyreswood in der That erst
von der appellatio aus auf die Soph. Elmclii übergeht. Auch wäre das llinweg
fallen dieses Abschnittes bei Psellus dann leichter erklarlich. Wenn die Sophistik
erst in jenem Theile besprochen gewesen ware, welcher fur uns überhaupt verloren
ist. Petrus Hispanus aber und Lambert v. Anxerre hatten eben dann aus eignem
Gutdünken in diesem Punkte die aristotelische Reihenfolge hergestellt, indem sie
die Soph. item-hi aus jenriu Verbunde mit.der amatam lierausnahmen und un
mittelbar nach der Topik folgen liessen.
92) Wahrscheinlich bietet Wilhelm Shyreswood das Richtige dar, indem in
der Handschrift der Dialektik desselben der ganze das Folgende umfassende Ab
schnitt unter dem Titel Synralegorenmam eingeführt ist. _
93) Die Reihenfolge in der Besprechung dieser Worte ist bei Wilhelm Shyres
wood und Petrus hispanus allerdings nicht die gleiche, jedoch Ersterer hat über—
haupt das ganze Material weit selbststiindiger verarbeitet, und wir dürfen mit Sicher
heit scliliessen, dass der Letztere als getreuer Uebersetzer uns die Anordnung
überlieferte, welche bei Psellus selbst sich fand.
94) Auch hier arrangirt Wilhelm Shyreswood mit Uebcrgehung einiger der
genannten Worte die übrigen nach eigenthümlichen Gesichtspunkten.
95) Bei Petrus Hispanus findet sich allerdings kein eigenes den Conjunctionen
‚bestimmtes Capitel, hingegen Wilhelm Shyreswood bespricht die Worte si, m'ai,
quin, vel, an, sinu
Pmunu Gesch. II. 19
M
‚ä
m xvt Psellus’.
werden, dass in diesen Erörterungen theilweise die Lösung von ‘86
phismen versucht wurde, bei fast sämmtlichen aber für die logische
Praxis mehrere schulmüssig formulirte regulue („xav6vsg“, wie wir
solche schon oben, z. B. Anm. 18, 22. 44, trafen) aufgestellt waren,
so dass die Synopsis jedenfalls von Anfang bis zu Ende in diesem
äusserliclt formellen Punkte sich getreu blieb 96). „q“
Billiger Weise aber drängt sich ttns die Frage auf, wie denn wohl
alle diese Dinge, welche wir von Anm. 66 an erwähnen mussten. in
das compendium des Pselltts gekommen seien, und es wird sich dieser
Frage auch Derjenige nicht entziehen können, welcher etwa die Unter
suchung bloss auf den uns überlieferten griechischen 'l‘ext beschränken
wollte und es in Zweifel zöge, dass auch all jenes Uebrige ursprünglich
gleichfalls in der Synopsis enthalten gewesen sein müsse. Was aber
tlie Beantwortung hctrifl't, so sind wir in Folge des Maleriales, welches
bis zum heutigen 'l‘age der geschichtlichen Forschung zu Gebote steht,
leider nicht in der Lage, jenes „Wolier‘€“‚ dessen Ergründung wir uns
wahrlich stets bisher zur Aufgabe gemacht haben. hier mit Bestimmtheit
angeben zu können.
lm Allgemeinen wohl steht fest, dass stoische Schuldoctrin, d. h.
Grammatik und Rhetorik, in den Betrieb der Dialektik sich reichlich
verflochten haben müssen (vgl. oben Anm. 17), um zu solch einer
Theorie der animo-la und der logischen Function derselben zu führen;
aber die einzelnen Fäden der Entwicklung oder etwa gar die einzelnen
Autoren, durch welche tliess geschult, nachzuweisen, ist uns nicht mehr
möglich. Ja wir schen uns bei den bisher zugänglichen griechischen
Grammatikern und Bhetoren vergeblich selbst utn mehrere der oben
erwähnten Worte oder Begriffe um‚ und auch die uns erhaltene Gram
matik des Psellus selbst 97), — allerdings ein äusserst kurzer und arm
seliger Abriss —-, enthält bezüglich der uns interessirenden Frage
schlechthin Nichts. Höchstens einzelne Bausteine, welche dann später
allmälig mit anderen zu einem Ganzen verbunden worden sein müssen,
können wir sowohl bei Grammatikern als auch bei Rhetoren wiederer
kennen. So ist z. B. nicht hloss der Begriff der Gnttaola selbst ein
bei vielen Grammatikern vorkommenderMja sondern wir finden auch
bei Dionysius 'l‘hrax eine Aufzählung der Unterarten des Substantivums
(ö'voga), welche mit einzelnen der oben erwähnten Punkte sich he
rührt, insgferne die Begriffe des noogayyogmdv, des Egmqgamsöv (n'g,
96) Eben dieser gleichblcibende Charakter des Ganzen. womach die zum
Auswendiglernen bestimmten auwv'veg überall ein Uebergewicht behaupten. wurde,
Wenn es noch nöthig wäre, einen wesentlichen Beweis darbieten, dass auch jener
Rest, welchen’wir ausschliesslich nur aus den Lateinern kennen, ursprünglich
ebenfalls bei Psellus sich gefunden haben muss.
97) Toü ‚uwmytwtrimu ünsgn'pov ngotd‘gou raiv (‚11.066qu ZÜQOU
Mtlm‘ji. roa lllsuoi mixe: maltnxo) nyd; rbv pacata migov Kwrarav—
n‘a/aal ubi porti/laxati nsgl 17;; ygayyananjg. Gedruckt bei lfoixmnudc-v Anecd.
graeca lllv p. zoo ff.
98) Es scheint unnöthig, fiir diesen allgemein rcclpirten Begrifl' die einzelnen
Belegstellen aufzuhanfen. ‚
xv. Psellus. 291
noiog, minos-jl des v’zvatpogmöv (todoürog, IOLO‘Ü'I!05‘)‚ des {mit-spiri—
pevov (311909, inclnsgogt Eunurog). des iniquitati capiorng duniog, (imidog)
erscheinen 99); ebendaselbst treffen wir auch eine Eintlieilung der Cun
junclionen, welche zu dem traditionellen Umkreise der Schulgrannnatik
gehört und oll‘enbar in späterer Zeit noch entschiedener als schon früher
hei den Stoikel'n (s. Absehn. VI, Anm. 122 ff.) eine Aufnahme in die
Logik fand ‘00). Während aber unseres Erachtens allerdings es haupt
sächlich die grammatischen Anschauungen waren, welche einen Einfluss
auf diesen Zweig der Dialektik ausiibten, finden wir doch hinwiederum
auch in der Rhetorik manche Einzelheiten, welche um so eher in die
Dialektik liinübergenommcu werden konnten, je mehr von Anbeginn an
die TOPllt (mit Einschluss der Sophislik) ohnediess dem rhetorischen
Gebiete näher gelegen war, und wenn Wll‘ bedenken, dass die Erörte
99) Bekker Anecd. ll, p. 636 f.: ‘Ynonfntmxe de np drdyan raüm, ä
xal wird: tmn ngogayoptüum‘ migmv, HQOCTUIOQIXOIV‚ hitanum 7196; u
.Szml. u}; nodc n lxo’v, öyw'vvpom qunmrvyor, (”Quirl/„01', Jmivuyor,
nunquam umdi Sgwrnlun-nxdyq dogmroy, riraqogmdyp negzlqnn
xdy, Empqnio'yevuv, negwxnxöv, nemznjlufvovv ynuzöv, eidnaiv, tanz
xär, änißyqnxu'r, yuuumaanuo'v, oinolelvye’nor ”90917 nemini de'
{an ui xowipr oüm'av mutata/or ’ngrrnuauxön d‘e’ eam/y o xal neu
onxdv ualeitm‚ ‘n‘z xra‘ Iguirqmv leyo'lunlov, oioy n’y, 71070;, 11600;,
211111qu Högiatov de’ fumi 'rö In} Sgquyrnlxqi {rau/Ihn; notwa oiov
{10119, inultosl 6116009, öflrllixog. ‚HI/«([091be as idnv, s xal byolwyu
nixiw xai duxuxdv xal ävranndonxöv zuleirm, ib dyofwow unpairm',
(‚um roaoüwg, 111102017109 roioörog. Hiezu mag z. B. auch beigezogen werden.
was sich bei Planmles nin ovrniäew; (Beckmann. Anecd. graeca ll, p. nam
erhalten hat: ni (Mumm, toi/tu yir dvdyara roüro JE {mpyriya‘ra‚ mmo
Amiw ggoqagdw ixat-m ouvut'igma'nxiyv rov n/lfiäov; xai dms oü rmier
nagi zur dialeyöpeäm Ex rs növ draqogixah' zu) roi „r’z'v ignobilia avv
diayov fi mil „driften“ ovvn'änlu, uinr Ilg, 661190511, önotugot'w
u. s. w.
100) Ehend. p. 642 f.: Zürduguög Gnu “EI; ovvdäovaa d‘uiroiuv peri
uiimm xal tö n"); äyynreta; xeznydg magnam Tür ‚n avvd‘e’aymv .
avynlexnsol ‚uäv etam 30m nip Egym'elav {11’ finu ov quegoyfvrlv auy
de‘ouo'ly, ein) de ui'de' „w, dea 16', tmn duci SmCeuxnmd df eimv,
Saoz rr‘lv für quaw aurium/ann dnb 63 ngdypnro; EI; ngäypa dimm)
011/, eiai d‘ä owe- ii. 54'101 ovrunnxoi de' ein/v, 5001 57mng yiu of/
(717101701, anyahlovm d‘l timolovfilnrx eiai JE owe- et einen nagaauv
annxol d‘e‘ simam ö'o'oi (460’ {11141295er xai niäw dnloümr, ein) de owe
in“, („einen ulnoluyixol de‘ etam 30m ini ünodo'o'u ai‘rta; naea
layflnivorrm, ein) di oi’de‘ i'm, äqpu, ö'mug, Kram, uanum (in, dber
dnsogmuullxoi d‘ä enim 50m; lnaflogoür'rneg daia-agat x fio'äcu, ein) de
owe- uga, xqm m-Muymulxol JE dana uam 7196; 'rw; mqnpri; rs xal
ovlbitpug wir änud‘eiäewr w dldxewrm, erat de oi'd‘e' Figu, dui tum
‚wir nayunlqgwyunxol J! clam ö'o‘m ‚4519m; ii xdayov szxev ungu
Äupßoil'owm , eiai d‘l oild‘e' d‘r}, ad wi. nmia Iol..... live; de nonum-mm
xai irrwnwynnxnüg, uiw inimici ongx Eine Vervollständigung oder weitere
Ausführung dieser Lehre von den conjundionem welche für die byzantinische
Schnl-Logik bezüglich der o’uyxmqyogeüyn‘m sicher von grosser Wichtigkeit war.
suchen wir vergebens bei den übrigen spateren Grammatik-cm; auch die armenische
Uebersetzung des Diuny'sius Thrax selbst (s. Mc‘moircx c! disscrlntiuns sur les anti
quilds nationales e! dlrange'res, publids par la suciele' myale des anliquaires de hamum
Vol. VI, p. 1 (R), welche übrigens manche Zusätze enthalt, bietet hier Nichts dar.
>—-——-—-—W...——\-‘- m es“ - <----=I__;__w‘——N-.
19'
agi xv. .Psellus.
rung und Lösung einzelner Sophismen mit mehreren Capiteln der Lehre
von den propn'elales terminorum verbunden wurde (—- ganz abzusehen
davon, ob unsere Vermuthung über die den Sophislici Elenchi ange
wiesenc Stelle, Anm. 91, wirklich berechtigt sei —), so muss es uns
immerhin sehr wahrscheinlich dünken, dass auch die Rhetorik ihrer
seits ihren Beitrag zu jenem neuen Bestandtheile der Schul-l.ogik ge
liefert habe. Vor Allem ist es die reiche Saat der rgdnot, welchen
zuweilen eine logische Seite abgewonnen werden konnte, und unter
diesen dürfen wir wenigstens die (13511619101) um der ampliatio willen
nicht unerwähnt lassen. Es mag aber auch beachtet werden, dass
llermogenesv an dessen Technik sich bekanntlich eine Menge von Com
mentatoren anschloss, bei der rhetorischen Theorie bezüglich der „966
ama (worin eine Brücke zur suppositio personalis liegen Minute) neben ‚
anderen Momenten namentlich auch nii aigwpe'va, mit 2:96; u, mit am:th '
dvzmlomjv und mit ngogiyyogmoi erwähntm'z), sowie dass derselbe ge
legentlich der Meißel-1‘], welche das Gegentheil der zaßupömg ist,
gleichfalls in dem Begrill'e des ngoglaiußoivew einen Gegenstand berührt,
welcher mit der Lehre von der Supposition verwandt ist 103). Endlich
noch scheint der Begriff der Äxöstmei (exponibilia) auf einem Momente
zu beruhen, welches zwischen Grammatik und Rhetorik schwankt oder
vielmehr jener stoischen Verquickung der Dialektik mit jenen beiden
anderen Disciplinen angehört; denn in solchem Sinne trafen wir schon
früher die fuas-nmi ägmipuw als eine eigene Species des Urthei
les 104). M
All das eben Erwähnte jedoch besteht nur in Einzelheitenfund
101) Longin. de subl. 12. (llhclores grueci, ed. Spenyel, l, p. 260.), Longin.
rhetor. (ebend. p. 301. u. 326.), Anon. rhel. (ebend. p. 440. u. 457.) und sonst
noch häufig. -
102) llermog. de urle‘ r/iel. l. (bei Spengcl ll, p. 133 1.): fuit oÜv 11900
oinow n‘r yir So‘nv oia xai d‘e'll'aoäm ääudg‘wßm‚ ni de 017, 1611011 es
(Ulm; litigat ngoo'w'nov' vir d“ «dünnem/6'va iayugorrirqr ‚ab {zu
6111mny rd uigmpfva xal xiigim nimi a llsglxlipg (1 Aqluoo'äe’rr]; xai
10‘: rami/nv d‘emfgmv Je rd qug n‚ nimi nanjg, 1116;, (1017109, decimi
117g“ ‘rgfryv n‘: d‘iaßeßlrlye’ra. oz'ov flauum1 ymon xöluxeg' Isrdyrrw ui
ihm}, oiov yewqul, 1.!)(1'01 xai ui aluom- ”(y/trer ni und: o'uynlwn‘w
0‘110 ngogqyoguüv, oz'ov yäo; nlorjma; . xxnw ni xard ouAunloxr‘p' 1190ch
nov xai n nip/luctuml oiou yelgtixrov xauwmgzipwov (peüyu nogrefag' 3;?
Joyov rd anlä nriogqy/oglxt’z, mall atgatrnldg. (ifi‘rmg. _
103) Hrmzog. 71. maior l, 11. (p. 316. Spcny.): l‘i’rum wirr/v 7159115911)
xaz’ Zvvpmv ‚113V, özrw ifioi iftum-fv n ngoglayßriry; zoürly, 7159) er} 6
167/05", moli 75'110; dilu fi äögwmr aigmpe’vq; ii 31ml ‚(u-'95! . . . . . ..
(p. 318.) ii ö'nw Im) wild Äle’yy rd ngaiyycrm mos xm?’ Ätwrr‘z. duri ‚us'rdi
103V noret-acuianimorumv oimr 1611011, lycii/om uirium ngnuw'nou, zu? in
yrw'lun; rui 11900161011, e‘mhü; 15 mii/twv m‘w romürwv. Aehnlich Arisüdes
de arte rhcl. b. Spange! II, p. 472.
104) S. Abschn. VI, Anm. na Mil dem aristotelischen oder theophrastisehen
Begrilfe der fedlariis- im kategorischen Syllogismus (Abschn. IV, Anm. 554. und
Abschn. V, Anm. 50.) haben die iar-humi dieser späteren Logik keinenfalls etwas
zu schalfen. Hingegen bildet die beatam als eine „Verdeutlichung“ wieder ein
steli2e8m‘iies Capitel in der Rhetorik, z. B. Aphthon. Proyymm 51. b. Spengel II,
p. . - "
xv. Johannes ltalus. 293
es wäre thöriebt, zu glauben, dass hiemit die Entstehung jener ausge
dehnten und völlig schuhnässig formulirten Lehre bezüglich der angusta
etwa nachgewiesen sei. Zwischen der grammatischen und rhetorischen
Litteratur, welche uns noch zugänglich ist, und dem compendium des
Psellus muss eine reiche Entfaltung der Schul-Logik stattgefunden haben,
deren geschichtlicher Verlauf uns bis jetzt -—— vielleicht auch für immer
-— verschlossen ist‘o“). Indem es jedoch wahrscheinlich ist, dass
die schulmassige Consolidirung dieses neuen Zweiges der Dialektik auf
_Einen relativ älteren Kern zurückweise, an welchen als an die ursprüngv
liche Grundlage das Spätere ansehoss, so darf ich vielleicht die Ver
mutbung aussprechen, dass wir möglicher Weise den 'l‘bemistius (s.
Abschn. XI, Anm. 92 ll'.) für diese logische Behandlungsweisc gramma
flach-rhetorischer Momente verantwortlich machen müssten; denn der
selbe ist unter den älteren Commenlatoren wohl derjenige, welcher am
meisten das Studium und die Praxis der Rhetorik mit der Thatigkeit
eines sogenannten Philosophen verband, und falls unsere obige Annahme
(Anm. 41 u. 64) richtig ist, dass in der Synopsis des Psellus für die
Kategorien ebensoscbr wie für die Topik Themistius der ursprüngliche
Führer war, so scheint derselbe für die Schul-Logik überhaupt ein
gewisses Ansehen genossen zu haben, wornacb es jedenfalls scbr er
klarlich wäre, wenn man die Lehre von der animata und von den
ovynamyogedtwta gleichfalls aus ihm entnommen hätte; ja wenn das
letztere dieser beiden Worte sich auch bei Avcrroes fintlelmnja so
könnten wir auch diess zu Gunsten unserer Vermuthung benützen, indem
eben rflnæmislius es ist, welchen gerade für die Topik Averroes ein
lässlich benützte.. Doch bei dem gänzlichen Mangel aller präciseren
Anknüpfungspunktc ist jede derartige Vermuthung von geringer Bedeu
tung 107).
Neben Pscllus aber kann auch noch sein jüngerer Zeitgenosse und
Nebenbuhlcr Johannes ltalus (s. Abschn. XI. Anm. 111) erwähnt
werden, dessen Schriften möglicher Weise einen Einfluss'anf das latei
nische Abendland ausgeübt haben können. Anna Comnena spricht aus
führlich über ihn, deutet aber dabei — was für uns beachtenswertb
105) Durch allmäligc Benutzung und Veröffentlichung alles desjenigen, was
in dieser Beziehung noch handschriftlich in den Bibliotheken vorliegt, konnte. viel
leicht ciuich Licht in die Sache gebracht werden; denn wenn auch die griechi
schen Litteratur-Erzengnisse der späteren Jahrhunderte meistens in der That noch
so unbedeutend und jämmerlich sind, so bleibt ja immer noch die Möglichkeit
offen, dass aus der Masse dieses Schundes irgend ein compendium der Grammatik
oder der Rhetorik sich erhalten hatte und irgende versteckt wäre, aus welchem
mit grossercr Deutlichkeit die zur Beantwortung unserer Frage dienenden geschichtl
liehen Faden erkannt werden könnten.
mei Arerroes ad Arist. Top. l, 2. (b. Aristot. omm lutine, vmum 1552, fol.
l'ol. l, f. 2-56 a.): Prout furit Aristoteles in libro Perilmmcnias distinyurndo res
ratione dictiouum, quando illas distinguit in uomcn, verbum ct dictionem syncalego
rcmaticam ctc. Vgl. folg. Abschn., Anm. sua
107) Fande sich in einer Bibliothek eine Handschrift jenes Commentares, wel
chen Themislius zur aristotelischen Topik verfasste, so müsste meine Vermuthung
sofort sich entweder bestätigen oder sich widerlegen.
m xv. Johannes ltalus.
ist —- zugleich an, dass Grammatik und Rhetorik nicht die starke Seite
deSSelhen gewesen seien, sondern er sich mehr auf die reine peripa
telische Dialektik beschränkte 10B), woraus wir jedenfalls schliessen
müssen‚_duss, wenn seine lilterarischen Erzeugnisse von den Lateinern
benützt wurden, sicher nicht eine Wirkung derselben anzunehnien ist,
welche jener des Psellus gleichkäine. lndem von der ausgedehnten
schriftstellerischen Thätigkeit des ltalus durchaus noch Nichts durch den
Druck veröll'enlliclit ist, darl‘ ich wohl erwähnen, dass eine in der
Münchner Staatsbibliothek befindliche Handschrift mehrere logische Schrif
ten desselben enthält 109). Es zeigen uns dieselben in schlichter an
spruchloser Form den ganz gewöhnlichen luhalt der Schul-Logik oder
108) Anna Comnenu. Alrzias V, 8, p. 257. (i’d. Schopon): 01'110; de ö ‘Ira
1.6; (179;qu0 Iuh/ if ’I'mlia; xal lv rfi Zuequ lq‘ [xum‘w alturan
‘Exeiäw de 013m; ö ‘Irnld;‚ 01’»: olcf’ ömug, 11‘711 Kovamwn'oünolw
xan’laßev (imiqu „aufs/u; xal n’xwyg loyzxfi; (p. 258.) Oz‘inu; ozhl 'roii; lyram-ulla 510W“; 6 blroatzl‘bms-lyecüigamm-m)ä;loxvaol'rdwvd‘gri
my dydriaag axulaanxoig mud‘etng rnlvuv loymfi; if Gxelvwv yeru
ala‘w xal Nil/(an). t‘erqu np Welle} lv üan’gq; ngogwyüqan' Toürqu
yoüv Ö ‘Irald; ngogoyilfitm; lv dnuid‘eünp iis-al am). pag/fagitta oi’n: viriti
10:10 (‚Modul/(a; sic ßriäog usum d‘nfrwmilmv ölw; luqu 31' In”) ‚urth
sda/tw dvqoyevogy ägdooug ah ‚uwrb; nmi dnorohzg fingßngixfig mivuor
te xuövnepzepeiv zur) ngö toi ym'hü/ aldynlogj xu‘z 7!ng aün‘w rbv Wel
Äöv lx 7790611}; dq snygfa; dulichii-amy iyßaöu'rd; cfl 1;} dialexnxf; gasa
ptgn/m); aeyi/eam {1' navd‘fiyotg GUI'EÄEÜO'EO'W hmnim qoqtanxdg ovvu’ng
lgetwelfagv am) ndv d n 1010171011 ngo‘rit'hl; mil (100:; i‘me'xmv löyor
romvtdzgonov (p. 260.) nima xal 1017 'I‘elloü „etuxwgifidavro; Bu
Cuvro'fiev .. .. m‘nd; quloaoqt'u; ändmy; ripae/om d‘ld‘adxalog, ünamg 103V
((0.006qu nm cuftmgi xal 1d; tell lmonlmdg fiffllov; am) nisi Illu—
nuvuu‘r; fanoüdläfier' xal ir yir rq'i 65m noÄuAum'Harawg d‘en-d; Je
pällov efneg wg ällo; d‘ugsuwjmwäm rui-y filva 'n‘w Jilronirr/r nega
nu'nynm‘lv xal "16117; nim 11‘11' dialixnxrir nods de rr‘u; (Uhr; 1111m;
ubi löynw od mia/v u eüquzö; aller, dild negt' 16 n‘yv ygay mian (106
leve n?qu xai roü (Sqrogixoü re'umgo; oüx lyeüaaro, cum greiflw ö lö—
yoc lounp lqfigyoo’ro am) EI; xdllo; infinita Hiezn Amme Cum”. Supple
menta ed. Th. Fr. Tafel (Tübing. 1832. 4.) p. 1.: NIL-11‘: ydq zt‘w naivv ‘I‘Ellöv
rbv du- tlng ‘ri; finden; dor/lac xat‘hlyeuöru xal nnwroi’ug l’d‘pn/ ioy/ucin
nmd‘uiaew; 0510; (so. ö 'Iralögt'ßnl ruf; Idpmrorelixm‘; rexvoloylmc
‚n'y/‚a; {doäw eivou, 59W xal nämw qaoyusa vsolalcw sic äuuu‘w lnh
dnmmzo. .
109) Nemlich (Todes: graecas Moimccnsis 99. fol. enthält zumichst (fol. 279——
386.) viunii/mv aoqwnirov ümizov xal d'zd‘uomilov uäy i/llooo'qu, toi
’Iruloü. fxtfodi; Ei; d‘uiqwga qufiyarn dui rö xal d‘un/16901); rot); ruina
nqoßnlloye‘vov; (ein ehnliches Werk wie die Ilmlzod'unh didadxalln des
Psellus), woselhst auch eine grosse' Menge logischer Fragen sich erörtert findet;
jedoch muss bemerkt werden. dass dieses Werk wenigstens nicht ans erster Hand
von Johannes ltnlus herslammt-n kann, denn fol. 314. v. lesen wir: vflrmszm- 6
(‚ilo'o‘oqog Ö lhaldgy 6 ‚lye'regog Jid‘rimmlog, uöflug' triduum ifqnlv. d
3916101511}; Snniyu u. s. f.“ Sodann folgt in der Handschrift (fol. 386-423.)
Toü afl-mil {aufqu sie rd B, F, A TÜV Tomxa‘n', hierauf (fol. 423—431.)
Toö admi ngdg zör ßamle’a xvy. ’Ard‘go'rixuv Zngviimvm nagt Jmlsxn
zu"); (ein kurzer Abriss der gesammten Logik), hernach (fol. 431—440.) 7'013
mhoü deomg 11te 1ng uör oulloymynüv mag xal tiis ouoniasw; m‘nnb'v
und endlich noch (l'ol. auo-um Toü ainos pt-Sodpc (5111091217; inimicida
‘ xv. Nicephorus 295
die üblichen Controversen der Commentatoren. Bemerkenswerth ist,
dass ltalus bei Besprechung der Syllogistik die oben angeführten Me
morial-Worte des Psellus anzufübrcn verschmähtno); hingegen hätte
nicht hloss allenfalls eiuc Lücke, welche wir bei Psellus trafen (Anm.
5,6), aus ltalus ergänzt werden können lll), sondern es wäre auch
wenigstens möglich gewesen, aus Letzterem die Kunde davon zu schögfen,
das Galenus nicht drei, sondern vier Schlussfigurenrannahmm). w »‚
Endlich haben wir noch anzuführen, dass in dem compendium
des Nicephorus Blemmides (s. Abschn. Xl, Anm. 177 tl‘.), wo
derselbe von den Syllogismeu handelt, sich jene nemlichen Memorial
Worte finden, welche wir oben (Anm. 47 11'.) in der Synopsis des
Psellus trafen, jedoch mil Ausnahme der letzten fünf Schlussweisen
der ersten Figur, indem bei dieser sich Blcmrnides auf die Aufzählung
der vier aristotelischen Modi beschränktns). Uebrigens ist es selbst
chronologisch nicht wahrscheinlich, dass die Lateiner die Memorial
Worte aus Blemmides geschöpft hätten (denn die litterarische Thätigkeit
desselben dürfte fast in eine etwas spätere Zeit fallen, als jene des
Wilhelm Shyreswood), abgesehen davon, dass bei Psellus diese Dinge,
auf welche von den Lateineru ein übergrosses Gewicht gelegt wurde.
in erwünschter Vollständigkeit vorlagen.
Ueherhaupt concentrirt sich, wie es scheint, der byzantinische Ein
fluss ziemlich ausschliesslich auf Psellus, in dessen Synopsis das latei
nische Abendland wie durch Zufall ein ihm vortrefflich dünkendes Com
peudium erhielt. Und wir können diesen Abschnitt nur mit dem Wunsche
schliessen, dass der gelehrten Forschung dereinst gelingen möge, worauf
wir verzichten mussten, nemlich auch noch jene Fäden nachzuweisen,
mini mittetan Einen Nachweis anderweitiger Handschriften, in welchen Werke
des Italus enthalten sind, gibt M. Ilasc in Nulices et Extraits des manuscrits de la
bilil. imperiale, Vol. IX, Abthlg. 2, p. 149 fl'.
110) ltalns hätte wenigstens baufig genug (in den Am't/opu infirm-ra fol.
318 f. und fol. 329 fl‘., woselbst von den Sjllogismen die Rede ist, sodann wieder
in dem an Andronikus gerichteten Buche fol. 428., und ebenso in der ganzen
Monographie über die Sjllogisnien) Gelegenheit gehabt, seine kürzeren oder langeren
Erörterungen über die Schlussweisen mit jenem mnemoteehnischen Schmucke ans
zustalten, wenn er hiezu geneigt gewesen wäre.
lll) Nemlich in jenem an Antlronikus gerichteten Compeudium bespricht Ita
lus (fol. 429 f.) jene aus der Analytik entnommenen Momente, welche bei den La
teinern unter der Bezeichnung de polcslalibus syllagismarum vorkommen, jedoch
allerdings in einer Weise, dass nicht angenommen werden kann, die Lateiner hätten
hier ebenso lediglich nur übersetzt, wie sie mit Psellus verfuhren.
112) ln den Aufl/Ian infiuunt fol. 330. v. steht folgende Stelle: Td de
axrjßazu rn‘w aulloymyvüv natvra- d Falnro‘; di imi rfragrovlirri ‘rourot';
Eqaaxn' elym, t’mwztwg nodc rbv Zmyslgf'rml cpigdytvagy ö; layngo
rtoov dvmfavigvm ofo'ztn/o; 11511 11‘111 loyun‘w ngnyyarstav e'änynvyb'wv
nulunüv w; noggwrdmv eorum ixne’flnnxe. Es kömmt demnach diese Stelle,
welche ich im Jahre 1855 noch nicht kannte, aus der griechischen Litteratur als
zweite zu derjenigen hinzu, welche ich Abschu. fX, Anm. 100. bezüglich der soge
nannten Galenischeu Schlusstigur aufuhren konnte.
113) Nicephori Blemmidae Epitome logica ed. Wegelt'n (Augsburg 1605, 8.),
p. me in
me xv. Nieephorus Blemmides.
welche in den letzten Hauptahschnitt der Synopsis zusammenliefen;
denn vorläufig bleibt uns (abgesehen von Psellus selbst) die wahrhaft
ursprüngliche llerkunft jenes einen Theiles der lateinischen Logik noch
dunkel, welcher bis zum Stürze des Mittelalters den Unterschied zwi
sehen „neuer“ und „alter“ Logik begründete und, nachdem er eine
lange und wichtige Rolle gespielt hatte, noch weit hinab "seinen Ein
fluss erstreckt.
xvi ABSCHNITT.
EINFLUSS DER ARABEB.
Sowohl über die geschichtliche Thatsache selbst, dass die Litteratur
der Araber auf das Abendland eine ausgedehnte Einwirkung ausübte,
als auch über die Ereignisse und Zustande, durch welche jene Be
rührung zwischen Orient und Occident bedingt war, können wir jede
weitere Erörterung hier füglicb bei Seite lassen, da all Solches theils
allgemein bekannt ist, theils ausserhalb unserer hiesigen Aufgabe liegt»
Hingegen darf wohl schon hier — mit dem Vorbehalte der näheren
Erörterung im folgenden Abschnitte —- die allgemeine Bemerkung
vorausgeschickt werden, dass der Einfluss, welchen die logischen Lei
stungen der Araber auf daslateinische Ahemlland seit dem Beginne des
13. Jahrbundcrtes äusserten, völlig verschieden der byzantinischen Litteratur; denn während diewalretztveorne fdüerr diWeirkinutneig-k
nische Schal-Logik und die Gestaltung der Compendien maassgebend,
wurde, brachten die ersteren mehr einen gelehrten Betrieb der Exegese‘
des aristotelischen Organons in Aufschwung, und mit der hieraus er
wachsenden Litteratur der Controversen stellten sich nun crklärlicher
Weise wieder die Streitigkeiten über die Geltung der Universalien ein,
jedoch mit dem wesentlichen Unterschiede, dass für diese Erörterungen
jetzt durch die Benützung arabischer Schriften eine weit umfassendere
und tiefer einschneidende Basis dargeboten war.
Während aber die arabische Litteratur in Erklärung des Aristoteles
ebensosehr wie auf anderen Gebieten sich unendlich reichhaltig und
manigfaltig entwickelte, so dass sie nach dem Stadium einer hohen
Blüthe wahrlich gleichsam in ihrem eigenen Fette erstickte, war es nur
ein BruchtheiL derselben, welcher dem lateinischen Abendlande durch
Uebersetzung zugänglich wurde und in solcher Form den genannten
Einfluss ausübtc. Und hiedurch sind wir hier an dem Punkte ange
kommen, wo sich der Titel, welchen ich von vorneherein meiner Arbeit
gab, rechtfertigen muss. Denn indem ich eine „Geschichte der Logik
im Ahendlande“ schreiben wollte und will, habe ich aus dem weiten
Umkreise arabischer oder arabisch-jüdischer Logik nur dasjenige beizu
ziehen, was in die damalige Sprache des Abendlandes übertragen wurde.
Alles Uebrigc sowie zuletzt auch die richtige historische Würdigung
Ader in das Lateinische übersetzten arabischen Erzeugnisse muss ich
jenen Gelehrten überlassen, welche diesen Zweig ‚der Kunde des Orientes
w i v-vrr „<7 i
298 XVl. Die lateinisch-arabische Logik.
zu ihrer speeiellen und dankenswerthen Lebensaufgabe gemacht haben.
Ja selbst die blosse Kenntniss der arabischen Sprache —— wenn ich
sie besasse — würde weder ausreichen noch mich dazu berechtigen,
m fremde Wissensgebiete überzugreifen; denn wenn ein hervorragender
Kenner jener Litteratur sagt, eine wahrhaft genügende Geschichte der
arabischen Philosophie müsse erst noch in Zukunft einmal geschrieben
werden I), so leuchtet dieser Ausspruch darum sofort ein, weil Alles
erst noch von der Ausbeutung liandschriflliclier, bisher unvollständig
oder gar nicht benutzter, Quellen abhängt; 'eine derartige Aufgabe aber,
welche wohl mehr als Ein gelehrtes Menschenleben in Anspruch nimmt.
kann Niemand nebenbei neben einem anderweitigen Werke erledigen.
Somit also verzichte ich, ohne darum die einschlägigen Leistungen der
Fachmänner?) ignorirt zu haben, vollständig darauf, die arabische Logik
als arabische besprechen oder darstellen zu Wollen, und indem ich mir
nur die arabisch-lateinische Logik zum Gegellstande mache, verfahre
ich eigentlich nach dem nltetata refere“, d. li. während ich wohl ge
ahnt zu haben glaube, dass die Berichte und die Auffassungen der La
teiner häufig auf unkritischein Boden beruhen, habe ich nur zu her
richten, welcherlei Doctrin als arabische aufgegrill'en undzentweder
beifällig aufgenommen oder aber auch bekämpft worden sei. .la auch
jene Uebersetzungen arabischer Werke, welche im 13. Jahrhunderte
angefertigt wurden, zeigen, soweit sie in vollständigen Drucken oder
vereinzelten Aul'ührungen vorliegen, einen Text, vor welchem wir häulig
schlechthin rathlos dastehen und auf Erreichung eines Verständnisses
verzichten müssen; aber auch in dieser Beziehung müssen wir be
denken, dass die Lateiner jener Zeit eben auf jenen nemlichen Ueber
setzuugen fussten, und wir kommen hiemit auch hierin auf den Stand
punkt zurück, dass wir das Arabische nur in ‚iener Form und jener
Beleuchtung darstellen, in welcher die Lateiner es besassen.
Dürfte nun diese Beschränkung auf die secundäre lateinische Lille
ratur wohl von dem Leser gebilligt werden, so weiss ich hingegen
nicht, ob das Gleiche auch bezüglich einer abermaligen Abgräuzung
des hier zu behandelnden Stoffes der Fall sein werde. Nemlirh es
wird allerdmgs unbestritten zugegeben werden müssen, dass all jene
Eintli'isse der arabischen Denkweise, welche einer Emanaliooslehre oder
einem pantheistischen (irundzuge naher liegen und durch jüdische Litte
ratur sich theilweise bis zu Spinoza hinab erstrecken, ausserhalb der
Aufgabe einer Geschichte der Logik slebcu. Hingegen mag als zweifel
l) Manch, Dictiomiuirc des scientes philos. l, p. 180.
2) S‚ in dem so eben genannten Diclionnairc (Paris. 1844v1852, 6 Bande)
die von Mime/‚- verfassten Artikel: Arabcs, Kendi‚ Parabis Gazeli, lbn-Badja, lbn
Raschd, Ihn-Sinn, iui/in Maimonide. Ferner: Flügel, Uissert. dc umbiris scriptorum
graerorum interpretibus. Meisscn isat 4. Wenrich, De auctomm graecorum ner
siom'hus syriim's. amliicisv armeniacis persicisque. Lips. 1842. 8. Srhmöldrrs. Do
cumenta philosophiov Arullum. Bonn. me S. und desselben Essai' sur les vrotcs
philosopliiques cht-z lcs Araber. Paris 1842. 8. tUcbrigeus scheint das Ansehen,
welches Schmölders tlieilwi-ise genoss, durch Mnnck a. a. 0. l, p. ns f. u. ll.
p. 506 ff. mit guten Gründen wankcnd gemacht worden zu sein; vgl. auch unten
Anm. 68.) Anderes wird am geeigneten Orte noch besonders anzuführen sein.
XVl. Die lateinisch-arabische Logik. me
haft erscheinen, wie es hier mit der Erkenntnisslehre zu halten sei.
Und in dieser Beziehung muss ich selbst auf die Gefahr hin, hierüber
Tadel zu erfahren, meinen Standpunkt dahin aussprechen, dass ich nach
reiflichster Erwägung aller Gründe und Gegengründe zur Ueberzeugung
gelangte, die Erkenntnisstheorie hier ausschliessen zu müssen. Die
Araber hatten durch Porphyrius sämmtlich einen neuplatonischcn Kern
eingesaugt, zugleich aber waren sie‘ durch Alexander Aphrodisiensis 3)
veranlasst, sich mit den Schwierigkeiten zu beschäftigen, welche die
Psychologie des Aristoteles darbot. Und so entstanden jene zahlreichen
Erörterungen der Araber über den intellectus (11017;), an welchen wir
durchaus nicht rühmen können, dass sie eine glückliche Versöhnung
des Platonismus und Aristotelismus beigebracht hätten; denn der pla
tonisch ontologische Objectivismus wird mit dem aristotelischen subjec
' tiven Verwirklichungs-Processe des Denkens nur ausserlich amalgamirt.
Das Ganze läuft auf eine Stufenfolge hinaus, in welcher die aristoteli
sche Unterscheidung des voüg naßn’rmo'g und voüg nom-unde mit pla
tonischer ldeenlehre verquickt wird, und innerhalb der mancherlei
Wandlungen, welche diese Lehre besonders bei Alfarabi, Avempace und
Averroes 4) erfuhr, liegt der Grundton der Erkenntnisslehre im Folgen
den: Während im Gebiete des Objectiven die ewigen Wesenheiten der
Himmelskörper das Princip der Formen des Seienden enthalten, wirkt
im Menschen der intellectus aetivus auf den intellectus passivus oder
intellectus materialis, und im letzteren liegen als ein Potenzielles die
intelligibilia materialia (auch famae intelligibiles genannt), welche eben
durch den intellectus activus zur Entelechie geführt werden; hiezu aber
wirken als Mittelglied die Einbildungskraft und das Gedächtniss, d. h.
die sogenannten formae spirituales indlvldualem um in höchster und
letzter Stufe zu den intelligibilia speculatica zu führen, in welchen
der intellectus acquisitus jene res ipsissima besitzt, welche ihre reine
Entelechic in sich selhst hat. Und nun versteht es sich von selbst,
dass nicht etwa der Werlh oder Unwerth solcher Erörterungen für uns
der Bestiminnngsgrund sei, dieselben hier aufzunehmen oder nicht auf
zunehmen; sondern das Entscheidendc liegt darin, dass all diese Dinge
bei den Arabern in der That neben der eigentlichen Logik nebenher
laufen und auch bezüglich der Frage über die Universalien, Welche \th'
hier zugleich als ante rem und in re und post rcm treil'en werden,
sich recht gut mit einem gewissen aristotelischen lntellectnalismus ver
tragen, mochte jene Stufenfolge von den Einen so oder von Anderen
anders modificirt werden. Hiezu aber kömmt auch noch, dass, Wenn
ich überhaupt jene erkenntuiss-theoretischen Fragen hier heiziehen wiirde.
ich nothwendiger Weise die gesammte folgerichtige Entwicklung der
3) S. Abschn. XI. Anm. 21, woselbst ich gleichfalls nicht die Aufgabe hatte.
die gesammte Psychologie Alexanders zu entwickeln. t
4) Der Leser selbst wird es für in‘elevant halten, welche Schreibweise der
arahiscben Namen hier und im Folgenden gewahlt sei; die Geschichte der mittel
alterlichen Logik darf sich vielleicht der im Mittelalter recipirten barbarisch-latei
nischen Wortformen bedienen, ohne hierdurch das bessere Wissen über die rich
tige Schreibung verleugnen zu wollen.
300 XVl. Die lateinisch-arabische Logik.
selben darstellen müsste; die tiefste und richtigste Consequenz aber
liegt in dem aus der Schule des Averroes hervorgehenden Monopsy
chismus, welcher, wie jeder Kenner zugeben wird, sowohl au sich
als auch in seiner mauigfaltigen Bekämpfung wahrlich mil der Ge
schichte der Logik Nichts mehr zu schatl'en hat. Somit lasse ich hier
diesen ganzen Zweig arabischer Speculation bei Seite und werde in
gleicher Weise auch bei den Lateinern verfahren, d. h. auch dort den
lnlialt der zahlreichen Schriften De intellectu oder De intellectu et in
telligibili (welche grösstentheils der Polemik gegen Averroes gewidqtel
sind) nicht erörtern. An der Beschränkung auf meine Specielle Aufgabe;
d. h. auf die eigentliche Logik, welche ja ohnediessrbei den Lateinem
parallel neben andere Zweige der Philosophie tritt, gedenke ich. fest.
zuhalten. Wenn ich in dieser meiner Resignation nach dem Urtheile„
des Lesers einen lrrthnm begebe, so habe ich wenigstens nicht unab-‘k
sichtlich gefehlt. il
Die Araber, welche nur durch die Vermittlung der ‚Syrer dazu
gelangt waren, sich mit den Erzeugnissen der griechischen Litteratur zu
beschäftigen 5)‚ zeigen an innerer Unselbstständigkeit des philosophischen
lmpulses eine grosse Aehnlichkeit mit dem abendländischen Mittelalter;
auch sie verhielten sich weit mehr receptiv‚ als productiv, und im
Ganzen kann bei ihnen weniger von einer Weiterführung oder Forta
bildung der antiken Philosophie, als von einer commentirenden Thaug
keit die Rede sein. Aber sie unterschieden sich von der analogen
Richtung des früheren lateinischen Mittelalters nicht bloss durch eine
grössere Raschheit der Assimilation, sondern vor Allem durch den Um
fang des von ihnen benützten Materiales. Nachdem nemlich bei den
Syrern in frappantester Aehnlichkeit mit der älteren Epoche des christ
lichen Abendlandes gleichfalls der Umkreis der Logik sich auf die Isa
goge des P0rphyrius, die Kategorien und das Buch De interpretatione
beschränkt hatte, und unter den weniger beachteten übrigen Theilen
des Organons besonders die zweite Analytik fast gänzlich unbekannt
geblieben war 6)‚ überflügelten die Araber in Folge der einmal em—
pfangenen Anregung alsbald die syrische Litteratur und übersetzten nicht
bloss die sämmtlichen Schriften des Aristoteles, sondern auch die Gom
mcntare des Porphyriusx des Alexander Aphrodisuensisy des Themistius,
und des Philoponus. Und während nun die Araber erklärlicher Weise
auf die nemlichen Controversen hingeführt waren, welche sich vom
Anfange an den Lateinern- ans dem Porphyrius aufgedrüngt hatten 7),
fanden hier die aufgeworfenen Fragen und Bedenken auf Grund einer
reicheren Litteratur-h’enntniss eine Erörterung, welche an lntension und
Extension die Leistungen des Abendlandes weit übertraf. Eben hierin
5) Usber diesen für die allgemeine Geschichte der geistigen Kultur höchst
wichtigen Punkt, dessen nahcre Erörterung jedoch uns hier nicht berührt, s. E.
Benan, De philosophia pcripalctica apud Syros. Paris. 1852. 8‚
6) S. Renan, ebeud p. ao f.
7) Ausser demjenigen, was aus dem Umkreise der lateinisch-arabischen Logik
im Folgenden anzufnhren ist, s.‚bierüber auch Schmülders, lismi s. l. dcntes
philos. p. 146 ll‘. »
' ' XVl. Alkendi. Alfarabi. 301
aber liegt der ttrund davon, dass das Bekanntwerden arabischer Schriften
im Occidente für die Exegcse des Organons epochemaehend wirkte.
Versuchen wir nun, die Thütigkeit der Araber, soweit dieselbe
für die Logik einen Einlluss auf die lateinische Litteratur ausübte, näher
darzustellen, so zeigt sich nach wiederholter Erwägung doch noch jenes
Verfahren als das bessere, dass wir für die Eintheilung dieses Stoll‘es
nicht die inhaltlichen Hauptgruppen der Logik zu Grunde legen, sondern
lieber dem chronologischen Faden der einzelnen Autoren folgen (denn
die jedenfalls unvermeidlichen Rückweise und Wiederholungen beschrän
ken sich hierdurch immerhin auf eine kleinere Zahl).
Der älteste unter den arabischen Philosophen, nemlich Alkendi
(Alm-Jussuf-Jacub-Ben-lsaac-al-Kendi, in der Mitte des 9. Jahrh.‘hlü||end),
berührt uns hier am wenigsten; denn die Nachwirkung, welche seine
Ansichten in den Schriften des Alexander Alesius, des Heinrich von
Gent und des Johann Fidanza (d. h. Bonaventura) zeigen, liegt auf
dem Gebiete der speculativen Theologie 8), und sowie schon bei den
Arabern Alkendi’s Commentare zum, Organen durch die umfassenderen
Leistungen Alfarabi‘s in Vergessenheit gerathen zu sein scheinen 9), so
finden wir auch nur ein einziges Mal bei Albertus Magnus bezüglich
‚eines logischen Punktes eine Erwähnung Alkendi's 10).
Hingegen A l l‘ara b i (Abu - Nazar- Mohammed - Ben - Mohammed- Ben
Tarkhan-al-Farabi, gest. i. J. 950) war im Allgemeinen der Begründer
jener Auffassungsweise und jener Controversen, welche bezüglich der
aristotelischen Logik durch Avicenna, Algazeli und Averroes weitere
Erörterungen oder lllodificationen landen. Er bleibt, Wie sich von
selbst versteht, im Ganzen dem aristotelischen Standpunkte getreu, wenn
er auch in manchen Einzelheiten auf Grundlage der griechischen Com
mentatoren zuweilen Bedenken oder selbst abweichende Meinungen
ltussert, welch letzteres ihm hinwiederum von späteren Arabern sehr
verübelt wurde H). Unter seinen Commentaren zum Organen (—- denn
i vom Inhalte der Schrift De intellectu sehe ich, wie gesagt, hier völlig
ab -—) hat entschieden jener zur zweiten Analytik (s. unten Anm. 50)
die ausgedehnteste Wirkung auf die Lateiner des 13. Jahrhundeitcs
ausgeübt; doch sind wir auch über seine Gesamnitauffassung der__l.ogik
sowie über seine Ansicht betreffs der hauptsächlichsten Controversen
8) Auch was Haure’au, Phil. scolasl. l, p. 363 ll'. aus dem handschriftlich vor—
handenen fracta/us rle erroribus philosophorum (13. Jahrh.) mittbeilt, liegt ausser
halb unserer hiesigen Aufgabe.
9) S. Munde, Dictionn. lll, p. 443.
un S. unten Anm. 30.
11) Ps.-Averr. (warum ich diesen Autor als Pseudo-Averroes bezeichne, s.
unten Anm. 289.) ‚Ouacs. in Prior. Resolut., f. 366. r. A. (ich citire All dieses
nach Arisl. Opp. laline‚ vom 1552): Nun es! iss. Aristoteles) debilioris considera
linnis inter homines ccl minoris scienliae, quam ille, qui dubitat contra ipsum et
in suo lraclatu respondet per id, quod ci cidetür, el praecipuc quundo non est visum
im, qui cum praecesseril, prout invenimus fecisse Acicennam in omnibus suis tibris,
et deterius, quod hic noi‘us fecisset1 csl det-iare n sua disciplina et progredi alio
itinere praeter suam vium, ul wnlingit Alphamln'o in sua libro Loyicae et Avicennae
in eviemiis nalwalibus et divinis. Vgl. Anm. ea '
302 XVI. Alfnrabi. '
ziemlich hinreichend durch die häufigen Anführungen bei anderen Autoren
unterrichtet l2). “mäßig?
Alfarabi gibt der Logik eine Beziehung zur Ethik (vgl. Abschn. XI,
Anm. mm indem die menschliche Vernunft, g sie entweder bloss
innerlich in der Seele haften oder auch auss‘kglich im Wortausdrurke
zu Tag treten, jedenfalls ihre höhere und umfassende Function in der.
Unterscheidung des Guten und Bösen habe, und hiemit die Wahrheit,
welche entweder in letzten unbeweisbaren Grundsätzen vorliegt oder
durch logische Erforschung erreicht wird, diesem Ziele dienstbar sei;
hierin auch erblickt er, insoweit die Logik auf den üusseren sprech
Iiclien Ausdruck eingehen müsse, einen Unterschied derselben \on der
Grammatik, welch letztere übrigens ausserdem auch nur auf die Sprache
Eines Volkes sich erstrecken könne, während die Logik den Sprach
ausdruck der Vernunft aller Völker betreffe 13). Und während so Alfa
rabi den Streit, ob die Logik ein 'l'heil oder ein Werkzeug der Philo
sophie sei (s. Abschn. IX, Anm. 5 ll'.)‚ als unnütz bezeichnet“), er
12)lch muss es allerdings sehr bedauern. dass ich des iussu-st seltenen
Buches „Alp/mrabii, vctastisximi Arislotelis interpretis. opera omniav quae latina
lingua tonscripta reperiri potncrzml. l’aris. 1638. S.“ (dasselbe befand sich nicht
einmal in Quatremi're's Bibliothek) trotz mancher Bemühungen nicht habhaft werden
konnte.
13) Vincent. Bellen. Spec. doch. lll. Z f. 39. r. B. (0d. Venet. 1591. f. Vol.
I): Alpharahius in libro de divisione scientmrum: Logtca intendit dare regulas, qu'
bus orationis veritatem deprehendimus vel intus rel apud alias vel alii apud aus;
non tamen ad veri/icandurn omnem orationem logicae regulis indiyemus; corum enimv
quibus ratiocinando utimurv quaedam sunt, quae probatione non egenl, in quibus
scilicet nullus error cs‘se potesl, ut „omne totum est maius sua perle“ (vgl. unten
Anm. 60.); alia vero, quae probatione indigentl quia potest in eis homo dea'pi.
Et ea quidem, de quibus fit probeha, duo ‚sunl, militet sermo in vore, ratio in
mentc; intcrpretatio vero fit ulraque. Unde i'd. quod verificat sententiam apud xe.
est logos fixe in mente, id null-mi quod rerificat eam apud aliuml est logos ezterior
cum voce; logos antem, qua verificatur scnlcnlia, vocabant antiqui syllogismum.
sive fixa sit in anima sive cæterio-r cum voca. intcrpretatio itaque logicac sumptu
est a summa intentionis naminis, quae triplex 2st,- Iogos enim. i. e. ratio, alia est
exterior cum voce, alia ita in animis. tertia vero est virtus creata in
homines quae disci-ruit intcr bonum et malum et scientias ac partes earum apprehen
dit . . . . .. Ouom'am igitur haec scientia dat regulas de logo exlcriore et interim-m
quibus cerIi/icalur, utrumque vero tertia logos regit et comprehendit id quod rectius
esti idcirco logica a logos secundum tros huius nominis intentionl-s derivatur. Omnich
autem plurcs scientiae den! regulas de logo ezleriorc, sicut grammatical haec lnmen.
quae dirigit ad illud, quod onmino necessarium esl, dignior est hoc nomina I‘ruc—
terea grammatica non dat regulas nisi de dictionibus logica vero non dat regulas nisi secundum quod coni-ilnt-rintuniinusdicgteinotniess toomntnuimu,m ym
tium. Uehrigens ist dieses die einzige Stelle. in welcher Vinccntius v. Beam'ais
auf dem Gebiete der Logik ein Execrpt aus Alfarebi mittheilt, während er in an
deren Theilen seiner Encyplopädie jenen Autor vielfältig benützt.
14) Atbertus Magma, ite pruedicab. l, 2. p. 3 A. comu ed. Lugduu. 1651,
fol. Vol. 1.): 11mm autem contcntionem (d. h.‚ oh die Logik Theil der Philosophie
sei oder nicht) Ariu'nnn et Al/urabins dicunt esse frivolam ct in/inctuosum Frivo—
lum quidem1 quia in contradicendo sibi intrntionem ad idem eodem modo dictum non
re/‘erunl; dicentes enim, logicum philosophiae partem non esse, realem et contem
plativam philosophiam vocanti cuntradiventes autem his et dicentcsy logicum partem
philosophiae esse, omnem romprehcnsioncm vvrilatis qualitercunquc erislcnlis, sive in
sc sive in nobis cognoscentibus vel operantibus, vocant philosopliiain. EI sic frivole
XVl. Alfarabi. sos
blickt er -— und hierin folgen ihm alle Araber -— die wesentliche
Aufgabe der Logik darin, dass man durch Anwendung derselben „von
Bekanntem aus zur Erkenntniss des Unbekannten“ gelange, und dass
eben liiezu die Bevveisführnng (argumentatio) das Werkzeug sei“).
lmlem aber das gesuchte Unbekannte entweder ein Einfaches timam
pleæurm d. h. ein Begrill') oder ein Zusammengesetztes (complexum,
d. h. ein Urtheil) sein könne, zerfalle die Logik eigentlich in zwei
'l‘heile, nemlich in die Lehre der Begritl‘sbestinunung und die Lehre
der Bewahrheitung, wovon jedoch der erstere 'l‘heil bei den Grierhen
felrle H1'). l). h. Alfarabi nahm in Folge jenes bei den Commentatoren
eingebürgerlt‘n Motives, dass vom Einfachen zum Zusanimengeselzten
aufzusteigen sei (Abschn. Xl, Anm. 1,22), Alles dasjenige, was im Or
ganon betreffs der incomplexa enthalten ist, nur als unerlässliche vor
hereitung zur Lehre von der Argumentation, welche sich auf die rom
plexa bezieht, und innerhalb der traditionellen antiken Logik hat ihm
das Urtheil nur mis Bestandthell des Syllogismus und der Begrilf nur
als Bestandlheil des Urtheiles eine Bedeutung; nemlich die Erwägung,
dass die Begriffe in dem Verhältnisse einer Unterordnung zum Urtheile
zusammengefügt werden, führt ihn zunächst zu den Universalien (d. h.
zur lsagoge) und zu den Kategorien und zur Lehre von der Einthei
lung, um hierauf die Modalitäten der bejahenden und der verneinenden
Aussage zu untersuchen; und da nur in solcher Form (d. h. im lndi
cativ) der Satz die Möglichkeit des Wabrseins oder Falschseins enthält,
so wird er nun Gegenstand der Syllogistik, welche eben darum auf
die zweifache Urlheilsform, nemlich auf die kategorische und die hypo
thetische, hingewiesen ist und in entsprechender Weise auch zweierlei
Syllogismen zu entwickeln hat; indem aber zur Beweisführung zunächst
dle Auffindung der erforderlichen Gesichtspunkte gehöre, ergebe sirh
die Nothwendigkeit der Topik (vgl. Abschn. Xl, Anm. 128), und inso
ferne hierauf zur Beurtheilung das Gefundene nat-h Form und lnhalt in
seine feste Grundlage aufgelöst werden müsse, reihe sich die erste
Analytik und sodann die zweite Analytik an; endlich aber, um bei All
diesem vor Täuschung gesichert zu sein, folge die Kenntniss der Sophi
coruendunt mm ad idem suam referenles intentionem. ln/‘ructuosu etiam huius con
tentioy quia de proposita nihil declarat intentione.
15) Albert. M. ebend. l, 4, p. 5 8.: Argumentalio igitur logici instrumentum
esl, logica autem generalis vt docens de hoc est ut de subiectol per quod ulcus lu
yitas in scientiam venit ignoti per nulum; argumentativ igitur logicac docentis pro
prium xubiectum cst. Et haec est trium philosophorum seulentirzj Avicemme scilirel,
Af/arabii et Algazelis. ‘
16) Albert. M. ebend. l, 5, p. 6 A.: llioisio autem logicac et quae sunt pom-1
ipsiusy ut dicunt Avicrrma et Alfarallius, accipienda sunt Logica intendit docere primipia, per quae per id, quod neost: uimnte2nstti,onedeviepnsiiruis potest
in t-ognitiotwm iyrioti; es! autem aut incomplezum. de quo quaeritur. quid stf, aut
romph'zum, de quo quuen'tur, an verum vel falsum stl lslav ergo sunt duae
partes logicue; una quidem, ut doceantur principia, per quae sciatur dif/initio rei
et quiddilasg altcra vero. ut doceantur principt'a, qualiter per urgumentalionem
probatur orationis veritas vel falsitas (vgl. Anm. 60.) Sed prima harum par
tium vel ab antiquis non tradita est, vel ad nos non perveliit; hanc etiam partem
dicunt Avicenna et Al/arabius ad Arabes non peraemsse.
‚Af___
304 - XVI. All'arahi;
stik ny Doch knüpft sich hieran aurh novh die Berücksichtigung eines
dem Beweisverfahren nachfolgenden Momentes; nemlich in ähnlicher
Weise, wie wir solches bei den griechischen Commentatoren tral'en
(Absehn. XI, Anm. 1221), wird auch hier darauf hingewiesen, dass
die ganze Theorie der Argumentation sich je nach dem Stoll‘e modi
ficire, indem sie in anderer Weise bei den erdiehteten Begrifl‘en der
Poesie und wieder in anderer Weise in der Rhetorik auftrete, was
seinerseits mit dem Gegensatze zwischen Wahrscheinlichkeit und Noth
wendigkeit zusammenhänge 18). Ja, was diese Bezugnahme auf Rhetorik
und Poetik betrill‘t, so müssen wir bedenken, dass nur aus eben jenen
Auffassungen der Commentatoren der Umstand sich ergab, dass die
Araher (hesonders Averroes) ihre Erklärung der aristotelischen Rhetorik
und Poetik enge an das Organen anknüpflen (vgl. Anm. 51). Eine nns
17) Ebend. c. 7, p. 9. B tit Sicut autem togicus docens quaerere scientiam
incamplczi docet instrumentuml quo accipiatur nolitia illius secundum dif/initionem
et ea, quae ad diffiniliom'm faciun!‚ et quae dif/initioncm circumslanl, et quae dini
nitioncm prr/iciuntl et quae di/finitionem mutantj - sic docens accipere scientiam
complecti docet syllogismurnl qui est illius proprium instrunientumy ct docet alias
species argumentationum et principia syllogismi et ea, quae circumstanl ipsum. et
partes e! materiam in qua poni potest forma syllogisrnil et aliarum argumcntationum
fomms, et quae syllogismum immulanl. E! idea ea, de quibus liabct tractare logicus,
secundum ista diuiduntur et multiplicantun Eius compiczi, cuius potest acripi scien
!ia, non est di/farcntial quia sola indicatioa oratio m, cuius est esse verum vcl
falltun; et ideo tantum illius scientia potest accipi Sed haec est duplex, cate
gorica scilicet et hypothetical sivc, ut Arabcs dimm, emmtiatio et coniunch'a, propter
quod duas species docet constituerc syllogismorum, quamvis hypotheticus ad
catcgoricum habeat reduci. fonstructio autem syllogismi dupliciter fit, ad in
veniendum scilicet et iudicandam lnucntio autem esse non potest nisi per habitu
dinem noti ad ignolunt. quae habitudo topica est et in Topicorum scientia docetur.
iudicandi autem scientia per resolutioncm inventi im, quod resoti-itur aut in fonna
lia syllogismi principia aut materialia. quae sunt principia certi/icantia rem per hoc,
quod sunt causae eins, quod sequitur.... E! duae samt. partes, Priorum scilicet
Analyticorum ct Posteriorum Analyticorum Nc autem fia! deceplio circa t'a, quae
dictu saut, inventa est scientia de sophislicis elenchisg adhuc autem nc fiat impe
dimentum ex parte eins, qui quaerit accipcrcl inventae sunt cautetae tcnlatoris .
Ouia vero syllogismus non scitur. nisi sciuturl ex quibus et quot ct qualibus est et
qualiter coniunctusv ideo habet agere logic-us de cnuntiatione et partibus e! qualita
tibus ct compositione enuntiationisp- non autem potest sic ex uno in aliud discurrere
ratio, ‚ ‚...nisi accipiamr, unum-esse ordinatum ad aliud per se vel per Maidens;
ordo autcm est prioris et posterioris secundum naturam vel cssev et sic accipitur
universale e! particulare per se vel per accidensl et sic inuenit modum pracdicandi
unum de altero vel 1wgandi. E! quoad ordinem inventa es! scientia uuiuersalitnn
r! scientia pruedicameutorum, c! quoad modum edicendi unum de alio inventa est
scientia divisionurng rationis enim opus est ordinarlr, l'omponere, colligere e! resol
rcrc ea, quae collecta sunl, qua opere utitur quasi instrumenta in accipienda scien
!iam, quando procedit a noto ad iynotum ilac igitur sunt partes togicae. quae
generaliter habent docere modum accipiendi scientiam dc quolibet scibili incomplezo
vel complezog et hoc iam ante nos determiuavit Al/arabius.
1b) Ebend. p. 10 B. (l'orlgelahren): llic tamen modus secundum materiam. in
qua ponitury varialur secundum diversitatem materiam in qua quaeritur srientiag
nam in sermocinalibus aliter est in granimaticos aliter etiam est in poetira,
quae ex fictis e! imaginationibns movere intcndit et aliter est in rhetoriris,
quae dicendi doceat copiam ad pcrsuadundum iudicem . Elcm‘m in rentibus scien
tiis.aliter est in probabilibus at aliter in neccssariis et demonstrativis et alitcr in
coutectantibus.
XVl. Alfarabi. 305
1.»
anderweitig aus arabischer Quelle mitgetheilte kärgliche lnhalts-Ueber
sicht der Logik nach der Auffassung des Alfarabi sieht von den auf
das Wahrscheinliche bezüglichen Theilen (Topik, Sophistili, Rhetorik),
sowie auch von der lsagoge völlig ab, stimmt hingegen im Uebrigen
mit dem so eben Angeführlen überein 19).
Folgen wir nun dieser Gliederung des 0rganons, so müssen wir
zunächst es als unzweifelhaft bezeichnen, dass Alfarabi sich auch mit
dem lnhalte der lsagoge beschäftigte, denn bei der bestehenden illei
nungsverschiedenheit, ob dieselbe ein „Theil“ der Logik sei, entschied
er sich für Bejahung dieser Frage 20). lnsoferne mit den quinque vom
der Begriff der now significau'va formari szmmmj, s. Abschu. Xl,
Anm. 64) in Frage kam, unterschied Alfarabi auf Grundlage der grie
chischen Commentatoren eine fünffache Function der Bezeichnung der
Worten). Was aber die bekannte Kernfrage über die Universalien
betrifft, so finden wir bereits hier jene Verbindung des PlatonismUs
mit dem Aristotelismus, welche bei den Lateinern durch arabischen
Einfluss eine bedeutsame Quelle neuer Controversen wurde; nemlich
schon Alfarabi erkennt an, dass das Singuläre nicht bloss in der sinn
lichen Wahrnehmung sich finde, sondern auch im Denken (inlelleclus)
erfasst werde, und ebenso ist ihm das Universelle einerseits für die
sinnliche Sphäre ein den Einzeldingen Beigemischtes und andrerseits
ein Erzeugniss der Uenltkrafl, welche es aus der Erfassung des gleich
artigen Vielen als den einheitlichen Grund heraushebt”). Und wenn
19) Bei Schmölders, vocum phil. arab. p. 24 f.: Hatioct'nalio ca: duabus rebus
coustat, quarum altera est de praenzimilrl quibus ratiocinatio i'fficitur, allem vero de
figura, ad quam raliocinatio componilar; harum rerum doctrinam proecipit liber
Jivulvnxüw. f’raemissae raus/um ex laminis et figuris (das Wort figuris scheint
Scbmnlders in ungenauer Weise zur Uebersetzung gewühlt zn haben, denn wu'
erwarten eher ['ormis). quae ultimac sunt orationis porles. Berum, quas oratio ea
pom‘l, aimplicium decem sunt geilem, quae ex Aristotelis libro llo pruediramenlis
petenda saut; pracmissarum figurac ezponuntur in libro llegl in qwt'ag: prac
missae disemdoe sunt ea eius libro De demonstratione (d, h. aus er zweiten Ana
lytik). Hi libriv priusquam fngiroe opera navalurp legantur oporlel.
20) Averr. d l’orph. f. 10. v. A: Non oideo, hoc introductorinm esse neces
sarium pro initio sumenda in hac arteg nam non est pars huius um's; Aba
nazar vero videtur velle, quod n't pars eins.
21) Albert. M. lie praedicalL l, 5, p. 6 B: Legion considerat de oooe
signi/inutile ad plaoitam, et quid et qualiter significel, quod antiquiores Pen'putetici.
ut dicunl'Al/arabius rt Algasel in quinque mollis dislinzeruul. Primo quide et
principaliter dictio significat i'd, ad quod prima institutione signiflcare es! institutu.
ut homo hominem Secundo modo ...., quod ex consequenli supponitur in ipsa,
sicut domus signifirat fundamentum et parielem ratio mado, quando res comi
talur signifirationcm ipsias‚ sicut si partes est, fundamentum uuartn modo unum cst in intellectu allerius, siout homo signeisfisceal saignniimfaiclat ..
Quinte sicut oppositio significat oppositionem, sicut tlixgrcgatio albi significat
ugyreyationem nigri
22) Ebend. Anal. post. l, 1, 3, p. sis B: vicit enim Alfarobiusr singulare
quoddam in xensu cst, quoddam in inlellrclu; singulare quidem in sensu est mute
n'ale occidente proprio et incommulabili determinalum; singulare autem in intellectu
dicit hanc fonnara ab hoc singulari abstractam, quae es! in animo ucoidens, quod
vocatur habitus vel dispositio . . . . .. Universale autem in sensu dicit Alfarabius eo,
quod in singulari est nuatum rt con/‘usum, quo hic homo es! homo, . . . . ‚.univenale
Piunhq Gesch. ll. go
sos XVI. 'Alfaru bi.
die Frage, ob das Universale in seinem Ansichsein das nemliche sei.
wie in seiner Vervielfältigung in der Erscheinung, dahin beantwortet
wurde, dass es weder völlig das nemliche noch auch völlig verschieden
sei‚ sondern der Unterschied nur in der Form der Bestimmtheit (deter
minatio) liege 23), so konnte nun ebenso im Sinne eines aristotelischen
lntellectualismus gesagt werden, dass das Universale zugleich in multis
und de multis sei 24); und hiernach ist es nicht auffallend, wenn uns
berichtet wird, dass bereits Alfarahi jene dreifache Unterscheidung in
.‚cmte rem“, „in re“, „post rem“ ausgesprochen habe, welche wir unten
(Anm. 177 tl‘.) aus Avicenna anführen werden‘zs). ln der Erörterung
über die einzelnen fünf Worte hat Alfarahi oll‘enbar den Grund zu jenen
zahlreichen Zweifeln und Controversen gelegt, welche wir bei anderen
Arabern (besonders bei Avicenna) antreffen, so z. B. was die Def
nition der Gattung 76), oder was einen Verwandtschaflspnnkt der
Gattung und des Unterschiedes betrifft”). oder in der Frage über
eine doppelte Bedeutung der Speciesy je nachdem man in derselben
dle Unterordnung unter die Gattung oder das Moment der Specialisirun'g
bervorhebe‘"), oder insbesondere in den Untersuchungen über das
Accidens nicht bloss bezüglich der Feststellung der worlhedeutunglmj1
autem in intellectu dicit id, quod in universalitate ex singulis apprehensis agit
intellectus est hoc, quod unam rationem videt in omnibus singulariter apprehenSia
quae sunt unius generis et speciei E! hanc opinionem videntur approbant Avicenuu
et Alyazel et quidam alii.
23) Ebend. De praedicub. ll, 5, p. eo B: Si autem quaeralur, utrum idem
esse sitl quod universale habet per se acceptum et quod habet determian et par
ticutatuml direndum, quod nec idem omnino nec diuer-sum onnu'no; sed idem vel
unum dupticiter; in substantia enim idem ext, duplex autem ut idem et unum in
determinatum et determinatum. E! haec est solatio trium philosophorumy Avtcennae
et Alfarabii et eiusdem ioannis grammatici apud Araber nominati ’
24) Ebend. ll, 5, p. 19 B: idem probatur per di/fim'timtem universalia tum er
Aristotelix verbis quum ex verbis Avicennae et Al/arabii. Es! cnim universale imum
de multis et in muttis; xi autem es! in multisl non habet esse separatem ab illng
et ideo dicunt, quod universale ext, quod est aptum esse in multis et in hoc diflcrt
a singularL
25) Ebend. IX, 3‚ p. os A: Attendendum autem est‚ quod omnia quinque tn
pliaiter eousidarari possunt (p. ga B) ut dicunt Aviccnna et At/arabius.
26) Averr. ad Porpli. f. 2. r. B: vero diffinitio generis est. quod eas duobus
universalibus ipsum sit illud, quod universa/ius ext, per quod itcbel iieri responsio
ad interrogationem factam de aliquo re, quid xit. ut di/‘finivit ipsum Al/arahius.
vel quod sit i'd, sub quo ordinatu est species, ut dif/inivit ipsemet paulo ante.
27) Diverl. Aralmm Ouaesita, f. 380. r. B: Speculemur sermonem At/arattii
dicentis, quod genus et tii/ferentia conveniant in e0‚ quod utrumque eorum noti/icat
essentiam et substantiam specieiy nisi quod genus noti/icet substantium specieil in
qua conveniunt alial differentia vero nutifimt substantiam specieil qua determinat-ar
alt aliis.
28) Albert. M. Ue pracdicab. |V‚ 2, p. 37 A: Alfurabx'ux‘ et Avicenna duas .
hic inducunt quuesliones. una quidemy quia cum duae sint assignationesl una spe
ciei subollemae, altera speciei xpecialisximae, ad quam illarum nomen speciei prius
translatum sit altera autem quaexli'u ext, cum duae sint speciei diffinitiones,
secundum quum illarum species ext universale unum de quinque universulihus.
29) Ebend. Vll, l, p. 74 A: Avicenna dicit. anhquox, qui de quinque tracta
remnt eniversalilms, esse diminutos, qui descriptiones accidentis posuerunt1 ante
quum distinguere-nh in qua significatione accidens uccipitur, secundum quod est
f l hae-sa
XVI. Alfarabi. . am
somlgrn aucb in kritischen Zweifeln über die Angaben des Porphy
rius o).
Was sodann die Kategorien betrifft, so scheinen bei Bespre
chung der Einleitungsworte über die Verhältnisse des Ilomonymen,
Synonymen u. dgl. die Araber überhaupt sich an Porphyrius (s. Abschn.
XI, Anm. cap angeschlossen zu haben und hiedurch dazu gelangt zn
sein, die „analogen“ Begriffe als eigene Species zu zählen 3I). In dem
wichtigsten Theile aber. nemlich in der Erörterung der Kategorie der
Substanz und ihres Verhältnisses zu den übrigen Kategorien, waren ja
die Araber durch ihre Kenntniss der gesammten Schriften des Aristoteles
und insbesondere der Metaphysik wesentlich unterstützt und konnten
daher Erklärungen beibringen, welche dem tieferen Sinne des Aristote
lismusdreu blieben. So hat schon Alfarahi völlig richtig gegen die
Auffassung polemisirt, dass das „ens“ über die Substanz hinaus als der
oberste Gattungshegrilf zu betrachten sei (Abschn. VI, Anm. 76 lI‘. u.
Abschn. XII, Anm. 89), weil bei „cm“ nicht von einer Auffassung einer
Gattung innerhalb einer Species, sondern von dem sctnellen Dasein
überhaupt. die Beile sei 32), und ebenso konnte in aristotelischer Weise
(s. Abschn. IV, Anm. 473 ff.) das eigentliche Wesen der Substanz in
jenes begriffliche Was (quid) verlegt werden, welches darin eine ge
wisse Aehnliehkeit mit dem Stoffe besitzt, dass es in individueller Deter
mination erst das Ziel und die Verwirklichung seiner Bildsamkeit er
reicht 33)‚ womit sich dann desgleichen eine richtige Auffassung des
unum quinque universalium (p. u B.) llestat ergo quaestiu, quid sit accidensy
secundum quod est unum quinque universali-uini secundum Avicummm ct Alfarabiunk
(p. 75 A.) Tale ergo universale pruedicabile dc multis per hoc, quod nulla
totius est sub esse accidentali huius accidentisl ut dicit Al/nrabtus, est universale
quintuml quod vocatur accidens . . . . .. bicit Avieevinu, quod accidentale his accidens
oocutur, quando accidens quintum universale dicitur esse.
30) Ebend. VII, 2, p. 76 B: Assignaliones accidentis datae a Parphyria et ab
aliis Peripatclicis multipliciter dicuntur esse vitiosae et reprehensibilcs et dicta de
accidmte, praut universale est, ab Aviccuna et Algazete et Alfarabio ct Jacob fitio
Alchindi‚ minus veritatis habere et esse multipliciter imper/‘ecta, in quibusdam non
nam et in quibusdam imperfecta et in quibusdam ad rem non pertinentia
31) Ebend. l, 5, p. 7 B: you significattvae accidunt qntnqne, scilicet
quod sit univoca et quaedam diversivocu, quaedam autem nmllivuca, etiam quaedam
aequivora, quaedam vero analoga sive proporlimtu, quae apud Arabes vocatur con
mrentia.
32) Ebend. IV, 3, p. lll A: Si quis autem imtet et dient, quod substantia
habet superiusg cus enim est ante substantiam per intellectum, quia omnis substantia
est am. sed non onnu- ens est substantie, . . . . .. ad praesens su/‘ficiat, quod cum ens
praedicatur de substantia vel res vel unum vel ali-quidy non praedicatur praedicatione
yeneris, cum non sit una ratione praedicatum de his, de quibus pruedicatur, scd
per prius et posterius; sed talia pracdwantur praedicatione principii, non generis.
Et hoc probat Aoiccnna et Al/arabius et Alyazel et omnes Arabes sie: chuitur enim,
si lunno est, animal est, et si animal est, corpus vivunt 2st, et si vivam 2st, cor‘
pus est, ct xi corpus aal, substantia csl, propter intellectum genu-ix in spacio Seit
non seqm'tur, si substantia ext, ens ext, quta, sive sit aliquod siue non, semper
genus sequitur ad speciei positionem; cum autem dicitur ens absolute. non in
telligttur nisi om actu erislens, i-t idco non suquiturl si substantia est, ens ext,
quia esse ens accidit omni et, quod est.
33) Ebend. De praedictam II, I, p. toti A; Principia autem substantiae pra
20'
308 XVl. Alfarabi.
Entblösstseins (privaten, s. Abschn. lV, Anm. 401 ff.) verbinden konnte,
insoferne dasselbe zwar nicht an sich schon als artmachender Unter
schied bezeichnet werden kann, wohl aber in Folge des sprachlichen
negativen Ausdruckes diese Funclion erhält“). Folgerichtig ist es auch.
wenn bezüglich der Kategorie der Relation, welche am weitesten von
der Naturbestimmthelt entfernt liegt (Abschn. IV, Anm. 313 n. 533),
der blass subjective Standpunkt des vergleichenden Denkens hervorge
hoben wird 35). Hingegen entschied Alfarahi die bei den Commenta
loren vielbesprochene Frage, unter welche Kategorie die Bewegung
falle (Abschn. XI, AnmfilöO), auf Grundlage jener dortigen Contro
versen dahin. dass sie zu den Kategorien der Substanz, des Wo, der
Qualität und der Quantität gehöre 36). .
Auch in der Lehre vom Urtheile, d. h. dem Buche De interpr.‚
werden wir den Alfarabi wohl nur als einen (lommenlator betrachten
dürfen. So unterwarf er z. B. die Definitionen des Nomen“) und
des Verbum”) einer kritischen Exegese, oder besprach die Bedeutung
des l'rädicates als das Verhältniss einer liegrilflichen lnhärenz im Sub
pria sunt i'd, quod est quid et formabilty quod est non materia quiderav sed mate
riae proportionem habens in eo, quod sustinet se fonnans, et in eo. quod formabilc
est; et secundum principiuma quod cst dans esse habens proparlionem ad actum [or
mae, qui est determinare ad esse et fim're et distinguat-n sicut dicunt Avicenna et
Al/araln'us. Haec oultum quae dicta stmt, valde notanda sunt, quia solvunlur per
ea multae quaestiones.
m Ebend. De pracdicab. V, 7, p. 66 A2 Onamcis em'm, sicut dicit Ariccuua
et Alfaraln‘us, irrationale et alia similia privativa vel negativa accepta non dicont
vero nomini- dillerenliasl eo quod differentia nonnlsi positiva polest signi/icari Iamcn.
quia propria nomina differentiarum non habemus, unam notam differentiam ponimas,
et aliam pcr privatlonem eiusdvm signifiramas. quae cs! spe-civi snballernae, quw
ponitur sub genere.
aai Ebend. De praedicam. l\', 1, p. 141 A: Aricenna et Alfarabius dirant,
quod nulla forma, quae sit aus, est in re, quae non sit absoluta secundum esse,
quod habet in ipsa; sed comparatiu, quae fit rerum ad invicem secundum
formas quae sunt in rcbus. fit actu rationng comparationis ergo forma, quer
es! in his. quae sunt ad aliquidy non est res, sed ratio, ul nidelur.
36) htm Gerson, Pmedicarn. f. 24. v. A: Sunt quoque aliqui, qui putanl.
quod agere et pati dicantur de generibus motus tantum. videlicet de motu, qui es!
in substantia et in ubi et qualitate et quantitatev .. et videtur esse sententia Af—
farabii iudicio meo.
37) Divers. Aral). Oaaes. f. 381. r. B: Dif/inivit Arislotcles nomen in libro
l'eiiherrnenias, quod sit dictio significans impositione abstracto a tempora el
dixit Aliunazar Alfurobiuss omnes ezposilores convcnaruntg quod adiectio dicti nirn
positione“ sil super/lau, ex quo dictio non significat nixi imposilionei et ideo dixe
timt, quod per dictionem hic ille intellexerit vocem . . . . .. Abunazar vero dimit, quod
delult-ril ilfam, quia aliquando vocantur etiam multa, quae canit animal , dirtionnx
oh esse illorum expressionem proximam ezprcstioni dictiannm hominis.
aaj Albert. M.‚ Perilierm. l, 3, 2, p. ess A: Hacc autem diffinitio verbi ab
Al/aratn'o sic ezponilurl quod contigui/icare tempus dicit duos unum n: intentione
principali et alterum ez consequcnlig ex principali intentione consi'gm'ficare tempus
ilii-ity quod non est signi/icare tempus rel significare rem, qmzc necessario est in
tempor-el sed per modum, quo cum tempore, h. c. per modum agere t'el moveri ..
Ex coriannenti dicitur hoc, quod praesuppom't, xcilicel quod verbum est vor: signi
ficaliva ad placitum. quia, ul dicit Avicemm, oarlmrns quod hoc modo consignihtal
rum tcmporc, non habet 0.1: se, sed a placito imponenlis.
arat- b ‚’— ‚A i ds
XVI. "All'arabi. 309
jecte 39), wobei er sowohl auf jene nemliche Schwierigkeit stiess, nnt
welcher schon die älteren Lateiner Abschn. XlV‚ Anm. em sich
bezüglich eines aristotelischen Beispieles beschäftigt hatten 40)‚ als auch
aul’ jenen Ahweg hinwies, welcher sich üll'net, sobald das im Urthcile
versteckt Enthaltene sanimtlich ausgesprochen werden wolle“). An
dere Controverspunkte scheint er hauptsächlich bei Gelegenheit der Syl
logistik erörtert zu haben.
--'r‚lll50l‘0l'lle er aber sodann die Topik als die Lehre von der in
ventio noch vor den beiden Analytiken behandelte (s. Anm. 17). so mag
es‘genügen, zu bemerken, dass wir auch bezüglich dieses Zweiges der
Logik durch Cilate Anderer Notizen über eine connnentirende Thatigkeit
All'arabi’s besitzen 42).
Was sodann die erste Analytik betrill‘t, so müssen wir zu
nächst ein äusserliches llloment erwihnenv welches zwar allerdings den
All‘arahi weder allein noch auch als Araber berührt, sondern in der
lateinischen Uebertragung arabischer liitteratur überhaupl liegt; wir
linden neinlich in jenen Ueberselzungen bei Erörterung der Syllogismen
neben der üblichen Terminologie „proposili'o“ häufig auch das Wort
„pi'aemissa“ angewendet, welches sich in der ganzen vor-arabischen.
Litteratnr der lateinischen Logik nicht findet“). Der Inhalt hingegen
der ersten Analytik bot, sowie bei den griechischen Connnentatoren,
so auch hier nur in wenigeren Punkten eine Gelegenheit zu Meinungs
verschiedenheiten dar. Solcher Art nemlich war zunächst die Frage
über das victum de omni und victum de nullo (Abschn. lV, Anm. 538),
welches Allarabi in einheitlich gleichniässigcr Weise bei allen Urlheils
formen, d. h. sowohl bei den Urlheilen des Stattfindens als auch bei
jenen der Möglichkeit und der Nothwendigkeit, als den Kern der ge
salnlnlen Syllogistik betrachtet wissen wollte ut llieran aber schlossen
39) Ebend. lte pracdicah. Vlll, 8, p. 86 B! bicunt Aricenna ct Algozcl, quod
hanc semper aera cst „Socrates es! homo" et haec „homo est ani-math et omnis
illa preposilio, in qua praedicatum cst de ratione subiecti et clauditur in intellectu
eins. Ebend. De praedicum. Vll, 9, p. 184 A: EI hoc manifcstum ut per Aaicen
nam et Algazelem et Alfarabium dicentesl sicut verum cst, quod quando praedicatum
roncipitur in ratione subiectil talis propositio vero est sive re existente sive non
cristenth
40) Ps.-Acerr. Ouaes. in Perihem. l‘. 361. r. A: Exemplum ilh'us, quae rc
ri/icntur composita ct falsi/icutur dioisa. 0st, prout dicimus „Numerus est perle“,
quia res conneza non sit opposita rei. cui conncctiturv nec in potentia nec in
1mm, sicut est oppositio nominis hominis ipsi mortuol et secundum hunc intellrctum
sermonis philosophi hoc loco convenerunt omnes z-zpositoress prout retulit Aricenna,
et haec ipsa cst opinio Alrnnazarl sicut videtur dc suo sermone in libro Elen
(herum.
41) Albert. M.‚ Pm‘hemi. II, l, 5, p. 276 A: Ouorlsi de composita componentia
divisim praedicantur. deducetur ad nugationcm implicitam . . . . .. Si cnim sic
dicatur nSocrutes cst homo", per hoc quod dico „lmmo“, ponitur et bipcsg et bipex
otium addilnry ergo Socrates est homo bipcs bipcsg similiter Socmtcs ut homo
homoy et sic in inlinitunL Et scias-1 quod hunc modum sic ponit Al/orabiusj
42) Averr. Top. l. asa r. A und f. 298. v. B, sowie Ps.-Awrr. Epilomc l'. aiu
v. A u. l. asa v. A (warum hPaeudo-Averroesuv s. unten Anm. 290).
43) Das Wort „pi'ucmism“ s. z. B. Anm. 4B, illth 365 u. s. l.
44) Ps.—‚lverr.‚ Oiuies. in Prior. Resol. l'. 367. V. A: credidit Abunazar. prout
310 XVI. Alfarabi.
sich sodann auch Bedenken über das Verhältniss eum in welchem das
Urlheil des Stattfindens zu den beiden übrigen Arten stehe. ob die letz
teren in ersterem bereits versteckt enthalten seien u. dgL, wobei auch
die einschlägigen Stellen aus der Lehre vom Urtbeile (Abschn. IV,
Anm. 278 l'.) in Betracht kamen m Ein fernerer Gegenstand der Con
troversen, in welchen Alfarabi erwähnt wird, lag in der Umkehrung
der Möglichkeits-Urtheile und der Notliwe||digkeits-Urtheile 4"), sowie
m der Entwicklung jener Sehlussl'ormen, welche sich aus Comhinalionen
der drei Arten der Ui‘theile ergeben“). Wichtiger jedoch als diese
letzteren bloss exegetischen Bedenken ist die Auffassung All'arabi’s be
züglich jener Stelle, in welcher Aristoteles von den Voraussetzung
Schlüssen spricht (Abschn. lV, Anm. 580 HI), denn crklärlicher Weise
spielte hier die gesainmte Theorie des hypothetischen Syllogismus, wie
sich dieselbe seit 'l‘heophrastus und Eudemus entwickelt hatte, mit
herein. Und so beansprucht denn auch Alfarabi eine gleichmäßige
Geltung der aristotelischen lletinition des Syllogismus sowohl t'ür die
kategorische als auch l'ür die hypothetische Form desselben, indem in
beiden Formen die Stellung und Bedeutung des Untersatzes wechsel
' seitig eine völlig proportionale sei; jedoch hält er dabei die Bestimmung
als wesentliche lest, dass die hypothetische Form nur dann wirklich
als Syllogismus zu bezeichnen sei, wenn der Untersatz (und hiemit
auch die syllogistische Verknüpfung) nicht schon an sich selbst bekannt
sei, sondern erst als neues Verbindungsglied hinzukomme 48). Wenn
videtur et eius sermoue, quod conditio ipsius „dici dt omm'“ communis huic libro
si!‚ quod A dicatur affinnative vel negative de inesse vel necessario ein! possibili de
omm eo, quod sit B in actu aut possibititer aul necessaria Ebend. l‘. sua v. A.
-Averr. Privr. Resolut. l. 65. v. B: Et hoc 0st, in quo dircxit Alnmazur mentem
suum contra Aristotclem.‘ non es! conditio dicti dc omni in omnibus tribus pro
posüinm'bus, h. es absoluta rt nvcessaria et possibilij uua. veluti existimavit Abuna
mia Gleichfalls nber das dictum de omni ebend. l'. 72. v. B. u. l'. 106. r. A.
45) Ps. Avcrr. a. n‚ 0. f. 364. r. A: Ouue vero propositio sit propositio de
messe, etpositores quidem contcndun! in hoc. Uuidam enim ipsorum dictum quod
ille voluerit per „de inesse". quod praedicatum insit xubiccto absolute, et quod haec
conlinea! necessarium ct possibilc c! ens in actul et hoc tinxit Alfarabius, quod esset
opinio Themish'i et Ammouii . ille Alexandra vero finxit Al/arabius. quod inten
derit per enuntiationem de inesse illams quae inest in actu. quae est naturae con
Iingeiitis, qua est universalis tempore sensato, prout dicimus „omnis immo nunc es!
albus". hoc enim non es! impossibile Alexander vom, prout concepit de eo
Alfarabius, dicil, quod intt'nda! per absolutam ipsum (d. h durch das Urtheit‚ in
welchem die Modalität nicht ausgedrückt ist) absolutam secundum dictionem et non
secundum signum, sicut dicit ibi Alfarabius.‘ absentia modi esl indicium modi. Vgl.
ebend. l. 362. r. B u. f. 366. r. B. Was hierüber bei Averr. Prior. Resol. t. 68.
v. A u. l. 74. v. B sich lindet, gehört zu jenen verzweifelten Stellen, in wel
chen die Uebersetzung schlechthin sinnlos ist.
46) I’s.-Averr. Quaes. in l’riur. Resol. l. sua r. A (s. Absebn. IV.
ses tl‘.)‚
Anm.
47) Ebend. l. 365 i‘. B. u. l. 370. v. B.
48) Ps.-‚tverr. Ouacs. m Prior. Resol., l. 368. r. A: arca hoc autem ut
non parvum dubium, nom ium ymtalur, quod dif/initio syllogismi simpliciter ron
rludot ambos cyllagismos xlmul ‚ h. e. aalegoricum et condi'ti‘onalcm, quia sicut in
syllogismo categorico ponuntur duae pmcmissae e! r: eis inferlur alia ros ueceuario.
tic etiam in syllogismu conditionali ponunmr duae prae-missam quarum una est con
myp—Mmmi“
xvi Alfanh‘r. " " i au
aber sodann auch noch berichtet wird, dass All'arabi manigfache Be
denken über die aristotelische Begründung der lndin-‚tion (Abschn. lV,
Anm. 642 ll'.) genua-sen habe 49), su dürfte auch hieraus hervorgehen,
dass derselbe in solch principiellen Fragen, zu welchen auch jene üher
die Berechtigung der hypothetischen Syllogismen gehört, sich durch
den Standpunkt der Commentatoren (s. Abschn. Xl, Anm. 166 und he
züglich der lnduction ebend. Anm. 160) zuweilen zu unaristotelischen
Annahmen verleiten liess (vgl. oben Anm. 11).
Seine einflussreichste Schrift aber war entschieden die Bearbeitung
der zweiten Analytik, auf welche unter dem Titel „De demon
curationeu häufig verwiesen wird, wenn auch Einige dieselbe für un
vollendet lnellen“). Den Anknüpfungspunkt der zweiten Analytik an
die erste fand Alfarabi darin, dass nach der Darlegung der Formen des? ‘
Schliessens nun auf den Stoff übergegangen werden müsse; indem aber
dieser in den Urtheilen liege, sei zu erwägen, dass die Urtheile in
fünf Unterschieden — was in ächt arabischer Weise durch Verglei
chung mit dem Golde klar gemacht wird —— sich von dem schlechthin
Wahren zum schlechthin Falschen abstnl'en, und dass alle diejenigen
Urtheile, deren Wahrheit nicht bereits feststeht, sondern erst auf dem
Wege der Dispnlation gefunden werden soll. abermals eine Mannigfaltig
keit von dreizehn Abstufungen zeigen, von welchen jedenfalls die fünf
höheren Grade in dem demonstrativen Wissen ihre Verwendung und
Formirung finden; kurz die Wissenschaft der Beweisführung (s. oben
Anm. 15) müsse eben auf die verschiedenen Arten der Urtheile, welche
in den verschiedenenAZweigen des Wissens ausgesprochen werden, als
‚es
a "i:
ditionalis et repetita est cutegun'ca. Ac etiam in icientiis ium reperiuntur multa
quanitu, quae ostendunlur per syllogismum oonditionalem simplirilan EI proindr
uil Almnazar, quod proportio partium illoruml qui contexuntur ez demonstrationibua
roriditionatibus, in't proportia partium illorumy ex quibus contemnitur categorici. et
dixit in libro I’riorum Anatylicorum, quod syllogismi qui componunlnr per locum
lufrrentiae conuexiouis, sint conditionach et ostendit, quod haec loca sint
demonstrative, ....cl sic de reliquis tocis, ca; quibus contestantur syllogismi couj
dilionali's. folum itaque hoc 0st, quod dubilalnr circa hunc sermonem. Ouod oide
tur autem c: intentione Abunuzar c! Avicennue, est, quod ipsi coucedanl, quod dil
/inilio syllogismi simpliciter contineat ambos syllogismus . . . . . . . .‚ (f. asa v. A.)
Uuidam syllogismi sunt orationes proeedenles processn conditionis et illi sunt in rei
veritate syllogismi conditiunales, quorum repetitum et coniunctio est ignotag sequitur
autem Abunazur, quod non sit syllogismus conditionalis illc, cuius repetitum
sit per se nutum et coniunctio per sytlogismum. Vgl. Arcrr. Prior. Reset. f. 83.
v. A. .
49) Aven‘.'l’rior. Reset. f. ma v. A: Semmdnm hoc solvuntur omnes dubita
tiones, quas cst assecutus Alumamr.
50) Averr. Poster. Reanlul. f. 212 v. A: Ouod autem Almnazar non attigcrit
locum islum (d. h. Arist. Anal. posl. ll. 8.), manifestum utique per verba sua in
libro ipsius Ue demonstrationibus et ex verbis suis in libro Elementorum. (Jedoch
statt Slemcnlorwnv welches allerdings in den hierauf folgenden Zuilrn abermals
sich findet, scheint nach einem anderen Cilatc — s. dasselbe oben Anm. 40 -—
wohl litem/torum gelesen werden zu müssen.) Ps.-Arerr. 0mm. in Post. Resot.‚ f.
rns v. B: ratum anti-m hoc aigni/icut, quod liber Ahunasur De dernomtmtione mm—
dum fuerit complclus, nam potius putondum est hoc de Aburmzar, quam quod sit
putaudum, quod Ianwrint cum hoc rcs. Vgl. ebend. f. 374. v. B. lliezu den
Schluss der Stelle aus Albertus Magens in der folg. Anm.
e
am xvi Alfarabi.
auf ihren Stotl' eingehen, und darum folge auf die Syllogistik das demon
strative Verfahren“). lnsoferne aber hiebei nicht bloss die Urtheile
als Stofl‘ der Schlussforln betrachtet werden, sondern auch hinwiederum
der lnhalt der Urtheile selbst in Frage kommt, scheint Alfarahi hier
über das eigentliche Wesen der aristotelischen Apodeilitik aus dem
Gesicht verloren zu haben; denn er fasste die Urtheile nun nicht mehr
bloss nach jener Seite auf, vermöge deren sie in ihren verschiedenen
Formen auf verschiedene Weise zur Ergründung der Wahrheit benützt
werden, sondern er zog auch den sachlichen lnhalt derselben bei, in
welchem sie zu den Einzel-Wissenschaften verarbeitet werden, so dass
Manche sogar glaubten, Aristoteles habe den Einen der beiden Gesichts
punkte übersehen; und insoferne die zweite Analytik nicht hloss das
Verfahren des wissenschaftlichen Beweises, sondern hauptsächlich auch
das Wesen der Definition bespricht, verfuhr Alfarabi allerdings folge
richtig in gleicher Weise auch bezüglich der Definition, indem er neben
einer allgemein formellen Seite derselben eine specielle und auf die ein
zelnen Zweige des Wissens abzielende Fuuction des Definirens hervor
hoh; sonach also zerfiel ihm das bei Aristoteles zweigegliederte Ganze
in vier Gruppen 52). Sowie aber Alfarabi in solchem Sinne sogleich
sn Albert. M. Anal. past. l, l, 2, p. 515 A: Ouod autem iste liber immedi
ate sequatur librum priorum secunduml .. sic probant Avicenua et Atgasel et ante
hos Alfarabias. Scientia enim syllogismorum formatioa in figura et ordine prima
est inter scientiasl quae sunt de syllogismo. Propositiones enimy ez quibus fit syllo
gismus. ut dicunta ad syllogismum se habent in quinque ordinüms, ut quinque modis
se habet aurum ad artificiatum, quad fit ex auroy- materia enim syllogismi propo
sitiones sunt . . . . .‚ Sunl quinque ordines in auro, quod quidem primo in ordine
obrizum ezaminatum et depuratum, u s. f. .. Similitor propositio habet quinque
ordines .- in primo enim ordine est illal quae est vere credibilis sine dnbitatione et
deceptione in secundo ordine est propositio proxima veritatiy ita ut di/fiaile
accidat fallacia opinionis in tertio autem .. .. opinabilis opinione plurium non
sopientum in quarto verisfmv'les, quae cum dolo et simulatione occulta
habent similitudinem veramm in quinto ordine est propositio quae scilur esse
falsa vivamus igitur, quod omnis propositioj quae non est veritatis stabilitae.
sed sumitur ab opponentel in quantum conceditur a respondentcl dividitur in tredecim
partes, soilicet primas, quae sunt insensibiles ....‚ et in sensibiles et experi
mentales et in famosas ..... quae comeduntur magis amore boni quam veri . .
et in propositiones mediatas et ezistimativas et maximus ab omnibus con
cessas et syllogizotorins et receptibiles sua probabilitate et eus, quae
videntur esse maximale, non vero sunt . et putabites apud vulgus et imita
tarias oerorum et aperte falsas ‚ . . . .. (p. 516 B.) Et er. omnibus talium gene
rum propositionibus constitui-untur arqumentationes diversarum facultalum. quae omnes
sunt sub logica in genere acceptal propter quod etiam poetico secundum Aristotelem
sub logica generali continetur (s. oben Anm. 18.l; quinque autem species harum pro
positionurm scilicet primael sensibilesl experimentalesy fomasae et mediatue. con
gruunt demonstrationi in genere acceptao . . . . . .. (p. sn A.) Ex his omnibus putetl
ad quid se extendit logica in genere arceptal et quod immediate consequens scientia
ad scientiam de syllogismo simpliciter cst scientia demonstrative. Et haac, quae dicta
sunt, de scientiis Arabum sunt arccrpta, quorum commentum super hunc posteriorum
librum ex sententia Alfarabi Arabis ad nos devem't. Näheres s. unten Anm. 276 fl'.
52) Avcrr., Poster. Resolut. f. 127. r. A: lntentio libri est, speculari de de
monstrationibus atque de debuitionibus Demonstration" namque ez duobus con
sistunt. quorum unum est propoiitiones et hoc est, quod vicem obtinet materiae,
alterum vero est ipsarum compositio et hoc est1 quod vicem exhibet formae
—_‚—-.‚———‚N‚_‚-. bwh-.-- - _ u e - ‚21.-de
irv ' i __.
XVl. Alfarabi. 313
die ersten Zeilen des aristotelischen Buches exegetiseh erörterte“), so
hot sich ihm in jener Stelle, in welcher Aristoteles selhst zwischen
apodeiktischem Beweise und Syllogismus unterscheidet (Abschn. lV,
Anm. 651), die Gelegenheit dal‘‚ gleichsam eine Erweiterung und Er
gänzung der aristotelischen Lehre beizubringen; es seien nemlich jene
Erfordernisse, welche dort Aristoteles für das Zustandekommen des
apodeiktischen Wissens aufzählt, nur auf jener Betrachtungsweise be
gründet, naeh welcher der Beweis bereits als die potenzielle Entwick
lungsstufe der Definition angesehen werden müsse und hierin allerdings
seine edelste Function besitze (demonstrativ nobilissima)‚ denn nach
dieser Seite könne der wirklich apodeiktische Beweis an keine ander
weitigen Bedingungen ausser den von Aristoteles namhaft gemachten
geknüpft werden; hingegen ahet‘ enthalte ja der Beweis noch eine
zweite rein syllogistische Seite in sich‚ nach welcher er nicht Vor
stufe einer Definition sei, sondern lediglich die zwingende Nothwendig
keit des Schliessens darbiete, und in dieser Beziehung nun sei zu er
wägen, wie der Mittelbegrifl', welcher im Syllogismus die wahre (Jau
salität repräsentirt (Abschn. IV, Anm. 656—665). ln eins-r mehrfach
gegliederten formalen Stellung zum Ollerhegrifl'e und Unterbegrill‘e stehe,
indem hiehei in Anschlag kommen müsse, ob in den Prämissen die
Aussage das Verhältniss der Definition oder des Galtungsbegrifl‘es oder
des artmachenden Unterschiedes oder des elgcnthümlichen Merkmales
oder des zufälligen Merkmales enthalte 54). Durch die nähere Aus
ldeo incipit hoc in loco sermonem facere de materia considerat autem in
istis propositionibus numerum ac dispositionem specierum ipsomm, ut eos asscqua
mur, quatenus possunt deducere hominem ad verilatem, non considerat autem ipsas.
quatenus sunt una pars entium . . . . .. lii/florentiae vero ultimat', in quae diuiduntur
species demonstrationum m: parte materiae, sunt dimerentioel quae inveniuntur in
demonstratiouibusy secundum quod sunt utiies ad acquirendam illorum veri
ficationem, non autem differentiam quae ipsis insunt, secundum quod sunt unum ex
onlibus, quemadmodum fecit Abunazar in libro suo. Et propterea quaesiuerunt ho
mines nostri temporis circa specuiationem de demonstrationibus et existimaverunt,
quod itlud, quod adduxit Abunazar hoc in loco, sit rea. quam dimisit Aristoteles
hoc in loco . . . . . .. In definitionibus mm est aliquid procedens modo fomme, puta
aliquid commune, neque aliquid procedens modo matemaev ita ut dividatur speeulatio
ipsius duos in partes Oui vero existimat-ib quod in definitiom'bu: invenitur
pars universell: et vommum's. cuius speculatio praecedat definitiones nppropriatox
unicuique artiv is profecto erravit in hoc errore manifeslo, quemadmodum ezistimatur
fecisse Abunazar Non separavit Aristoteles hoc in libro partem appropriatam.
in qua compitetur qualitas faciendi artes1 in demonstratioue et definitione, quemad
modum fecit Abunazar . . . . .. Et propterea non dividitur specuiatio in libro suo qua
tuor in partes. quemadmodum fecit Abortus/n.
53) Ebend.‘ f. 128. r. B (B. Abschn. IV. Anm. 88 ).
54) Ps.-Ave1r. Ept'tomr’. f. 351. v. A tl'.: Sunt ergo conditiones huius speciei de
monstrationis absolut:1 nom-m eomtitiones. quarum una ext, quod sit verae secunda
et tertia, quod sit universalis et necessariay quarta, quod prardioatio sit per so,
quinta, quod cius praemissae sint causa inoentionis conrluxionis, sea-id quod
praedicalio in eis sit secundum rursum noturalem, soptima, quod cum hoc, quod
sunt priores oecundum exse ipsa conrlusione, sint etiam priores secundum cognitionem
octavav quod praedicatum in eis sit praedicatum prima praedicatione. nima
autem est, quod sint propriae . . . . . .. Her itaque sunt omnes conditionesl quas Ari
stoteles apposuity et adiecit has conditiones in eis, quia sunt delinitiones pro
814 'XVJ. All'arabi.
l’ührung aber diesesfiesicbtspunktes gelangte Allarabi dazu, den demon
strativen Beweis nach der syllogistischen Seite desselben in acht Gat
tungen zu gliedern, welche zusammen dreiunddreissig verschiedene For
men des Schliessens darbieten“). Wenn aber sodann der aristotelische
q
priac in potentia et universaliten ex quo sunt nobilissimae et perfectissimac. quando
vero caperentur acceptionel qua sunt demonstrationes tantum, non apponeretur eis
conditio nisi quod sint res necessariar quatenus sunt demonstrationesl non res, qua
sunt demonstrationes nobilissimacg et si intenditur numerare suas speciesl prosit
fecit Abunazar Alfarabiusl non adiicietur eis conditio praeter praemissas novem oon
ditiones. lte autem ita se habeutc et existente conditione necessaria ex qua
sunt demonstrationes causarum et inventiunis simpliciterl non es: quo sunt definitiones
in potentiay et termini medii in eis sunt causael filmt propria harum speciemm,
quod terminus medius in eis sit causa duarum esctremitatum simul aut unius
ipsarum tantum Dum obsmaveris reliquas conditiones et praecipue conditionemy
qua est praedicatum secundum naturalem medum, sunt ergo termini medii ite/initio
amborum eztrenzitutum aut alterius ipsurum, aut pars earum delinitionis aut alterius
ipsarumz quando autem iuluebimur species combinationurn dentonstrativamm, in qui
bus est proportio mediorum terminorum duabus eztremitatibusy fiun! combinatio
nes demonstrativae simpliciter octo species relatae in libro Abunazar Nos entern
numerabimus ex istis combinationibus illas, quae possibites sunt combiuari ex his
quinque praedicatisl uidelicet ez genere et di/fcrentia et proprio et occidente et deli
nitione et ex suis coovcrlcntibus, in quibus est proportio medii termini ad duas rr
trcmilales . . . . .. E't ordinabinms eas secundum ordinem (nun folgen anst'ührlichst jene acht Arten in ihren möglicAhbeunnaCzoamrbinAal/tairoanbsiwieisen‚
s. dieselben in der folg. Anm.) i. 352. v. B: liac itaque sunt proportiones
demonstrationum simpliciter ad se invicem ‚ et hae sunt suae partesq sicut patet ex
sermone Abunazat Vgl. Averr. Poster. ltcsoluL f. l3l. v. A.
55) Es mag genügen, dieselben aus dem Berichte eines Gegners Alfarabi’s in
aller Kürze vorznlühreny nemlich: Ps.-At‘crr.‚ Ouacs. in Post. Resel.‚ l. sn v.
A fl'.: Opartet, quod numerentur (so. species demonstrationumj non er ea partey
unde unxit eas numerare ipse Abuuazar et deducit post se homines in confusionm
et labores inutiles et ambiguitates infim'tos; totius autem huius causa fuit rc
motio huius viri a speculatione Aiistotetis circa has rcs et deviatio eius ab itinere
i’m‘us; et idcirco visum est nobis expediens pes-scrutari de illis speciebus demou
strationurm quarum meminerat Abunazar in suo tibroy quae sint demonstrationes sim
pliciter secundum opinionem Aristoletis et quae illarum non sit demonstratio Di
ciinus itaquey quod prima species primi generis estl quod A sit definitio ipsius
B, et B sit definitio ipsius C; secunda vero specie-si quod A sit genus
ipsius B, et B sit genus ipsius C: tertia est, A est differentia ipsius B, et B
differentia ipsius C,- . quarta vero species contraria est primae et ext, quod ipsius
A ipsum H sit definitio, et ipsius B sit G definitio; .. quinta, quod in definitione
ispesxituasl Aquosidt Agensiuts inipdsefuimnitBi,oneetB,in etdeBfiniitniodnecfiniitpisoinues BC sit genSuescuinpdsuumm Cv;ero ge
nns, quod comperimus in suis übris‚ procedit processu protoyi seu petitionis priu
cipiiv nam suppnnit 'r ' ' ‘ .‚ prout r " ‚ A et B sunt duae rte/ini
tiones ipsius (.7 res-tii vero generis prima species estf A est definitio ipsius
B, et B genus ipsius C, sccunda, A est definitio ipsius B, et R est differentia
ipsius C, tcrtia, .4 est definitio ipsius lt, et ipsius B definitiv est ipsum C,
quarta, A est definitio ipsius B, et pars eius delinitionis est genus ipsius
G . ‚ . . . ouartum autem genus ect, cuius prima species est, quando A est genus
ipsius B, et B est definitio ipsius G; seemuta, A est genus ipsius B, et B est
differentia ipsius cg..... tcrtial A est genus ipsius B, et lt est definitio ipsius
C; . . . . .. quartal A est genus ipsius B, et pars definitionis ipsius B est C,
quintu‚ Aral genus ipsius B, et pars definitionis ipsius lt est genus ipsius c .
Om'nti autem generis prima species est, ‚l est di/Terentiu ipsius B. et B est genus
ipsius (7; aecunda. A est differentia ipsius ll. et ile/initio ipsius B est ipsum
tertio, ‚i est differentia ipsius B, et pars delinitionis ipsius B est ipsum
Wrflawuwwß._ i anakpf
„JA xli-fi ei i A J: -'
m Alfarahi. ais
Begriff des um?’ abid narh einer dreifachen Abstufung des inneren
Nexus zwischen Suhjeet und Prädirat bcllachlel wird‘s“), und im Au
sehlusse hieran bezüglich des um!le der Begriff des „primum prae
dicatumu dahin festgestellt wird, dass es die wesentliche Gattungs
Bestilnmtheit ausspreehe 57), so hal dieses die gleiche Tendenz wie
Obiges; denn Alfarabi will auch hier die Angaben des Aristoteles nur
auf jene Betrachtungsweise beziehen, wornaeh die Demonstration in
ihrer höheren und vollkommneren Funetion sich zur Definition gestaltel,
während daneben noch die Seite der syllogistisehen Nothwemligkeit im
praedicatum primum zur Berücksichtigung kommen müsse 53). Auf dem
C,- . . . . .. et quarta species es! huic consimilis Sein autem generis prima spe
cies esl, ipsius A tic/initio est ipsum B, et B es! genus ipsius C; sc
cunda. definitio ipsius A es! R, e! tt est differentia ipsius C; tertiay definitio
ipsius A es! B, e! in detinitione ipxius B es! C; e! similiter est quarta species
. . . . . . . Septimi autem generis prima species eet, in ipsius A dennitione es! lh et l!
est genus ipsins (7, ucanda, in ipsius A delinitione est B, et li est diiferen
tia ipsius l'; terha, in de/initione A est R, et definitio ipsius B es! C;
quarla, m cle/tuitione A est B‚ et lt est in delinitione ipsius C; quinta es!.
ut in de/imtionc lt est genus ipsius (J . . . . . . .. Oclavi generis prima species m, A
est pars definitionis generis ipsins B, v! lt es! definitio ipsius (7,- . . . . . .. secundal
pars delinitivnis ipsius A ext genui ipsius H. et B est genus ipsms €;...... mm.
pars deftnitionis ipsim A es! genui- ipsius H, et lt est qRuealirqluaa‚e invcrdoefisnpietciioense, iqpusauem pAuteas!ntguennuqsuaiepsiaucscidBe,rinatt etaic/iidnpiisftifiseoregineptnisaeirusiibpusBisnlses!q(7u;Cae nu
meraeit Almnazar, comprebenduntur ipsis generi-basi et non est visum prutratn-re longius
sermonem circa ea. quorum meminit hic.
56) Alberl. M.‚ Anal. peu. l, 2, 6. p. 541 A: Scias autemv quod Atfarabius
super locum istum (s. Ahschn. IV, Anm. 132) in commento aliquantutum sequens
l’orphyrium et Alexandra": aliter dicil; dicit enim quod tres sunt modi dicendi per
se subiectum de praedicato et praedicatum de subiecta E! ponit primum rundum,
qui potissimus es!, quando in natura principii et principiantis ext, n! sit in natura
principiati. et iterum cum hoc in natura subiecti est. ut praedicatum sit in eo. sicut
est in natura principiati per exeentiam. ut principium ipsum sit in ipso, sicut in
natura aninmlix m, quod sit in komme, et in natura hominis ext, ut animal sit
in ipio Secundus autem rnodus mit. quando in natura et diffinitione praedicati
quidem eal, ut dicatur de subieclo, et non est in natura subiectiy ut praedicatum
dicatur de eo, sicut xe habent ad invicem corpus et coloratum Terlius autem
modus esl, ut ait quidem in natura subiectiy ut praedicatum de eo dicatnr. et non
in natura praedicnti et rationel ut ipsa sit in tali subiecta sicut mm's et dece/latio
se habent ad invicem E! haec sunt verba Atfarabii iine additione et diminutione
et sine ezponitione Vgl. Averr. Porler. Resol. f. 137. r. B. u. f. 138. r. B.
57) Averr., Poster. nesciat f. 138. v. B: lticitur autem universale (zuöo'kov,
st.umAbsveehron.coInVt,enAdnemr.unt13d2e.),praceduimcatporapedriicmaotuimn idneemsotnsotmrantiiosnuebiqeuctiod ietpspuemr nste ouod
autem invenitur in libro Abunazaris. esty quod praedicatum primo ezislenk in demon
stratione m, quod non praedicatur de genere subiecti E! sunt qui dicunl, quod
praedicatum primo csl, quod non praedicatur de subiecto eas parti-y qua inest rei.
Vgl. ehend. f. 141. v‚ B. Px.-Averr‚ Ouaes. in Post. Resnl. f. 371. v. A: bicinius
itaque-f quod id‚ quod reperimus circa haec apud Abunazar Alfarabium in libris De
demomh‘atiaue, m, quod iam ezporuerit praedicatum primuml quod sit illud. quod
non praedicatur de genere sui subiectil et secundum hoc genus eius es! praedicatum
'mum‚ et similiter accidentiay in quorum definilionihus esl genru ipsins „durch,
gl. ehend. f. 375. r. A.
58) Averf.‚ Post. llesoluL f‚ 141. r. A: Erram'! Abimazarl cum declaravitl
quod praedicatorum demonstraticorum alia sunt appropriata et alia sunt non appro
om XVI. Alfarabi.
gleichen Standpunkte beruht auch, was über die Uebertraguug der
demonstrativen Princlpien in andere Wissenschaften (Abschn. lV, Anm.
aen gesagt wird, indem Alfarnbi auch hier dein sachlichen Stofl'e der
einzelnen Wissenschaften eine neben der Beweisform herlaufende Be
rechtigung zuerkannte 59); und es stimmt hiemit überein, dass er be
züglich der gemeinsamen Axiome (Abschn. IV, Anm. 162), welche hier
in der lateinischen Uebersetzung unter dem eigenthüinliehen Namen
„dignitates“ auftreten, die Auffassung der Commentatoren (Abschn. XI.
Anm. 22 u. 161) theilt und in formaler Lostrennung gewisse unbe
streitbare Sätze, Wie z. B. namentlich das principium eontradirh'om‘s,
als oberste l’rincipien der Demonstration hetrachtet‘w). Vieles Andere
hinwiederum kann nur als ein Erzeugniss commentircniler 'l‘hätigkeit
w' olim
priata et aliqua ez ipsis sunt prima et aliqua non prima,- quodsi haec conditio.
quain tradidit Aristoteles. sit propter melius et non conditio necessariæ oportuisset
Abunazarcm addere hanc dispositionch h. e. quod conditionuvn aliquae sunt
conditiones necessariac, a quibus non efl'ugit demonstratio omm'no, et aliquae sunt
conditiones1 per quas est demonstratio melior . . . . .. Ouodsi es! res im, igitur per
fectio sermonis de conditionibus demonstrata-is erit per aggregationem duarum viamm,
h. e. viae Aristotelis et viae Abunazarisa et sciatur haec via ex parle, quae est
bonny et ac partey quae est necessaria. Sed Abuberher Elzaigi (d h. Avempace)
in responsione ad hoc dizit, quod intentio Aristotalis est alia ab intentione Abuna
zarisy quoniam Aristoteles, cum intentio ipsius n't, quod demonstratioues sunt defi
nitiones in polentia, ideo posuit in ipsis hanc conditioncmg Abunazar vero, quoniam
speculatus est de dernonstrationc ex parte, quae est demonstratio simpliciter. idea
divisus est ab Aristotele, et Aristoteles secundum opinionem Abubecheris Elzaigi
additin conditionesl per quas lit demonstratio melior et perfection et tacuit de ne
cessariis..Abunazar vero e contrario docuit conditiones necessarias et tacuit eas.
per quas ejiciuntur demonstrationes meliores Hopter hoc igitur apart", ut sint
ambae doctrinae delicienlcs. lloec igititr res latuit multos expositores et magna
Ebenso ebend. f. 212. v. B.
59) Ebend. f. 150. v. A: Sernio igitur Almnazaris in libro sua De demon
stratione ad fitiem. cum dixit de artibus et declarat/riti quomodo communiam srien
tiae et in quo eommunicant, et ex hoc derlaracit, quomodo et quando transferri
possunt demouxtrationes de arte in artem et quomodo non possunt. sermo. inquam,
iste non est vems. quoniam intellexit per translationem iltud. de quo dicitur nomen
translationis1 scilicet quod trans/cratur propositio maior, et hoc, quoniam apparet
ex sermone Abunaznrisl quod fateatur, esse quaesitum unum in duabus nrtilms, et
tamen non fateatury qnod terminus medius est unusg et hoc mirandum est de ser
mone illius.
60) Albert. M. Anal. post l, 3, 4. p. 559 A: Omnes scientiae demonstrade
cnmmunicantes sunt secundum communia principial h. c. in hoc, quod principiis
communibus utuntur maxime in usu principiorum commuuium, quae dicuntur digni
taten, quae, sicut dicit Alfambius; demnnstrationes specialium seienliarum substan
tinliter non ingrediuntury sed tantum per illa principia confirmantur. Hiemit stimmt
auch überein, was Alfarabi in seinen ‚.Fontes quaestionum-u (c. 2, bei Schmülders,
Darum. phil. ar. p. 44.) ansspricht: Ad nationes probandas omnia illa pertinenL
quae sine rebus aliis antea animo eonceptis concipi nequeuntg quando e. g, intelligere
uolumusv mundum esse factuml nobis primum probetnr oportel. mundum esse rom
positum ‚ . . . .. Hoc iudicium denique ad ultimum iudicium progrrdi‘atur oportef, quod
nullum sub quod ipsum iterum cadul. iudicium anteccdit; haec sunt iudicia primaria
intellectui mani/extat l'. g. .‚duarum enuntiationum ronlradiclorie sibi appositarum
semper altera cs! vern, altera falsau et ..totum maius est eius parle" (vgl. oben
Anm. 13). Dortrina has cogitandi vias nos edorens atque hoc via et rerum nationes
et probationes [die gleiche Zweitheilung s. oben Anm. 16.) nobis parans logica
nuncupatun
XVl. Alfarabi. an
Allarabi’s bezeichnet werden“). Hingegen müssen wir noch um der
Lateiner willen besonders hervorheben, dass bei jener Stelle, in welcher
Aristoteles bezüglich des definitorischen Wissens das „Dass“ und (las
„Warum“ bespricht (Abschn. lV, Anm. 6881.), Allaraln gleichfalls das
jenige distinguirend trennt, was bei Aristoteles innerlich tiefer verbun
den gewesen war; er stellt nemlich auf die Eine Seite die „demon
stratio quia“, in welcher der Mittelbegrill in keinerlei Weise Causalität
sei, während andrerseits die ndemonstratio propter qm‘d“ lediglich den
Causalnexus entwickle und hiebei sowohl die Ursache des Wesens des
Subjectes als auch die Ursache der lnhärenz des Prädicates im Suhjecte
darlege, so dass in dieser Beziehung wieder wie oben (Anm. 54) die
verschiedene formale Stellung des Mittelbegrill'es zu den beiden anderen
Begrill‘en in Betracht kommen müsse; eine dritte Art, in welcher die
beiden Seiten sich vereinigen, nemlich eine „demonstratio propter quid
et quia s'imul“, welche bei Späteren Arabern noeh hinzugefügt Wird‚
scheint Alfarahi nicht anerkannt zu haben 62). [lass übrigens die Araber
zu dieser ganzen Distinction möglicher Weise durch Galenus veranlasst
worden waren, s. oben Abschn. lX, Anm. 101.
Was endlich die Sophistik betrifl‘t, welche Alfarabi in einem
61) Dahin gehört z. B. was die unmittelbaren Obers‘a'tze (Abschn. W, Anm.
668.) betrill‘t, s. Averr. Post. Resol. 1'. 164. v. A, oder die Angaben über das
ini ns nolo (ebend. Anm. 131, 276. 660.), s. AtberL M. Anal. pasl. l. 2, 17.
p. 551. A; über die im Mittelbegrifi'e liegende Causalität (eb. Anm. 676.), s.
Albert. M. a. a. O. ll, 1. l, p. 610. A. n. Ps.-Anerr. uuam in Posl. Resol. f. 375.
v. A; über das Verhaltniss zwischen Demonstration und Definition (eb. Anm. 683 11.),
s. Averr. Post. Resol. f. 201. r. A, 206. V. A, Pa.-Averr. a. a. 0. 1. 377. r. A‚
380. v. B, Alben. M. a. a. o. ll. 2, 5, p. 624. A; über den atoytm); auno
yioydg (eb Anm. 688.), s. Averr. a. a. 0. f. 212. v. A; über die Praxis des
Delinirens (eh. Anm. 697.), s. Averr. f. 223. v. B n. I’s.-Averr. 1‘. 379. v. A.
62) Divers. Arabam Ouucsilu, 1'. 381. v. B 11.: Ouia periti specutatores scien
tiae logicac iam pcrptezi sunt circa cognitionem demonstrationum „propler quidn et
demonstratioaum „quia“, et non fuit eis mani/cslatus erde, quo discernuntur demon
strationes „propler quid“ et „quia“ cum eo, quod tulit Abunazar circa hoc, pro
quo commendandus csL causa autem suae perpleziom's circa id fuit id. quod acci
dit in editione llemonstrationam er sermonibus fallentibus corruptis. qui non sunt
de littera Abunazar E! specutabimur i‘d. quod ille retulerat in eius editione
. . . . . .. Sicque nunc reassumemas pro con/onnitate sennonix ipsius Abunazar et
dicamus, quod nolitia inessendi praedicatum ipsi subiectol i. e. „quia“, sit una
indivixag scientia vero causaeS i. e. „propler quid“, dividitur in scientiam causae
esscudi ipsum xubiectum et in scientiam causae inessendi praedicatum ipsi xubiecto
et in scientiam essendi praedicatum et subiectum simnt. prout retulit Abunazar in
libro Elemenlorum (Elencliorum? s. Anm. 40. u. 50.); sed ipse non meminit de
scientia causae essendi praedicatum et subiectum simul1 et non est aliquis argucns
hac . . . . . .. Mcdii termini demonstrationum causarumy i. e. „proplcr quid“, aut sunt
ilrfinil’iones w! partes definitionum duorum eztremomm ipsius syllogismi aut altarius
ipsorum, aut habent communitatrm cum definitionisz E! totum hoc, quod uidetur ex hoc, es! sermo Abunazaarmboardum1itatlrirqaumo . m. .o.d.o. Demon—
stratio ergo „quia“ csl, cuius medius terminus penitus non es! causa . Demon
xtratio vero essendi c! musae, i. P. „quia“ et „propter quid“ simul, es! ipsame!
demonstratio „propler qm'd", sed dicitur demonstratio „propler qnid" tantum una
comparatione . . . . . . E! sah‘s fuit ipsi Abunazar commemoratio demonstrationum „propter
quidu el demonstrationum „quie“. et reliquit commemoratiouem demonstrationum
‚.proptcr quid” e! „quiu“ simul. Vgl. Avcrr. Pus!. Resol. l'. 161. l". B.
318 XVI. Avicenna.
besonderen Commentare erörtert zu haben scheint“), so finden wir
hier die älteste Quelle jener Zweitheilung des aristotelischen Buches,
welche von den bateinern rccipirt wurde und nachmals auch in allen
älteren Druck-Ausgaben des Orgaijons zur Au‘n'endung kam. Man lieSs
nemlich beim 16. Uapitel (unserer jetzigen Numerirung) ein zweites
Buch der Sophistici Elenchi beginnen, und insoferne dortselhst aller
dings Aristoteles von den theoretischen Angaben auf praktische laass—
regeln bezüglich sophistischer Argumentationen übergeht, so hat Alfarabi
hieraus nicht bloss jene Zweitheilung motivirt, sondern auch die An
sicht ausgesprochen. dass das zweite Buch eigentlich als ein Mitteldiug
zwischen Topik und Sophislik zu betrachten sei 6“). Bei einigen Ein
zelheiten begegnen uns auch hier wieder Hinweisungen auf Alfarabi‘s
commentirende oder selbst ergänzende Thätigkeitöi’).
Bei Weitem am ausführlichsten waren wir über die Leistungen des
Avicenna (Abu-Ali-al-Hoseiu-lbmAbdallab-lhn-Sina‚ geb. 980, gest.
1037) unterrichtet, wenn nicht dasjenige, was unter dem Titel „Logica“
nach älterer lateinischer Uebersetzung (wohl hauptsächlich nach jener
des Juden Johannes Avendeath. s. Anm. 163) gedruckt vorliegt“),
schon sogleich mit dem Schlusse der lsagoge ahbräche. Jedenfalls ist‘i
diese Schrift ein Bruchstück jener allumfassenden und breit angelegtem=
Encyclopädie Avicenna’s '57), und während wir uns aus der Ausführlich
keit dieses ersten Tbeiles eine Vorstellung von der cinlüsslichen Ite
handlung des Uebrigen machen können, besitzen wir in demselben“
wenigstens jenen Complex von Controversen, welcher, insoferne er die
lsagoge betraf, stets für die Lateiner der einflussreichste war. Für die
übrigen Bestandtheile der Logik sind wir theils auf die Metaphßsica.
und die sog. Su/ficientia Avicenna‘s oder auf die Berichte Anderer ver
wiesen, tbeils aber können wir auch den l‘lan des Ganzen aus zwei
anderweitigen kürzeren Bearbeitungen dor Logik entnehmen, deren eine
von Vatlier im 17. .labrh. in das Französische übersetzt wurde 65), und
63) S.'Anm. 40, 50. u. 62.
64) Arerr. Elenrh. f. 332. r. A: Ouae autem retinqaontur (d. h. nach dem
15. Cap. d. Soph. Eh), sunt duae res, quarum uua est, quomodo respondeat re
spendens, secunda autem est, quomodo coMradjcatuv , . . . . .. c! utraque istarum rr
rum iuvut sapientes per se, et ideo sermo de istis dualms rcbus cst, ac si esset
praeter istam artcm. sed artis Topicae. aal, sicut ‚am Almnazar Alfambiusr est
arlis modice inter Tnpicam ct Saphislicam. .
65) So z. B. l’s.-Anerr. Epitume, 1.357. r.A (betrefi‘s der petitio prinoz'pii) odu
Avcrr. Elenc/i. 1. 326. v. A: Nos autem invenimus Abwmsar Alfarabium in suo
libw, quod iam addiderv‘t istis locis octavam locum, qui est locus pcrmulalionis et
trunslatiom's, h. e. quod luco rei acci/tiatur eins simile aut consequens ipsum aut ri
minezum.
66) Auf dem Tilelhlatle dcr in Venedig 1508 fol‚ gedruckten Ausgabe steht:
Avicenaae ‘pcrliypatetiu philosophi ac medicorum [acile ‚manv opera in lucem reducta,
ac nuper quantam ars-niti potuit per tunonicos cmendata. Loyyca. Su/‘ficienlt'a. Dr
coelo el mundo. De anima. De animalibus. De inlelligcnliis. Alphawbinx dr iu
teltiymtiis. Philosophin prima.
67) S. mel‘, Dicliomi. phil. Ill, p. 174.
est La Logique du llls de Sinn, comnmm‘mcnt uppcllc' Aviccnm, primse des phi
tasophes et medecins Amlws1 nonvellemenl Iradm'tc d’Arabe m lib-anguis par P.
Vattier. Paris 1658. 8. Wenn übrigens Srhniüldcrs, Essai s. l. cicuta phil. p. 103.
‘s
:‘—-I——_ __ _;!_l)'.'_‚A"‘P__, _ ' ‚
XVl. Avicenna. sio
die andere metrisett ahgefasste, welche sich als ein ausserst kurzes
Excerpt erweist, von Schmölders mit lateinischer Uebersetzung und
Gmnmentar veröffentlicht wurde 69).
Wenn auch Avicenna’s 'l‘häligkeil bei einzelnen späteren Arabern
eine scharfe und selbst verwerfende Beurtheiluug fand 70), so müssen
wir demselben doch zugestehen, dass er mit seiner Ausführlichkeit ein
gewissenhaftes und fast ängstliches Bestreben verbindet, durch lücken
lose und allseitige Entwicklung das Ganze, für welches ihm hauptsäch
lich Alfarabi der Leitstern ist, in sämmtlichen Einzelpuukten so klar
als möglich darzulegen.
Anf’die Spitze tritt, wie cs bei den griechischen Commentatoren
üblich gewesen war, die Frage über die Eintheilung der Philosophie,
wobei er den Aristotelismus in dem Sinne versteht, dass einerseits die
theoretische Philosophie die nicht aus menschlichem Willen hervor
gehenden Dinge lediglich um des Wissens willen erörtert, und andrer
soils die praktische Philosophie‘das durch menschlichen Willen hervor
gerufene um des richtigen Handelns willen betrachtet, so dass die erstere
(——- und hierin liegt ein Gegensatz gegen Allarabi’s Auffassung, s. Anm.
13 —) in Folge ihrer Unabhängigkeit von praktischen Zwecken eine
höhere Stellung einnimmt“). Jene „Dinge“ aber („T88“‚ worin für die
Logik der antike Objectivismus überhaupt hervortritt), welche den Gegen
stand der theoretischen Betrachtung ausmachen, sind entweder unbe
rührt von Veränderung und Bewegung, oder sie verfallen einer Ver
mischung mit der Bewegung; und Letzteres kann entweder darin liegen,
dass die Dinge ausserhalb dieser Vermischbarkeit auch keinerlei Sein
haben. mögen sie ohne d|esen Beisatz zugleich auch undenkbar (die
Naturdinge) oder wenigstens ohne denselben denkbar sein (das Mathe
sagt .‚Les simplifiretions et les perfectiouhemenls qu'il: (d. h. die arabischen Aristo—
teliker) om apporlds dans les difl'erenles parties de la logique, oni m de'jü soigueu
seinem enumere's par Vattier, lruducteur de la logique d’llm-Sz'nu“, so muss der
selbe diese Bemerkung niedergeschrieben haben‚ ohne Vattier’s Buch auch nur zu
kennen, denn dasselbe enthält ausser der Uebersetzung Nichts weiteres als etliche
Wozterklürungen, geschweige denn eine sorgfaltige Aufzählung der Leistungen der
Ara er.
69) Sclumildorsa Documenta phil. arab. p. 26 ll.
70) Ps.-Averr.‚ Ouacr. in Prior. Hesol., f. sua v. B: Maior pars libri Suffi
cientiae Philosophin huius viri esl conlezla ex talibus sermonibus pcrvern‘s (am in
logicis quam in aliis, et qui uull iniliari in his artibus, cxprdiel ei, quod /ugial
eius librotl nam illi faciunt errare hominem et ezlrahunl ipsum u reclo poliusj quum
ipsum diriganl ul ordinem ad verilalem Hiezu ob. Anm. ll.
71) Logica (in obiger Venctinner Ausgabe) f. 2. r. A: Prima pars l.oyycue.
lncipil Logyca Avicennae. Capimlum de inlrando apud scientias. Dicz'mus, quod m
lenlio philosophiae esl romprehrndere verilalem omnium remm, quoniam possibile esl
homini vonvprehenderr. lies eulem quae simt, aul haben! esse non ex noslro urln
drin vel opere, aul habent esse ex nostro arbilrlo et opera Cogm'tt‘o autem rerum
primi ‘membri vocatur philosophia spcculalivu, sed cognitio rerum secundi membr-i
moratur philosophia acliru. finis vero philosophiae speculalioae non est nisi per
I'cctio animae , ul scial lanlumq finis vero praclicac mm ext, ul scial tantumy sed
ut sciall quid debeat agere el egal. finis ergo speculaliuae eslappreheuxlo septem
lt'ae. quae non esl opum practicae vero fini: esl cognitio „mm“, quae esl m
opere; und: speculett'vu dignior esl comparari srientiae.
320 _ XVl. Avicenna.
matiscbe), oder darin, dass die Dinge, während sie jene Vermischunä
erleiden, daneben ein hievon unabhängiges Sein besitzen 72). D. h.
während hiemit sich die Dreitheiluug in Theologie, Natur-Wissenschaft
und Mathematik von selbst ergiebt“), ist es die zuletzt erwähnte Seite.
welche auf die Logik führt; nemlich diejenigen Dinge, welche wohl
in die Bewegung verwickelt werden, aber ihr Sein ohne dieselbe haben,
sind eben die inlelligiblen Dinge, und so sagt Arieenna ausdrücklich,
dass die Wesenheiten cessentiaely insoferne sie entweder in den Dingen
oder im Denken (inwllectus) sind, in dreifacher Weise betrachtet werden
können, da man nan-ln Einer Seite das Wesen in seinem Selbst-Sein
unabhängig von jeglicher Beziehung erfassen und nach einer zweiten“!
Seite dasselbe in der vielheitlichen Einzel-Erscheinung verfolgen und
endlich nach einer dritten Seite es im Denken selbst erörtern könne;
dann aber in diesem dritten Falle seien all jene Bestimmungen (dispo
siu'ones) in Betracht zu ziehen, welche dem Denken als solchem eigen
thümlieh zukommen. und während ausserhalb des Denkens es keine
Allgemeinheit oder Particularität, keine Wesentlichkeit oder Zufällig
keit, kein Einfaches oder Zusammengesetztes u. s. f. gebe, verbinde.
sich das Wesen im Denken mit diesen und allen derartigen Merkmalen,
deren Betrachtung zum Zustandekommen des Wissens unerlässlich noth
wendig sei H). So erhält bei Avieenna der antike Objectivismus dilata
..-i......
72) Ebend.: lies autem quae sunl, quarum esse non est ex voluntate nostra
vel opere secundum primum membrum, dividuntur in duo, in res quae commiscenlur
niotuil et res quae non commiscentur moliu‘. fles anlem, quae commiscentar molar,
diuiduntur in duo, aut in res, quae non habent esse nisi quia possibile esl. cas
admisceri maluit aut in res, quae habent esse absque hoc. ltla aalem, quae
non habent esse, nisi quia possibile est, eas admisceri motm‘, iterum diuiduntur in
duo , quia aut sic sunty quod nec esse um: intelligi possunt absque materia propria.
sicut forma humana aut asinina, aut sic, quod possunt intelligi absque materia. sed
non esse, sicut quadratam . lies autem quae commiscentur motui ct habent esse
sine illu, sunt sicut identilas et unilas et multitudo et causalilas.
73) f. 2. r. B: Partos ergo scientiae sunl: aut specu1atio de eonripiendo ca,
quae sunt cum hoc, quod habent in motu esse et existentium et pendent ez malemis
propriamm specierum, aut speculatio. secundum quod sunt separata ab bis in in
tellectu tanluni, aut secundum quod sunt separata ab his in esse et intellectu. Prima
autem pars divisionis est scientia naturalng secunda es! disciplinalis pura et scien
tia dc numero,‘ pars vero tertia eat scientia divina.
74) Ebend.: Esscnliae vero rerum aut sunt in ipsis rebus aut sunt t'n-inlelluclu.
unde habent tres respeclus. unus respeclus essentiae est, secundum quod ipsa es!
non relata ad aliquod tertium esse ner ad i'd, quod sequitur eam secundum quod
ipsa est sie; alias respeclus esl, secundum quod es! in his singularibusg et alias,
secundum quod est in intellectuj et tunc sequantur eain accidentia. quae sunt propria
istius sui esse, sicut Psl suppositio et pracdicatio e! universalitas r! particularilus
in jirardicando et essentialitas et accidentalitas in praedicando r! cetera eorumy quae
poslea sm'es. In eis Indem, quae sant extra, non est esslmtialitas nec arridentalitas
onminn, nec es! aliquod compll'xum nec incomplcamm nec propositio nec argumen
tatio cum autem volumus considerare ad hoc ut sciamus eas, necesse est eas
colligere in intelli-ttav et tunc necessario accident illis disposiliones, quae sunt pin
priur tantuni intellectui. Hirmit stimmhüberein Melaph. lll, 10, f. 83. v. A:
Multue disposiliones, quae comitantur res, cum intelligunlur, non habent esse nii-i
postquam habentur in intellectug cum enim res intelliguntun advenit eis in intellexit
bus aliqui-dj quod non erat eis ezlra; fiunt enim universale et essentiah- et acciden
tale et fiunt genus et differentia et /iunl praedicatum et subiectum et alia huiuimodi.
XVl. Avicenna. . 321
specielle Färbung des aristotelischen Intellectualismus. lndem nemlieh
das Nichtwissen oder beziehungsweise das Unhekanntsein der Dinge nur
subjectiv im menschlichen Denken liege, so gehe jede jener Bestimmungen,
durch welche wir von Dekanntem auf Unbekanntes geführt werden (ob.
Anm. 15), nur vom Denken aus auf die Dinge über, und eben hieraus
ergebe sich die Nothwendigkeit einer eigenen Wissenschaft, welche
diese Denkhestimmungen zum Gegenstande habe 75). Die ganze Frage
aber, ob dann diese Wissenschaft der Logik Theil oder Werkzeug der
Philosophie sei, bezeichnet Avicenna ebenso wie Alfarabi als unnütz,
da die Beantwortung derselben nur von der Enge oder Weite der Defi
nition der Philosophie abhängen).
Auch in der grundsätzlichen llaupteintheilung der Logik stimmt er
mit Alfarabi (Anm. 16) überein, indem er auf den Unterschied zwischen
b10ssem Verstehen eines Wortes und heifälligem Ueberzeugtsein von der
Wahrheit eines Satzes hinweist") und an ersteres die Definition und
deren Nehenarten, sowie au letzteres die Argumentation in ihren ver
schiedenen Formen anknüpft“), so dass hiemit der Zweck der Logik
Noch deutlicher aber spricht er das Verhältniss der Logik zu den übrigen Zweigen
der Philosophie aus Metaph. l, 2, I'. 70. v. A: Subiectum scientiae naturalis est
corpusl non in quantum est ens nec in quantum est substantiaq sed in quantum
est subiectum motui et quieti . . . . .. Subiectum vero scientiae doctrinalis est mensura
sive intellectu absque materia sine intellectu in materia Subiectum vero logicae.
sicut scistiv sunt intentiones intellectue secumlo, quae appanuntur intentionibus primo
intellectisl secundum quod per eas pervenitur de cognito ad incoym'lum, in quantum
ipsae sunt intellectae et habent esse intelligit/iter quod esse nullo modo pendet ex
materiay vel pendet ex mata-iuy sed non corporea.
75) Logicav t. 2. r. B: Ites autem non sunt incognitae nisi quantum ad nas;
dispositio vero et id, quod accidit rebus ez eo, quod ineitarnur per eas de cognitis
ad incoynim, es! dispositio et accidenx, quod accidit eis in intellectuq quamvis ipsae
habeant esse praeter hoc. Ergo de necessitate opus est scientia ad cognoscendum
illus dispositiones1 quot sunt et quales sunt et quomodo consequatur hoc accidens
76) Ebend: Sed tunc secundum quem fuerit philosophia tractaus et divi
dens ct inquirens resl secundum quod habent esse et diuiduntur in duo praedicta
esse, scientia haec secundum eum non erit pars philosophiae ‚ sed secundum quod
prodest ad lioc, erit secundum eum instrumenlum in philosophiug secundum quem
vero philosophia fuerit tractans de omni inquisitione speculativa et de omni mado,
haec scientia secundum eum est pars philosophiae et instrameutum ceterarum partium
philosophiae (f. 2. v. A.) E! iude deceptioncs. quae sunt de huiusmodi quae
stimme, frustra et super/tuae sunt; frustra. quia non est oppositio in his dictionibusv
unusquisque enim eorum intelligit de philosophia aliud, quam alias; super/tuae vera,
quia sollicitudo de huiusmodi non prodesL Hiezu ob. Anm. 14.
‘ 77) 1. 2. v. A: Bes scitur duobus madis: mm, u! intelligatur tantum ita.
ut. cum nomen habenti quo appcttetun repraesentetur animo eius intentio1 quamvis
non sit ibi veritas nec falsitasl sicut cum dicitur „Iwmo“ aut cum dicitur „fac
hoc“ altero1 ut in intellectu sit credulitasy sicut cum dicitur tiln', quod
onmis albedo sit accidens, ex quo non habebis intelligere huius dictionis intentionem
tanlum, sed etiam credere ita esse,- cum vero dubitaveris ita esse vel non esse,
iam inteltczisti quod tibi dictum est; non enim dubitas de hoc, quod non intelligis.
nec de eo, quod iynuras; nondum tamen credidisti.
78) Ebend.: Es! ergo hic qaoddam, quod solet prodesse ad sciendum i'd, cuius
intellectus neseitur linum enim eorum est dif/initio et- aliud descriptio et aliud
cxemplum et aliud quod est signum et aliud est Immun, sicut postea declarabitury
sed illud in quo conveniunti non habet nomen commune beinde per illud cogno
scitur aliud ad modum credendi ittudg quatecunque filmt, vocatur ratio; ratio (das
PltAN'IL, Gesch. 11.. ‘ 21
322 XVI. Avicenna.‘
darin liege, nach diesen beiden Seiten ein festes Wissen über die
grössere oder geringere Vortrefflichkeit der menschlichen Rede bezüglich
der Auffindung der Wahrheit zu erwecken, da überall der Abweg zur
schwankenden blossen Wahrscheinlichkeit oder zum directen lrrthume
möglich sei“). Und indem Avicenna wohl daran denkt, dass bisweilen
auf bloss natürlichem Wege ohne weitere Technik eine richtige Defini
tion oder eine glaubhafte Argumentation gefunden werde, zugleich aber
Solches als lcdiglichen Zufall bezeichnet, wohingegen bei der Schwäche
der menschlichen Natur eine Garantie nur in längerer Uebung gefunden
werden könne, und sonach eine förmliche Technik erforderlich sei s0),
so sagt er, die Logik verhalte sich zum inneren Denken ebenso wie
die Grammatik zur Sprache oder wie Harmonie zum Metrum 5’). Eben
hieran aber knüpft sich die Bemerkung, dass jene beifällige Ueber
zeugung nicht durch Einen Gedanken allein, welcher aus Einem Worte
gefasst werden kann, sich erwecken lasse, sondern in den allermeisten
Fällen nur aus den zusammengesetzten Gedanken eines Urtheiles her
vor-gehe, daher wie bei allem Zusammengesetzten es sich vorerst um
die Kenntniss der einfachen Bestandtheile handle 32). Wenn aber hiemit
Eine Mal fehlt ratio im Texte) alia est syllogismus et alia inductio et alia simili
tudo et alia aliud.
79) f. 2. v. B: finis autem scientiae logicac est prodesse onmino ad sciendum
haec duo tantium hoc 0st, a! homo sciat, qualiter debeat esse dictio dans intellectumy
qui a/ferat scientiam veritatis essentiae rei, et qualis sitl qui etiam ostendit illamy
quamuis per eam non pemenialur ad veritatem essentiae ipsias, et qualis sit vitiosa,
quae videtur hoc facere et non facitg et etiam ut homo niet, qualis sit dictio,
quae facit fidem necessariac veritatis ita, quod non possit infirmari1 et qualis sit
faciens fidem verisimilitadinis, et qualiter sit eiusmodiy at putetur esse aliqua duo
rum modorumy cum ipsa non sit im, sed sit falsay et qualis sit ito, quod opinan
el flectat animum et sa/ficiat absque fide certissima, et qualis dictiu operans in
animal ad quod operatur fides, scilicet negationem et affirmationem et prohibitionem
et dilatationcm et constrictionem. non ex hor, quod facit fdeml sed ez- hoc, quod
facit nerisimilitudinem (Den gleichen lnhalt s. auch b. Vatlier, p. 2 fl'.)
80) Ebend.: contingit autera Immim', ut aliquando manifestetar ei diffinitio
natai'alt‘ter dans ci intellectum et ratio faciens fidem, et ex hoc est res non doctri
nalis nec sic vom, quin aliquando faltet,- si autem natura et intellectus suffciunt
ad ltoc sine doctrinas sicut lit in muttis, non contingeret in sententiis tanta diversitas
et contradictioq nec anus homo contradiceret sibi ipsi aliquando et aliquando nonyk
cum procederet secundum intellectum suumg natura autem humana est insufficiens ad
hoc, quamdiu noni acquirit dactrinanu sicut non est suf/iciens in multis aliis rationi
bus, quamvis saepe contingeretl ut faciat realem, sicut rccta iaculatio caeci . „Q
Sed quamvis ita sit inquirens seientiam, cum habuerit eum et ezermterit vom, non
tantum erroris accidet illi, quantum illis qui non habent eam Per excrcitia
enim doctrinalia pervenitur ad securitatcm errorum Albert. M.. De praedicab. l, l,
p. 2. A: Ut enim dicit Aviccnnar modus hic (sc. scientiae) omnibus hominibus per
hoc, quod intellectuates sunt quodammodoy per naturam inditus est; sed impcrfertus t
est, qui in natura est, per/icitur autem per artem adhibitam.
81) f. 3. r. A: Compamtio autem huius doctrinae ad intellectum interiorem
qui vocatur laculta interiorl est sicut comparatio grammatici ad manifestum significa
tioneml quac vocatur locutioy et sicut comparatio melodiae ad metrum ilac
autem doctrina eget homo, qui acquirit scientiam consideranda et cogitando. nisi
fuerit homo divinitus inspiratusl cuius comparatio ad considerantes est sicut compa
ratio rustici arabici ad discentcs arabicanL
82) Ebend.: impossibile ext, animum moveri ab uno solo intellectu ad creden
dum aliquidg hic enim intellectus non est iudicium faciendi fidem essendi rem vel
.‘*-_-.-__2‚& __ A _-.__ M
XVI. Avicenna. 323
auch zugestanden sei, dass die Logik durch den Zwang einer Noth
wendigkeil auf die Berücksichtigung des Wortausdruckes hingefiihrt
werde 83), so dürfe dennoch weder, wie von Einigen geschehen sei
(‘—- hieraus sehen wir, dass die Araber zu analogen Controversen wie
die Lateiner durch Abälard veranlasst wurden —)‚ die Logik sofort als
Sache des hlossen Sprachausdruckes (sermocinalis) angesehen werden,
da ja der Denkaet das Entscheidende sei S4), noch aber auch solle man
hinwieder darum, wie Andere thaten, behaupten, dass die Logik die
Sprachausdrücke insoferne betrachte, als durch dieselben Gedanken be
zeichnet werden (intellecla significantur); denn jenes Sein. welches
die Dinge allerdings im Denken haben, sei noch als ein doppeltes zu
unterscheiden, indem einerseits eben hloss die aus der Aussenwelt
aufgefassten Dinge im Denken gestaltet werden, andrerseits aber Be
stimmtheiten, welche in der Aussenwelt nicht vorliegen, den gedachten
Dingen durch das Denken selbst zukommen (Anui. 74), und sowie nicht
diess Beides Sache Eitler Wissenschaft sein könne, so falle der Logik
nur die letztere dieser beiden Seilen anheim 85).
Nachdem nun Avicenna durch solche Betrachtungen bei der Isa
non essendi intellectus autem saepe habetur ez uno solo verbo; si autem unum
non sufficit ad intelligendum illud esse vel non esse in essentia sua aut dispositioney
nec faciet fidem de alio lioc auteml scilicet ez uno verbo intelligere in paucis
continyil, et propter hoc in plerisque cst diminutio et malum Ouod autem in plc
risque dat inlelligere, sunt intellectus compositi sententiaeg compositum autem com
ponitur ex multis et inter multa sunt nnag ergo in omni composita sunt aliqua una;
unum autem in omni composita vocatur simplezl et quia eius, quod componitur ex
multis, impossibile est sciri naturam ignoratis eius simplicibusl ideo convenientius
esty prius cognoscere simplices quam romposilus.
83) f. 3. r. B: Ad considerationem autem dii-tionum ducit nos necessitasl- logi
cas enim est hoc, quod est loyicus, non habet ex hoc primo ocoupati circa verba
prima nisi quantum ad loquendum et agendumg non enim possihile esset, logicum
dicere solo intellectu . . . . .. Sed quia necessitas ducit nos ad agendum cum verbis
praecipue . . . . . .., sequt'tur, ut verba habeant diversas dispasitiones, per quas iiimrant
dispositiones intentionunh quae comitantur esse in anima ila, quod flanl eius
indiciaq quae non haberentur nisi per verbal et ideo necessarium est in doctrina
logical ut una pars eius esset consideratio de dispositionihus verborum
84) Albert. M.‚ De praedioab. l, 4, p. 5. A: Sunt etiaml qui logicam intcr
prelanlur idem quod sermocinalem scientiam ouam opinionem impugnat Aeicenna
in primo logicac suae dieens, quod sermo de se nihil signi/icutg si enim aliquid de
se significarel, semper et apud omnes illud significarety quod falsum esl; non
ergo signi/icet nisi secundum quod conceptus est in intellectu instituentis.
85) Log. f. 3. r. B: EI propter hoc non ualet. quod ille dixitl scilicet quod
logica instituta est ad considerandum dictionem secundum hoc, quod signihcat in
telleclas et quod doctrina logicac est loqui de verbis, secundum quod signi/icanl in
tellectu . . . . .. llle autem non deliravit sie, nisi quia non apprehendit certissime
subiectum logicac et modum essendi eius propriumg invenit enim esse. quod habent
res in intellectu. et ideo posuil, quod considerarc esse, quod est extra, spectat ad
doctrinas physicasv considerare vero esse, quod est in intellectu et quomodo intelli
gitur in eo, spectat ad doctrinam aliam vel partem doctrinael non distinguens ct
nesciens, quod ea, quae sunt in intellectuy aut sunt rcs formatae in intellectu ap
prchensae ettriiisecus. aul sunt res accidentes eis, secundum quod sunt in intellectu. '
quae non fuerunt repraesentatac in aliquo eztrinsecog cognitiaxaulem horum duorum
spectat (wie Jedermann sieht, ist zu lesen non speclal) ad doctrinam unam, quorum
unum est subiectum doctrinae logicac secandum accidens. quod accidit ei.
21'
324 XVI. Avicenna.
goge angekommen ist, erörtert er zunächst den Unterschied zwischen
verbundenen (complema) und unverhundenen (incomplexa) Sprachaus
drücken, indem bei ersteren, d. h. den Urthcilen, der bezeichnende
Gedanke der Bestandtlieile selbst ein Theil des Total-Gedankens des
Ganzen sein müsse ‘36), bei letzteren aber lediglich das Gegentheil hie
von slalllindep und sonach ergänzende Bestimmungen, welche von An—
deren zur Definition des incompleæum beigebracht wurden, sich als
überflüssig erweisen EW). Die innere Bedeutsamkeit (intenn'o) der un
verbundenen einfachen Worte unterscheidet er nun sofort als eine zwei
fache, je nachdem in derselben entweder kein Hinderniss liege, den
Gedanken auf eine Vielheit von Dingen, welche in ihm zusammentreffen,
zu beziehen, oder je nachdem durch die Bedeutung des Wortes eine
solche vielheitliche Beziehung ausgeschlossen sei, und in ersterem Falle,
welcher der häufigere sei, müsse man das Wort als universale, im
letzteren hingegen als particulare bezeichnen 95), und zwar komme es
bei dieser Definition des Universale nicht darauf an, ob es wirklich
von thatsäcldich vorkommenden Dingen oder von blass denkbaren aus
gesagt werde,-0der auch ob die Mehrheit selbst nur Sache der Denk
barkeit sei (wie z. B. dass es mehrere Sonnen gebe), sondern das Ent
scheidende sei nur, dass die universelle Aussage keine Unmöglichkeit
sei M’)‚ Nach der aus Porphyrius (Absclin. XI, Anm. 39) wiederholten
86) Ebend.: capitulum dicendi verbum complexum et incomplexum et dicendi
universale et particulare et dicendi essentiale et accidentale et id quod respondetur
ad quid et quod non respondetur Poslquam in docendo vt discendo necessario indi
gemus verbis, dicemus, quod verbum aut es! incomplezum aut complczum. Com—
plexum autem tat, in quo invenitur pars signi/italiae intellectusj quae es! pars in
tellectus significali a tota signihcatione essentialil sicut est hoc quod dicimus „hamo
est scn'ptor“; hoc enim verbum „homo“ significa! unum intellectumi et hoc verbum
nscriploru significat alium, quarum unumquodque est pars lmius, quod dicimus
„homo es! srriptor“ significatione requisila ez verbo. incomplemum autem es!‚
cuius pars non significat partem intellectus totius significatione essentialil sicut hoc
quod dicimus „homo“, quia „ho“ et „m0“ non significan! partes intentionig quam
significa! „homo“.
87) f. 3. v. A: Ouod autem invenitur in doctrina antiquorum de dcscriptione
verborum incamplcxorum, hoc cslx scilicet quod incompleza suntl quorum partes
non signi/imm aliquid; quam descriptionem multi reprehendunt diccnles, debere addi
ei, scilicet incomplcza esse, quorum partes non significem aliquid de intellectu tou'as,
quia contingit aliquando, partes incomplezorum significare aliquos intellectuss sed non
sunt partes intellectus tolias. Ego autcm lcneo, quod haec reprehensio error freit,
el quod haec addilio non fuit necessaria ad supplmdum, sed ad exponendam
88) Ebend.: Deindr' iuic-ntia incomplexi aut talis eril, quod non prohibelurj in
intellectu ex hoc, quod inlelligilur, mulla convenire in ea aequaliter. ut unumquod
que corum dicatur ipsum esse aequaliler, sicut hoc quod dicimus „homo“ habe! in
tentionem in anima, quae comitatur Socralem e! I'lntonem et reliquos una modo
aut eius inlenlio est una sie, quod prohibetury in intellectu multa convenire
in ea, scilicet in eo uno,‘ quod intelligitur de ca, sicu! in hoc quod dicimus „So
crales“ Prima autem pars diuisionis vocatur universalisl secunda vero parti
cularia Tu scis autemy multa esse in verbis ad modum partis primae et haec
es! intcnlio, de qua id, quod intelligitur in anima, non prohibetur habere compara
tionem similitudinis ad mulla.
89) Melaph. V, l, f. se v. A: Universale dicitur tribus modis; dicitur enim
universale secundum hoc, quod praedicatur in actu de multis, sicut homo; et dicitur
universale intentiol quam possibile cst pracdicari de mullis, etsi nullum corum habeat
1
XVI. Avieenna. 325
x . . . . ‚. .
Bemerkung, dass der Logiker auf dle treleren Fragen uber das Umver
sale nicht einzugehen brauche 9°), folgt nun eine ebenso ausgedehnte
als spitzlindige Erörterung, durch welche die Angaben über die ein
zelnen fünf Universalien vorbereitet werden sollen. Zunächst wird die
Abgränznng vorausgeschickt, dass es sich hier nicht um die denomina
tive Aussage (welche bei Adjectiven stattfindet), sondern um dasjenige
handle, was univoce, d. h. nach innerer Wesensbestimmtheit, ausgesagt
werde 9‘). Die Wesenheit sonach (essenlia) eines jeden Seienden sei
dasjenige, wodurch dasselbe mit Nothwendigkeit ist, was es ist; die
Einheit aber der Wesenheit sei nur bei Uebersinnlichem eine absolute,
d. .h. unzusammengesetzte, hingegen bei den sinnfälligen Dingen beruhe
sie auf einer Einigung mehrerer Wesensbestimmungen 92); während
nemlich in jener Wesens-Einheit die Wahrheit der Einzeldinge beruhe,
seien auch die mehreren Eigenthümlichkeiten zu erwägen, in welchen
die gleichartigen Dinge ehensosehr wie in der" Wesenheit selbst zu
sammentrell'en, und zwar können diese mehreren Bestimintheiten ent
weder derartig sein, dass eben aus ihrer Verbindung die Wesenheit
selbst besteht, oder derartig,‘ dass sie nothwendige Merkmale der he
reits verbundenen Wesenheit sind, kurz die Universalien sagen entweder
die Quiddität („quidditas“, ein Wort, von welchem allgemein bekannt
ist, dass es erst durch die Uebersetzung arabischer Litteratur in die
mittelalterliche Latinität eingeführt wurde) oder ein dieselbe Begleiten
des (comitans) aus 93). Nemlich die universellen Worte seien entweder
ru
esse in eifectul sicut intentio domus septangulaeg dici/ur etiam universale in
tentiol quam nihil prohibet opinari. quin praedicatur de multis, sicut sol et
terrag haec enim ex hoc, quod intelliguntur sol et lerra, non est prohibitum quan
tum ad intellectuml posse intentionem eorum inveniri in multis . . . . .. Possunt autem
haec omnia convenire in hoc, quod universale est i'd, quod in intellectu non est im
possibile praedicari de mnltisl et oporte-tj ut universale logicum et quidquid est simile
ei sit hoc. Vgl. Anm. 150.
90) Log. f. 3. v. B: Non curas autem secundum hoc, quod es logicusj qua
liter sit haec compamlio, et an intellectus ex hoc, quod est unus in quo multa
conveniuntv habeat esse in ipsis rebus. quae in ipso conveniunty vel esse separatem
cztra per se praeter esse, quod habet in uno intellectu ; consideratio autem horum
alterius (wohl zu lesen alliofix) doctrinae est aut doctrinarum duarunL S. jedoch
unten Anm. 176 m
91) Ebend.: Praedicatio autem fit duobus modis. quia aut univoce, sicut hoc
quod dicimusl quod Socrales est homo, „liomo“ enim praedicatur de Socrate vere et
univoceg aut denominativey ut albedo de hominel dieitur enim hamo albus e!‘ habens
albedineml nec dicitur esse albedo Noslm autem intentio non est hic nisi de
eo, quod praedicaqu univoca Diess ist principii-il benützt bei Albert. M, De prac
dicam. l, 3, p. 99. A: U! dicunt Aviccnna et Algazel omnr, quod ut univer
sale de multis et de sibi subiecta-praedicatum univoca dicitur
92) Log. f. 3. v. B: Enumeraln'mus ergo partes universalis. secundum quod
comparatur ad particularia unieoee et dat eis nomen et diffinitionem Dieemus,
quod omne quod est essentiam bohrt, qua est id quod est et qua est eius necessitas
et qua est eius esse. Essenlia autem uniuseuiusque rci una csl; sed quod est unum
absolutum. non est id quod est ex multis intellectibusy ex quibus coniunctis pro
veniat una essentia (exemplum autem huius non invenitur in rebus sensibilibus. debes
ergo nunc credere eius esse),- aliquando autem erit unum aliquid non absolutum,
cuius esse et veritas composita est ea rebus et intentionilms, ex quibus coniunctis
prevenit essenlia rei, cuius exemplum est homo. '
aaj l‘. 4. r. A: veritas autem sui esse non est nisi humanitasy- ergo id quod
seo XVI. Avicenna.
die einfache Antwort auf die Frage „was?“‚ oder sie geben diese Ant
wort mittelst der Bestimmungen, welche dein einheitlichen Verbande
der Wesenheit unerlässlich vorausgehen müssen, oder endlich sie ent—
halten jene Eigenthümlichkeiten, welche ausserhulh dieser beiden Mo
mente liegen, und sowie sie im letzten Falle accidentalia beissen, se
werden sie im ersten significantia esse und im zweiten essentiatia oder
noch besser substantiatia genannt“). Die vergleichende Beziehung
aber, welche das substantiate aut die betreffenden Einzeldinge habe.
liege für die Logik darin, dass es eben nur als der Wesensgrund des
Particularen betrachtet werden kann, da durch dessen Aufhebung auch
das l’articulare aufgehoben wird 05). Indem aber Letzteres auch von
Einigen so aufgefasst wurde, dass man das Substantiale kurzweg als
constitueus bezeichnete und in die Unaufhebharkeit desselben den Unter
schied gegenüber dein acoidentate verlegte 96), so erhebt Avicenna hie
gegen Bedenken, da der Begrill' des coush'hsem, welcher stets den
eines Anderweitigen in sich involvire, nicht vom eigentlichen Substan
tiale, sondern nur von dem das esse Bezeichnenden gelten könne und
ausserdeui bei willkürlicher ldentiiicirung mit dem eigentlichen Substan
.i.
est unumquodque singularey est ex eius humanitatev sed speciate acquiritur ez quan
titate et qualitate et ceteris. E! habe! etiam alias proprietates praeter humanitatem
in quibus conveniunt homines Sun! verae proprietates hominis communia sicut
hoc, quod est rationalis seu habens animam rationatemt et sicut hoc, quod est risi
bitis naturaliter. Sed Iwc, quod est/rationalisl est unum eorum, ex quibus coninnctis
con/latus est homo; quod autem risibitis est naturaliter. est quoddam quodl cum
humanitas con/tota est ex his ex quibus constatl fuit necesse accidere et comitari.
Mctaph. v. 6, f. 90. r. B: Pracdicabite aliud est praedicabite constitucns quiddi
tatem subiecti et aliud est praedicabite comitans quidditatcm eins, non consti
tuens ittud.
94) Log. f. 4. r. A: Jam ergo pale! ez hoc, quod haec est vcra essentia rei
et sunt hic proprietates. ez quibusdam quarum et ex aliis constat veritas rci, quae
dam vero (der Text gibt ergo) ex his sunt accidential quae non comitantur in esse
eius. E! verba uuiversatial quae signi/ieant esse unius rei aut muttorunu illa signi
licant ea. quae respondentur ad quid, non alio modoj si autem significan! eo, quae
necesse est praecederc in esse ad essentiam rei ila, quod e: coniunctione comm
proveuiat esse rei debent vocari verbum essentiatel quia rcspondentur ad quid;
quod autem signi/icat proprietaterm quae est praeter illa duo. sive sit communitas
sine non, ipsum voces accidentatq et cius intentio vocatur ouod putatur verbum substantiale, convenientius est ut conitnitnrenattio ionctceindteinotnaelsis consti
tuentes esse rei, et ut verbum significans esse rei non sit substantiateq ut „homo“
non es! substantiale hominil sed „anima!“ et „rationale“ sunt substantialia homini
95) f. 4. r. B: Hoc autem quod dicimus substantiate. quamyis secundum na
turam locutionis singularis habeat intentionem comparabitt-ml tamen serundum pta
citum togicorum significa! aliam intenlioncm; e! hoc est. quod verbum universale
est, quod significat inlcnlionem, cuius comparatio ad singutaria tatis estl quod cum
putabitur non esse substantia iltorum particulariuml non habebit esse, non quia
horum substantia particularium debebat primum destrui. ut sic possit putari illa
destrui. sed quia et illius destructione sequitur destructio ittorunL
96) Ebend..' De discutienda quod dictum est de substantiuti et accidentali. tarn
dixerunt in distinguendo substantiate ab accidentali1 quod substantiate est constiluens,
accidrntalc vero non est constituens. Sed non discernuntl qualiter est constituens et
qualiter non constituens. bisce-runt etiam‚ quod substantiate impossibile est putari
destructum. ut remanent subiectumv accidentate vero possibile est pulari destructum
ut remancat subiectum
XVL Avicenna. ‘ 327
v
tiale uns in den über Letzteres entstehenden Schwierigkeiten um keinen
Schritt weiter bringe; und in ähnlicher Weise sei, was die Unauflieb
harkeit des Substantiale betreife, doch noch erst der Unterschied zwi
scheu den wesentlichen Eigenthümlichkeiten (d. h. proprium, z. B. risi
bile bei homo) und den zufälligen Merkmalen zu erwägen, denn erstere
seien in gleicher Weise wie die Suhstanlialia unaufhabbar, wol'erne nicht
ihr Träger zugleich ttiitaufgelioben werden soll, und der wesentliche
Unterschied des Substanliale könne daher nicht in jener Unaufliebbarkeit
liegen “7); auch sei es allerdings richtig, dass bei denkender Betrachtung
der Substantialien das constituens vom constitutum nichl losgelrennt
werden könne, aber bei den Aecidenzen könne eine Lostrennung von
ihrem Träger gleichfalls eine i‘älschliche sein, sobald nemlich ein Acci
dens unmittelbar ohne Mitwirkung eines anderen Accidens den Träger
ursprünglich begleite, und gerechtfertigt sei es nur dann, ein Accidens
ohne seinen Träger zu denken, wenn dasselbe erst mittelbar durch ein
Anderes mit ihm verbunden ist”); ja Avicenna dehnt die Distinction
noch weiter aus, indem er von der nothwendig zu denkenden Eigen
97) l'. 4. v. A: Potest autem aliquis diseutere veritatem et falsitatem in his.
bicemus ergo, quia hoc quod dixerwrl, quod subslnnliale es! constiluens, non con
tinet de substantialis natura, quod es! non signi/icans esse; constituam enim est
continens aliud a se Si autem volunt constitutus intelligerei quod non intelli
gitur ex significatione sui nominis. sed volunt intelligere idem quod de substanliab',
contingit eos inducere nomen mullivocum, quod abstulerunt ab eo, cui primum im
posuerunh nec signanl intentionem eins, ad quod transtulerunty et erit labor idem
de constituente et de substanliah', quorum unumquodque tanta cgebit expositione
quanta et alterum. contra hoc unter", quod nituntur de destruetione. in opinione
debes meminisse, quod praedictum esta scilicet quod intentia universalis habet pro
prietatesy quae sunt primo necessariael quibus postea cfficilur, e! habet alias pro
prietates. quae concomitantur et sequuntur eam, cum ipsa intentio fuerit hubila,
nihil autem potest intelligi esse remotis illis proprietatibus ab eo, quae necessarioe
sunt ei ad hoc, ut liabeat esse E! quandoquidem sie est, tune proprietatesa
quae dicuntur substantialesl ezr intentionibus intelligibilibus debent neeessariae in
telligi ad subiectum hoc modog esse enim non intelligitur in intellectu nisipraecedat
prius eorum intellectus. Aeeidentia vero alia intelligere non es! prius quam intelli
gere ipsum esse, sed sunt eoncomitantla et consequential quae non sunt eonstituentia
esse ergo esse statuitur sine iltisg postquam autem statuitur sine illis, tune
non est longey quin intelligatur ipsum esse, quamvis non praecesserint ipsa vel non
acciderint intelligi.
98) Ebend.: .lam autem scis, quod hoc intelligere non uolo dicere hoc, scilicet
ut cum intellexeris aliquid et aonsideraveris in e/fustul quod intelligas etiam partes
suorum eonstituentiurn in efleclu, [ortessis enim non considerabis partes in tuo in
telle-alat sed dico, quod si consideraveris constituens et conslilumm, non erit tibi
passibile removere constitutum a constituente se laliler, ut verum sit constitutum
habere esse in intellectu non habente esse constituens se; et quando quidem ita est,
esse debet impossibile ea removeri ab eol imo debet habere ista sine dubio. Acet
dentia autem non nego, quin vere statuantur esse in intellectul cum non intelligatur
habens illa1 sed intellectus remanet ista ab eo [als]; hoc autem non af/irmo de omni
bus accidentibusi accidentiurn enim quaedam concomitanlur esse principaliter et
manifeste non rncdiante alio occidental et tunc impossibile est ea removenf ab esse
remanente esse, sicut hoc, quod triangulos es! hm'usnmdi, quod aliquod laterum
eius potest protrahi in direclum in opinione possibile est autem. quod esse
accidentis sit alio mediante, quod si non attendetur. poterit removeri a subieclo.
sicut hoc, quod omnes duo anguli trianguli sunt minores duabus rectis.
328 xvlj Avicenna,
lhümlichkeit die nicht-nothwendige‘in vier Abstufungen unterscheidet 99).
Hieran aber reiht sich nun noch ein anderer Gegenstand der Discussion,
welcher für das Folgende grossen Nutzen habe; nemlich es handelt
sich um die Frage, oh das Universale als signi/icarus esse (Anm. 94)
wirklich nach dem gewöhnlichen Sinne das nemliche sei wie dasjenige,
was im Substantiale bezeichnet wird ‘00). Hiebei jedoch bleibe es un
erklärlich, warum man dann das Substantiale dennoch nicht mit dem
artmachenden Unterschiede identificiref‘denn das esse in jener secun
dären Bedeutung, in welcher es das Suhstantiale ist, werde eben doch
in solchen Wesensbestimmtheiten ausgesprochen, welche von den Logi
kern stets als die in einer Gattung auftretenden Unterschiede bezeichnet
wurden; nach jener Ansicht aber komme das Substantiale in keine Be
ziehung zur Gattung, welche man doch als ein eine Manigfaltigkeit Ent
haltendes bezeichne, sondern indem man das Substantiale auf das blosse
quid beschränke und von dem quale quid lostrenne, wolle man gar
nicht zugeben, dus eine und die nemliche Bestimmtheit als esse auf
trete, insoferne Mehreres in ihr zusammentrell'e, und zugleich auch als
quale esse, insoferne jenes Mehrere sich von Anderem unterscheide;
hingegen klettere man unbekümmert um diese Fragen lediglich von der
Gattung abwärts zu den Arten und dann zu den Unterartetlm‘). Das
‘/‚|--\
a
99) f. 4. v. B: Potet ergo es: hoc, quod proprietatum quaedam est, quam
possibile est negari in actus ct quaedam est, quom possibilc est in intellectu negari
haberc esse ‚ et quoedam, quam possibile est negari in intellectu absolute, et quae
dam, quam impossibile (zu lesen possiliile) est negari csse aliquo modo, cum sit
accidensv et quaedami quam impossibile est uegori, cum sit substantialc.
100) Ebend.: ld quod signi/isat esse, dixerunt csse signi/icativum substantiolis
communis quantumcunquc faerit; et non pervenit ad nos de hoc plus discussionis.
an ergo perquiramus, an i‘d, quod intelligitur de hoc aerho, secundum sensum rul
garcm sit haec intentio armen, et an, quod sciunt minores et consentiunt in eo
tanquam in authcnticoj significet illud. Cum enim fecerimus hoc, ostendetur nobis
magna utilitas. ldcm autem intelligitur secundum sensum oulgarcm nunc significan
dum. Signi/icaticnm enim esse rei est i'd, quod significat intentionem. qua res est
id quod est; res autem non fit id quod est, nisi cum omnes suas habet proprietates
substantialiter tam communcs quam proprias
101) f. 5. r. A: Mirum autem est de multisl qui tenenti quod substantiale
et quod significat esse sunt unum, et non ponuntj quod substantiale sit proprium
significativum esse eins, cui est substantialel scilicet id quod eocabirnus postea difle
rentiom. Hoc autem stullum cst. cognitio autem dispositionis eins, quod signi/kat
esse secundum positioncm secundum ct sensus maiorum hoc est. scilicet quod ini-c
nimm animal et sensit/ile pracdicari de homine et equo et bove; deinde invenimus
auctores artis dicentesl quod scnsibile ct omnino quidquid est huiusmodi ex his,
vocantur differentiae corumy quae dicuntur genera, et ponuntur substantialim Et
non ponunt ea esse aliquid illius tolius, quod vocatur gcnusy et omne, quod est
signi/icativum esse et continet multa diverse, ponunt genus Ouod enim dicitur
signi/icare quale quid substantiale commune, ponunt diversam ab eo, quod signi/imi
esse substantiale communc. Ergo non tcncnt congruum esse, al unum aliquid compa
ratione multorum sit esse et quale esse, ita ut ex eo, quod conveniunt in eo illa
multa, sit eorum esse, et in hoc, quod per illud difl'erunt ab aliis multis, sit corum
quale esse Scd cum invcniunt genusp quaerunt aliudv quod sit difl'erentia, quae
constituat gennsy si est quod habet differentiam constituticamg similiter cum inveniunt
species. quacruril alia extra earum essentiem, quae sunt earum differentiae. Si
autcm id non esset signi/icativum esse, nisi cum esset genus aut spect'es, tune, cum
XVI. Avicenna. - 329
J
Richtige hingegen liege in jener obigen Unterscheidung (Anm. 94), und
es sei nur zu bedenken, dass das significans esse entweder auf eine
Mehrheit von Dingen sich beziehe, welche in ihrem Suhstantiellen sich
nicht unterscheiden, wie man z. B. von Sokrates und von Hippckrates
„Mensch“ aussagt, oder auf eine Mehrheit, welche innerhalb ihrer noch
substantielle Unterschiede enthalte, wie z. B. „Thier“ vom Pferde und
vom Esel gilt‘o'z); nemlich im ersteren Falle enthalte das significatio
esse das substantielle Wesen des Einzelnen und lasse nur noch acciden
telle Eigenthfimlichkeilen offen, im letzteren hingegen sei mit jenem
esse das substantielle Wesen noch lange nicht erschöpft, sondern gerade
die Suhstantialien, welche in den artmachenden Unterschieden liegen,
seien noch im Reste‘03)‚ Bei der Bezeichnung aber (significau'o) sei
nicht zu vergessen, dass die primäre immer die wesentliche bleibe 104),
und so stehe die Bezeichnung der parilt'tas, d. h. der Wesensgleichheit,
an der Spitze, und andere, wie jene der continentia und der comi
tantia, seien erst abgeleitetelo'“). Und was nun die Frage betreffe!
oh nicht das Substantiale zugleich auf das quid und auf das quale quid
gehen könne, und sonach eine Zweitheilung unhaltbar sei, so löse sich
dieses Bedenken dadurch, dass das quid Eines Dinges zugleich das
quale anderer Dinge involvire, jedoch nie das Suhstantiale eine acci
dentelle Qualität desjenigen sein könne, dessen Substantiale es eben ist,
est significatiuum substantialis in quo convcniuntl iudicium eius esse! diversam ab
hoc. Suut autem haec quaedam prohilientia verum esse quod dixerunt u. s. f.
102) f. 5. r. B: Diccmus, nunc iam ostensum esse, quod verbum incomplezmn
universale aut est substantiale aut accidentale, et quod es! substantialc alicuiv aut
est aptum signifcare esse aliquo modo aut non est aptum Significans autem esse
est aut quod significat esse multoruml quae non differunt substantialiter. aut signi
ficat esse multorumy quorum essentiac diffcrant substantialitm Ezcmplum autem
primi est nomen solis aut nomen hominis1 quando vocatur homo Socratcs e!
Hypocros; exemplum autem secundi est significatio huius nominis „animal“, quam
de equo et asiuo simul alicui interrogantil quid suntl respondet/itum quod sunt ani
malia.
103) f. 5. v. A: lii/ferentia autem duorum modorum haec csl, quia primus
modus es! signi/iram esse collcm'onis, c! tunc uniuscuiusque nomen eum nominis
significat et integre veritatem substanlialcm, quam habent Socrates cl Hypocras, nec
extendit eam nec relinquitur ab ca, nisi quod proprium cst uniuscuiusque de proprie
tatibus accidentnlibus, sicut iam nosti ex praedirtis. De modo vero sccundo lu sei's,
quod animalilas sola est (zu lesen non es!) significativa esse hominis et equi unius
cuiusque per sc, ex eo enim sata non est unumquodque eorum id quod cs!,' ncc
accedunt istam accidentalibus di/I‘crenliis, sed substantialibus; quidquid autem habent
commune de esse, nomen animalis signi/ira!; sensibile vero significat partem totiusa
quod complectitur significatio huius nominis „animol“; cst igiturrpars prrfcclionis
veritatis cnram, in qua convcniunt non integri-g similis cst dispasitio rationalis com
paratione hominis.
104) libi-nii Sensus enim dr significatione nominis csl, ut nomen sit illius
intentionis-1 quae rs! ez prima imposih'onc, unde etiamsi fuerit alia intentio adiuncta
primae extrinsccus, quam percipit intellectusl quando percipit primam, non ideo nomen
erit significativum eius secundum impositionem primam
105) f. 5. v. B: Si autem volumus hoc totum complecti ct acquircrey dicemusl
quod significatio dictionum est tribus modis, quia es! significatio parililalis, u! hoc
quod cs! animal, significat corpus habens animam sensibilemg c! significatio conti
nentiaev ut significatio corporis ab animali; et significatio comitantiae, ut ex tecti
significatione fundamentum Alfarabi hatte noch ausführlicher distinguirt, s. Anm. 21.
330 XVI. Avicenna.
und ebenso sei auch hinwiederum das quale quid befähigt, nach einer
anderen Seite zugleich ein quid in sich zu schliessen ‘05). kurz das
jenige Universale, welches Substantiale ist, kann nach Seite des quid
je nach der Grösse des Umfanges als Gattung oder als Art auflrelen,
aher nach Seite des quale ist es die Differenz, und jenes Universale,
welches Accidentale ist, zerfällt in die eigenthümlichen und in die ge
meinsamen Merkmale; sämlnlliche flint aber sind nicht in absolutem
unabhängigen Sinne zu verstehen, sondern beziehen sich stets auf einen
bestimmten ihnen angehörigen Umkreis l07). '.
Indem nun Avieenna nach solch ausgedehnten Erörterungen, aus
welchen ich nur das Hauptsächlichste und für die Lateiner Einllussreiche
hervorgehoben habe, endlich sich an die Besprechung der einzelnen
fünf Universalien maehllonjs hebt er zunächst, was genus hetrill't, die
Seite der Wortbedeutung hervor, indem die Auffassung des Gattungs-.
begrill‘es ursprünglich von dem Begrill‘e eines Geschlechtes und auch
von genealogischen Traditionen in den menschlichen Künsten und Be
schäftigungen ausgegangen und erst hernach auf die logische Bedeutung
im Sinne der Definition des Porphyrius übertrageü'worden seil”).
106) Ebend.: Si quis autem dizeritl quod aptum est ad quale quidl ipsum
etiam aptum est ad quidp sensibite enim, quamvis negatur signifirare esse hominis
et equi et bouis ad modum generis vel specieiy non tamen negatur signi/icare esse
commune audienti et videnti et tangenlig unde non oportet substantiate dividi in id
quod responrlctur ad quid et in id quod respondctur ad quale quid, ita ut alterum
non contincatur in allem,- non enim constatl ut quidquid signifcauerit quid ext, non
significet quale quid; unde compellunt concedere, quod nixistis, debere alios divers.
Respondemus ad illud, quod prima quaestio solvelnr, cum scielnr, nos non negare,
quod illuds quod significat quid sunt aliqua, significet quale quid sunt aliay quia
concedimus hoc; non enim negamusl nisi quia verbi gratia sensibile est signiicans
esse speciate et per hoc non debet esse contentio in hoc quod dicimasl quod
substantiale non est accidensg nostra enim intentio est. quod non est accidentate ei,
cui est substantiale. Ouaestio autem secunda solvitur per hoc, quod non intelligimus
significans quale quid aptum tantum ad quale quid absque quidy ita ut eius signi/i
catio non sit nisi intenlio intrinseca ei in nomine signi/icanle esse generale aut spe
ciale, sed intentio constituliua qua di/l'erunl; cum autem dicimus signi/imus quale
quidl intelligimus hanc intentionerm
107) l. 6. r. A: Unde esse substantiate universale aut significat (offenbar aus
gefalllen im .Texte ist esse magis commune et vocatur genus. aut signi/imo esse
minus commune et vocatur speciesv aut notat quote esse et vocatur di/ferentiag sic
universale accidentate aut est proprium et vocatur proprietas, aut convcniunt in ipso
multa et vocatur accidens commune; hoc autem quod est genus, non est genus in se
nec in comparatione omm'um, sed est genus 00mm, quae conveniunt in co; similiter
species non est species in se ipsa nec in comparatione omnium reruml sed in com
paratione eius. quod est aliquid in ipsas praeter hoc etiam di/fercntia non est difl'e
rentia nisi comparatione eiusl quod dividitur in sua essentia per illamg similiter
etiam proprietas non est proprietas nisi comparatione eius, cuius naturae accidit
tantumg similiter accidens commune non est accidens nisi comparatione eius, cui acci
dil, et non aliter. (Aehnlieh bei Schmülders, Doc. p. 29., u. vgl. unten Anm.
172.
108) Ehend.: nunc ergo loquamur de unoquoque eorum per se, et deinde to
qucmur de eorum communitatibus et differentiis, sicut habet ususl incedcntes secundum
viam aliorum.
109) Ebend z Dicemus, quod verbum signi/imus intcntioncm generis prius apud
eos secundum primam imposilionem signi/icabat aliud et deinde per impositioncni se
-w-u-fg-f-m- _.„_‚
iuo-dul- m 4*
XVl. Avicenna. i aai
lndem er aber durchaus von dem Standpunkte der griechischen commen
tatoren (Abschn. XI, Anm. 51 u. 133 ll'.) inficirt ist, fühlt er sich ge
drungen, sofort vor der näheren Erörterung des Gattungsbegrill‘es gleich
hier aut die Lehre von der Definition hinzuweisen (wenn auch mit dem
Vorbehalte einer späteren Auseinandersetzung), und er wiederholt die
schulmässige Notiz, dass bei schlechthin einfachen Wesen die blosse
Namensbezeicbnung an Stelle der Definition treten müsse, bei jenen
Wesenheiten aber, welche aus einer Mehrheit von Substantialien ver
flochten sind, die Definition in Angabe des genus und der differentia
bestehen“), während die Beschreibung (Abschn. Xl, Anm. 138) Sieh
nur in den äusserlichen Anzeichen des Gegenstandes bewegelu).
Hierauf nun l'ulgen Controversen über den tioltungshegrilll indem zuerst
das Bedenken, dass in dem Inhalte eines Gattungsbegrill‘es wieder andere
Gattungen liegen können, und liicdnrch möglicher Weise eine Gattung
von einer ober ihr selbst liegenden Gattung ausgesagt werde, dadurch
seine Erledigung lindet, dass eine solche Aussage eine accidentelle sei,
indem der Gattungsbegritl‘ seinem Wesen nach eben ein colleetiver
cundam translatum est ad signifcandum intentioneny quae apud logicos vocatur genus
(vgl. Ahschn. Xl, Anm. 40.). llli autem intentione-un in qua multi conveniebant.
vocabant genus veluti gentem (der Text gibt gcnus) eorum, ut „Caesares“, au!
patriam, u! „Acgyptii“ yidetur etiam mihin quod officia et artes vocabantur
genun E! quoniam haec intentio. quae nunc vocatur apud logicos gennsy fuit unum
in intellectul quod habet comparutionem ad multal quae conveniunt in eo, quia in
lingua sua non erat ei nomcn, qua appellarentur ea, quae sunt inter se similz'a,
transtulerunt ad hoc et vocaverunt genus hoc, scilicet de quo loquuntur dialectici et
describunt dicentesy quod est i'd, quod praedicatur de pluribus differentibus specie in
eo quod quid csL Jener Beisatz belrell's der Künste, welcher bei Boelhius sich
nicht tlndet, ist hervorgehoben bei Albert. M. De praedicab. llly l, p. 27. B: Es!
autem attendenduml quod Avicenna in primo libro logicac suae diciL quod isti ambo
modi cxtendtmtur etiam ad arti/icialiaj aliquando enim fabri dicuntur Tabu!
caitac a Tubalcaim, qui artem fabrorum inv'enü.
nm l. 6. r. B: Prius autem quam incipiamus exponere hanc descriptioneml
involvoinus facile sensum di/‘finilionis ct descriptionisy sed iii/feremus expositionem
earum usque ad Iocum, quo ostcndcmusl quid sit syllogismus demonstrative: (s.
unten Anm. ne fl'.). Dicamus ergo, quod primum, quod praedicatur et quaeritur
in difpniendo hoc est, scilicet ut nomen significe! esse rei. Si autem intentio rei
fuerit intentio incomplcza non composita ca: multis intentionibus. tunc non debet '
signi/icari cius substantia nisi nominel quod tantum significat ipsam substantiaml et
hoc erit nomen eius tantum nec crit aliquidy qua potius significatur esse rei, quam
proprium nomen Pius; . . . . ‚. quod ergo est huiusmodiy non habet di/linitiuneml sed
habet nomcn, quo ostendentur ei extra et accidentia et comitantia. Si autem intentio
substantiae fuerit composita ex intentionibus. ex quibus est eius esse ita, quod hae
deiit ci esse, quia ile substantialibus magis proprio sunt ei genus et differential
di/ferentiam autem di/fcrcntiac c! genus generis et quod componitur ez illisi habet
inediante alio, quae continentur in genere vel dificrenlia, oportet idra, ut di/finitio
sit composita ex genere et differentiaj cum autem dederint genus propinquum et tii/re
rentiaml quae est post ipsum con/icietur ex eis diffim'lio, sicut hoc quod dicitur de
di/finitionc Imminis, quod est animal rationale.
lll) Ebend.: In descriplione vero non quaeritur nisi ut componatur oratio ez
consequentibus rem, quae sunt ei paria, quae habebit quidquid continetur sub ea et
nihil aliuda ita ut signi/icet eam significatione siyni; convenientius est aulem, ut
prius ordinetur in ca genus aut proximum aut longinquuml et deinde apponantur
accidentia aut proprietatcsj quod si ita non fucritl crit tunc descriptio vitiosa.
m
.1
332 V XVl. Avicenna.
seil“), d. h. das bezüglich des Inhaltes auftauchende Bedenken wird
sogleich durch jene bei den griechischen Coutmentatoren allein herr
schende Auffassung (Abschn. Xl, Anm. 43) beschwichtigt, wornach die
ganze Lehre vom Begriffe um der Tabula logica willen ausschliesslicb
den Umfang im Auge hatte, und so trafen für die Lateiner in dieser
Corruption der Logik die Araber nachbarliobst mit der Tradition des
Boethius zusammen. Noch einlässlicher aber beschäftigt sich Avicenna
mil der Frage‚ ob denn die Definition des genus und jene der species
sich nicht gegenseitig im Kreise drehen, da genus mittelbar durch spe
cies und species mittelbar durch genus delinirt werde, was ein unwissen
schaftliches Verfahren sei; über die Lösung aber, welche von Anderen
auf Grund der Annahme beigebracht wurde, dass genus und species
relative Begriffe seien‚ welche eben darum wechselseitig durch sich
selbst erkannt werden müssen, geräth er völlig in Entrüstung, da ab
gesehen von der Verwirrung bezüglich des Begriffes der Relation der
Kernpunkt der Frage (ob nemlich wirklich in jenen beiden Definitionen
Unbekanntes durch Unbekanntes demonstrirt werde) übergangen sei "3);
denn man müsse doch vor Allem unterscheiden zwischen jenem, ex
quo aliud scitur, und demjenigen, cum quo aliud scitury indem nur
bei ersterem eine Priorität in der Demonstration bestehen“). Und so
112) f. 6. v. A: Contingun! autem circa hoc quaestiones multacl quarum uaa
2st, quod si genus habet aliquidy quod sit et quasi genus et hoc est praedicatum
de muttis, tunc genus praedicabitur dc generey quod est supra so. Ad quod respon
demusr quod praedicatur de mullisl praedicatur de genere ut gennsy sed genus de
eo non ut gennsy sed ut accidetth non enim dicitun quod omni praedicato de multis
accidit genus nisi aliquo respertul sicut animali accidit generalitas aliquo rcsprctul
scilicet respectu eomnzunitatis.
113) Ebend.: ltem quaeritur de hoc, quod accipimus nomen speciei in diffini
tione generis. Cum enim volueris di/‘finire sprriem, videtur necessario apponendnm
nomen generi-sp sicut postea ostcndetur, ‚cum dim‘tur, quod species est id quod poni
tur sub genere Sed interroganti videtur esse ignotumg ostendere enim ignotum per
ignotum non est ostendere nee declarareg omnis autem dif/initio vel descriptio est
declaratio. Ad hoc autem iam responderunt quidam dicenlesl quod quia duorum rela
lieorum unum non intelligitur esse nisi comparatione alteriusl genus autem et species
rclotiea saut, ideo debet unusquisque corum decipi in descriptione alterius necessario;
uuumquodque enim eorum non est id quod est nisi ex comparatione alterius. llaec
autem descriptio auget dubitationem in aliisy quae sunt praeter genus et speciem, in
quibus est implicatum, quod in genere et speciei augmentum vero implicationis non
est cxptioatio. lndogator etiam dicet tibir adapta dif/initionem relativorum cum dif
finitione generis et speciei et fac scire1 quomodol cum sint simul incognitas scitur
alterum per alterum ltem in solutione solent considerari propositiones quaestionis
et destrui altera vel utraque; in hoc autem solutionel quam hic inducity non con
sideraeit propositionesc non enim dicitv quod genus et species utraque non sunt
incognila apud introducendum nec dizit, cum sciatur alterum ez altern, quum ipsum
sit ignotunty „non est hoc dicere ignolum per ignotum“; hoc enim negare impossibile
erat enim nec poterit etiam nogure, quod docere ignoturn per ignotunt non est decla
rare, nec dim't, quod ex ordine harum propositionum non prom-niti quod quaeritur
etc eisg quare hic non consideroait propositiones quaestionis nec suum syllogismum
in hoc feciL E! etiam accidit ei mazirqus error ez hocv quod non potuit invenire
dill‘erenliam, quae est inter id quod scitur cum aliquo et id est quo scilur aliud.
114) f. 6. v. D: Id enim ex quo aliud scitur est id quod per se scllur et fit
pars oslendendi aliuda cui quum adiuncta fuerit alia parsv pereenictur ad cognitionem
allerius. quod iam cogniturn fuerat nunquam ante illud. Ouod autem scitur cum
yvaLd .- AP- p i
XVl. Avieenna. asa
nach löse sich dieses ganze Bedenken dadurch, dass die übliche Deli
nition des genus vollständig richtig sich verhalte, wenn auch nicht die
species als solche ausdrücklich beigezogen werde, denn die Function
der Form und des artniachenden Unterschiedes, welche im Arthegrille
zur Erkenntniss komme, sei kein Correlatives für den Gattungsbegriil',
und die Definition des letzteren könne daher füglich dahin lauten, dass
derselbe von lllehrerent, was unter sich substantielle Unterschiede ent
hält, ausgesagt wird, ohne dass hiemit die Erwähnung des Artbegrifl'es
nothwendig würe‘w). Eben darum aber musste Avicenna in den Gat
tungsbegrill' auch die Forml'ähigkeit und Bestilnnibarlteit verlegen, welche
in ihrer Verwirklichung abwärts bis zu jenen Gestaltungen treibt, welche
nicht ‚mehr Gattungen sein können, und so gilt ihm die Gattung als die
primitive Grundlage l‘ür Erfassung des Was oder der quidditasl denn
der Gattungsbegrifl‘ kann nur dadurch „in eo, quod quid es!“ ausgesagt
werden, dass das actuelle und intellectuelle Sein der Gattung die Mög
lichkeit einer Formbildung durch substantielle Unterschiede involvirtuül.
Wenn übrigens diese Auffassung durch das traditionelle Beispiel des
aliquo est id quad, cum perfecta fuerit cognitio rei ex conventu ostendentium rem,
simul sicut res etiam sciclur Cum autem scinntur alia ex aliisj sequitun ut
cognitio unius sit prior cognitione alterius et non cum cognitione allerius; et ideo
id quod scitur cum aliquo aliud est ab eo est quo scilur aliud .. .. Unde dicimusy
quod relative non di/yiniuntur secundum hanc imperitiam. quam invenerat illc. qui
putat per eam solvere huiusmodi quuestlonemj sed in di/linitione relutivorum est
quidam modus collationis. per quem rcmovebitur haec perplezilas, citius declarationis
alius esl locus.
115) Ebend.: Postquom vero iam ostendimuh illum nihil delerminasse, redi
bimus ad id, a quo digressi sumus, diren!es‚ quod dif/initio generis perfecta estl
licet nan accipiatur in ea species secundum hoc quod species est et refertur ad ipsum
sed secundum hoc quod est essentia. Cum enim intelligitur ex specie esse et veritas
rci et fonnu non erit tunc species ad genusg cum enim intelligitur diffc
rentia inesse et formay iam perfecta est di/hnilio gencris. Cum cnim dizeris, quod
genus praedicatum dc multis diversis in se ipsis esse et formis et substantialibus
ad interrogationem per quid ‚mm, iam perfecta est di/fim'lio ycneris, e! non est ne
ccsse, speciem ex hoc, quod relata cslx poni in eius diffinitionej quamvis relatio
aliquo modo haec intelligatun Sed non est sie, u! propter hoc sit di/‘finilio, quae
est eorumi quorum unum iii/nititur ex alterol sed relativ, quae est hie, intelligitur
esse haec, quod quum dizen's, quod est praedicatum de multis diversis in esset iam
. posuisti diversa in esse praedicari de ipsol et hoc 2st, quod innuit de relationel
quae tibi accidit
116) Albert. M. Top. l, 2, 4, p. on B: Genus enim est primum subiectum in
quvlihel, ut dicit At‘icerma, formabile et determinabile di/ferentiisy usque quo for
metur in specialissimasl quae di/ferentiis non sunt forinabiles. et ideo nullo modo
possunt esse genus ouia vero genus est primunt subiectum eins, in quo ext,
ideo oporlctl quod in eo quod quid est pruedicetur. Ad hoc aulcm, ut dicunt
Aeicenna et Algazel, tria exiguntutz l/num quideml quod genus actu et intellectu
all, ut quid eius de quo pracdicetur secundum entern, quod sic sil per ali
quam potentiam. sed non de necessitate naturae et substantiae1 ita quod sic insit
vel ponatur sic inesse, sive sit sic sive non tertium es!‚ quod posito genere
statim potentia formati induta ponitur inferius et in quod formubilc est genus.
Ebend. De pracdicab. IV, ‘1, p. ai B: Avicenna enim dicity quod genus uniuscuius
que primum essentiale et in/onne subiectum estj quod priinum dicitur. quia in eo
est prima potentia et prima inchoatio ad esse rei secundum substantiam et quiddi
tatem. .
aai XVl. Avicenna.
Porphyrius klar gemacht wurde, so erhoben sich hiegegen bei den
Lateinern theilweise theologische Bedenken H7).
Mit den spitzlindigsten Distinctionen schlägt sich Avicenna bei Be
sprechung der spvcies herum, welche in der Reihenfolge der fünf Worte
darum den Vortritt vor dem artmachenden Unterschiede bekömmt, weil
in ihr die Wesenheit der Gattung die Grundlage bilde, auf welcher
erst die 'l‘hätigkeit der Form ihre Wirksamkeit beginnen können“).
Den hauptsächlichsten Gegenstand der controvertireuden Erklärung bietet
eine Unterscheidung dar, welche wir bereits bei Alfarabi (Anm. 28)
wenigstens im Keime vorfanden. Nemhch das Wort „spesies“, welches
ursprünglich in gewöhnlichem Sinne zunächst jede Form überhaupt
bezeichnete, sei dann darum, weil das unter eine Gattung Fallende ver
schiedene eigenlhilmliche Wesensformen zeigt, in technisch logischem
Sinne angewendet worden; hier aber seien sofort zwei Auffassungen
auseinandergelreten, indem man einerseits in allgemeinerem und weiterem
Sinne die Species in Beziehung zur‘Gattuug bringe und sie als dasjenige
definire, von welchem die Gattung ausgesagt wird, oder andrerseits im
eigentlicheren Sinne die species speciatissima ins Auge fasse als das
jenige, was von mehreren nur numerär verschiedenen Dingen wesent
lich ausgesagt wird “9). Welche von beiden Auffassungen, deren keine
weitab hergeholt sei, da beiderseits der Begrifl' der specialitas sich
leicht einstellen konnte, eine gesehichtliche Priorität in Anspruch nehmen
dürfe, laSse sich kaum entscheiden, doch spreche die Wahrscheinlich
keit für die zweiten“). Soll aber nun erörtert werden, in welcher
11'!) Albert. M. De praedicab. lV, 4, p. 42. A: Avicenna el Araties dimm, quod
animal rationale est ut genus ad hominem c! ad nuyt‘los; quod falsum estf quia
angelus nullo modo proprie est animali sed dicitur animal aliquando propter virere
secundum intellectum S. unten Anm. m
118) Ebend. IV, 1, p. at A: tractatam de specie tanquam Secundo universali
oogimur differre tractalum de di/ferentia et tertio loco inter cuius tamen aliam rationem dicit esse Aoiceuna hancl quia udniifvfeerrsenatliiaa npoonneraeal, in
qua est genus per cssentiaml cum differentia sil actus sine forma simplexl in specie
autem per essentiam est gcnus. .
119) Log. f. 7. r. A: Species autem apud graecos dicebatur secundum aliam
intentioneru praeter speciem logicamg numen em'm, quod transtulerunt graeci philo
sophi ad intentionem speciei logieae, prius imposuerant secundum primam institutiouem
formae um'usauiusque, et quia postea inveneruan quod ea quae sunt sub eodem _
genere habent formas ct esse, quae sunt propria unicuique rot-um, ideo vocaverun!
ea ea: hoc quod sunt ita speciesy et sicut nomen generis coutinebat intentionem vul
yarem et logicumy ita nomen speciei absolute continet intendonem cutgarem et logi
cam. E! sic nomen speciei logicac continet secundum logicos duas mlentiones, qua
rum una est communior et alia magis propria. Uommuniur autem intentio haec est,
quam dicunt referri ad genus et diffiniunt dicentesv quod est posita sub genere aut
de qua praedicatur genus substantialiter et alia lmiusmodi. lntentio vero magis
propria est, quam aliquando describunt secundum aliquem respectum dicentes. quod
est species specialissima et haec est, quae significat essel quod est commune pluri
bus non differentibus substantialiler . .. .. . Sod inter hos duos adus est dilferentiar
quum tantum secundum primam intentionern rcferatur ad gennsy sed secundum secun
dam inteutionem non rcferatur ad ipsum; ad hoc enimy ut praedirelur de pluribus
differentibus numero in quidy non est „Messe, m sit aliud quid communias quam
ipsa, quod praedicatur de ipsa.
120) Ebend‚: Deinde certissime nescioy ater eorum modorum secundum logicos
XVI. Avicenna. 335
der beiden Bedeutungen species in der Lehre von den fi‘mf Universalien
zu nehmen sei, so könne die Einlheilung der letzteren allerdings so
gestellt werden, dass nur die Eine Bedeutung der Species zulässig ist;
denn theile man die universelle Bezeichnung des esse nach dem Gesichts
punkte, dass das Einzelne entweder der Art nach oder der Zahl nach
verschieden ist, so sei die auf die Gattung bezogene Definition der
Species ohnediess ausgeschlossen, und theile man den ersteren Gesichts
punkt abermals nach der Möglichkeit einer Zulassung oder Nicht-zu
lassung eines allgemeineren Gaitliings-Pri'tiliirates, so liege darin die hlosse
Potenz einer Beziehung der eigentlich stricteren Species auf die Gat
tung 121); theile man hingegen die Universalien ohne Berücksichtigung
jener Verhältnisse, in welchen sie durch Vergleichung mit dem Ein
zelnen stehen, so gelange man ausschliesslich auf jene Definition der
Species, welche die relative Bezugnahme auf die Gattung enthalt‘n).
Aber hinwiederum könne ja eine Eintheilung unmöglich alle fraglichen
Gesichtspunkte zugleich lieri'iclisichtigen‚-und so ergebe sich auch hier
erst als eine Folge der Eintheilung die Erwägung, dass die Universalien
nii
fuerit prior; non es! enim lange, quod id ad quod primum transtulerunt nomen spe
ciei, si! id quod es! supra singulariag et deinde propter hoc, quod accidit ei habere
supra se aliam carnmuniorem, nocaneruntl quod est sub communi haiusmodi, speci
alitatemg nec etiam est lange, quod otia intentio antiquorum ait, scilicet (der Text
gibt sed) quia hanc intentionern comilabatur, ut esset species specialissima, e! prop
ter suam rclatianem restringentem specialitotem tantum absque generalitate posuerunt
digniorem tunc nomine speciaütalis, et quia est statim post singulaiia, vocato est
species. Hoc autem est quod ego nequeo discernere, quamvis magis foveam, quod
nomen non fuerit prius impositum speciei secundum respectum quo refertur ad genus.
l2l) f. 7. r. B: vellemus autem scire de specie. quae una m de quinque in
divisione prima, secundum quem istorum modorum est species. Dicamus ergo posse
esse, ut haec quinquemembris divisio fia! taliterl ut includat anum tantum duorum
modorum et non alium. Cum enim dicitur. quod nomen commune substantiate aut
dicitur significare esse aut nun, si es! significans esse, au! es! signi/imm esse com
mune differentibus (ansgefallen ist: specie, au! est significans esse commune diffe
rentibus) numero non speciev tunc membrum signi/trans esse continebat genus et
speciem, quae es! statim post singularia, e! excl'udi! respectum speciei secundum
intentioneml quae est in relatione generis secundum membrum primum. E! postea
praedicatum de multis differentibus specie in quid dividitur in id‚ quad es! sie de
quo non praedicatur aliquid haiusmodi, et hoc crit quod vocatur genus tontuml et
in idl quod praedicatur de multis, de quo praedicatur aliquid huiuamodi, ct secun
dum hunc respectum erit species. Sed haec divisio non attrilmit numerum speciolitatie
secundum intentionem relatum absolute, sed ostendit nobis potestatem haiumtodi spe
cialitatis secundum hunc respectuml scilicet quod es! genus et habet specialitateml
et ostendit nobis naturam speciei secundum respectum proprium salvam ct integrum
122) Ebend_: E! possibile es! autem dividi taliler, ut de! nobis speciem, quae
es! secundum intentioncm communeml et species secundum intentionem proprium sit
in secundo membra . . . . .. Cum autem dividitur universale secundum quod es! univer
sale, communicatior consideratio de illa cstl ut dividatur divisioncl quam habet
comparatione inferiorum suorum, quibus es! universale, et tunc remocebitur species
secundum intentionem communem et non habebitur postea nisi er alio respectu, et
tunc speries, quae primo percipimr, crit species secundum intentionem propriam. Si
autem non curaverit de hoc nec de dispositionibas universalium et de accidentibus
eorumy quae sunt inter illa ex hoc quod sunt universalia, sicut hoc, quod unum es!
communius vel magis proprium comparatione alterius et non comparatione singularium,
tunc prooeniet tibi species relative.
336 XVl. Avicenna.
je nach ihrer relativen Allgemeinheit miteinander verglichen werden
können 123); wenn man? daher sich aul diesen letzteren Standpunkt
stelle und sage, dass die quiddilativen Prüdicate nach grösserer oder
geringerer Allgemeinheit sich unterscheiden und hiernach entweder Gat
tung oder Speeies sind, letztere aber ihrerseits entweder abermals als
Gattung anderer Unterarten oder nicht mehr als Gattung auftreten kann,
so sei eine Eintheilung gewonnen, in welcher die relative Definition
der Species enthalten und zugleich die strietere nicht ausgeschlossen
seil“). Werl'e man sich aber auf die gewöhnliche Eintheilung der
Universalien, wornach in dem von ihnen umfassten gleichartigen Vielen
entweder ArtsUnterscliiede oder nur numeräre Unterschiede bestehen,
und im ersteren Falle entweder das Substantiale sowohl nach Seite
des quid (genus) als auch nach Seite des quale ldifrerential oder aber
das Aceidentale (accidens) vertreten sein kann, und ebenso im letzteren
Falle entweder das quid (apecies) oder das quale (proprium) bezeichnet
sein kann 125’), so gewinne man allerdings die slrictere Definition der
Species im Sinne der species speciatissimat gerathe aber in Schwieri -
keiten betrell's der Dill'erenz und der zu enge gefassten proprietas “6%.
123) Ebend.: Non debet autem quis credi-rel ut haec quinquemembris divisio
sit includcns omne id, in quo dividitur universale,- aliquando enim aliquid dividitur
in uüqua, e! excludunlnr ab eo alia. quae non includuntur nisi in alia divisioneg
animal enim cum dividitur in loquens et in non quueus, cxcluditur volatile et
gressibile mm debes autem persistere in diceudo, quod ltucc dioisio quinquemcm
bris debeat includere omnem intentionem cuiuscunque universalis et respectum eins,
sed debes scirel quod non ducit nos ad hoc implicitum nisi quia duo membra dis
creta conveniunt in uno nomine, quod est specics. convenit-titius est autem dicerev
quod cum haec quinque habita fuerinL provenit ex comparationeq quae est inter um,
aliquid aliud, scilicet dispositio eius‚ quod est magis proprium inter ea, quae prae
dicantur in quid comparatione magis communis, ita quod sit specialitas magis
propria
124) abeuth Si autem voluerit facere divisioneml ex qua detur nobis species
secundum intentionem relatam. quae est communioiy tunc convenit dicil quod nomen
substantiate aut praedicatur in quid aut mm; id autem quod praedicatur in qui-dj
intelligitur commune id, quod convenit responderi ad interrogationem factam de mul
tis. quid sint. beinde ilicemusl quod ea quae praedicantur in quid diffcrant in
communitate et proprietateg quaedam enim eorum sunt communia et quaedam commu
niorag ex praedicabilibus autem in quid ide quod est communiusp est genusbminus
communia et minus commune est species cammunioris. inventa antoni specie divi
demus aliter dicentes necesse esse, ut aut species fiat genus alii speciei aut nun.
Et haec divisio ostendit nobis quinque manifeste. et natura speciei secundum inten
tionem communem continetur in ca; species vero secundum intentionern secundum
includetur in ea aliquo modog sed in divisione prima non fuit ita.
125) l. 7. v. A: vulgata autem dioisio harum quinque aflinior est primae dii-i
sionig dividitur enim sic .‘ omne nomen incomplczum aut significat unum aut muttug
signi/icans autem unum est nomen singulareg Asiqnificans autem multa aut significat
multa differentia specie aut numero; signi/iocus vero multa differentia Specie aut cs!
substantiale aut cst accidentaleg si autem est substantiam aut praedicatur in. quid
aut in quale quid ; siyuificans autem multa differentia specie in quid ponitur genus;
aiynificans quale quid est di/ferentia/ accidentale vero est accidens communeg deinde
diciturz quod itl, quod significat multa di/fcrentia numerol aut praedicatur in quid
et est spei-iasi aut praedicatur in quale quid et sic est proprietus.
126) Ebend.: lluec autem eorum divisio non includit speciem secundum inten
tionem rclativum nec di/ferontium secundum quod est differentia Si autem consi
XVI. Avicenna. 337
Jedenfalls aber liege für die Species das Entscheidende darin, dass die
von ihr umfasste Vielheit nur. numeräre Unterschiede innerhalb -ihrer
selbst zulasse, denn hiedurch unterscheide sich die Species von Gattung
und von Accidens, und man müsse darum die numerären Unterschiede
in strengem Sinne auch nur von dem Nulnerären verstehen 127); andrer
seits aber unterscheide sich die Species von der Differenz und von
dem eigenthümlichen Merkmale durch den quidditativeu Charakter, und
somit bestehe die strictere Definition zu Recht 128). Hingegen habe jene
andere weitere Definition ihre Bedenken, sowohl wenn das Verhältniss
der Subordination unter die Gattung zur Hauptsache gemacht wird, da
dann eine Vieldeutigkeit der Subordination möglich hleibtlm), als auch
wenn man das Verhältniss der Aussage hervorhebt, da dann die übliche
derarcn!‚ quod tu postea scies, non possent reprehendij sed sciea, eos nec conside
rasse nec percepisse, et ideo non possumus eos edcusare; fortassis autem doctorum
primus (doch wohl Alfarabl?) cansideravit; e! in hac divisione non distinzerunt
inter proprietatem et differentiaml quam non habet nisi species, et erclusemnt pro
prietatem, quae est proprietas speciei mediae (s. unten Anm. 151.) et cumpar eins;
non enim assignauerunt proprietatem secundum quod est proprietas specieig sed secun
dum quod est proprietas speciei speciatissimaej sicut non assignaverunt speciem nisi
speciatissimam.
127) Ebend.: certificemus nunc vulgatos descriptiones speciei dicentesj quod
specieil secundum quod species non refertur ad genus, perspicitur diffinitio tatis,
quod ipsa est quae praedicatur de pluribus numero differentibus in quid; in qua
‚non convenit cum ea nec genus nec accidens communel- unumquodque enim eorum
praedicatur de multis differentibus specie. non autem de multis differentibus numero.
lioc autem quod dicitur de multis differentibus numero debet intelligi de numero tan
tum. Nisi enim sic intelligaturl ex hoc, quod praedicatur de multis differentibus
numerol non prohibaretur procdicari de multis differentibus speciei praedicatur enim
de multis differentibus specie aliquando, quod praedicatur de multis differentibus
numerog quare proprietas huius nominis non est specici, sed tantum eius quod prae
dicatum nisi sic ezeludatur id, quod praedicatur de multis differentibus speciel ab
eo, quod intelligitur de hoc. E! hoc esl, per quod differunt a specie genus et acci
densj aut per quod discernitur, ab ea differrey quae praedicantur de multis difieren
tibus specie.
128) f. 7. v. B: Sed non discemitur per hoc species a difl‘erentia, quae es!
propria speciei, sicut est rationale . . . . .. Atiqui autem uerbosi possunt excludere
ab nudi/finitione secundum hunc modum discernendi speciem a differentia. Modus
vero hic est‚ ut dicatur: ex natura speciei secundum banc intentionem debet non
praedicari nisi de multis differentibus uumerog sed naturae differentioe non debetur
hoc. Et hic modus est exreplus. Sed per hoc, quod praedicatur in quid, species
a differentia absolvitur et etiam differt a proprietate. proprietas enim non praedica
tur in quid. Ergo haec descriptio est reete assignatay quae non comitatur nisi in
tentiormn, quae dicitur species speciatiasimo.
129) Ebend.: Species vero, secundum quod refertur ad genusl habe! duas de
scriptionnsy quarum una est haecv qua dicitur, quod est posita sub genere, altera
vero, quod est id de quo praedicatur genus in quid. liebemus autem hoc conside
rare dicentes, quod si nposita sub genere" intelligitur‚ quod sit magis propria quam
ipsum in praedicationey si vero intelligatur de eo, quod universale est tantum
et non singulare, si vero intelligatur, quod es! propinquius sibi coniunctum in
illa sine mcdio. si vero intelligatun quod es! sibi coniunctum non in ordine
cnmmunitatis lanlum, sed in ordine intentionim si vero intelligatur. quod est in
cuius natura est commune Hoc autem nomen „positum sub genereu non signi
ficat hanc intentionem expositum tot modis nec secundum impositionemynec secundum
usw",- non enim memini , me aliquo loco librarum auclorurn huius artis inuenissea
hoc nomen sic debere/ intelligi. s
Pnnnny GeSch. I_l. 22
3,38 XVI. hvicenna.
Formulirung der Definition mangelhaft ist‘ao), — einer dritten un
wissenschaftlicheu Definition der Species gar nicht zu gedenkenla').
Aut‘ solcher Grundlage nun lenkt Avicenna zur Tabula logica des Por
phyrius ein (s. Abschn. XI, Anm. 41), in welcher zwischen genus ge
neralissimum und species specialissima die Stulenl'olge der Mitlelglieder
sich bewegt 132), und er glaubt hiedurch die Verschiedenheit der Aul
fassungen des Arthegrill‘es in das richtige Licht gestellt zu haben ‘33).
Die nähere Verdeutlichung der Tabelle des Porphyrius führt ihn auch
hier wieder aul' jenen obigen (Anm. 117) für die Lateiner bedenklichen
Punktw‘).
Indem sodann die Erörterung über differentia folgen muss, eröll'net
Avicenna auch diese mit der Frage über den Sprachgebrauch, welcher
nicht (wie bei genus und species) ursprünglich“ populär entstanden,
sondern von vorneherein ein Erzeugniss der Logik sei, indem man zu
nächst jeden substantiellen Unterschied mit jenem Worte bezeichnete
leop Ebend.: Deseriplio uero secunda haec est. quod species est, de qua prac
dicalur genus eius in quid, aut sic dicitur, quid es! id, de quo praedicatur genus
eius in quid. Contra timc, si intelligitur praedicari in quid, quod iam osleridimus.
oportet aliquid addi, quod es!‚ de quo et aliud praedicatur genus cius in quidr el
erit hoc proprium speciei Si autem ex hoc, quod intelligitnr, inter eum et cli/
ferentiam et proprietatem et accidens iii/ferentiaintelligilun inter eum et singulare
non est difl'erentia, nisi conlineatur in ea, quod sit universale huiusmodi
131) 1. 8. r. Az (Jui autem dif/init dieeus, quod species est id, quod est magis
proprium de duobus universalibus praedicabililms in quid, nescit dif/inire speciem
132) themin lticemus autem nunc, quod genus aliud est genus1 quod impos
sibile est /ieri speciem, quum supra illud non es! aliud communius genus, et aliud
es!‚ quod secundum alium respectum potest fieri species, quia habet supra se genus
cummunius quum sit ipsum. E! similiter speciess quia ulla est species, quam im
possibile est ficri genus, nam non esl species minus communis quam ipsa, et alia
est, quae alio respeclu potest fieri genus, nam sub ipsa es! alia species minus cum
munis quam ipsa. ordinabitur ergo genusmultis modis, quia aliud est supremum
genusl quod non est species ullo modo; et genus medium, quod est species et ymux,
sub quo est species el supra quod est aliud genusg et genus infimnm, quod est
species et genus, sub quo non est genus. Similiter et species, quia alia es! infimal
sub qua non est species ullo modo, nec est genus aliquo modo; et est species su
prcmu sub generalissimo yeuere, et supra eam non est species aliquo modo; et est
species 1nedia. quae est species e! genus, sed non unius est genus e! speries.
Vutyalum autem exemplum huius est categoria substantiae (d. h. die arbor Por
phyrianu),
133) Ebend.: Respectu inferiorum est duobus modis. scilicet in respertu eorum,
quod sunt sub ipsa , secundum hoc quod non sunt species, et etiam secundum quod
de illis praedicatur. llespectus oero, quem habet ad id, quod est sub ipsa secundum
praedicotiouem, utlribui! ei intentiouem specialitatis non relative ad geiles, c! haec
est intentio secunda eius. quod dictum est. Alias vero respectus attribuit ei, quod
est species e! non genus et quod est species spccialissima, et est species eo mullal
quo diximus. intellectus autem eorum Irium, quamvis sinlcumituntes ae, sunt
tarnen, llll-‘t’t‘sl; si autem species dicitur unaquaeque istarum intentionum, dicetur
de his tribus sola participatione nominisl sed dif/initionis ipsarum intellectu erunt
diversae. _
134) l'. 8. r. B: llla autem di/ferenlia, quam atlribuerunt subslanliues perre
niens usqua ad honu'nem, non est recta, quamvis non impediat intelligi id , quod
iutenditun corpus enim habens animam, cum compleclitur vegelabilia cum sensibi
tibns, non complectitur angelos nisi sola participatione nominis; ergo corpus habens
animum neu erit continens angelos u. S. w. '
XVI. Avieenna. ' 339
und hernach eine dreifache Abstufung bemerkte‘i“), insoferne die
Differenz bald im weiteren Sinne 136), bald in engerem 137) und bald
in engstem Sinne, d. h. als artmachender Unterschied, betrachtet werden
könne, in welch letzterer Bedeutung die primäre wesentliche Function
der Differenz liege, da das Auftreten der übrigen Differenzen von dem
Dasein dieser ersten schlechthin bedingt sei 138). Hieraus lliesse die
Distinction in trennbare und nntrenubare Differenzen, welch letztere
entweder dis’Substanz oder die Merkmale betreffen können, sowie die
Unterscheidung (s. Abschn. XI, Anm. 44) in die hloss alterirende und
in die artmachende essentielle Differenz 139). lnsoferne aber die Diffe
renz als eines der fünf Universalien in Betracht komme, müsse daran
festgehalten werden, dass sie von der Species nach Seite einer quali
tativen Bestimmung quale quid) der ihr entsprechenden Gattting
ausgesagt wird, wuhei zwar jenes qualitative Moment verschiedentlich
gefasst werden könne 140), aber nie die substantielle Function desselben
135) libellis Differential: nomen secundum logicos intentionem primam signi
ficat et seciutdam; haa‘uulem intenliones non sunt sicut intentiones generis et spe
ciei; prima enim positio generis non fuit nisi a vulga, lranslatio vero fuit a maio
rilzus; sed differentiae nomen primum togiri imposuerurrt et deinde transtulerunL
cuius prima positio est haecll cum (heiter, quod differentia csl, qua differt aliquid
ab aliquo substantialiterg postquam igitur sic factum estl debet differentia praedi
cari de tribus secundum prius et pasterius, ita scilicet ut differentia alia esset com
munis et alia propria et alia magis propriu. Dieses wiederholt Albert. M. De prae
dicub. V, l, p. 50. A.
136) Ebend.: communis autem differentia est i'd, per quod potest aliquid dif
ferre ab aliquo, quod iterum potest differre per illud ab ipso, et per quam aliquid
potest differre a se ipse in duabus temporibusl cuius exemplum sunt accidentia
separabitia. ‚ v
137) Ebend.: Propria vero differentia est id , quod accidentibus est praedicabile
comimns; cum enim dicitur aliquid differre accidente inseparabili ab eo, quod per
ipsum diffc-rtj semper erit differentia propria, ut differentia hominis ab equo hoc,
quod est carnis nitidum
138) f. 8. v. A: lii/ferentia vero quae vocatur magis propriaj est constitutiva
speciet', quae cum adiunyitur naturae yencris, efficit illud speciem - et deinde comi
tatur et accidil, quidquid cumitutur et acciditj et haec est substantialis naturae
yencris, quod constituitur in esse spraici, r! haec da! esse et distinguit et desiynul;
sicut est ratio-nullius Immim', quae differt a ceten's, quae ronucniun! cum ca,- propria
enim primum concurrit naturae generis et accurrit et per/icit, ccterae vero non ad
veniunt naturae communiy nisi postquam advenit haec et adaptat et praeparat ad
omnia, quae accidunt et comitanturg haec enim non adventum nec accidunt nisi post
hanc proprielatem, quae es! sicut rationulitas homini Drbas autem scire certis
sime, quia differentia inter differentiam magis propriam et illas differentias haec es!.
139) Ebend.: unde potest dici, quod difibreutiarum aliae sunt separabiles aliae
inseparabiles; inseparahilium cera alia est substantialis et alia es! accidentalt's. Itcm
potest diri, quod differentiarum alia facit aliud alia allt'ralam; aliud vero est i'd.
cuius natura est alia, alteralum vero communius est quum illud ..... .. bifferenlia
erya, quae est magis propria, est causa essentialis differentiae facientis aliud secun
dum placitum auetorum huius artis imponentiu-m hoc namen.
140)Ebeud.: Noslra autem intenlio hic esty considerare liane differentiamv
tanhun, quae est una ex quinquel et nun alias; cuis certa descriptio est Iiaee, quod
ut universale simplex praedicatum de specie in quale quid et secundum essentiam
generis sui. E! hoc etiam, quod praedicatur de species in quale quid, habet etiam
multas descriptiones divutgatusy sicut hoc quod dicitur, quod differentia est. qua
differt a genere species, e! etiam, qua abanda! species a generel et etiam, qua
22'
340 l XVI. Avieenna.
zu vergessen sei “1), sowie andrerseils die Species in ihrer Geltung
als Universale, d. h. in ihrer Aussagbarkeit von Mehreren), bewahrt
werden müsse “2), wenn auch die nähere Bestimmung dieses Verhält
nisses theilweise über die Aufgabe der lsagoge hinausgehe “3). Hieran
knüpft sich dann an der Hand des Porphyrius (Absclin. Xl. a. a. O.) die
Unterscheidung einer die Gattung theilenden und einer die Arten con
stituirenden Wirkung der Diil‘erenz “4), wobei sich die Erwägung ein
stellt; dass manchen Dill'erenzen nur die erstere dieser beiden ohne die
zweite zugeschrieben werden müsse, da das Enthlösstsein (s. oben Anm.
34) nicht als conslituirende Dill‘erenz zu betrachten sei “5); irrig hin
di/ferunt quae convcniunt in genere, e!‚ quae praedicatur de pluribus differentibus
specie in quale quid Ebenso aus Avicenna Albert. M. De praedicab. V, l, p. 52. A.
141) Ebend.: habemus autem diligenter considerare has descriptiones et certi
ficore cas. tticemus ergo, quod cum addideriut unicuique harum descriptionum ali
quid, erit pur; hoc autem 0st, ut dicatur substantialisy et hoc substantiale est id,
per quod di/fert substantialitcr species a generc; proprietas eniml quamvis per eam
species diffc-rati non es! talium substantiolium
142) f. S. v. B: Descn'pliones vero tres prioresl quamvis sint pares cum dif
fert-ntim non tamen includunt id quod est in differentia ut genus eins, quo scilicet
completur diffinitioy quamuis sine eo possit habcri significatio substantialis aequolis,
sicut si aliquis direrel, quod homo es! rationale mortale Ouod autem est quasi
genus differentiam hoc est unircrsale; debet ergo addi illi. in descriptione vero iam
nominatur universale, cum dicitur proedicari de multisy praedicta-i enim de multis
est descriptio unioersalis. ergo iam attribuitur ei descriptio oliqna, quae est quasi
yenus. quamvis non designetur inc nomine.
143) Ebend.: Hoc indem, quod dicitur de pluribus differentibus speciel habet
tres intellectusi unuml quem non percipitj qui vult legere hunc Iihrum, quem postea
ostendemus in suo loco (s. Anm. mu ceteri vero duo prope manifesti sunt
quorunt unus est. ut natura differentiue contineat praedicatione plures species sine
dubio praeter illam unam speoivm, a qua differturg alius vero esi, quod natura
differentiae debet pracdicarip quale quid es! unumquodque multorum differentiam
specie inter sc.
144) Ebend.: Deinde differentiae duas habent comparationcsl unam ad i'd,
quod diuiduntl ‚m genus, et aliam ad id, in quod dividuntg est divisivum generis e! constitutivum specieig si autem genus fruaetriiotnalgeeneetreanliimssimnm,
non habebit differentias nisi dirisiuas, si raro fuerit sub generatissimol habebit dif
ferentias dirisicas et constituticasj et differentiae divisione constitutioae suntl quae
dividunt genus eius et constituunt speciem ex eo llirisivae vero sunta quae
dividunt istud ct constituam speciem sub eo; conslituticue vero generis non sunt
minus communes quam ipsum, sed cius divisione sunt minus communes quam ipsum
. . . . .. Nulla autera constitutiva est nisi divisivu; divisivarum (mit'm, secundum quod
vidi-tum aliqua est non constitutivag hoc autem non est nisi in differentiis negatiris
sive prieatoriis, quae vero non sunt differentiam ln einer etwas abweichenden Form
berichtet hierüber AlberL M. De praedicab. V, 6, p, ss A: vivendum cum AvieenmL
quod differentia in se tria habe!‚ scilicet quod est simplex divisiva et per hoc est
differentiag et quod est simpliciter constitutiea et hoc habet eo quod est dicisivug
habet et (erlio, quod est ad certam speciem delerminalit-m et hoc non habet ex eo
quod est dicisiva nec ex eo quod est constitutioaj sed hoc habet et hoc, quod est
_ certa rei specialis natura et forma propria ct essenliulis.
145) f. 9. r. A: Privativae enim comitantes sunt rerum comparatione intentio
‚ilmlmi,quunqdunibausutecmorecnotggimuirrr,atnioonmaelnc perniirmatonroinum inptoenlelirgeituprroniisniternctsipoencctlu qrautaimonalhiasbet res
cn sua essential cum non fuerit eius nomen; propter hoc autem non oportct. quod
negotio haec sit proprium eius nomeny sed est nomen comitans illam, quod trans
fertur ab eo, cui inditum ext, ad hoc Prieationes um, ex hoc quod sunt
XVl. Avieenna. l 341
gegen sei es, zu glauben, dass, wenn zwei Differenzen nacheinander
zur Constituirtmg eines Wesens wirken müssen, die erstere derselben
bloss eine theilende und hernach die zweite eine consliluirende sei “6),
sondern im Gegentheile bestehe überall eine Gleichzeitigkeit jener beiden
F'unctionen 147). lndem aber die Ditl'erenz in dieser ihrer artmachenden
Wirksamkeit Wesen erzeuge, welche als solche eine Gradabstufung nicht
zulassen “5), könne ein solches Mehr oder Minder allerdings bei allen
übrigen Dill‘erenzen stattfinden, denn sowie bei blossen Qualitäten sich
eine Gradabstufung durch Beiinischung der Gegensätze ergebe. so sei
auch bei dem artmachenden Unterschiede die äussere Erscheinung in
hindernde Einflüsse verwickelt, wodurch sich eine Manigfaltigkeit der
lnteusion der wirkenden Formen ergebe, während die artmacliende Form
an sich hievon unberührt und einheitlich bleibe 149). Endlich was die
privalioncs, non sunt intentioncs coustitutivae rerunt, sed sunt accidentcs et comi
tantes respective, postquam iam sunt essentiae eorum; tunc irrationalc non est vera
di/l'erenlia, in qua conveniunt bruta, et quae sit constitutiea eorum. Si autem aliquis
voluerit inodum, qui habetur verissimey non erant istae di/ferenliae; quomodo
enim essent difl'erenliae, cum non constituant aliquam specierumP Vgl. Anm. 198.
146) Eiland: De hoc auti-nu quod quidam putanl, quod di/ferentiarum quaedam
sunt conferentes esse, quae diuidunturl et deinde exspectantl donec alia veniat dif
ferentia et constituat simul, sicut rationale, quod fortasse putatur animal dioideret
' sed exspectat ad constituendam specienn donec ei adiungatur morlale, haec opinio
falsa esl; dig-erentia cnim, quae non dividit et prevenit ex ea constitutio speciei,
non est necesse omnino, u! sit constituens speciem specialissimam; interest enim,
an dicamust quod speciem ronstitnunl, au! dicamus pquod constituunt speciem spe
cialissimam Hierauf bezieht sich Albert. M. De pruedicab. Vlll, 8, p. 87 B: Dini!
Auinenna, quod cli/ferentiae non eiusdem ordinis conveniunt ad speciei constitutioneni,
quorum una est prior et altera poste-rion sicut rationale, quod est communius quam
hnmo, et mortale, quod posterius in eadem rationali natura acceptum est determinuns
ad speciem hominis.
147) Log. 1.9. t'. A: Animal rationale est, cuius iunctura habet intentionem in
tctlectivam, quae est minus quam aninial; c! non est di/frrentia, sed differentia est
pars eins, sc. rationale, nec est propriumy- ergo sine dubio est species eins; simi
liter ostendituri quod sit genus hominis, sicut mani/estacit auctor lsagogarum alias
(l’orpli Isag. 12, S. Abschn. X1, Anm. 54.); rationale igitur iam constituit speciem,
ad quam erat genus; cum ergo dividit, constituit sine dubio.
148) Ebcrid.: Uicemus autem nunc, quod essentia unius-cuiusque rci una est;
oportet ergo, ut essentio rei nec augeatur nec minuutur.
149) f. 9. r. B: Alias vero difl'ereuüas, quae adveniunt post essentiaml nihil
prohibet recipcre magis et minus, sive sintseparahiles sive sint inseparabales .
Et quamvis hominum alius sit subtilior alius vero hebeliury non tamen virtus ratio
nalis recipit magis et minus, licel etiam aliquis esset, qui omnino nihil intelligent
sicut infans; hoc enim accidens non esset eius difl‘erenlia; eins enim differentia est,
quod in sua substantia est virlus, quae, quum nihil prohilmerit, operabitur ratio
nates operationes, et haec virtus est una. lliezu Albert. M. De pracdicab. V, 2, p.
se A: Respondet Avicenna ad primum quidem dioens, quod duplex es! inlensio et
duplex est intensionis causa Una quidem per conlrarii maiorem vel minorem ad—
mizlioncm, sicut est in qualitatibus quae dicuntur scnsibilca, verum enim
album es!, cuius albedo nihil contrarii habe! admixtum Secundus modus est in
bis, quae pcrmiaztibilia non sunt, sed causanturla subiectisv in quibus sunt; haec
igitur, quia sunt esse subiecti consequential necesse est accidentia esse, et
ideo illis habitudinibus magis et minus existentibus necesse es! etiam tales formas
intendi vel rcmilti, propter quod habilior ad mirandum risibilior es! Ad hoc
autem, quod de differentiis essentiatibus et substantialibus obiicitar, solvit Avicenna
342 XVl. Avicenna.
Wortform betreffe, in welcher die Ditl‘erenz ausgedrückt wird, müsse
der gleiche Standpunkt wie bei allen Universalien eingehalten werden,
d. h. die Differenz müsse von dein unter sie Falleudcn als Prädicat,
welches Namen und Begriffsbestimmung enthält, ausgesagt werden können,
und so sei z. B. nicht „Vernünftigkeit“, sondern „Vernünftig“ als oon
sliluireude Ilifl'erenz der Species „Mensch“ zu bezeichnen l5°).
Das proprium nder die proprietas wird gleichfalls zunächst nach
seiner Wortbedeulung untersucht, wobei Avicenna sowohl den unbe
stimmt allgemeinen Sinn als auch eine allzu enge Abgränzung dieses
Wortes abweist; nemlich für die Lehre von den fünf Universalien komme
nur jenes eigentliümliclie Merkmal in Betracht, welches von den Indi
viduen Einer Species nach Seite der Qualität ausgesagt werde, und
wolle man diess auf diejenigen eigenthünilicben Merkmale beschränken,
welche allen Individuen stets gleichmässig zukommen, so müsste dieses
proprium im engsten Sinne als sechstes Universale betrachtet werden 151).
Tritt aber hiemit das eigenthümliclie Merkmal nt‘iber an die Differenz
heran‘“), so bleibt es auch in einer gewissen Verbindung mit den
übrigen Merkmalen, welche als begleitende Folgen durch die Substan
sic, quod forma substantialis. a qua sumitur diflcrentia, tripliciter consideratury
scilicet ut forma esse con/erentia et ut differentiay quia una species comparatur ad
aliud alterius spreiei, et ut adionis naturalis sive substantialis principium. n. s. w.
(f. ss A) Declaratum est igilur, quod dicendum est, differentiarum alias
quidem esse separabilesy alias autem inseparabilcs
150) Log. I'. 9. r. B: llebes autem scire. quod diffcrcntial quae est una de
quinqucz cst sicut rationale, quod praedicatur de specie absolute; rationalitas autem
praedicatur de specie denominatiueu ”am: quinque sunt unum quaddam, scilicet hoc
nomen „universale“, cuius fonna nominis in illis omnibus cst, ut praedicetur de
omnibus suis singularibusl quae convcniunt m eo, sic ut attribuat ei nomen suum
et diffinitioncm suam; rotional-itas autem non dat alicui nomen suum vel di/finitionem
suam; hoc autem si vocatur diffcrential sit dif/erential sed alterius intentionis ab
ea intentione. de qua loquimur. Similiter intellige proprietatem et accidensg haec
enim quinque debent pracdicari ad modum praedicationis generis et speciei secundum
hoc quod est praedicatio. Polemisch erwähnt bei Albert. M. De pracdicab. V, 6,
p. 64 B: bicunt aliiy quod cum divitum universale cst, quod praedicatur de pluribus
sibi subiectisy hoc dictum csl, non quod actu praedicetur de multis, sed quod apti
tudinem liabctl quod sit in multis unde cum spl-cies subiectum sil, de quo
praedicari habet hoc universale differential dicunt, quod aptitudine praedicatur de
pluribus. quamvis aliqua differentia actu non sit nisi in una sola specie. Et hanc
opinionem recitat Avicennaa et est omnino falsa. Vgl. obige Anm. sa
I5!) Log. f. 9. r. B: l'roprietas autem dicitur secundum logicos duobus modis;
uno modo, quia dicitur de omni intentioney quae est propria alicui sine absolute
sive comparatione uticuiusg alio modo, quia dicitur de aliquol quod est proprium
alicuius speciei per se et non altcri; aliquando etiam proprium diciturj quod est
speciei omnis et semper. Proprium autemy quod est hic unum de quinque secundum
Iogicas, ut puta id quod est medium ipsorum. est quod praedicatur de individuis
unius speciei in quale quid non substantialitcrl sine sit commune semper sine non;
quod enim est commune somper, sive sit species specialissima sive mcdia. magis
proprium est quam hoc; si autem hoc esset proprietus. quae esset una de quinque-y
tunc maior esset dioisio quam in quinque (s. Abschn. XI, Anm 134).
152) f. 9. v. A: Usus autem fuit. proprium accipi i'd, quod est proprium spe
ciei et dans dif/‘erentiam. Albert. M. de praedicab. VI, I, p. 71 B: cuius cxemplum
dat Aviccnna satis conveniensg ex hoc enimv quod homo est animal rationale rel
intellertualc per principia homini essentialia. sequitun est igitur aptus natus ad n'dcndum, etiamsi actu non riqdueoadL sit admirativus,
‘l
XVI. Avicenna. 343
tialitat bedingt sind (s. Anm. 97 f.)‚ und es darf sonaeh in dieser Be
ziehung kein schroll'er Gegensatz zwischen proprium und accidens com
mune aufgestellt werden l‘33), sowie die bei l’orphyrius (Abschn. XI,
Anm. 46) gegebene Viertheilung des proprium nicht mehr in Ansehlag
köinint154). Bezüglich des Sprnehausdruckes kehrt hier die nemliche
Bemerkung wie bei der Species (Anm. 150)‘ wieder, dass nemlich z.
B. nicht „risibilitas“, sondern ‚.risiln'le“ das eigentliche Universale
sei im '
In gleicher Weise'beruht auf Obigem (Aniu. 9.7 f.) auch dasjenige,
was über das accidens bemerkt wird m“), und sowie schon gelegentlich
des proprium die Auctorilät des Porphyrius etwas zurückgetreten war,
so steigert sich dicss hier zur directen Polemik. Neinlieh wenn acci
dens commune dasjenige ist, was von mehreren in ihrer Art verschie
denen Dingen qualitativ ausgesagt wird, so sei hiebei nicht sofort eine
Gegensätzlichkeit gegen die Substanz gedacht, denn wenn das accidens
commune zu den fünf Universalien gehören solle, so handle es sich
darum, dass es in gleicher Weise wie die übrigen Universalien aus
sagbar sei, d. h. z. B. in dem Urtheile „Sokrates ist weissu werde
von Sokrates ausgesagt, dass er ein die Weisse an sich tragendes Ding
sei, eben diese AuSsage aber enthalte nicht einen Gegensatz gegen die
Substanz ‘57). Denn „accidefis“ sei hier gleichbedeutend mit „acciden
tale“, welch letzteres den] „substantielle“ gegcniqherslehes und sowie
153) Log. f. 9. v. A: Om'dam autem voluerunt omnia alia praeter proprium
ponere inter accidentia communial ita ut non sit nisi unius speciei Mumm, sed non
omni aut blicui eius parli, et sit possibile illam partem illud non habere .. . Sed
haec dii-tio est vitiosa non signi/imus rem vel communitatem eius et proprietatem eius
et unitatem eiusl sed secundum aliud; nomen enim accidentis communis ponunt op
poni propria
154) Ebend.: Acceptio communior facit proprietates dividi in quatuon scilicet
in proprietatem. quae convenit alicui speeiei. sed non soli, et in cams quae
contingit omni speeieil et in caniv quae convenit soli specieiy sed vel cuique vel non
omni, et in ram, quac convenit omni et semper ltroprietas einem. quae
dignior est esse una de quinquev est illa quam diximus.
155) Ebend.: ltebes autem scire, quod proprietas quae est una de quinquel
est risibiley non risibilitasl et navigabiley non navigabilitasy et alia huiusmodil sicut
discimus in differentiag aliquando tamen concedimus in verbis et accipimus risibili
tatem loco risibilis. Diess ist wiederholt bei AlberL M. lie praedicab. Vl, 2, p.
ra B.
leop Albert. M. De pracdicam. lV, 1, p. 141 B: fam llorphyrius quam etiani
Aristoteles et Avicenna dicunl1 quod accidens duabus modis praedicatum quoddam
enim est forma absoluta et non per aliquid est acridens, et sic quantitas est
accidens et qualitas et hniusmodig quoddam autem est accidens, non quia sequatur
esse rei perfecturm sed ez aliquoi quod est extrinsecus se habens ad rei sub
stantialiaq
157) Log. l. 9.'v. A: Accidens vero commune est i‘d, quod est praedicqbile
de pluribus differentibus specie non substantialiteu ut albumy non ut albedo. Non
est autem hoc accidens illudl quod est opposilum suhslunliue; sicut multi putantg
ipsum enim non praedicatur de suo subiecto sicj ut sit ipsum sed denominatnr ab
eo nomen ; haec autem quinque praedicantnr uno mudo, sicut iam saepe dizimusg
accidens autem cormnunes quod est hie, est sicut album et sicut unum et alia huius
modi; dicitur enim nSocrates cst albus", i e. Socrates est aliquid et albedog res
autem trahens albedinem est id, quod praedicatur de Socrate praedicatione veral sed
res habens all/editiere non est accidens eo modop qua est oppositum substantiae
du-M-s. ‚ ._.„-_'-. ..
344 va Avieenna.
umgekehrt ein essentiale zuweilen Accidens ‚sein könne (z. B. das essen
tiale des Farbe-Seins überhaupt), ebenso könne ein accidentale zuweilen
Substanz (d. h. allerdings nicht substantiale) sein; bezüglich dieser
ganzen Unterscheidung aber habe Porphyrius unbedachtsam geredet 15g).
Und in der That müssen wir dem Avicenna zugestehen, dass er in
diesen Fragen die Hohlheit der Angaben des Porphyrius (Abschn. XI,
Anm. 44 tl‘.) sowohl betreth der Trennung in accidens separabite und
accidens inseparabitemely als auch in der ganzen Einzel-Entwicklung
durchschaute 16°).
_ Hiemit schliesst der erste Theil löl), und es beginnt nun entspre
chend dem Porphyrius (a. a. O. Anm. se fl'.) die übliche Erörterung über
die Berührungspunkte und Unterschiede der fünf Universalien unter
sich 162)‚ wobei wir beachten müssen, dass die Lateiner ein beson
deres Gewicht auf Avicenna‘s Berichtigungen und Zusätze legten ‘63);
ja hierin allein liegt auch in der 'l‘liat für uns die Nöthigung, jene Con
troversen, welche für das Abendland einflussreicb waren. in möglichster
Kürze anznl'ühren. Avicennn tadelt zunächst bezüglich des zwischen
158) f. 9. v. B: Accidens autem intelligitun hic pro accidentath quamvis non
sit accidens secundum veram intentionerng accidentale autem aliud est proprium aliud
communeg accidentale autem est opposilum substantiali et essentiatij accidens vero
oppositum est substantiae lfssentiale vero aliquando est accidens, ut genus acci
dentis, s'out color albedini. aliquando est substantiag accidentale similiter aliquando
est acci ens, aliquando est substantia Hie autem accidens non intelligitur nisi acci
dentalel quamvis nondum ostendimus dispositionem aecidentis, quod est oppositurn
substantiae.. Et hoc est, quod primum non consideraviL qui proposuit adeignationem ‚
quinque horum ante logicam. Albert. M. De praedicab. Vll, 1, p. 76 B: Avicenna
Porphyrium redarguitl quod omisso determinalione acridenlis, cuius intentio nota non
erats statim processil ad descriptiones'ipsius. Hiezu obige Anm. ea
159) Albcrl. M. De praedicab. vu. 2‚ p. 76 B: tum etiam Avicenna, vitium
esse in hoc, quod ..r. dividurit accidens in accidens separabile et inseparabilq dieen
los, quod dormire vel sedere est separabile accidensp nigrum vero esse corvo et Aetliiopi
inseparabiliter accidit
160) Log. f. 9. v. B: Deinde accidens commune habet descriptiones divulgatasy
sicut haec, quae dieit, quod accidens ext, quod adest et abest praeter subiecti cor
ruplionem, et quod potest idem haberc et non habere, et, quod est nec genus
nec species nec differentia nec propriuml semper autem in subiecto subsisleus. Con
sideremus ergo has descriptioncs divutgatas. Prima autem multis modis vitiosa est
u. s. w. In desoriptione autem per negationem tertia si addiderint ei, quod est
universale, huiusmodi appropriabitur accidenti communi, hic autem non addidity
nisi quia putavit es: hoc, accidens‚ quod est hic unum de quinquei esse accidcns,
quod est oppositum substantiae. Hiezu obige Anm. 30. ‘
161) Ebeud.: Explela est pars prima libri collectionis pn'mae, et deo, cui nihil
est simile. sint gratiae infinitae.
162) Ebend.: cognitio eins, quod dictum est de divisione horum quinquq sufv
[leih ad agendum de communitatibus et differentiisl quae sunt inter haec quinque.
Usus autem fuit in libris introductionurn agere de his; faciemus ergo, sicut et illi
considerantes dixerunL .
163) Albert. M. De praedicab. IX, l, p. 91. A: Ouanwis in antehabitis iam
determinatum sit id, quod de quinque universalibus tradidit Porphyrius. tamen adhuc
sunt quaedam, quae utile est scire de his, quae ex logicis doctrinis Arabum in
latinum transtulit Avendat lsraelita philosophus et maxime de logica Avicennae.
Primum capitulum huius doctrinae est de comparatione istorum quinque inter se, et
haec ad perfectionem doctrinae pom'mtu.
—\a__.h. ‚
- - -'------‚.--_d\-____
XVl. Avicenna. .345
Gattung und Differenz bestehenden Beriihrungspunlites das von Porphy
rius gewählte Beispiel ‘04), sodann findet er Gelegenheit, im Hinhlicke
auf die Differenz die quidditative Aussage derartig zu dislinguiren, dass
es auch ein praedicari quasi in quid gehe, welches bei jedem inner- ‚
halb der essentiellen Quidditüt Entbaltenen stattfinde und somit auch
von der Differenz gelten müSse H"5); ferner verwahrt er sich einmal
ausdrücklich dagegen. dass die Gattung direct als Stofl' und die Diffe
renz als Form bezeichnet werde, da eine solche Auffassung immerhin
nur gleichnissweise gemeint sein könne 166). Und sowie er hinwiederum
von einem Berührungspunkte zwischen Gattung und proprium bemerkt,
dass derselbe bei Porphyrius au nnrechter Stelle besprochen sei ‘67),
so tadelt er auch, dass die Eine jener Verschiedenheiten, welche zwi
schen Differenz und Species bestehen, nur auf Species im engsten Sinne
sich beziehe, sowie dass bei einer anderen ein schiefes Beispiel ge
wählt sei '58); ebenso muss er (vgl. Anm. 159) den Unterschied, wel
chen Porphyrius zwischen Differenz und nntrennbarcm Merkmale auf
164) f. 10. r. A: Genus autem et differentia conveniunt in vutgatoz natura
enim generis debet praedicari de speciebus . . . . .. Errmplnm autem huius posuerunt
rationale, quod contineat multas species, e! tu nosti, quid sit in hoc,- quare, sicut
nosti, non bene fecerunt in ponenda hoc exemplum rationale; quamvis enim conti
neat plures speciesl non tamen illae species propinquac sunt illius, sed sunt species
unius speciei, quam constituit rationale, quum adiungitur animali.
165) f. 1D. 1'. B: Modus uu!em‚ secundum quem processimus in ostendendo
id, quod est proedicabile in quid et praedicabile in quale quidl ostendet tibi, quod
praedicabite in quid non est praedicabite in quale quid Potes! autem aliquis
dicere nobis: vos iam saepe aperte dixistis. quod differentia aliquando praedicatur
in quid1 et praecipue in libro denwnstratioiiix. contra quem diecmus, quoniam in
terest inter hoe. quod dicimus aliquid praedicari in quid et aliquid praedicari quasi
in quid, sicut interest inter hoc, quod dicimus esse, et hoc, quod dicimus contineri
in esse; praedicabite enim quasi in quid est omne id, quod continetur in intentione
facta de esse, et illud solum non siynidcat esse; praedicabile in quid est id solum,
quod respontlctur ad quid; differentia vero continetur in esse et quasi in quid, quo
niam es! pars eins, quod respondetur ad quid.
166) f. 10. v. A: Sun! autem hic aliae di/ferenfiac, quae nunc difl'erunlur
alias direndae; quandoquidem genus non est materia nec di/ferentia est formar sed
est sicut materia eo, quod natura eius in intellectu est recipiens di/ferentium, cui
quum advenit di/ferentia. fit ipsum aliquid existens in actu, qualis est dispositio
materine et formae. Vgl. Anm. 193.
167) f. 10. v. B: Item atia communitas (d. h. generis et propriii es!‚ quod
natura generis pracdicnjur de speciebus sub se contentis aequaliter Haec autem
communitas si designaretur in communitate, quae est inter genus et speciem et dif
ferentiaml melius esset; sed ibi praetormissum ponit hic.
168) f. 11. r. A: Difierentia serunda (d. h. difl’erentiae et speciei) est, quod
species non praedicatur nisi de pluribus differentibus numero tantum1 differentia vero
plurimum aut frequenter pruedioatur de pluribus differentibus specie; quae discre
pantia est inter differentiam e! speciem specialissimom, non inter differentiam et
speciem absolute (dieses wiederholt Albert. M. De praedicab. VIII. 8, p. 87. A).
fortia vero discrepanlia ext, quod cli/ferentia est prior speciel et posuit exemplum
huius secundum destructionem dieens. quod rationale sublatum removet hominem;
sed non remunetur sublata huminc, angelus enim rationale,- nec posuit differentiam
et specieml quae sunt simul, sed accepit differentiam generis hominis et comparavit
homini; sed si atiquis diceret, quod species est prior dif/‘ercntia, quae est rationalel
esset deuius a veritate.
346 XVl. AvicennaQ
stellt, nach Form und Inhalt bekämpfen mi und bezüglich des limes-i
schiedes zwischen llill'erenz und eigenthümlichem Merkmale auf die
Nothweniligkeit hinweisen, dass der Begrill' der lJiil‘erenz genau und
gleicbmässig eingehalten werde l7"). Sodann aber folgt die sehr rich
tige Bemerkung (vgl; Abschn. XI, Anm. 53), dass, wenn man überhaupt
die fünf Universalien in ihren wechselseitigen Verhältnissen betrachten
wolle, ein weit planmässigeres Verfahren, als jenes des l’orphyrius ist,
eingeschlagen werden müsse l7‘), und nach wiederholter Hinweisung
(vgl. oben Anm. 107) darauf, dass die Universalien wechselseitig ‚in
einem engeren substantiellen Nexus stehen 172) und gerade hierin sieh
die richtige Auffassung des artmachenden Unterschiedes ergebefli’),
fügt Avicenna noch eine neue erläuternde Betrachtung hinzu, in welcher
an einzelnen Beispielen gezeigt wird, dass manche Begriffe zwei Univer
salien zugleich (z. B. Gattung und Dill'erenz oder Gattung und Accidens
zeus .”
tom f. ll. r. B: lii/ferentia et accidens inscparabilc differunt in hoc,
quod differentia semper continet id , cuius est differe-ntim sed non continetur ab eo.
oblitus autem fuit huius quod dizi‘ra!‚ scilicet quod unum subjectum ali
quando multas habet differentiase quae convcniunt in illo. Nomen autem continendi
est nomen ambignum, non doctrinalca nec oportet agere de illo; quod autem in
telligitur de modo contincndL qui atlribuitur accidcnli et gencril diversam est a
nimm, qui negatur ab cis. Em! autem alius modus, quem dicere melius [um-ab
scilicet quod accidens aliquando continetur et aliquando continetg subiectum enim se
cundum aliquid est communius et secundum aliquid minus commune
170) f. 11. v. A: lii/ferunt autem (so. species ct proprium in hoc. quod i'd,
quod est species alicm'us, fit genus alleriusl proprium eero nou fi! proprium allerius.
Haec autem differentia nimis dissolula est. Primnm quidem in prarmissis non con
sideraeit di/‘fm‘entinm, quae est inter speciemy quae est sub genera et aliud, sed
semper inlendit de specie specialissimay nunc autem prac-termittit illud et intendit de
specie. quae est sub genere Sed si dicerety quod species alicuius aliquando fit
proprium alterius proprium vero non fit species/conveniens esset differentim sed
iudicium de specie esset falsum Alia differentia est. quod species cst prior
in esse, proprietas vero posteriorl et hoc est intelligibile et concedendumg deinde
subiunxit aliam dif/verentiamv scilicet quod species semper 'esl in (zahl, proprium ali
quando. sed hic est contrarielas. '
171) f. Il. v. B: Si enim recte incessissctl debuerat assignare communitalesy
quae sunt inter quinquc. et deinde quae sunt inter quaterna et qualeruav et deinde
inter terna et lerne. el deinde inter bina et binas similiter debucrnt prius assignare
differentias uniuscuiusque ad reliqua quatuon et deinde duorum ad m'a, et deinde
uuiuscuiusque ad aliud proprie-j et si diligcnter ieisset. ut debuih non esset ibi
communitas vel differentia inter aliqua duoy quas praeterngilleret indiffinile et non
assignaret eas inter alia Ihm, quasi fortasse assignaril ubi praetennisitl convenien
tius esseL
172) Ebend.: Postquani iam oslendimus haec quinque universalim debemus scirel
quoniam i'd, quod est illis est qenns. non est genus uniuscuiusque rei. sed solius
suae specicig similiter e! dif/erentia non est differentia uniusmiusque reii sed secun
dum boc. quod est divisiou unius generis. hebes etiam scirr. quod unumquodque
istorum potest esse genus vel quasi genus et differentia et species et proprium et
aceidcns.
173) libenth cenus autem nonlest genus differentiae ullo modol nec differentia
est species generisg si enim ita esseL tunc differentrac esset alia differentiag diffe
rentia enim est intentio extra naturam gcncris; ralionnle etenim non est animal
habens rationemy sed quandam habens rationemy quamvis comitctur illud esse ani
mal, animal enim habens rationem homo esta
a
t
XVl. Avicenna. su
oder Gattung und eigenthümliches Merkmal u. s. w.) in sich repräsen
tiren können iuy
lliemit seliliesst der zweite 'l‘heil "5), und es folgt mm noch eine
Disenssion, welehe unter Allem die bedeutendste Wichtigkeit für das
lateinische Abendland in sieh trägt. Nenilirh obwohl Avieenua zu An
fang (Anm. 90) die tiel'eren Fragen über die. Geltung der Universalien
abgelehnt hatte, beruft er sich nun hier auf den allgemeinen Gebraueh‚_
wornach zumeist im Anschlusse an die Besprechung des Gattunqs- und
Art-Begrifl‘es die Frage erörtert wurde, inwieferne die Universalien in
lelleetuell lind inwieferne natürlich und inwieferne logisch seienlm)..
Die Beantwortung nun, weh-he Avieenna gibt, zeigt uns die Durch
führung jenes lntellectualismus, welchen wir bereits bei All'arabi (Anm.
23 tl'.) trafen‘“), und welcher von Avirenna schon in den Angaben
über die Stellung der Logik (s. bes. Anm. 74) zu Grund gelegt war.
Er wählt hier zur näheren Darlegung seiner Ansieht den Gattungsbegritl‘
als Beispiel an Stelle aller einzelnen Universalien und beginnt mit der
Bemerkung, dass z. B. „Thier an sich“ unabhängig vonsinnlirber Wahr
nehmung und von psychisch-intelleetueller Auffassung und ebenso unab
hängig von Universalität und Singularitilt zu verstehen sei, denn wäre
es an sich universell, so gäbe es .keiu einzelnes Thier, und wäre es
an sich singulär, so gäbe es nuui-finesl und so werde auch im Denken
„'l'hier“ eben nur knrzweg als Thi'er gellius-lll. während dieser Begrill'
durch Universalität oder Singularität im Denken neue Zusätze erhalte 1"8),
174) l. 12. r. A: babet etiam sriri, quod haec quinque aliquando commisrenlur
inter se multis modis. Genus enim cum di/l'vi'rnliu; „npprchrndens“ enim est quasi
genus di/‘frrcnliße hominis1 quae mt rationale Aliquando autem commisretur
genus cum accidenh'. sicul „co!or“‚' qui est grrms accidentiunt hominis. Pcrmr'xlio
autem generis cum proprietate est, sicut „admimns in acta" quod est ut genus
n'dcnlis in actu . . . . .. lii/ferentia etiam aliquando misrL-tur cum gcnorc. sicut „sen
sibile“, quod est differentia r-t genus hominis l'roprielas aliquando miscetur '
cum genere, „grcssibilr“ enim est proprietas communis hominis Aliquando
aulem misrelur cum occidente communi, „visiln'le'“ vtrnim es! proprietas coloruti.
Accirlms aulem aliquando miscetur cum gcnera
175) Ebend.: completa est secunda pars libri pri‘mi, et ei, qui dedit scire,
sint gratiae infinitum
176) Ebend.: Usus fuil. u!‚ cum quinque Itru'c distingulrrtvntur1 diceretur sc
cundum hoc, quod uno respeclu suul naluralia at alio rcspvrlu logicalia ot alio in
tellectuelia, c! [erlassis etiam dictreturl quod uno rcspt'rlu sunt absque multiplici
tate et alio cum niultiplicitalcg et fuit ums, ut tractatus dc bis pom-retur continuas
'cum tractatu gcneris et speciel, quamvis hoc commune sit quinque universalihus.
17'!) Die in Anm. 23. 24. n. 25. angeführten Stellen aus Albertns Magnus
erhalten -hiemit hier‚ insoweit sie neben dem Allarnbi auch den Avicenna hetrell‘en,
von selbst ihre Verwendung.
178) l. I2. r. A: Dircmus ergo imitantes priort's, quod unumquoqu eorum,
quae ponuntur earum/lla pro aliquo istorum quinque, es! in sr aliquid aliud ......
Ponuntus autem in hoc cxemplum generis dictulcsw quod animal est in se quoddam_
e! idcm esl‚ utrum sit SPnsillllP aut sit intrllortum iu unima, in so auth huius nep
es! universale nec es! singularef Si euim esst-l universale ila, quod animalitax ex
hoc, quod est animalilasv es! universal/‘21, opurkret, nullum animal esse sinyularr, ‘
sed omne animal osset universale; si autem animal car hoc, quod est auinml. esse!
singularel impossibile nach esse plus quam uuum sinqulurm scilicet ipsum singulare.
cui debetur animalitas, e! cssct imposstbilc, aliud significarv esse animaL Animal
348 ‚ XVI. Avicenns.
denn lediglich im Denken, nicht aber‘von Aussen her, werde die Ver
gleichung einer einheitlichen Form mit dem unter sich ähnlichen Vielen
vollzogenflg). So sei „Thier“ ein intellectuelles Etwas, aber etwas
Anderes wieder sei seine Allgemeinheit, und abermals etwas Anderes
dasjenige, was das allgemeine Thier ist, nemlich die Allgemeinheit sei
der logische Galtungsbeggitl', und andrerseits liege die natürliche Gattung
darin, dass „'l‘hier“ von Natur aus befähigt ist, dass mit ihm jenes
'intellectuelle Etwas nach dem Gesichtspunkte der Allgemeinheit vergli
chen werde 180), und somit sei bei dem logischen Gattungshegrifl'e trotz
‚seiner intellectuellen Quelle das intelleetuell Erfasste durchaus nicht
identisch mit dem an ihm logisch Erfassten, denn das Denken bethätige
erst die Allgemeinheit in der Denkform ——— „inlellectus agit universal“!!
tem in formis“ nam ebenso aber unterscheide sich die logische
Gattung von der natürlichen, denn während erstere dem unter sie Fal
lenden ihren Namen und ihre Definition aufpräge, verleihe letztere dem
selben nur die naturgeinässe Fähigkeit lllt‘le 182)‚ und man könne somit
allerdings „Thierheit“ (animalitas) einerseits als Gattungs-Form und
autem in se est quoddam intellectuml quod sit animal, u secundum hoc, quorl in
telligitur esse animal, non est nisi animal lantnm,‘ si autem praeter hoc intelligitur
esse universale aut singulare aut aliquid aliud, iam intelligitur praeter hoc quod
dam , scilicet id, quod es! animall quod accidit animalitati.
179) f. 12. r. B: non fit singularis, nisi addidcrit intellectus aliqm'd, per
quod fia! singularis Non accidit ertrinsecux, ut sit universale im, u! _si! una
essentia errissime, quae es! animal, cui accidit in universalibus ertrinsecus, ut ipsa
eadem habeat esse in multis, sed in mente accidit huio formar animalilali inte/tectam
ut ponatur comparatio ad multaa et ut ipsius unius formae sit comparatio certa ad
multa quae simitantur in illa
ISO) Ebend.t Animal in intvllrclur quoddam est, e! eins universalitas sive gepe
ralitas aliud quoddam, c! hoc, quod est animal gener-alc1 aliud quoddam E! gene
ralitas vocatur genus legienm, de qua intelligiturl quod praedicatur de multis iii/fc
‚ rentitms specie ad interrogationem factam per quid Naturate autem genus es!
animal, secundum quod est aptum ad hoc, ut ei, quod intelligitun de illo ponatur
comparatio generalimtis.
181) Ebend.: Cum autem generale est in intelle-aul hoc es! ‚ quod intelligitur
de genere naturali. scilicet compositum; generalitas autem intellectu per se secundum
hoc, quod es! per se sola in intellectu 1'! es! genus intelleclunt. est genus to
gricumg hoc autem genus logirum, quamvis non habeat esse nisi in intellectus non
tamen oportcty ut id, quod intelligitur ez hoc quod es! intellecluole, sit id, quod
intelligitur ex hoc quod est logicum; e! non est idcm, cum ostensa sit divi-mitur
utriusque rcspectns. Albert. M. De praedicub. ll, 3, p. 15. B: illud Aniconnae diclum,
quod intellectus in fonnis agit universalitatem. Ebend. c. 6, p. 21. B: Adhuc autem
Avcrroes e! Aoiccnna dicunt, quod intellectus in formis agit unizreroatitatz-m (s. Avcrr.
De anima t, s). _
162) Ehend.: ltcm infra genus logicum duo sunts unum species eius ex hoc
quod es! germs, alterum subiecta sua. quibus accidit Ergo ipsum attribuit
unicuique eorum generum determinatorum, quae sunt sub ipso, di/finitionem suam
‚v! nomen, et unumquodque corum dicitur csse genus et dif/initur di/‘linitt'one generis,
speciebus vero subit-clarum eins non attribuit dif/initioncm hominem enim non oportet fieri genus nec nomine nec diffinitiosnuea-nisenceucndnuommheonc;, quod
praedicatur de eo unimalilas E! onmino cum diciturj quod genus naturale dat
.ci. quod est sub sc, nomen suum et dif/initioncm, hoc non es! satis rerum, nisi
acri'dentatitrr; non enim dat er hoc, quod est genus naturalrn sicut etiam non dedi!
ei hoc, quod est genus logieurn, quia non dedit nisi naluraml quae est apta esse
genus naturate.
XVI. Avicenna. ' 349
andrerseits als Denk-Form bezeichnen, aber Gattungsbegrill‘ selbst werde
sie erst durch einen vergleichenden Beisatz, sei es dass derselbe im
Natürlichen oder im Denken liege 183). lndem aber alles Seiende nach
Analogie des Kunstwerkes in eine Beziehung zu dem künstlerischen
Urheber gesetzt werde, habe das Seiende ein Sein vor aller Verviel
fältigung (ante multitudi-nem) in der Weisheit des Schöpfers, welches
Sein jedoch nicht mehr Gegenstand der Logik (sondern der Metaphysik)
sei, und zweitens sodann werde das Sein des Seienden innerhalb der
Vielbeit der Erscheinung (in multipticitate) erfasst, worauf drittens nach
dieser l‘articularilät lpost multiplicitate'm) das Sein als ein im Denkacle
festgehaltenes l‘olgt‘“), und in diesem Sinne müsse man nun nicht
bloss dcn bisher l)eispielsweise‘(Anm. 177) gebrauchten Gattungsbegritl‘,
sondern sämlntliche l‘ünf Universalien verstehen 185). ln dieser Drei
theilnng aber, welche als solche auch von dem lateinischen Abendlande
aufgenommen wurden“), wirkt das Motiv des lntellectnalismus auch
dahin, dass die ontologische Auffassung einer Subordination, in welcher
nach der Tabula logica lndividuum und Art und Gattung stehen, in
den Hintergrund tritt, und der Unterschied dieser drei Stufen nicht in
183) l'. m v. A: Convenientius autem est‚ ut animalitas in se aliquando co
cetur forma generalis e! aliquando forma mtelligibilis; sed ex hor,‘ quod est-ani
malitasl non est genus ulla modo nec in intellectu nec extra irilellectitflz, quia non
fit genus nisi cum adiungitur ei aliquis respeotns aut in intellectu aut extra.
184) Ebend.: Sed quia omnium quae sunt comparatio ad acum et ad angelos
esty sicut comparatio artificiulium, quae sunt apud nos, ad animam artificem, ideo
id quod est in sapientia crraloris et angelorum et de veritate cogniti et comprehensi
ex rebus naturalibus, habet esse ante multitudinemg quidquid autem intelligitur de
eis, es! aliqua intentio, et demdi: acquiritur esse eis, quod est in multiplicitater et
cum sunt in nruttiplicitalg non sunt unum ullo modo, in scrtsihililmscnim [orinst‘cus
non est aliquid commune nisi tantum discretio et dispositr'o; deinde iterum habentur
intelligentiae apud nos, postquam fuerint in multiplicitate. Hoc autern, quod sunt
ante niultiplicitatem, noster tractatus non sui/icit ad hoc, quia ad alium tracta
tum sapientiae pertineL Melaph. V, l, l’. 87. r. B: Animal ergo acceptum cum acci
dentibus suis est rcs nuturatisl acceptum vero per se est natura, de qua dieitur,
quod esse eius prius est quam esse naturale, sicut simplex prius est eomposi'tn, et
hoc cst ‚ cuius esse proprie dicitur diuinum esse, quum causa sui esse est dei
intentio. ipsum vcro esse cum materia et accidentibus et ipsum esse hoc individuum,
quamvis sit dirina intentro, attrihuitur tarnen naturae particulari. unde sicut animal
in esse habet plures modus, sic etiam in intellcctu; in intellectu etenim est forma
animalis abstracto ct dicitur ipsum hoc modo forma intelligibilisg in intellectu
autem forma animalis tat-iter est, quod in intellectu convenit es: una et eadem dif/i
nitione multis particularibusy quippe una forma apud intellectum erit relata ad mul
titudinem, et secundum hunc respectum est universale (e. 2,1. 87. v. A)
Manifestum 0st, quiil sit universale in eis, quae saut, scilicet haec natura, cui acci
dit unus de intelleetihas, quem appellamus universaley qui intellectus non habet esse
per se satum in sensibilibus ullo nmdn.
185) 'Log. l'. 12. r. A: Debes'antern srire, quia hoc, quad dicimus de genere,
exemplum est speciei ct di/fercntiae et proprietatis et aecidenlis, quod deduce! te art
niam comprehendi-niliil qualiter haec sunt intellectuatia et logica et naturali-ay et quod
ex eis est in mnltiplicitate et ante multiplicitalcm et post 'mnltiplicitatem.
lem AlberL M. lie praedicab. l, 2, p. 3. B: iterum autem, quae dicta sunt,
rationem ponit Avicenna direns, rcs omnes tripliciter esse accipiendas, scilicet quod
primo accipiantur in essentiae suac principiisy secundo in esse, quod habent in sin
yularilaus prapriis, tertio autem secundum quod acceptae sunt in intellectu
350 XVl. Ayicenna.
die objectiven Dinge, sondern in die subjective Denkaufl‘assung (respectin)
verlegt wird '57); ja Avicenna scheint diesen seinen aristotelischen Stand
punkt, wornach das Universale in multis et de multis ist, auch seinen
platonischen Gegnern gegenüber durch specielle Beweise gerechtfertigt
zu haben 18“3).
Es bietet ein eigenthümliches Interesse dar, wenn wir aus dieser
Auffassung der Universalien ersehen, dass die Araber bei ihrer voll
ständigen Kenntniss des Aristoteles auf Erwägungen und Ausdrucks
weisen gerietheu, welche sich -sehr nahe mit demjenigen berühren,
was das frühere lateinische Mittelalter auf beschränkterer Grundlage in
einer bunt sich kreuzenden Parteispaltung ausgesprochen hatte; denn
sowie uns der Ausdruck „quae similanturu (Anm. 179) an die indiffe
renz-Lehre (Abschn. XIV, Anm. 132) und das Wort „respectus“ (Anm.
181 u. 187) insbesondere an Adelard von Bath (ebend. Anm. 141)
erinnert, so dürfen wir hei jenem naptum esse“ (Anm. 182) an Abälard
(ebend. Anm. 286) und bei „natura“ (Anm. 184) an Gilbert (eheud.
Anm. 461) vergleichsweise denken. Aber dass die Araber über solchen
verschiedenen Wendungen nicht jene höhere Einheit aus dem Auge ver
loren, welche in dem aristotelischen lnlellectualismus liegt, und dass
sue trotz alledem den platonischen Realismus des l’orphyrius hieinit
amalgamirtenLd. h. dass sie den Universalien eine metaphysische Exi
stenz im Geiste Gottes fonte rein) und zugleich eine intellectuelle Existenz
im menschlichen Denken zulheilten, _\\'elch letztere aus der vielheitlichen
Erscheinung (in' re) zum Begriffe (post rem) sich erhebt. darin liegt
der entscheidende Einfluss der Araber auf die Lateiner des 13. Jahr
hundertes. Denn diese dreifache Betrachtungsweise der Universalieu,
... hv } A ' J. l.‚.”„‚es1
187) Log. f. 12. v. B: Ergo individuatitas est de dispositionibusx quae acci
dunt naturis subiectis generalilati et specialitatiy siru! accidit ei gcneralilas et spe
cialitas. lii/ferentia antemq quae est inter hominemy qui est species. et individuam
Itominis, quod est commune non tantum nomine sed et praedicatione de multis, haec
cslx dicimus eaim, quod intellectus de homine. qui est speciesv est, quod sit animal
rationale; quod autem dicimus de homine individual est. quod haec natura accepta
cum accidcnlty quod accidit ri, cuniunclu est alicui ‚materiar desig'natae Genr
g'atitas ergo et specialitas et individuatitas non sunt subiectoruin particulariuml quu
rum unum sit sub altere, sed sunt respcctas, qui contingunt ci.
1ssi Albert. M. a. a. O. ll, 3, _p. 13. B: Hi qui thront, in solis nudis puris
que intellectilms posita esse (sc. universutia) septem pro se fortiores inducunt ratio
nes. Dicaat man, quod Bovlhias et Aristoteles et Avicenna dicunty quod omne. quod
separatum in natura estl ideo est, quia unum numero est; universale autems quod
est genus et species, non unum numero est, eo qaod universale est unum in multis
et de multis Serundam adducunt rationem; dicunt cnim, quod omnia quod
separatum a natura est separalum habens esse extra intelligentiamy hoc aliquid est.
E! hoc quidem dictum est Aristolelis et Avicennae et probatur per indurtionem . . . . ..
(p. 14. A) Quinte opportun! diccnlrs, quae Avirenna dixit et Algazrl, quod univer
sale, quod est genus vel speciesl si extra intellectum est, au! coepit esse aut non
coepit esse; si dica!ur‚ quod non coepit esse, scquilur, quod aeternum sit, quod
esse non potest, cum causam habeat intelligentiae tanzen, quod facit et dat omnes
furmas; si autem coepit esse, aut coepit esse a se ipso aut alt alio; non autem
coepit esse a se ipso, quia nihil incipit a se si autem ab alio coepit, per
actum agentis coepitq nihil autem fit per actum agentis nisi particulare et individuam
quia onmis actus circa particularia ext.
XVl. Avicenna'. 351
aus welcher erneuerte Streitigkeiten sich erheben, haben die Lateiner
aus keiner anderweitigen Quelle, sondern nur aus arabischer Litteratur
geschöpft, und, um von dem überhaupt bornirten Albertus Magnus ab
zusehen, auch Thomas von Aquin hat in diesen Fragen keinen einzigen
Gedanken selbstständig aus sich erfasst.
Ueber die lsagoge aber erstreckt sich der uns überlieferte latei
nische Text der Logik Avicenna’s nicht hinaus, und während wir aus
dem Bisherigen wohl entnehmen können, mit welch ängstlicher Ausführ
lichkeit wahrscheinlich sz'nnmtliche im ganzen Gebiete der Logik auf
tauchende Fragen behandelt gewesen seien, sind wir für alles Uehrige
entweder auf gelegentliche Angaben in Avicenna’s Metaphysik oder auf
secundäre Berichte angewiesen. I
Was hiemit zunächst die Kategorien betrifft, so 'künnte sich
uns allerdings darüber ein Bedenken erheben, welche Stelle denselben
Avicenna innerhalb der Logik angewiesen habe, da er in Einer Bear
beitung erst gegen den Schluss des Ganzen die Kategorien mit der
Lehre von der Definition verllichtls“). Doch spricht jenes zweite me
trische compendium (Anm. 69) für die gewöhnlich übliche Ordnung l‘30),
welche Avicenna auch jedenfalls in seiner coinmentirenden Thlttigkeit
eingehalten haben muss. Die Begriffe des Synonymen u. dgl. scheint
er ziemlich als Beiwerk der Kategorienlehre betrachtet zu haben, indem
ihm wohl die hauptsächliche Bedeutung der prädicamentalen Aussage in
einer näheren Beziehung auf den in der lsagoge besprochenen Verwirk
lichungs-Process des Gattungshegriffes liegen mochte 1"'1), daher er auch
den Grundsatz, dass das Prädicat des l'rädicates vom Subjecte gelte
(die sog. regula de quocunque. vgl. vor. Absehn. Anm. 32) in umfassen
dem Sinne sowohl fflr bejahende als auch für verneinende Urtheile ver
standen wisseu wollte 192). Dass er bezüglich der Kategorie der Sub
stanz die aristotelische Auffassung vertrat, erhellt schon theils aus
Obigem (Anm. ae f.), wo ihn in dieser Beziehung der Bericht des
Albertus dem All'arabi gleichstellt, theils besitzen wir hierüber auch
einzelne nähere Notizen. So hat er namentlich deuGattungsbegrill' als
ein potenzielles Sein gefasst, aus welchem der artmachende Unterschied
zur Actnalität heraustrete (vgl. Anm. 116 u. 166), bediente sich aber
dabei noch einer feineren Uistinctinn, indem er hiefi'ir lieber das Wort
„potestas“, als „putentia“, wählen WtJlllfl.193). llnd indem ilnn allerdings
189) Bei Veuier (s. oben Anm. 68.), p. 232 ff.
mm Bei Schmülders. vocum p. 30.
19l) Albert. i‘ll. De pruetlicum. l, 3. p. ga B: Uuuunns mattiqu siw ‚sva
nyma ct diversivura nun surit de Iris, quibus prundicubzle ordinutur in lium generisl
Iumeu, quia Avicmma et Algusel et Joanncs llumuscmus in suis praedicamenli:
ponunt istu, et nos ea hic ponenms.
mm Ebend. l, 6, p. 102. A: quaerunun de eo, quod pmedicalur, dicuntur
noto ordine et substantiali, omnia etiam dici de subiecto necesse est (p. 102. B)
Et sicut Aviccnna et Alyezel diruul, in negatione est similiter-j dummodo negentur ea
de pracdiculo, quaecunque sunt secundum formam speciei aut generis praedicato
opposita. v
193) Ebend. De pruedicull. V, 4, p. 60. B: Et haec est Aviceunae delenninalior
sicut colligi putest in prima pliilusopliia ipsms, propter quod dicitur genug potestate
_.n._..-AaLA.u—A...m_.-..‚..g.‚._
352 XVl. ' Avicenna.
die Substanz als das Substrat aller übrigen Bestimmungen galt, welche
in dieser Beziehung dann Aecidentien seien 194), so konnte er doch
hierüber seinen obigen Begrill‘ des substantiale (Anm. 94 ll'.) nicht ver
gessen, sondern er erblickt in dem bleibenden Einheitlichen z. B. der
Qualitäten ein Mittleres zwischen Substanz und Nicht-Subsmnz’95)‚ und
ebenso gründet er auf das Substantiale den Umstand, dass die Substanz
als solche keiner Gradabstul'ung l'ähig ist 196). Ebenso musste auch bei
Avicenna (vgl. Anm. 34) die aristotelische Auflassung des Entblösstseins
zu 'l‘age treten, und sowie er die verschiedenen Wortbedeutungen dieses
ßegrill'es aus Aristoteles (Abschn. lV, Anm. 404) erörtertw"), so suchte
er so sehr als möglich eine ldentiiicirung des Entblösstseins mit dem
artinachenden Unterschiede zu vermeiden Im‘). Ganz besonders aber
beschäftigte ihn die durch Andere hervorgerufene Frage, ob die Quan
tität und die Qualität ——- denn bei den übrigen Kategorien sei diess
selbstverständlich —— zu den Accidentien gerechnet werden können ‘99),
iniquo m
habere differentiax potius, quam potentia,‘ quia polenlia ad esse et non esse indiffe
rens esti poteslas autem es! potentia stans per atlas incttoationem. '
uui Ebend. V. 4, p‚ sa A: Dici! Aviceunos quod subiectum est ens in se
completuml quod es! occasio altert, tt. e. aceidentt exactum in eo. Ebenso Anal.
post. l, 4, ll, p. 583. A.
195) Ebend. Top. l, 2. 5, p. 674. B: Cum dicitur „album es! coloraluni dis
gregativum visus", hoc es! quidem subsluntialel non es! substanlia; dicit enim Ari
emm quod substantialc raedium es! inter substantiam et non subsmnliam, et neque
es! accidens neque substantia propria
196) Ebend. De praedicum. ll, 10, p. 117. B: Subxtantia non potest suscipere
magis et minus, quitt, sicut yrobat Aniccimu, si magis susciperotl sequeretur
quod ipsum esse substanliate plus formae suhsluuhali appropinquaret per ipsius for
mae adeptioncmg quod falsum est‚ cum nihil medium habe/itp inter esse enim et
non esse nihil est medinm; e! ideo secundum esse substantiate non potest esse
intensiv neque reniissio in aliquo.
197) Metapli. VII, 1, f. 95. v. A: Oportc! untem, ut scias, quod jir-italia dici
tur multis mudts. lliritur enim privatio i'd, quod debet esse in aliquo nec es! in
eo, non quod non sit illius nmdil ut sit in eo. quamvis sit illius naturael ut sit
in aliquo. E! dicitur prioatio i‘d, cuius natura asl esse in genere alicuius rei uec
esl in ipsa re, quia non es! illius modil ul sil in ea, sine illud sil genus proximum
sine louginquunu Et dicitur privatio i'd, cuius natura es! esse rei non absolute,
sed in sua Iwra. quae praetor-illv sicut seneJ: edentutus. l‘rior vero niodux nimium
convertit negationi, alii modi llli/ferunt ab ea. E! dicitur priralio amissm per violen
!i'am. E! dicitur privatio i'd, per quod aniisitlres integritalem suam, monoculus
enim non dicitur caecus nec etiam videns absoluto . . . . .. Deinde de prinalione prae
dicatur negativ, xed non connertiturg prioalio vero non praedicatur Privatio enim aliquando es! in materi-ar aliquando est comes essentidaee.conVtgrla.rioSu/fic.
l, 2, f. lll. v. B.
198) Alberl. M. De praedicah. V, 3, p. fiti B: Aviceima eliam hanc differen
tiam, quam „mortute“ dtxmms, inipugnare videtur dicens, quod a pn'vatione non
tantum secundum nontenj sed etiam secundum ram .numen accipitg priualio autem
non est fomm; cum igitur onmis di/ferenlia a forma aliqua sumptu sil, videtur mor
tale differentia non esse. Vgl. Anm. 145.
l 199) Mt’ltlp/l. lll. l, l'. 78. r. A: llico igitur. quod in principio logicac iam
eognomsh, quidditatem decem pracdrramcntorumg et ideo non duliitas, quia M, quod
ex eis asl ad aliqui-da iu quantum asl ad aliquidl es! res accidens alicuiz similiter
comparationesl quae sunt in ubi et quando et in silu et in agere et pali el in ha
bere; sunt enim disposiliunes accidentes aliquibus, m quibus simt, sicut i'd, quod
est in subtecto. st quis autem dixerity quod agere non es! sie, eo quod esse aclionis
tun- . I'- '-- u -010... A4.
XVI. Avicenna. 353
und gegen jene pythagoreisch--platonischen Annahmen, wornach die
Quantität entweder als continuirliche (in letzter Instanz der Punkt) oder
als discrete (zuletzt die Eins) zu uonstituirenden Wesensheits-Prineipien
gemacht werden wolltenQOO), setzt' er in ausführlicher Begründung
anseinander‚ dass die Quantität Aeeidens sei‚ da die Einheit, welche
der_ Substanz sicher zukomme, von derselben weder als Gattung noch
als Dill‘erenz, sondern nur als ein sie Begleitendes ausgesagt werde,
bei Accidentien aber überhaupt nur die Namen-Gleichheit in ihr liege,
und dass sonaeh jedenfalls die Zahlen als von der Einheit abgeleitete
gleichfalls nur Accidentien seien 20‘), sowie in gleicher Weise die
non est in agenle, sed in patientel etsi hoc dixerit et concesserimus. illi tamen non
nocebit ad hoc, quod modo intendimus, scilicet quod actio habet esse in aliquo sicut
in subiectol quamvis non sit in agente. De praedicamentis igiturl de quibus est
quaestioa an sint accidentia an non, duo remanen!, scilicet praedicanientunl quantitatis
e! praedicamenlum quatitatis.
200) Ebend.: Sed de praedicataento quantitatis multis visum fuitj tineam super
liciern el mensuram corporalem ponere esse in praedicamenlo substantiae. nec suffecil
eis hoe, sed etiam posuerunt haec esse principia substantiae. ouibusdam vero ex
eis visum est. hoc sentire de quantitatibus diserelisj scilicet nunterisl e! posuerunt
eas principia substantiarum Scd ez In's, qui tenent substantiatitatem quanti
latisl illi qui dimm, quod continuae quantitates sunt substantiae et principia sub
s!an!iarum‚ iam dixerunt quod hae sunt diniensiones constituentes substantiam cor
poream et posuerunt punctum ez tribus dignius substantiatitate. oui vero tenent
sententiam de numero, posuerunt hunc principium substantiae. ipsum vero posuerunt
compositum ex unitalibus im, quod fecerunt unitales principia principiorumg deinde
dixerunh quod unilas est natura non pendens in sua essenlia ez aliqua reruml
scilicet quia unilas est in omni re, e! quod unilas in ipsa re est ipsa quidditap
lpstlls m.
20l) Ebend. e. 2, l'. 78. r. B: Dicam igimr, quod unum dicitur ambigue (die
betrefl'cnden Angaben des Aristoteles über das iu s. Ahschu. f. 78. v. B: llicam iteruntl quad, postquam unilas diciturlV,deAnremb.us4,51quITa.e) sunt
multae numerol et dicitur de re una numero, ium autem oslendimus divisiones eiusi
quod est unum numero1 procedemus nunc ad aliam purtentg dicam igitun quod eo,
quae sunt multa-numero1 non dicantur una alio modo nisi propter convenientiam
quam habent in intentione aliqua ; convenientia enim eorum vel est comparationis vel
est praedicati praeter contparationcm vel est in subiectol praedicatum uero vel est
genus vel species vel cli/ferentia vel accidens c. 3, l'. 79. r. A: bico igitun
quod unilas vel dicitur de accidentibus vel dicitur de substantiag cum autem dicitur
de accidentibusi non est substantial et hoc non es! dubium; cum vero dicitur de
substantiis. non dicitur de eis sicut genus nec sicut differentia utto modo ; non enim
rccipilur in certifcalione quiddttatis alicuius substantiarumy sed est quoddam comi
tans substantiamg ergo dicitur de eis sicut accidens llnde unum est sub
stanlia, unilas vero est inlenlioy quae est accidens (l'. 79. r. B) Sed unilas
substantialiter est ipsum esse, quod non dividiturl eo quod illud esse constituitur
esse non in subiecto . Si autera accidentibus fuerit unilas. pro/eclo eorum unilas
erit praeter unitatem substantiaey et illa unilas dicetur de eis communione nominis.
lgitur contingit eliam, quod ez numeris alii ordinabuntur ez unitate accidentiurn et
alii ordinabuntur ez unitate substantiarum Mani/bslum est, quod certiludo uni
tatis est intenlio accidentis et est de universitatc earum, quae comitantur res . . . . ..
(l‘. m v. A) Jam enim aslendimus, quod unilas non est intrans in diffinitione sub
stantiae nec accidentisl sed fortasse est comitans eam Cum igitur certum
fueritl quod non est separate, cerlificabitur, quia i'd, quod praedicatur de intentione
comitante communi nomine derivato a nomine simplicis intcnlionisl ipsum est intenh'o,
quae est unitatisg ipsum vero simple: est accidens. Postquam igitur unilas est acci
densy tunc numems, qui accidens estf necessario prevenit ex unitale.
ann. Gesell. ll. 23
354 XVl. Avicennn. '
Maassverhältnisse der continuirlichen Quantität an den Stofl' der Sub
stanzen gebunden seien und nur durch subjective Schätzung, nicht aber
als objective Wesen von demselben getrennt Werden künnenzfl). Und
wenn binwiederum bezüglich der Qualitäten von Einigen behauptet wurde.
dass sie selbstständige Substanzen seien, welche nicht etwa an den
substantiellen Wesen entstehen und verschwinden, sondern nur .mil
ihnen gemischt und wieder von ihnen getrennt werden (wie z. B. Wasser
verdunste), und dass sie in solcher Weise die constitnirenden Substanzen
der sinnl'älligen Dinge seien 203), so weist Avicenna die Unrichtigkeit
dieser Annahme durch ihre eigenen Consequenzen nach 20“); und indem
ihm hiedurch feststeht, dass die Qualitäten nur Accidentien sein können,
bebt er noch besonders jene/Qualitäten, welcbe im Gebiete des Quan
202) Ebend. c. 4, f. 79. v. A: ouantitates continuas sunt mensurae continuo
rum Sed hanc mensuram iam manifestum est esse in materi-ay et quod ipsa
uugmentatur e! minuitur substantia permanente eadem, igitur est accidens sine dubio.
Sed est de acn'denülms, quae pendent ez materia et ex re, quae est in materiag
haec enim mensura non separatur a materia nisi aestimalicne, nec separatur a
forma, quae est materiae1 eo quod ipsa est mensura reis quae recipit dimensiones
huiusrnudL
203) Ebend. c. l, l. 78. r. A: De qualitate autem quibusdam cat naturali-bus
visum ext, quod non subsistunt in aliquo ullo modo, sed quod color per se est sub
stantia etyodor alia substantial et quod tunc sunt constituentia substantias sensibiles;
et plures ea bis, qui tenent scntentiaml de occulte intendunt hoc. Ebend. c. 7, l.
81. v. Az Loquamur igitur nunc de qiuililah'lms;v sed quatitates sensibilcs cl corpo
rales essey non es! dubium Nunc autem non dubitatur de eis nisi an sint acci
dentes an non. ouibusdam enim visum fuitj quod ipsae sint substantiam quae com
miscentur corporibus et di/funduntur per eus; color itaque per se substantia es! et
calor et similiter unumquodque aliorum lgitur apud eos qualitalcs sunt huius digni
lalis, nec sufficit eis, quod hae habent esse, ipsi enim dicimt, quod non anni
hitantur istae res, sed paulatim separanturl sicut aqua, qua humectetur pannus et
paulo post non invenitur aqua in panno ipso habente esse secundum modum suumr
tamen ab hoc non-tit aqua acn'dens, quia aqua substantia ext, quae separatnr ab
alia substantiay cui coniuncta fuit . . . . . .. bicunt autem aliil quod occultantur.
204) Ebend. c. 7, f. 81. v. B: bico igiturl quod si haec sunt substantiae.
necessario vel sunt substantiam quae sunt corporay vel sunt substantiaey quae non
sunt corpora. Si autem sunt substantiae non corporeae, tunt- vel sunt huiusmodrj
quod potest ex eis componi eorpus, et hoc cst absurduml quum er eo, quod non
partitur in spatia ccrporea, non potest corpus rompom‘, vel non potest ex eis corpus
compom', sed earum esse non est nisi propter coniunctionem sui cum corporibus et
propter infusionem sui in illa ttrimum autem de hoc estv quod hac substantiae ha
bebunt si'lum, sed omnis substantia habens situm dioisibilis est. Secundum est, quod
unaquaeque harum substantiarum necessario ea natura sua vel potest separari a cor
pure, in quo esl, vel non potest. Si autem fuerit sie, nec habet ipsa de substantiatitate nisi nomen tantum Siut auntoenm popsossistunstepasreapna'r,ari a
suis corporibusl tunc separatio vel talis eril, quod per eam moveatur de hoc corpore
ad aliud corpus, et sequetur ez hoc, quod, cum unum corpus cale/hcit ahud
corpus. trans/erat calorem a se in illudy unde infrigidabitur. quod cale-faciebat
aliudg si autem consideratur posse transferri ad aliud subiectum sie, ut
non mspolietur ab 1'110, profecto haec consideratio non est nisi post existentium in
subiecto (f. 82. r. A) Si quis autem posui-ritv quod albedo cst vere in se
aliquid habens mensurum, tunc habebit duo esse, scilicet quod est albedo ct esse,
quod es! habens mensuramg si autem albedo eius fuerit alia numero a mensura cor
pon's, in quo est, tunc spatium intrabit in spatiump sed si ipsa fuerit ipsum
corpus per sc, tunc ratio redibit ad id, quod albedo est corpus et habet atbcdmcm
et ita albedo est in albo corpore inseparabilitet .
XVI. Avieenna. aas
titativen aul’treten können, z. B. Gleichheit oder Ungleichheit u. dgl.‚
hervorgoä). Die Kategorie der Relation, deren verschiedene Arten des
Auftretens er angibt, betrachtet er vorerst bezüglich der Frage, ob sie
innerhalb der beiden Relativa einheitlich sei oder jedes der beiden durch
sie seine eigene Bestimmtheit erhalte, wobei er sich für Letzteres ent
scheidet; sodann aber bebt er insbesondere an der Relation, wie wir
es schon bei Alfarabi sahen (Anm. 35), die Subjectivitat der Denkauf
fassung hervor, da in der Definition des Relativen selbst bereits die
Rücksichtnahme (respectus) auf ein Anderes enthalten sei, und auch
dann, wenn noch ein anderweitigen wesentliches Sein des Relativen
angenommen werde, jedenfalls es sich doch um das Verständniss jener
Rücksichtnahme handle 2o“); in der concreten Erscheinung aber musste
er, wie sich von selbst versteht, das Relative als zeitlich coexistirenil
anerkennen 207). Bezüglich der Frage, zu welcher Kategorie die Be
205) Ebend. c. 9, l'. 82. v. A: Remansit unum genus qualitatumy et oportet
stabilire suum esse et assignare, quod est qualitasg et hae sunt qualitates. quae
sunt in quantitatibua scilicet quae sunt in aamero, ut paritas et imparitas et cetera
huiusmodi ‚- iam autem notum est esse quorundam ex eis, e! in arithmetica stabilitum
est esse remanentiumg sunt enim accidentes ex eo, quod pendent ex aumera, e! sunt
proprietates eiusg eorum autem quae accidunt mensan's, esse non est adeo notumg
circulus enim et linca curva et spliaera et pyramis el columua talia sunty quod nul
lius eorum esse manifestum es!‚ et impossibile est geomelrae1 probare esse eorum.
206) Ebend. c. 10', f. B3. 1‘. B: oportet loqui de ad aliquid et ostendere,
quomodo debeat certi/icari quidditas relati e! relationis et eorum dif/initiog sed quod
praemisimus in 'logiea, passe! sufficere intelligenti. Si autem posaen's, rclativum
esse, profecto erit accidens-1 et hoc non est dubiuml quia est res. quae non intel
ligitur per sc, sed intelligitur semper alicuius ad aliud . . . . .. Relative vero non pos—
sunt comprehendi uno modog alia enim um! relative, quae non egent aliquo ez hie.
quan solent stabilira relationem, sicut demtrum et sinistrumy in dextro enim non est
qualitas nec aliquid aliud certum, per quod fiat relatum comparatione, nisi ipsa
deztrarietasg et alia sunt relativa, qaoram unumquodque opus habet aliquol per
quod rcferatur ad aliudi sicut amator et amatum quod autem remansit de
relatione, hoc est, scilicet ut sciamual an relatio una numero et subiecto sit inter
duo habens duos respeclus, sicut quidam et plures ex hominibus putaverunt, quod
(zu lesen au!) in relatione unumquodque relativorum habeat proprietatem Dteam
igitur, quod unumquodque relativarum-in se habet intentionem respectu alteriusv quae
non est illa intentio, quam habet in se aliud respectu illius; et hoc es! manifestum
in rebus diversis, secundum quod patet per diversitatem nominum . . . . . .. (l'. ss v. A)
ouod autem diligenter considerandum est, hoc est, scilicet ut coguoscanms. si relatio
in se habet esse in singularibus vel est aliquidl quod non formatur nisi in intellectu.
.. Ex hominibus autem quidam fueruntl qui tenueruntl quod certitudo relativamm
non est nisi in anima, eum intelliguntur res; et alii dixerunty noni imo relatio est
quoddaml quod est in singularibus ld aatem, per quod solnuntur istae duae
viae, hoc es‘!‚ ut redeamus ad di/fim'endum ad aliquid absolute. bico igiturl quod
ad aliquid est, cuius quiddilas dicitur respectu alteriusl et quidquid fuerit in signa
tis hoc modoj ul secundum quidditatem suam non dicatur nisi respectu alteriusy
illud est ad aliquid. Si autem ad aliquid habuerit aliam quidditatenh tunc restatl
ut determiuemusg quod habeat de intentione intellecta respectu alterius; illa enim
intentio certissime est de intentione intellectu respeetu allm'us, alterum enim non
intelligitur nisi respectu alterius causa huius intentionis.
207) Albert. M. De praedieam. IV, 7, p. 149 A: Simul sunt (so. relative) na
tum in hoc, quod secundum quod relata sunty in esse et non esse sicut in ortu et
accasu, ut dicit Avicennal simul sunt itar quod posita uno in esse, secundum quod
rclativum est ‚ et positum est aliudr secundum quod refertur ad illud.
A—_—- m .
23‘
356 XVI. Avicenna.
wegung gehöre, äussert sich Avieenna abweichend von All‘arabi (Anm.
36), indem er den Begrill' des Ueherganges von Möglichkeit zu Wirk
lichkeit nicht mit jenem der Bewegung verwechselt wissen will und es
sonach verneint. dass die Bewegung in der Kategorie der Substanz auf
trete. wohingegen er zu den auch schon bei Allarabi beigezogenen
Kategorien der Quantität und der Qualität und des Ortes auch noch die
Kategorie der Lage ltllllulllgl208), unter welch letztere (nicht unter die
des Ortes) er die Bewegung der Himmelskörper subsumirte 209).
In der Lehre vom Urtheile begegnen wir auch bei Avicenua
den üblichen exegetisehen Erörterungen über die Definitionen der vom 1"0)
oder des nomennl), wobei bemerkt werden mag, dass er bezüglich
des nomen iri/initum die sog. lnlinitation (d. h. llinzul'ügung des non)
bei den allgemeinslen Worten nicht mehr für zulässig hielt, da ober-v
halb derselben es keine allgemeineren Begrill'e gibtzlz). Die Inliarenz
des Prädicates im Subjecte scheint er wie Allarabi (Anm. 39) gefasst
t
208) Suffic. ll, 1, l. 23. r. A: Nulla enim calegoria es!‚ quac flog habeat eri
!um de potentia sua ad suam efl‘cc!um‚ aut in substantial sicut exitus hominis ad
effectum postquam fuerit in poleulia, au! in qualitatev aut in ad uliqm'd, .
au! in ubi, sicut elevatio sursuin in effectu post potentiaml aut in quandu, sicut
exitus antiqui ad e/fectum de potential aut in süß, similiter in hellere, similiter
in agere et pati. Sed imelleotus, in quo converterunl antiqui in usu uppellandi nio
tuml non est iltey in quo conveniunt omnes isti modi excundi de potentia ad effec
mm, sed ille. qui est motus ezeundi non subitoy xed gradatiml et hic non convenit
nisi certis eategoriis et nos deelarabimas postcal quae sunt ealeyoriaev in
quibus possibile est cadere hunc exitum (c. 2, l. 24. v. B) iam diuenserunl
in collatione motus ad categoriaxg quidam enim dixerunn quod motus est praedica
mentum patiendig alii vero dixeruntj quod hoc nomen mutus cadit super ntaneries
(über dieses Wort s. Abschn. XIV, Anm. 87.), quae sunt in illo sola casuuli par
ticipatione nomim's; quidam etenim dixerunh quod hoc nomen motus est nomen com
mune, sicut verbum esse et accidentis Maneriae vero, quae continentur sub
nomine motusp sunt species aut maneriae praedicamenluramy quia de ubi est
motus in locol et de quali est motus alterutionih et de quanto est molas
uugmenti et diminutionisg et fortasse aliquis eorum perdurabit in sententia sua im,
ut dica!, quod est motus in substantia. scilicet generatio et corruptio . . . . ..
(l. 25. r. A) Possumas autem declarare falsitatem c. 3. f. 27. r. A) tam enim ex praemissis paluit, uqturioudsqmuoetussenntoennticaaedit nisi in
quatuor praedicamentisy quae sunt quantitas et qualitas et ubi et situs. Jan: autem
cognovistis collutionem motus ad praedicamenta. -
209) Levi Gerson, l‘raedicam. l'. 30. v. A: ltiæit Avieennal quod motus corpo
rum caelestium est in praedieamento situs.
210) Albert. M. Peri/wrm. l, 2, l, p. 242. A: Propler quod dicit Aricenna,
quod v0.1: litteram sine placito instituentis nihil significat penitusg quia tamen alteri
non facit signum de re nisi sub determinata figura vocis certi/icativay ideo oportet
talem vocem esse litteralamj quia nonnisi sub elementis litterarum haben! lignrae
certitudinenh sine qua eertitutline non potest esse rei certum siynum.
211) Ebend. 2, 4, p. m B: Ouod autem dicitur ncuius nulla pars est signi
/icativa separalu“, haec causa est, ut dicit Aviverma, quia institutio est causa
signi/icationis in numine, mm est autem instilutum. ut pars aliquid significe! sepa
ralu, sed ut totum significe! 10mm, et ideo pars nihil signi/icaL
212) Ebend. 2, 5, p. 251. A: Cum nomen infinitum pries! inferiorem formam
finitum e! relinqua! superiorem iufinikzm, et hoc nomen „ans“ superius nihil habeati
proprie infinilari non poti-sn similiter autem est de aliis nominibus „antun, res,
ultquid“, ut dicitlAvicenntL -
XVl. Avicenna. 357
und ebenso betretl‘s eines conlroversen aristotelischen Beispiel-Satzes
sich an denselben (Anm. 40) angeschIOSsen zu haben. Die sog. logi
sche Qualität der Urtheile besprach er im llinblicke auf den factischen
Bestand des Ausgesagteu in einer viertheiluninuajv bei der Quantität
aber kam er zu der gleichen Auffassung, welche wir schon bei Abülard
(Abschn. XIV, Anm. 318 u. 327) in allgemeinerer Anwendung trafen;
nemlich Avicenna bezeichnet die Worte „omnis“ und nnullusu ent
schieden als blosse Zeichen (signa) einer Art und Weise des Ausspre
chens, wornach dieselben .nur ausdrücken, dass irgend l’articulares
universell verstanden sei’“). Von noch grösserer Wichtigkeit für die
Lateiner war es, dass Avicenna bei der Frage über‘die Einheit des
Urtheiles die Unterscheidung aufstellte, dass sowohl im hypothetischen
als auch im disjunctiven Urtheile ein einheitlicher Gedanken-News be
stehe, liingegen das copulalive Urtheil nicht als Eines, sondern als
blosses Aggregat bezeichnet werden dui-fenum
was den lnhalt der ersten Analytik belriil‘t, so äusserl er sich
einmal gelegentlich darüber, dass im Syllogismus nicht die Prämissen
für den Stoll' des Schlusssatzes oder letzterer für die Form der ersteren
gehalten werden dürl'e, sondern die Prämissen nur der Stell des ganzen
einheitlichen Syllogismus seieu216). Sodann aber begegnen wir bei
ihm jenen nemlichen exegetiseheu Controversen, welche wir bei Alfarabi
(Anm. as 1'.) trafen, nemlich sowohl über das Verliltltniss der Urtheile
des Stattfindens zu den modalenz") als auch über die Umkehrung der
Möglichkeits- und Nothwendigkeits-Urtheile 2ls). Bei Erklärung der be
trell‘enden aristotelischen Stelle über die hypothetischen SchlüSse gieng
may Ebend. 5, 1, p. 260. A: Dieit enim Avicennar quod ista quatuor sic di
iulrai/ieontun quia contingit. quod est, enuntiare esse, in affirmativa enuntiationeg
et contingih quod est, non esse emmliare, in eiusdem negative; et contingit entm
Hure, quod non ext, esse, in af/frmativa negative opposila; et contingit enuntiare.
quod non ext, non esse, in negatione negationi opposita
214) Ebend. p. 261. A: Hoc enim signum distributivum. quod est „onmis“,
non est universale proprie loquendo1 sed est signumv per quod etat pro particularibus
universaliter universale, cui tate signum est adiuncturn . . . . .. et ideo „omm's“ e!
„mdlus“ el huiusmodi signa universalia non sunty sed sunt signa designnutia, utrum
universale sit acceptum universaliter rel particularitcr secundum sua supposita. Et
haec sunt verba Aliicennue.
215) Ebend. 4‚ 2, p. 258. B: coniunctione autem unae sunt (so. enuntiationesjy
in quibus consequentiav quam notat coniunctiov facit unilatem. et hoc non est nisi
in conditionali et disiunrh'va, et secundum Boethium et Anirennam et Algazelem
istae duae solae coniunctiones faciunt unam coniunctione enuntiationem el non copu
lntiva, quia in copulatis nulla est unitas nisi aggregationisl quae simpliciter est
pluralitas et non unilus.
216) Melaph. VI, 4, f. 93. v. A: lam autem posuerunt quidam propositiones
similiter materiam conclusioni. Et es! error; immo propositiones sunt materia tiendi
syllogismiv conclusio vero non est forma propositionuml sed quodriam, quod conse
quitur ez illisy quae propoiitiones efficiunt in anima.
217) l's.—Averr. uuam in Prior. Resol. f. 362. r. A u. 364. r. A.
218) Ebend. l. 363. r‚ A: Avicenna dubitat contra philosophum. quando rliazit1
quod particularis aflirmativu contingens converlatur eonlingens, et quod necessaria
particularis affirmatiaa convertetur necessaria u. s. f. . et contradicit suo sermoni
per materias.
358 XVI. Avicennn.
Avicenna noch viel weiter als Alfarahi (Anm. 48), mit welchem er in
diesem Punkte auch nicht übereinstimmte', er warf sich nemlich mit
höchst spitzlindiger Einseitigkeit auf eine Erklärung der Urtheilsform,
wornach er nur das einfache Diclum de omni als kategorisches, hin
gegen die Form „Alles, was B ist, ist A“ als ein zusammengesetztes
und hypothetisches Urtheil betrachtete, sowie entsprechend beim victum
de nullo eine disjunclive Urtheilsform sich einstelle, und indem er auf
solche Weise die kategorischen Urtheile in hypothetischer Form aus
drückte, ordnete er dieselben nach den drei Schlussfiguren, wobei er
auch Mischungen aus kategorischen und hypothetischen Prämissen zu
Iiess, so dass diese unnatürlichen Schlussweisen, welche er „combina
l'iones“ nannte, sowohl von ihm selbst als auch von Anderen für eine
bedeutsame neue Ergänzung der aristotelischen Syllogistik gehalten
wurdenfl”). Wirklich angewendet finden wir diese Neuerung in dem
einen ausführlicheren compendium Avicenna's 220), während er in dem
kürzeren nur die bei den Uommeutatoren (Abschn. XI, Anm. leop üb
lichen hypothetischen Schlüsse aufzählt 221). -— In einer völlig verein
zelten Notiz isl uns berichtet, dass Avicenna die logische Bedeutsamkeit
219) Ebend. f. 363. v. B: bieere enim A de omni l! est praemissa una cate
gorioa . . . . . ..‚ dicere vero „omne quod es! B, est A“ est praemissa conditionalis et
secundum veritatem composita ex duabus catcgorieis EI hinc erravit Aricenno
et opinatus es!, quod inveniantur alii syllogismi praeter sgllogisrnos categorieos et
praeter conditionales et vocavit illos combinationes et posuit numerum illorum secun
dum numerum categoricorum aut prope eatcgorieosg ille enim consideravit proposi
tiones categoricas et eos ezpressit ezpressione conditionalium et composuit ex illis
orationes ad eornpositionem trium ligurarum e! immiscuit etiam calegoricas cum bis,
scilicet cum conditionalibus et constituit illud compositione quodam mado, quo opi
natus est ipse et nmnes, qui eum imitati sunty quod superaddiderit Aristoteli multas
species syllogismorum. Hos autem syllogisnios non invenit noviter Avicenna, cum
illi inveniantur apud quosdam christianos philosophusy non apud aliquem peripate
ticum (möglicher Weise könnte der unkritische Berichterstatter aus dritter Hand
Einiges über Boethius gehört haben und somit falschlich hier die oben Ahschu.
XII, Anm. 155 III, angeführten Schlussweisen meinen). Ebend. f, 369. v. A:
Avioenna vero consentit huic rci, sed non admittit expositionem (I!) constituto autem hoc dc propositionibus conditionalibusl viidpesliiueselAhqiumoadzaqruaedam
ipsarum sit simplex e! es! illa, cuius vis est vis unius propositionis categorich et
quaedam est composita e! esl, cuius vis est vis syllogismi eategoriciy propinquum est
intelligere. quod i'd, quod Avicenna pulat, quod hic sit tertia species syllogismorum
non categoricorum nec conditionalium. non sit sermo verus (f. aro r. B)
Mirum autem est de Avicennai quod ipse posuerit ouibus res, scilicet quod ipse cou
fiteatun quod omnis propositio conditionalis possit reddi categorica et similiter omne
quaesitum conditionale possit reddi oatcgorieuml et iterum poni!, quod sint quidam
syllogismi quicumponuntur ez congruentia syllogismornm, qui sunt ex calegon‘cis.
E! mora circa hoc est supervacaneaj prout fecit Avieenna Deveni! in con
fusionem circa hoc capitulumv nam induxit in ipsum syllagisrnos praeter naturamy
h. e. quibus non utitur humana cogitatio naturaliter cl similiter hic vir numerat
inter species conditionalium coniunctarum quasdam propositiones praeter naturam,
quas vocat a!!haphkias‚ i. e. eonncxas, prout dicitur „dmn Iiomo esl, equus es!“‚
et ai!, quod hae sint verae contingentes et sic etiam numerat inter proposi
tiones contradictorias tales proporiliones, prout est oratio dicentis „au! homo est
aut vacuum".
220) Bei Vatlier p. 129 II“.
221) Bei Schmolders1 Doc. p. 35.
XVl. Ayicenna. ‚
des bei Aristoteles besprochenen Indiciums (Unpeiov,.-s. Absehn. lV,
Anm. eten bestritt‘l”). _
Für den Umkreis der zweiten Analytik besass er sicher eine
umfassende Vorarbeit in der oben erwähnten Schrift Alfarabi’s, scheint
sich jedoch derselben gegenüber auch die Freiheit eigener Ueberzengung
bewahrt zu haben. Während er sich betreffs des Zusammenhanges
der zweiten Analytik mit der ersten (s. Anm. 51), sowie in commen
tirenden Erörterungen über die im Mittelbegrill‘e liegende Causalitätni‘)
und über das sog. praedicatum primum 224) an Alfarnbi (Anm. 54 u.
57 f.) ansehloss und mit demselben (Anm. 60) auch die Auffassung
oberster Principien der Demonstration weihen"), stand er in einer
ziemlich principielleu Frage (vgl. Anm. 62) ganz allein. insoferue er die
Gültigkeit der „demonstratio quiau von vorneherein darum bestritt, weil
in derselben der Mittelbegrill' nur Accideus des Unterbegrill‘es sei, und
hiernach ausschliesslich die „demonstratio propter quid“ als alleiniges
demonstratives Verfahren gelten liess 226). ln den Erörterungen über
die Definition selbst, welche er in seinen Compendien an den Schluss
des Ganzen stellte ”7), musste er wieder auf seine Auffassung der
Universalien zurückkommen, und dass er das definilorisclie Wissen in
aristoteliscbem‘Sinne verstand, ersehen wir aus seinen hierauf bezüg
lichen! Aeussernngen in der Metaphysik, denn er bekämpft dort die
Annahme, dass die Definition das Product einer blossen Zusammensetzung
aus Gattungsbegrifl' und artmachendem Unterschiede sei 228), und ebenso
222) Averr. Poster. Resolut. f. 146. r. B: Negavit Aben Siua hanc speciem de
monstrationum, h. e. signa.
223) Averr. a. a. O. f. 131. ‘v'. A. Ps.-Averr‚ Ouaes. in Post. Reset. f. 375. v.
A u. f. 380. r. A.
224) Ps.—.‘1irerr. a. a. O. f. 373. r. B.
225) Albert. M. Top. l, 1, 2,_p. 663. B: fides enim est assensus in ipsum
respondeutis, propter quod talia principia prima communes animi conceptiones vocan
lur, ut dicit Avicennal quod statim assentit eis animus audientis, propter quod
etiam indcmonstrabilia talia-dicunturg haec igitur sunt principia demonstrationis. ex
quibus demonstrativus fit syllngismus. Vgl. bei Schmülders p. 37. und bei Vattier
P . 19282.6) Anerr. Poster. Resolut. f. 158. v. B: Et haec divisio demonstrationum est'
res per se nota ‚‘ hanc enim posuerunt omnes homines istius artis praeterquam ipse
Aben Sena, qui mentionem fecit de demonstratione eris-tentiae et existimavit, quod
est demonstratio non vera, et voluit hoc, cum dixit, quod posteriora composita ex
rebus prioribus non canstant esse essentiatia rebus priorilms, nisi cum constiterit
causa, propter quam constat posterius ez priori. Ps.-Averr. Ouues. in I’ost. Res. f.
377. v. B: Avicenna non meminit de demonstrationilms „quia“, et haec est, dum
subiectum ipsarum fuerit compusitum, non simpler,- nam ipse putavit, quod demon
strationis „quia“ medii termini sint accidentia minoris extremi (f. 378. r. A)
Sermo autem Avicennae dicens, quod, cuiuscunque necessitas est ab aliquam causa
rum, illa necessitas sit itlius, dum noverimus illam causamy est proposz'tio, quam
nos concedimus . . . . .. Avicenna itaquel ex quo implicita est apud ipsum in demon
strationc „quia“ scientia per cousam, putavit, quod ibi non occurrat ei nomen verae
scientiae. Vgl. bei l'attier p. 228.
227) Bei Vatticr (p. 232 ff.) folgt nur noch die Sophistik nach der Lehre von
der Definition, hingegen bei Schmütders (p. 41.) bildet letztere, nach der Sophistik
folgend, den Schluss.
228) Metaph. V, 5, f. 89. r. B: Potest aliquis dicerc, quod di/‘finiti'o secundum
geo XVI. Avicenna.
wiederholt er die Angaben des Aristoteles (Abschn. IV, Anm. ego tl‘.)
in der Frage über die Theile der begrifflichen Form und die Theile
des Stofl'es 229). '
Was endlich die Topik und Sophistik betrifft, so ist zu beach
ten, dass Avicenna, obwohl er bezüglich des wechselseitigen Verhält
nisses zwischen der ersten und der zweiten Analytik mit Alfarabi über
einstimmte (Anm. 223), dennoch zwischen beide das ganze Gchiet der
Dialektik darum einschieben wollte, weil auch in der praktischen An
wendung des logischen Denkens das demonstrative Verfahren erst nach
dem Dialektische!) den Schlussstein bilde 23°). Auch mag etwa noch
erwähnt werden, dass er unter dem Vorbehalte der traditionellen Ge
sichtspunkte der blossen Wahrscheinlichkeit oder beziehungsweise der
Unsittlichkeit der beiden Disciplinen, nemlich der Topik und Sophistik,
eine Universalität der Gegenstände, welche in sie h'eigezogen werden
können, zugesteht231)‚ sowie dass er ähnlich wie Alfarabi bei einzelnen
hoc, quod consentiunt auctores artisy composita est es: genere etidimrrential quorum
unumquodque discretum est ab alioy et utraeque partes sint di/finitionts, dif/initio
autem non est nisi quidditas dif/initig ergo in!en!iones, quae signihcantur per genus
et di/ferentiam, talitcr se habent ad naturam specieiy qualiter ipsa ad di/‘finitt'onem,
unde cum ita sit, non erit verum, praedicari naturam generis de natura speciei
quoniam pars eius est. Ad quod dicimus, quia cum nos diffinimus dicentes verbi
gratia „homo est animal rationale", non volumus in hoc, quod sit coniunctio est
animali et rationaliy sed volumus in hoc. quod ipse est animali quod est rationale;
quasi enim animal in se quoddam est, cuius esse non est determinalum, nisi cum
ipsum animal fuerit rationale.
229) Ebend. c. 7, f. 90. v. B: Dicemus, quod plerumque in diffinitione sunt
partes diffiniti; cum autem dirimus, quod genus et differentia non sunt duae partes
speciei in quidditate, non est hoc, quasi dicamusl quod species non habet parles;
species enim partes haltet, cum fuerit ex aliquo modoan rerurn. scilicet vel ex
accidentibus secundum quantitales vel ex substantiis secundum composita. Unde.
secundum quod t‘idetttr, partes diffinitionis sunt priores diffinito; contingit autem
alicubi fieri e contrario; cum enim voluerint diffinire portionem cirealt', diffiniemus
eam per circahmt, et cum voluerim diffinire digitum honu'nis, dif/intemas per homi
nem llacc igitur omnia non sunt partes rci secundum quidditatem eins, sed
secundum materiam et subiectum eius.
230) Arerr. Poster. Resolut. f. 127. v. A: Existimaverzml autem nonnulli, quod
quemadmodum melius est. ut prima inquirarnus de aliquo intelligibili et investigemus
per niam dialcctires, postea sequatur inquisitio demonstratinu1 ita melius sit in
doctrina. ut incipiamus a libro dialectices post partem commanem. deinde sequatur
liber de demonstratione. Setl quod cxislimaveruntt non se habet ito, . ut prac
cedat cognitio modornm propositionum probabilium cognitionem modorum propositionum
aerarum, quoniam conditiancs. quibus propositiones verae ordinantur, sunt aliae a
conditionibusv quibus propositiones probabiles ordinantur, quoniam ordines probabilium
sunt secundum consuetudinem civitatum et populorum (vgl. Anm. 13.), ordines autem
ucrarum sunt secundum conditionem unam, ut videlicet sint cssentialesg et prop
terea consimiliter cognitio ordinum propositionum probabilium non est universalis (s.
Anm. 318.) respeclu ordinum propositionum eerarum . . . . .. E! ideo erravit Alf Sena
errore manifesto, quod existimavit, quod dialectica praecedat artem demonstrationisy
eo quod accidit. propositiones primas intelligibiles esse etiam prohabiles. Dass eine
Solche Anordnung des Stofl‘es schon bei den griechischen Commentatoren in Vor
schlag kam, s. Abschn. XI, Anm. 128.; jedoeb dürfen wir auch nicht unerwähnt
lassen, dass Avicenna wenigstens in jenen beiden Compendien, welche uns vor—
liegen (bei Vattier und bei Schmülders) sich an die gewöhnliche Reihenfolge hielt.
231) Metaph. l, 2, f. 7l. r. A: Haec autem scientia (d. h. prima philosophia)
XVI. Algazeli. 361,
Punkten wegen seiner commentirenden Thätigkeit von Anderen erwähnt
wird 232).
Die Leistungen Alfarabi’s und Avicenna’s scheint Algazeli (Abn
Hamed-Mohammed-lbn-Mohammed-el-Gazali, geb. 1058, gest. 1111) le
diglich nur herübergenommen und benützt zu haben, denn seine Teu
denz 'lag in einem Skepticismus, welcher als Mittel zum Mysticismus
dienen sollte, und in diesem Sinne bearbeitete er auch die üblichen
Zweige der theoretischen Philosophie nur als eine Vorstufe seiner „De
structis philosophorum“233). Somit werden wir in demjenigen, was
von Algazeli dem Mittelalter bekannt war und auch uns in lateinischer
Uehersetzung vorliegt234)‚ nur eine Wiederholung und Bestätigung der
bisher betrachteten arabischen Auffassungen finden, und selbst da, wo
scheinbar Neues sich zeigt, dürfen wir wohl nur Ergänzungen jener
Berichte erblicken, welche über All'arabi oder Avicenna uns theilweise
unvollständig zur Hand sind. .
So stimmt Algazeli nicht bloss in der Frage über die' Eintheilung
der Wissenschaften vollständig mit Avicenna (Anm. 71 fl‘.) überein 235),
sondern folgt auch seinen Vorgängern in der principielleu Zweitheiluug
der Logik (Anm. 16 u. 77); indem nemlich auch er das unmittelbar
sinnliche Verständniss (imaginatio) auf das einzelne Wort und ent
sprechend das beifüllige Ueberzengtsein (credulilas) auf die Satz-Ver
bindung bezieht 236) und bei beiden die doppelte Möglichkeit berück
communicat cum topica et sophistica simul in aliquibus et differt ab eis simul in
aliquibus Aammunieat enim cum eis in hoc, quod de eo, quod hic inquirilun
nullus actor singularum scientiarurn tractal nisi topicus et sophisticus. lii/fert vero
ab eis simul in hoe, quod philosophus primus1 in quantum est philosophus primusy
non loquitur de quaestionibus singularum scienfiarnm, isti vero loquunlun Difl'er!
etiam a topico per se in fortitudine vel potentia eo. quod verbis lapici acquirunt
opinionem, non certitudineml sicut nosti ea- mayisterio logicae. lii/fert etiam a so
phistico in voluntate eo, quod hic quaerit ipsum veriluu'm, ille vero quaerit pulari
sapiens in dictione veritatis. quamvis non sit sopicns. S. Anm. 380.
232) Z. B. Averr. Top. f. 298. v. B und I’s.-Averr._Epilome f. 357. r. A.
natn S. Mime/i, Diclionn. ll, p. sos ll.. wosethst nicht bloss schlimme lrr
thümer, welche Sc/tmülders (Essai sur l. e'col. phil. p. 220.) begierig, nachge
wiesen werden, sondern auch die Annahme Heiur. Rittcr's, dass Algazeli bei Ab
fassung seiner Logik noch nicht auf seinem späteren ekstatisch-mystischen'Stand
punkte gestanden sei, ihre Berichtigung findet; denn Muuck theilt aus dem arabischen
Originale des Mahricid (d. h. der Logik) die Eingangs- und die Schluss-Worte
mit. aus welchen hervorgeht, dass Algazeli auch in dor Logik nur Referent sein
wolle. um hernach alle theoretische Philosophie zu lwkhmpfcn; dieselben lauten
nach Muuck’s Uebersetzung: l! m’a donc paru neuessairc, avant d’aborder Ia refu
talion des philosnphes, de compaser un traitd oti j’exposerai les tendances generales
de leurs scicnces, savoir de ta Logiqae, de la Physique et de la Metaphysiquey sans
pourtant dtstinguer ce qui est vrai de eo qui est faux, car mon but est uniquement
de faire connaitre les resultats de leurs parolesl und am Schlusse: Nous commen
cerons apres cela te livre de la „Destruclion' des philosophut a fin de mantrer clai
rernent tout ce quc ces doctrinas ran/eripient rte [an/.17. Die „Dt’S/Y'uclll) philosopho
mm” selbst jedoch behandelt keine logischen, sondern nur sechzehn metaphysische
und vier physikalische Fragen.
234) Logica et Philosophie Alguzelis Arabis. 'eueL 1506. 4 (übersetzt von
Liechtenstein)
235) De divisione scientiamm als Cap. 1. der „Philosophie“.
236) Logico, Cap. 1. (das Buch ist nicht paginirt): lncipit Lagira Algazelis
362 XVl. Algazeli.
sichtigt, dass sie entweder an sich selbst schon Klarheit und Gewissheit
enthalten oder erst noch einer weiteren Begründung bedürfen 237), so
führt ihn der letztere dieser beiden Fälle auf die Notbwendigkeit des
Definirens für das Verständniss und des Argumentirens für das Ueber
zeugtseinns), wornacb für diese beiden Functionen eine specielle
Wissenschaft, welche allen übrigen vorausgehe, auf Grundlage der Natur
des menschlichen Denkens erforderlich sei 239). Nemlicb wenn vom
Bekannten zum Unbekannten fortgeschritten werden solle (vgl. Anm. 15
u. 80), und hiebei jedwedes gesuchte Unbekannte aus dem ihm ver
wandten und eigenthümlichen Bekannten zu erörtern sei, so gebe es
für das Zustandekommen des Wissens zwei Wege, deren Einer zur
Definition und Beschreibung und der andere zu Syllogismus, lnduction
und Exemplification führe 24°), und für beide werde in der Logik die
Begelrichtigkeit dargelegt 2“1), so dass, wenn der Zweck aller Wissen
schaft in VQJ'vollkouimnung der Seele und hiemit in ewiger Glückselig
keit liege (vgl. Anm. 13), auch die Logik mittelbar diesem höchsten
Zwecke diene mt
Indem aber unter jenen beiden Aufgaben der Logik die zweite,
de bis, quae debent pracponi ad intelligentiam logicac et ad ostendendum utilitatis
eius et partes eins. capitulum primum ouanwis scit-ntiarum multi sint rami, duae
tamen sunt proprietatcsy imaginalio ct credulilas; imayhiatio es! apprehensio rerum,
quas signi/imm singulae dictioncs ad intelligendum credulitas vero es! sicut quod dicitur „mundus cepitu cas eNtecaedsseceersfi!fieciannedmu,m omnem
credulilatem proeccdant ad minus duae imaginaliones. ‘
237) Ebend.: Ouod autem imaginatur statim sine inquisitione, est sicutnensig
i„maahg‘iqnuaitdi“o, r„erreusm“l eqt usairmuimlia;cssqeuntoidacversountnonocciumlatgaien.aturcresdiunleitiansquviseirtoi,oneqluaeest statim
apprehendit sine inquisitione, es! uelut scientia haee, quod duo sunt plus quam
unuml et multa alia de sententiis, in quibus rctinendis omnes conveniunt sine
praecedente inquisitioney quae comprehenduntur in tredecim speciebus, de quibus
postea loqucmur (Anm. 276 ll'.)', crrdulilas entern, quar non apprctmnditur sine in
quisitioney est velut haec, quod mundus cepit.
238) Ebend.: quidquid autem non potest imaginari sineinquisitione, non potest
appreheudi sine dif/initione, e! quidun non potest credi sine inquisitioney nou po
test appre/tandi sine argumcntatione.
239) Ebend.: Manifestum es! igitur cas hoc, quod omnis scientia non ac
quiritur nisi per aliquam seientiam, quae praeredit, e! hoc non tendit ad infinitum.
nam necesse esl, ut haec perveniant ad prima, quae sunt stabilia in natura in
tellectus.
240) C. 2.: Postquam autem manifestum est, quod ignotum non potest sciri
nisi per nehmt, e! constal, quod per unum aliquid notum non potest sciri quodlibet
ignotnmy sed quodlibet ignolum habet aliquid proprium notum sibi mm‘eniens. quod
est via pernmiendi ad aliad, tunc quod inducit ad cognosccnilas scientias ima
ginativasy vocatur dif/initio ct descriptioy quod vero inducit ad scientias crodntitatisl
dicitur argumcntatioy argumentativ autem alia es! syllogismus alia inductio alia
ezemplum.
241) Ebend.: Scientia vero logicac dat regulam, qua discerm'tur, an di/fim'lio
e! syllogismus sint vitiosa annon ad hoc, ut discernatur Ascicntia cera a non vera.
242) Ebend.: Ih‘cemus, quod onmis utilitas vilis est in comparatione felicitatis
aetcmael quae est fclicitas alterius vi!ae‚ haec autem felicitas pendet ez per/actione
animae Non es! autem via devoniend! in scientiam nisi per logieam; ergo
utilitas logicac est apprelænsio scientiam utilitas scientiae cst acquisitio felicitatis
acternae. <
XVl. Algazeli. 363
nemlich die Argumentation, die hauptsächlichere sei, alle Beweisführung
aber auf einer Zusammensetzung von Urtheilen beruhe, so ergebe sich
die Gliederung der Logik nach dem Motive 'des Aufsteigens vom Ein
fachen zum Zusammengesetzten 243). Somit bezeichnet Algazeli als
materia prima der Logik die significatio dictionurnl welche er
nach fünffacher Eintheilung (Vgl. Anm. 21) in grosser Ausführlichkeit
erörtert, indem er als ersten Gesichtspunkt das von Avieenna (Anm.
105) hierüber Gesagte vorführtz‘“), sodann die Unterscheidung in ein
fache und zusammengesetzte dictio folgen lässt2‘5)‚ hierauf aber als
dritte die Theilung in das Universale und das Singuläre anreiht, wobei
er bezüglich der Definition des ersteren sich wörtlich' an Avicenna an
schliesstuü); der vierte Gesichtspunkt beruht auf der grammatischen
Einlheiluug der Worte 247), der fünfte aber betrifft die Begriffe des
Synonymen u. ilglß“), auf welche er für die Kategorienlehre wohl
ebenso wenig Gewicht legte wie Avicenna (s. Anm. 191); hingegen
mochte er durch dieselben den Uehergang zur lsagoge angebahnt finden,
insoferne er in gleicher Weise wie Avicenna daran festhielt, dass die
fünf Universalien nur nach innerer Wesensbcstimmtheit, d. h. miivoce‚
ausgesagt werden mi
Jedenfalls liess er als materia secunda hierauf den Inhalt der
lsagoge folgen, wobei er wieder an Avicenna nicht hloss in der ver
gleichenden Bezugselzuug der Universalien auf das Parliculäre (vgl. Anm.
107), sondern auch in der principiellen Unterscheidung zwischen essen
tiale und accidentale (Anm. 92 il'.) sich anschloss, jedoch in ”letzterer
Beziehung einige Momente hervorhob, deren Erörterung bei seinen Vor
gängern sicher gleichfalls sich gefunden haben muss, wenn auch unsere
243) C 3.: Partes logicac ct ordo earum cognoscuntur ez ostensione suae in
tentionisg intentio vero est dif/inire et probare et discenicre vitiosa a non vitiosis
sive vera a falsis Ex his autem quod est magis necessariuml probatio estj quae
quidem composita est hiqnisitor scientiae compositi dicitur primum apprehendere
scientiam partium llnde scquitur, ut primum loquatur de dictionibus et quomodo
signi/icant intellectusl deinde de intellectibus et eorum divisionibus, deinde de enun
tiatione compositay scilicet de praedicato et subiecto et de eius speciebus1 ad ultimum
de probationel quae fil ex duabus enuntiationibus.
244) Ehend.: Materia prima est de significatione iiirtimmm, quae certi/icalur
quinque divist'onilms. bioisio prima esty quod dictiones signi/icant intellectum tribus
modis. Uno secundum parilitatem alio secundum consequentium tertio secun
dum concomilantianL
245) Ebend.: bivisio secunda est. quod dictio dividitur in complexum et in
complexum
246) Ebend.: Divisio tertias dictio dividitur in singulare et universa/ej sin
gulare esl, cuius significatio prohibet illud a multis participari/ universale est,
cuius significatio non prohibet illud a multis participari (auch die Sonne wird wie
bei Aviccnna, Anm. 89., als Beispiel eines möglichen Universale angeführt).
247) Ebend.: bivisio quarta est: dictio dividitur iii-actionenu nomen et con
iunctioneml logici autem actionem verbum uocant; unumquodque autem nomen et
verbum differunt a coniunctioney eo quod significatio cuiusque eorum plano est per
se, quod non habet per se coniunctio.
248) Ebend.: Divisio quinta est, quod dicliones in esse rationum sunt quinque
modis. sunt enim uriiuoca, muhivooa, diversivoca. aequivoea, convcm'cnlia.
249) die in Anm. 91. angeführte Stelle.
364 i XVl. Algazeli.
lückenhaften Quellen hierüber schweigen; nemlich das essentiale sei
dasjenige, was nolhwendig gedacht werden müsse, während die Existenz
das gleichgültige Zufällige'seh und ferner nehme das Universale eine
Priorität des Gedachtwerdens für sich in Anspruch, sowie auch andrer
seits das Essentielle einen Gegensatz gegen die concrete Position des
Daseins in sieh schliesse 250). lndem sodann die nähere Eintheilung
des essentiale und des accidentale folgt, lässt sich hinwiederum Algazeli
bezüglich des Letzteren durch die wohlbegründeten Bedenken Avicenna’s
(Anm. 156 ll'.) nicht beirren, sondern hält sich an die Angaben des
Porphyrius 25‘), hingegen was das essentiale hetrillt, stellt er das bei
Avicenna Entwickelte als zwei Eintheilungs-Gesiehtspunkte nebeneinander,
indem er zuerst die relative Abstufung der Gemeinsamkeit, welche in
der Tabula logica liegt (Anm. 132), hervorhehtæ-wja und sodann den
Unterschied der Fragen quid und quale (Anm. 101 ll'.) zum Eintheilungs
gruude machtßs), woran sich ihm ebenso wie bei Avieenna (Anm.
110) die Besprechung der Definition anreiht, bezüglich deren er sogar
eam Ebend.: Materia secunda est de intentione universalium et de diversitate
suarum compositionum vel comparationum inter se et dieisionum suarum . . . . . .. Di
cimus ergo, quod omnis intentio universalisv cum comparatur ad partirnlare con
tentum sub eo, vel est essentialis vel occidentalis lntenlio vero non est essentialis
nisi ut cpnreniant sibi tria. Pridlum esl (folgen. völlig unverständliche Worte)
..‚., cum' enim intelligisl quid est homo et quid est animal, non potes intelligere
hominem sine intellectu animalis cum intellexerisl quid est homo, non est
necesse te intelligi-rel eum esse et manifestabitur libi, quia esse accidentale est
omnibus Secundum esl, ut possit intelligiv universale necessario esse prius.
posterius vero particularc contentum sub eo vel in esse vel in intellectug non
potest autem diri, quod necesse esl. prius esse risibile, deinde homo: r: hoc
autem prioritalo non intelligitur ordo temporalis. sed ordo intellectuatisl quamvis
sint paria in lrmpore. tertium estl quia possibile non es!‚ essen/iota esse positi
vum; homo enim essentialiter est animal non propter positionem alicuiusg si
enim propter positionem alicuius homo esset animal. tunc possibile essen imaginari
nos passe, ponere illum hominem et non animatg etenim (der Text gibt e! non)
risibile accidentale positieum est..nani polest dici uquae res posuit hominem habere
esse risibilePny et haec interrogalio vera es!‚ sed non est vera interro-quiim qua
quaeritur „quac res posuit hominem esse animal?" dicemus ergoy quod homo
est homo essentialiter et homo est animal essentialiten
251) Ebend.: Alia divisio solius accidentalisg uecidcntale enim dividitur in
comnmnicans separabile et in communicans omnino inseparabilc . Separabile vero
dividitur in tarde sepurabilel ut pueritia ....‚ e! in cito lnseparabile vero dividitur in inseparabile in aestimatione nsoepnarianbilees.se.ut urtubonrigredo
aethiopi. et iuseparalrile in esse, ut parilas quaternario et indivisiliilitas puncto . . . . ..
ltem accidentale dividitur in i'd, quod est proprium subiectol et in id, quod est
commune multis
252) Ebend.: llem essentialo secundum considerationem magis universalis et
dmiicnituusr supneicvieerss,aliest idnivii'ddi,tuqruoidn eisltliumdlediquumod iddicietiunremg,enussu.b etquion niodn. eqsutodminus
communig dicitur species specialissimaf et id. super quod non est communiusl dicitur
genus qeneralissimum .. Substantia ergo genus est generulissimum (folgt die arbor
PorphyrianaL
253) Ebend.: ltem essentiale secundum aliam considerationem dividitur in i'd,
quod respondi-tur ad „quid'es!?"‚ mm interrogans intendit certi/icari de essentid
reiy et in id, quod respondetur ad „quale quid es!?"; primum autem vocatur genus
vel species ‚ secundum difierenfia.
g
X‘Vl. Algazeli. 365
gleich hier die üblichen praktischen Regeln zur Vermeidung von Feh
lern einfügt254). Sodann schliesst er mit kurzer Nennung der fünf
Universalien diesen Stull' am“); dass er aber dennoch anderweitig
auch die eontroversen Erörterungen über die einzelnen Universalien
berücksichtigt haben muss, ersehen wir aus obigen Quellenstellcn, wu
er sowohl bezüglich des Gattungsbegrill'es neben Avicenna (Anm. 116)
als auch in den Fragen über das Accidens neben seinen beiden Vor
gängern (Anm. 30 u. 160) angeführt wird. Was aber die. Kernfrage -
über die Universalien betrifll, so sind wir, wenn auch das uns erhaltene
logische compendium Algazeli’s hierüber ‚schweigt, dennoch darüber
unterrichtet, dass derselbe trotz und neben aller mystischen 'l‘endenz'
die Universalien auf Grundlage eines lntellectualismus auffasste; denn
es ist uns diess nicht hloss durch obige anderweitige Anl'ührungen'
(Anm. 22 u. 188), sondern auch durch eine Stelle seiner Metaphysik
bezeugt7 in welcher er ähnlich wie Avmenna die Annahme bekämpft,
dass das Universale als Eines im Singularen existire, denn als Univer
sale habe dasselbe nur im Denken seine Existenz 25ü).
Wenn uns aber bezüglich der Kategorien schon bei Avicenna
(Anm. 189) sich ein leises Bedenken aul'drang, wo dieselben in der_
Logik einzureihen seien, so finden wir nun bei Algazeli die beachtens
wcrthe Erscheinung, dass in dem ganzen compendium seiner Logik die
Kategorien nicht lllll. Einem Worte erwähnt sind, wohl abenihre Be
sprechung inv der Ontologie, d. h. in der Metaphysik finden.” Und so
dürfen aucli wir uns auf die Mittlieilung beschränken, dass Algazeli
sowohl mit seinen Vorgängern die Auffassung des ens lheilte (Anm. 32)
254) Ebend.: Dif/iniHa est i'd, quod facit imaginari quidditatcm rei in animo
interro-qualis diffinitione vero acquiritur veritas essentiae rei, unde nec potest
fieri diffinitio nisi ex differentiis substantialiltus tantum besrriytio vero sequitun
postquam aliquando sit apposita una differenüa; sed veritas rei certissime non cog
nosuitu-r nisi multis di/ferentiis Postquam autem facta est cognitio dif/initionis.
faciam te cognosccre, quot modis sit error in illa um ‚sunl, quae in dif/ini
tionibus caveri debenL
255) liberxii I’nle! autem ex praediclis, quod essmliale dividitur in triav quae
sunt genus, species et difli'reflliu; accidens vero dividitur in den, proprium accidens
_e! commune accidens. Manifestum es! igilur, quod universale dividitur in quinques
quae dicuntur incomple'ra quinque.‚
256) De divis. um's, c. 7.: tinx dividitur in universale Primum est quidem intentioy quae dicitur uniwrsalis. Sunm esseetestparitniciunltealrleigibili
bus, non in singularibus. Om'rlam vero audit-litos hoc, quod dicimus, quod omnes
homines unus sunt in humanitatej . ‚ . . .. pulaveriml, quod homo universalis sit
aliquid vus uuum numero existens in singutarihus Hic autem primus error csl;
intellectus enim recipit formam homini-sv singuli enim homines non di/Te
runt in humanitate ullo modo ld vero, quod concipitur de individua I’elro, est
forma singularis in inlellectn; secundum quod ipsa inlt'lligilur, universalis est er
hoc, scilicet quod eius compara/io ad omne individuum, quod est et fuit et er“,
unum es! universale igilur, secundum hoc quod est universale, existit in in
tellectilmsy non in singularibus; . veritas enim humanitatis est ih singulari-basi et
es! in intelligibilibus atrisque universale non potest hal/ere plura singulan'a,
nisi unumquodque eorum discernatur ab alio din-erentia vel uccidente; si enim acci
piatur universulitas per se nuda sine aliquo supemddito, quod adiungatur ei, non
potest imaginarikiu ea numeratio et singularitas.
n
‚ä:
366 va Algazeli.
als auch an Avicenna (Anm. 199 fl'.) in der Erörterung der Aecidenta
litat der übrigen neun Kategorien sich ansehloss in
Somit reiht er an die lsagoge unmittelbar als materia tertia der
Logik die Lehre vom Urtheile an, wobei er zunächst in der üblichen
Weise von den übrigen Satzarten das indicative, d. h. logis'che, Urtheil
herausliebtßß), in welchem er ebenso wie Alfarabi (Anm. 39) das
Verhältniss der lnhärenz des Prädicates besonders beachtet zu haben
scheint. Sodann aber wirft er sich für die nähere Darlegung sogleich
wieder auf das Motiv des Eintheilens, welches überhaupt bei ihm das
überwiegende ist. Zunächst theilt er die Urtheile in kategorische und
hypothetische, welch letztere in das verbundene (d. h. eonditionale) und
. in das getrennte (d. h. disjunctive) zerfallen sollen, und zwar bestehe
zwischen sämmtlichen drei Formen eine Analogie (vgl. Anm. 219), in
dem das Verhältniss zwischen Subject und Prädicat demjenigen zwischen
den‘zwei Gliedern des conditionalen und disjunctiven llrtheiles ent
spreche 259). Dass auch Algazeli wie Avicenna das copulative Urtheil
ausschied, s. oben Anm. 215. Eine zweite Einlheilung beruhe auf dem
inneren Gehalte des Priidicalesa nemlich jene in bejahende und ver—
neinende Urtheile, wobei jedoch nicht bloss bezüglich des kategorischen
das scheinbar negative Urtheil (privativa) positiven Gehaltes zu beachten
sei, welches durch privati-ve Sylben ausflcdrückt werde, sondern auch
daran festgehalten werden nuiSSea dass bei dem conditionalen und dis
juuetiven Urtheile die Negation zur Aufhebung der Verknüpfung diene 260).
257) Ebend. c. 5.: Necessarinm dividere accidcntia Primum autem dividi
tur in duo, quoniam quaedam corum sunt. quorum cssentia nullo modo per se polest
intelligiy nisi aliquid aliud extrinsecus intelligatuu et quaedam corum suntv quae
per se intelligi pussant; et haec diuiduntur in duas sprcies, quantitatem scilicet r!
qualitatem Ea vero, quae non possunt intelligi nisi respei-tu Worum, septem
sanl, scilicet rolatiol uln', quando, silus, haben, agere ct pati. Hierauf folgt c‚ 6.
der Nachweis, dass sammtliclle neun Kategorien, namentlich Quantität und qualium
wirklich Accidentien seien. "
258) Log. c. 3.1 Materia tertia est de coniunctione intomplcrcorum et de parti
bus enuntiationis. intentioncs incomplecac cum campanum/ar. proveniunt ca: eis
multae spatiosi de quibus omnibus non intendinms nisi da ca solal quae es! enun
tiatiol quae vocatur indicant-a vcl dictio dil/inilicm et haec cstl in qua contingit
veritas vcl credulitas vcl contradiclio vel fatsitas.
259) Ebend.: bioisio prima es!‚ quod cnuntiativa alia hypothetical liypothctica alia coniuncla, ut haec „caulimo seos!l ecsa!tegsourpiecraltenanip
dics est“, alia hypottictica dis-innatay ut haec „au! mundus coepit aut est acternux";
ratcgorica constat ez duabus partibus. quarum una dicitur subiechnn,
secunda dicitur praedicatum smiiliter hypotlictica coniuncta colnstat er duabus
partibusv quorum uuaquaequc cst cnuntiatinay- prima autem pars dicitur tlan
cedensl pars sccunda dicitur consequens : distantia etiam constat est
duabus parlibus, quarum unaquaeth est onuntiatival cum ablata fuerit coniunctio
disiancliva, quae est „aal“, partes autem eius non habent ordinem nisi sola pro
batione.
260) Ebend.: Secunda divisio ext, quod enuntiativa dividitur secundum inten
tione-ni pracdicati in affirmativam e! in negatioam .. Negativ vero lii/pothetica
coniuncta fil, ut negotio apponutur coniunctioni sic „non, cum sol est super lerram,
stellae occultanturng negatio vcro disiunctiva fil, u! negrlur coniunctio disiunctiva
sic „non est asinus vel masculus vel nigeru Erran! in catcgorica et putant1
quod haec „Pelrus est insipiensu sit negatioag est autem a/‘firmaliva, cius enim
q
XVl. Algazeli. sov
Entsprechend beruhe die Eintheilung nach der Quantität auf dem inneren
Gehalte des Subjectes; indem aber das singuläre Urtheil keine Anwen
dung linde und von dem unbestimmten entweder das Gleiche gelte
oder dasselbe als partieulares genommen werde, bleiben durch Gomhi
nation mit der Qualität nur die vier allbeliannten Urtheilsl'ormen übrig;
hingegen seien auch die eonditionalen und disjuucliven Urthede je nach
Kraft und Umfang ihrer Geltung in allgemeine und parlieulare zu unten“
scheiden‘ml). Sodann führe noch das zwischen Subjeet und Prädieat
bestehende Verhältniss zu einer vierten Eintheilung, neinlich zu jener
in Möglichkeits- und Unmöglichkeits-Urtheile, wozu bei engerer Begrän
zung des Begrifl'es des Möglichen noch als drittes das Nothwendigkeits
Urtheil hinzukomme 262). Hierauf folgt noch die Erörterung des contra
diclorischen Gegensatzes zweier Urlheile mit Angabe der Bedingungen,
unter welchen ein suleher stattfinden kann 263), und die Aufzählung
der gewöhnlichen Regeln der Umkehlung'l‘“); jedoch bei letzteren
beiden ist inconsequenter Weise nur mehr von dem kategorischen Ur
lhede die Rede.
intentio esty significarel eum esselstultumg et haec propositio privativa diciturj
cum re vcra sit n/firmulivu.
261) Ebend‚: llem alia propositionis divisio, quod secundum intentioneni sub
iecti dividitur in singularem et in non singutarcmg non singularis autem divi
ditur in inde/initum et defiuitarug cle/inito estl quae determinalur aliquo signo
universalitatis vel particularitatisg quae est quadruplezy scilicet affirmutira univer
satis et affirmativa Partienlaris, negativa universalis et negativa par
ticularis Secundum hoc igitur tiunt propositiones octo cum bis quatuorv quae
sequunturz singularis uffirmativu et singularis negative, inde/inito nf/irmalivn et in
definita negative; his autem quatuor non multum utimur in scientiisg inde/initae
vero accipiantur in sensu particulariumy quoniam sine dubio de parte signi/icanL
. . . . .. lii/pothetica vero coniuncta dividitur in universatemy ut „si semper sol est
super terramj semper est dies“, et particularemy ut „si aliquando sol est super
terraml erit dies". ltisiuncla vero fit universalia cum dicitur „omne corpus aut
movetur aut quiescitrg particularis ‘etiam, cum dicitur „quidam homo aut est in
navi aut est mersus.“ '
262) Ebend.: ltem propositio secundum intentionem compositionis sive habitu
dinis praedicati ad subiectum dividitur in passi/rite et in impossibile Possi
bile autem dnobis modis intelligiturg intelligitur enim possibiley quod non est im
possibile, sub qua comprehenditur etiam nerexsurimn, et secundum hoc res dividitur
in duo, in possibile scilicet et in impossibileg intelligitur etiam possibilc idy quod
potest esse et non esse, et hic est eius usus propriusg secundum hanc igitur consi
derationem erunt tria genera rerumy scilicet necessariunh possibile et impossibile.
263) Ebend.: ltem omnis propositio videtur habcre contradicturiani diversam a
se in aflirmatiouc et negatzoneg sed si diversa est ab ea veritate vcl falsitatel revera
dicitur contradictoria Vera autem contradictio esse non potest nisi adsint ista
sezs quorum primum est, ut subiectum utriusque sit unum sicut voce sic et signi
ficatione secundum est. ut praedicatum utriusque tertium est vero, ubi non cli/ferant in parte et tutor sicutsict umunduimcisetnoicduelmus Petri
est nigeruy intelliges depupitta quartum cst, ubi non differunt potentia et
e/foctu quintum est. ubi non sint diversae relationes sea-la conditiol
ut non discernantur quantitale.
264) Ebend.: vomnis propositio est convcrtibilis secundum quod videtury sed
conversio dividitur in comitantein suae veritatis et in non comitantem Nega
tiva universalis convertitur in negativam universalcrng negativa autem particularis
non convertitur af/irmativa universalis convertitur in alteram particularem
. ...; af/innativa autem particularis convertitur in similem sibi.
368 XVl. Algazeli.
Nun kann sich als materia quarta die Lehre von der Argumen
tali'on anreihen, bezüglich deren Algazeli noch einmal an seine princi
pielle Eintheilung der Logik erinnert, zugleich aber eine Unterscheidung
zwischen Form und Stoff der Argumentation an die Spitze stellt265).
Der Form nach ist die erste Specres der eigentliche Syllogismus, wel
cher sofort in den kategorischen und den hypothetischen Schluss ge
theilt wird, woran 'sich unter Angabe der üblichen Terminologie und
der Dreizahl der Scldussfiguren abermals (vgl. Anm. “259) eine Paralle
lisirung der kategorischen und hypothetischen Urtheilsform anknüpft‘m").
Sodann werden die gewöhnlichen Regeln über die für alle kategorischen
Syllogismen gültigen Bedingungen sowie über die Tragweite der drei Fi
guren vorausgesckickt267)‚ um sodann die Entwicklung der sämmtlichen
Modi der letzteren folgen zu lassen, wobei wir nur zu_ bemerken haben,
dass Algazeli in der ersten Figur die fünf theophrastischen Schluss
weisen nicht erwähnt, sowie dass er überhaupt von den mathematisch
möglichen sechzehn Combinationen der vier kategorischen Urtheilsformen
ausgeht, und hiernach im llinblicke auf die für die Schlussligur geltende
Regel die unzulässigen (Iombinationen ausscheidetzfis). Während er aber
hierauf die aristotelische Entwicklung jener lllodi, welche auf Verbin
dungen der Urtheile des Stattfindens und der Möglichkeit und der Noth
wendigkeit beruhen, gänzlich ignorirt, bildet ihm einen wichtigen Gegen
easy C. 4.: Malerin quarta est de coniunctione propositionum ad faciendum
argumentalioncm, et haec est nostra inlentiu Considerati'o-vero haec est circa
duo, quorum unum est forma et aliorum est materia. Ilrimum quidem est forma
argumentationis. Supra diximus autem (s. Anm. 235m), quod scientia aut est
imaginationis aut credulilatis, c! quod imaginationc non comprehenditur nisi in di/‘fi
nilioue, ‘credulitas vero nonii-tsi argumentationa Argumcntotio est vel syllogismus
vel exemplum vel inductio.
266) Ebend.: Sytloyismus dividdur in categoricum et hypotheticum . . . . .. Ex
coniunctione partium utriusque propositionis proveniunt tres parles, Aqnae vocantur
termini Snuntiatio unter", cum lueiit pars syllogismi, vocatur propositio
bispositio vero duarum propositionum vocatur camplexio; qualitas duarum propon
tionum ad medium vocatur /igura. iiz liac ergo propositionum dispositione fiunt tres
figurue iudicium autem anleccdentis et consequentis in hypotheticis coniunctis
simile est iudicio subit-cli et praedicati secundum ordinatiouem corum in Iiis tribus
Man's. Vgl. Abschn. V, Anm‚ se tl'.
non Ebend.: conveniunt etiam in hoc trcs figurae, quod in nulla earum con
cluditur aliquid ex duabus negativis nce ex duabus particularibus nec ex minore
negativa et maiore particulari liigura autem prima concludit quatuor finilas
figura vero secunda nullo modo concludit a/jirmativamg tertia figura nullo modo
concludit universalem
268) Ebend.: l'os! hos quatuor (so. modos primae fiyurae) sequuntur duodecim
commixlioncs, quae non concludunL E0 quod in unaquaque [igura possunt fieri su
decim aonnexiones; minor enim potest esse a/firnmlira universalis vel particularis vel
negativa universalis vel porticularisr et sic fiunt quatuon quarum unicuique etiam
possunt adiungi quatuor maiores Cum autem posuerimusl ut minor sit negativa
universalis vel particularis. non concluditur aliquid, et per hoc ezrcluduntur
octo connuioncs E! remanel/un! duae a/lirmativaeg affinnalivae vero universali
minori possunt adiungi quatuor maioresg duae illarum non concludunt .. eo quod
in hac figura postn'mus, ut maior sit universalia Romanen! ergo in hoc figura sez.
Affirmalwae vero particulari minor-i nunquam adiungitur particularis maior nec affir—
mativa nec negativa .. .. . lfxctuduntur ergo de sex remunentibus aliae duae. EI sic
remanent quatuor tantum '
XVl. Algazeli. aes
stand die Lehre vom hypothetischen Syllogismus, welcher nach Obigem
(Anm. 259) in einen condilionalen und einen disjunetiven zerfallen muss.
Bezüglich des ersteren gibt er allerdings die gewöhnliche Ilegel, dass
durch Annahme des Vordersatzes der Nachsatz angenommen und durch
Aufhebung des Nachsatzes der Vordersalz aufgehoben sei, aber er fügt
noch den höchst Iäppisclien Einfall hinzu, dass‚ wenn der Umfang des
Vordersatzes und jener des Nachsatzes einander völlig gleich seien, auch
umgekehrt geschlossen werden könne und es dann luemit vier conditio
nale Schlussweisen gebe 269); in ähnlicher Weise denkt er auch bei
dem disjunctiven Schlusse, welcher in der Hegel in vier Weisen sich
gestaltet, an die Möglichkeit, dass nicht eine dichotomische Alternative,
sondern eine Mehrghederung von Fällen im Obersatze vorliege 27°). In
dem er aher hierauf die Entwicklung der Formen der Argumentation
noch vervollständigen will 271), bespricht er zunächst noch den indirecten
Beweis 2"2), sodann die lnduction unter dem üblichen Vorbehalte be
trell‘s ihrer 'l‘ragweitezn). und zuletzt die Exemplification, bei welcher
er völlig in das Gebiet der Rhetorik hinüberstreilt, während er Momente‚
welche eben dort ihre geeignete Stelle haben, als logische Stützen der
Exemphl‘ication betrachtetu‘). ln solcher Weise ist bei Algazeli an
269) Ebend.: A! modo de sylloyismis hypolhelicis, quorum duae sunt speciess
hypotheticus coniunctus ct disiunctus '. Hypollielici vcro coniuncti hoc es! exemplum
„si mundus est Indus, factarem hebst“,- haec ex! propositio1 cuius si posueris
onteceilerm sequitur consequensg si vero posueris negativem cunsequcntis. sequi
tur neyatoria antecedentis Ad positionem vcro consequentis vel ad destructionem
antecedentis non fit conclusio nisi in paribus tanlum, in quibus consequens non est
conzmunius antecedentin et tunc possunt concludi quatuor liypotheticael ut „si hoc
est corpus, hoc est campositum. sed est corpusy ergo est campan-tumitl vel „es!
composilum. ergo cst corpus“. vel „mm est cm'pus, ergo non est compositumtt vel
„ncrn es! compusihmi, ergo non es! corpora Si vero consequens fuerit communius
autccedcnter tunc mt remotiouem communioris removetur sed ad remotionem minus communis non removetur magis commmiunnues c. .o.m.m.u.;nesed ad
posttionern minus communis ponitur magis commune et non o contrario.
270) Ebend.: Species secunda est de hypotlictica disiunctay ut hic „au! mundus
coepit aut mundus est aelemus“, hic concluduntur quatuor hypotheticac hoc modos
„xed mundus ooepit. ergo non est aelm‘nus", vcl „mm cuepit, ergo es! detemus“,
vel „es! aeternas1 ergo non coepil“, rel ..non est acternus1 ergo coepi!“ Hoc
autem non fi! um in contrariis immediatisg sed in nwdialis, si fuerint m'a, ad
petitionem unius eorum removentur reliqua duo si vero enuntiatio fuerit plu
rium partium. .. .. . od positionem unius corum remmxcntur ceteri.
271) Ebend.: Huec sunt principia syllogismorum Sed ad complendum hunc
tractatam adiicimus etiam quatuor (zu lesen m'a), quae sunt ratiocinatio indirecta
et inductio et cxemplum
272) Ebend.: ltatiocinutio composita ratiocinationis indirectoe forma esty prooure
propositioncm destrucudo contrarium dicendo illud ad inconvenienx. scilicet adiungere
illi aliam propositionem manifeste veram et concludere ez eis manifeste falsunL
273) Ebend.: inductio est orutio. in qua etc multis particularibus infert uni
versalc illonim lnductio autem non valet nisi in auctoritatibus logicis non
necessariisl in quilms, quo magis fuerit inductio diligentius composita et plcniorl
faciet maiorem fidem.
am Ebend.: Ezemplum est illudi quod ductores legis argumenlutioncm vocant1
scilicet iudicium de uno singulari in aliud propter aliquam similitudinem Post
quam autem dialectici apprehenderunt debititatem huius argumentationisy adiuvencrunt
Piuunl Gesch. lt. at
370 XVI. Algazeli.
Stelle einer getreuen Auffassung der aristotelischen Logik bereits ein
sehr steriler Abhub griechisch-arabischer Schnl-Logik getreten, welcher
allerdings für seine skeptisch-destructive Tendenz ein geeigneterer Gegen—
stand sein mochte, als wenn er die achte Lehre des Aristoteles ent
wickelt hätte. appe-m „3
indem aber hierauf noch der Stoll' der Argumentation seine nähere
Erörterung findet, so hat Algazeli hierin nicht hloss wie seine Vor
gänger (Anm. 51 u. 223) die Anknüpfung der zweiten Analytik an die
erste El‘l)lickf.275)‚ sondern er folgte hiebei auch völlig dem Alfarabi,
oll‘enbar in der Uebcrzeugung, dass die aristotelische Lehre einer we
senllichen Ergänzung bedürfe ts. Anm. 52), und zwar in einer Weise,
dass wir je nach Befund unserer Quellen erst durch Algazeli eine
genauere Einsicht in jene arabische Zuthat erlangen. Nemlich indem
derselbe Alfarabi’s Gleichniss mit dem Golde (Anm. 51) wiederholt,
bringt er mit jenen dortigen fünf Abstufungen der Urtheile zunächst
den Unterschied zwischen dem demonstrativen, dialektischen, rhetori
schen, sophistischen und poetischen Verfahren (vgl. Abschn. XI, Anm.
122 f.) in Verbindung, und zahlt hierauf jene nemlichen dreizehn Arten
von Urtheilen, welche den Stoff der Beweisführung bilden können,
aufzm), um sodann dieselben höchst ausführlich in Beispielen zu er
lautern '— ihre Namen sind: primaea sensibiles, earperimentales1 famosae,
quae naturaliter secum habent probatione'm, aestimativae, maximam
receptibües, concessae, simulaloriae, maximae in apparentia, putabiks,
immutatoriae —277)‚ worauf noch die‘ Zurückl'ührung derselben auf
m nga w
aliam viam . . . . .. c! in stabitiendo hoc processerunt duabus m'is. quarum una dicitur
„simile et cantrarium“ . Alia via „conieatatio“ ext.
275) Albert. M. Anal. posl. l, 1,1, p.514. B: Multa autem sunt propositionum
genera, ut dicit Algazel, in quibus nihil proximith est syllogismo. quam necessitas
in materia propositionumg et ideo haec scientia (sc. demonstrative) immediate post
scientiam de syllogismo es! ordinanda.
276) Log. c. 5.: Materia syllogismi sunt propositiones, quae si fuerint cre
dibiles et verac, erunt conclusiones aredibites e! verae Sie“! aurum est materia
nummi et rotunditas forma eins, similiter syllogismus est vitiosas aliquando
vitio Iormae, scilicet cum non fuerit secundum aliquam figuram praemisramm, ali
quando est vitio materiac, quamvis forma sit recta Seit sicut aurum habet
quinque ordines. . . . . . similiter propositio habet quinque ordines ; primum ordinem
habet i'lla, quae est vera et credibilis sine dubietate sim- deccptione, et argumentativ
ez talibus composita dicitur demonstrative .. proxima veritati, ut difficile possit
falsitas esse in illa ...., et argumentatia ex ea vocatur dialecticag tertium habet ca,
quae opinabitis , . rhetor-leop quartum habet propositio formata ad modum verarum
eum simitatione et dolo, et syllogi'smus, qui fit ex eal dicitur deceptivuc et
sophisticas; quintam habe! propositio, quae scitur esse falsa . . . . .. Opus autem,
de his propositionibus latius disseram. omnis igitur propositioy ex qua componitur
argumentatio. quae propositio nondum stabilito es! rah'one, . . . . .. dividitur in tre
decim partes1 scilicet in pn'mas, sensibiles, experimentaks, famosasa proposita-onem
quarum medium terminuni et probationem intelligere in promptu est, et in aestimaticas,
maximas, receptibiles, concessas, simulatorr'as, eas quae videntur maximam et puta
biles et imniutatorias.
277) Ebend.: Primae saut, quas per se necesse est naturaliler intellectui cre
derh tft haec „dito sunt plus, quam umtm" . . . . .‚ Sensibilcs sunty ut haec „so!
es! lucuius“ Experimenlalea‘ sunt propoxilioncs, quax acquirimus-in sensu e!
m!elIec!tt‚ u! haecl quod scimus, quod ignis adurit . . . . .. Famosac Saat, sicut quas
2'
XVl. Algazeli. 371
obige fünf Verfahrungsweisen (lacultates) folgt, insol‘erne die ersten
fünf der Demonstration, die 7. und 9. der Dialektik, die 6., 8. und 11.
der Rhetorik, die 10. und 12. der Sophistik, und die I3. der Poelik
zugewiesen werden 2"5). Wenn aber hierauf unter der Ueberschrift
„De fallat-iisu sich eine Aufzählung möglicher Fehler der Beweisführung
anreibt, so ist hiedurch ebensowenig der Inhalt der Soph. Elenchz' be
rührt, als etwa in das Vorhergehende die Topik verflochten wäre, son
dern das Ganze enthält nur in der Angabe von zehn Punkten eine zer
splitterte Wiederholung dessen, was Aristoteles noch in der ersten
Analytik bezüglich der Wahrheit des Erschliessbaren (Abschn. IV, Anm.
611—614), sowie über das Erschleichen des Ausgangspunktes (ebend.
vulgo dicente didicimusy sicut hacc, quod Aeyyptus estp quamvis nunquam vidimus
Propositiones verol quae sequuntury habent probationem suam naturaliten sunt
illael quibus non acquiescit animus nisi per medium terminum opinabiles
sunt propositiones falsael quae ita fixe adhaeserunt in aru'mo, ut nemo possit dubi
tare, de bis, quae contingunt ez actione aestimationis in ea, quae sunt praeter
sensibitia Manifestae sunt propositiones. quae non recipiuntur nisi in quantum
sunt manifestaeg et putat vulgus et simplices doctor-esl esse primas comitautes in
tellectus naturaml ut haec nmeudarium est tarpe" (demnach ist, was oben aesti
mativa genannt war, hier in opinabilis und manifesta zerlegt) . . . . .. Maximaa
autem iii/ferunt secundum maiorem ct minorem evideutiam sui et secundum diversi
tates usus et modorum etyterrarum et artificum Receptibiles sunt illael quae
habentur a sanctis hominibus vel a maioribus sapientum concessae sunt. quas
concessit adversarius vel sunt manifestae inter ambos tantum Simulatoriae suntl
quas studet homo assimilare primis vel experimentalibus vel maximis blac-imae
in apparentia saut, quas qui audit statim recipit in principiol sed cum diligenter
attendih audity non esse recipiendas llutabiles sunty quae faciunt putare ali
quidl quamvis animus percipiats posse esse eius oppositumy sicut nqui nocte ambu
!a!‚ male/actor es!“ lmaginariae vel trans/ormatoriae vel immutatoriae saut,
quas scimus esse falsasl sed imprimuntur in animo vel appetenda vel respuenda,
sicut .‚me! videtur esse stcrcus“.
em C. 6.: De acceptione propositionum in facultatibus. Ouinque primae spe
ciesj scilicet primaey sensibiles, experimenmles, famosae et quae secum habent natu
ratiter probationem (der Text gibt proposih'lmem) suam, congruunt argumentationibus
demonstrativisg utilitas autem demonstrationis est manifestatio veritatis et acquisitio
aertitudinis. illas-imae vero et concessae aptae sunt argumcntationibus dialecticisg
utilitas autem dialecticne multiplex est; prima esta convincere praesumptuosum
et iactantem se roire, quae nescitg secunda cstl ut cum voluerimus docere illum
aliquam scientiam veram‚ nec sit contcntus oratione rhetoricaj . nec tamen
ascendit adhuc ad gradum superiorem veritatis ‚.‚..; tertia est. quod introducendi
in singulis artibus . . .. non possunt prius addisrtre principia artis quarta est.
quod natura dialecticae argumentationis estl posse concludere duas extremitates con
tradictionis in quaestione. quod cum fecerit et consideraverit locum errori's, aliquando
mani/estabitur ei veritas ltutabiles autem et simulatoriac propositiones sunt
aptae argumentationi sophisticoel nec prosunt alio modo nisi ut sciantur ad cavendum
eas, et aliquando tentamus per eas intellectum et vocabitur argumentatio
tentutiva. aliquando vero inducemus eas ad inferendum sibi verecundiamy qui simulat
vulgo se sapientem esse et tunc vocabitur argumentatio dcceptiva Mazimae
vero in apparentia et putabites (wie sich von selbst versteht, ist hie ur opinabiles
oder aestimativac zu lesen) et receptibites aptac sunt fieri argumentationis proposi
tiones rhetoricae e! tegulis utilitas autem rhetoricae manifesta es!‚ flectere sci
licet animos Transformakniae aa!em sunt propositiones argumentatiouis poeticae
Ex his autem omnibus negotiis nihil est opus cognoscere nisi demonstratinum
ad inquirendum et sophisticum ad cavendumg intentio nostra erit ailmodo loqui de
his duobus.
24‘
sn XVI. Algazeli.
Anm. 628), über den Cirkel-Beweis (ebend. Anm. 615), und über die
Stufe des blossen Meinens (ebend. Anm. 634) entwickelt hatten“).
Erst nun aber nach dieser ganzen nigras-sion betrell‘s des Stoll'es,
welche oll‘enbar aus Alfarabi entnommen ist‚ kömmt Algazeli auf die
materia quinta der Logik, d. h. auf die aristotelische zweite Ana
lytik selbst, wobei er vorerst die Frage des „0b“ betrell‘s der Exi
stenz selbst oder eines blassen Zustandes, und die Frage des „Was“
nach Seite der Namenserklärung und der Wesens-Definition, und die Frage
des „Wie beschallen“ bezüglich des artmachenden Unterschiedes, und
die Frage des „Warum“ im Sinne des Bealgrundes und auch des Er
kenntnissgrundes besprichtzsofl und sodann in seiner Manier des Ab
theilens als zweiten Punkt den Unterschied der „demonstratio quian
und der „demonstratio quare“ (vgl. Anm. 62 u. may erörtert 251); hier
aul' folgt als dritter Gesichtspunkt ein Excerpt aus den Angaben des
Aristoteles über das Zustandekommen des apodeilttischen Wissens (s.
Abscbn. IV, Anm. m ll‘.) bezüglich der den Einzel-Wissenschaften eigen
tlii'tmlieheu Gegenstände -und desjenigen, was denselben wesentlich zu
kömmt, sowie der wissenschaftlichen Fragen und der obersten Princi
pien, welch letztere auch Algazeli im Sinne mathematischer Axiome
279) C. 7.: De fallaciis. Nanr autem ostcndemus species erroris ad cavendum
eas, quae sunt decem t‘nma est‚ quod disputationes unde oportety .. .. ut scias, si est syllogismus anno" saecpt ecu‚iuums! ficgoanr/auemeet cuius
modi Secuudav ut diligenter ohservcs medium terminum Tertia est, ut
diligenter obserres, ne inter utrumque terrninam, maiorem scilicet et minoremy et
ertremitates conclusionis sit aliqua diversitas Quarla ext, ut obseroes duos vel
tres terminos et duas eztremitates coriclusioriis. ne sit in eis aequivocum . . . . ..
Outnta ext, ut obscrnes copulationem et nomina Searta esty ut non recipias
inde/inillis Septima estl quia aliquando crcdes propositionem in syllogismo eo.
quodv quodcunque quaesiveras, eius contradictorium in intellectu tuo non immun,
sed hoc non facit necessitatem credendi octava estl ut quaestio non fiat propo
sitio in syllogismo Nona est, ut non probetur aliquid per idy quod non pro
batur nisi per ipsum ltccima est, ut fugias propositionex pulabiles marimas
et simutatorias, nec credas nisi primas ct sensibites e! alias, quae cum eis saut.
260) C. 8.: De demonstrationc. Materia quinta est de Iris. quae sequuntur
librum argumentationis dc Analecticis (vgl. Abschn. XIII, Anm. asa u. Abscbn. XIV.
Anm. 23) posterioribus, in qua es! utilitas dclnonstrationis. Haec dividitur in
quatuor species. Prima species est de quaestionibus discipliuabilibus et corum parti
bus, scilicet de quatuor quaestionibus. quae versantur in scientiisl quarum prima
es! „an esl“, secunda cst „quitt est", tertia cst nquale es!"‚ quarta
est „quarc esl“. Interrogatio vera „an es!" fit duobus modis, uno quo qaacritnr,
an res habeat cast', scaunda, cum quaeritur disposilio rei, u! an mundus
coepit. lnterrogatio vero nquid ista similiter duobus modis fit, una cum quaeritur
de interpretatione nominisy alio modo quaeritur veritas rci in so; interro
gatio vero „quid es!“ secundum primum modum prac-cedit interrogationem „an ext“.
. . . . .. lnten-ogatio vero „quale“ quaerit de differentia vel de proprio. Interragatia
vero „quare es!“ fit duobus madisi uno quaeritur causa csse rci. alio quaeritur
causa scientiae . . . . ‚ .. lnterrogatio vero ..quid es!“ ct nquale es!“ pertinet ad ima
ginationeml sed interrogatio „an es!“ et „quare es!“ pertinet ad cfcdalitatem.
281) Ebend..- Sccuuda eius species es! dc syllogismo demonstrative; syllogismus
demonstrativus dividitur in eum, quo acquiritur causa esse concliisionis. e! in eum,
quo acquiritur fidcs eins, quod est esse; primus vocatur ndemonstratio quare est“.
secundus vocatur „demonstrativ quia es!" .‚ Demonstratio est de „quare“, quando
medius terminus causa cst inueniendi minorem et maiorem terminurn.
XVl. Avempace. 373
(vgl. Anm. 60) aufgefasst zu haben scheintzsz). Endlich als vierter
und letzter Punkt begegnet uns hier die Erörterung über das aristote
lische xaödttov und auf}, wird, welche bei Alfarabi und Avicenna (vgl.
Anm. sv u. 224) zu den Untersuchungen über das praedicatum primum
geführt halte, hier aber in ziemlich schulmässiger Formulirung und mit
starker Betonung der Bedeutung des Präldicates auftrittzsi").
So beschränkt sich Algazeli wenigstens in seinem uns zugänglichen
compendium auf den Umkreis der Apodeiktik, ohne die Topik oder
Sophistik beizuziehen; es dürfte aber auch dieses mit seiner skeptischen
Tendenz übereinstimmen. da er be| Bekämpfung des eigentlich wissen
schaftlichen Verfahrens das dialektische Gebiet der blossen Probabilität
völlig ignoriren konnte.
Ueber Av e m p a e e (Abu - Bekr - Mohammed - Ben - ‚labya - Ibn - Badscha,
gest. 1138) können wir hier nur äuSserst Weniges berichten. Sein
Einfluss auf das Mittelalter liegt hauptsächlich in seinen Bearbeitungen
der physikalischen Schriften des Aristoteles oder mittelbar durch Aver
roes in der Entwicklung der Erkemitnisslehre, welch beiderseitige Tha
tigkeit uns hier nicht berührt. ‚Und wenn derselbe sich auch mit dem
Umkreise der Logik im engeren Sinne beschäftigten“), so scheinen
von dergleichen Schriften desselben dein Mittelalter durchaus keine
Uebersetzungen vorgelegen zu sein, und auch wir finden ihn nur ein
paar Mal gelegentlich erwähnt, nemlich in der oben, Anm. 58, ange
führten Stelle bezüglich jener principiellen Frage über die doppelte
282) Ebend.: fortia species est de Iris, in quibus potius continentur scientiae
dernonstrntivael et haec sunt quatuor, scilicet subiectal accidentia sxsenliah'a, quae
stioncs, principia Per primum quidem, quod est subiectum intelligi-tan quod omnis
scientia subiectum habet sine dubio, de quo tractal speculator ergo cuiustibet
scientiae non debet probare in sua scientia suum subiectum I’er secundum
onlem, quod est accidentia essentioliav intelliguntur proprietates accidentales ilii sub
iecto tantum et non alii; necesse est autem in principiis euiustibet scientiae
intelligere haec accidentia essentiatia cum suis dif/initionibns secundum imaginationem.
sed hoc existere in suis subit-elis non cognoscitur, nisi ex compreliensione vet com
plczione totius scientiae . . . . .. Per tertium unter", quod es! quaestionesl inquirimus
cohaerentiam ipsorum accidentium essentiatium cum suis subiectisg et hoc, quod estv
potitur in omni scientiag secundum vero quod interrogatur de eis in t'ß, nomi
nontur in ea quaestiones huius vel illius scientiaey sed secundum quod petuntun
dicuntur petitionesy secundum vero quod concluduntur in demonstrationitmsv dicuntur
conclusionesg in quibus omnibus nominatum est unumt ipsa vero principia non probantur in ipsa arte, sed velsedsunnotripornitmuar neotmvioncaan.t. ur per
se notav ut hoc. quod dicitur in principio liac/illisi .vel non sunt prima, sed
sunt recipienda a magistro
283) Ebend.: Species quarta est de omnibus conditionibus propositionum de
monstrationisv quae quatuor sunl, scilicet quod sunt cerae et necessariae et propriae
et essentiales . . . . .. lissentiate enim hic acripitur duobus modis, uno ut praedicatum
intret difpnitionem suln'ecti, secundo ut subiectum intret dif/initionem praedicati.
Essentiale autem secundum primum modum supervacuum est l‘rior es!
cognitio praedicati cognitione subiecti onisquis enim intelligit triangulum eum
diffinitione sua secundum imaginationema non inquiret m. quae praedicantur de eo;
postea autem potest quaerere. si omnes eius anguli sunt aequales duobus reclis,‘
quaerere autem, an sit flgura vel mm. supervacuurn cst.
284) Manck, Dictimm. lll, p. 154. berichtet, dass logische Tractate des Avem
pace sich im Escnrial befinden.
o
374 XVI. Averroes.
Funetion der Demonstration, sodann wieder bei den Erörterungen über
praedicatum primumzssL und einmal in der Sophistik 286)‚ M ledigliche
Einzelheiten, aus welchen wir, wie sich von selbst versteht, nichts
Näheres entnehmen können. _
Einen gewissen Abschluss aber erhielt die arabische Philosophie
überhaupt, wie bekannt, durch Averroes (Abul-Walid-Mohalnmed
lbn-Acbmed-lbn-Boschd, gest. 1198), dessen commentirende Thätigkeit
die sämmtlichen Werke des Aristoteles umfasste 287). Er stand lnehei
allerdings nur auf dem Boden seiner arabischen Vorgänger, denn er
selbst verstand weder griechisch noch syrisch, aber mit peniblem, ja
fast bornirtcm Fleisse nahm er in stets wiederholten Uelierarbeitungen
den gleichen Gegenstand vor, und so verfas‘ste er auch zu jenem Zweige
der Philosophie, welchen wir hier zu besprechen haben, nemlich zum
Organen, dreierlei Comtnentare, unter welchen die einfachsten blosse
Paraphrasen waren, zu Welchen ebendeshalb noch sog. „mittlere“ und
zuletzt sog. „grosse“ Commeutare kamen. lndem wir unserer Aufgabe
gemäss von anderen Schriften des Averroes, welche dem Mittelalter
bekannt waren, absehen, wie namentlich von der „Destructio destruc
u'onis“ (gegen Algnzeli) und von seiner Darstellung der Erkenntnisslehre
(Epist. de connex. intellectus abstr. cum homine, worauf der lllonopsy
chismus der Averroisten in Oberitalien wurzelt), müssen‘wir erwähnen,
dass die Scholastiker sätnmtlicbe drei Arten der Cummentare zur zweiten
Analytik, zu den übrigen Büchern des Organous aber (mit Einschluss
der Rhetorik und Poetik, vgl. oben Anm. 18) nur die Parapbrasen und
die mittleren Commeutare kannten, wozu noch eine vlfpitomeu des
Organons und „Quaesita in libros log. ArisLu kommenzss); die beiden
letztgenannten Schriften jedoch scheinen sicher mit Unrecht für Werke
des Averroes gehalten worden zu sein, denn sowie die quaesita durch
formelle Momente einen sehr gegründeten Verdacht erregen “9), so
liegt die Epitome im Inhalte in Widerspruch mit den ächten Schriften
des Averroes 290). -
285) Ps.-Anerr. Ouaes. in Poster. Resolul. f. 373. r. B (vgl. Anm. 57. u. 224.).
286) Ps.-Averr. Epitome, f. 352. r. B.
287) S. über denselben Munck, Dictt'orm. lll, p. 157 fl'. und vor Allem E.
itemml Averroes e! l’Averroisme. Paris 1852. 8.
288) Die dem Mittelalter zugänglichen Schriften des Averroes sind in mehreren
älteren Ausgaben der lateinischen Uebersetzung des Aristoteles gedruckt; ich citire,
wie bemerkt (Anm. ll.), nach der Venetianer v. 1552, fol.
289) Es mag allerdings als misslich erscheinen, wenn ich ohne weitere Kennt
niss der arabischen Originale lediglich aus den lateinischen Ueberselzungen ein
derartiges Urtheil falle, und ich darf aus diesem Grunde wohl kein grosses Ge
wicht auf jenen Unterschied des Stiles und der Behandlungsweise legen, welcher
zwischen den Quaesitu und anderen unzweifelbalten Schriften des Averroes zu be
stehen scheint, obwohl ich überzeugt bin, dass jeder aufmerksame Leser sofort
den gleichen Eindruck empfangen wurde. Hingegen von entscheidenderem Belange
durfte es sein, dass der Verfasser der ouaesita seinen Tadel gegen Andere in sehr
verallgemeinerten und fast schmahenden Ausdrücken ausspricht, ein Ton, welchen
Averroes bei aller Meinungsverschiedenheit nie einschlägt. Belege hiefur finden
sich in obigen Anm. ll. 55. u. 70.
290) Nemlieh abgesehen von einer abweichenden Terminologie, für welche
XVI. Averroes. 375
Die Leistungen des Averroes auf dem hieher gehörigen Gebiete ent
halten au sich durchaus Nichts, was ihm selbst eigenthümlich wäre.
sondern er ist lediglich Couunentator des Aristoteles, dessen richtiges
und klares Verständniss er dem Leser ohne irgend welche Abweichungen
zugänglich machen will. Daher wir gerade nach jener Seite hin, in
welcher sein verdienstlicher Einfluss auf das lateinische Abendland liegt,
uns über ihn am kürzesten fassen können und müssen; denn es dürfte
in der That fast genügen, wenn wir kurzweg im Allgemeinen über ihn
sagen, dass er ein fleissiger und getreuer Erklärer des Aristoteles war,
und es gilt dieses vollständig auch bezüglich der Metaphysik, welche
dle Lateiner gleichzeitig im aristotelischen Texte und in der erläuternden
Darstellung des Averroes erhielten, so dass es eine unnölliige Verdopp
lung wäre, wenn wir bei jenen Erörterungen der Metaphysik, welche
(z. B. betrefl's des Verwirklichungs-Processes des Artbegrifl‘es oder der
individuellen Substanz) in die Logik hinüberspieleu, die Angaben des
Averroes besonders anführen wollten, da ja dieselben nur in exegeti
scher Form das Nemlirhe darbieten, was zugleich aus Aristoteles selbst
zu schöpfen war. Ein ausserliches Moment aber fällt dem Leser der
Commentare des Averroes sofort in die Augen, nemlich das fortgesetzte
Bemühen, jeden Stofl‘ zur leichteren Uebersicht in Abtheilungen und
Unter-Abtheiluugen mit ausdrücklicher Nnuierirung zu gliedern 2‘“), und
wir können auch bemerken, dass hierin Averroes einen üussereu Ein
fluss auf die Leclüre der aristotelischen Schriften ausübte, welcher sich
bis in das 16. Jahrhundert erstrecktzg‘l).
Indem sich Averroes bezüglich der Frage, wie sich die Logik zu
den übrigen Wissenschaften verhalte, an eine viellicsprochene aristote- '
lische Stelle (Abschn. IV, Anm. 177) anschliesst, wornach die logische
Disciplinirnng des Denkens vorautreteu sollmaja sucht er, wie gesagt,
sicher nicht der Uebersetzer verantwortlich gemacht werden kann (Anm. 346.),
widerstreitet den ausdrücklichen Angaben des Averroes nicht hloss die ganze Ein
theilung des Stoffes (Anm. 348.), sondern auch im Einzelnen die Beurtheilung der
lsagoge (Anm. 350 f.), sowie insbesondere die der Dialektik augewiesene Stelle
(Anm. 372). Hiernach muss unsere Uebcrzeugung auch dahin gehen, dass wir
die von Levi Gerson (f. 7. r. B, s. unten Anm. 413.) erwahute Summqu logiculis
des Averroes in jener Epilome nicht besitzen. Dass aber hinwiederum auch nicht
die Ounesilu und die Epitome Produkte Eines und des nemlichen Autors sein
können, zeigt die Vergleichung obiger Anm. 54. u. 55., woselbst uns beide unbe
kannte Verfasser als Berichterstatter über den ncmlichen Gegenstand dienten.
aen So werden z. B. (f. 15. r. A) die Kategorien in 6 partesy und dann
die Substanz in l4 parliculas, die Quantität (f. 17. v. B) in 7, die Relation (f.
m r. A) in 8, die Qualität (f. 22. v. B) in 11, die Gegensätze (f. 22. r. A) in
ll particulas abgetheilt, und jedcsmal geht die vorläufige Aufzahlung dieser Ab
theilungen dem Delail-Commcntare voraus, Welcher dann wieder die Numerirung
stets im Auge behält.
292) Nemlich nicht hloss durch Franc. Palrmiusy Discuss. Peripal. l. f. 98.
ist uns bezeugt, dass die Aristoteliker in Oberitalien jene von Averroes durchge
führten Abtheilungeu recipirten, sondern es weist auch die in den älteren Drucken
der aristotelischen Werke (auch Metapli. u. De animal übliche Eintheilung in Ca
pitel und Paragraphen auf die nemlichc Quelle zurück.
293) Albert. M. De praedicub. l. 1, p. l. B: Et Aristoteles et similiter
Averroes dicunt, omm'x scientiae modum esse ipsum soientiam, quae est et vocatur
376 XVI. Averroes.
das Verständniss des Organons durch seine Commentare zu erleichtern.
Aber schon bei dem ersten recipit-ten 'l‘heile desselben, nemlich bei der
lsagoge des l’orphyrius, zeigt er sich uns als jenen strengen und reinen
Aristoteliker, welcher er überall ist; denn er will das Büchlein des
Porphyrius lediglich darum besprechen, weil er hiezu im Hinhlicke auf
die einmal bestehende Gewohnheit von wissenschaftlichen Freunden
gedrängt worden war, während er selbst die entschiedene Uebeneugung
hegt, dass die Isagoge gar nicht zum Organon gehöre, 4indem ibr auf
die Definition bezüghcher lnhalt weder unter das demonstrative noch
unter das rhetorisch-topische Verfahren untergebracht werden könne.
sondern nur den Sprach-Ausdruck der fünf Worte betreffe, abgesehen
davon, dass sie überhaupt keiner weiteren Verdeutlichung bedürfe 29‘).
Und da somit Averroes gleichsam widerwillig an diesen Theil seines
Commentares geht, so beschränkt er sich auch auf das bei Porphyrius
Angegebene und lasst jede anderweitige oder tiefere Frage bei Seite.
So gibt er sowohl über den Gattungsbegrill'mö) als auch bezüglich der
Relativität der Definitionen des Gattungs- und des Art-Begriffes (Vgl.
Anm. 113) und über die doppelte Definition des letzteren (Anm. 119)
nur karge Referate, ohne in die dargebotene Polemik einzugehen 29Ü),
während er allerdings bei Erklärung der Metaphysik sich für die engere
Definition der species speciatissima entschied 297). Er lenkt daher schnell
auf die Tabula logica des l'orphyrius ein 295‘), wobei er die Definition
logiea, et quod non simul addisci potest scientia et scientiae modus, sed oportet
prius discere modum et deinde per modum iam perfecte appreliensum addisrcre ten
tare scientiam
294) Ad Porph. i. 1. r. A: Propositum huius tractatus est. exponere ea, quae
in introductorio ad scientiam logicum libro Porphyrii conlinontur, propterea quia
iam adolevit consueludo. ut initium librorum logicalium ab ipso sumotun Ebend.
nm Schlusse f. 10. r. B: Et hic oxpliciunt ea, quae in hoc introductorio continen
lur; instigalus autem a quibusdam sociis nostris eruditis ac de hoc negotio diligen
tibus de secta Murgilana, quorum deus misereatun ut ea erpaneremx ea exposuit
alias enim ego abstinuissem ab huiusmodi ezposilione propter duo; primum quideml
quoniam non videoi hoc introductorium esse necessarium pro initio sumenda in hac
arte, nam id, quod in eo diciturj non potest esse sub ratione illius partisy quae
est communis huic urti, ut aliqui sunt opinati; nam i'd, quod in eo dicitur de deti
nitionibus harum rerum, si esset demonstrativi generisl tunc esset pars libri Demon
strationis, et si esse! generis probabilisl tunc esset pars libri Topirorum; sed Por
phyrius fecit mentionem de his rebus. prout sunt expositiones eorurn. quae significant
illa nominaj . . . . .. secunda vero causa erat, quia verba huius viri sunt per se
mani/esta in hoc introductorio.
295) Ebend. f. 2. r. B.
296) Ehend. f. 3. v. B.
297) Albert. M. De pmedicab. V, 6, p. 63. B: Aristoteles in septimo primae
philosophiae ct ibidem Arerroes in commentario (f. 92. v. A) expresse dicunt et
probanll quod ultima differentia cuiuslibet speciei eonslitutiua convertibilis est cum
ea ita, quod non convenit eam nisi de illa specie praedimri, non ergo praedi
catur de pluribus differentibus specie, ut videtur . . . . .. Hoc autem dicit Averroes
dicens. quod omnia intermedia inter genus et ultimum differentiam circumlocutio sunt
proximi generis, qua circumlocutione non opus esset, si nomina praximomm generum
haberemus.
298) Ad Pov'ph. f. 4. r. A, woselbst sowohl die Angaben über „cns“ (s.
Anm. 32.) als auch (f. 4. r. B) die sog. regula de quocunque (Anm. 192.) sich
mu . _ p
XVl. Averroes. 377
das Individuums etwas stärker hervorhebt 299), aber dann wieder völlig
in der üblichen Weise die Eintbeilung.r der Dill‘erenz anwendetsoojl
wobei ihn jedoch sein achter Aristotelismus ebensosehr wie den Avi
cenna (Anm. 166) daran hindert. Gattungs- und Art-Begriff direct mit
Stoll‘ und Form zu identificirenam). Bezüglich des eigenthümlichen
Merkmales302) verfährt er ebenso wie beim Accidens schlechthin nur
referirend 303), und das Gleiche gilt hetrell's der üblichen Zusammen
stellung der Verwandtschafts- und Unterschieds-Punkte der fünf Univer
salien 30‘); ja ganz gelegentlich lässt er ebendort seine principielle Auf
fassung der Universalien durchblicken, insoferne er sich, ohne auf die
Frage näher einzugehen, bei einem einzelnen Punkte gegen die Plato
niker erklärt 305).
Der Commentar zu den Kategorien, welcher sich durchweg nur
als eine eintheilende Paraphrase zeigt, bietet nichts Bemerkenswerthes
dar; höchstens mag erwähnt werden, dass bei Erklärung der Stelle
über „de subiectou und „in subiectou durch Averroes eine versinnlichende
finden; nach der schon oben (Anm. 117. u. 134.) erwahnte Gegenstand theologi—
scher Bedenken fehlt nicht.
299) Ebend. f. 4. r. B: lloc auteras quod Porphyrins dicit, est verum dc in
dividuis accidentiuml nam individua substantiae de nulla praedicantur re secundum
usum naturae, et ideo cera descriptio individuornm es!‚ quod individuam est id,
quod non praedicatur de pluribus. non id quod praedicatur de ano, ut ipse de
scripsiL
300) Ebend. f. 5. v. B: Genus supremum habet tliifcrentias dividenles ipsnm,
sed non habet difl'erentiam, quae ipsum constituat rSpccies vero ultima habet
di/fcrentiom constitutivamj sed non dicisivanL
301) Ebend. f. 6. r. A und Albert. M. a. c. O. V, 4, p. 60. A: U! dicit Aver
roes in commento primae philosophiae (Metapli. l. 17. l. 7. v. B), genas non est
materia, sed forma generalis ct con/usa et indistincta et cli/pisa in materia non
delerminata per formam, quam tii/fusam formam et con/usum vocant quidam formae
inchoationenL
302) Ebend. f. 6. v. B.
303) Ebend. I. 7. r. A: Definiun! insuper ipsum accidens sie: accidens est.
quod polest inesse uni et eidem rei et non inessa. vrl.‘ quod non est genus nec
di/fcrentia nec species nec proprium et quod semper sit in subiecta Prima ergo defi—
nitio amplectitur accidens separabile et inseparabilc. secunda vero separabile tantum
continet accidens Eine anderweitige Notiz jedoch s. unten Anm. 413.
304) Ehend. f. 9 f.
305) Ebend. f. o v. B: Et hoc quod dicit Porphyriusl est verum iuxta sen
tentiam ponentium ideas, hoc 2st, si dantur genera et species extra intellectum
378 XVI. Averroes.
Figur üblich wurdesoß), denn in allem Uebrigen finden Wll‘ nur die
allgemein recipirten Angaben; selbst bei Besprechung der Bewegung.
lässt Averrues die Frage, unter welche Kategorie dieselbe falle, bei
Seite liegen 307). Auch die Erörterung über die vier Arten des Gegen
satzes verweilt in einer blossen Paraphrase, und nur hei anderen Ge
legenheiten spricht er seine Ansieht aus, dass alle Gegensätzliehkeit
ursprünglich auf Anschauungen des örtlichen Abstandes beruhe 30’5).
Bezüglich der Lehre vom Urtheile kann hervurgeltoben werden,
dass den Lateinern aus einer anderweitigen Stelle des Avcrroes die
Eiutheilung der Bedetheile in Subslunlivum1 Verbum und syneategoreu
mata (s. Abschn. XIV, Anm. 174, 206, 348 und Abschn. XV, Anm. 9
u. bes. Anm. 106) vorgeführt wurde 30"), sowie dass aus dem Com
menlare zum Buche De interpr. sich eine Bemerkung über das arabische
Verbum einbürgertealo). Auch hielt Averrues ebenso wie Avicenna
(Anm. 215) das conditionale Urtheil für ein durch den inneren Nexus
einheitliches, fügte aber, ohne das disjunrtive oder das eupulative Ur
306) Praedicam. f. 12. v. B‚ woselbst die betreffenden Lehrsatze folgender
maassen in eine Figur zusammengestellt sind:
Subslnmia incousislens Accidens
s z
ta 4 k a e e s
a‘ ä” - xe ex
2 lo .‘g’ g
e '44 se ua
1.
Et ecl s p
2. a e. "
h a a
= iri fo
i ea k
et a
._ 9/4, ‚ä
3’ „s “ä ‘s
. e 3 v ‘42; ä
3'. xo (‘10 s:
ß e
‘l ei 0; e
° sv "„‘ t
a s 4‘» ‚S
o v’ o
= ä
m .
a s
Universale inconsistens Pnrticulare
307) Ebend. f. 30. r. B.
308) Albert. M. De praedictam lll, 1‘), p. 138. A: Averroes in duobus lacis,
scilirel super physicam (V, 99.) et super primam philosophiam (Melaph. l. 45. f. I2.
v. B) dicil, ad contrariorum di/finiliuncm ab his‚ quae in loco sunt coulraria, di
stantiam esse lraussumplam.
sem Topi'c. f. 256. r. A: Aristoteles in libro Perihermenias disli‘ngm‘l res ratione
diclionum, quando illos distinguit in tionum verbum et dictionem synoalegoremalicam.
D. h. der Gebrauch dieses technischen Ausdruckes füllt auf Rechnung des jüdischen
UI-herselzers Abraham (s. limum Averr. et. l'Atict-roisme‚ p. 150.), welcher irgend—
woher die hiezu erforderliche Kenntniss besessen haben muss; hingegen Mantini
wählt in seiner Uebersetzuug das Wort ..consiguificanlia”.
mm De inlerpr. f. 36. 1'. B: Apud Arahes praesens et fuiurum tempus con/un
dimtur; in lingua ‚lmbiea non datur propria nola temporis praesenlis, sed est
communis nutu [am praesenti quam futtrro.
XVl. Averroes. 379
theil zu erwähnen, die Bemerkung hinzu, dass zwei kategorische Ur
theile durch die syllogislische Verknüpfung zu Einem Urtheile werden 311).
Bei der näheren Erörterung des kategorischen Urtheiles finden wir die
Bezeichnung „duales“ und „Lernafes“‚ je nachdem ein Urlheil bloss aus
Substantivum und Verbum oder aus Subject, Prädicat und Copula be
stehei’“), sowie die Wiederholung einer von Alfarahi (Anm. 41) ge
machten Bemerkungala) und abermals (vgl. Anm. 40) die Besprechung
jenes aristotelischen Beispieles. in welchem der Satz ein nicht existiren
des Subject betrill‘ta“). Die Bemerkungen über (las modale Urtheil
und insbesondere über die Stellung der Negation in demselben gehen
nicht über den Wortlaut des aristotelischen Textes hinausalä), und die
Erörterung über die Schwierigkeiten, welche das letzte Capitel des
Buches darbietet (Abschn. IV, Anm. 286 ll'.)‚ müssen wir sogar dii-ecl
als schwach und ungenügend bezeichnenals).
Am Eingange der ersten Analytik stellt Averroes bereits jene Zwei
theilung nach Form und Stoff an die Spitze, welche wir bei Alfarabi
(Anm. 51) und bei Algazeli (Anm. 265) bezüglich des Verhältnisses
beider Analytikeu trafen, und es knüpft sich ihm hieran die Unter
scheidung des demonstrativen und des dialektischen Urtheilesan), sowie
die Bemerkung, dass das im Syllogismus liegende Motiv der Form im
Vergleiche mit dem Inhalte der Beweisführung das allgemeinere sei3‘8).
Abgesehen von der durch die Uebersetzung dargebotenen Terminologie
„propositio absolutau für das übliche „proposiu'o de inesse“3m) ist zu
erwähnen, dass Averroes bei den kategorischen Syllogismen sich gleich
falls (wie Algazeli, Anm. 268) auf den Standpunkt der möglichen Com
311) Ebend. f. 37. r. B: Condilionales sunt una ez coniunctione. quae est
signum conditionisa ut cum dicimus „si est supra terram sol. dies esl"; . prae
dicatione vero orationc-s sunt quidem una per coniunctionemq quae est terminus me
dius. ut cum dicimus „homo est animal et animal est norpus“.
312) Ebend. f. 43. r. B: vocantur autcm iflae, quarum praedicatum est ver
bum, duales, quia constant subiecto et praedicato tantuml et illue, quarum prac
dicatum est nomenp dicuntur tcrnales1 quia constant subiecto et verba coputantc et
praedicato
313) Ebend. f. 46. v. B: constat ergo, quod non omne i'd, quod verincatur
divisim, oporteat ipsum veri/icari coniunctim.
314) Ebend. f. 47. r. A.
315) Ebend. f. 48. v. B.
316) Ebend. f. 52. r. A.
317) Prior Resolut. f. 54. r. A: ilac divisiones (d. h. in allg. bej.‚ allg.
vern. u. s. f, Urthcile) sunt propositiones ex parte formaey h. e. divisioncs utiles
ad cognitionem syllogismi simpliciten Divisiones vero ex parte materiae sunt1 quo
niam ipsius alia est demonstratioa alia dialoctica ac reliquam in quos partitur Sev
cundum artium sennocinaliuni niatcrias . . . . .. Ac propositio quidem denionstrativa
et dialectico re a se invicem di/ferunt, quod demonstratiira propositio altera est
contradictionis pars et eo quidem vera. dialectica vero esse potest utratibct ez par
tibus contradictionis lfrit itaque propositio syllogistica veluti genus demonslra
tivae ac dialecticae.
318) Ebend. f. 56. v. B: oportet sermonem dc syllogismo praz-cedere sermonem
de demonstrationcj syllogismus namque universatior cst demonstrationey onmis enim
demonstratio syllogismus et non est onmis syllogismus demonstratio Vgl. Anm. 333.
319) Ebend. f.‘54. v. A m
380 XVl. Averroes.
binationen der Urtheile stellt, um dann die syllogistisch untauglichen
auszuseheidenl dabei aber durch ein anderes Verfahren auf 36 (Zombi
nntionen kömmta'lo), sowie dass er völlig richtig und in ächt aristote
lischeni Sinne die fünf theopliraslischen Schlussweiseu der ersten Figur
als unnatürliche abweistß'l‘). Und sowie er dieselben durchaus sach
gemäss mit der sog. Galenischen vierten Schlussligur in Verbindung
bringt. so .miissen wir hier daran erinnern, dass er betrell's dieser an
geblichen Erfindung des catenus uns schon oben (Abschn. IX, Anm. 99)
als hauptsächlirhe Quelle diente, und es bleibt uns nur die Bemerkung
übrig, dass Averroes in sehr vernünftiger Weise und in aristoteliscbem
Geiste die Berechtigung der vierten Figur überhaupt bestreitet 322). Mit
m‘afl'tf-lJiz-ffi
320) Ebend. l. 56. v. B: Onom'um igitur omnes duae propusitiones aut sic sc
hohem, quod ambae sunt uniuersates aut particulares aut inde/initum aut una ipsa
rum universalis et altera in parte. aut una ipsarum universalis et altera indefinite.
aut uua ipsarum indefinita ct altera in parte. et unaquaeque harum trium specierum
bifariam aariatun relut sit universalis maior ct particularis minor vel e conrersm
et similiter universalis cum (der Text gibt non) indefinita ac particularis cum inde
finilay et unaquacque harum novem specierum ita se habet secundum eomposüionem,
aut ut ambae simul u/finnulivac sint aut negatioae simuty aut una ipsarum afhrma
tiva et altera negalivu. et hoc duobus mudis, uno quod sit minor negativa et maior
af/irmalina, secundo in contrarium huiusr ex quo planumv si muttiplicatae ftterinl
illae quatuor in hac novom. efficientur hoc in figura (so. prima) sex ac triginta con
iugatianes. Et Aristoteles ezponit1 quae concludat quaece non concludaL
321) Ebend. 57. r. B: Is. qui ez trinis negativis construitur in hac figura,
nihil penitus concludit Si vero rainor in ipso orstiterit negative, iam existi
malur, quod conetur/at negativem in parte. posteaquam propositiones conversae fue
ri'nt; atqui haec species conrtusionis non est ex syllogismo. super quem cogitatio
natur-aliter radiis nimirum concludercly si in quarta figum syllogismus nuturaliter
construerelur Ebenso im Folgenden bei den übrigen theophrastischen Schluss
weiseu, nemlich insbesondere betrefl‘s der durch Umkehrung des Schlusssatzes
gewonnenen (f. 58. r. A): Ouod vero priores excogitari-runtl quod tres modi figurae
istius binas conclusiones cottigunty hoc est modus concludens universalem negotium
concludit etiam conlvertcnlcml et concludens particulari-m affirmativam consimilitcn
et concludcns item universalem affirmativams quod videlicet isti etiam convertentes
suas eoucluduntl lt. e. a/‘firmativam in partey live, inquum, illi usserunt. quia in
tentioncm ignorant Aristotclicamj Aristoteles namque hoc loco intendil connumerare
conclusionum speciesl quae per se et primo in syllogismis inveniuntur naturalibusy
non autem qui sunt secundum intendonem sci-undam et non secundum cursum syl
logismi i
322) Ebend. l‘. 83. r, A: quod aulrm nun inreniutur fiyura quarhr, pianum
ex medio termino, qui accipitur communiam-e cum ambobus eztremitatibusg quemad
modum si decipiatur C communicarc cum B e! A, quae sunt eztremilates quaesiti.
ez necessitate sequetur unum ca: ln'lms, vel ut subiectum maioris eztremitatis 'sit
praedicatum minon's, quemadmodum si A pracdicetur de o et e de B. et haec figum
prima, aut praediretur de ttlrisquc simul, et haec figura smmda, aut ipsis subii
ciulur, et haec figura tertia. Si vero arcipiatur praedicatum maioris suhiici minaril
non conveniet. propterea quod praedicatum maioris praedicatur de minorel quoniam
maior praedicatur in quaesita secundum naturam de minore, et ita erit idem pracdi
catum de se ipso. quod heri non potest.. si interpretetur terminus medius secundum
quaesitum positumg quod si earponatur secundum participationeml concludet aliud a
quaexilo, puta conversum suum. et hoc secundum modum, qui numeratur compticatio
figurae quartaev quam posuit Galenus; atqui mil syllogismus super alio a quaesita
posito, sed in hoc non cadit cogitatio secundum naturam1 neque accipilur in sermone
syllogislico neque demonstrative neque exislimalivo. Gelegentlich der Erklärung der
XVI. Averroes. 381
der gleichen Strenge hält er sich auch in anderen Fragen gegenüber
seinen Vorgängern an die Angaben des Aristoteles, und so bekämpft er
den Alfarabi (Anm. 44) bezüglich der syllogistisehen Bedeutung der
Möglichkeit» und Nothwendigkeits-Urtheile imp sowie er auch den Be
griff des Möglichen nur nach aristotelischer Lehre l'aSstm‘); ja in
gleicher Weise verfährt er selbst dem Theophrastus gegenüber, insoferne
derselbe (s. Abschn. V. Anm. 51) bei den aus modalen Urtheilen com
hinirten Syllogismeny den Grundsatz aufgestellt hatte, dass der Schluss
satz der schwächeren Prämisse folge 3'25). Und sogar da, wo er be
züglich der aristotelischen Angaben über die Voraussetzungsschlüsse
(Absehn. IV, Anm. 580 ll‘.) sich durch die Comlnentatoren und den con
stanten Schulgchrauch dazu verleiten liess, in ähnlicher Weise ww.
Algazeli (Anm. ess f.) die conditiunalen Schlüsse in zwei Formen und
dle disjunctiven in vier Formen anzufüliren 3‘26), lenkt er ziemlich bes
sonnen auf den aristotelischen Standpunkt zurück‚ insol‘erne er den
wesentlichen inneren Unterschied zwischen diesen hypothetischen und»
den kategorischen Syllogismen anerkennt, dass in ersteren der Schluss
satz nicht eine eigentliche Errungenschaft des Sehhessens sei, sondern
gerade der Oliersatz zu seiner eigenen Begründung noch eines kategori
schen Schlusses bedürfe 327). Zu jener aristotelischen Stelle aber
aristotelischen Stelle, welche in der Topik (l. 9.) das problema dialectirum he
tl'itl't, führt Arerroes diese Frage über die Zahl der Schlusslignren als ein Bei
spiel der nützlichen Probleme an (Topic. f‚ 260. v. A): iuvans logicum est. ut. an
figurae eategoricae sint tres aut quatuon et un ite/initio acquiratur divisione aut
compositione aut demonstratione.
323) I’n'or. liesoL i. 65. v. B u. f. 72. V. B. -
324) Ebend. f. 68. v. A‚
325) Ebend. f. 65. r. B: Theophmslus vero atque Eudemus ex antiquis Peri
pateticis et inter posteriores Themistius, qui eos secutus esl, erislimuverunl, quod
modus conclusionis sequatur riliorem ex duobus modis, II. e. ut semper in tali corn
plicutionc sequatur propositionem absolutamy quoniam absoluta est vilior necessariæ
. . . . . .. Sed in hoc semtune est confusio manifesta ...‚ quoniam modus con
elusionis sequetur modum propositionis maiorisq secundum quod existimavit Ari—
stoteles.
326) Ebend. f. 83. l'. A: Sylluyismormn' conditionalium duo sunt genera prima.
llmtm est syllogismus coniunctusl is oidelin-lj qui corruponitur ez consequentibus et
coaptatur per notas conditionis facientes coniunctione-my istius vero sunt trinae
species. mm, ut ponatur ipsius uuteeedens per se et conetudatur attera vero, cum ponitur in ipso oppositum consequentis et conccloundsietquurenospypositum
antecedentis Sed genus secundum est conditionalis divisusg hic autem compo
nitur ez contradictoriis perfectue conlradicliunis, et coaptantur illi notae conditionis
significantes partitionerng . . . . .. huius autem sunt quatuor species, et hoc. quia po
nitur antecedens et concluditur oppositum consequentis-l et ponitur consequens et con
cluditur oppositurn antecedentis. et ponitur oppositum antecedentis et concluditur
consequensv et ponitur oppositurn consequentis et conrluttitur antea-dens
327) bibendi Si perserntobimur ipsorum dispositionem. plurium nobis fiel, quod
quaesitum in ipsis id 9st, quod rnunstratur per modum conditionisv sed positum est
illudl quod oportet monstrare per syllogismam praedicatirum in eonditionals divisa
et coniunctol posteaquam fuerit coniunctio et eontradictio pcr se mani/‘esta, et hoc.
quoniamy si fuerit coniunctio in ipsis manifesta per se et positum manifestum per
se, erit etiam consequens manifestum per se Nt'c dici potestl quody quemad
modum sunt propositiones in syllogismo praedicativo per se notae et conclusio ignotaa
382 XVl. Averroes.
(Abschn. IV, Anm. 588 l'.)‚ welche sich auf die Praxis der Syllogistik
und hiemit auf die Auffindung eines passenden Mittelbegrill‘es bezieht,
wurde durch Averroes dem lateinischen Mittelalter eine neue veran
schaulichende Figur an die Hand gegeben 328). Eine ebenso sorgfältige
als breite Erklärung widmet er dem zweiten Buche der ersten Analytik,
hält sich aber dabei durchaus so strenge an Aristoteles — z. B. auch
l
consimiliter accidatl ut res sit in syllogismo conditionalil h. e. ut sint ambae pro
positiones per se notae. i. e. conditionalis et positay et sic conclusio ignola, . . . . ..
sed propositiones in syllogismo conditionali non requiruntur ad compositioneml ut ex
ipsis sequatur id, quod sequitun
328) Ebend. l. S7. r. (wobei ich nur der Kürze wegen die Bezeichnung der
Schlussmodi wie in Abschn. lV, Anm. 588 f. wahle):
XVl. Averroes. 383
manassis „..‚—3:22:
/
lnconsislens in ll ex duabus a/"firm.
figura methodi pro medio in singulis coniugalionibus invem'ertdo.
sexaginta
32::
‚.
l /
/ .
/
zäääama seriem
lmonsistcm
marcianae
ego
maiestate egressa
x
‚\\
Parlicul. affirm. in lll 1, lll 3, lll 4 et in l 3 per conversionem
satanas SEE:
384 XVl. Averroes.
bezüglich der lnduction 3‘19) —- dass es völlig unnöthig ist, Einzelnes
besonders anzuführen.
Ebenso können wir, was die zweite Analytik betrifft, vor Allem
von dem sog. mittleren communiam 330) Umgang nehmen, indem der
selbe als ein Mittelding zwischen Paraphrase und Uommentar allerdings
das Ganze recht klar und nul guter Betonung des Hauptsäcliliclien dar
legt, aber nirgend Eigeiitliümliches bietet. Auch der sog. grosse Com
menlar hält sich überwiegend an den Text, und während in demselben
wohl zuweilen Themistiiis, seltener aber Alexander Aphrodisiensis er
wähnt ist, finden wir auffallender Weise nur sehr selten andere Schrif
ten des Aristoteles zur Erklärung beigezogenaßl). Somit ist es nur
Weniges‚ was wir hervorheben iniis‘seii. Zunächst begegnet uns, was
das Verhältniss der zweiten zur ersten Analytik betrilft, auch hier
wieder die bei allen Arabern übliche Auffassung, dass es sich um den
Unterschied von Form und Stoll' der Schlüsse handle 332), und indem
Averroes den unmittelbaren Anschluss der zweiten Analytik an die erste
da‘durch begründet, dass dann auf das allgemeinere und wesentlichere
Element der Form der Inhalt ohne lästige Wiederholungen folgen
könnesaa), bekämpft er ausdrücklich die Ansicht Avicenua‘s‚ welcher
zwischen beide Analytiken das tiehiet der Dialektik einschaltete 384).
Und sowie er gegen obige Auffassung Alfarabi’s (Anm. 52) polemisirt335)‚
so verfährt er ebenso bei allen jenen Controversen über die im Mittel
begrifl‘e liegende causnlilfnswj1 über nonip 011516 und uaa-on 337),
über praedicatum primumswll malam er überall jede Abweichung vom
329) Ebend. f. 124. r. B.
330) f. 240—255.
331) So z. B. ist nicht einmal bei Erörterung der Stelle über die vier Prin
cipien (f. 217.) die Metaphysik ciiirt.
sem l’uster. Resolut. f. 127. r. A: lrilentio libri eat. speculuri de demonstra
tianibax atque de di'finiti'uiiibus. lie dcmonstralimiibus vero lractal quoad ea, quae
vicem elliibeu! malcriae ipsarum e! haec m summa sunt propositiones verae, demon
strattones namque er duobus comtnnl. quarum unum eat propusitiones ct hoc rst,
quod vicem obtinet matermr, alte-rum veru i'st ipsarum cumpusilio et hoc esl, quod
viccm exhibet lormuey quae cum iam mons/rata [uit in libro syllogisnii. idea incipit
hoc in loco sermonem facere de eo, quod supei‘era! ez cognitione syllogismi demon
strativi‚ h. r. de materia, ex qua compunitug r! propterea t'ocari't ambos libros
umco flamme.
easy Ebend.: ordo autem ipsius es! post librum dc syllogismo procul dubio
tribu de causi's, quarum ana estv quoniam universale notius es! particulari et opor
tet praccedm in ordine doctrinae magis neun", quemadmodum oportet etiam in dr
ductione quuesiti prorcdvre . . . . .. fama autcm secunda esty quoniam xpccutati'o essen
!ialis 2st, cum spcculamur de aliquo universali, secundum quod imrst subiecto um—
versuh', non autem subiecto particulari Caiisu autem tertia est, quia sic non
contingit itcralio in doctrinav propterea quod, qui (an! doctrinam per tiunc rundum,
monstrare poterit per se ex proposiliombus rms scorsim et probabilibus seoi'sim et
reliquis etiam speciebus propositionunL
334) Die Stelle ist oben, Anm. 230., angeführt.
335) I'oster. Reset. f. 127. r. Ä.’
336) Ebend. f. 131. v. B.
san f. 137. r. B.
338) f. 138. v. B u. f. 141.'v. A.
XVI. Pseudo-Averroes. 385
aristotelischen Texte, welche bei Alfarabi oder bei Aviceuna zu Tag
kam, zurückweist. Ebenso strenge halt er an der ächten aristoteli
schen Lehre bei Erklärung der Stelle (Abschn.lV, Anm. 655 f.), welche
die syllogistische Nothwcndigkeit betrill't339), bei der Frage über das
Beweisen der Principien in einer Wissenschafta‘o)‚ bei der vielbe
sprocheneu Stelle (Abschn. lV, Anm. 162), aus welcher man das prin
cipium identitat-ts herausgeleseu halte 341), bei der „demonstratio quiau
und der „demonstratio propter quid"3"), und insbesondere bei den
Erörterungen über das Verhältniss zwischen Demonstration und Defini
tion 343).
Endlich der Commcntar zur Topik ist gleichfalls nur als eine ein
theileude und uumerirende Exegese des aristotelischen Textes zu be
zeichnen, und das einzig Bemerkenswerthe dürfte sein, dass hiebei sich
Averroes häufig auf den uns verlorenen Coninieutar des Themistius
(Ahschn. XI, Anm. 95) stützte 3”“). Ebenso bleibt die Erörterung der
Soph. Etenchi, welche auch er nach dem Vorgange Alfarabi’s (Anm. 64)
in zwei Bücher theilte 345), innerhalb der bloss exegetischen Aufgabe.
Lassen wir hiernach zunächst jene Epitome folgen, welche von
den Lateiuern für eine Schrift des Averroes gehalten wurde (s. Anm.
290), so kann man über dieselbe im Allgemeinen kein ungünstiges
Urtheil fällen, denn der Verfasser versteht es, in einer klaren und über
sichtlichen Darstellung, welche zuweilen nur durch den Uebersetzer
verdorben zu sein scheint, den Hauptinhalt des Organons (mitEinschluss
der Rhetorik und Poetik) zu entwickeln. Manche Eigentliümlichkeiten
aber dieses Buches‘ machen es nothwendig, dasselbe etwas naher zu
betrachten. Die Aufgabe der Logik, welche die Geltung einer Hilfs
wissenschaft habe (s. unten Anm. 380), wird in der bei den Arabern
üblichen Weise, aber mit. neuer Terminologie, darein gelegt, dass sie
die llegeln über formatio und verificatio, d. h. über Definition und Ar
gumentation, zusammenstelle 346). Und indem für diese beiden Zweige
339) r. 14a. r. A.
340) 1. 151. r A.
341) 1. 154. v. B.
342) r. 159. r ‚1.
343) f. wg lf.
3‘114) Z. B. Top. f. 266. r. A u. B, f. 274. v. B, f. 275. v. A, f. 291. r. A,
u. s. .
am f. 332. r. A.
' 346) Epitome, f. 341. r. A: lntentia in hoc sermone est,‘ telligere sermones
necessarios in hac arte logicae ad cognitionem regutarum partium [ormationis et um'—
ficntioni:‚ quae fiunt in tota arte logicac (diese Terminologie „farmatio“ und „veri
ficatio“, für welche wir bisher stets „definitio“ und „demonstratio“ trafen, scheint
der spatereu arabisch-jüdischen Litteratur anzugehören; s. unten Anm. 419.) . . . . . ..
Dicamus ituque, quod, ex quo fuerunt omnes quaesliones, quarurn cognitio appelitur
in omnibus artibus speculatiuis, duarum specierum ext, videlicet [urmalio et veri/i
catio; et fuit [ormalio id. quod est intellectus rei per i'd, quod constituit substan
tiam suam, vel per i'd, quod existimatur, quod constituat substantiam suam, e! erit
id, de quo quaeritur ut plurimum dictione „quid“; et verificatio est intellectus rei
per i'd, quod dlcitur ipsius dispositio quaedam, et est id, de quo quaeritur ut plu
rimum dictione „utrum“ et cum dictione „an“.
Puma, Gesch. ll. 25
386 XVI. Pseudo-Averroes.
'ein doppeltes Moment in Betracht komme‚ deren eines die Richtung
bezeichne (dirigens), während das andere (agem‘) die Verwirklichung
mit sich bringe 347), so ergibt sich zunächst eine Viertheilung des
Stoffes, insoferne in der Wortbezeichnnng (significatio dictionqu die
Richtung und in der lsagoge nebst den Kategorien die Betbätigung der
Definition liege, sowie entsprechend das Urtheil mit seiner Gegensätz
licbkeit des Wahr- und Falsch-Seins die Richtung und der Syllogismus
die Bethätigung der Argumentation enthalte, und erst nach dieser vier
fachen Erwägung folge die Betrachtung desjenigen, wodurch die eiu
zelneu Definitionen und Argumentationen je nach ihrem topischen oder
apodeiktischen oder rhetorischen oder sophistischen oder poetischen
Charakter bestimmt seien auy
Der erste die blosse significatio als solche betreffende Abschnitt
bespricht die Begriffe des Synonymen n. dgl. in grösster Vollständigkeit,
indem nicht bloss neben den üblichen auch das disparatum, das trans
latum, das accommodatum erwähnt werden, sondern unter der Bezeich
nung commune et speciale auch die fünf Universalien ihre formelle Be
rücksichtigung finden 349).
Die materielle Geltung aber der Universalien, welche von Averroes
als unnöthiges Beiwerk des Organons bezeichnet worden waren (Anm.
294), bildet den ersten Theil des Abschnittes, welcher sich auf das
agens der Definition bezieht, und auf eine Begriffsbestimmung des Uni-‘
versale und des Singulare, welche genau mit jener des Avicenna (Anm.
88) übereinstimmt 35°), folgt die nähere Angabe der fünf Worte, wobei
z. B. erwähnt werden mag, dass jene bestrittene Relativität der Defini
tionen des Gattungs- und Art-Begriffes (Anm. 113 u. 296) hier ohne
o
vr.
.l‘. ‚
‚.a___._—_—‚.
347) Ebend.: EI oporluit, quod praecedat quamlibet islarum disciplinarum (der
Text gibt diszipulo) duae partes notiliae, an! agens aul dirigens. Dirigens quidem
ad [ormalioncm ext, quae significalar per dictionem separulnm; agens vero est er
„bin, quibus sibi eous-lal res, e! illae sunt parles de/inilionum cl definitioncs. vm
liculionis vero dirigan est delenlio veritatis apud quacstionem duarum pai-lium oppu
silimii's; sed agens ipsum esl syllogismus.
348) Ebend.: Sicque dividemus persorulalioncm huius artis necessaria ad has
quuluor partes. Et incipiemus a lraclalu significationis iticlionu'n in universalis
deinde procedenms ad sermonem de rebus simplicibus (ausgefallen ist et composilisl
agenlibus formalionenL ulterius prooem-mus ad sermonem de rebus , quibus opposita
sunt opposita arten, quod veritas transcal in unam carum; poslea loquemur de syl
logismo el speciebus eius simplicilcr. Rursus progrediemur ad id, quo proprie ler
minanlur singulae fonnalioncs et verificalx'ones simplici-ten el illa esl disciplina
propria, quae fit in singulis quinque arlium, dico demonstralivam et lopicam el
celt'rus.
349) Ebend. f. 341. r. B: Semio de significntionc dictimmm. Nomina quae—
dam saut aequivoca; et eorum sunl nomina synonyma, disparata, franslala, uccammodata‚ el corum sz.m.l.,. .q. uauenivdoiccau,ntur se
cundum commune et speciale, .. el eorum sunt numina denuminativa. Vgl. Anm. 91.
350) f. 341. v. A: Sermo de rebus agenlibus formationcm. EI rcs iucomplezar
vel sunt universales t'el parficulares. Et universale esl res, cui possibile est ex
substantia fornmlinnis eins in intellectu solo, quod pruedicelur de plan'bus, quam
de una re . . . . verumtamen singulare est i'd, quod impossibile esl ca: substantia
[ormatiom's cius, quod praedicetur de plus quam singulari ww.
autiq- n--.....--...A.z-. ‚ i ‚ ....‚ .. .... .:‚—.=«lv-—z‚‘
v..—
XVl. Pseudo-Averroes. 387
allen Argwohn zu Grunde gelegt wird 35'). Der zweite 'l'heil dieses
Abschnittes enthält (im Gegensatze gegen die Einfachheit der Univer
salien) bereits Znsammengesetzles, aber nicht dasjenige, welches im
Urtheile eine wahre oder falsche Verbindung darliietet, sondern jenes
Zusammengesetzte, welches in den verschiedenen Formen der Definition
ausgesprochen werde, indem dieselbe entweder als eigentliche Definition
das gesanimte substantielle Sein eines Gegenstandes darlcge oder als
Beschreibung denselben nur aus einzelnen Wesenshestimmungen erkläre,
oder endlich keines von beiden lhue, sondern nur ein Accidentelles an
dem Gegenstande heraushebea‘w). Nur ein Behelf aber zur Definition
seien die Kategorien, deren Kenntniss an sich nicht zur Logik gehöre
(vgl. AI azeli, Anm. 257), und nachdem der Verfasser in einer an Avi
renim gAnnL 93) erinnernden Weise den Unterschied zwischen dem
quidditativen Sein und den einzelnen Wesenshestimmungen sowohl für
das Universale als auch für das Singuläre als gültlg bezeichnet und
somit die Kategorien an den Begriff des Universale knüpft, um dieselben
dann in üblicher Weise kurz zu erörtern 353)‚ schliesst er diesen Ab
schnitt mit der Bemerkung ab, dass die Kategorien zugleich eine logische
und eine reale Bedeutung haben, jedoch nach der ersteren, in welcher
sie Erzeugnisse der denkenden Seele sind, ein Moment enthalten, wel
ches gemeinschaftlich sowohl der Definition als auch der Argumentation
angehöre 35‘).
351) Ebend.: E! universalia incomplezo sunt quinqnes genus, species, diffe
renh‘a, proprium et accidens Genus quidem et species dicitur utrumque eorum in
ordine ad alterutram u. S. w. Accideus est duarum specieruml separabite
et inseparabile u: S. f.
352) f. 342. r. A: Semio de rebus compositis. Bes quidem compositae ex istis
incomplexis sunt duarum specierum Una esty cuius compositio est compositio enun
liuliom's, e! ipsa estv cuius viae estj quod veri/icrtur et [alsi/icelur, et sermo iste
est ex appropriatis (uher diesen Ausdruck vgl. Anm. 52.) sermonibus veria. E!
species secunda compositionis est compositio conditionis et ropulalionis, et ipsa est
compositioy quae non verificatur neque [alsi/icalur, sed utimur ea in formatierte. E!
est trium speciemm, uidelicet rte/initio et descriptio e! ser-moy qui non est definitio
neque descriptio Sicque definitio est scrmo, cuius compositio est conditionis et copu
lationis ad intellectionem dtfiniti per res substantialesr quibus est sui cansislentiay et
ipsa componitur ex genere et difl'erenlia. E! descriptio est scrmo, cuius compositio
est conditionis et declarationis declarantis rcm, super quam significah non per omne
i'd, quod constituit substantiam sui E! semm, qui non est ite/initio neque dc
seriptio. componitur ex specie et uccidenle, sicut est dictum nostrum de Socratel
quod ipse sit hamo dünn.
353) Ebend.: E! quoniam decem prac-dicamenta adiuvant formatiouemv decel,
quod loquamur et reminiscamur de eis quidquum, licel non sit nolitia eorum neces
saria isti intermom', quam intendinius. f. 342. r. B: E! universalia sunt duarum
speciei-unis praedicaturm quod praedicat de eis praedicatione naturali substantiam
suam et quiddilateni suam E! alia species notifica! de res exeuntes a quidditate eorum E! singularia etiam susnuttiidecutaisruamliqsupiebcuiserums
singulare, quod praedicatur de aliquo omnino praedicatione secundum viam nuturalem
et ipsum est singulare substantiae ‚' el singutarel quod non noti/ical in praedicatione
aliquid de aliquo quiddilatis xuae, sed rem ezeuntem a quidditate sua, et ipsum est
singulare accidentis .. E! genera istorum universalium suprema ipsa sunt , quae
vocantur pracdicamentm et secundum quod numeraverunt ea antiqui, sunt decems
substantiae et novem accidentium.
354) f. aas r. A: Sermo de rebus communibus fonnationi et oerificatiom‘ sim
25‘
388 XVl. Pseudo-Averroes.
Der dritte Abschnitt, dessen Gegenstand das dirigens der Beweis
führung, nemlich das der Gegensätzlichkeit des Wahren und Falschen
fähige Urtheil ist 355), bewegt sich überwiegend in dem fortgesetzten
Gesichtspunkte des Eintheilens; nemlich vorerst werden die Urtheile
wie bei Averroes (Anm. 312) unter Wiederholung einer dortigen Be
merkung über das arabische Verbum (Anm. 310) in binaria und ter
naria eingetlieilt356)‚ worauf die Unterscheidung nach der Qualität in
bejahende (simplices), verneineude (remolivae) und privative (vgl. Anm.
260) folgt 357), um hierauf die Eintheilung nach der Modalität (mit der
Terminologie „inventiva“ für „de inesse“) anzureihen 353), und all diese
sich kreuzenden Eintbeiluugeu abermals durch den Gesichtspunkt der
Quantität zu durchkreuzen, wobei beachtet werden mag, dass auch hier
(vgl. Anm. 214) die Bestimmungen der Quantität als „signa“ bezeichnet
werden 35“). Sodann folgt die Erörterung der Gegensätzlichkeit, je nach
dem die Urtheile singulär, couträr, eontradietorisch, subcontrar oder
unbestimmt sind 360), und es wird die Untersuchung hierüber sowohl
pliciler. lsta itaque sunt genera magis universalia rebus sensatis, et species istorum
et gencra eorum sunt subiecta in scientiis. Sed istud est duobus modis distinctisl
quia ex eo, quod contingunt eis in intellectu secundal quorum inventio est certe
in inlrllcclu, solum erunt loyiculia, quia ars logicac certe tribuet regulas de istis
generibus ab intellectis et ista omnia sunt res intelleetael quarum inventio
non est extra animam verumtamen dum accipiantur eae eo, quod sunt intellectu
rerum sensatarum extra animam, erunt realia, vel mathematiea rel alia ab istis.
EI hie perficium sermonem de rebus communibus formationi et verificalioni simpliciter
et procedunt-us ad id. quod limitat proprie aeri/ieationenL
355) f. 343. r. B: De dirigentibus ad verificalioncm. formae aulcm, quae
limitanl ucri/icalionwn, sunt duorum generums genus veri/icutionis quaestionis el
distinetiouis ipsius in duo opposita udco, quod detinentur veritas alterius illormu;
et genus secundum est eeri/ieationis sermonis eompositi agentis oeri/ieationernl et est.
quod uomiuatur tylluyixmus. EI incipiemus in genere prima, quia ipsum est primum,
quod verificabilur ante omnem rem in quaestione et est notitia praesupposita veri/ica
tionig deinde proeedemus ad verificandum per syllogismum.
356) Ebend.: Emmlialionum quaedam est binaria el quaedam est trinariag
binaria autem ext, cuius praedicatum (der Text gibt praelcritum) est verbum, PI
ista est trium specieruml vel quod fuerit eius verbum praeteritum vel futurum vel
praesens, sed non invenitur in lingua Arabum impositio signifieans super significawm
pruesens; tentoria autem est, cuius praedicatum est nomen.
357) Ebend.: Et utrurumque istarumy et binariarum et trinariarumj quaedam
sunt simplices, et earum sunt remotioae. quarum praedicatum est numen vel
verbum imperfeelunh sicut si dixerimus „Socr‘ales non est sattes", et quaedam
sunt privativae, ..‚..privatio autem universaliter est, quod deficiat ltabitus, cuius
consuetudo est.
358) f. 343. v. A: EI cuius-libet speciei istarum enuntiationum . quaedam sunt
non habentes modum et quaedam trahentes modum Et modi primi sunt tresr
Possibile . et necessarium .. et invcntivu.
359) bibendi Et unaquaeque istarum enuntiationum vel erit habens signum vel
non habens siynuml et sunt enuntiationes. quarum subiecta sunt res universalesy cl
signa sunt quatuors „Omnc“ et „Nullum“, „Aliquud“ et „Nun aliquod“ et ipsum
est in gradu dicti nostri „Nun omne“.
360) Ebcud.: omnes autem species cnuntiationuml quarum consuetudo t‘sl,
quod opponantury aliquando sunt oppositae secundum affirmationem et negationem
adco, quod seeemant veritatem et fulsilalem, et aliquando non sunt appositae secun
dum a/firmuti'onem et negationem orationum autera oppositarum sunt quinque
XVl. Pseudo-Averroes. 389
bezüglich der modalen Arten 3“1) als auch nach der Qualität der Ur
theile in Verbindung mit der Modalität derselben geführt 362).
lndem sodann als vierter Gegenstand, nemlich als agens der Argu
mentation, der Syllogismus sich anreiht363)‚ kann bemerkt werden,
dass der Verfasser ebenso wie Averroes (Anm. 320) 36 mögliche Com
binationen der Urtheile annimiutil‘“) und auch in der Polemik gegen
die vierte Galcnische Schlussligur sich an denselben (Anm. 322) an
schliessts ja noch ein tieferes lllotiv hinzufügt, indem er hervorhebL
dass die feste Bestimmtheit des lllittelbegrill'es bezüglich des im Syllo
gismus beabsichtigten Beweises das Entscheidende sei 365)‚ Jene Sylln
gismen1 welche auf Verbindung der Urtheile des Stattfindens mit modalen
beruhen, bleiben hier ebenso wie bei Algazeli (Anm. 269) weg, hin
gegen eine ausführliche Erörterung finden auch hier die hypothetischen
Schlüsse, deren Vorhandensein bereits in der aristotelischen Definition
des Syllogismus liegen“); und mit der üblichen Zweitheilung in con
ditionale und disjunctive finden wir hier, was die ersteren betrill‘t, eine
Wiederholung der Theorie Algazeli's (a. a. 0.). womit sich jedoch auch
eine Berücksichtigung der logischen Qualität des Vordersulzes und Nach
isatzes verbindet, so dass hiedurch die Zahl der conditionalen Schlüsse
auf 24 steigti’“); in ähnlicher Weise wird bei den disjunctiven auf
— i . u" ' ' .
Fi agii h „sie
a1.1 z ‘ .5"
spcci'c's; quaedam sunt singutares et quaedam sunt conlrariae .. et quaedam
sunt contradidoriac et quaedam sunt subcontrariae et quaedam sunty cum
quibus non coniungitur signum omnino et ipsae sunt inde/iniua
361) f. 343. v. B: Et expedita eonsidcrare, qualiter secemant species istarum
oppositarum veritatem et falsitatem in omnibus tribus maleriis, quae sunt possibilis
et ini-enti et nccesszm'i. ‚in. id il
362) Ebend.: Quom'am autem enuntiationes simpliees et remotivae et privatiuae
sunt etiam oppositne, postquam simpliccs significunt super dispositionem et habitum
et remotivae et privativac super prioationeml iam corwcnit, quod comitaretur interi
cas et inter oppositionem af/irntativae et negatives et considerelur, an ipsarum discretio
veritatis et fatsitatis sit secundum unum cxemplum nec ue. Natürlich wird letztere
Frage verueineud entschieden, und zwar in einer höchst ausführlichen Darlegung
tum r.)‚ welche bei jeder Species des Gegensatzes wieder die drei Arten der
Modalität berücksichtigt.
363) f. 344. v. A—346. r. B.
aen f. 345. r. A.
365) Ebend.: Nisi mreniret necessitas conclusiom's, quando accepta fuerit illa
liabitudol quae est inter duas praemissa ad quaesitum indelcnninatum, et qualiter
cunque contigeritl sufficeret huic. quod sit una earum, quaecunque fueritl affirma
tira, qualiscunquc fuerit secundum quantitatem suam, et altera unioersalis. qualis
cunque fuerit secundum qualitatem suam. Vermiilamcn dum accipietur ista Imbitudo.
quae est inter duas praemissas in respectu ad quaesitum dvtcrminalum, quod est in
teritum in lioc libro, maior necessario erit universalis et minor a/‘firmativu; et ideo
reliquit Aristoteles figuram quartaml quam posuit Galenus.
366) f. 346. v. A: Ouoniam autem iam acceptum est in delinitione syllogixmi,
quod ipse sit orati‘o, in qua positae sunt rex plus quam unal et fuit modus posi
tionis duplex, quorum unus est modus praedicationis et alter est modus condi-ticum
iam utique decet, quod sermonem transferamus in hoc Syllogismi quidem con
ditionales diuiduntur secundum partes dictionum conditionis in coniunctum et dis
iunclum.
et q‚u3a6e7d)amEbesnudn.t:, qOuuaoeniunomn cosnusnetquepnertfieactaquacoendsaemcutsuan-tmm perfecta ileloanseqcuuitdieomnch-quae
O
ago XVI. Pseudo-Averroes.
die vier Arten des Gegensatzes hingewiesen und auch eine Dreitheilung
der Disjunrtion aufgestellt, je nachdem dieselbe hloss dichotomisrh oder
in begränzter oder unbegränzler Zahl der möglichen lllittelstufen poly
tomiseh simi von dem übrigen Inhalte der ersten Analytik wird
nur noch die deductio ad absurdum 3G“) und die Verflechtung mehrerer
Syllogismen zu Einer Beweisführung erwähntßm), hingegen die Lehre
von der lnduction, sowie von der logischen Geltung des Beispieles und
des lndiciuins ausdrücklich abgewiesen an).
Soll aher nun dasjenige, was die übrigen Araber den Stoll' der
Argumentation genannt hatten, folgen, so stellt sich der Verfasser auf
den Standpunkt, dass es sich nach Erörterung des Bisherigen noch-um
die praktische Verwirklichung handle, und da in dieser Beziehung für
die unvollkommneren Stufen der Wissenschaften die Argumentations
Weise der Topik ebenso zweckdienlich sei, wie für die vollkommnen
das apodeiktische Verfahren, so stellt er im Gegensatze gegen Averroes
(Anm. 334) mit aller Entschiedenheit die Topik zwischen die erste und
zweite Analytik 372), und entwickelt hiemit sofort jene Topen, welche
componuntur ez duabus impcrfectis (der Text gibt per/ectis) coucludenlibus, sunt
duarum specieruml quarum una est repetens antecedens per se et concludens conse
quens per se1 .. in secunda autem specie reperitur oppositum consequentis et con
cluditur opposituni antecedentis (l'. 346. v. B) verumtamen species, quae com
ponuntur ex compositis1 quae sunt perfectae couseculionisl sunt quatuor omnes species
concludentes ouoniam coniunctionis quaedam est coniunctio u/‘firmationis eum
aflirmatiouei et quaedam negationis cum affirmalione, et quaedam affir
mationis cum negationey et quaedam nvgationis eum negatione-y . . . . . .. dum mul
tiplicaliuntur per divisionem primam sex speciesa erunt species cuncludentes viginti
quatuori
368) f. aai r. A: Syllogismi quidem conditionales disiuncti sunty qui compo
nuntur ez contrudieloriis, el conlrarlicloria sunty quae impossibile est quod coniun
gantur simul in uno subiecto et ex una parte et in uno temporcg sicque in summa
species oppositorum in eis sunt affirmatio et negalio, privatio et habitum et contraria
et relativa. lstarum autem quatuor specierum quaedam sunt perfectoe contradictionis
et quaedam sunt imperfectoe Et istarum quaedam sunty quae opponunlur duobus
soluml . . . . .. et illa est secunda speciesy in qua componunlur contrurial inter quae
est medium determinati numerii . . . . .. qui vero componuntur ez opposilis, quae sunt
imper/cclae cantradictionis. est species tertia ipsius speciei syllogismi illi ut pluri
mum componuntur ez eontrariis, inter quae est medium indeterminati numeri.
369) f. sn r. B (s. Abschn. lV, Anm. 623.).
370) f. 347. v. A (Ahsehn. lV, Anm. 586 f.).
371) l'. 348, r. A: Sed sermo de inductione et exemplo et signo est ex hisl
quae propria sunt unicuique arti et unicuique oeri/icationi.
37'2) Ebend : EI dicenms, quoniam normae exhibitoe in liac arte sunt duarum
specierum, species agens et species notificausg sicque iam praecessit sermo de rebus.
quibus sciuntur species syllogismorum et modi eorump iam itaque convenitj quod
loquamur de normis, quibus poterunt fieri sylloyismt', quia iam semita scientiae for
mae rei est alia a scientia operalionis eius .. . . . . .. (f. 348. r. B) EI propter hanc
eandem rem non faciemus mentionem de his sermonibus nisi de ilh's, quorum consue
tudo est. ut veniant in usum demonstrationis . . . . .. Normarum veroy quibus fiiml
syllogismi Iopici, certe opus est apud perscrutationem arlium, quae nondum sunt
perfectaeg sed ad illasl quae per/eaae sunty iam non est opus eis nisi er parte
illius. quod melius est verumtamen alia intentio, qua visum est nobis quod refc
ramux istas noi-maei esl. em quo demonstratio est ea, quae est praestantissima
remm, quas intendimusy sicque visi sumus noln‘s, ne abbreviemus in normis suis res
mrk
XVI. Pseudo-Averroes. 391
jl
sich auf die Definition und auf die Gegensätze beziehenaw). Erst hier
auf geht er mit der Bemerkung, dass dieses Letztere gemeinschaftlich
der Definition und der Argumentation diene, auf den Inhalt der zweiten
Analytik und auf die dortigen Begriffe des Allgemeinen und Nothwen—
digen über 374). Eigenthümlich ist ihm die Eintheilung des demonstrat
liven Verfahrens in drei Arten, deren erste den objectiven Realgrund
und zugleich den subjectiven Erkenntnissgrund enthalte, während eine
zweite nur den ersteren und eine dritte nur den letzteren Causal-Zn
sannnenhang darbiete, wobei es sich von selbst versteht, dass bezüglich
der ersten Art alles Gewicht auf den Mittelbegrifl' I'älltsli’); bei dem
zweiten Verfahren, welches nur auf den objectiven Realgrund geht,
drängt sich eine Verwahrung gegen das npost hoc, ergo propter hoc“
aul', uini in dieser Beziehung werden vier Modalitäten des Zusammen
hanges zwischen Früherem und Späterem unterschieden, wovon nur die
Eine vollständig syllogistisch genügt, in welcher eine Umkehrbarkeit der
Abfolge stattfindeti‘fü); die dritte jener Arten gehört dem Gebiete an,
welches Aristoteles ('Alisclin. lV, Anm. 272 fl‘. n. 546) als das „Meisten
theils“ bezeichnet hatte 3:77). Nachdem hierauf die Erörterung des defi
. ä “v
necessarios ad attingentium ipsanu immo cum eis meniineiimus de rebusl quibus erit
comprehensio melior et nobiliori et non est dubimn, quod optimum in cognitione de
monstrationis sity quod seccrnamus ipsam et meditcmur super operationem eins. Haec
ergo est utilitas, quam attendimus in hoc parte loyztuc, et manifesta est ex bis,
quae diximus, intentio sua et ordo suus et proportio sua, et hoc est, quia haec
est pars sermonis sylloyismorum, et quae corwrniol1 quod legatur post cognitionem
syllogismi et specierum eius et suorum modoruni et ante librum Demonstrationis.
373) f. aia v. A—350. v. B, nemlicb f. ata r. B De locis compositionisy
f. 349. v. A De locis definitionis, f. 350. r. A De locis opposilorum.
374) f. 350. V. B: Postquarn autem iam locuti sumus de rebus communibus
speciebus formationis et verifioutiunis, dicemus itaque ca, quae propria sunt unicui
que illarumv et incipiemus a oeri/icatiane vero et formatiunc per/acta. De demon
stratione Dicimus, quod demonstrativ universaliter sit syllogismus compositas ez
duabus praemissis ceris universalibus necessariis per se.
375) f. 351. r. B: Oportcl, quod dividatur syllogismus demonstrativus in tres
species... .,' prima itaque species scitur per demonstrationem simpliciter et est de
monstralio causae et inventionis simul. et secunda scilur per tlemonstrationem causae,
et tertia per demonstrationem inventionis el siyni. lnchoabimus itaque primo a de
monstratione causae et inventionlsl quia ipsa est nobilissimo harum specierum Et
dicimusy quod oportet necessario in hac specie syllogismi cum hoc, quod est utilis
scientiis veris, quod tradat cum hoc causam adeo, quod mdius terminus in ea sit
causa duarum rerum simul, i. e. cognitionis rei et causae rei. ‘
376) f. 352. v. B: Species vero demonstrationis causae sunt quaedam specierum
demonstrationis esseudi et causae simul, et illonim conditiones sunt istae caedem
conditiones et sua proprietas est haec proprietus, sed differentia inter eos est. quo
niam in hac esse est notum apud nos per primam notitiam aut per syllogismuml
sed per illam quaeritur nolitia causae tant-am Ouoniam autem non contingit
ostendere per quodvis posterius, quod contigcrit, quodlibet priusl quod contigerity
convenit exponere hoc quadam ezpticatione Dicimus itaque, quod prius et posterius
sunt secundum quatuor partesy quarum una est, quod ex essendo utrumlibet eorum
sequatur alterutrum, et haec sunt, quae sunt praedicatione convertibitiag se
cunda autem pars est, quod prius sequatur ad esse ipsum posterius et non conver
tatur; tertia pars esta quod sequatur posterius ad esse prim et non sequatur
prius ad esse posterng .. quarta pars ext, quod non sequatur ad esse anum
corum alterutram
377) f. 353. r. B: Demonstratio vero evidentiae pro maiori parte cveniet in hac
age xvi . Spätere Araber.
nitorischen Wissensals) und der Praxis des Definirensi'") gefolgt ist,
reiht sich an einer hier unerwarteten Stelle durch Anknüpfung au die
Theorie über das Zustandekommen der Wissenschaften eine Notiz über
die Eintheilung der Wissenschaft an, wobei neben den praktischen und
den theoretischen Disciplinen die Logik den Beruf erhält, das Denken
zur Erforschung jener anderen beiden Wissensgebiete zu unterstützen,
und zugleich jene obige Bemerkung aus Avicenua (Anm. 231) sich
wiederholt, dass Metaphysik und Topik und Sophistik in der Allgemein
heil des Gegenstandes zusammentreffen, während sie sich nach den
ihnen eigenthümlichen Aufgaben unterscheiden 38°).
Hernach folgt die Erwähnung des rhetorischen Verfahrens der
Argumentationsal), woran sich die Sophistik kuüpft382)‚ bezüglich
deren erwähnt werden kann, dass eine von Alfarabi (Anm. 65) einge
führte Ergänzung, welche die „translatio“ zum Gegenstande hat, hier
als vollständig recipirt ausführlich besprochen wird agat
Endlich nach der Hinweisung darauf, dass nun Wahrheit und Täu
schung bezüglich der Definition und Argumentation hinreichend erörtert
‚seien, folgt noch eine Darlegung des topischen Beweisverl‘ahrens 38‘),
und eine luhalls-Uebersicht der Rhetorik sub sowie der Poetik 386) bildet
den Schluss des Ganzen.
Sehr kurz hingegen dürfen wir uns über die dem Averroes zuge
schriebenen quaesita fassen, und insoferne wir von der Unächtheit
derselben überzeugt sind (s. Anm. 2897), stehen sie uns jenen „Diver
lita "
l
materia in accidentibusj quae esse sequitur rem consecutione pro maiore parle, ut
verbi gratia. quando homini patienti torturam oris accidit npoplexiu.
378) f. 353. r. B: Formalionum autem perfcctissima est, quae intelligitur per
definitionem, et definitio tandem est, cuius compositio est compositio clausulae con
ditionis et nemus explicans significatum .de/im'li per res essentiales.
379) f. 353. v. B: Ordo vero partium definitionem in compositione estf quod
praeponamus universale et i'd, cuius rnodus est modus materiae. et postponamus
particulare et idl cuius rnodus est modus formae
380) f. 354. r. B: Artes diuiduntur intres partesy scilicet in artes, quarum
finis est solum operatioy et in artes, quarum finis et in artes adiuvantes istas. quae sunt artes, quae dirigunt eistnteslollecutmumsciaedntipae,rscru
tationem harum duarum arüum, et est ars logicac aut ei proportionalis . ‚ . . . .. Quee
dam sunt artes universales et illae sunt trium partium, ars primae philosophiam
ars Iopica, ct ars sophistica Modus vero considerandi in prima philosophia
est intellectio culis secundum dispasitionenu qua est secundum esse . . . . .. Arlis vero
topicae considerationis de ente exemplum est consideratio vulgatiy quo quaeritur ’rei
confirmatio aut ipsius confutatio Ara vero sophistica habet sua principia.
quae sunt ea, de quibus aestimatio-y quod sint veral cum non sunt vera, et de
quibus aestimaturl quod sint divutgatal cum non sunt dinulgalm
381) f. 355. r. A.
382) f. 355. v. A.
383) f. 357. v. A: Translatio vero et permutatio est, quod translatio sem
per sit ad id, quod potest capi vice rei et pulalun quod sit ipsa res, et fallil,
n. s. w.
384) f. 357. v. B: Postquam autem iam locuti sumus de rebus. ex quibus
cognoscitur oerificatio vera et for-malia per/cum, et postea locuti sumus de rebur,
quae fallunt in eis, loquamur itaque dc oeri/icationibus topicis.
385) f. 358. v. B.
386) f. 360. v. B.
XVI. Spätere Araber. aga
sorum Arabum quaesitausmj völlig gleich, welche ebenfalls den Latei
nern kund geworden waren. Beide gehören der controvertirenden Exe
gese des Organons an, und indem wir auch hier nicht die Absicht
haben können‚ in die Litteratur-Gescbichte der späteren arabischen
Epoche einzugreifen, müssen wir uns hei der Bemerkung begnügen,
dass durch jene verschiedenen Quaesita, welche uns oben häufig als
Quelle gedient hatten, das lateinische Abendland manche einlässlichere
Besprechungen jener hauptsächlichen Controversen empfieng, welche uns
bereits bisher fast bei allen arabischen Logikern begegnet waren. So
handelt es sich um die Definitionen des Gattungs- und Art-Begriffes 38q)
oder um das Verhältniss der Namenserklärung zur Definitionasg), sowie
in der Lehre vom Urtheile um jene schon von Anderen (Anm. 401‘. u.
313 f.) besprochenen Schwierigkeiten bei Häufung der Prädicate und
bei Urtheilen über nicht-exislirende Subjecte 39o), oder um die Stellung
der Negation bei Möglichkeits- oder Nothwendigkeits-Urtheilen 39‘). Aus
dem Umkreise der ersten Analytik begegnen wir hier wieder den Fragen
über das Verhältniss der Urtheile des Stattfindens zu den modalen 392),
über die Umkehrung 393), über die aus Urtheilen verschiedener Moda
lität gemischten Syllogismenag‘L und über die Berechtigung der hypo
thetischen Schlüsse 395). ln der zweiten Analytik war es hauptsächlich
die Controverse über Alfarabi's (Anm. 51 fl‘.) Auffassung des demonstra
tiven Verfahrens 396), woran sich dann die Erörterung über praedicatum
primumai") und über die syllogislische Nothwendigkeit anschliessen
musste 39")‚ und ebendahin gehörte selbstverständlicher Weise die Frage
über die im Mittelbegrill'e liegende Causalität399). Ausser dem Grund
satze (Anm. 340), dass die Principien einer Wissenschaft nicht in eine
andere zu übertragen sind4‘m), war ein gehotenes Thema von Contro
387) f. 380 IT.
388) Divers. Ar. Ouaes. l'. seo r. A.
389) Ebend. f. 381. r. B.
390) Ps.-Avcrr. Ouaes. I. 361. r. A.
391) Div. Ar. Ouacs. f. 383. r. A.
392) Ps.-Averr. ouaes. f. 362. r. A.
393) Ebend. l. 363. r, A.
sal SSMPi Ebend. f. asa v. A, f. 364. r. A, f. 370. v. B. Divers. Ar. Oaaes. f.
. v. .
395) Ps.—Averr. Ouaes. l'. 368. l'. A.
396) Ebend. I‘. 371 lT. Div. Ar. audes l. 382. v. B.
397) Ps.-Averr. Onaes. l‘. 380. r. A.
398) Ebend. f. 375. r. A.
399) Ebend. f. 375. v. A. Div. Ar. Ouaes. l‘. sea r. B. Albert. M. Soph. EI.
l, 1, 1. p. 840. A: bicit enim Isaac, quod ratio est virtus collectiva faciens coire
causam in causaturny secundum quod causa sumitur in communi pro causa conse
quentiae et non pro causa consequentia sicut causa est. quae causat decursum syllo
gisticum per dici de omni et dici de nullog sic enim logica est scientia de ratione
arqumentativa. Ebend. De praedi‘cab. l‚ l, p. i. B: EI hic modus (sc. scienh'ae)
est per actum rationisl qui ratiocinatio sive argumentatio ext, de cognitione cogniti
procedens in scientiam eiusl quod erat incognitum (s. Anm. 15.), secundum quod
Isaac in libro de diffinitionibus rationem dif/laicos dicil, quod ratio est animae in
tellectualis virtus faciens currere causam in causatum.
400) Ps.-Avcrr. Ouaes. l‘. 376. r. A.
b
394 XVl. Moses Maimonides. Levi Gerson.
versen der Unterschied der ndetrnonstmtio quia“ und der „demonstrau'o
propter quidndel sowie das Verbältniss zwischen Demonstration und
Definition 402) und die näheren Bestimmungen über die Definition
selbst'ma). -
Auch das fast berürhtigte Buch De causis, welches jedenfalls auf
arabische Litteratur als seine letzte Quelle zurückweist (s. d. folg.
Abscbn.), konnte in der logischen Controverse über die Universalien als
Auclorität fiir eine bestimmte Parteistellung benützt. werden4o4).
Die Leistungen der Araber und namentlich des Averroes wurden,
wie bekannt, hauptsäi‘hlich in Spanien durch die Juden dem abend
ländischen Betriebe der Philosophie vermittelt‘ob). Sowie aber dieselben
überhaupt in völliger Abhängigkeit von ihren arabischen Vorgängern
litterariscb thätig waren, so ist es auch'auf dem speciellen Gebiete der
Logik nur Weniges, was wir hier über sie berichten müssen.
Wenn auch Moses Maimonides (geb. 1135, gest. 1204), wel
cher fälschlich für einen Srhüler des Averroes oder des Avempace ge
halten wurde 4°“), auf jüdische und christliche Theologie einen ziemlich
bedeutenden Einfluss ausübte, so.ist seine hieber gehörige Schrift
„Vasabularium logicae“4°7) in. der That kaum erwühnenswarth, da sie
lediglich ein Excerpt der gen-ähnlichsten Schuldoctrin enthält‘ms).
Einigermaassen bedeutender ist Levi-Ben-Gerson (genannt Ma
gister Leonl in der Mitte des 14. Jahrh. blühend), dessen Commentaro
zur lsagoge, zu den Kategorien, und zu De imm-pn bereits von den
ihm gleichzeitigen Lateinern benützt wurden4°9). Er folgt bei seiner
Exegese allerdings Satz für Satz und Zeile für Zeile dem Averroes,
ohne jedoch die Auffassung desselben stets zu seiner eigenen zu machen.
Mit Entschiedenheit vertritt er die Ansicht, dass die Logik Nichts wei
401) Ebend. f. 377. v. B. Div. Ar. Ouaes. f. 381. v. B.
402) Ps.-Auerr. Ouaes. f. 377. r. A u. f. 379. r. A.
403) Ebend. f. 378. r. B u. v. A.
am Albert. M. De praedicab. ll. 3. p. 14. A: niam per hoc confirmant hoc,
quod dicunl, quod in Libro de causis multipliciter probalum esu quod res in causa
non es! nisi per modum et virtutem effecti per causam . . . . .. E/fcctus autem indivi
duus et singulnris est; ergo forma. sive substantialis sive arcidvntalis, in effectu
procedens ab intelligenlia individua esl et singularis. Uniuersalc autem nec indivi
duum nec singulare ext; universale ergo in ß/Iecm naturae extra intelligenliam pro
cedens non esl; in solis ergo et nudis purisqur intelleclibus positum osL
405) Ueber diese Verdienste der Juden s. Reiten, Averr. cl l’Averroisme, p.
148 lii und Munck. Dwtionn. lll. p. 362 f. Mnnck's Artikel „Juifs“ hat B. Heer
unter dem Titel „Philosophie und philos. Schriftsteller der Juden etc.“ Lng.
1852. B. besonders herausgegeben.
406) S. über ihn lllunckl Dictionn. IV, p. il m
407) Gedruckt Venet. 1550. 4.
may Auch wenn z. B. Albert. M De praedictum lll, l, p. 122. A sagt: inter
praedirabilia. quae sunt dc natura accide'nlium subslanliue. primum occum't praedi
eabilc, quod est quantitasl eo quod hoc immediate sequitur. ut dicit Rabbi Moyscs.
so lohnte es sich nicht der Mühe. sich hiefür eigens aur Moses zu berufen (vgl.
Anm. 205).
409) S. über ihn Mund.- a. a. O. lll. p. 364. Gedruckt sind die genannten
Uommentare zusammen mit jenen des Averroes in den Ausgaben des Aristoteles
(Anm. ll. u. 288). t
XVI. Levi Gerson. sos
teres'tals blosses Werkzeug der Wissenschaften sei4‘0), und er bietet
den Lateinern die von denselben reichlich befolgte gute Lehre dar, dass
der Logiker von aller übrigen Wissenschaft sich fern halten könne, so
dass auch diejenigen sich hierauf ‚berufen durften, welche den Streit
über die Universalien für die Logik bei Seite liessenfl“). Bezüglich
der Aufnahme der lsagoge in das Organen bestreitet er direct obige
(Anm. 294) Ansicht des Averroes und schliesst' sich an die übliche
Weise der Commentatoren animis die Erörterung der gewöhnlichen
Controversen über die fünf Universalien bietet ausser einem Citate aus
Averroes Nichts bemerkenswerthes dar‘la). Die drei zunächst nach
der lsagoge folgenden Bücher, nemlich Kategorien, Lehre vom Urtheile
und erste Analytik, bezeichnete er ebenso wie der Verfasser der Epi
tome (Anm. 348) als Erörterungen,” welche allen fünf nachfolgenden
Verfahrungsweisen gemeinschaftlich seien, so dass das den letzteren
Bigentbümliche den zweiten Haupttheil der Logik bilden muss4“).
Bei den Kategorien Selbst, welche er ausschliesslich nur in realistischem
Sinne verstanden wissen will4‘5)‚ beschäftigt ihn unter Anderem haupt
sächlich die Eintbeilung in Substanz und neun Accidentien, sowie die
Frage über die Priorität der Quantität vor der Qualität‘lß); auch mag
l l
410) Ad PorplL f. 1. r. B: Dicamus itaque, quod haec ars dirigit inleilectuml
ut diiudicel inter verum et falsum. et sic hanc artem non esse scientiaml sed
organum ad scientias, es! perspicuum
411) Ebend. f. 1. v. A: llace ars est principium ad omnes scientiasj et ideo
non oportet professorem huius scientiae habere notitiam de aliis scientiisa et idcirco
non debet considerare in hoc libro de his nominibus nisivquatenus sunt logicaliaj
nam circa esse ipsorum universalium variae ersten! opiniones apud sapientes
412) Ebend.: Sed apud nos est quidem necessariurnl ut sumatur initium ab
ipso (sc. introduotorio) in hac arte, qnom'am, cum initium huius artis sit de signi
ficatione simplicis locutionis et dentur in ea quaedam nomina, quae univoce dicuntun
liac ratione nomina entium possunt reduci in exiguum numerum Adde
etiam quod quicunque aliquem librum edideritl profecto debet praeponere universalia
particularibus.
4l3) Nemlich gelegentlich der Verschiedenen Definitionen des Accidens sagt
Levi (f.‘ 7. r. B): Tertio definitiv cat, quae dicitl quod non est genus neque species
neque differentia neque proprium et semper existit in subiectov et haec definitiv est
data in arte topica vel diatectica. ut dirit Averroes in summula sua logicatig et re
vero est descriptio et non dufinitio. Jedenfalls suchen wir diese Notiz in der Epi
tome (s. Anm. 290.) vergeblich.
414) Ad Praedicem. f. 12. v. A: Aristoteles praeposuit in hac arte logica tres
‚—
irin
L‘s.
in
libros, qui sunt cummunes quinque artibus (s. Anm. 275.), quarum sententias desto;
ravit in reliquis quinque libr-isl et illi tres libril qui sunt communes cunctis artibusy
sunt liber Praedicamentorum et Perihermenias et Priorum.
415) Ebend. f. 13. v. B: Aristoteles vult tractare de his (so. categoriis)
in hoc !oco, quatenus existunt extra animam, non quatenus significavit afhrrnationem
vel negationem, quae est in anima
416) Ebend.: Hie tamen posset quis dubitat-el cur Aristoteles non divisit enlia
in duo genera suprema tantum. nempe in substantiam et accidensr cum videatur
accidens univoce dici de omnibus praedicamentis accidentisp ad quod dicendum est,
quod hoc nomen ens dicitur secundum prius et posterius de cunctis praedica
mentisl nam per prius dicitur de substantia et per posterius de eorum ordine, ut si
diceris1 quantitatem esse primum accidensl quod recipiat ipsum corpus et per ipsam
recipiat qualitatem liiqnum praeterea investigatione videtur, quodnam acciden
tium sit prius in substantia, utrum scilicet quantitas vel qualitas Sed veritas
396 XVI. Levi Gerson.
noch erwähnt Werden, dass er ähnlich wie Gilbertus Porretanus (Absehn.
XlV‚ Anm. 491) die Kategorie des facere durch alle übrigen Kategorien
hindurchführtfl") und sehr ausführlich über quandoy ubi und situs
spricbt‘“). Bei Erklärung des Buches De interpn, woselbst er ge
legentlich die übliche arabische Eintheilung der Logik in der Termino
logie „formatfo“ und „verificatio“ (vgl. Anm. 346) vorbringt419)‚ be
zeichnet aui-b er (vgl. Anm. 260 u. 357) das privative Urtheil als eine
eigene Species “0), scliliesst sich aber, sowie er die das arabische
Verbum betreffende bemerkung (Anm. 310 u. 356) erklärheher Weise
auch für das Hebräische wiederholt‘2‘)‚ in allem Einzelnen völlig an
Averroes an.
Somit liegen nun sämmtliche lngredienzien jenes logischen Betriebes
vor uns, welcher mit dem Eintritte des 13. Jahrhundertes im Abend
lande beginnt, und der erste Ahsvhnitt des folgenden Bandes wird dar
legen müssen, wie die boethianisvlie Tradition des früheren Mittelllers
und die erwachende Leclüre sämmtlicher Schriften des Aristoteles und
die Aufnahme byzantinischer Litteratur und die Kenntniss der Leistungen
der .Araber manigfach nebeneinander treten oder sich vermischen‚ und
hiedurch eine neue Epoche, und zwar die üppigsle und extensivste,
für die mittelalterliche Logik eintritt.
huius negotii est, quod qualitas individua es! prior in ipsa subiecto ipsa quantitate
propria, sed absoluto ct simpliciter loquendo quantitas ipsa absoluta est prior
in ipso subiecto qualitate absoluta.
417) Ebend. f. 24. v. A.
418) Ebend. f. 25 f. x
419) De interpr. l. 35. v. A: Scientia vel habetur pcr conceptam simplicrm et
nmninatur apud Arabes formatio, vel per notitiam cnmplezorum ct nominatur apud
Arahes ecrificalio; simple: igitur coua-plus cst nolitia rci per dictionem umpticem
significatae, i. e. quidditatis unius rei etc.
420) Ebend. l'. 36. r. A. _
un Ebend. f. 36. v. A. l
REGISTER.
A, E, I, O 275.
Abalard 160 11‘.
Abbo v. Orleans 51.
absit-actio 209, 248.
Abunazar 301 IT.
accidentale 326, 343.
Adulbero 58.
Adam v. Petit—Pont 104, 211 f.
Adelard v. Buth 140 f.
udiacenler 130.
adiacentia 179. t
aequipollentia 197. usa
agens 386.
Alanus v. Lille 2581.
Alberich 229.
Albericns v. Casino 76.
Alcuiu lll-lt _
Alexander Aphrodisiensis ego
Alfurabi 301 tl'.
Algazeli 361 fl'.
Alkeudi 301.
amplialio 283.
Anna Comnena 263, 293.
Auonymus De gener. et specicb. 143 fl‘.
De intellectibus 205.
De interpreL 204.
lle uniL el uno 228.
Saugall. De parl. loicae 63 f.
De syllog. 64 ff.
sec. X1 591'.
Anselmus v. Canterbury 85 fl'.
Antepraedicamenta 76, 169, 273.
antiqui 229.
und modcrni 116.
appellatio 288.
Araber 297 m
Aristoteles, neue Uebersetzungen des
106 li ' ‘
Arnulph v. Laon 77.
Avempace 373.
Averroes 374 ff.
Avicenna 318 11'.
bartholomeus 230.
Bereugarius 72 m
Bernhard v. Chartres 125 f.
v. Clairvaux 111.
Beruward v. Hildesheim 51.
burgundia v. Pisa 106.
Byzantiner 261 ff.
catusgllogismus 257.
collegium Constantinopolitanum 263.
colliyere 140 lll1 219.
combinationes 358.
conceptio 205.
conceptus communis 26.
conformitas 220, 250.
cansimilitudo 179.
Constantin der Karthager 83.
contingens u. possibile 198.
copula 196, 266.
copulatives Urtheil 357, 366.
Cornificius 231 f.
credulitas 361.
Damiani 68.
David v. Hirschau 230.
Definition 134 111, 192.
demonstratio nobilissimo 313.
quia u. propter quid 317,
359, 372, 394.
Differenz s. I’orphyrius.
dignitales 316.
Dionysius Thrax 290.
dirigens 386. ‘
disjnnctive Schlüsse 369, 351.
disparatum 386.
distributio 289.
398 Register.
dicidentia. 197.
dividuum 221.
Drogo v. Troycs 107.
dualis 379.
eloquentia 235 m
peripatetica 168.
ens 307.
Eric v. Auxerre 41 1.
Esels-Bewais 210.
essenlialc 364 1.
erponibilia 289.
facultates 371.
fallaciae 371.
Farabi 301 11.
forma subslantialis 217.
formae ualivae 218.
[‘ormatio 396.
Formelbücher 71.
Franco v. Lüttich 67.
Fredegisus 17 1.
Fulbert v. Chartres 59.
Galenisehe Schlusstigur 295. 380, 389.
Garmund 123.
Gattungsbegrill‘ s. Universalien.
Gaunilo 86.
Gauslenns v. Soissons 142.
Gazali 361 m
Gerbert 53 11.
Gerson 394.
Gilbertus Porretanus 215 11.
Gisthert v. Bheims 53.
Gunzo ltalus 491.
Honorins v. Autun 97.
hrabanus Maums 19 m
Hugo v. St. Victor 111.
Huguccio 125.
177163504; 280 11‘.
hypothetische Schlüsse 310, 358. 381.
u. disjunct. Schlüsse 369,
381, 389.
Jacobus v. Venedig 99.
lbn—Badscha 373.
-Roschd 374 11.
-Sina 318 11'.
mentitus 220.
.Iepa (1') 43 1.
imaginalio 361.
fudi/ferentia 243.
bidifl‘erenz-Lebre 1381.
individualiter 129 1.
inesse 189. ä
in/ormare 129.
Intellectuaiismus 205, 3471., 365.
intellectus 182 fl‘.
b. d. Arabern 299.
conceptus 182. ‚
coniungens et dividens 208,248.
Johannes v. Gorz 49.
ltalns 293 1.
v. Snlesbury 232 11.
Johannes Scotus Erigena 20 11‘.
Serlo 230.
Joscellinus v. Soissons 142.
lrnerius 71.
Isidorus Hispelensis 10 11'.
Juden 394.
Jurisprudenz 69.
Kategorien 152, 188, 223. 307, 351, 365.
Ki'ndi 301.
[Janfrancus 70 11.
Levi Ben Gerson 394 11'.
Logik, alte u. mane 116.
maneries 124, 356.
Manerius 230.
Mapes 230.
materialiler imposita 156.
maleriatam 145. 177.
Memorial-Worte 272, 275.
modalis 157. ‘
moderne via 262.
nlodemi 82, 195, 241.
u. antiqui 116.
monstra 251.
Nicepborns Blemmides 295.
Nominalismus 122.
u. Realismus 35 11., 118.
nominaliter 30.
notio 251.
Notker Labeo 61 m
0thlo v. Regensburg 68.
Otto v.»Cau|brai 821.
v. Clugny 45.
v. Freising 105, 227.
Papias 69.
purililas 329.
Parteispaltung bctr. d. Universalien 118 11‘.
perihrrmeniuc 12.
Petrus Hispanus 264 11‘.
Lombardus 110.
v. Poitiers 213 1.
Platoniker 125.
Poppo 48.
Porphyrius, lsagoge des 7 1., 117 11., 324,
330 11‘.
possiln'le und ronlingena 198.
post hoc, ergo proth hoc 391.
Postpruedioumcnta 169, 274.
potentia u. potestas 351.
praedicaln'lia 272.
pruedicamealalis 243.
praeclicari 181 11.
in quid 147.
quasi in quid 345.
praedicatum primum 315. -
pprriavmatmisosa3523.09.
propositio absoluta 379.
proprium s. Universalien.
Psellus 264 11‘.
Pseudo-Abälard 204 11'.
Register. 399
Pseudo—Averroes 385 m .
-Boethius De Irin. 20, 108 1.
De unit. et uno 228.
-Eric 43 1'.
—H|'al»anus 37 m
ouaesiia Arabum 392.
quiddilas 325.
Raimbert v. Lille 821.
rationale 13, 55.
Realismus 1281.
u. Nominalismus 35 11' , 118.
Rechtswissenschaft 69.
Reginaldus 230.
regula de quocunque 273, 351.
Reinhard v. Würzburg 49.
Remigius v. Auxerre 41.
res de re non praedicatur 175, 252.
Rhabanus Maurus 19 11‘.
Rhetorik 292.
Robert Amiclas 230.
v. Melun 21-1.
v. Paris 77.
l‘ulleyn 213.
Roscellinus 77 11., 122 1'.
Salomonis Glossarium 47.
Sanct Gallen 461., 61 11‘.
Scotus Eriaena 20 tf
anyaofa 279 m
Sensualismus 123.
sermo 66, 17411., 236.
sermocinalis 112, 323.
Serlorius 230.
sex principia 223 11'.
significatio 279 m
diclionum 363.
signifiralum 123.
Simeou 3.
Sophixt. Elenchi am
species s. Unlversalien
xlalus 137 1.
xubslamiale 326 11'.
sumptam 184.
supposilio 280 11'.
Syllogismen, Lehre von den 158, 199 11.,
256, 2751., 310 m 357 11.,
368 11., 380 11‘.
hypothetische 203. 310. 358,
381 u. disjunct. 361, 389.
syllogismi imper/ach ma
Sylvester 11. 53 11'.
synculngoreumata 148, 191, 256, 266,
279, 289, 378.
Syrer 300.
terminarum propriemlex 279 11‘.
lematis 379.
Theilbegrifl' 135, 193.
Themislius 293, 385.
Theologw 72 11., 108.
theophrastische Schlussmodi 380.
Topik 159. 2001.
universale intelligiturv singulare sentier 29.
llniversalieny Streit über die 1181.
ante rem, in rel post rem
306, me 1.
in re 249.
Urlheil 148, 154, 182, 195, 308, 356,
— 366. 379.
verbaliler 30.
verificatio 396.
via moderne 262.
vocalis 31.
voces signalivae 60.
vocis flatus 79.
vocum imposilio 166, 181.
Walter Mapes 230.
v. Mortaigne 137 1.
Walther v. St. victor 221.
v. Speier 52.
Wilhelm v. Champeaux 128 m
v. Conches 127 l.
v. Hirschen 83.
v‚ Shyreswood 264 il
williram v. Soissons 229.
Wolfgang v. Regensburg 51.
N mzozz
Druck von C. P. Melzer in Leipzig.
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