GEsCHICHTE

L O G I K

A B E N D L A N D E.

VON

Dr. CARL PRANTL,

PROFESsoR AN DER UNiversitÄT UND MiTgLied der AkADEMiE zU MÜNch£N.

ZWEITER BAND,

LEIPZIG,

V E R L A G V O N §. H I B Z E L.

1861.

 

MEINEM LIEBEN FREUNDE UND C0LLEGEN

 

V 0 R W 0 R T.

Nach einem längeren Zwischenraume, als mir selbst lieb ist, folgt

hiemit eine Fortsetzung meiner mühevollen Arbeit, bezüglich derem ich

im Ganzen auf das Worwort des ersten Bandes verweisen könnte.

Doch wenm ich sehon dori es ausspraeh, dass für die „Geschichte

der Logik“ überall die Forschung erst von vorne habe beginnen müssen,

so knüpft sich hieram betreffs des Mittelalters eine doppelte Bemerkung.

Einerseits nemlich lagen hier in einigen einzelnen Theilen allerdings

höchst dankenswerthe Worarbeiten vor, und mamentlich sind es V. Cousin,

A. Jourdain und B. Hauréau, welche bekanntlich durch Veröffent

lichung oder Benützung handschriflicher Quellem sich die grössten Ver

dienste erworbem haben. Aber andrerseits handelte es sich noch um

kritische Untersuchung des gesammten zugänglichen Materiales, sowie

um Auffindung des wirklichen geschichtlichen Werlaufes. Und in letz

terer Beziehung zeigte sich bald, dass gerade die Geschichte der Logik

den Beruf haben könne, die Einsicht in die sog. Philosophie des Mittel

alters zu berichtigen oder zu ergänzen. Sowie nemlich bezüglich des

Streites über die Universalien eine bisher umbekannte Manigfaltigkeit

der Parteispaltung zu Tag trat, so konnte hinwiederum nicht bloss das

Maass der logisehen Litteratur-Kenntniss jener Jahrhunderte seine rich

tige Abgränzung findem, sonderm auch der umbestreitbare Nachweis

geliefert werden, dass im ganzen Mittelalter ohne alle Ausnahme kein

einziger Autor einem eigemen Gedanken aus sich selbst schöpfte, sondern

die gesammte Litteratur jener Zeit von dem Umfange eines dargebotenen

traditionellem Materiales abhängig und bedingt war. Indem ich mich

der unsäglichen Mühe unterzog, gleichsam bei jedem Satze die Frage

Vi V or w o r t.

aufzuwerfen und zu beantwortem , woher derselbe entnommen sei,

konnte ich dem objectiv richtigen Entwicklungsgang darlegem, musste

aber hiebei allerdings jene Illusionem zerstörem, in welchen man von

„Verdiensten* einzelner Autoren zu sprechen gewohnt ist, insoferne

man meint, Dieser oder Jener habe von sich aus eimen Fortschritt her

beigeführt. Auch wo ich einmal (bei Psellus) jene Frage des „Woher?“

micht mehr beantworten konnte, ist hiedurch die Richtigkeit meiner

allgemeinen Behauptung nicht alterirt, sondern in jenem speciellen Falle

gebricht es der Forschung nur an dem erforderlichen Materiale.

Erhält aber durch eine solche geschichtliche Betrachtungsweise die

sog. Philosophie des Mittelalters eime, wenn auch nicht schmeichelhafte,

doch neue Beleuchtung, so sage ich hiemit wahrlich nicht, dass etwa

Alles , was von Anderem, und insbesondere von B. Hauréau geleistet

wurde, verfehlt und unrichtig sei. Aber es sehien mir auch überflüssig,

bei jedeui Schritte der Entwicklung ausdrücklich anzugeben, wo und

worin ich von Anderen abweichen müsse. Daher zieht sicli auch ma

mentlich gegen Heinr. Ritter, dessen ebenso wortreiche als schiefe

Darslellung bei Wielen im grossem Ansehen zu stehem scheint, grossen

theils mur eine stillschweigende Polemik durch mein ganzes Buch hin

durch; denn hätte ich, — wozu fast überall Gelegenheit war —,

Ritter's Angaben berichtigen wollen, so wäre eine solche nachträgliche

Recension für den Leser woll ebenso langweilig gewesen wie für

mich selbst. -

Wenn ieh übrigens grundsätzlich mich auf jene Litteratur-Erzeug

misse beschränkte, welche gedruckt vorliegen, so gestehe ich gerne zu,

dass möglicher Weise aus mancher Bibliothek durch Benutzung hand

schriftlichen Materiales Berichtigungen oder Ergänzungen meiner For

schung zu Tage gefördert werden können, und an mehreren Stellem

habe ich auch ausdrücklich den Wunsch geäussert, dass Solches ge

schehen möge. Ich darf vielleicht annehmen, meine wissenschaftliche

Pflicht erfüllt zu haben, wenn ich den Anstoss und etwa die ricbtigem

Gesichtspunkte zu einer derartigen Durchforschung der vorhandenen

Handschriften gegeben habe. Doch in Einem Falle machte ich von

jenem meinem Grundsatze eine Ausnahme ; nemlich, — abgesehen da

von, dass ich die Schätze der Münchner Staatsbibliothek nicht unbe

W o r w o r t. vii

achtet liess —, benützte ich jene Andeutung , welche Hauréau in

seinem trefflichen Werke (De la philosophie scolastique. Paris 1850.

2 Bände) zuweilen über einige Pariser Handschriften gab, und machdem

dieselben aut Wermittlung des königl. Staatsministeriums mir hieher

übersandt worden waren, ersah ich zu meiner Freude die Pflicht, das

dort vorliegende Material beiziehen zu müssen; denn es ergab sich ein

ebenso neuer als interessanter Aufschluss über das Verhältniss des

Psellus zu Petrus Hispanus oder vielmelhr zu dem Vorgängern und Zeit

genossen des Letzteren, ein Aufschluss, welcher durch die gedruckte

Litteratur nie hätte gewonnen werden können.

Wenn die in den Anmerkungen reichlich angeführtem Quellen

Stellen häufig (namentlich in dem die Araber betreffenden Abschnitte)

noch mehr zu enthalten scheinen, als ich im Haupttexte darlegte, so

wird der Leser diess dadurch entschuldigen, dass ich durchweg nach

möglichster Kürze strebte und darum im Texte weder eine blosse Ueber

setzung noch auch ein Excerpt, sondern den innersten Kern der Origi

nal-Stellen zu geben versuchte. Dem gleichen Zwecke der Kürze dienen

auch die zahlreichen wechselseitigen Werweisungen, welche der Leser

nicht als eine müssige Werzierung oder Werunzierung, sondern als ein

compendiöses Mittel betrachten wird, in vielen Fällem einen weiteren

Zusammenhang im Auge zu behalten.

Nachdem die ersten Bogen dieses Bandes bereits gedruckt warem,

erschien nicht bloss das Werk meines Freundes und Collegen Dr. Joh.

Huber über Scotus Erigena (München 1861), sondern auch Hauréau's

Ausgabe des bisher unedirten Commentares des Scotus Erigena zum

Marcianus Capella (Notices et Eactraits des Manuscripts, Vol. XX, Abthlg.

2.), und ich bedauere, dass ich dieses neuaufgefundene Material, welches

einzelne Bestätigungen meiner Darstellung des Scotus darbietet, nicht

mehr bemützen konnte.

Der dritte und zugleich letzte Band meiner Arbeit wird dem gegen

wärtigen hoffentlich in Bälde nachfolgen.

Mü n c h e n, im 0ctober 1861.

0. Prantl.

 

ÜBERSICHT DES INHALTES.

XIII. Abschnitt. Das Mittelalter in um v ollstän

dig e r K e nntni s s der aristoteJisch en Logik

Die Werbreitung der späteren römischen Logik im den Schulem 2.

Beschränktheit dieser Tradition bezüglich der Uebersetzungen des

Boethius und Unkemntniss der logischem Hauptwerke des Aristote

les 4. Stellung der Orthodoxie zur Logik 6. Die Isagoge des

Porphyrius 7. Ueberwiegem eines platonischen Realismus 9.

Isidorus Hispalensis 10. Alcuin 14. Fredegisus 17. Hraba

mus Maurus 19. Pseudo-Boethius De trinitate 20. Johannes Sco

tus Erigena 20, seine logisch-formelle Gewandtheit 21, sein theo

logischer Realismus neben Werlhschätzung der voae 25, hiednrch

nominalistische Anschauungen 30, und ein gewisser Intellectualis

mus 32. Die Quellen der logischen Parteispaltung machweisbar

in zwei Stellen des Boethius vorliegendº 35. Stellung des Scotus

Erigena 37. Steigerung der nominalistischen Wendung des Scotus

bei Pseudo-Hrabanus 38, und noch mehr, hei Eric von Auxerre

41. Mathematisirender Aristotelismus des Pseudo-Eric oder Jepa (?)

43. Platonismus des Remigius v. Auxerre 44, und des 0tto v.

Clugny 45. Thätigkeit in St. Gallem 46, das Glossarium Salo

monis 47. Unfruchtbarkeit des zehnten Jahrhundertes 48, Poppo

in Fulda, Reinhard in Würzburg, Johann von Gorz 49, bewusste

Parteistellung des Gunzo Italus 50; Wolfgang in Regensburg, Abbo

v. Orleans, Bernward in Hildesheim 51, Walther v. Speier 52.

Gerbert 53, äusserste Unbedeutendheit desselben 57. Adalbero

v. Laon 58, Fulbert v. Chartres 59. Anonymus sec. 11 mit nomi

nalistischer Färbung 60. Reiche Thätigkeit in St. Gallen, Notker

Labeo 61 ; dorfiger Nominalismus 63, Bedeutsamkeit des Anonymus

De syllogismis 64. Franco in Lüttich 67, 0thlo in Regensburg,

Petrus Damiani 68.

Frischere Bewegung in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhundertes.

Rechtswissenschaft, Papias 69; Lanfrancus, Irnerius, die Formel

bücher 71. Theologie, Berengarius als Nominalist in der Abend

mahls-Frage und der Ketzer-Richter Lanfrancus 72. Partei-Gegen

satz 75. Albericus v. Monte Casino 76. - Die Lehre des Scotus

Seite

1—97

X. Uebersicht des lnhaltes.

Seite

Erigena und Robert v. Paris und Arnulph von Laon 77, und Ros

cellinus als Wertreter einer „neuen“ Logik 78; die gehässigen

Berichte über Letzteren seitens seiner orthodoxen Gegner 79.

Raimbert in Lille und die „alte“ Logik des 0tto v. Cambray 82.

Wilhelm v. Hirscham und Konstantin der Karthager 83. Ansel

mus v. Canterbury 85, der ontologische Beweis und Gaunilo 86,

der unwissenschaftliche Realismus des Anselmus 88, und der

kläglich niedrige Standpunkt seines Dialogus de grammatico 89.

Honorius v. Autun 97.

XIV. Abschnitt. Allmälige We rv o Ilständigung der

Kenn t m is s de r a ristotelis c h e n Logik . . 98—260

Bekanntwerdei der heiden Analytiken und der Topik nebst den

Soph. Elenchi 98. Jacobus v. Wenedig 99. Wahrend der Text

jener aristotelischen Bücher zwar selbst nicht vorliegt, transspiriren

anderswoher sporadische, Notizen 100; Adam v. Petit-Pont bear

beitet die erste Analytik 104. 0tto. v. Freising bringt (nicht aus

Italien, sondern aus Frankreich) jene Bücher nach Deutschland

105. Zur Zeit des Johannes v. Salesbury ist das ganze 0rganon

- bekannt 106; Drogo in Troyes bearbeitet, die Topik 107. Neue

Uebersetzungen des , 0rganons entstehen in Unteritalien und iim

byzantinischen Reiche 107.

Gesteigerter Betrieb der Logik 108. Theologie, Pseudo-Boe

thius De trinitate 109. Gegensatz der Logik und des Dogma's

110. Petrus Lombardus, Hugo v. St. Victor 111. Grosse Aus

dehnung und zugleich Einseitigkeit der logischen Litteratur 114;

eigenthümlicher Gegensatz zwischen „alter“ und „neuer“ Logik

116. Der Streit über die Universalien, Spaltung in wenigstens

dreizehn nachweisbare Partei-Ansichten 118. -

Nominalismus an sensualistische Ansichten streifend 122, Abstu

fungen desselben (Garmnnd) 123. Die Lehre, dass die Univer

salien ,,maneries“ seien, — Huguccio — 125. `Die Platoniker,

Bernhard v. Chartres 125, und Wilhelm v. Conches 127. Der

Realismus des Wilhelm v. Champeaux 128; die Schwierigkeiten

und Abstufungen des Realismus 131, Controversen üher Definition

und Theilbegriff 134. Wermittlungsversuch durch die Lehre von

,,status“, Walter v. Mortagne 137. Die Lehre von der ,,lndiffe

renz“ 138; platonische Wendung derselben durch Adelard v.

Bath 140. Die Ansicht des Gauslenus oder Joscellinus v. Sois

sons bezüglich des ,,colligere“ 142. Die Ansicht des Werfassers

der Schrift De generibus et speciebus 143, seine Auffassung des

Urtheiles und Hinneigung zum Platonismus 148. Controversen

über die Kategorien 152, und über die Lehre vom Urtheile 154;

Syllogistik 158, Topik 159.

Abalard 160; seine Begabung 161, seine logischen Schriften.

162; theologische Auffassmng und inmerer Zwiespalt seiner Lehre

164; er ist Aristoteliker 166, und zugleich Plaloniker 167, und

- Uebersicht des Inhaltes. XI

-* Seite

zuletzt keimes vom beidem, somdern Rhetoriker 168. Gliederumg

seines Hauptwerkes 169. Die Isagoge oder ,,Antepraedicamenta**

nach seinem ,,Glossae** und besonders nach den ,,Glossulae** 172;

Auffassung des ,,sermo praedicabilis“ 175; das Universale als das

jenige, quod natum est de pluribus praedicari, in platonischer 177,

und zugleich ' in aristotelischer Werwendung 181; aus letzterer

folgt seine, Betonung des Urtheiles (praedicari) 182, und sein an

geblicher Intellectualismus 185. Sein Rhetorismus 187. Die

Kategoriem 188. Die Postpraedicamenta 190. Die Lehre voh der

Definition und dem Theilbegriffe naeh seinem Liber Divisionum 192.

Die Lehre vom Urtheile 195. Die Syllogistik 199. Die Topik

200. Die hypothetischen Syllogismen 202. -

Steigerung der aristotelischen Seite Abälard's bei einem Ano

nymus De interpr. 204, sowie * bei dem scharfsinnigen Pseudo

Abälard De intellectibus 205. Ueberwiegen der Lehre vom Ur

theile bei Adam v. Petit-Pont 211. Logischer Skepticismus des

Robert Pulleyn 213, und theologische Reaction durch Petrus v.

Poitiers und Robert v. Melum 214.

Gilbertus Porretanus umd seine Lehre von den formae nativae

215, die Stümperhaftigkeit seimer Schrift 'De seae principiis 223.

0tto v. Freising eim Anhänger Gilbert's 227. Pseudo-Boethius de

unitate et uno • 228. Alberich in Paris, Williram v. Soissons

229, und mehrere andere, bei Walter Mapes angeführte Autorem

230; der sog. Cornificius des Joh. v. Salesbury 231. * ;

Johannes v. Salesbury 232, sein ciceronianiseher Utilismus 233, .

und Rhetorismus 235; Verwandtschaft mit Abâlard 239, Beurthei- p.

lung des Aristoteles 241 ; seine „ratio indifferentiae* als unwissen

schaftlicher Indifferentismus 243; sein gröblicher Eklecticismus

bezüglich der Universalien 246, und der unbestimmte Begriff der

,,notio“ 251 ; seine Erörterumgen über die Kategorien 253, über

das Urtheil. 255, über die Syllogistik 256. Eine unbedeutende

Schrift des Alanus v. Lille 259. - • • * •

s** * , - * * * • •

XV. Abschnitt. Ein fIus s der Byzan tim e r .'. . . 261—296

Berührung des Abendlandes mit dem Byzantinern 262; reiche Lit-,

teratur zur Zeit der Anna Commena 263. Die Synopsis des Psel

lus, welche durch Wilhelm Shyreswood, Petrus Hispanus und

Andere dem lateinischen Abendlande zugänglich wurde 264; die

dort entwickelte Lehre vom, Urtheile 265, mit Benützung techni

scher Memorial- Worte und - Werse 272, die Isagoge 272, die

Kategorien 273; die Lehre vom Syllogismus, gleichfalls unter

Anwendung technischer Worte, in welchen die Entstehung des

logischen Schulgebrauches der vier Wokale (A, E, I, 0) sich

kundgibt und zugleich das 0riginal der bekannten lateinischen

Nomenclatur vorliegt 275; die Topik; der Abschnitt „De termi

norum proprietatibus“ oder „Syncategoreumata“, welcher die Lehre

von der significatio in ausführlichster Gliederung der „suppositio*

Uebersicht des Inhaltes.

Seite

darlegt 279. Der aus den Lateinern zu ergänzende verlorene Rest

der Synopsis 287. Die Frage über die Quellen oder Worbilder

des Psellus 290. Johannes Italus 293. Nicephorus Blemmides 295.

XVI. Abschnitt. Ein flu ss d e r A r ab er . . . . 297—396

Beschränkung auf die lateinisch-arabische Litteratur 298, und zwar

auf den Umkreis der eigentlichen Logik 299. Die arabische Logik

im Allgemeinen 300. Alkendi 301.

Alfarabi 301, ethische Beziehung der Logik 302, der doppelte

Weg von Bekanntem zum Unbekanntem, Argumentation 303, Rhe

torik und Poesie 304; die Universalien ante rem, in re, post

rem 306; die Kategorien und ens 307; das Urtheil 308; die

erste Analytik und die hypothetischem Schlüsse 310; Ergänzungs

versuche zur zweiten Analytik 312, demonslratio quia und propter

quid 317. -

Avicenna 318, sein Intellectualismus 320; Definition und Argu

mentation 322; die Universalien und die Quidditât 324, das Sub

stantielle und das Accidentelle 326; Erörterungen und Controversen

über die einzelnen fünf Worte 330, besonders über den Artbegriff

334, und über die Differenz 338; Berichtigungen und Zusätze zur

Isagoge 344; nähere Darlegung des lntellectualismus in Unter

scheidung der Universalien ante rem, in re , post rem 347; die

Kategorien 351 ; das Urtheil 356; die erste Analytik und die hy

pothetischen Schlüsse 357; die zweite Analytik 359; die Stellung

der Topik und Sophistik 360.

Algazeli 361, Tendenz seiner Logik 361; imaginatio und cre

dulitus 362; significatio dictionum 363; die Isagoge 363; die

Kategorien der Ontologie zugewiesen 365; das Urtheil 366; die

Argumentation, Combination der möglichen Schlussweisem 368,

die hypothetischen und disjunctiven Schlüsse 369; die Urtheile

als Stoff der Argumentation 370; fallaciae 371 ; die zweite Ana

lytik 372. Avempace 373. -

Averroes 374; sein strenger Aristotelismus 375, Methode des

Abtheilens 376; nothgedrungene Beiziehung der Isagoge 377; die

Kategoriem 378; das Urtheil 379; die erste Analytik, Polemik

gegen Galenus 380, die hypothetischem und disjunctiven Schlüsse

381, Praxis der Syllogistik 382; die zweite Analytik. 384; die

Topik und Sophistik.

Des Pseudo-Averroes Epitome 385, agens und dirigens 386, die

Universalien 386, Geltung der Kategorien 387, das Urtheil 388,

Argumentation 389, die Topik 390, die Definition 391. Die

Quaesita des Pseudo-Averroes und anderer Araber 392. Das Buch

De causis 394. Die Juden 394. Moses Maimonides 394. Levi

Ben Gerson 394.

XIII. ABSCHNITT.

DAS MITTELALTER IN UNWOLLSTÄNDIGER KENNTNISS DER

ARIST0TELISCHEN L0GIK.

In das Mitlelalter geht die Logik als blosser Schulgegenstand in

jener Form über, deren Darstellung der vorige Abschnitt enthält, und

die dort geschildertem Schriften des Marcianus Capella, Boethius, Cas

siodorus und theilweise auch des Augustinus und Pseudo - Augustinus

sind es, welche für den Schulbetrieb der Logik das ausschliessliche Ma

terial darbotem. Aller 0rten, wo im Zusammenhange mit der Werbreitung

des Christenthums entweder zahlreiche völlig neue Bildungsstätten ent

standem oder auch zuweilen eine Anknüpfung am antike Institute mög

lich war, findem wir bekanntlich den Studiengang des Triviums und

Quadriviums in grösserer oder geringerer Vollständigkeit eingebürgert,

und wenn auch die mathematischen Disciplinen (Arithmetik, Geometrie,

Astronomie und Musik) nicht sämmtlich überall die gleiche Pflege fan

den, so bestand doch zu allermeist eine Gleichmässigkeit im Betriebe

der Grammatik, Rhetorik und Dialektik, insoferne diese drei „Künste“

in keiner Schule fehlten. Es ist nicht Phrase oder Uebertreibung, wenn

wir bezüglich der Logik oder Dialektik den Ausspruch thun, dass der

ganze 0ccident, soweit ihn überhaupt die Kultur des Mitlelalters in ihrer

allmäligen Ausbreitung berührte, durch die Tradition der genannten

Autoren des späteren Römerthums geschult wurde, dass nemlich in Ita

lien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Britanien man wirklich mit

einem gewissen Materiale logischer Lehren bekannt wurde, und zwar

ausschliesslich nur auf Grundlage jener Ueberlieferung. Eben in dieser

Beziehung jedoch seheint die Geschichte der Logik das ihr zukommende

Gebiet wohl nicht überschreiten zu dürfen. Insoferne memlich aus ein

zelnen_Nolizen über Schulen oder aus Bibliothekverzeichnissem u. dgl.

schleefthin niehts weiteres folgt, als dass da oder dort eine logische

Schrift des Marcianus Capella oder des Boethius u. s. f. bloss vorhan

den war oder in irgend einer Klosterschule eben nur gelesen wurde,

oder dass irgend Jemand durch solche Lectüre sich gebildet oder sie

Anderen empfohlen habe u. s. w., müssen wir derlei Nachrichten immer

hin, so kostbar sie gerade wegen ihrer Vereinzeltheit auch sind, der

allgemeinen Kulturgeschichte oder der Geschichte der Pädagogik über

lassem ; denn für die „Geschichte der Logik“ genügt das Factum einer

verbreiteten Uebung der sog. sieben freien Künste überhaupt als allge

Pa Antl, Gesch. II. 1

t.

|

2 XIll. Das traditionelle Material.

meine Grundlage für den Eintritt in das Mittelalter, und auf diesem

Boden haben wir hier dann demjenigen nachzuspüren, was durch eine

eigene, wenn auch noch so geringe, Thätigkeit einzelner Lehrer oder

Gebildeter geleistet wurde und hiedurch Momente eines geschichtlichem

Weiterschreitens darbietet; überdiess ja wird dann Solches, wobei auch

das anscheinend Geringfügige nicht übergangen werden soll, wieder

einen Rückschluss auf 0biges in sich enthalten, dass nemlich neben

vereinzelter individueller Thätigkeit auch ein massenhafter Betrieb, wel

cher bloss an dem Texte der Schulhücher-Tradition haften blieb, bestan

den haben muss ').

Aber Eine Bemerkung ist betreffs dieses Schul- Materiales gleich

hier in all ihrer Schärfe und ihrem ganzen Umfange nach vorauszu

schicken. Wir müssen nemlich die völlige Ausschliesslichkeit desselben

von vornherein im Auge behalten, d. h. erstens, dass lediglich nur diese

lateinischen Litteraturprodukte cursirtem, und hiemit ausser dem Mar

cianus Capélla, dem Boethius, dem Cassiodorus und dem ächten oder

dem unächten Augustinus das Mittelalter bis zum 12. Jahrhunderte für

die Logik überhaupt keine anderweitigen Quellen kannte oder benützen

konnte. Es war jenem ersteren Zeitraume über die griechische Grund

lage der Logik mur jene secundäre Kunde möglich, welche aus eben

diesen Autoren geschöpft werden konnte, und namentlich die aristoteli

schem Schriften (ja im Allgemeinen wohl auch nur der Name des Aristo

teles) waren ausschliesslich bloss in jener Form bekannt, in welcher

sie Boethius überliefert hatte. Man darf, wenn in Urkunden, welche

sich auf jene Jahrhunderte beziehen, aristotelische Schriften erwähnt

werden, durchaus an Nichts anderes denken als am ebem diese Ueber

setzungen des Boethius; so z. B. wenn unter den Büchern der Biblio

thek zu York im 8. Jahrh. auch ein „acer Aristoteles“ genamnt wird *),

oder wenn wir' im 10. Jahrh. in Tegernsee die Kategorien des Aristo

teles erwähnt finden *). Dass alle dergleichem Stellen nur in dieser

Weise zu erklärem seien, wird allerdings erst aus dem Folgenden, so

wie aus dem Uebergange in jene Periode, in welcher der 0riginaltext

des Aristoteles dem Mittelalter bekannt wurde, völlig deutlich gleichsam

durch eigenes Erlebniss erhellen, aber es schien nicht überflüssig, schon

1) Für dem hiesigen Zweck demnach muss ich ein nicht kärgliches und nicht

ohne Mühe errungenes Quellen- Material bei Seite lassen, welches entweder zu

einer Geschichte der mittelalterlichen Schulem anschwellen würde oder bei einer

(übrigens kaum durchführbarem) Beschränkung auf herausgerissene Auswahl des

Logischen doch nur dem Beleg der ohnediess allbekannten Thatsache enthije, dass

jene obigen Autorem den Inhalt der Schulwissenschaft ausmachten.

2) Die von Aelbert in York angelegte Bibliothek beschreibt dessem Schüler

Alcuin ausführlich in S. Gedichte De Pontificibus et Sanctis ecclesiae Eboracensis

(Alcuini 0pp. ed. Froben. II, p. 241 ff.); dort heisst es v. 1548 ff. (p. 257.): Quae

Victorinus 'scripsere , Boethius atque Historici veteres, Pompeius, Plinius, ipse Acer

Aristoteles, rhetor quoque Tullius ingens.

3) Ein Tegernseer Mönch schreibt in einem Briefe (b. Pez, Thes. Anecd. VI,

1, p. 131.): stultam fecit Deus sapientiam mundi huius (diese Worte simd aus Paul.

ad Corinth. I, 1, 20; s. untem Anm. 20 f.), postquam eaesiccavit fluvios Ethan ; prae

dulcedine enim decem chordarum Davidis .... paene oblitus sum, totidem categoria

rum Aristotelis.

XIII. Das traditionelle Material. 3

hier den Gesichtskreis richtig abzugränzen *). Nur eine scheinbare Aus

mahme liegt natürlich darim, wenm überliefert wird, dass im Anf. d. 10.

Jahrh. ein gewisser Simeon, ein Bulgare, in Constantinopel die Syllo

gislik des Aristoteles im 0riginale studirt habe *); denn dass im oströ

mischen Reiche die Griechen noch bis in späte Jahrhunderte sich mit

Derartigem besehäftigten, sahen wir hinreichend oben, Abschn. XI, Anm.

106—118. Aber Eine vereinzelte Notiz könnte unserem Ausspruche

entgegenzustehen scheinen; es schickte nemlich Papst Paul I. im J. 757

an Pipin den Kleinen mehrere griechische Schriftem, unter welchen

Ersterer selbst in dem betreffenden Briefe auch Bücher des Aristoteles

anführt °); ist jedoch die Urkunde ächt, woran zü zweifeln kein Grund

vorhandem seheint, so spricht sie weit eher für uns als gegen uns,

denn offenbar blieb dieses damals in jener Gegend einzige Exemplar

eines griechischen Textes des Aristoteles am fränkischen Hofe vergra

ben oder gieng verlorem, da wenigstens von einer Benützung desselben

mirgends die leiseste Spur sich zeigt; auch fällt ja für jene Länder die

erste sichere Kunde von einem Studium des Griechischem oder von

Uebersetzungen aus dem Griechischen überhaupt erst in fe Zeit Karls

des Grossen "), worauf dann noch im 9. Jahrh. die Arbeiten des Sco

tus Erigena folgten (Uebersetzung des Pseudo-Dionysius).

Zweitens jedoch ist selbst jenes lateinische Quellen-Material gerade

in der Hauptsache abermals ein beschränktes. Während nemlich die

logischen Schriften des Aristoteles insgesammt in den Uebersetzungen

des Boethius, welcher hiefür die einzige Quelle war, hätten gelesen

werden könnem, zeigt sich eben hierin eine scharfe Abgränzung ; denm

unter dem ohen (Abschn. XII, Anm. 72 f.) angeführten schriftstelleri

schen Erzeugnissem des Boethius benützte mam im Mittelalter vorerst aus

4) Schôn bier darf ich vorläufig anf die bekannte vortreffliche Arbeit Am.

Jourdain's (Recherches critiques sur l'age et l'origine des traductions latines d'Ari

stote. 2. Aufl. Par. 1843) verweisem, wenn auch mit dem Worbehalte, dieselben be

züglich des 12. Jahrhunderts mannigfach berichtigen und ergänzen zu müssen (s.

d. folg. Abschn. Anm. 2, 14 ff.).

5) Liutprand Antapod. III, 29. bei Pertz, Monum. V, p. 309.: hunc etenwm Si

meonem emiargon, id est semigraecum, esse aiebant, e0 quod a pueritia Byzantii

Demosthenis rhetoricam Aristotelisque syllogismos didicerit.

6) Der Brief ist gedruckt b. Cai. Cenni, Monum. dominat. pontif. sive Codeae

Carol. (Rom. 1760. 4.) I, p. 148, woselbst die Stelle: Direvimus etiam excellentiae

vestrae libros quantos reperire potuimus, Antiphonale et Responsale, insimul artem

grammaticam, Aristotelis, Dionysii Areopagitae libros (bei Cenni steht ohne Unter

scheidungszeichen artem grammaticam Aristotelis), Geometriam, 0rthographiam, Gram

maticam, omnes graeco eloquio scriptores. Die Worte graec0 eloquio, deren Be

deutung im damaligen Sprachgebrauche völlig feststeht, bezieheii sich wohl nur

erst auf die von Aristoteles an genannten Bücher, denn das' Antiphonale und Re

sponsale war natürlich lateinisch, nnd wahrscheinlich ebenso die erstere Grammatik,

die zweite hingegen griechisch. (Uebrigens findet sich diese Notiz bei Jourdain

nicht benützt.) -

7) Z. B. bei D. Chytraeus Chron. Saacon. (Lips. 1593. L. III, p. 83.: Instituit

autem Carolus 0snabrugae, ut in collegio assidui lectores graecae et latinae linguae

essent; vidi enim evemplum literarum fundationis, ut vocant, quas ecclesiae 0sma

brugensi Carolus dedit) und öfters, stets aber mit Beziehung auf die bekannte Ge

sandtschaft der Kaiserim Irene und den hiedurch hervorgerufenen diplomatischen

Werkehr.

1*

4 - XIII. Das traditionelle Material.

schliesslich mur jene Uebersetzungen, welehe derselbe durch Commentare

erläutert und schulmässig zugerichtet hatte, d. h. ausser der doppelten

Bearbeitung der Isagoge des Porphyrius nur jene der Kategorien und

die beidem Ausgaben des Buches d. interpr., wozu dann allmälig noch

die eigenen Compendien des Boethius hinzukommem. Hingegen die

Uebersetzungen der beiden Analytiken, sowie der aristotelischen Topik

und der Sophist. elenchi, welehe sämmtlich Boethius ohne Commentar

belassen hatte, blieben aus eben diesem Grunde unbeachtet und entzo

gen sich hiedurch der Kunde des Mittelalters so sehr, dass mam lange

Zeit hindurch überhaupt nicht einmal mehr um das Vorhandensein dersel

ben wusste. Darum liegt aber in dem allmäligen Bekanntwerden jener

Hauptwerke des Aristoteles ein entscheidender Wendepunkt für die mit

telalterliche Logik. Und während ich alle Versuche, die sogenannte

„Philosophie“ des Mittelalters aus inneren Motivem in Abschnitte einzu

theilen, für verfehlt halte, scheint mir für das gesammte Mittelalter (bis

zum Ende des 15. Jahrh.), in welchem ich, abgesehen von Alchemie

oder Astrologie, mur Theologie und Logik, aber durchaus keine Philo

sophie, findem kann, der Eintheilungsgrund lediglich in dem äusserlichen

Befunde der Masse des* traditionellen Schul- Materiales zu liegen. So

könnte ich aueh den Unterschied zwischen diesem gegenwärtigen und

dem folgendem Abschnitte dadurch seharf bezeichnen, dass in ersterem

eine fragmentarische Kenntniss des Boethius obwaltet, in letzterem hin

gegen theils ein allmäliges Bekanntwerdem des ganzen Boethius und

theils die Anfertigung neuer Uebersetzungen der bis dahin unbenützten

Werke eine deutlich ersichtliche Wirkung äussert, worauf dann für die

späterem Abschnitte wieder analoge Bereicherungen des Materials ein

treten. — Der Nachweis hievon wird im Folgenden selbstredénd vorge

führt werden. -

Kurz also, — um die Abgränzung so entschiedem und deutlich als

möglich zu wiederholen —, es besteht für diesen ersten Abschnitt des

Mittelalters das traditionelle Material der Logik ausschliesslich aus Fol

gendem: Marc. Capella, Augustin, Pseudo-Augustin, Cassiodorus, Boe

thius ad Porph. a Vict. transl., ad Porph. a se transl., ad Arist. Categ.,

ad Arist. d. interpr. ed. 1 u. II, ad Cic. Top., Introd. ad cat. syii.,

D. syll. cat., D. syll. hyp., D. div., D. defin., D. diff. top. Hingegen

fehlt die Kenntniss der beiden Analytiken, der Topik und der Soph. El.

des Aristoteles.

Die eigene Thätigkeit aber, welche die Lehrer oder Gelehrlen die

ser ganzen Periode an diesem ausschliesslichen Materiale der Schultra

dition übten, war eine doppelte. Entweder nemlieh handelte es sieh

um Herstellung von Compendien, wobei meist ein planloses Zusammen

raffen verschiedener Quellen in ganz ähnlicher Weise waltele, wie wir

es schon im vorigen Abschnitte besonders bei- der Schrift des Cassio

dorus bemerklich machen musstem, oder man beschäftigte sich mit einer

mehr oder weniger einlässlichen Erklärung der schon im Gebrauche

stehenden Bücher, unter welchen vor Allem des Boethius Bearbeitung

(Uel)ersetzung und Commentar) der Isagoge und der Kategorien in den

Vordergrund treten. Dabei aber spielten sowohl Fragen der christlichen

Theologie in die logischen Erörterungen hinein , als auch wirkten die

XIII. Dir kirchliche Auffassung. 5

Controversen der Logik mächtig auf die Kämpfe der Dogmatik hinüber,

und überhaupt ja waltete in dieser Beziehung Anfangs ein sehr eigen

thümliches Werhältniss, welches micht ausser Acht gelassen werden darf.

Nemlich die christliche Lehre an sich — ganz abgesehen von der

Entstehung der christlichen Ideen überhaupt — trat wohl in völlig

schlichter Unmittelbarkeit auf und sprach zum religiös erregbaren Ge

müthe, zugleich aber fand sie sich bei ihrer weiterem Werbreitung an

eine Bevölkerung hingewiesen, welche theilweise durch den Schulbe

trieh des späteren Alterthums gebildet worden war und so eine formale

Seite des Antikem mit dem neuen Inhalte christlicher Lehre und christ

lichen Lebens verbinden konnte. Wie aus dieser Wermischung religiö

ser Unmittelbarkeit und geschulter Lehrfähigkeit sich raseh der Gegen

satz zwischen Laien und Klerus entfaltete, d. h. eine ecclesia docens

entstand, und wie die Kirche desshalb, weil sie docens war, ganz na

türlich zu Schuleinrichtungen griff und hiebei der Form nach sich an

Worhandenes anlehnte, gehört eben so wenig hieher als die mit Waffen

der Dialektik geführten Kämpfe, in welchen die Dogmenbildung vor sich

gieng. Wohl hingegen ist für uns der Umstand von Interesse, dass

überhaupt eime doppelte Richtung vorlag ; ja wir mussten im Werlaufe

der Geschichte der Logik selbst schon oben (Absch. XII.) von zwei

hervorragenden Wertretern der christlichen Theologie, nemlich von Hie

ronymus und besonders von Augustinus sprechem, unter welchen nament.

lich der Letztere das Nebeneinandertretem der zwei Richtungen sehr

deutlich zèigt (s. ebend. Anm. 17—22). Je stärker aber hiebei dér

specifisch christliche Standpunkt betont wurde, desto mehr Gewicht

musste auf jene innere Unmittelbarkeit fallem, welehe Auguslinus als

luae interior bezeichnete, und es ist nicht bloss erklärlich, sondern so

gar principiell gefordert, dass gerade die Strengerem unter den ersten

christlichen Theologen neben der gebotenen Polemik gegen den Inhalt

antiker Philosophie sich auch spröde gegen die Formen des Wissens '

verhielten, durch welches der Glaube nicht nur nicht ersetzt, sondern

selbst häufig gestört werde. -

So bestand also allerdings zunächst eine grundsätzliche Abneigung

gegen Logik oder Dialektik, und wenn wir bedenken, dass in den

Kämpfen der Dogmenbildung gerade die Arianer und Pelagianer an dia

lektischer Bildung und Gewandtheit wirklich im Wortheile waren, so

können wir es uns erklärem, dass jene Abneigung sich zu gereizter

Feindschaft steigerte. Es liesse sich nicht bloss aus lrenäus (2. Jahrh.)

und Tertullianus (3. Jahrh.), sondern mamentlich im 4. u. 5. Jahrh. (der

Zeit des hauptsächlichsten Dogmen-Kampfes) aus Basilius d. Gr., Grego

rius v. Nazianz, Epiphanius, Hieronymus Presbyter, Faustinus, Mansue

tus, Eusebius, Sokrates, Theodoretus u. A. eine übergrosse Menge von

Stellen anführen, in welchen die Dialektik als überflüssig *) oder als

ein. nichtiges sich selbst zerstörendes Thun *) und ein zweckloser ver

8) Basil. M. adv. Eunom. I. (0pp. ed. Paris. 1518 fol. II, p. 10.): iì vóv

24Quotor€λους άντως ήμίν xcä Xgvot/t7tov συλλογισμόν ἐσει τιQὸς τὸ μα

9êîv δτι ό άyéyvnros où yεyévymtcru ; (vergl. Anm. 16).

9) Tertuli. Praescript. é. 7. (0pp. ed. Venet. 1701. fol. p. 119 b.): Miserum

Aristotelem qui illis diaiecticam instituit artificem struendi et destruendi versipellem

6 XIII. Die kirchliehe Auffassung.

künstelter Wortkram 1°) bezeichnet wird, welcher vermöge seines welt

lich bunten Charaklers untauglich für die reine einfache Wahrheit 11)

und überhaupt umehristlich 1°) sei, daher alle Syllogistik, sowie sie vor

den schlichten Worlen der Apostel zerstieben müsse '°), ihrerseits hin

wiederum nur zur Bekämpfung und Verfälschung des Glaubens diene 1*),

was sich insbesondere bei den Arianern zeige '°), u. dgl. m. War aber

so die Dialektik, für welche meistens Aristoteles, und zwar namentlich

wegen der in den Kategorien liegenden Sophistik, verantwortlich ge

macht wurde '°), fast zu einem Gegenstande des Abscheues gewordem,

in sententiis coaetam, in coniecturis duram, in argumenlis operariam contentionem,

molestam etiam sibi ipsi, omnia, retractantem, ne quid omnino tractaverit.

10) Greg. Naz. Orat. 26. (0pp. ed. Colon. 1690. I, p. 458.): oùx olds ìóyov

grgoq άς δήσεις τε σοφ όν xaì criytyutxta xtxi τάς IIIvQQtovog èyotgo sic j

£φάέις ή άντι8€σεις χαι τῶν XQvoitnrvov συλλογισμόν τάς διαλύσεις ή

τῶν Ἀggτοτελους τεχνῦν την xgxovsyvtav. 0rat, 33. (p, 529): yetQovrsg

ταῖς βελήλοις x£voq óvtouç xaì àvvv8€σεσι τῆς ψευδωνύμον yvóσεός xaì

ταῖς εἰς οὐδèv xQijotuov q)eQovata ς λoyoμαχέαις.

11) Epiphan. ádv. haeres. II, 69, 69. (0pp. ed. Petav. Col. 1682. I, p. 795.):

6εινότητι μάλλον ἐαντοὺς ἐχω εὸajxaotv £v6votíuévov AQuo tot£λην τε και

τούς άλλονς τοῦ κόσμον διαλεκτιxoῦς όν xaì ìoùs xxxQ7τούς μετάααι um

6évc- xcgztóv όιχαιοσύνης είδάτες. Ebend. III, praef. (p. 809.) : ' £x ανλλόγι

σμόν yàg xgi Aguotorêàvxóv xc.) y&touετQuxóv τὸν θεὸν 7ταQuot äv ßoölov

ται. Ebend. III, 76, 20. (p. 964.): ταύτα %? άφαιg&ίτιαι πᾶσαν σου τῶν λό

yων συλλογιστιxijv uv9o\oytav xoù oùx èyδόχεται ημάς πQotQ&pag9trt

μαθητάς γενεα9αι Σigro roréâovs τοῦ σοῦ ἐμιστέrov .... où yàg èv λόγφ

qvâÄoyιστιxú î 8ccotíetc. τόν οὐgccvtjv xaì èv λόγφ xou/twotvxj, άλλ' ἐν

dvvdjuev xaì &λη9 stg (s. Anm. 20). Ebend. 76, 24. (p. 971.): προςελαβε τὸ

$&ίου φός xat& ròv oöv λόγον εἰς τὴν czύτοῦ πάστιν τὴν συλλογιστιxijv

ταύτην σον τήν τεχνολοytoiv. (Ausserdem kömmt Aehnliches gerade bei Epi

phanius höchst häufig vor.) ' Vgl. Hieron. adv. Helvid. (0pp. ed. Par. 1706. IV, 2,

p. 130.): non campum rhetorici eloquii desideramus , non dialecticorum tendiculas

nec Aristotelis spineta conquirimus ; ipsa scripturarum verba ponenda sunt.

12) Faustin. d. trin. adv. Arian. I, 10. (Bibl. Patr. Galland. Ven. 1770, VII, p.

444.): Noli infeliae adversus Christum dominum totius creaturae Aristotelis artificiosa

argumenta colligere qui te Christianum qualitercunque profiteris, quasi eae discipli

nae terrenae supputationis circumscriptor advenias.

13) Theodoret. serm. 5 d. nat. hom. (0pp. ed. Sirmond. Par. 1642. IV, p.

555.): jueic δέ αὐτόν τὴν ἐμτληάtwv όλοφvgóu$$a, δτι δή δgόντες ßag

ßaQoqojvovg άνθαρόπους τὴν ἐλληνιxijv εὐγλωττίαν vsvuxnzóτας xai τοὺς

zεκομιμενuévovs μύθους παντελῶς §§εληλαuévovs xtzì toùc àìusvtuxoùς σο

λοιxio uoùç τους άττιχούς xcctc.) elvxóτας συλλογισμούς. (Diese Anspielung auf

die schlichte Rede der Fischer findet sich auch sonst noch öfters.)

14) Iren. adv. haer. II, 14, 5. (0pp. ed. Venet. 1734. I, p. 134 b.): minutilo

quium autem et sublimitatem circa quaestiones, cum sit Aristotelicum, inferre fidei

conantur. Euseb. hist. eccl. V, 27. (0pp. ed. Paris. 1591. II, p. 108): Christum

ignorant, .... sed quaenam syllogismi figura ad suam impietatem confirmandam re

periretur, studiose indagarunt; quod si quisquam forte illis aliquod divini eloquii

teslimonium proferat, quderunt, ulrum coniunctam an disiunctam syllogismi figuram

possit efficere ...... sollerti impiorum astutia et subtilitate simplicem ac sinceram

divinarum scripturarum fidem adulterant. -

15) Hieron. adv. Lucifer. (ob. Ausg. IV, 2, p. 296.): Ariana haeresis magis

cum sapientia seculi facit et argumentationum rivos de fontibus Aristotelis mutuatur.

16) Socr., hist. eccl. II, 35. (ed. Vales. Turin. 1747, p. 114.): εῦ}ύς ούν ἐe

νοφῶνει (nemlich Aëtius) τοῦς ἐντυγχάνοντας, τοῦτο όε ἐπότει ταῖς κατηγο

gftct c X{Quotor&λονς πιστεύων Αιβλέον δε ούτως ἐστιν BriyeyQguuévov αὐτό'

èç aùróv τε διαλεγόμενος xαι ἐαντφ σόφισμα ποιῶν οὐκ ἐάδειο ..... τοῖς

XIII. Die kirchliche Auffassung. Die Behandlungsweise. 7

so stellte sich doch. zugleich von selbst das Gefühl der Nothwendigkeit

ein, mit gleichen Waffen sich gegen die Feinde der orthodoxen Lehre

vertheidigen zu können, und erklärlicher Weise musste dieses Motiv,

dass die Dialektik dem Kampfe gegen die Ketzer diene, das Ueberge

wicht erlangen. ' Also auf die Gesinnung und die Absicht, in welcher

man Logik betrieb, kam es num an 47), und in solcher Weise durfte

man sich sogar logischer Kenntnisse rühmen '*); sehr wohl aber konnte

hiemit die Anschauung verbunden sein, dass die dogmatische Theologie

eben doch mur aus äusserem Gründen in der Dialektik das Gebiet eines

bloss äusserlichen Wortkrames betreten , habe, und es wird ums dem

mach nicht befremden, wenn wir weiter untem wiederholt eine offene

Feindschaft gegen alle Dialektik überhaupt antreffen werden.

Jedenfalls aber war, wie gesagt, die ecclesia docens schon in dem

ersten Jahrhundertem auf diese Weise : dazu gelangt, dass sie eine ge

wisse Summe logischer Lehren in den Umkreis ihres Betriebes aufnahm,

und waren einmal irgend welche Compendiem, — wenn auch mit Wor

behalt der Gesinnung und Absicht —, für den Gebrauch der Kleriker

recipirt, so konnte und musste wohl auch der Fall eintreten, dass Ein

zelne jenes Material, welches anderweitig als Mittel zum Zweeke dienen

sollte, zu einem speciellen und selbstständigen Gegenstande ihrer Be

schäftigung machten. Und hiebei waren es vor Allem die Kategorien;

welche von der spät- antiken Schultradition her eine reichliche Wer

wendung in den theologischen Hauptfragem , und zwar gerade zumeist

bei Augustinus (betreffs der Trinität und der sog. Eigenschaften Gottes)

gefumden hatten ; ja es ist selbst möglich, dass man schon ziemlich

frühe die pseudo-augustinische Schrift über die Kategorien (s. Abschn.

XII, Anm. 40—50) für ein ächtes Werk hielt und so durch die Aucto

rität des Augustinus selbst sich in dem Studium dieses Gegenstandes

bestärkt fühlte. Hatten aber die Kategorien jedenfalls eine bedeutende

Geltung für die Theologie, so lag ja in der Schrift des Porphyrius,

d. h. in den Quinque voces, eine in der Schule für unerlässlich gehal

tene Einleitung zu dem Kategorien vor, und es verstand sich von selbst,

dass man für dem Unterricht sowie für das Studium stets den Anfang

mit der Isagoge maehte." Beide aber, nemlich sowohl das Buch über

£x τῶν xcrtnyoQuóν σοφto uczov ovvs7v$ueuvs, διό ούτε vojo ot δεδύνηται,

τύς ἐστιν άyévvmtos yévvnoius (vgl. Anmi. 8). •

17) Theódoret. hist. eccl. IV, 26. (0pp. ed. Sirm. III, p. 707.): *aì τόν $.

otoréλονς συλλογισμόν xccì τῆς IIλάτωνος εὐελιδας διὰ τόν,άxoöv 8i sed é

§ατο (se. 4tdvuòς)'τὰ μαθήματα οὐχ ός άλη9ειαν ἐκπαιδεύοντα, ἀλλ' ἀς

όπλα της άλη&εttis xatà toù psêêovç ytyvóusvt.

18) Cyrili. Aleae. Thesaur. d. trin. 11. (0pp. ed. Aubert Par. 1638. V, 1, p.

87.): ἐκ άα&ημάτων ήμίν τῶν Ἀριστοτελους δρμαίμενοι xg τύ δεινότητι

rijç èv xöαμφ σοφίας άποxsygnúévot xtùTovs' èyétgovot ,&nudtoyv xsvóv

oùx siöözs£ άτι κά πQός τgύτην άμαθῶς άχοντες ἐλεγχόησονται* 9«vgé

og yàg àytos àxóìov8ov, övv öh iòv 7tsgì to§ get;ουρς και ἐλάττονας ἐe

τέοντες λόγον ἐπι , τὸν πεgì roü öuotov xαι άνομ9tov, μεταπεπτῶκασιν

oùx stégres'&τι κατά την 24go rot£ìoùs réxvnv, £p* j u&λιστα μεγαλρφgo

veiv είσά$ασιν αύτοι, οὐκ ἐis vorù ròv xótoztóv τὸντάι ' yévos τό τε δμοῖον

xt.) τὸ ἀνόμοιον δς και τὸ μεῖζον xaì rò ἐλαττον. (S. Abschm. IV, Anm.

522 u. 531. -

8 XIII. Die Behandlungsweise.

die Kategorien als auch das Schriftchen des Porphyrius, lagen für die

lateinische Kirche in der Uebersetzung des Boethius, noch dazu mit

Erläuterungen versehen, vor, und so wurden sie die hauptsächlichen lo

gischen Schulbücher des Mittelalters.

Der geschichtliche Werlauf wird uns zeigen, dass lediglich aus der

unausgesetzten Beschäftigung mit Porphyrius und Boethius jener Streit

über die Geltung. der sog. Universalien entstand, welcher naeh der bis

her gewöhnlichen Annahme in dem Gegensatze des Realismus und des

Nominalismus sich entspann 1°), in Wahrheit aber eine bunte Menge

gar vieler Partei-Ansichten zu Tage kommen liess. Es war nicht etwa

ein eigener, individuell selbstständiger Gedanke eines hervorragenden

Mammes, dureh welchen diese logischen. Kämpfe wären hervorgerufen

worden, sondern ein überkommener Stoff, schulmässig fortgeerbte Ge

danken aus dem Alterthume waren es, welche man nur allmälig etwas

genauer ins Auge fasste und erst hiedurch zu einer bestimmten Partei

stellung veranlasst wurde, deren Wurzeln in der Tradition selbst schon

vorlagen. Von einem innerlich selbstständigen Schaffen eines neuen

Momentes kann im Mittelalter keine Rede sein, selbst bei Scotus Erigena

nicht, und auch bei Abälard nicht. Jene ganze Zeit klebte wesentlichst

moch an der blossem Tradition und konnte so höchstens durch . einem

hingebenden, vielleicht auch durch einen minutiösen Fleiss sich imner

halb ihrer engen gegebenem Gränzen in einzelne Punkte fester verren

nem, nie aber frei mit dem Stoffe walten. Wohl trifft die Scholastiker

nicht der Vorwurf leichtfertiger Zuversicht oder hohler Eitelkeit, wo

mit sie etwa fertige Systeme in die Welt geschleudert hätten, noch er

regen sie durch bodemloses Geschwätz jenen wissensehaftlichen Unwil

len, wie wir ihn z. B. bei der Lectüre Cicero's empfinden; aber weit

eher beschleicht uns ein Gefühl des Mitleides, wenn wir sehem, wie bei

einem äusserst beschränkten Gesichtskreise die innerhalb desselben mög

lichen Einseiligkeitem nil ungenialer Emsigkeit getreulichst bis zur Er

schöpfung ausgebentet werden, oder wenn in soleher Weise Jahrhum

derte auf das vergebliche Bemühen verschwendet werden, Methode in

dem Unsinn zu bringen. Solch webmüthige Gedanken über verlorene

Zeit werden in uns zumeist gerade (la rege, wo die verschiedenen

Meinungen betreffs der Universalien in ihren ausgebildetsten Consequen

19) V. Cousin (0uvrages inedits d'Abélard. Paris 1836. 4, mit einigen Wer

besserungen und Zusätzen wiederholt in Fragments de philosophie du moyen-äge.

Par. 1840 u. 1850. 8.) hat das grosse Werdienst, zuerst diese wahre Quelle des

Nominalismus und Realismus gezeigt zu haben, und auf Grundlage der Nachweise

desselben gab B. Hauréau (De la philosophie scolastique. Par. 1850. 8. 2 Bände)

noch manches, schätzbare Material aus Handschriften, welcher überhaupt die Wis

senschaft mit einer ebenso reichhaltigen als genauem Darstellung des Scholasticis

mus bis z. 14. Jahrh. beschenkte. Auch M. X. Rousselot, Etudes sur la philos,

dans le moyen-äge. Par. 1840 f. 2 Bdde. ist zu erwähnem. Abgesehen von álterer

nnd veralteter Litteratur, wie z. B. von dem ziemlich armseligen, Buche des Ad.

Tribbechovius, De doctoribus scholasticis (2. Aufl. v. Heumann, Jena 1719. 8.)

werden wir Einzelnes noch untem am geeigneten 0rte anzuführen haben. In neue

ster Zeit erschien eine werthlose Compilation von H. 0. - Köhler, Realismus u. No

minalismus etc. Gotha 1858. 8. -

XilI. Die Behandlungsweise. Hang zum Platonismus. 9

zen sich am heftigstem befehden, während das erste Auftauchen des

Streites uns eher noch als befruchtend und anregend erscheint.

Doch dürfen wir hiebei micht die Gränzen unseres hier gesteckten

Zweckes aus dem Auge verlieren ; denn nicht in seiner ganzen Aus

dehnung gehört jener Kampf der Geschichte der Logik. an, und wir

haben hier nicht die Aufgabe, ihn mach allem seinem Seiten zu entwickeln,

sondern wir werden lediglich den logischen Gesichtspunkt festhalten

und daher sofort alles Theologische, was sich daran knüpft, ausscheiden

müssen und hiemit auch die 0ntologie, je mehr sie sich Schritt für

Schritt von der Logik losschält, bei Seite lassen, ja selbst von der Er

kenntnisstheorie nur jene Momente beiziehen, welche innerhalb der lo

gischen Lehren bis zu einem späteren Umschwunge der Logik selbst

fortglimmtem.

Auf Grundlage dieser gebotenen Abgränzung versuchen wir nun,

die Erscheinungen auf dem Gebiete der Logik des früherem Mittelalters

nach ihrer Zeitfolge darzustellen, sei es dass sie als Compendien oder

dass sie als commentirende Erläuterumgen auftretem.

Aber Ein höchst entscheidender Gesichtspunkt steht uns hiebei aus

0bigem bereits fest. Wenn nemlich die gesammte Dialektik als eim lee

res und formales Wortgeklimper • betrachtet wurde (Anm. 8—16), so

musstem diejenigen Kleriker, welche demnoch aus dem angegebenem

Grunde sich mit diesem Gebiete beschäftigten, nothwendiger Weise

béstrebt seim, dem Ganzen eine reale Grundlage zu gebem, und zwar

konnte, wie sich von selbst versteht, hiebei keime andere Realität mass

gebend wirken, als diejenige, welche in den christlichen ldeen sich

fand. Auch ist es wohl möglich, dass wie in anderen Beziehungen, so

auch betreffs der Logik Aussprüche, welche in den Briefen des Paulus

vorlagen *"), als entscheidende Auctorität mitwirkten. Wenigstens finden

wir bei Theodorus Raithuensis (Mitte des 7. Jahrh.) mit directer Bezug

nahme auf Paulus die Ansicht ausgesprochen, dass mam sich in einem

Widerspruche gegen den Apostel befinde, wenn man das Studium der

Kategorien als einen entscheidendem Vorzug des Theologen bezeichne

und hiemit die christlich fromme Stimmung in blosse Worte oder Wort

klänge verlege **). Und wenn wir auch eben diese Stelle nicht gera

20) Z. B. ad Corinth. I, 1, 17.: εὐαγγελέεα9αι οὐx èv σοφὸς λόyov. ib.

2, 4.: xccì δ λόγος uov xaì rò, ??? μov oùx èv πειδοῖς σοφίας λόχοις,

άλλ' ἐν ἀποδεάει τνεύματος ' zò ôùvέμεως, ἐνα ή πόστις ύμόν μῦ j èv

goqtg &v9gt;j7tov, άλλ' ἐν δυνάμει $εοῦ. ad Thessal. I, 1, 5.: τὸ εὐαγγάιον

iiujv oùx èysyvij$m Tigòς υμάς ἐν λόγφ uóvov, άλλά xaì èv dvvdjusu, xaì

èv τνεύματί άγέφ. ad Timoth. I, 6, 3.: ét tt s §v§QoJvJrroxczâsî...., ie τύφω

ται μηδέν ἐπιστάμενος, ἀλλὰ νοσῶν πεgì ìntìosus xxxî Àoyoμαytoc. Vgl.

oben Anm. 3 u. 11.

21) Theod. Raith. Praepar. d. incarn. (Bibl. Patr. Galland. XIII, p. 29.): ἐπειδή

δέ ό Σεvjgos pulcris πgoxa£}t€stat φωναῖς, èv άήμασι τε μόνοις και ίίχοις

τήν εὐσερειαν ύττοτύετὰι , xcxt τοιγε τού άποστόλον λεγοντος ,,οὐ γάρ ἐν

λόγφ ii. 8σσιλετὰ τοῦ δεοῦ, ἐλλ' ἐν δυνάμει xccì άλη9εά** (ad Corinth. I, 4,

20)* ούτος δέ παρ' αὐτφ xsvijg® xgáτίστας 9εόλογος yvtoQt£stat , δς ἐν

τάς xccrnyoQtag XQiotoréâovç xàì tà àou7t& τῶν ?£; quàóσόφων κομψὰ

ijσκημενος tvyydvrj. Uebrigens sind dergleichen allgemeinere Motive, welcfie in

der damaligen Zeit überhaupt lagen, weder bei Cousin noch bei Hauréau in Be

tracht gezogen. , , - -

10 XIII. . Isidorus.

dezu für das Mittelalter als die älteste -und erste Kundgebung des Gegen.

salzes zwischen Nominalismus und Realismus anführen wollen, so ist

doch jedenfalls so viel klar, dass der bei weitem , überwiegende Zug

der Logik für die ersten Jahrhunderte grundsätzlich auf Seite des Rea

lisfmus liegen muss. Ein längerer Werlauf daher ist erforderlich, bis

endlich die Auffassung zu einiger Geltung durchdringen kann, dass auch

die Worte etwas Reales sind und dass die Worte in ihrem realen Sein

das Allgemeine in sich enthalten.

Auf solche Weise ist es uns nun völlig verständlich, wie schon

der erste Schriftsteller des Mittelalters, welcher der Geschichte der

Logik angehört, nemlich I s i d o r u s. His p a le n s i s (gest. 636) einen

entschieden theologischen Standpunkt einnimmt, während er zugleich

die logische Schultradition von Cassiodorus und Boethius ausgehendi

fortführt. Nemlich nicht etwa bloss dass er heidnische Leetüre den

Mönchen untersagt wissen will oder dass er die Dialektik und Rhetorik

als ledigliches Wortgepränge dem Inhalte des Christenthums, ganz wie

wir oben sahem, gegenüberstellt **), sondern er substituirt auch aus

drücklichst die Theologie an Stelle der Logik ; d. h. während er die

üblichen Eintheilungen der Philosophie und zugleich die Aufzählungem

der sieben Künste in den von ihm benützten Quellen vorfindet 28), hat

er in seinem bekanntem eneyclopädisehen Werke „Origines“ oder „Ety

mologiae“, dessen zweites Buch die Rhetorik und Dialektik enthält, noch

besonders Gelegenheit, auf diese Fragen einzugehen, und dort fügt èr

demjenigen, was er aus Cassiodorus abzuschreiben findet (Abschn. XII,

Anm. 172), noch die Bemerkung hinzu, dass in den drei Zweigen der Phi

losophie (Physik, Ethik, Logik) sich auch die heilige Sehrift bewege, und

zwar namentlich die Evangelien sich auf die logische Wissenschaft

beziehen, an deren Stelle man jetzt die Theologie betreibe **). Dabei'

aber verbindet sich mit diesem Standpunkte eine für das Mittelalter

weit fortwirkende Unterscheidung zwischen ars und disciplina, welche

Isidor wahrscheinlieh dem Victorinus (Abschn. XII, Anm. 1 ff.) ent

nahm 2°); wenn nemlich ars dem Gebiete des Weränderlichen und Wahr

22) Isid. Hisp. 0pp. ed. du Breul. Paris. 1601. fol. — Regula monach. c. 8. (p.

702 a.): Gentilium: libros vel haereticorum volumina monachus legere caveat. Sen

tent. III, 13. (p. 670 b.): Ideo libri sancti simplici sermone conscripti sunt, ut non

in sapientia verbi, sed in ostensione spiritus homines ad fidem perducerentur; nam

si dialectici acuminis versutia aut rhetoricae artis eloquentia editi essent, nequa

quam putaretur fides Christi in dei virtute sed in eloquentiae humanae argumentis

consistere, nec quemquam crederemus ad fidem divino inspiramine provocari, sed

potius verborum calliditate seduci. 0mnis secularis doctrina spumantibus verbis re

sonans ac se per eloquentiae tumorem attollens per doctrinam simplicem et humilem

christianam evacuata est, sicut scriptum est : nonne stultam fecit deus sapientiam

« huius mundi.

23) D. diff. spirit. c. 34. (p. 302.) u. 0rig. I, 2. (p. 1.) u. II, 24. (p. 29 a.).

24) 0rig. II, 23. (p. 29 a.): In his quippe tribus generibus philosophiae etiam

eloquia divina consistunt ; nam aut de natura disputare solent ut in Genesi et Ec

clesiaste, aut de moribus ut in Proverbiis et in omnibus sparsim libris , aut de lo

gica, pro qua nostri theologiam sibi vindicant, ut in Cantico canticorum et Evangeliis.

25) Wenigstens stimmt sie dem Sinne nach ganz mit demjenigen überein, was

in der Einleitung der mns erhaltenen Schrift des Wictorinus Evpos. in Cic. Rhet.

(p. 102 ed. Capper.) sich findet. Vgl. auch Marc. Cap. II, 138.

XIII. Isidorus. 11

seheinlichen, disciplina aber jenem des Ewigen und Wahren angehört 3°),

so konnten nicht bloss das Rhetorische und das Speculative als zwei

gesonderte Zweige auseinandergehalten werdem, sondern es durfte auch

letzteres nach seiner äusseren technischen Seite eine besondere Behand

lungsweise finden.

So theilt Isidorus das Gesammtgebiet der „Logik“ (auch im Hin

blicke auf dictio und sermo) in Rhetorik und Dialektik 37), und sowie:

er sich bezüglich der schulmässigen Unterscheidung beider wörtlich an

Cassiodorus (s. Abschn. VIII, Anm. 25) anschliesst, so ist es überhaupt

des Letzteren oben (Absehn. XII, Anm. 172—184) geschildertes monströ

ses Compendium, welches durch- Isidorus mit einigen Abweichungen

oder Zusätzen den folgenden Jahrhunderten überliefert wurde. Nach

dem er memlich den Uebergang von der Eintheilung der Philosophie

zur lsagoge in der nemlichen dürren Weise gemacht, welche wir bei

Cassiodorus- sahen **), gibt er eine Aufzählung und Erklärung der quin

que voces, wobei er die Werdienste des Porphyrius gegenüber dem

Aristoteles und Cicero hervorhebt *°) und offenbar nur aus der von

Boethius commentirten Uebersetzung des Wietorinus gesehöpft hat, auf

welch letzteren er auch am Schlusse des Cap. selbst verweist 80);

eigenthümlich ist ihm dabei der höchst schulmässige Einfall, die fünf

Worte in Einem Satze beispielsweise auszudrücken 81). Die hierauf fol

gende Angabe der Kategorien ist zu Anfang und am Schlusse wörtlich

aus Cassiodorus entlehnt **), in der Mitte aber ist sie ausführlicher,

26) 0rig. I, 1. (p. 1.): Inter artem et disciplinam Plato et Aristoteles hanc dif

ferentiam esse voluerunt dicentes, artem esse in iis quae se et aliter habere possunt;

disciplina vero est, quae de iis agit quae aliter evenire non possunt; nam quando

veris disputationibus aliquid disseritur, disciplina erit ; quando aliquid verisimile

atque opinabile tractatur, nomen artis habebit.

27) D. differ. spir. c. 34. (p. 302 b.): Nunc partes logices assequamur; con

stat autem eae dialectica et rhetorica. Dialectica est ratio sive regula disputandi in

tellectum mentis acuens veraque a falsis distinguens ; haec scientia, sicut quidam

ait, sicut ferrum venenum, sic armat eloquium. 0rig. II, 24. (p. 29 a.): Logicam,

quae rationalis vocatur, Plato subiunacit .... dividens eam in dialecticam et rhetori

dam ; dicta autem logica , i. e rationalis; lóyoc enim apud graecos et sermonem

significat et rationem. Ebend. VIII, 6. (p. 106 a.): Logici .... quia in naturis et

moribus rationem adiungunt, ratio enim graece λόγος dicitur. Ebend. II, 22. (p.

28 b.): Dialectica est disciplina ad discernendas rerum causas inventa; ipsa est

philosophiae species, quae logica dicitur, i. e. rationalis diffiniendi quaerendi et

disserendi potens .... Aristoteles ad regulas quasdam huius doctrinae argumenta per

duzit et dialecticam nuncupavit pro e0 quod in ea de dictis disputatur, nam λέις

dictio dicitur (vgl. ebend. I, 22 f.); ideo autem post rhetoricam disciplinam dia

lectica sequitur, quia in multis utrique communia eæistunt

28) Abschn. XII, Amm. 173.

29) 0rig. II, 25, p. 30 a.: Cuius disciplinae diffinitionem plenam eæistimarunt

Aristoteles et Tullius eae genere et differentiis consistere ; quidam postea pleniores

in docendo eius perfectam substantialem diffinitionem in quinque- partibus velut in

membris suis diviserunt. Vgl. Boeth. ad Porph. p. 7. (ed. Basil. 1570).'

30) Ebend. p. 30b.: Isagogas autem eae graeco.in latinum transtulit Victorinus

orator, commentumque eius quinque libris Boethius edidit.

31) Ebend. p. 30 a.: Ut est eae omnibus his quinque partibus oratio plenae

sententiae ita: „homo est animal rationale mortale visibile boni malique capaae.“

(Vgl. Abschn. XI, Anm. 46.) -

32) Cap. 26. p. 30 b. S. Abschn. XII, Anm. 174. (auch die verdorbemen'

12 XlII. lsidorus.

mamentlich an Beispielen. Dann reiht sich matürlich d. interpr. an, ein

Abschnitt, welchen wir hier zum ersten Male unter der barbarischen

Ueberschrift „De Perihermeniis Aristotelis“ antreffen *°); die Eingangs

worte und der eigentliche Kern (die Definition von nomen, verbum,

oratio, enuntiatio, affirmatio, negatio, contradictio) sind wörtlich aus

Cassiodorus ansgesehrieben **), dazwischen aber stehen einige allgemeinere

Bemerkungen, welche aus Boethius (s. Abschn. XII, Aum. 110) entnom.

men sind und dadurch, dass sie das Verhältniss zwischen Sprache und

Denken betreffem, eine grosse Wichtigkeit für die Folgezeit erhielten 3°);

die Schlussworte aber des Cap. geben einen erträglicheren Uebergang

zum Syllogismus als jene bei Cassiodorus °°). Die nun folgende Syl.

logistik selbst ist nach einer einleitenden Werwahrung vor sophistischem

Missbrauche *") wörtlichst aus Cassiodorus herübergenommen *°). ' Den

lnhalt der hierauf sich anschliessendem Lehre von der Definitiom, welche

Isidor aus Victorinus entlehnt, mussten wir eben desshalb bereits obén,

Abschn. XII, Anm. 2. anführen. Won der Definition aber wird zur To

pik mit dem nemlichen Worten wie bei Cassiodorus (s. ebend. Anm.

179) der Uebergang gemacht, und auch bei Aufzählung der Topem nur

Letzterer benützt; aber es bleiben hiebei vorerst jene frémdartigem

Einschiebsel, welche wir oben (ebend. Anm. 181—183) sahen, völlig

hinweg, und ausserdem werden mit Uebergehung der rhetorischen To

pen unter den dialektischen nur die Ciceronischem vollständig und hiezu

* drei aus jenen des Themistius aufgenommen *°). Endlich den Schluss

macht ein eigner Abschnitt ,,De oppositis“, welcher allerdings hier nicht

in dem üblichen Zusammenhange mit der Kategorienlehre steht *°),

sondern sich noch an das Material der Topik anschliesst, sowie er auch

Schlussworte des Isidorischem Textes sind nach dem dortigen Wortlaute , des

Cassiod. zu lesen). - - -

33) Man hielt nemlich das zusammengeschriebene Perihermenias (πεgî Égun

vstag) für einem Accusativ Plural und dachte sich hiezu einen Nominativ' Periher

meniae. (Ja noch im 19. Jahrh. finden wir bei Ild. v. Arx, Gesch. v. St. Gallen,

I, p. 262. „die Periemerien* des Aristoteles; s. unten Amm. 245.)

34) C. 27, p. 31 a. S. Abschn. XII, Anm. 175. (auch das Sprüchlein über

Aristoteles). - -

35) Ebend.: 0mnis quippe res quae una est et uno significatur sermone , aut

per nomen significatur aut per verbum, quae duae partes orationis interpretantur to

tum, quidquid concepit mens ad eloquendum ; omnis enim elocutio conceptae rei

mentis iriterpres est. Namentlich müssen wir hiebei den Sprachgebrauch „conci

pere, conceptio** hervorheben.

36) Ebend. p. 31 b.: Utilitas perihermeniarum haec est, quod eæ his interpre

tamentis syllogismi fiunt, unde et Analytica pertractantur. Vgl. Abschn. XII,

Amm. 176.

37) C. 28, p. 31 b.: plurimum adiuvat lectorem 'ad veritatem investigandam,

tantum ut absit ille error decipiendi adversarium per sophismata falsarum con

clusionum. - -

38) Das ganze Cap. enthält somit dasjenige, was wir schon obem Abschn. XII,

Anm. 176. u. 177. anzugeben hatten; nur lässt Isidor unter den ebendort Anm. 3,

13. u. 16. angeführten Stellen den Inhalt der Anm. 3. hinweg.

39) C. 30. S. Abschn. XII, Amm. 184; nnter den dortigen Topem des The

mistius treffen wir hier nur: a. t0t0, a partibus, a nota.

40) Wie z. B. Abschn. XII, Anm. 61. u. 94; hingegem in anderer Weise ebend.

Anm. , 10. - - '-.

XllI. Isidorus. 13

in der That aus des Boethius Commentar zur Ciceronischen Topik ex

cerpirt ist 41).

Aber ausser diesem Abrisse der Dialektik ist es bei Isidorus auch

noch Anderes, was in Folge der Auctorität, welche er in der nächsten

Zeit genoss, einem Einfluss auf die Geschichte der Logik ausübte. Nem

lich einerseits findem sich einzelne Bruchstücke -logischer Lehren in an

deren 'Abschnitten seines encyclopädischen Werkes, so z. B. meben der

(in dem Absehnitte über die Kategoriem, s. oben Anm. 32) üblichen

Begriffsbestimmung des Homonymen u. s. f. kömmt Isidorus auch in der

Grammatik auf diesem Gegenstand, woselbst er aber die griechischen

Wortformen amwendet **); auch ist insbesondere aus der Rhetorik der

Abschnitt De syllogismis zu erwähnen, da er einerseits für die Argu

mentation dem enthymema eine hohe Geltung verschaffte (s. unten Anm.

92), und amdrerseits eine wenn auch noch so kümmerliche Notiz von

Dasein der Induction enthält. Der Inhalt dieser Lehre über den

Schluss **) bietet natürlich durchaus Nichts neues dar, sondern ist aus

Victorinus entnommem (s. Abschn. XII, Anm. 12) und weist hiedurch

bis zu Cicero (Abschn. Vlll, Anm. 53—62, woselbst bes. Amm. 60 die

betreffende Stelle über das enthymema) zurück.

Andrerseits endlich hat Isidorus durch ein paar ledigliche Einzeln

heitem, welehe an sich ausserhalb der Logik liegem, — gleichsam ohne

es zu wollem — , dem Späterem Weranlassung zu Fragen dargeboten,

deren Beamtwortung wir untem als Glieder des geschichtlichen Werlau

fes werdem anführen müssen **). Das Eine, was wir hiebei im Auge

haben, ist die Aufstellung eines Unterschiedes zwischen Rationale und

Rationabile *°), welcher offenbar auf einer Stelle des Commentars des

Boethius zur Isagoge beruht *°) und bewirkt haben mag, dass man

41) C. 31, p. 35 a.: Primum genus est contrariorum, quod iuaeta Ciceronem

diversum (zu lesen adversum) vocatur .... secundum genus est relativorum ..... ter

tium genus est oppositorum (man bemerke den ungenauen Sprachgebrauch) habitus

vel orbati0, quod genus Cicero privationem vocat ...... quartum vero genus eæ con

firmatione et negatione 0pp0nitur .... quod genus quartum apud dialecticos multum

habet conflictum et appellatur ab eis valde oppositum. Die Quelle hievon S. b.

Boeth. ad Cic. Top. p. 815 f., die betreffende Stelle Cicero's wurde oben, Abschn.

WIII, Anm. 42, angeführt. -

42) 0rig. I, 7, p. 4 a.: Synonima hoc est plurinomina ..... hom0nima hoc est

tu m??n01m11l0 . . . . .

43) 0rig. II, 9. u. 12. (p. 23 b.: syllogismus graece, latine argumentdtio ap

pellatur..... syllogismorum apud rhetores principaliter genera du0 sunt, inductio et

ratiocinatio).

44) Wenn es demnach auch dem Leser auffallen mag, dass ich hier Solches

erwähne, so wird umten es sich zur Genüge begründen, warum ich aus dem über

reichen Schatze Isidorischer Schulweisheit gerade diese, und zwar ausschliesslich

nur diese paar einzelnen Momente herausheben musste. Wenn aber hiedurch be

treffs der Auffassung der Geschichte der Philosophie des Mittelalters an die Stelle

einer bisher üblichen rühmenden Erwähnung eines selbstständigen Denktriebes die

Einsicht in die völlige imnere Unselbstständigkeit damaliger Denker tritt, so

scheint eben eine derartige Aenderung der Ansicht uns das Richtige zu sein,

45) D. differ. spirit. 18, p. 297 a. : Inter rationale et rationabile hoc interest,

sapiens quidam dicit: rationale est, quod rationis utitur intellectu, ut h0m0 ; ratio

nabile vero , quod ratione dictum vel factum est. Fast wörtlich ebenso Differ. lib.

p. 770a. - • • • • • *

46) Porphyrius hatte nemlich bei Angabe desjenigen, was dem yévog und der

14 XIII, Alcuinus.

später die dortigen Worte noch genauer erwog (s. untem Anm. 212ff.) ;

das Andere aber besteht in der an die „Schöpfung aus Nichts“ ge.

knüpften Angabe, dass die Finslerniss keine Substanz sei *"), wovon wir

eine weilere Folge bald untem (Anm. 72 ff.) treffen werden.

Der memliche Standpunkt wie bei Isidorus, sowohl betreffs der

Geltung der Dialektik als auch in abenteuerlicher Compilation eines

Compendiums, waltet auch bei A l c u i n (735—804), dessem Unterricht

in der damals üblichen Logik bekanntlich , auch Karl der Grosse ge

noss **). Es gibt Alcuin nicht bloss die Eintheilung der Wissensehaf.

tem in einem Schema nach Isidorus, sondern wiederholt auch wörtlich

aus demselben obige (Anm. 24) theologische Auffassung der Logik *°);

dabei aber zeigt er überall eine hohe Werthschätzung der Philosophie,

und während er häufig Klagen über eine weit verbreitete Unwissen

heit hieran knüpft, erhebt er sich zu dem Ausspruche, dass die freiem

Künste die sieben Säulen der Weisheit seien °°), und so übt er, auf

Augustin hinweisend, reichlich die überlieferte Schulphilosophie, d. h.

die Kategorienlehre, in den theologischen Hauptfragen über den Gottes

begriff und die Trinität °!).

Dass aber Alcuin selbst über alle sieben Künste geschrieben habe,

ist schon längst widerlegt **) durch den Nachweis, dass ein im Mit

telalter viel gelesenes Excerpt aus Cassiodorus für ein Werk Alcuin's

gehalten wurde. Wohl hingegen bearbeitete er die Grammatik, die Rhe

torik und die Dialektik, und ausserdem übersandte er an Karl d. Gr.

das pseudo-augustinische Buch über die Kategoriem (Abschn. XII, Anm.

dιαqogà gemeinsam sei (Abschn. XI, Anm. 49.), als Beispiel, das Àoyuxóv ge

brauchi in einer Stelle, welche nach der Uebersetzung des Boethius (p. 95.) lautet:

Cumque sit differentia ,,rationale“, praedicatur de ea ut differentia id quod est

„ratione uti**; non solum autem de eo quod est rationale , sed etiam de his quae

sub rationali sunt speciebus praedicabitur ratione uti. ln der Erklärung nun dieser

Worte sagt Boethius (p. 96.): de rationali duae differentiae dicuntur; quod enim

rationale est, utitur ratione vel habet rationem, aliud est autem uti ratione , aliud

est habere rationem ..... ergo ipsus rationabilitatis quaedam differentia est ratione

uti, sed sub rationabilitate p0situs est homo.

47) Sentent. I, 2, p. 620 b.: Materia eæ qua coelum terraque formata est,

ideo informis vocatu est, quia nondum ea formata erant, quae formari restabant,

verum ipsa materia eae nihilo facta erat..... (p. 621 a. :) Non eæ hoc ' substantiam

habere credendae sunt tenebrae, quia dicit dominus per prophetam ,,ego dominus for

mans lucem et creans tenebras“, sed quia angelica natura, quae non est praeva

ricata, luae dicitur, illa autem quae praevaricata est, tenebrarum nomine nuncupatur.

48) Eginh. Vit. Car. M. c. 25.: habuit in ceteris disciplinis praeceptorem Albi

num cognomento Alcuinum ..... apud quem et rhetoricae et dialecticae .... ediscen

dae plurimum et temporis et laboris impendit. Savo, Ann. d. gest. Gar. M. V, v.

235 f. bei Pertz, Monum. I, p. 271.: Artis rhetoricae seu cui dialectica nomen, sump

sit ab Alcuini dogmate noticiam.

49) Alcuini 0pp. ed. Froben. Ratisb. 1777. fol. lI, p. 332. u. Dialect. 1,

ebend. p. 335.

50) Z. B. Epist. 38. (I. p. 53.), Epist. 68. (p. 94.), Epist. 141. (p. 202.).

Gramm. (II, p. 268.): Sapientia liberalium litterarum septem columnis confirmatur,

nec aliter ad perfectam quemlibet deducit scientiam, nisi his septem columnis vel

etiam gradibus eacaltetur.

51) D. fide trin. I, 15. (I. p. 713.) u. Epist. dedic. (p. 704.), Quaest. d. trin.

(I, p. 740), Epist. 122. (I, p. 177.). Epist. 221. (p. 285).

52) Won Frobenius in d. praef. II, p. 263 f.

XIIl. Alcuinus. 15

40 ff.) mit einem metrischen Prologe °°), welcher in Auffassung der

Kategorien den Standpunkt des Boethius (s. ebend. Anm. 84) enthält.

Das Compendium der Dialektik selbst, welches ebenfalls einem der

gleichen (unbedeutenden) Prolog an der Spitze trägt, ist in Dialogform

geschrieben, so dass Karl d. Gr. immer die Fragen stelli, Alcuinus aber

sie beantwortet. Im Anfange ist hiebei Alles, auch die Theilung der

Logik in Rhetorik und Dialektik, wörtlich aus Isidorus (oben Anm. 27)

genommen-, auf den eigentlichen Inhalt aber wird mit einer höchst

schulmässigen Eintheilung der Dialektik in „fünf Arten“ übergegangen **).

Der erste Abschnitt, natürlich die Isagoge, ist wörtlich aus Isidor aus

geschrieben (mit Weglassung der Stellen in ob. Anm. 29 u. 30), auch

jener Eine Beispielsatz (Anm. 31) fehlt nicht °°). Die hierauf folgende

ausführliche Angabe der Kategoriem °°) ist vollständig aus dem pseudo

augustinischen Compendium mit barbarischer Schreibung der dortigen

griechischen Worte excerpirt (s. Abschn., XII, Anm. 50); das Einzige,

was neu hinzukömmt, ist, dass hier nun , auch für die Kategorien Ein

Satz als Beispiel gebildet wird *"). Wenn aber bei Pseudo-Augustin

(c. 18) nach der zehnten Kategorie (habere) die übliche Besprechung

' der Gegensätze folgt, so verschmäht hiefür Alcuin diese Quelle, indem

er unter der Ueberschrift „De contrariis vel oppositis“ nun wörtlich

den betreffenden Abschnitt aus Isidorus (oben Anm. 41) ausschrâbt **);

unmittelbar darauf aber springt er für die sog. Postprädicamente (prius

und simul) wieder auf Ps.-Augustin zurück, lässt aber das dortige Cap.

21 (die immutatio) ganz hinweg **). Sodann folgt unter der Ueber

schrift „De argumentis“ zunächst ein höchst kurzer Auszug aus jenem

Excerpte der Lehre vom Urtheile, welches Boethius seiner Schrift d.

diff. top. (s. Abschn. XII, Anm. 80 u. 165) einverleibi halte ""), und

53) Derselbe lautet (ll, p. 334.): Continet iste decem naturae verba libellus,

Quae iam verba tenent rerum ratione stupenda 0mne, quod in nostrum poterit de

currere sensum. Qui legit, ingenium veterum mirabile laudet Atque suum studeat

tali eacercere labore Eavormans titulis vitae data tempora honestis. Hunc Augustino

placuit transferre magistro De veterum gazis graecorum clave latina, Quem tibi reae,

fmagmus sophiae sectator amator, Munere qui tali gaudes, modo mitto legendum.

54) C. 1, p. 336.: K. Quot sunt species dialecticae? A. Quinque principales:

isagoge, categoriae, syllogismorum formulae, diffinitiones, topica, periermeniae. Al

lerdings eine monströse Anordnung, . welche noch dazu mit der Fünfzahl schlecht

stimmt; doch s. untem Amm. 64. -

55) C. 2, welches mit den Worten (p. 337.) schliesst: haec commentario ser

mone de isagogis Porphyrii dicta sufficiant, nunc ordo p0stulat ad Aristotelis cate

gorias nos transire.

56) C. 3—10, p. 337—342.

57) C. 10, p. 342. : K. Ex his omnibus decem praedicamentis unam mihi con

iunge orationem. A. Plena enim oratio de his ita coniungi p0test: ,,Augustinus

magnus orator, filius illius, stans in templo hodie infulatus disputando fatigatur.“

* 58) C. 11, p. 343. Nur in den Beispielem sind die Eigennamen oder der In

halt derselben in das moral-theologische Gebiet umgesetzt.

59) Ebend. Weder am Anfange noch am Schlusse dieser Postprädicamente ist

irgend ein Uebergang gemacht, der sie an das Worhergehende oder das Nachfol

gende anknüpfte.

60) C. 12, p. 344. Nach der Bestimmung, was argumentum (rei dubiae affir

matio) und was oratio (verum aut falsum significans) sei, folgt die übliche Notiz

(s. Abschm. XII, Anm. 111.) über est und non est, sowie über die Casus obliqui

16 Xlll. Alcuinus.

hierauf, insoferne ja ebendort auch von der Argumentation die Rede ist,

eine armselige Auswahl einiger Beispiele von hypothetischen Schlüssem,

welche Boethius dort entwickelt; hieran aber reihen sich noch die vier

ersten Modi der kategorischen Schlüsse an, welche aus Isidor (ob. Anm.

38) entnommen sind °1). Die Lehre von der Definition, welche wieder

gänzlich auf Boethius beruht, zerfällt in eine Erörterung de modis dif

finitionum, wobei nur das Motiv des Herabsteigens vom Allgemeinslen

zum proprium (s. Abschn. XII, Anm. 105) angegeben und an dem Bei

spiele homo erläutert wird "*), und in eine Aufzählung de speciebus

diffinitionum, woselbst an die Bemerkung, dass es eigentlich fünfzehn

Arten seien, unter denselben aber einige rhetorische und einige dialek

tische sich finden (s. ebend. Anm. 107), eine durchaus bodenlose und

widersinnige Hervorhebung von acht Artem angeknüpft wird "*). Aber

die Lehre von der Definition soll doch wieder, wie bei Isidorus (oben

Amm. 39), hauptsächlich nur zur Topik gehören **), und es folgt hiemit

die Aufzählung der Topen, welche sonach auch ebendorther mit Weg

lassung der eaetrinsecus vorkommenden entnommen ist, aber durch Boe

thianische oder durch biblische Beispiele erläutert wird °°). Endlich

der abenteuerlich nachhinkende Abschnitt „De Perihermeniis“ (s. oben

Anm. 33), — denn einige Trümmer der Lehre vom Urtheile waren ja

schon t)ben gelegentlich der Argumentation dagewesen —, ist gleich

falls dem Isidorus entlehnt und enthält somit zunächst auch die oben

(sie findet sich auch in Alc.'s Gramm. II, p. 271.), hierauf die Wiertheilung der

Ürtheile bezüglich der Quantität (s. ebend. Anm. 124.), dann die Unterscheidung

in kategorische und hypothetische, bei deren ersterem die Begriffe subiectum, prae

dicatum, maior, minor (s. ebend.) angegeben werden, woran sich noch die Um

kehrbarkeit des das pvoprium enthaltenden Urtheiles anreiht (aequales aequaliter

circumverti possunt, s. ebend. Anm. 129.).

61) Ebend. p. 345. Den Uebergang hiezu bilden die Worte: Quomodo quae

libet res his argumentis (!) confirmari potest aut destrui ? Die Beispiele der hypo

thetischen Schlüsse beziehem sicb mur auf die zwei Modi Si A est, B est, A vero

est, und Si A est, B est, B vero non est. Nach den vier kategofischen Modi stehen

die Worte: Horum enim syllogismorum multae sunt species, sed haec ad praesens

sufficiant ad cognoscendum universales et particulares conclusiones in affirmando et

fnegando.

9 62) C. 13, p. 345.: Primum per immensum tendi oportet incipientem a genere,

dehinc paulatim currendo per partes devenire debet ad id, in quo solum est id,

quod diffinitum est ; ut hi qui signa formant primo immensum sibi deligunt lapi

dem, dehinc paullatim minuendo et abscindendo superflua ad formandos vultus et

membra perveniunt. Die Begriffsbestimmung der Definition selbst (oratio brevis

rem ab áliis rebus divisam propria significatione concludens) findet sich ebenfalls

Gramm. p. 271.

63) C. 14, p. 346. : K. Quot species sunt diffinitionum? A. Quindecim ; sed

aliae ea, his ad dialecticos pertinent, aliae ad rhetores. K. lllas maæime velim

audire, quae magis ad dialecticos pertinent. Hierauf num werden aus jenen des

Boethius folgende acht mit biblischen Beispielen vorgeführt: principalis, quae sub

stantiam demonstrat ...... , a notitia, quae rem aliquam per actum significat ....,

qualitativa ......, per differentiam ...., per privantiam ..... , per indigentiam pleni

• • • • • , per laudem ...., iuacta rationem.

64) Ebend.: K. Cui enim parti dialecticae artis hae diffinitiones maæime iun

gendae sunt? A. Topicis. Hiernach bliebe-freilich trotz der sechs Abschnitte doch

obige Fünftheilung (Anm. 54.) gültig. - -

65) C. 15, p. 346—350.

:

!

XIII. Fredegisus. 17

(Anm. 35) betontem, Momente über Spraehe und Denken °°); aber die

darauf folgenden Angaben über nomen, verbum und oratio sind aus Boe

thius (die betreffenden Stellen desselben s. Abschn. XII, Anm. 140)

sehr bereichert und erweitert ""), und so wird bei Eintheilung der

oratio die enuntiativa scharf von den übrigen Artem getrennt (s. ebend.

Anm. 111), ja die letzteren sogar der Grammatik zugewiesem "*), die

selben aber doch ebenfalls mit Beispielen aus Boethius angeführt, und

zuletzt noch auf das Kürzeste affirmatio, negatio und contradictio aus

Isidor (ob. Anm. 34) herübergenommen °°). -

Abgesehen von dieser Compilation der Dialektik selbst haben wir

moch zu erwähnen, dass Alcuin auch in der Rhetorik nicht bloss

obige (Anm. 43) Stelle über Induetion und Argumentation aus Isidorus

benützt 7°), sondern auch in ein paar Beispielen das Gebiet der so

phistischen Fehlschlüsse berührt 7!), wobei ihm Gellius als Quelle diente.

“Zeigen uns diese beiden bisher betrachteten Compendien lediglielr

die Form von Flickwerken, bei deren Abfassung nicht einmal mehr das

abstract logische Bedürfniss einer irgend zusammenhängenden Reihen

folge mitwirkte, so erblicken wir allerdings im Vergleiche mit solchen

Schulproductem, schon einen Fortschritt darim, wenn der Eine oder An

dere durch das traditionell gewordene Material wenigstens zu Fragen

sich aufgefordert fühlt, welche er so oder so zu beantwortem versucht;

aber hohe Ansprüche dürfen wir an dergleichen erste Versuche nicht

machem. Und nur einen Beleg für ' die völligste Unklarheit in jenen

Fragen, welche bald hernach zu einer Parteispaltung führten, gibt uns

die Art und Weise, wie F r e d e g i s u s, ein Schüler Alcuin's (gest. 834

als Abt in St. Martin zu Tours), in einer an die Theologen am Hofe

Rarls d. Gr. gerichteten Epistola de nihilo et tenebris 7*) sich mit , den

Begriffen ,,Nichts“, und „Finsterniss“ herumschlägt, welehe er mach der

üblichen Weise sowohl ratione (d. h. logiseh) als auch auctoritate (d. h.

66) C. 16, p. 350. Jener Ausspruch über Aristoteles (ob. Anm. 34.) kömmt

bei Alc. Epist. 35 (I, p. 47.) sogar als proverbium wieder vor. Das Werhä*tniss

aber zwischen res, intellectus. und voa- drückt Alc. ausserdem Gramm. (II, p. 268.)

auch so aus: Tria sunt, quibus omnis collocutio disputatioque perficitur, res, in

tellectus, voces ; res sunt, quae animi ratione percipimus ; intellectus , quibus res

ipsas addiscimus; voces, quibus res intellectas proferimus. Vgl. Epist. 123. (I, p.

179.): Verba enim, quibus loquimur, nihil aliud sunt nisi signa earum rerum, quas

mente concipimus, quibus ad cognitionem aliorum venire volumus.

67) Ebend. p. 350 f. Namentlich findet sich hier auch wieder die Erwäh

nung erdichteter Begriffe, z. B. hircocervus, quod graece tragelaphus dicitur.

68) Ebend. p. 351.: K. Num et illae aliae species quatuor (d. h. interrogativa,

imperativa, deprecativa, vocativa) ad dialecticos pertinent? A. Non pertinent ad dia

lecticos, sed ad grammaticos.

69) Ebend. p. 352.

70) D. Rhet. et Virt. (II, p. 324.).

71) Ebend. p. 326.: Si dicis „non idem ego et tu, et ego homo“, consequens

est, ut lu homo non sis .... Sed quot syllabas habet homo ? Duas. Numquid tu

duae illae syllabae es? Nequaquam. Sed quorsum ista? Ut sophisticam intelligas

versutiam. Vgl. Abschn. VIII, Anm. 66. -

72) Gedruckt b. Steph. Baluzii Miscell. ed. Dom. Mansi. Lucae. 1761 fol. II,

p. 56 b. — 58 a. Die Eingangsworte lautem: 0mnibus fidelibus et domini nostri se

renissimi principis Karoli in sacro eius Palatio consistentibus Fredegysus Diaconus.

P R A N t L, Gesch. II. 2

.

18 XIII. Fredegisus.

orthodox theologisch) besprechen will "*). Die Weramlassung zur gam

zen Erörterung überhaupt liegt sicher in obiger (Amm. 47) Stelle des

Isidorus **), die Auffassungsweise aber ist abgesehen vom allgemeinen

theologischen Standpunkte in logischer Beziehung so plump oder so

maiv, dass wir in der That keine Wortbezeichnung für dieselbe findem;

denn wo * von einer Erwägung über die sog. Universalien auch nicht die

geringste Spur sich zeigt, können wir unmöglich von Realismus oder

von Nominalismus sprechen. Kurz die Sache ist so monströs, dass wir

sie nicht einmal als eine Vorstufe späterer Ansichten bezeichnen kön

nem. Es wird nemlich nicht bloss mit dürren Worten gesagt, dass wir

mit dem Sprachausdrucke unmittelbar die Sache verstehen, sonderm es

wird auch Bezeichnung und Existenz selbst sofort als identisch genom

men 7°), wornach das existiremde Nichts wie bei Isidorus eine An

knüpfung an die mosaische Genesis findet 7°); ebenso verfährt Fredegisus

betreffs der Finsterniss, kömmt aber hiebei durch den gleichen Gédan

kengang, indem er sich auf das Verbum esse , in einem biblischen Satze

stiitzt, zu einer von Isidor abweichenden Ansicht 77). Höchstens liesse

73) Es ist doch merkwürdig, welch interessanten Mann Heinr. Ritter, Gesch.

d. Phil. VII, p. 187. aus diesem Fredegisus zu machen weiss, von welchem er sagt,

dass er „zu einem tieferen philosophischen Nachdenken geneigt in der Wissen

schaft eigene Wege zu gehen versuchte.“ Nachdem nemlich hierauf Ritter selbst

angeführt, dass Fred. im Streite gegen Agobardus den alleràussersten Auctoritäts

glaubem vertheidigte, heisst es weiter (p. 188.): ,,Aber diess zeugt nur von seinem

grübelnden Geiste, keineswegs davon, dass er die Wernunft gänzlich der Auctorität

unterwerfem wollte; vielmehr erklärte er sich entschieden dafür, dass jede Auct0

ritât mur durch die Wernumft ihre Auctorität habe.“ Als Beleg für diese Phrase,

nach welcher wir in dem hyperorthodoxen Fred. zugleich wenigstens einen Wor

làufer Spinoza's und Lessing's zu verehren hätten, führt Ritter eben die auch uns

interessirenden Worte aus genannter Epistola an, welche bei Baluze allerdings fol

gendermassen lauten (p. 57 a.): huic responsioni obviandum est primum ratione, in

quantum hominis ratio patitur, deinde auctoritate, non qualibet, sed ratione dum- !

taæat, quae sola auctoritas est solaque immobilem oblinet firmitatem. Also Ritter

muthet seinen Lesern den Unsinn zu, Fred. wolle erstens ratione, und zweitens

auctoritate, aber letzteres ebem doch wieder nur ratione, verfahren. Aber hätte

Ritte^ nur nicht allzu flüchtig gelesen, so hätte er aus mehreren weiter unten fol

genden Wortem (p. 57 a.: ad divinam auctoritatem recurrere libet, quae est rationis

munimen et stabile firmamentum. p. 57 b.: ecce invicta auctoritus ratione comitata

et ratio quoque auctoritatem confessa ..... faciamus palam pauca divina testimonia

adgregantes. p. 58 a.: haec pauca ratione simul et auctoritate congesta .... scribere

curati) sehen müssen , dass ratio und auctoritas auch hier den tausendfältig vor

kommenden theologischen Dual repräsentiren, kurz, dass in obiger Stelle anstatt

des zweiten ,, ratione** matürlich ,,revelatione** zu lesen ist.

74) Demnach verspüren wir auch in dieser Hinsicht Nichts von „tieferem

philosophischen Nachdenken** oder won ,,eigenem Wegem“ des Fredegisus. Vgl.

oben Anm. 44. -

75) p. 57 a. : 0mne nomen finitum aliquid significat, ut homo, lapis, lignum ;

haec enim ubi dicta fuerint, simul res quas significant intelligimus .... igitur ,,ni

hil“ ad id quod significat refertur ...... 0mnis significatio eius significatio (die

letzterem zwei Worte fehlen im Texte) est, quod est; ,,nihil** autem aliquid signi

ficat; igitur ,,nihil** eius significatio est, quod est, id est rei eæistentis.

76) Ebend.: Universa ecclesia..... confitetur divinam potentiam operatam esse

eæ nihilo terram aquam aëra et ignem etc....... si ergo haec humana ratione

comprehendere nequimus, quomodo obtinebimus, quantum qualeve sit illud, unde ori

ginem genusque ducunt.

77) Ebend.: Qui dicit tenebras esse, rem constituendo ponit, .... nam verbum

XIII. Hrabanus Maurus. 19.

sich hervorhebem, dass Fredegistis einen Rückhalt an dem theologischen

Begriffe des „Wortes Gottes“ besitzt (s. Anm. 122 f.). Uebrigens vergl.

über jeme beidem Begriffe auch unten Anm. 133 ff.

An den Namen des H r ab a n u s M a urus (geb. 776, gest. 856)

wurdem allerdings in neuester Zeit Producte geknüpft, deren Eines von

dem bisher betrachteten selir abweicht. Es sind diess glossirende Com

mentare, derem Besprechung jedoch jedenfalls erst weiter untem mög

lich ist; nemlich selbst wenn es aus inneren Gründen für wahrschein

lieh gehalten werden könnte, dass wirklich Hrabanus sie verfasst habe,

so müsste ihnen dennoch behufs einer richtigen Beurtheilufhg ihre Stelle

erst bei der Darstelfting jener Bewegung angewiesen werden, welehe

durch die Anschauungsweise des Scotus Erigena hervorgerufen wurde.

Somit schien es , da die Identität des Autors sich als sehr zweifelliaft

erweist, räthlicher zu sein, dass wir das Wenige, was sicher dem Hra

banus angehört und zugleich dem bisher erwähnten Schriften verwandt

ist, gleich hier in Kürze vorführen, hingegen jene neuerdings gefundenem

logischem Tractate erst nach der Besprechung des Scotus einreihen

(Amm. 144 ff.). Zunächst demnach gehört aus dem schon längst be

kannten Werken des Hrabanus 7°) ein Abschnitt der unter dem Titel

,,De universo“ verfassten Encyclopädie hieher, in welchem mit der

Ueberschrift ,,De philosophis“ die Eintheilung der Wissenschaftem und

der Philosophie aus Alcuin (ob. Anm. 54, d. h. eigentlich aus lsidor,

s. Amm. 27) wiederholt und somit auch ausdrücklich gesagt wird, dass

die Logik sich in Dialektik und Rhetorik spalte '°). Sodann aber kömmt

Hrabanus auch in der Schrift De institutione clericorum auf die siebem

freien Künste zu sprechen, und nachdem er dort schon im Allgemei

men die Theologen vor Missbrauch der Disputirkunst gewarni hat *°),

ist diese Worsicht ihm auch da das Ueberwiegende, wo er in der üb

lichem Reihenfolge (nach Grammatik und Rhetorik) num de Dialectica

selbst spricht; er wiederholt nemlich vorerst die Definition der Dialek

tik, welche von lsidor und Alcuin her die übliche war, und knüpft

daran allerdings den Ausspruch Augustins, dass die Dialektik zu wissen

wisse *'), aber er will die Uebung derselben nur auf den Kampf gegen

substantiae (d. h. ,,esse“) hoc habet in natura, ut cuicunque subiecto fuerit iunctum

sine negatione, eiusdem declaret substantiam; igitur in eo quod dictum est ,,tenebrae

erant super faciem abyssi**, res constituta est, quam ab esse nulla negati0 separat

aut dividit. Hierauf folgt noch eine Menge von Bibelstellem, in welchen von der

Finstermiss die Rede ist, wobei natürlich die bekannte greifbare ägyptische Finster

niss diesem Realismus als der willkommenste Beleg sich darbietet (solcher Ari ist

also die gepriesene ,,Vernunft-Auctorität“ des Fredegisus).

78) Hrabani Mauri 0pp. ed. Colvener. Colon. 1627. fol. 6 Bände.

79) D. univers. XV, 1. (I, p. 201.): Logica autem dividitur in duas species,

hoc est dialecticam et rhetoricam.

80) D. instit. cler. III, 17. (VI, p. 40.): Sed disputationis disciplina ad 0m

nia genera quaestionum, quae in litteris sanctis sunt penetranda et dissolvenda, plu

rimum valet ; tantum ibi cavenda est libido- riacandi et puerilis quaedam ostensio

decipiendi adversarium. -

81) Ebend. c. 20. (p. 42.): Dialectica est disciplina rationalis quaerendi, dif

finiendi et disserendi, etiam vera a falsis discernendi potens; haec erg0 disciplina

disciplinarum est, haec docet docere .... scit, scire sola et scientes facere non s0

lum vult, sed etiam potest. S. Abschn. XII, Anm. 18.

2*

20 XIII. Scotus Erigena.

die Häretiker beschränkt wissen, und fügt darum sofort gleichsam zur

Warnung obiges Beispiel eines sophistischen Schlusses aus Alcuin (Amm.

71) an **), worauf noch an einer neutestamentlichen Stelle die Möglich

keit gezeigt wird, dass unwahre Sätze in eine wahre Verbindung kom

men, unl dann sogleich der die Dialektik betreffende Abschnitt abge

schlossen wird, um auf die nächstfolgende Kunst (die Mathematik)

überzugehen *°).

Wahrscheinlich im 9. Jahrhunderte war mun. wohl auch eine theo

logische Schrift, nemlich P s e u d o- B o e t h iu s De Trinitate, entstan

den, welche im Interesse der Dogmatik auf einzelne Momente der Logik

einlässlicher eingeht; indem wir jedoch uns vorbehalten müssen, das

Nöthige über dieselbe erst bei jener Zeit anzugeben, in welcher mam

sie hervorzog und in eine nähere Verbindung mit logischen Controver

sen *u bringen beganm (folg. Abschn., Anm. 35 ff.), wenden wir uns

zu dem hervorragendsten philosophischen Schriftsteller des früheren

Mittelalters.

Welch bedeutenden Einfluss J o h a n n e s S c o tu s E r i g e n a (geb.

zwischen 800 und 815, gest. zwischen 872 u. 875) im Allgemeinem

auf die Theologie seiner Zeit und der nächstfolgenden Jahrhunderte

ausgeübt habe, ist bekannt **); vielleicht aber gelingt es uns, wofern

wir diesen schwierigen Schriftsteller richtig verstanden haben solltem,

ihm auch für die Geschichte der Logik eine entscheidende Stelle zuzu

82) Ebend.: Quapropter oportet clericos hanc artem nobilissimam scire .....

ut subtiliter haereticorum versutiam hac possint dignoscere eorumque dicta venefica

tis syllogismorum conclusionibus confutare. Sunt enim multa quae appellantur so

phismata ..... pr0p0suit enim: quidam dicens ei cum quo loquebatur ,,qu0d eg0 sum,

tu non es“ etc.

83) Ebend.: Sunt etiam verae conneaeiones ratiocinationis falsas habentes sen

tentias ..... non enim vera inferebat apostolus (Paul. ad Cor. I, 15, 14—17.) cum

diceret ,,neque Christus resurreaeit* et illa alia ,,inanis est fides nostra], inanis est

et praedicatio nostra**; quae omnino falsa sunt ...... falsum est ergo quod prae

cedit, praecedit autem non esse resurrectionem mortuorum ..... Cum ergo verae sint

conneaciones non solum verarum sed etiam falsarum sententiarum, facile esl verita

tem conneacionum etiam in scholis illis discere, quae praeter ecclesiam sunt, senten

tiarum autem veritates in sanclis libris ecclesiasticis investigandae sunt. Ueber

haupt ja theilt Hrabanus jenen Standpunkt seiner Zeit, wornach die heidnische

Litteratur an sich als verwerflich gilt (d. instit. cler. III, 20) und auch die siebem

freien Künste im Vergleiche mit der ,,bescheidemen Bildung“ des Klerikers weit

zurückstehen. Comment. in Ecclesiast. VIII, 11. (Vol. III, p. 484.): Septem ergo

circumspectores philosophiae liberalium artium sunt traditores, sed magis vera esse

in omnibus claret catholici riri modesta doctrina, quae in divinis libris consistit,

quam omnis philosophorum multipleæ in disputando et in argumentando solertia.

84) Es habem ja selbst theologische Controversen, welche sich an Scotus

anknüpfen, uns aber hier nicht berühren, ihren starken Reflex auch in der neueren

Litteratur gefunden, indem gegen Fr. Ant. Staudenmaier (Joh. Scotus Erig. u. d.

Wissenschaft s. Zeit. 1. Th. Frankf. 1834.) und Saint-Rene Taillandier (Scot Eri

gêne et la philos. scolastique. Strasb. 1843.) Nic. Möller (J. Scot. Erig. u. s. Irr

ihümer. Mainz 1844.) auftrat. Uebrigens. ist auch in der jüngst erschienemen

Schrift von Theod. Christlieb (Leben u. Lehre d. Joh. Scotus Erig. Gotha 1860),

welcher in den abenteuerlichsten Gedankensprüngen den Scotus mit Spinoza;

Fichte, Schelling, Hegel u. s. w. in Werbindung bringt, die logische Seite des Sco

tus kaum mit etlichen Worten berührt. — Im Folgendem citire ich nach der Aus

gabe von H. J. Floss (Par. 1853, als 122. Band der Migne'schen Patrologia).

N

XIII. Scotus Erigena. 21

weisen ; denn es scheint bezüglich des logischen Standpunktes, auf wel

chem sich Scotus befindet, immerhin noch kein erschöpfendes Urtheil

gefällt zu sein, wenn man ihn lediglich als Realismus oder etwa auch

als extravagantem Realismus bezeichnet, sondern mit der realisti

schen Auffassung, welche im Allgemeinen auf der biblisch-theologischen

Anschauung beruht, und welche dem Scotus abzusprechen natürlich Nie

mandem in den Sinn kommen kann, verbinde, sich hier höchst eigen

thümlich ein dialektisches Motiv, welehes uns dadurch von grösstem Be

lange zu sein scheint, dass wir in demselben die ersten Umrisse des

scholastischen Nominalismus erblicken.

' Das Erste, was sicher jedem Leser des Scotus in die Augen springt,

ist die streng syllogistische Form, in welcher dieser Schriftsteller sich

bewegt, dabei zugleich, so zu sagen, seine logischen Schulkenntnisse

zur Schau tragend. Wir würden zwar an sieh dieses nicht besonders

erwähnen, da unsere Aufgabe hier nicht ist, etwa sämmtliche logisch

geschulten Schriftem aller Kirchenväter oder mittelalterlichen Theologen

zu registriren ; hier jedoch besteht, wie uns dünkt, zwischen solchem

äusserlichen Schulwissen und der inneren Auffassumg ein enger Zusam

menhang. Scotus Erigena wendet offenbar in der Ueberzeugung, dass

die Syllogistik gerade in ihrer streng schulmässigen Form einen „philo

sophisehen“ Werth habe, all dergleichen Dinge an. So erscheint bei

ihm, — abgesehen von der häufigem und reichlichem Erörterung der Ka

tegorien in theologischem Sinne —, z. B. aus der Lehre vom Urtheile

die Eintheilung in bejahende und verneimende, und zwar mit der Be

zeichnung affirmativus und abdicativus *°), oder die Angabe der ver

schiedenen Arten der Gegensätze *°), unter welchen der sog. contra

dictorische noch öfters besonders hervorgehoben wird *7), sowie die

85) Was die Kategorien betrifft, bei deren Gelegenheit Scotus einmal (d. di

pis. nat. I, 51, p. 493.) das 10. Cap. aus Ps.-August. Categ. ausschreibt, s. das

Nöthige unten Anm. 139 ff. Bezüglich des Urtheiles s. z. B. d. div. nat. I, 14, p.

462.: Et hoc (d. h. die 88ολογέα xwtczq ctuxj und 98ολοytcz &zvoq cxtuxij des

Pseudo-Dionysius Areopag.) brevi concludamus eaeemplo: ,,essentia est** affirmatio;

,,essentia non est** abdicatio ; ,, superessentialis est** affirmatio simul et abdicatio.

Diese Terminologie, welche bei Scotus noch öfter erscheint, weist entweder auf .

die Wermengung zurück, welche wir bei Cassiodor trafen (Abschn. XII, Anm. 176

u. 181.), oder Scotus selbst vermischte die Redeweise des Boethius mit jener des

Marcianus Capella (s. ebend. Amm. 64.).

86) Ebend. 13, p. 458 f.: 0ppositum dico aut per privationem aut per con

trarietatem aut per relationem (dass hier aut per negationem im Texte ausgefallen

sei, zeigt die sogleich folgende Erklärung) aut per absentiam ...... nam 0pp0sita

per relationem ita sibi semper opposita sunt, ut simul et inchoare incipiant et si

mul esse desinant, dum eiusdem naturae sint, ut simplum ad duplum ; aut per ne

gationem, ut est, non est; aut per (zu lesen propter) qualitates naturales per ab

sentiam, u* lua, atque tenebrae, aut secundum privationem, ut mors et vita ; aut

per contrarium, ut sanitas et imbecillitas. Scotus schöpfte hiebei aus der nemli

chen Quelle wie Isidorus (s. obem Anm. 41.), nur entnahm er aus den Wortem des

Boethius ungeschickter Weise eine Unterscheidung zwischen privatio und absentia.

87) D. praedest. 5, 8, p. 378.: Aut qu0m0d0 de eadem voluntate posset si

mul dici ,,libera est, libera non est**; haec enim contradictorie dicuntur, quia si

mul fieri non possunt D. divis. nat. IV, 5, p. 756.: contradictoria proloquia fient,

et necessario unum erit verum, alterum falsum ; non enim aut simul vera possunt

esse aut simul falsa cantradictoria proloquia de subiecto eodem, sive universaliter

22 XIII. Scotus Erigena.

' gegensätzlichen Verhältnisse, welche zwischen dem Möglichen und dem

Unmöglichen bestehen, erwähnt werden *°). Auch die übliche. Aufzäh

lung der mehrerem Arten der Definition findet sich berücksichtigt *°).

Hauptsächlich aber sind es die Formeii der Argumentation, welche Sco

tus eben nach der formellen Seite so häufig hervorhebt *°), und wir

treffen bei ihm an vielen Stellen nicht bloss Syllogismen, welche voll

ständig schulmässig formulirt sind, in den Text verwoben "'), sondern

er nennt auch sehr gerne Schlüsse, welche der Topik angehören, mit

ihrem technischen Namen °°). Gerade aber in letzterer Beziehung ist es

uns von grosser Wichtigkeit, dass Scotus das .eigentlich dialektische

Verfahren, d. h. den Syllogismus überhaupt, genau von dem übrigen

bloss rhetorischen Gebiete unterscheilet und für die Beweisführung auf

die logische Form allein das entscheidende Gewicht legt. Nemlich zu

nächst wird von ihm schon Jene Formulirung des disjunctiven Schlus

ses aufs höchste geschätzt, welche als enthymema von Cicero her sich

in der Tradition erhaltem hatte und biedurch auch in Isidor's Eneyclo

pädie Eingang fand (s. oben Anm. 43, und die Wiederholung hievon

bei Alcuin Anm. 70), und es erblickt Scotus in der That in dieser

Schlussform den Höhepunkt aller ,,argumenta“, welche zwar immerhin

noch an die „signa vocalia“ gebunden seien "*), ja die Macht der Form

sint sive particulariter. Hier ist, wie man sieht, die Terminologie des Boethius

(contradictorius, s. Abschn. XII, Anm. 113.) mit jener des Marcianus Capella (pro

loquium, s. ebend. Anm. 62.) vermischt. (Nach Labbe, Bibl. Msscr. nov. p. 45. soll

Scotus den Marc. Capella commentirt habem; ausdrücklich erwähnt und benützt

hat er ihn bei der Kosmographie, d. div. nat. III, 33, p. 719.).

88) D. divis. nat. II, 29, p. 597.: Possibilia quoque et impossibilia in numero

rerum computari, nemo recte philosophantium contradicet ..... De quibus quisquis

plene voluerit percipere, legat πεQì §gμηνείας, hoc est de interpretatione, Aristote

lem, in qua aut de his solis , hoc est^ p0ssibilibus et impossibilibus, aut mazime

a philosopho disputatum est. Es versteht sich von selbst, dass das Ganze aus

Boethius entnommen ist (s. Ahschn. XII, Anm. 119.).

89) Ebend. I, 41, p. 483.: Quamvisque multae definitionum species quibusdam

esse videantur, sola ac vera ipsa dicenda est definitio , quae a graecis oùot ajd mc,

a nostris vero essentialis vocari consuevit ; aliae siquidem aut connumerationes in

telligibilium partium oÙotas aut argumentationes quaedam eactrinsecus per acciden

tia aut qualiscunque sententiarum species sunt ; sola vero oÜoutóông id solum re

cipit ad definiendum, quod perfectionem naturae, quam definit, complet ac perficit.

Es kann diess 'aus Alcuin (s. oben Anm. 62 f.) oder aus Isidor (oben Anm. 38 f.)

oder aus Boethius (Abschn. XII, Anm. 105.) geschöpft sein.

90) Derartige Stellen bewegen sich in jener Termimologie, welche bei Boe

thius die übliche ist; so z. B. affirmalivus, negativus , termini, dialectica proposi

tio, formula syllogismi conditionalis, auch conneaeio (s. Abschn. XII, Anm. 141.)

und sogar tropus (s. ehend. Anm. 119.); ausserdem finden wir noch collectio und

refleaeim, welche dem Apulejus (s. Abschm. X, Anm. 15. u. 19.) angehören.

91) So z. B. d. praedest. 14, 3, p. 410 ; ebend. 16, 4, p. 420. d. div. nat.

I, 49, p. 491. s. auch Anm. 94 ff. • ©

92) Z. B. d. div. nat. I, 27, p. 474.: sunt loci dialectici a genere, a specie,

a nomine, ab antecedentibus, a consequentibus, a contrariis, ceterique huiusmodi, de

quibus nunc disserere longum est. D. praedest. 2, 2, p. 362.: argumentum, quod

ab effectibus ad causam sumitur (ebenso ebend. 3, 2, p. 365.). Ebend. 9, 7, p.

393. locus a contrario und locus a similitudine, u. dgl. öfters. Die Kenntniss

aber all dieser Topen konnte Scotus lediglich aus Cassiodor schöpfen.

93) D. praedest. 9, 3, p. 391.: Restant ea, quae contrarietatis loco sumuntur,

quibus tanta vis inest significandi, ut quodam privilegio evcellentiae suae merito a

.

XIII. Scotus Erigena. 23

veranlasst ihn, das Enthymema sofort als „syllogismus“ zu bezeichnen 94),

und an, einer anderen Stelle, wo er ausdrücklich sagt, sich der άπο.

δεικτική bedienen zu wollen, folgen lediglich Beweise in eben jener

disjunctiven Form °°); aber zugleich weist er dennoch den Formen des

sog. kategorischen Schlusses entschieden eine noch höhere Stellung eben

deswegen an, weil dieselben nicht zu dem Getriebe der äusserlich

wirksameren rhetorischen Argumentation gehören °°). Dass aber dieses

Uebergewicht der syllogistischen Form auch bald von den Lesern des

Scotus als solches empfunden wurde, ist uns durch ein vollgültiges

Zeugniss bestätigt, indem ein Anonymus des 9. Jahrh. (s. unten Anm.

163), sagt, nach der Ansicht des Scolus bestehe die Dialektik in einem

beständigen Nacheilen und Sichverjagen (fuga et insecutio, vgl. unlen

Anm. 204) der Sätze ""). — Uebrigens konnte Scotus auch die Kennt.

-

graecis enthymemata dicantur, hoc est conceptiones mentis .... sicut ergo argumen

torum omnium fortissimum est illud, quod sumitur a contrario, ita omnium signo

rum vocalium aptissimum est, quod ducitur ab eodem contrarietatis loco. Ebend.

10, 1, p. 393.: Restat considerare locum, qui, ut praediaeimus, a dialecticis ac rhe

toricis enthymema vocatur, a grammaticis vero xat' άντ άμgaouv, et est omnium

argumentorum signorumque verbalium nobilissimus. S. auchº Anm. 96 am Schluss,

u. vgl. Anm. 189.

-

94) D. praedest. 3, 3, p. 366.: Quae rati0 enthymematis argumento concludi

tur, quod semper est a contrario, cuius propositio talis est (nun folgt ein Schluss

nach der Form Non est et A et B, A autem est, ergo B non est, s. Abschm. VIII,

Anm. 60. u. Abschn. XII, Anm. 13. u. 69.) .... Idem quoque syllogismus hoc modo

connectitur (ebenso).

95) Ebend. 4, 3, p. 371.: Illa igitur rationis specie, quae dicitur ἀποδεικτιx),

utamur primum adversus eos ...., worauf zwei Schlüsse in der so eben erwähnten

Form folgen und sodanm mit den siegesbewussten Worten geendet wird: conclu

sum est igitur ..... via igitur regia gradiendum nec ad deaeteram nec ad sinistram

divertendum, etc.

96) Nemlich bei einer längeren Beweisführung betreffs der lmmaterialität der

Substanz, d. div. nat. I, 47 ff., finden wir zunächst (47, p. 489.) nach den einlei

tenden Worten has itaque paucas de pluribus dialecticas collectiones considera zwei

kategorische Schlüsse nach dem 1. Modus der 1. Figur, sodann folgt eine Argu

mentation in dilemmatischer Form (48, p. 490.) ; nach dieser aber steht folgen

der Uebergang (49, p. 490 f.): Ut autem plane cognoscas, .... hanc argumentationis

accipe speciem. . Accipiam, sed prius quamdam formulam praedictae argumentationis

fieri necessarium video ; nam praedicta ratiocinatio plus argumentum a contrario vi

detur esse, quam dialectici syllogismi imago. Fiut igitur ma.vima propositio sic ;

und nun folgen vier Syllogismen nach dem 2. Modus der 1. Figur mit den ab

schliessenden Worten: haec formula idonea est ; unmittelbar hierauf aber: Hoc etiam

certa dialectica formula imaginari volo ; fiut itaque formula syllogismi conditionalis,

was in der Form Si A est, B est, A vero est geschieht; und nach all diesem

steht zum eindringlichem Abschlusse noch ein Enthymema: Si autem £v9v|uijuc

τος, hoc est conceptionis communis animi syllogismum , qui omnium conclusionum

principatum obtinet, quia eæ his quae simul esse non possunt assumitur, audire de

sideras, accipe huiusmodi formulam (wie oben Anm. 94.). - -

97) Bei V. Cousin, 0uvr. ined. d'Abel. p. 619.: Secundum vero Joannem Scot

lum est dyalectica quaedam fuga et insecutio, ut cum quis dicit ,,0mnis honestus

est“, et insequitur alius dicendo ,,omnis honestus non est**, talis haec disputatio

fugae et insecutioni videtur esse consimilis. Wenn übrigens schon der i. J. 821

gestorbene Abt Benedict von Aniane über einen ,, syllogismus delusionis apud m0

dernos scholasticos, maæime apud Scotos“ klagt (Baluzi Miscell. ed. Mansi,. II, p.

97.), so darf hieraus nicht gtwa geschlossen werden, dass Scotus seine dialektische

Gewandtheit aus einem in Schottland weitverbreiteten Schulbetriebe der Logik

24 XIII. Scotus Erigena.

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niss der von ihm angewendeten syllogistischen Formen lediglieh aus

Isidorus (oben Anm. 38) schöpfen, und es nöthigt uns keine einzige

Stelle zu der Annahme, dass er etwa auch des Boethius Uebersetzung

der aristotelischen Analytiken gekannt habe *°).

Eben diese Momente aber, welche gleichsam der logischen Praxis

des Scotus angehören, leiten uns auch auf desselben theorelisehe An

sicht bezüglich der Dialektik hinüber. Im Allgemeinen wohl theilt er

hierin die Anschauungen seiner Zeit, wonach die Uebung der freien

Künste zwar als etwas Lobenswürdiges erscheint °°), zugleich aber es

dabei auf die Gesinnung ankömmt, indem mamentlich die Dialektik,

welche leicht missbraucht werden könne, ilire wesentliche Aufgabe bei

Bekämpfung der Ketzer finde '"'). Aber bei Scotus, welchem ja durch

gängig Religion und Philosophie selbst identisch sind*"'), muss eben

deshalb die Logik auch noch etwas Höheres sein, als blosses äusserli

ches Mittel zum Zwecke, kurz sie muss ihm als Form seiner Philoso

phie gelten, und hierin liegt micht bloss der wesentlichste Vorzug des

Scotus vor einem lsidor oder Alcuin u. dgl., sondern auch, wie uns

dünkt, die Ursache seines Einflusses, sowie jener Werketzerung, welche

ihn später als einen Hort der Nominalisten traf (s. untem Ann. 312 f.).

Dass nun die Philosophie des Scotus dennoch auf einem, so zu sagen,

christlichen Platonismus beruhe und zugleich in ganz vernünftiger Weise

auf einen Pantheismus auslaufe, ist theils bekannt, theils ausserlialb

unserer hiesigen Aufgabe gelegen. Aber wie sich hiebei die prinei

pielle Auffassung der Logik gestalte, müssen wir versuchen in's Reine

zu bringen 103). -

Die Scriptura divina ist es mach dem Standpunkte des Scotus,

habe schöpfen können, sondern jene Klage bezieht sich lediglich auf einen einzel

nen dogmatischen Gegensatz (betreffs der Trinität), welcher ebenso wie hundert

andere dergleichen in seiner Formulirung als syllógismus bezeichnet werden kann.

98) Da uns dieser Punkt noch öfters (s. Anm. 156, 183, 196, 209, 253, 258,

277, 288, 310, 363.) von Wichtigkeit sein wird, musste ich absichtlich im Bishe

rigem so ausführlich auf die logischen Quellen des Scotus hinweisen. -

99) D. praedest. 18, 1, p. 430.: Errorem saevissimum eorum (d. h. seiner dog

matischen Gegner) ..... ea, utilium disciplinarum, quas ipsa sapientia suas comites

investigatricesque fieri voluit (vgl. oben Anm. 50.), ignorantia crediderim sumpsisse

primordia. An einer anderen Stelle, d. div. nat. I, 27, p. 475, werden sämmtliche

sieben Künste definirt; s. untem Amm. 106.

100) D. praedest. 1, 2, p. 358.: disputandi disciplinae regulis necessario uti

iubemur, dum adversus quendam saphrophilum (zu lesen saprophilosophum), nomine

Gotescalcum (bekanntlich der Hauptgegner des Scotus) ... respondere compellimur.

Ebend. 7, 1, p. 382.: Potest enim aliquis in disciplina disputandi, quae dicitur

dialectica, peritus, quae nullo dubitante a deo homini donalur, si voluerit, bene uti

..... potest e contrario perniciose uti, ad quod non est data, dum falsa pro veris

approbans alios in errorem mittat falsisque ratiocinationibus simplicium sensus con

fundat etc. (vgl. oben Anm. 80.).

101) Ebend. 1, 1, p. 358.: Conficitur inde, veram esse philosophiam veram

religionem conversimque veram religionem esse veram philosophiam. Bekanntlich

zieht sich diese Auffassung durch das ganze System hindurch.

102) Wenn z. B. H. Ritter, Gesch. d. Phil. VII, p. 222, bei Scotus viele Wi

dersprüche erblickt und meint, „an ein methodisches Werfahren sei natürlich hie

bei nicht mehr zu denken“, so ist diess sehr irrig, denn Alles löst sich, sobald

man nur genauer zusieht. - -

XIII. Scotus Erigena. 25

welche als ihre vier Theile in aufsteigender Rangfolge, entsprechend

den vier Elementem (Erde, Wasser, I.uft, Feuer) in sich die Geschichte,

die Ethik, die Physik, und die Theologie enthält 108), und sowie wir

hiebei einerseits uns auch an die Auffassung bei Isidor (ob. Amm. 24)

erinnert fühlen, so müssen wir andrerseits zugestehen, dass für eine

derartige aufwärtssteigende Linie erst mit einer geistigen Erhebung über

das lediglich Factische der Geschichte der Weg zur „Weisheit“ betre

ten werde, sowie dass die feste Form eines solchen Ringens nach

Weisheit sicher für den ganzen Weg, welcher bis zum höchsten Ziele

durchlaufen werden muss, die leitende Führerin sei. Somit ist es uns

sehr wohl verständlich, wenn Scotus anderswo die eigentliche ,,sophia“

in die praktische, die physikalische, die theologische und die logische

eintheilt, und der letzteren die „Regeln* zuweist, nach welchen man

sich bei den „Erörterungen“ in jeder der drei anderen Artem der Weis

heit bewegen soll 10*). Handelt es sich aber hiemit bei jeder Weis

heit um irgend Kundgebungen, welche in menschlichen Worten bestehen,

so hat die Logik oder — wie sie Scotus übrigens stets nennt — die

Dialektik jedenfalls Eine Seite, nach welcher sie mit dem Wortaus

drucke verflochten ist, während sie ändrerseits ihre wesentliche Aufgabe

darin besitzt, dasjenige zu erforschen, was Scotus (in realistisehem .

Sinne) die „Natur der Dinge* nennt. Er spricht sich nemlich über die

ses ganze Werhältniss sehr klar und entschiedem aus, wenn er sagt,

Grammatik und Rhetorik seien Gliedmassen oder Zweige oder wenig

stens Werkzeuge der Dialektik, durch welche sie ihre Entdeckungen

kundgebe und umter Menschen verwerthe ; die Grammatik nemlich emt

halte die Regeln der kundgebenden „voae“ selbst, welche nach Aristo

teles nur auf Gewohnheit beruhe, die Rhetorik hingegen handle entwe

der über specielle Fälle und Verhältnisse, oder bespreche allgemeine

Gesichtspunkte (loci communes), . welche sclion in der Natur der Dinge

liegen, daher im letzteren Falle die Rhetorik bereits die Rolle der Dia

lektik übernehme; somit seien Grammatik und Rhetorik durchaus nicht

principlos, wohl aber bestehe ein relaliver Comparativ in der Stärke

der Beweise, je nachdem dieselben mehr aus der Natur der Dinge ent

nommen seien, und die höchste Stufe liege dann vor, wenn die Seele

innerhalb ihrer selbst ohne das Geräusch des Spreehens oder der Rhe

torik über die Technik der übrigem Disciplinen nachdenke *°°). Durch

103) Homil. in Ev. Joann. p. 291.: Divina siquidem scriptura mundus quidam

est intelligibilis, suis quatuor partibus veluti quatuor elementis constitutus. Cuius

terra est veluti in medio imoque instar centri historia, circa quam aquarum simili

tudine abyssus circumfunditur morulis intelligentiae, quae a graecis ethice solet ap

pellari; circa quas, historiam dico et ethicam, veluti duas praefati mundi inferiores

partes, aer ille naturalis scientiae circumvolvitur, quam, naturalem dico scientiam,

graeci vocant physicen ; eaetra haec omnia et ultra aethereus ille igneusque ardor

empyrii coeli, hoc est superae contemplationis divinae naturae, quam graeci theolo

giam nominant, circumglobatur, ultra quam nullus egreditur intellectus.

104) D. div. nat. llI, 29, p. 705.: intentus prospiciat quadriformem sophiae

divisionem ; et est quidem prima πQtrxtuxh, activa, secunda pvoixi], naturalis, ter

tia 9 soloyta, quae de deo disputat, quarta loyuxi, rationalis, quae ostendit, qui

bus regulis de unaquaque trium aliarum sophiae partium disputandum. -

105) Ebend. V, 4, p. 869 f.: Cum eae liberalibus disciplinis praefatas attrave

26 XIII. Scotus Erigena.

diese deutliche Erklärung können wir jetzt den Inhalt obiger Anm.

92—96 vollständig verstehen, denn nun wissen wir, warum bei Scotus

die loci communes der Topik eine Bedeutung erhalten (s. auch unlen

Anm. 132), und warum der im Enthymema Tliegende locus des Gegen

satzes, welcher ja innigst in die ,,Natur der Dinge“ verflochten ist (man

denke auch an die affirmative und negative Theologie des Pseudo-Dio

nysius, welche Scotus adoptirte), vor Allem als der wichtigste und

stärkste bezeichnet werde, und warum endlich dennoch über das Enthy

mema hinaus an Reinheit des Gedankens der eigentliche Syllogismus

hervorrage, welcher von allem rednerischen Gepränge frei ist. Kurz

die Dialektik hat bei Scotus eine Stellung, gemäss deren sie unweiger

lich auf die äussere Kundgebung (voae) und auf die menschlich gefass.

ten GemeinbegrifTe (conceptus communes) eingehen muss, zugleich aber

aus diesem Gebiete zum höchsten reinen Wissen führen soll, und wenn

Scotus die Dialektik als „die Erforscherin der vernünftigem Gemeinbe

griffe* definirt '°°), so fasst er hiemit nach seiher Grundansicht in

Kürze eben jene zwei Seiten zusammen, nemlich einerseits die Wer

wandtschaft der Logik mit der Rhetorik, welehe die Technik der in

Wortem auftretenden Erörterungem : ist 107), und andrerseits das hobe

. Ziel, zu welchem die in den Wortem ausgesprochene Wernunft geführt

ris argumentationes, cur grammaticam et rhetoricam praetermiseris, non satis video

..... Primum quidem quia ipsae duae artes veluti quaedam membra dialecticae

multis philosophis non incongrue eæistimantur ; deinde brevitatis causa. Postremo

quod non de rerum natura tractare videntur , sed vel de regulis humanae vocis,

quam non secundum naturam sed secundum consuetudinem loquentium subsistere

Aristoteles cum suis sectatoribus approbat (ans Boethius, s. Abschn. XII, Anm. 110.),

vel de causis atque personis specialibus , quod longe a natura remum distat; nam.

dum rhetorica de communibus locis , qui ad naturam rerum pertinent, tractare niti

tur, non suas sed dialecticae arripit partes. Hoc autem dico , n0n quod omnino

grammatica et rhetorica suis veluti principiis caruerint, ...... sed quod validioris

vigoris sint ad approbandas vel negandas quaestiones, quae de rerum incertarum

inquisitionibus fiunt, argumenta eae natura rerum sumpta, quam eae humanis inven

tionibus ea cogitata ..... Cur itaque in numero liberalium disciplinarum computantur,

si secundum naturam non sunt, sed secundum humana machinamenta ? Non aliam

ob causam video praeter quod matri artium, quae est dialectica, semper adhaereant;

sunt enim veluti quaedam ipsius brachia rivulive eae ea manantes vel certe instru

menta, quibus suas intelligibiles inventiones humanis usibus manifestat ..... . Potest

enim rationabilis anima intra semetipsam de liberalibus disciplinis tractare absque

vocis articulatae disertaeque orationis strepitu. (Bei Hauréau , De la phil. scol. I,

p. 118 f. findet sich bezüglich dieser Stelle ein schlimmes Missverständniss).

106) Ebend. I, 27, p. 475. (woselbst alle sieben Künste definirt werden):

Grammatica est articulatae vocis custos et moderatriae disciplina. Rhetorica est fini

tae causae septem periochis (nemlich persona, maleria, 0ccasione, qualitute , l0c0,

tempore , facultate) sagaae et copiosa disciplina. Dialectica est communium animi

conceptionum rationabilium diligens investigatriæque disciplina. Die Bezeichnung

conceptio animi weist auf Boethius zurück, s. Abschn. XII, Aom. 110.

107) D. praedest. 1, 3, p. 358.: non incongrue regulis disputatoriae artis (s.

Anm. 112) utemur; cum enim per artem rhetoricam et vera suadeantur et falsa,

quis audeat dicere, adversus mendacium in defensoribus suis inermem debere con

sistere veritatem. Uebrigens erklärt sich nun auch , sowohl dass (Anm. 92) das

Enthymema allen drei Disciplinen, nemlich der Grammatik , der Rhetorik und

der Dialektik, zugewiesen wird, als auch warum bei eben jener Schlussform stets

von conceptio mentis (ebend.) oder conceptio communis animi (Anm. 96. u. 106.)

die Rede sei. - .

XIII. Scotus Erigena. 27

werden soll. — So also ist die logische Praxis bei Scotus im Einklange

mit der theoretisehen Auffassung. -

Ergibt sich uns aber schon aus dem Bisherigen als Resultat das

anscheinend Widerspruchsvolle, dass Scotus, der Platoniker und Anhän

ger des Pseudo-Dionysius, zugleich die Veranlassumg zum Hervortretem

einer nominalistischen Partei darbieten konnte, so scheinen die Belege u

für diese eigenthümliche Thatsache auch noch anderweitig sich zu ver

mehren. Was nemlich die nähere Darlegung der Aufgabe der Dialektik

bei Scotus betrifft, so fin den wir allerdings zunächst durchgängig den

platonischen Doppelweg (s. Abschn. III, Anm. 68) verquickt mit dem

Schul-Mechanismüs der Tabula logica des Porphyrius oder Boethius (s.

Abschn. XI, Anm. 60 u. Abschn. XII, Anm. 87 u. 96 ff.). Er bedient

sich hiefür der Ausdrücke διαιρετικ) (oder auch μερισμός) und ävaiv

τική *°°), und sowie ihm sowohl in logischem als aueh in ontologi

schem Sinne erstere als das Herabsteigen vom Allgemeinen zum Indivi

duum gilt, so versteht er ebenso unter letzterer jenen Bückgang des

Individuellen, durch weleheh es von seiner speciellen Gestaltung (forma)

befreit wird und zuletzt in die höchste Einheit (d. h. in Gott oder das

All) als aufgelöstes zurückkehrt 10°); auch theilt er diesen Doppelweg

noch einmal zweigliedrig, indem er in einem quadrivium der Dialektik

von der διαιρετικ) zur ögu6rwìì gelangen und von da durch die άπο

v - v - - - -

δεικτικ) erst zur άναλντικὴ sich erheben will 11°), wobei wir sofort

108) D. hierarch. coel. Dion. 7, 2, p. 184.: Duae quippe partes sumit dialecti

cae disciplinae, quarum una διαιρετιxj, altera ávr.) vvvxi, nuncupatur. Et διαι

Qerixi, quidem divisionis vim possidet; dividit namque maæimorum generum unita

tem a summo usque deorsum, donec ad individuas species perveniat inque iis divi

sionis terminum ponat. Avtxâvruxi, vero eae adverso sibi positae partis divisiones

ab individuis sursum versus incipiens perque eosdem gradus, quibus illa descendit,

ascendens convolvit et colligit easdemque in unitatem maæimorum generum reducit,

ideoque reductiva dicitur seu reditiva. D. div. nat. II, 1, p. 526. : Æνσλvtuxij

vero de reditu dicitur divisionis formarum ad principium eiusdem divisionis ; om

nis enim divisio, quae a graecis μεguo uòς dicitur quasi deorsum descendens ab

uno quodam definito ad infinitos numeros videtur , hoc est a generalissimo usque

ad specialissimum; omnis vero recollectio veluti quidam reditus iterum a specialis

simo inchoans et usque ad generalissimum ascendens &v&λvtux) vocatur; est igi

tur reditus et resolutio individuorum in formas, formarum in genera, generum in

usias, usiarum in sapientiam et prudentiam, eae quibus omnis divisio oritur in eas

demque finitur.

109) D. hier. coel. Dion. 15, 1, p. 252. : X4v&àvtuxh enim est disciplina,

quae visibilium imaginum interprgtationem in invisibilium intellectuum uniformitatem

resolvit omni forma carentium In Bezug auf Gott selbst kann das Herabsteigen

zum Individuum sehr wohl als Auflösung Gottes, sowie die Rückkehr ins Allge

meine als Apotheose bezeichnet werdem, und in solchem Sinne sagt Scotus, Praef.

ad ambig. Maae. p. 1195. : quomodo causa omnium, quae deus est, una sit simplea;

et multiplex ; qualis sit processio, id est multiplicatio divinae bonitatis per omnia,

quae sunt, a summo usque deorsum ...... et iterum eiusdem, divinae videlicet bo

nitatis, qualis sit reversio, id est congregatio per eosdem gradus usque. ad simpli

cissimam omnium unitatem ..... ita ut et deus omnia sit et omnia deus sint; et

quomodo praedicta quidem divina in omnia proce$sio άναλυτιxi, dicitur, hoc est

resolutio, reversio vero %&wotg, hoc est deificatio.

1 10) D. praedest. 1, 1, p. 358.: bis binas partes principales ad ömnem quae

stionem solvendam necessarias habere dignoscitur (sc. philosophia), quas graecis pla

cuit nominare διαιgetuxij, öQuo tuxij, &7to6ειχτιχή, ἀναλυτική, easdemque ldtia

28 XIII. Scotus Erigena.

erkennen müssen, dass für Scotus die Aufgabe der Dialektik, soweit

dieselbe als Technik der Erörterungen zumeist eine formale Seite hat,

hauptsächlich in die beidem mittlerem Stufem falle, daher er ihr auch

insbesondere die Function des Definirens zutheilen kann 111), denn inso

fern sie definirt, erfasst sie die Substanz und findet in dieser sich wie

der auf die nach 0ben und nach Untem gehende Stufenfolge der Ent

wicklung hingewiesen 113). -

Eben aber diese Mittelstellung, in welche die technischen Manipu

lationem der Logik auf solche Weise gerathen, führt wieder zu einer

unverkennbaren Werthschätzung des Wortausdruckes, in welchem auf

jener Stufe die Wernunft sich bewegen muss. Sehr erklärlieli vorerst

ist es, dass auch Scotus für das dialektische Werfahren des Theilens

und Zusammensetzens ein erschöpfendes Register in den aristotelischen

Kategorien erblickt, und er unterscheidet sich hierin weder von der

damaligen allgemeinen Schul-Ansicht noch von der Auffassung des Boe

thius 11°). Auch sind ihm, wie sich von selbst versteht, die Kategorien

an sich selbst betrachtét etwas Unkörperliches 114), und sowie et sich

—— .

liter' possumus dicere divisorvam, definitivam, demonstrativam, resolutivam. Quarum

enim prima unum in multa dividendo segregat, secunda unum de multis definiendo

colligit, tertia per manifesta occulta demonstrando aperit, quarta composita in sim

plicia separando resolvit ...... His enim tanquam utili quodam honestoque humanae

ratiocinationis quadrivio ad ipsam disputandi disciplina, quae est veritas, omnis in

ea eruditus perveniri non dubitat. - -

111). D. div. nat. l, 44, p. 486.: quid nos prohibet, definiendi disciplinam in

ter artes ponere adiungentes dialecticae, cuius proprietas est, omnium rerum quae

intelligi possunt naturas dividere, coniungere, discernere propriosque locos unicuique

distribuere. Welche Bedeutung die loci für ihn haben, sahen wir so eben Anm.

105, sowie auch Anm. 95, dass zur άποδειxruxi, der disjunctive Schluss gehöre.

112) Ebend. V, 4, p. 869.: Nonne ars illa, quae a graecis dicitur dialectica,

et definitur bene disputandi scientia (also auch hier wieder die Werwandtschaft mit

der Rhetorik, s. Anm. 107), primo omnium circa oùαίαν veluti circa proprium sui

principium versatur, eæ qua omnis divisio et multiplicatio eorum , de quibus ars

ipsa disputat , inchoat per genera generalissima mediaque genera usque ad formas

et species specialissimas descendens et iterum complicationis regulis per eosdem gra

dus, per quos degreditur, donec ad ipsam oùotwv, eae qua egressa est, perveniat,

non desinit redire in eam, qua semper appetit quiescere. -

113) Ebend. I, 14, p. 462 f.: Aristoteles, acutissimus apud graecos, ut aiunt,

naturalium rerum discretionis repertor, omnium rerum, quae post deum sunt et ab

eo creatae , innumerabiles varietates in decem universalibus generibus conclusit,

quae decem categorias, id est praedicamenta, vocavit. Nihil enim, ut ei visum , in

multitudine creatarum rerum variisque animorum motibus inveniri potest, quod in

aliquo praedictorum generum includi non possit;• haec autem a graecis vocantur

oùótr,7τοσότης, ποιότης, πQός τι, x£ίσ&αι, ἐις, τόπος, zgóvog, 7tQ&rt ειν,

παθεῖν, quae latialiter dicuntur essentia, quantitas , qualitas , ad aliquid, situs,

habitus, locus, tempus , agere, pati ..... Illa pars philosophiae, quae dicitur dia

leetica, circa horum generum divisiones a generalissimis ad specialissima iterum

que collectiones a specialissimis ad generalissima versatur. Vgl. Abschn. XII,

Amm. 84 f.

114) Ebend. 33, p. 478.: Non te latet , nullam praedictarum categoriarum,

quas decem esse Arisloteles definivit, dum per se ipsam, hoc est in sua natura ra

tionis contuitu consideratur (man beachte diese Beschränkung, s. Anm. 117), sen

sibus corporeis succumbere ; nam oÜαία incorporalis est nullique corporeo sensui

subiacet, circa quam aut in qua aliae novem categoriae versantur. At si illa incor

porea est, num tibi aliter videtur, quam ut omnia, quae aut ei adhaerent aut in ea

subsistunt et sine ea esse non possunt, incorporea sint.

XIlI. Scotus Erigena. 29.

hezüglich der , Immaterialität der Universalien auf Boethius beruft und

aus , ihm den für das ganze Mittelalter bleibenden Grundsatz ,,universale

intelligitur, singulare sentitur“ aufnimmt 11°), so wiederholt er ausführ

lich aus Pseudo-Dionysius den Nachweis, dass essentia und corpus gänz- •

lich verschieden seien und nie verwechselt werden dürfen ! '"); kurz

er ist grundsätzlich ein Gegner der „individuellen Substanz“ (des τόδε

τι) des Aristoteles. Aber wir müssen bedenken, dass bei Scotus das

gesammte Gebiet des Vielheitlichen (also auch zuletzt die Vielheit der

Κategorien selbst) in jenes Stadium fällt, wo das concrete Bestehen

eigentlich ein Nichtseinsollendes ist, denn die Wielheit ist durch Thei

lung aus der Einheit geflossen und hat wesentlich den Beruf, wieder

in die Einheit aufgelöst zu werdem, wobei gerade die Mitte der Punkt

der grösstem Entfernung sowohl von der ursprünglichen als von der

schliesslichen Einheit sein muss. So ist die Gestaltung der unendlich

vielheitlichen Dinge der sinnfälligen Welt die erste Hälfte des Prozes

ses gleichsam als Zertheilung Gottes (s. Anm. 109), und Scotus erklärt,

sich an Gregorius v. Nyssa anschliessend, das concrete Auftreten der

sinnfälligen Dinge und überhaupt die Entstehung der Materie durch ein

Zusammentreffem einiger Kategorien, in welchem dieselben durch die

Sinne erfasst werden könnem ''"), wobei zugleich dann ähnlich wie

* bei vorchristlichen Philosophen das Feuer für die sinnlichen Dinge als

formgebend wirkt 11°). Da aber nun , eben diese Mannigfaltigkeit der

Welt es ist, in welche nach Scotus durch die Philosophie die göttliche

Einheit zerlegt werden soll (διαιgetuxj), und aus welcher wieder der

Rückweg zur Einheit zu durchlaufen isl (άναλvtuxij), so erhält jene

115) Ebend. 61, p. 503.: Quid ergo mirum aut rationi conlrarium, si simi

liter accipiamus, magnificum Boethium non aliud aliquid variabilem rem intelleacisse,

nisi corpus materiale ...... si aliter res per se immutabiles puro mentis contuitu

perspicientur in sua simplicitate, aliter sensu corporeo in aliqua materia eæ con

cursu earum facta compositae. Ebend. II, 24, p. 579. : 0mnia enim, quae inttel

lectus in ratione universaliter considerat, particulariter per sensum in rerum omnium

discretas cognitiones definitionesque partitur (also das öQuotuxöv der speciellen De

finitionem fällt schon mehr dem Sensualen anheim). Die Stelle des Boethius s.

Abschn. XII, Amm. 86. u. 91.

116) Ebend. I, 47, p. 489.: Sed adversus eos , qui non aliud esse corpus et

aliud corporis essentiam putant in tantum seducti, ut ipsam substantiam corpoream

esse visibilemque et tractabilem non dubitent, quaedam breviter dicenda esse ar

bitror..... (p. 490.:) Ut autem firmius cognoscas, oùotwv, id est essentiam, incor

ruptibilem esse , lege librum sancti Dionysii Areopagitae de Divinis Nominibus etc.,

worauf c. 48—50. der ausgedehnte Beweis folgt.

117) Ebend. 34, p. 479.: Quantitas vero qualitasque , situs et habitus, dum

inter se coeuntes materiam iungunt, corp0re0 sensu percipi solent ..... Magnus Gre

gorius Nyssaeus cerlis rationibus ita esse suadet, nil aliud dicens materiam esse,

nisi accidentium quandam compositionem ea, invisibilibus causis ad visibilem male

riam procedentem.

118) Ebend. 52, p. 494.: Formarum aliae in oùota, aliae in qualitute intel

liguntur, sed quae in oùota sunt, substantiales species generis sunt ...... Nemo

denegat , ordinem atque positionem naturalium partium seu membrorum ad qualita

tem referri formamque proprie vocari ..... quae ea, qualitate ignea, qu® est calor,

corporibus innascitur . . . . . . et forma vocatur a formo, hoc est calido (s. Festus,

s. v. forma), conversa mum syllaba in ma, antiqui siquidem formum dicebant ca

lidum ...... (53, p. 497. :) Extra vero haec altiori consideratione oόσιαν, quae est

formarum substantialium origo, contemplamur.

30 XIII. Scotus Erigena.

mittlere Stufe der Vielheit auch für die Dialektik eine besondere Be

deutung, demm in eben die memliche Wielheit des Sinnlichen ist der

menschliche Wortausdruck verflochten. Sowie daher in den sinnlichen

Dingen die an sich unkörperlichen Kategorien zuletzt doch (wenn auch

in räthselhafter und mystischer Weise) körperlich gewordem sind, §o'

wird auch die Sprache, soweit sie sinnlich ist, die Kategoriem nur in

der sinnlich- körperlichen Wortform erfassen (wenn auch , gleichfalls

durch eine mystische Werflechtung), und gerade das miutlere Stadium

der Dialektik, nemlich das ögvotizòv (s. Anm. 1 15) in Verbindung mit

dem άποδεικτικόν, wird entsprechend dem conereten Dasein der Dinge

sich zumeist mit dem Wortausdrucke der Wernunft begniigen müssem,

während die reine Wernunft an sich als einheifliche die erste Urquelle

und der letzte Zielpunkt bleibt. In eben diesem Sinne aber spricht

sich auch Scotus selbst ausdrücklich aus, indem er dem Bestand eines

Sprachgebrauches und eine „necessitas significandarum rerum“, aller

dings als mangelhaft und dem Missbrauche ausgesetzt, anerkennt ''*),

ja er bringt dieses selbst wieder in inneren Zusammenhang mit der

bei ilim stets wiederkehrenden Unterscheidung einer affirmativen und

einer negativen Theologie, indem bei ersterer, welche ja das göttliche

Eins in die empirische Wielheit abwärts verfolgt, Alles „nominaliter

sive verbaliter“ über Golt in übertragenem Sinne ausgesprochen werde,

worauf die letztere all llieses wieder verneint 1*°); ebenso deutlich

hingegem bezeichnet er auch das Gebiet, auf welchem die „significatio

nes categoriarum“ in eigentlichem, nicht in übertragenem Sinne , eine

Geltung besitzen, nemlich, wie sich nach 0bigem von sellust versteht,

bei den sinnfälligen Dingen !*!). Und wenn hiemit dasjenige , was no

minaliter sive verbaliter kundgegeben wird, bei dem geschaffenem Din

gen seime angemessene Stellung liat, so findet Scotus aueh hiefür einen

bei ihm folgerichtigen tieferen Hinterhalt nicht bloss in der mystisch

theologischen Auffassung des Johanneischen Logos ***), sondern auch

119) Ebend. 38, p. 481.: Videsne itaque, qua consuetudine rerumque signifi

candarum mecessitate inops verarum rerum discretionis humanitas has abusivas rerum

denominationes (dass man nemlich locus statt pars gebrauche) repererit.

120) Ebend. 76, p. 522.: Haec est .... de deo praedicanda professio, ut

prius de eo iuacta catafaticam, id est affirmationem , omnia * sive nominaliter sive

verbaliter praedicemus , non tamen proprie sed translative; deinde ul omnia , quae

de eo praedicanlur per catafaticam, eum esse negemus per apofaticam, id est nega

tionem, non tamen translalive sed proprie. -

121) Ebend. 15, p. 463.: quemadmodum fere omnia, quae de natura condita

rum rerum proprie praedicantur , de conditore rerum per metaphoram significandi

gratia dicunlur, ita etiam categoriarum significationes, quae proprie in rebus * con

ditis dignoscuntur, de causa omnium non absurde possunt proferri, non ut proprie

significent, quid ipsa sit, sed ut translative etc. Ja es konnte ihm für die An

nahme, dass die Namenbezeichnung (nomen imponere) ursprünglich bei den einzel

nen sinnfälligen Dingen begonmen habe, selbst eine Stelle des Boethius als Aucto

rität gelten, indem derselbe (ad Praed. p. 129.) sagt: Qui enim primus hominem

divit, non i]lum, qui eae singulis conficitur, in mente habuit, sed hunc individuum et

singularem, cui nomen hominis imponeret.

122) Ebend. III, 9, p. 642.: Rationes omnium rerum, dum in ipsa natura

verbi, quae superessentialis est, intelliguntur, aeternas esse arbitror..... Simpleae et

multipleæ rerum omnium principalissima ratio deus verbum est; nam a graecis

λόγος vocatur, hoc est verbum vel ratio vel causa etc.

XIII. Scotus Erigena. - 31

darim, dass dem Dingen durch Adam ihre richtige Wortbezeichnung zu Theil

geworden sei *°°). So nun kann Scotus für die Definitionem und Argu

mentationen, welche mit der Erscheinungswelt zusammenhängen, sicli

getrost auf dem Spraehausdruck stützen und dem entscheidenden Aus

spruch thun, dass „was wir in den Worten erkennen, wir auch in den

durch sie bezeichnetem Dingen erkennen* 12*). Wenn daher, wie wir

obem sahem, die Dialektik bei Scotus die Technik jener sprachlichen

Kundgebungen ist, durch welche wir uns ebenso wie durch die Welt

der Dinge zur höchstem Philosophie erheben sollem, so darf es uns

nieht wundern, wenn eine etwas spätere Zeit dem Johannes Scotus in

erster Reihe unter denjenigen nennt, welche gesagt hätten, die Dialek

tik sei „vocalis“ (s. unten Anm. 312 f.).

Κönnte man nun hiebei sogar darauf hinweisen, dass eine derar

tige Auffassumg der Logik auch selbst den Principien einer empirischen

Erforschung der Dinge nicht ungünstig sei, — die wirkliche Brücke,

welehe vom Nominalismus zum Empirismus hinüberleitete, konnte sich

allerdings erst nach einer läiigeren und reicheren Entwicklung gestal

ten, s. Abschn. XIV, Anm. 77 ff. — , so müssem wir doch jedenfalls

amerkennen, dass Scotus für die Dialektik die Activität der Denkopera

tionem , durch welehe aus dem gegebenen Stoffe der Erscheinungswelt

das philosophische Wissen gewonnen wird, hinreichend betonem kann

und muss. Denn wenn bei ihm auch noch so viele platonisch - christ

Iiehe Mystik in all jenen Fragen waltet, welche sich auf die Herkunft

oder auf das Ziel der menschlichen Seele umd des menschlichen Ver

standes, kurz auf die beidem Endpunkte des , obigen sog. Quadriviums

(Anm. 110) beziehen, so ergibt sich für das mittlere Stadium eine

Auffassumg, gemäss deren bei aller objectiven Immaterialität der Univer

salien doch für das menschliche Denken ein selbstlhätiges Fortschreiten

zur Bildung allgemeiner Begriffe gefordert ist '*°). So ist nanientlich

jede der sog. artes liberales in ihrer technischen Ausführung erst das

Product , welehes aus ' ihrem in der Seele unausgeführt liegenden Be

123) Ebend. IV, 7, p. 768 f.: per hoc maæime intelligitur homo esse, quod

cunctorum, quae sive aequaliter sibi creata sunt sive quibus dominari praecipitur,

datum est eiThabere notionem ...... quod apertissime divina nobis indicat scriptura

dicens: ...... ,,adduacit ea ad Adam, ut videret quid vocaret ea“..... ut videret,

inquit, hoc est ut intelligeret, quid vocaret; si enim non intelligeret, quomodo recte

vocare posset ?

• 124) Ebend. I, 14, p. 459.: Si igitur .... nomina opposita e regione sibi

alia nomina respiciunt, necessario etiam res, quae proprie eis significantur, oppo

sitas sibi contrárietates obtinere intelliguntur, ac per hoc de deo. ... proprie prae

dicari non possunt ..... Et quod in nominibus c0gn0scimus, necessarium ut in his

rebus, quae ab ens significantur, cognoscamus.

125) Ebend. IV, 7, p. 765.: Rerum siquidem sensibilium species et quantita

tes et qualitates , quas corporeo sensu attingo, quodammodo in me creari puto ;

earum namque phantasias dum memoriae infigo easque inter me ipsum tracto, di

vido, comparo, ac veluti in unitatem quandam colligo , quandam notitiam rerum,

quae eaetra me sunt, in me effici perspicio. Similiter etiam interius intelligibilium,

quae solo animo contemplor, verbi gratia liberalium disciplinarum, quasdam n0

tiones veluti intelligibiles species, dum studiose eas perquiro, in me nasci et fieri

intellig0. - -

32 XIlI. Scotus Erigena,

griffe gemacht wird '*°), und während die Dialektik (gleichsam als

Weltdialektik) an sich in der „Natur der Dinge* liegt und von Gott

ausgieng, ist sie doch von dorther durch weise Menschen erst aufge

funden und zur Erforsehung der Dinge angewendet worden !*"). Wenn

demnach Scotus nicht oft genug Begriff (notio) und Wesen (substantia)

in metaphysiseh-ontologischem Sinne identificiren kann '**), so bleibt

dabei die Unterscheidung festzuhalten, dass alles Intelligible bei Gott

als Ursächliches, in dem menschlichen Erkennen hingegen als Wirkung

(effectualiter) bestehe '°°); nemlich während die substantia (der 'ideelle

Gáttungsbegriff) in der Intelligenz des Menschen ebenso sehr sich fin.

det, als die übrigen quinque voces theils der Natur (lesselben theils

gleichfalls der Intelligenz angehören 1*"), bewahrt der Mensch bei Uebung

der Dialektik immerhin die Aetivität seines Denkens, durch welches er

die Dinge in Gattumgen und Artem u. s. f. theilt, wenn gleich diese

Theilung auch objectiv in der „Natur“ selbst schon vorliegt '°'). Ins

besondere aber bezeichnet Scotus das Definiren als eine Thätigkeit,

nemlich als actio intelligentiae, wobei uns wegem innerer Harmonie mit

0bigem (Anm. 92) noch von Wichtigkeit ist, dass er bei seinem Be

streben, die Kategorie des locus so unkörperlich als möglich zu fassem,

dieselbe direct spiritualistisch mit der Definition identificirt 1°*), wor

nach hiemit auch von hier aus ein Reflex auf jene Werthschätzung der

126) Ebend. p. 766 : Quia notitia artium, quae in anima est, ab ipsis arti

bus formari videtur. Sed si certissima ratione suaderes , non notitiam eae artibus,

verum artes eae notitia formari, tua forsitam ratiocinatio recte ingrederetur.

127) Ebend. 4, p. 749.: intelligitur, quod ars illa, quae dividit genera in

species et species in genera resolvit, quae διαλεxruxi, dicitur, non ab humanis

machinationibus sit facta, sed in natura rerum ab auclore omnium artium, quae

vere artes sunt, condita et a sapientibus inventa et ad utilitatem solerti rerum in

dagine usitata. Vgl. jedoch Anm. 227.

128) Z. B. ebend. 7, p. 770.: Itaque si notio illa interior, quae menti inest

humanae, rerum quarum notio est substantia constituitur, consequens, ut ipsa notio,

qua se ipsum homo cognoscit, sua substantia credatur. Es zieht sich dieser Grund

satz in häufiger Anwendung durch die ganze Deduction in dem ersten Capp. des

IV. Buches hindurch.

129) Ebend. 9, p. 779.: ut in divino intellectu omnia causaliter, in humana

vero cognitione effectualiter subsistant.

130) Ehend. 8, p. 773.: iubemur intelligere, omnem visibilem et invisibilem

creaturam in solo homine esse conditam, cum nulla substantia sit creata, quae in

eo non intelligatur esse, — nulla species seu differentia seu proprium seu accidens .

naturale in natura rerum reperiatur, quae vel ei naturaliter non insit vel cuius n0

titia in eo esse non possit.

131) Ebend. I, 25, p. 472.: Genera quoque et species ipsius oòotas, cum se

in diversas species numerosque multiplicant, agere videntur ( es handelt sich nem

lich * dort um die Kategorien agere und pati). Si quis vero rationis virtute iuacta

illam disciplinam, quae ἀναλvtuxi vocatur, et numeros in species et species in ge

nera generaque in oόσταν colligendo adunaverit, pati dicuntur, non quod ipse col

ligat, natura enim collecta sunt sicut etiam divisa, sed quia colligere actu rationis

ea videtur, nam cum et eadem dividit, similiter agere dicitur, ea vero pati.

132) Ebend. 32, p. 478.: Aliud igitur est corpus et aliud locus , sicut aliud

est quantitas partium, aliud definitio earum (in der ganzen v. c. 27—43 sich er

streckendem Erörterung ist durchgängig locus nur in der Bedeutung ,,Abgränzung“,

d. h. ögt opuòς verstanden). 43, p. 485.: Videsne itaque, non aliud esse locum,

nisi actionem intelligentis atque comprehendentis virtute intelligentiae ea, quae com

prehendere potest, sive sensibilia sint sive intellectu comprehensa.

XIII. Scotus Erigena. 33

Topik zurückfällt. Uebrigens erscheint uns die memliche Beachtung der

Activität des Denkens bei Scotus auch gelegentlich einer Frage, welche

uns schon anderwärts als Schulcontroverse begegnete ; nemlich die Be

griffe iles Nichts und der Finsterniss (s. oben Anm. 47 u. 72 ff.) ma

chen auch dem Scotus häufig zu schaffem, aber er weiss bei denselben

jenem seinem Standpunkte, welchen wir bisher trafen, treu zu bleiben.

Die Finsterniss ist ihm der Begriff (notio) der objectiv realen Abwesen

heit des Lichtes '**), wornaéh bei Berufung auf die betreifende Bibel

stelle bezüglich der wirklichen Existenz des Lichtlosen '**) die Er

klärung möglich ist, dass unter der Finsterniss dasjenige Sein, welches

allem wirklichen Erkennbaren vorhergieng und hiemit sich allem Den

ken entzieht (gleichsam Schelling's „unvordenkliches Sein“) zu verstehen

sei *°°). In völliger Uebereinstimmung kann sich dann hieram der Be

griff des Nichls anschliessen 1°°), bei welchem gleichfalls die sprachlich

logische Function des Denkens ihre Berücksichtigung findet '*"), während

am der biblisch-theologischen Lehre festgehaltem wird ***).

Der Inhalt der ausgedehnten Erörterungen, welche Scotus den

Kategorien widmet, gehört der Geschichte * der Theologie an umd be

ruht ausserdem nicht einmal auf selbstständigen Ansichten des Scotus,

sondern ist grossentheils aus Pseudo-Dionysius, Gregor v. Nyssa und

Maximus Confessor entnommen 1°°). Erwähnt mag demnach nur wer

dem, dass Scotus die ideelle Einheit der Substanz als des Galtungsbe

133) D. praedest. 15, 9, p. 416 f.: Quid significant tenebrae vel silentium, nisi

motionem cogitantis, defectum essentiae? Quid significant .... nisi notionem cogi

tantis, vel lucem vel vocem deesse? D. div. nat. V, 31, p. 943.: Ideoque ea, uno

genere sunt absentiae et res, quarum absentiae sunt, ut lua, et tenebrae , sonus et

silentium, forma et informitas ceteraqüe id genus.

134) D. div. nat. I, 58, p. 501. : Non enim umbra nihil est, sed aliquid;

alioquin non diceret scriptura ,,et vocavit deus lucem diem et tenebras noctem.“

135) Ebend. II, 17, p. 550.: Tenebrae itaque erant super causarum primor

dialium abyssum; nam priusquam in spiritualium essentiarum numerositatem proce

- derent, nullus intellectus conditus c0gn0scere eas potuit quid essent, et adhuc tenebrae

sunt super hanc abyssum quae null0 percipitur intellectu e0 eaccept0, qui eam in prin

cipio formavit. Ebend. III, 29, p. 706.: nomine lucis species rerum visibiles et

intelligibiles, tenebrarum vero significalione causas substantiales omnem sensum et

intellectum superantes .... divinam scripturam insinuasse diacimus.

136) Ebend. III, 20, p. 683.: Ac sic de nihilo facit omnia, de sua videlicet

superessentialitate producit essentias, de supervitalitate vitas, de superintellectualitate

intellectus, de negatione omnium quae sunt et quae non sunt affirmationes omnium

quae sunt et quae n0n sunt.

137) Ebend. 5, p. 634.: Eo namque vocabulo, quod est nihilum, non aliqua

materies evistimatur, non causa quaedam eæistentium, non ulla processio vel oc

casio, quam sequeretur eorum quae sunt conditio ..... sed omnin0 totius essentiae

privationis nomen erat et, ut verius dicam, vocabulum est absentiae totius essentiae.

138) Ebend. 9, p. 647.: in primordiis conditionis suae de omnino nihilo in

informem processit (sc. mundus) materiem. Ebend. 15, p. 665.: Proinde non datur

locus nihilo, nec eætra nec intra deum, et tamen de nihilo omnia fecisse non in va

num creditur; ac per hoc nil aliud datur intelligi, dum audimus, omnia de nihilo

creuri, nisi quia erat, quando non erant. -

139) Ebend. I, 15—63. Der Hauptzweck dabei ist, machzuweisem, dass alle

Kategoriem nur umeigentlich (durch die theologia affirmativa) vom Gott prädicirt

werden können. Vgl. Joh. Huber, d, Phil. d. Kirchenwäter. München 1859. S.

188 u. 343 f.

P R A N t L, Gesch. II. 3

34 XIfl. Scotus Erigena.

griffes auch in der Theilung in Artbegriffe bis zum Individuum herab

strengstens festhält und daher gegen eine Unterscheidung zwischen

subiectum und de subiecto und in subiecto (Abschn. XIl, Anm. 92) po

lemisirt, da sie bezüglich der Substanz selbst identisch seien 149), wo

mit natürlich die schroffste Abtrennung der übrigem meum Kategoriem,

unter welehen er einige auch ovußáματο (vgl. Abschn. VI, Anm. 114)

nennt, zusammenhängt '*'). Ausserdem wendet er auch in Folge neu

platonischer Einflüsse die Begriffe der Ruhe und der Bewegung (s.

Abschn. III, Anm. 50, u. Abschn. X, Anm. 83) derartig an, dass er

dieselben als alleroberste Gattungsbegriffe des Universums den Katego

riem überordnet und letztere im Hinblicke auf jene eintheilt 143). Dass

die Kategorie des 0rtes völlig spiritualistisch gefasst werde, sahen wir

so eben (Anm. 132); von jener des habitus aber wird gezeigt, dass

sie sich auf sämmtliche übrige Kategorien beziehe, und dabei zugleich

ihre selbstständige Stellung behaupte 1**).

Man wird mun jedenfalls zugestehen müssen, dass in damaliger

Zeit diejenigen, welche vom einer gründlichen Lectüre des Scotus aus

wieder zu dem logischen Compendien des Boethius zurückkehrten oder

selbst auch nur obige Stelle des Isidor oder des Alcuim (Anm. 35 u.

66) aufmerksam betrachteten, gewiss zu schärferem Nachdenken über

die Geltung des menschlichen Sprach- Ausdruckes veranlasst werden

140) Ebend. 26, p. 472.: oùαtα in generibus generalissimis et in generibus

generalioribus, in ipsis quoque generibus eorumque speciebus , atque iterum specia

lissimis speciebus, quae atoma, id est individua , dicuntur, universaliter proprieque

continetur ...... in his enim veluti naturalibus partibus universalis oùota subsistit.

Ebend. 25, p. 470 f.: iuaeta dialecticorum opinionem omne, quod est, aut sub

iectum aut de subiecto aut in subiecto est; vera tamen ratio consulta respondet,

subiectum et de subiecto unum esse et in nullo distare ..... , cum nil aliud sit

species, nisi numerorum unitas , et nil aliud numerus , nisi speciei pluralita$. Si

ergo species tota et una est individuaque in numeris et numeri unum individuum

sunt in specie, quae quantum ad naturam distantia est inter subiectum et de sub

iecto, non video. Similiter de accidentibus primae substantiae intelligendum ; non

aliud est enim, quod in subiecto dicitur, et aliud, quod in subiecto simul et de

subiecto ; nam disciplina, ut- eaeemplo utar, una eademque est in se ipsa et in suis

speciebus numerisque. Vgl. ebend. 49, p. 492.

141) Ebend. 63, p. 508.: Sed novem genera, quae solis accidentibus tribuuntur,

ita ... divisa sunt, ut ipsa accidentia, quae primordialiter in essentiis conspiciuntur,

moa, vertantur in substantias , quoniam aliis , accidentibus subsistunt. Ebend. 25,

p. 471.: Categoriarum igitur quaedam circa oόσίαν praedicantur, quae veluti πε

quoyαι, id est circumstantes, dicuntur, quia circa eam inspiciuntur esse; quaedam

verò in ipsa sunt, quae a graecis συμβαματα , id est accidentia, vocantur, quali

tas, relatio, habitus, agere, pati.

142) Ebend. 22, p. 469.: Horum decem generum .quatuor in statu sunt , id

est oùατα, quantitas, situs, locus; seae vero in motu, qualitas, relatio, habitus, tem

pus, agere, pati ..... Ut scias plane , decem genera praedicta aliis duobus superio

ribus generalioribusque comprehendi, motu 'scilicet atque statu, quae iterum genera

lissimo colliguntur genere, quod a graecis τὸ πᾶν, a nostris vero universitas ap

pellari consuevit. -

143) Ebend. 20, p. 467.: Quaero igitur, quare ista categoria habitudinis, cum

ceteris categoriis naturaliter inesse videatur, per se specialiter veluti suis propriis

rationibus subniaca suum in denaria categoriarum quantitate locum obtineat ......

Quod enim omnium est, nullius proprie est, sed omnium commune, et dum in omni

bus subsistat, per se ipsum propria sua ratione esse non desinit. - *

*, -

XIII. Die Quellen der logischen Parteitmg. 35

oder selbst sofort zu nominalistischen Auffassungem gelamgen konnten.

Es sind nemlich, wie mir scheint, zwei Fragen (nieht.bloss die Eine,

welche auch schon Cousin — s. Anm. 19 — hervorgehoben hat),

welche sich beim Betriebe der üblichen Schul-Logik aufdrängen muss

ten. Die erste derselben ist allerdings jené, welche Boethius bei Ueber

setzung der betreffenden Stelle des Porphyrius (Abschn. XI, Amm. 39)

ausdrücklich selbst als prima quaestio bezeichnet hatte, und welche

sich darauf bezieht, ob die Universalien (d. h. die Gattungs- und Art

Begriffe) und die quinque voces eine wirkliche geistige Substantialität

besitzen und unkörperlich seien, oder ob sie in concreter körperhafter

Existenz vorliegen (Abschn. XII, Anm. 86). Es betrifft diese Frage,

wie sieh uns in der Darstellung der antiken Logik himreichend zeigte,

den Gegensatz zwischen Platonismus und Aristotelismus, und für das

Mittelalter versteht es sich nach der gesammten geistigen Richtung,

welche durch die christlichen Ideen bedingt war, ganz von selbst, dass

mam sich überwiegend einem platonischen Realismus zuneigte (vgl. oben

Anm. 20 f.). Die „individuelle Substanz“'des Aristoteles musste unver

ständlich bleiben, sobald dié Erscheinungswelt und die natürliche Ge

staltung mit der Lehre vom Sündenfalle in Verbimdung gebracht worden

war, und mam begmügte sich gerne mit dem schon bei Boethius vor

gefundenem Grundsatze „universale intelligitur, singulare sentitur“ (oben

Anm. 115), einem Dualismus, welcher in specifiseh christlieher Auffas

sung noch bis Descartes fortwirkte und sich leicht zu einem Hinder.

misse empirischer Forschung gestalten konnte. Aueh die subjective Er

kenntnisstheorie konnte hiebei wenig gefördert werden, denn indem die

Universalien logisch hauptsächlich nur dazu dienten, um auf der Jacobs

leiter der tabula logica in dem geöffneten Himmel des summum ens

emporzuklettern, blieben nur jene objeetiv ontologischen Schwierigkei

ten übrig, welche dem Platonismus überhaupt anklebem, d. h. mam

konnte noch darüber streiten, auf welche Art und Weise denn jene

Universaliem. als Ideen Goltes in- dem Unterartem und im den Individuen

zur Erscheinung kommen, ob sie ante rem, ob in re, oder wie sonst

sie seien. -

Die zweite jener Fragen liegt gleichfalls schon bei Boethius vor,

jedoch nieht in solch zugespitzter und handgreiflicher Frageform, wie

jene erstere, denn sie erscheint ja zunächst äusserlich auch nicht als

schroffe Parteifrage. Sie betrifft nemlich den menschlichen Sprachaus

druck, welcher sowohl von Plato als das Product eines psychisehen

Worganges anerkannt worden war (Abschn. lII, Anm. 10 f.), als auch

bei Aristoteles auf gleicher Basis eine eimlässliche Erörterumg gefunden

hatte (Abschn. IV, Anm. 23 u. 105 (f.), und Boethius hatte sich in die

ser Beziehung völlig umverfänglich und gleichsam naiv ausgesprochen,

wemm er sagt, dass die Dinge (res) vom Werstande (intellectus) begriff.

lich erfasst werden, die Sprache aber (voa) den Begrilf bezeichme, nnd

dass daher, da alle Sätze aus bezeichmenden Wortem bestehen, zunächst

die Isagoge umd dann die Kategorien die Aufgabe haben, über diese

Bestandtheile, d. h. über die obersten Namen und Worthezeichnungen

der Dinge (de primis rerum nominibus et de vocibus res significantibus)

zu handeln (Abschn. XII, Amm. 77, 84 u. 110). An sich nun hat

3*

36 XIII. – Die Quellen der logischen Parteiung.

diese Auffassung mit jenem vorigen Gegensatze der Richtungen durch

aus Nichts zu schaffen, sondern geht ausserhalb jener beiden und neben

denselben her, denn dass die menschlichen Gedanken in Wortem ausge

sprochen werden, scheint allgemein von allem philosophischen Parteien

zugestanden werden zu müssem. Selbst wenn daher sich hieran wirk

lich nominalistische Anschauungen anschliessen, so bilden dieselben an

sich nicht den entsprechenden Gegensatz gegen jenen platonischen Rea

lismus, welcher bei Beantwortung der obigen erstem Frage hervortrat,

denn dort musste sich eine Parteiung gestalten, welche nach unserem

' jetzigen Sprachgebrauche als der Gegensatz zwischen Idealismus und

lndividualismus (oder auch Empirismus) zu bezeichnen ist, welch beide

doch gewiss dem Sprachausdrucke die Function eines Zeichens zuge

stehen können. Wenn aber hiemit in diesem Sinne sich sehr wohl

ein Nominalismus denken lässt, welcher durchaus noch nicht anti-rea

listisch ist, so lagen dennoch besondere Umstände vor, durch welche

allmälig eine die Sprach-Bezeichnung berücksichtigende Auffassung der

Universalien in den schroffen- Gegensatz gegen den. platonischen Realis

mns hineingetrieben wurde, sobald mam hur einigermassen mit grösse

rer Schärfe obige Aeusserung des Boethius ins Auge fasste und über

dachte. Wollen wir nemlich selbst davom absehem, dass die Beschränkt

heit des vorhandemen philosophischen umd logischen Materiales, verbun

den mit der geringen Begabung zu rein selbstständigem Schaffen, in

jenem Jahrhunderten einfach nur die Wahl liess, entweder Platoniker

oder Aristoteliker zu sein, so konnte doch schon durch dem Hang des

Platonismus, aus der Wirklichkeit sich in das ideale Jenseits zu flüch

tem und zu solchem Behufe auch die Sprache abzustreifen (Abschn. III,

Anm. 15), sich gar Mancher dazu aufgefordert fühlen, dem Diessseili

gen wenigstens für das Diessseits seine Geltung zu verschaffen, `insofern

ja die Worte die einzige Form seien, in welcher der Mensch auf Er

den Begriffe besitzt. Hiezu aber kam noch, dass die Praxis aller phi

losophischen oder theologischem Erörterungen unmittelbar auf den Wort

ausdruck sich hingewiesen sah, und somit auch die hierauf bezügliche

Technik, d. h. die ars disputandi, am wenigsten sich auf jene hyper

'idealistische Werflüchtigung der Worte einlassen konnte (haben ja doch

später die Praktiker, nemlich die Rhetoriker, sogar den Aristoteles

selbst wieder aus seiner mittelalterlichen Herrschaft zu verdrängen ge

sucht). Ferner fanden sich jene obigem Aeusserungen gerade in dem

Buche D. interpr. (natürlich in der Bearbeitung des Boethius), d. h. in

jenem Buche, über welches von Cassiodor her ein pointirtes, den

Ruhm des Aristoteles hervorhebendes Sprüchlein in der Schule umlief

(s. oben Anm. 34 u. 66), und es konnte hiemach leicht Aristoteles als

der Workämpfer für die Berechtigung der Sprache betrachtet werdem.

Endlich aber wird man auch zugestehen müssen, dass, sobald man

durch die Logik mehr als eine objective tabula logica der Universalien

beabsichtigte, d. h. sobald man in die subjective Werkstätte der mensch

lichen Urtheile umd des mühevollen oder verschlungenem Schliessens

eingehen wollte, jedenfalls die Sprachform und zugleich mit ilr der

Begründer aller wahren Syllogistik in den Wordergrund treten musste;

d. h. die Logiker musstem stets sieh mehr auf die nominalistische oder

XlII. Scotus und die Parteiung. 37

aristotelische Seite neigen. Durch das subjective Element aber förderte

später der aristotelische Nominalismus auch die Erkenntnisstheorie und

bereitete dem Weg zu Baco von Verulam vor, worin ersichtlicher Weise

sich gleichfalls ein innerer Zug des Aristotelismus kumdgibt.

So also konnte sich schon das frühere Mittelalter aus Ein und dem

selben Boethius- den Gegensatz zwischen Realismus und Nominalismus

herauslesen ; jedoch micht aus jener Einen Stelle des Boethius, welche

die Universalien betrifft, ist die Parteispaltung geflossen, sondern zwei

mebeneinander herlaufende Aeussérungen jenes Autors sind es, welche

bei einseitig consequenter Werfolgung ihres Inhaltes zuletzt feindlich an

einanderplatzen musstem. - -

Wie sich nun Scotus Erigena zu den Keimen eines solchen Schis

ma's verhalte, ist aus 0bigem klar ersichtlich. Er steht nemlich gerade

auf der Gränzscheide zwischen der früheren naiven Umbelholfenheit,

welche auch Widersprechendes in Ein Schulcompendium zusammenkne

tete, und dem offen ausbrechenden bewussten Parteikampfe. Er ist

christlich-platonischer Realist, soweit es sich um die ontologisch ewige

Grundlage der Wesenheiten handelt; aber sowie er, der ja lange vor

Entstehung all jener Detail- Controversen lebte, bei seinem Realismus

noch völlig harmlos die Universalien zugleich , ante rem und zugleich

in re bestehen lässt (s. Anm. 140), so ist er amdrerseits hinwiederum.

Nominalist, soweit es sich um die logische Förderung des Erkennens

handelt, und in solchem Sinne musste er jene Stellen bei Boethius ver

stehem, welche über voac hamdeln. In dem exclusiven Sinne, in wel

chem bei dem folgendem Jahrhunderten von Realisten und Nominalisten

die Rede sein wird, ist Scotus allerdings keines von beiden, aber er

ist derjehige, welcher durch seine Zwischenstellung es, hervorruft, dass

neben den Realismus eine nominalistische Richtung hintritt. Es ist ja

auch eine ganz naturgemässe Stufenfolge, dass vorerst im Anschlusse an

Scotus die Ansicht sich kundgibt, die Dialektik sei „vocalis“, insoferne

und insoweit die Universalien Worte seien, später aber, nachdem diess

von hyperidealistischer oder mystischer Seite bestritten worden war,

erst die Steigerung eintritt, dass mam sagt, die Universalien seien über

haupt gar Nichts als blosse Worte. Sowie aber Scotus die ersten Um

risse des späteren Gegensatzes in sich vereinigt, so ist es auch erklär

lich, dass er eine inmere Werwandtschaft mit Denjenigen zeigt, welche

später auf eine Versöhnung hinarbeitetem, und wir werden im weiteren

Werlaufe uns. noch zuweilem an Scotus erinnern müssen (z. B. folg.

Abschn. Anm. 186 u. 252).

Am nächsten an Scotus nun reiht sich ein Commentar zur Isagoge

an, welcher in neuerer Zeit durch W. Cousin bekannt gemacht und zu

folge der handschriftlichen Ueberlieferung dem Hrab a n u s M a uru s (s.

oben Aniii. 78 ff.) zugeschrieben wurde. Nachdem memlich schon früher

auf das Worhandensein einer „Logik des Hrabanus“ war hingewiesen

worden 1**), fand Cousin die betreffende Handschrift selbst, welche

ausser der Dialektik Abälard's logische Commentare unter dem Namen

144) 0udin, d. script. eccl. I, c. 1172.: in bibliotheca Floriacensi, litera A, 4,

eaestat logica Petri Abaelardi una cum logica Rhabani. -

38 XIII. Pseudo-Hrabamus.

des Hrabanus enthält '**), und zwar zunächst eine Schrift „Rabanus

super Porphyrium“, deren Ende fellt, sodann einige Blätter aus der

Mitte einer Paraphrase von Boeth. d. diff. top., und hierauf unter der

Ueberschrift ,,Rabanus supere Terencivaa*, welche offenbar aus „super

Periermenias“ corrumpirt ist, eine Paraphrase zu Boelh. d. interpr. Die .

letzteren beidem enthalten, soweit sich aus den Mittheilumgen Cousin's

schliessen lässt 14°), durchaus nichts Selbstständiges, sondern schliessen

sich so enge und so wörtlich an die Schriften des Boethius an, dass

uns auch zu einer Annahme über dem Autor. derselben jeder individuelle

Anhaltspunkt fehlt. Es ist ebensosehr möglich, dass keines von beidem,

als auch dass beide wirklich dem Hrabanus angelhören ; sollen jedoch

dieselben den memlichem Verfasser haben, welcher auch den Commentar

super Porphyrium schrieb, so scheint die Sache anders zu stehen. Al

lerdings lässt sich nicht direct beweisen, dass Hrabanus denselben un

möglich verfasst haben könne, aber als sehr unwahrscheinlich müssen

wir es immerhin bezeichnen. Chronologische Gründe sind es nicht,

welche entgegenstehem, denn Hrabanus konnte die Schriften des Scotus,

mit welchem er ja auch bei dem theologischen Streite über die dop

pelte Prädestination übereinstimmte, noch sehr wohl kennen; fermer

könnte man, wenn er noch im 9. Jahrh. den Beinamen „sophista“ er

hält 1*"), hieraus den Schluss ziehen, dass er sich specieller und aus

führlicher als Obiges (Anm. 78 ff.) kundgibt, mit Logik beschäftigt

habe. Aber dennoch bestelht zwischen diesem Commentare zur Isagoge

und jenem 0bigen schon in der allgemeinen Behandlung ein solcher

Abstand, dass wir bei dem gänzlichem Mangel an einschlägigen Andeu

tungen in sämmtlichen ächten Werken des Hrabanus uns schwer zu

der Annahme entschliessen könntem, derselbe habe über die Dialektik so

verschieden gedacht und seine logische Auffassung in allen übrigen

Schriften völlig unterdrückt. Ja wenn sich diese Werschiedenheit bis

zum directen Selbstwiderspruche steigert, bleibt nur noch die Möglich.

keit übrig, dass Hrabamus in seiner letzten Lebenszeit nach Abschluss

seiner ganzen übrigem schriftstellerischen Thätigkeit förmlich zur logi

schen Ansicht des Scotus übergegangen sei; dann aber waren wir auch

herechtigt und bemüssigt, die Schrift, in welcher diess geschieht, jeden

falls erst nach Scotus zu erwähnen.

Der Verfasser nemlich des Commentares super Porphyrium schliesst

sich schon darin dem Scotus (s. Anm. 105) an, dass er die Logik in

drei Theile, nemlich in Grammatik, Rhetorik, Dialektik, zerlegt 14°), wo

145) Cousin, 0uvr. ined. d'Abél. p. Xf. u. LXXVI.

146) Ebend. im Appendiae p. 616 f.

147) Rudolf, Ann. Fuld. bei Pertz, Monum. I, p. 364.: Rhabanus quoque , so

phista et sui temporis poetarum nulli secundus etc. Doch dass derartige Ausdrücke

aus jener Zeit nur mit Worsicht aufzunehmen seiem, ist bekannt.

148) Cousin a. a. 0. p. 614.: Quaeritur autem cui parti philosophiae suppo

natur (d. h. die Isagoge) ..... restat ergo, ut logicae supponatur; post quam vero

partem logicae supponatur, quaerendum est; habet enim logica tres partes, gramma

ticam, rhetoricam, dialecticam. Post grammaticam; non enim de genere secundum

grammaticam tractat, quia neque quomodo genus declinetur ostendit , neque si sit

primitivum an derivativum, quae omnia ad grammaticam pertinent. Neque in hoc

XIII. Pseudo-Hrabanus. 39

hingegen Hrabamus nur zwei Theile anerkennt (Anm. 79). Sodann aber

müssen wir nicht bloss in der üblichen Einleitung über den Zweck der

Isagoge (s. Abschn. XII, Anm. 75) die Ausdrucksweise beachtem, dass

dieselbe über die fünf „Dinge oder Worte“ handle 4*°), sonderm. es zeigt

uns auch der weitere Werlauf, dass hier dasjenige, was wir als dem

Nominalismus des Scotus bezeichnen mussten , bereits mit , grösserem

Bewusstsein und in schärferer Form auftrete ; nemlich während einer

seiis auch hier die ideelle Einheit der Substanz innerhalb der speciel

len und individuellen Gestaltung (forma) nach der nemlichen realistischen

Anschauung festgehalten wird, welche bei Scotus (s. Anm. 109 u. 140)

in ontologischer Beziehung sich findet '°"), wird andrerseits bezüglich

der logischen Isagoge *des Porphyrius direct darauf hingewiesem, dass

nach der Ansicht Einiger dieselbe über „fünf Worte“, nicht aber über

fünf Dinge handle. Ja es wird diese Ansicht, dass genus, species u. s. f.

nicht als Sachbezeichnung, sondern als Wortbezeichnung zu verstehen

seien, durch formulirte Beweise gestützt, deren Einer sich auf die De

finition des genus beruft, in welcher die Bestimmung enthalten sei,

dass das genus „ausgesagt“ werde ; ein zweiter Beweis liege darin,

dass die Kategoriem, zu welchen die Isagoge als Einleitung dieme,

selbst gleichfalls ,,de vocibus“ handeln (s. die oben, S. 35, genannteu

Stellen des Boethius),- sowie sie auch Boethius als „nomina“ be

zeichne 151). Und wenn nun noch hinzugefügt wird, dass bei solcher

tractatu docemur, quomodo causas debeat disponere orator, quod ad rhetoricam per

tinet. Relinquitur igitur, ut per dialecticam logicae supponatur.

149) Ebend. p. 613.: Intentio Porphyrii est in hoc opere facilem intellectum

ad praedicamenta praeparare tractando de quinque rebus vel vocibus, genere scilicet,

specie, differentia, proprio et accidente, quorum cognitio valet ad praedicamentorum

cognitionem.

150) Ebend. p. LXXIX.: Alio namque modo universalis est (sc. substantia

eadem) cum cogitatur, alio singularis cum sentitur (so Boeth. p. 56, s. Abschn.

XII, Anm. 86). Hic innuit nobis Boethius, quod eadem res individuum et species

et genus est, et non esse universalia individuis quasi quiddam diversum, ut qui

dam dicunt ; scilicet speciem nihil esse quam genus informatum, et individuum nihil

aliud esse quam speciem informatam.

151) Ébend. p. LXXVIII.: Quorumdam tamen sententia est, Porphyrii intentio

nem fuisse in hoc opere, non de quinque rebus, sed de quinque, vocibus tractare,

id est Porphyrium intendere naturam generis ostendere, generis dico in vocum de

signationem accepti. Dicunt enim quod si Porphyrius in designatione rerum tractat

dé genere et de ceteris, non bene diffinit ,,genus est quod praedicatur etc.“, res

enim non praedicatur. Quod hoc modo probant: si res praedicatur, res dicitur; si

,es dicitur, res enunciatur; si res enuntiatur, res profertur; sed res proferri non

potest; nihil enim profertur nisi voae ; neque enim aliud est prolatio quam aeris

plectro linguae percussio, aeris autem plectro linguae percussio nihil aliud est quam

ìo*; si ijitur Porphyrius de genere in rerum assignatione tractaret, male generis

diffinitionem dedisset dicendo sic. ,,genus est quod praedicatur etc.“, cum genus in

rerum designatione acceptum nullatenus praedicatur. Eius igitur intentionem dicunt

esse, de genere non in rerum, sed in vocum designatione tractare. Adhuc alia ratio

cur Porphyrius tractet de genere accepto non in rerum sed in vocum designatione.

Cum enìm tractatus iste introductorius sit ad Aristotelis categorias et Aristoteles in

categoriis de vocibus principaliter agere intendat, conveniens non eum esset de re

l)us agere qui ad librum de vocibus principaliter tractare intendebat. ...... Prae

terea ea, B6ethii auctoritate in primo super categorias commento confirmatur, genera

et species voces significare; dicit enim illa nomina norem esse (Boeth. p. 5, s.

40 XIII. Pseudo-Hrabanus.

Ansicht eine reale Sachbezeichnung gar nicht ausgeschlossen sei, inso

ferne es sich beim genus um eine allgemein gültige Eintheilung, welche

in der „Natur der Dinge“ liege (s. Anm. 127 u. 131), handeln könne '°°),

sowie ja überhaupt das genus Nichts anderes sei, als „die im Denkem

veranstaltete Zusammenfassung der substantiellen Aehnlichkeit aus den

verschiedenen Unterarten“ 1°°), so ist kein Zweifel mehr darüber mög

lich, dass wir hier nur den Standpunkt des Scotus mit gesteigerter

Schärfe seiner nominalistischen Seite vor uns haben. Aber auch gleich

falls an Scotus (s. Anm. 92 f. u. 105) erinnert uns in diesem Commen

tare die Berufung auf die Topik, und zwar namentlich auf den locus

der Gegensätze 1°*). Anderes hinwiederum schliesst sich, wie leicht

erklärlich ist, als blosse Paraphrase völlig an Boethius an 1°°). Hin

gegen von Wichtigkeit ist uns das Geständniss des Verfassers, dass er

die Analytik des Aristoteles nur vom Hörensagen kenne (vgl. Anm. 98),

ihm also auch des Boethius Uebersetzung jener Bücher nicht bekannt

war 156). -

Mag es sich aber mit der Autorschaft dieses Commentares verhalten,

wie es wolle, so äusserte jedenfalls die Schule, welche Hrabanus be

kanntlich in Fulda eingerichtet hatte, — abgesehen von all dem übrigen

reichen Segen der Cultur, welcher aus ihr floss, — auch auf dem Be

trieb der Logik einen höchst günstigen Einfluss, und aus Frankreich

und der Schweiz weisen mannigfache Fädem auf die Pflege der Schul

wissenschaften in Fulda zurück. Bezüglich der logischen . Parteifrage

jedoch finden wir keineswegs etwa ein abgeschlossenes einheitliches

Gepräge der Fuldenser Schule, und können demnach auch nicht ihrem

Abschn. XII, Anm. 90.); quod si voces non significarent, nullo modo nomina novem

esse possent.

152) Ebend. p. LXXVIII f.: Non tamen genus in rerum designatione accipi

posse negant (der Gedanke Cousin's, negant in negandum oder negari potest zu

änderm, ist verfehlt, denn es ist noch immer von eben Denjenigen die Rede, welche

den logischen Schriften als logischen die voces zuweisen); dicit enim Boethius in

libro divisionum, generis divisionem esse ad naturam, id est apud omnes (auch die

Worte apud omnes will Cousin ändern, sie stehen jedoch bei Boeth. p. 639, s.

Abschn. XII, Anm. 97.); per quod demonstratur Boethius non in vocum sed in rerum

designatione genus accepisse.

153) Ebend. p. LXXIX: Nihil aliud est genus quam substantialis similitudo ea,

diversis speciebus in cogitatione collecta. ln des Boethius Uebersetzung des Por

phyrius (p. 57.) erscheint der Ausdruck ,,collectio** nur bei jener unter den Phi

losophen nicht üblichen (Abschn. XI, Anm. 40.) Bedeutung des Wortes ,,genus“,

wornach es in genealogischem Sinne ein „Geschlecht“ bezeichnet.

154) Ebend. p. 615.: Probat quod genus non dicitur simpliciter sic: si genus

dicitur tripliciter, tunc non dicitur simpliciter; locus ab oppositis ; maæima prop0

sitio: si aliquid oppositum convenit alicui, suum oppositum removetur ab eodem.

155) So z. B. auch dasjenige, was Hauréau, De la phil. scol. I, p. 109. aus

der nemlichen Handschrift, welche Cousin henützt hatte, veröffentlicht; es betrifft

das genus supremum und stimmt dem Simne nach ganz mit Boeth. p. 72 f. überein.

Ebenso ist, was Cousin a. a. 0. p. 615. über die individua angibt, keineswegs

dem Verfasser des Commentares eigenthümlich, sondern findet sich bei Boeth. p.

73. S. Abschn. XII, Amm. 87. -

156) Cousin a. a. 0. p. 614.: ,,Vel in demonstratione,“ id est ad librum

demonstrationum; volunt enim quendam librum esse, qui vocetur liber demonstratio

num, qui apud nos in usu non est.

XIII. Eric v. Auxerre. 41

Begründer die Schuld oder das Werdienst beimessem, ihr in dieser Be

ziehung eine bestimmte Richtung gegeben zu haben, sondern weit elier

scheint sich der Partei-Gegensatz als solcher erst innerhalb dieser Schule

selbst zu entwickeln ; wenigstens treffen wir dort sogleich das eigen

thümliche Factum, dass der Lehrer auf Seite des logisehen Nominalismus,

der Schüler hingegen auf jener des ontologischen Realismus steht.

In Fulda hatte unter Leitung des Haimon, eines Schülers des Hra

banus, E r i c v o n A u x e r r e studirt, und es eröffnete derselbe, nachdem

er noch den Unterricht des Servatus Lupus in Ferrières genossen, in

seimer Waterstadt selbst eine Schule, woselbst unter seinem Zöglingen

ausser Lothar, einem Sohne Karl des Kahlen, sich auch Remigius von

Auxerre befand. Von diesem Eric, dessen Blüthezeit sonach ungefähr

um d. J. 870 zu setzen ist, fandem sich in einer Handschrift von St.

Germain commentirende Glossen zur pseudo-augustinischen Schrift „Ca

tegoriae“ '°"), wobei sich uns wieder eine erneuerte Steigerung jenes

nominalistischen Standpunktes zeigt, welcher uns in der so eben betrach

teten Schrift begegnet war. Eric geht nemlich entschieden von jenen

nemlichem Stellen des Boethius aus, welche wir dort (Amm. 151) als

Beweisgrund angeführt sahen, aher indem er res und intellectus wohl

ähnlich wie Scotus dem Gebiete der Natur zuweist, hingegen diesem

die voae als blosse menschliche Wereimbarung (vgl. Anm. 105) gegenüber

stellt, scheint er den theologischem Hintergrund, welchen noch Scotus

(Anm. 122 f.) für die Sprache fand, völlig zu verschmähen 158). Und

jedenfalls weist er diesem menschliehen Sprachausdrucke eine so starke

Geltung zu, dass er eine substantielle Sachbezeichnung der Universalien

direct verneint und in denselben mur das Verhältniss der prädicativen

Aussage erblickt '°°); ja ausdrücklich bezeichnet er die Stufenleiter,

welche von den Individuen zur obersten Gattung, d. h. zur Substanz,

hinaufrührt (— also jene zweite Hälfte des Weges, welche bei Scotus

άναλvtuw) heisst, s. Anm. 108 ff. u. 120 —), als eine nominalistische,

157) Die Angabe Cousin's (a. a. 0. p. 621.) fand ihre Berichtigung durch

Hauréau a. a. 0. I, p. 135., welcher die betreffende Marginal-Note der Handschrift

genauer las und uns dem Werfasser der- Glossem feststellte. (Eine anderweitige

Schrift des Eric, worin derselbe die Lehren des Haimon umd des Servatus Lupus

im Auszuge zusammenstellte, s. Mabill. Ann. Bened. II, p. 627., scheint verloren zu

sein.) — Die pseudo-augustinische Schrift über die Kategorien ist auch hier durch

obigen Prolog Alcuins (Amm. 53.) eingeleitet.

15S) Bei Hauréau a. a. 0. p. 142.: Tria sunt quibus omnis collocutio dispu

tatioque perficitur: res, intellectus et voces. Res sunt quas animi ratione percipimus

intellectuque discernimus ; intellectus vero quo ipsas res addiscimus ; voces quibus

quod intellectu capimus significamus. Praeter haec autem tria est aliud quiddam

quod significat voces, hoc est litterae, harum enim scriptio vocum significatio est (s.

Abschn. XII, Anm. 110.). Rem concipit intellectus, intellectum voces designant, voces

autem litterae significant. Rursus horum quatuor duo sunt naturalia, id est res et

intellectus, duo secundum positionem hominum , hoc est voces et litterae.

159) Ebend. p. 140.: sed huic occurrimus dicentes, genus non praedicari de

animali secundum rem, id est substantiam, sed designativum nomen esse animalis,

quo designatur animal de pluribus specie differentibus dici; namque neque rationem

animalis potest habere genus, cum dicitur animal est substantia animata et sensi

bilis; similiter nec species dicitur de homine secundum id quod significat, sed iuaeta

illud quod de numero differentibus praedicatur. -

42 XIll. Eric von Auxerre.

indem dieselbe zuletzt in eine engste Stufe, welche uno nomine constat,

auslaufe 160).

Insofern aber dem Eric auch noch andere logische Tractate bei

gelegt wurden, welche in jener nemlichen Handschrift von St. Germain

sich finden, können wir hiemit allerdings nicht übereinstimmen, glauben

aber, dass dieselben in der That noch in jene Zeit, d. h. jedenfalls in

das letzte Drittel des 9. Jahrh. fallen !"!). Won den Marginal-Glossen

zu ,,Periermeniae Aristotelis“ (nach des Boethius Uebersetzung) können

wir füglich ganz absehen, da sie nur dem Commentare des Boethius

selbst entlehnt sind '"*). Ein hierauf folgender Tractat, in welchem

Augustinus de Dialectica mit einer Einleitung und gleichfalls mit Rand

glossen begleitet ist, zeigt eine ganz andere Behandlungsweise als Eric's

Commentar, indem namentlich häfifig griechische Worte eingestreut und

etymologisch erklärt sind; die sehr eigenthümliche Einleitung, in welcher

auch Scotus erwähnt wird, beachtet besonders das Verhältniss Augustins

zur Stoa, schliesst sich aber dann an Isidor (Anm. 27) bezüglich des

Gegensatzes zwischem Dialektik und Rhetorik an 16°). Sodann aber ent

hält jene Handschrift auch noch einen glossirenden Commentar zu des

Porphyrius Isagoge (nach der Uebersetzung des Boethius), welcher uns

bezüglich der Controverse über die Universalien wichtig ist. Die dabei

ausgesprochenen Ansichten liessen sich allerdings mit jenen des Eric

vereinbaren, insoferne hier trotz einer deutlichen Beziehung auf Scotus

schon sehr der aristotelische Begriff der individuellen Substanz hervor

160) Ebend. p. 141.: sciendum autem, quia propria nomina primum sunt in

numerabilia, ad quae cognoscenda intellectus nullus seu memoria sufficit; haec ergo

omnia coartata species comprehendit et facit primum gradum, qui latissimus est,

scilicet hominem, equum, leonem, et species huiusmodi omnes continet; sed quia haec

rursus erant innumerabilia et incomprehensibilia, .... alter factus est gradus angu

stior; ita constat in genere, quod est animal, surculus et lapis; iterum etiam haec

genera in unum coacta nomen tertium fecerunt gradum arctisimum iam et angustis

simum, utpote qui uno nomine solummodo constet, quod est usia.

161) Denn bei einer Handschrift des 10. Jahrh. geht für diesen Fall die Be

weiskraft der Gründe, welche Hauréau a. a. 0. p. 135 f. aus der Gleichheit der

Schrift der Marginalglossen schöpfte, sicher auf eine ldentität der Zeit. Was aber

gegen die Identität der Person spreche, ist sogleich unten anzugeben.

162) ' Cousin a. a. 0. p. 618. -

163) Ebend. p. 619.: Aurelius vocatur dominus Augustinus ab aura, id est

favore populari etc..... ,,Dia“ enim quando per iota scribitur, significat ,,de“ vel

,,eae** praepositionem, quando vero per y, significat duo, sicut est ,, dyalogus“. ....

Sed omisso isto nomine transferamus nos ad dialecticam, de qua nunc nobis loqui

oportet. Dyalectica autem proprie ,,de dictione“, quum in ea rationabiliter de dictis

disputatur; ne quidem videretur ,,de** per appositionem dici, quemadmodum dicimus

,,de monte, de domo,** iunctim proferenda est dyalectica. Nun folgt die oben, Amm.

97, angeführte Stelle über Scotus, sodann: Dicitur microloga, id est parviloga,

sicut rhetorica macrologa, id est longiloga dicitur, macron enim dicunt graece lon

gum. Est autem dialectica disciplina rationalis diffiniendi , disserendi ac vera de

falsis discernendi potens. Hunc libellum edidit dominus Augustinus de origine, ety

mologia verborum partim quidem ad imminutionem Stoicorum partim vero ad con

fusionem; nam Stoici dicebant nullum verbum esse quod non habeat originem, aut

sciatur aut lateat. Quibus ille contradicit innumerabilia inquiens verba quorum

ratio reddi non possit (s. Abschn. XII, Anm 35.). Dialectica nempe est pugnus

astrictus, sicut et rhetorica palma quaedam eaetensa (s. Abschn. VIlI, Anm. 25.);

unde raros et studiosos requirit magistros etc.

XIlI. Jepa (?). 43

tritt, und der, Gattungsbegriff lediglich dem menschlichen Denkem an

heimfällt. Jedoch bliebe es, falls Eric der Werfasser dieses Commentares

wäre, immerhin schoi auffallend, dass derselbe bei dargebotener Ge

legenheit seine entschieden nominalistische Auffassung des genus hier

ganz verschweige und sie nicht, wie doch sehr wohl möglich wäre,

mit seinem ontologischen Standpunkte verbinde. Sodann aber nennt

sich ja der Autor am Schlusse der Glossem selbst, wobei allerdings die

Handschrift dem räthselhaften Namen ,,Jepa“ 'darbietet, bei welchem

ungewiss ist, was wir dahinter zu suchen haben *°*). Jedenfalls zeigt

sich uns hier ein Beleg dafür, dass, wie wir oben S. 35 sagten, von

zwei verschiedenem Seitem her Fragen auftauchten, welche in der Be

urtheilung der Universalien zusammenliefen ; denn sowie Eric von jenen

Worten des Boethius ausgieng, durch welche der Nominalismus an sich

näher gelegt war, so handelt es sich hier um die. zum Realismus hin

neigende Stelle des Porphyrius. Dabei aber wird an die entschiedene

Behauptung, dass genus und species eine wirkliche Existenz haben '°°),

sogleich die Unterscheidümg geknüpfi, dass, während Ein und dasselbe

Subject es ist, welches als universale und als singulare besteht, doch

mur einerseits letzteres als das concrete Sein im Sinnlichwahrnehmbarem

und andrerseits ersteres als das Gedachtwerden der Substanz selbst

betpachtet werden solle 1°°). Darum liege die Unkörperlichkeit z. B.

bei dem genus nicht in jenem, was dem natürlichen Bestehen der Dinge

selbst zu Grunde liegt, sondern eben nur darim, dass es genus ist, und

ebenso verhalte es sich auch bei species und den übrigen der quinque

voces 1°"); kurz die Unkörperlichkeit der Universalien erleide eine Be

schränkung, da dieselben sowohl mit Körperlichem als auch mit Unkör

perlichem (gleichsam geistigem Dingen, z. B. Kunst, Wissenschafi u. dgl.)

verbundem sein können; in beidem Fällen aber seien sie untrennbar an

ihre individuellen Substrate gekettet, daher sie im ersteren Falle mit der

Seele (anima) und im letzteren init dem Geiste (animus) zu vergleichem

seien '°°); ja am besten könne jene Unkörperlichkeit mit der mathe

164) Ebend. p. 623.: Scripturae finem sibi quaerunt hic isagogae; Parva qui

dem moles, magna sed utilitas. Jepa hunc scripsi glossans -utcunque libellum ;

Qu0d logicae si sit, scire legens poterit. Hauréau scheint dieses ganz übersehen

zu haben. - .

165) Ebend. p. LXXXII: Prima quaestio est, utrum genera et species vere sint,

Sed sciendum est, quod non esset disputatio de eis, si non vere subsisterent, nam

res omnes, quae vere sunt, sine eis non esse possunt.

166) Ebend.: Genera et species, id est universale et singulare, unum quidem

subiectum habent, subsistunt vero alio modo, intelliguntur alio; et sunt incorporalia,

sed sensibilibus iuncta subsistunt in sensibilibus, et tunc est singulare, intelligun

tur ut ipsa substantia, ut non in aliis esse suum habentia, et tunc est universale.

167) Ebend. p. LXXXIII: An corporalia ista sint an incorporalia. Quod duo

bus modis accipitur. Nam genus si in e0 quod genus sit, non quod res natura

constat, consideratur, semper incorporale est; verbi gratia, si substantia non consi

deratur in eo quod substantia est, sed in eo quod sub se species habet, incorporalis

est; item si species, quae est homo, consideratur tantummodo in e0 quod sub ge

mere est, est incorporalis et ipsa ; eodem modo et differentia quadrupes non respicitur

quod sit quadrupes differentia, sed unde a bipede differt, ac per h0c et ipsa, incor

poralis est. Similiter de caeteris accipiendum est. • , -

168) Ebend. p. LXXXIV: Ecceptio (Cousin ändert mit Unrecht in acceptio)

44 XIII. Jepa (?). Remigius.

matischen Abstraction verglichen werden, welche an den Körpern die

Verhältnisse der Linien und Flächen als unkörperliche denke, denn in

gleicher Weise sei jeder Gattungsbegriff trotz aller Unkörperlichkeit des

Gedankens doch in den Individuen stets in körperlicher Weise vorham

den *°°). Wird sonach genus als „die im Denken veranstaltete Zusam

menfassumg der Aehnlichkeit aus den verschiedenen Unterartem“ defi

nirt 17°), — wobei im Vergleiche mit obiger Definition des Pseudo

Hrabanus, Anm. 153, béreits die Weglassung des Wortes „substantiell“

zu beachten ist —, so sehem wir, dass bei der Grundansieht des Ver

fassers dieses Commentares schon nicht mehr die naive Indifferenz wie

bei Scotus (s. Anm. 140) bestehe, sondern dass die aristotelische Auf.

fassung mit Absicht und Bewusstsein vertreten werde. Wie sehr aber

hiebei schon eine bestimmte Parteistellung obwalte, ist daraus ersicht

lich, dass hier zum ersten Male mit der Darlegung der eigenen Meinung

des Autors völlig polemische Seitenblicke auf platonisch-realistische Geg

ner verbunden sind 171).

Ein solcher Gegner aber ist Eric's Schüler R e m igi u s v on A uxe r r e,

bekanntlich einer der berühmtesten Lehrer jener Zeit, welcher seit d. J.

882 in Rheims und hierauf in Paris durch grammatikalischem, musikalischen

und dialektischen Unterricht wirkte '"*); und es muss uns sehr wahr

itaque incorporalitatis genere fit, quod et praeter corpora separatum esse possit et

corporibus iungi patiatur ut anima, sed ita ut, si corporibus iuncta fuerint, insepa

rabilia sint a corporibus, neque ab incorporalibus separentur, et utrasque in se con

tineant potestates; nam si corporalibus iunguntur, talia sunt qualis illa prima versus

terminos incorporalitas (s. d. folg. Anm.) quae nunquam discedit a corpore, si vero

incorporalibus, talia sunt qualis est animus qui nunquam corpori copulatur.

169) Ebend.: Termini cum sint semper circa corpora quorum termini sunt,

• incorporei tamen intelliguntur, sicut est epiphania; et haec prima incorporalitas,

primus transitus a corporibus ad incorporea. Huic ergo incorporalitati assimilatur

generis et speciei incorporalitas ; nam, verbi gratia animal et homo , licet per se

intellecta incorporalia sint, in individuis tamen quibus substant, corporalia sunt.

Hiezu die Stelle bei Hauréau a. a. 0. I, p. 139.: Locus in corpore quidem per

cipitur, sed corpus ipse esse minime credendum; est ergo locus spatium, quod

quodlibet corpus .... tenere aut occupare valet; hoc autem spatium .... in sua na

iura propria vi integrum et inviolatum permanet. Die Vergleichung der allgemeinen

Begriffe mit der geometrischen Gränze der Körper (vgl. folg. Abschn., Anm. 71.)

oder mit dem 0rte ist es jedenfalls, welche uns sehr am Scotus (Amm. 132.) : er

innert, wenn auch die Auffassung des locus hier nicht so ausschliesslich spiritua

listisch klingt wie dort, sondern sich mehr an das ` concrete Wesen des Kör

pers hält.

170) Cousin, p. LXXXV: Genus est cogitatio collecta eae singularum similitu

dine specierum. Diess ist der Punkt, an welchen Eric , wenn er der Verfasser

dieser Schrift wäre, seine nominalistische Ansicht hätte anschliessen können und

mtissem. - -

171) Ebend. p. LXXXII: Sed Plato genera et species non modo intelligi uni

versalia, verum etiam esse atque praeter corpora subsistere putat. Und p. LXXXIV:

Hi qui genus et speciem incorporalia solummodo dicunt, hoc probare videntur Por

phyrii ipsius sententia, qui veluti iam probato quod incorporea sint, ita ait ,,et

utrum separata an ipsis sensibilibus iuncta**; quod et si haec aliquando corporalia

eaestitissent, al)surdum esset quaerere, utrum incorporalia seiuncta essent a sensibi

libus am iuncta, cum sensibilia ipsa sint corpora.

172) Sein Schulbuch der lateinischen Grammatik, welches noch im 16. Jahrh.

benutzt, wurde (gedruckt unter d. Titel Remigii Fundamentum scolarium. Basil.

1499. 8.), berührt uns hier nicht. -

XIll. 0tto v. Clugny. Remigius. 45

scheinlich dünken, dass gerade des Remigius Einfluss in Paris noch bis

zur späteren dortigen Richtung fortwirkte, wenn wir auch nicht mehr

im Stande simd, die Fädem, welche vom seinem hervorragenden Schüler

0t to v o n Clugny '"*) zu Wilhelm von Champeaux hinabführen, im

Detail nachzuweisen. Seine logischen Ansichten legte Remigius in einem

Commentare zu Marcianus Capella mieder '"*), und er zeigt dortselbst

die Parteistellumg eines ausgesprochenen Realismus. Er betrachtet nem

lich das genus lediglich als dem Sammelpunkt der speciellen Formem

(formarum, vgl. oben Anm. 109), welche durch Theilung (partitio) aus

ihm hervorgehen und dann wieder als subslantielle Einheit (unitas sub

stantialis) der Individuen bestehen '7°), so dass im platonischen Sinne

Alles bis zum Individium herab sein Sein mur durch ein Theilnehmen

(participatio) an dem obersten genus, d. h. an der Substanz, hesitzt '"°).

In voller Consequenz wird diese Auffassung sogar auch auf die Acci

dentien angewendet, welche sonach vor ihrer Wereinigung mit einem

Individuum ursprünglich gleichfalls selbstständige Substanzen waren 177),

und es verbindet sich hiemit auch die platonische Lelire von der Rück

erinnerung, insofern es sich um geislige Accidentiem, z. B. wissenschaft

liche Bildung, handelt 17°).

173) Joannes, Vita 0d. Clun. l, 19. bei Mabill. Act. Bened. Sec. V, p. 157:

0do his diebus adiit Parisium ibique dialeclicam„Sancti Augustini Deodato filio suo

missam perlegit et Marcianum in liberalibus ìrifus frequenter lectitauit; praecepto

rem in his omnibus habuit Remigium. Vgl. Mabill. Ann. Bened. III, p. 331.

174) Nachdem schon früher das Worhandensein dieses Commentares in ver

schiedemen Bibliotheken (z. B. auch in Leyden) bekannt gewesen war, hat nun

Hauréau a. a. 0. I, p. 144 ff. aus Pariser Handschriften einiges Wichtigere mit

getheilt, vielleicht leider für unseren Zweck zu wenig, und auch dieses nicht immer

im Originaltexte. (Die Note p. 148, aus welcher man auf eine grössere ander

weitige Veröffentlichung von Fragmenten des Remigius schliessen könnte, bezieht

sich, wie mir H. Hauréau freundlichst mittheilte, nur auf einen Missbrauch, welcher

mit den eigenem Adversarien desselben vor dem Drucke des Buches von einem

Drittem getrieben wurde.)

175) Hauréau, p. 145.: Genus est complezio, id est adlectio et comprehensio

multarum formarum, id est specierum ..... Est autem forma partitio substantialis,

ut homo ; h0m0 est multorum hominum substantialis unitas.

176) Ebend. p. 146.: Voici comment il s'eaeprime: ,,Il est un genre plus

général que les autres, au-delâ duquel l'intelligence ne peul s'élever, que les Grecs

nomment oùατα, et les Latins essentia. En effet, l'essence comprend toutes les na

tures et tout ce qui eæiste est portion de l'essence — , cuius participatione consistit

omne quod est .... descendit autem per genera et species usque ad speciem spe

cialissimam quae a graecis ath0m0s, id est individuum et insecabile dicitur, ut

est Cicero.** -

177) Ebend. p. 147.: Il n'est pas douteua, que l'accident proprement dit vienne

s'unir à la substance individuelle ; mais avant que cette uhion soit opérée, où se

trouve, dit-il, l'accident ? Qu'est-il? Ne peut-on pas dire qu'il est par lui-même

quelque substance ,,substantia per semet ?** Cicéron est orateur, rhéteur; voilà

l'accident ; mais avant de s'unir à Cicéron 0u de se produiré en lui, la rhetorique

n'était-elle pas une substance?

178) Ebend. p. 148.: 0mnis , naturalis ars in humana natura posita et con

creta; inde fit ut omnes homines naturaliter habeant naturales artes. .... Cum ergo

apparet rhetorica in animo alicuius hominis, non aliunde venit nisi a se ipsa, id

est de profunditate memoriae, et ad nullum aliud redit, nisi ad eandem eiusdem

memoriae, profunditatem. Accidens enim in una forma, id est in una specie, ut rhe

torica, non nisi homini accidit. Homo una species ; philosophi dicunt, ominibus

46 XIII. Die Parteispaltumg. St. Gallem.

Somit liegt bereits am Ende des 9. Jahrh. jeme ganze Parteispal

tung vor uns, welche man gewöhnlich erst dem Ende des 11. Jahrh.

zuzuschreiben pflegte oder noch pflegt 17°), und was das Princip be

triffi, so haben Roscellinus, Wilhelm von Champeaux, und selbst Abälard

nichts Neues im Vergleiche mit den so eben erörterten Erscheinungen

vorgebracht; dass bei ihnen die Darlegung der Parteistellung reicher

und einlässlicher sich gestaltete, ist sehr erklärlich, da ja der Streit in

der Schule eben zwei Jahrhunderte vorher schon begonnen hatte. Drei

Auffassungen aber, nemlich der sog. Realismus Plato's, der aristotelische

Individualismus, umd der Nominalismus, hatten sich schon im 9. Jahrh.

herausgestellt, und zwar, wie wir wenigstens versuchteii zu zeigen,

nicht ohne dem Einffuss des Scotus Erigena. Dabei jedoch kann es,

wie sich von selbst versteht, Niemandem in dem Sinm kommem , dem

Remigius und jenen Jepa (?) und den Eric oder obigen Pseudo-Hrabanus

etwa als die erstem Entdecker oder Erfinder der vom ihnem vertretemem

Ansichten zu betrachten, sondern dieselben dürfen uns mur als Reprä

sentantem von Richtungen gelten, welche aus dem logischen Schul-Ma

teriale mit Nothwendigkeit hervorgehen mussten, sobald man nur über

haupt etwas mehr machdachte, und wir dürfen überzeugt sein, dass in

jener Zeit wohl überall, wo man sich mit Logik beschäftigte, die glei

chen Gegensätze sich herausstellten (vgl. unten Anm. 238; eine sorg

fältige Durehforschung aller Jibliotheken würde wahrscheinlieh noeh

manchen Beleg hiefür zu Tage fördern). Dass die weitere Fortbildung

der Controversen durch die Berühmtheit einzelmer Lehrer und mament

lich gerade durch polemische Darstellungen nur gefördert werden konnte,

ist vom selbst klar ; aber der erste Anfang des Streites muss jenem

Jahrhunderte zugewiesen hleiben, welchem er wirklieh angehört. .

In dieselbe Zeit (Ende d. 9. Jahrh.) fallen auch die Tersten Keime

jener Thätigkeit in S t. G a Ile n, derem reichere Blüthe uns bald weiter

untem begegnen wird. Auch hier weist uns der damalige Kulturgang

auf Fulda und die Schule des Hrabamus als die eigentliehe Quelle zu

rück 1°°), und es versteht sich von selbst, dass die theologiseh-kirch

liche Grundlage der freiem Künste, welche in der Schule die übliche

hominibus accidere disciplinas; qu0d si ita, ergo omnis homo rhetor, dialecticus.

Videmus tamen complures eæpertes esse rhetoricae et aliarum disciplinarum ; non

ergo verum, quod omni homini rhetorica accidat. Sed aliud quod accidit secundum

naturam, aliud qu0d secundum ea:ercitium et eæperientiam ; ergo secundum naturam

omni homini accidit disciplina, solis ver0 philosophis secundum eæercilium et eae

perientiam. Hiebei ist der Realismus um so beachtenswerther, da Remigius zu letz

terer Auseinandersetzung offenbar durch eine Stelle des Boethius veranlasst wurde,

wo letzterer gerade über den Sprachausdruck handelt (Boeth ad Ar. d. interpr.

p. 323.: sicut erg0 naturaliter singularium artium sumus susceptibiles, sed eas non

naturaliter habemus, sed doctrina concipimus, ' ita voae quidem naturaliter est, sed per

vocem significatio non* naturaliter).

179) Natürlich mit Ausnahme der Darstellungen bei Cousin und bei Hauréam;

auch H. Ritter zog es trotz der Mittheilungen des ersteren (— die des letzterem

konnte er i. J. 1844 noch nicht kennen —) vor, nach älterer Weise den Nomi

nalismus und Realismus erst mit Roscellimns und Wilhelm von Champeaux zu

eröffnen. -

180) S. Wackernagel, Gesch. d. deutsch. Litt. S. 78 ff. Vgl. auch Weidmann,

Gesch. d Bibl. v. St. Gallen. 1841.

I. XIII. St. Gallen. Glossarium Salomonis. 47

war (s. oben Anm. 17, 24, 49, 80 f.), auch in St. Gallen ' im Auge

behalten wurde 1°1). Welche Wichtigkeit die dortigen Bestrebungen

auch durch die Anwendung unserer nationalen Sprache besassen, ist

bekannt genug ; es mag. aber in dieser Beziehung gelegentlich bemerkt

werden, dass es damals auch ausgesprochene Gegner des Uebersetzens

gab '**); jedoch diese Seite der St. Galler Periode liegt uns hier ja

ferne. Hingegen was das logische Material der dortigen Schule betrifft,

dürfen wir die vereinzelte Notiz nicht verschweigen, dass ein Bücher

Werzeichmiss aus d. J. 872 vom ,,fünf Büchern“ des Boethius (ausser

der Schrift d. consol. phil.) spricht 1°°), denn im Zusammenhalt mit einer

späteren Angabe (Abschn. XIV, Anm. 6) dürfen wir hieraus schliessem,

dass auch in St. Gallem in jener Zeit die von Boethius gemachte Ueber

setzung der aristotelischem Analytiken noch unbekannt war. -

Der sog. ,,Vocabularius S. Galli“ und die „Keronisehen Glossen“

enthaltem noch durchaus nichts Logisches 4°*), hingegen bietet das sog.

Glossarium Salom o nis !*°) uns einiges Interesse dar, indem dort in

der alphabetischen Reihenfolge, in welcher das ganze encyklopädische

Schulwissen damaliger Zeit vorgeführt ist, sich aueh reichlich logisches

Material findet. Allerdings sind es fast ausschliesslich nur die Angabem

des Isidorus, welche hier in alphabetischer Zerrissenheit und mit bar

barischer Schreibung der Kunstausdrücke erscheinen 1°°); aber einiges

181) Eckehard vita S. Notkeri b. Canis. Ant. lectt. III, p. 554.: In monasterio

S. Galli septem liberalium artium studium floruit, et ille sub Isone magistro (Iso

starb 871) hoc in tempore literatissimo artium liberalium subtilitates non pro gloria

seu favore seculi, sed pro utilitate sanctae dei•ecclesiae admodum satis edoctus fuit.

182) Wenigstens sagt Servatus Lupus (gest. 862), Epist. 41.: Vobis aperio,

principem operam me destinasse lectioni el ad oblivionis remedium et eruditionis

augmentum libros pauculos paravisse, nec germanicae linguae captum amore, ul

ineptissime quidam iactaverunt, sarcinam subiisse tanti tamque diuturni laboris.

183) Ratpert. Cas. S. Galli b. Pertz, Mon. II, p. 72.: Isidori Etymologiae.

Marcianus Capella. Boethii philosophiae consolatio, item alii quinque libri.

184) Ich habe die ganze Glossen-Litteratur jener Jahrhunderte, soweit sie ge

druckt worliegt, durchgelesen, aber äusserst selten Worte aus der Logik gefundem

(mehr aus der Rhetorik), und jenes Wenige beruht ausschliesslich auf Isidor und

Marc. Capella. .

185) Der Constanzer Incunabeldruck s. l. e. a. dieses Glossariums (wovon

Ein Exemplar sich in der Münchner Staatsbibliothek findet) enthält eine Epistola

praelibaticia, welche gegen das schlechte Latein (des 15. Jahrh.) und auch gegen

das Catholicon des Joannes Januensis polemisirt umd dabei ausdrücklich den Bischof

Salomo II. (876—890) als Werfasser nennt (ergo Salomon ille noster secundus

Constantiensis ecclesiae episcopus etc.). Weidmann a. a. 0. p. 461. schreibt es

Salomo III. selbst (890—920) zu ; richtiger aber scheint die Ansicht zu sein, welche

Graff, Diutiska III, p. 411 ff. und R. v. Raumer, d. Einwirk. d. Christenth. a. l.

althochd. Spr. p. 128. aussprechen, dass das Ganze nur im Auftrage Salomo's llI.

von Notker Balbulus (gest. 912) und von Tutilo (gest. 912) etwa auch mit Be

nützung von Excerpten lso's gemacht sei. Vgl. auch E. Dümmler, D. Formelbuch

des Bisch. Sal. III. Berl. 1857, p. 110. Uebrigens besteht das gedruckte Exem

plar aus zwei Glossarien, deren ersteres 238 unpaginirte Blätter gross Folio im

je zwei Columnem, das zweite aber, welches sich weder als Auszug noch als Supple

ment des ersten zeigt, ebenso 49 Blätter füllt. -

186) Die Eintheilung der Philosophie und der freiem Künsie mach Isidor. (s.

oben Anm. 23.) steht s. v. Philosophia und Disciplinae, wobei auch der Unterschied

zwischen ars und disciplina (Amm. 26.) nicht fehlt; die verschiedenem Angabem

über die Logik selbst (Änm. 27.) sind vertheilt s. v. Dialecticus und Logica und

48 Glossarium Salomonis. Poppo.

Einzelne weist doch auch auf anderweitige Lectüre hin, wie z. B. höchst

abenteuerliche Notizen über die „Entelechie“ oder über das Verbum

Eiut ***), oder wenn bei den Kategorien der Qualität und der Relation

(jedoeh nur bei diesen beidem) Ausführlicheres unmittelbar aus Boethius

benutzt ist ***); dasselbe gilt von der Berücksichtigung sophistischer

Schlüsse, welche nicht aus Alcuin (Anm. 71) und nicht aus Hrabanus

(Anm. 82), sondern selbstständig aus Gellius (Abschn. VIII, Anm. 66)

entmommen sind '°°).

Dass das zehnte Jahrhundert in geistiger Beziehung die Zeit der

grössten Unfruchtbarkeit und Finsterniss gewesen, ist hekannt, und so

findem auch wir auf unserem Gebiete nur die Bestätigung eines solchen

Urtheiles, denn in der That ist es der Zeitraum eines ganzen Jahrhun

dertes, aus welchem wir auch nicht eine einzige selbstständige Arbeit

oder auch nur die Anfertigung eines Compendiums mit Sicherheit an

führen könnem. Um so mehr aber müssen wir eben deshalb in dieser

Periode auch jede geringfügige Spur verfolgen, welche uns den Nach

weis geben kann, dass doch wenigstens- der receptive, — wenn auch

nicht der productive —, Schulbetrieb der Logik noch fortglimmtg und

somit der Faden der Tradition nicht völlig entzweiriss.

Eine solehe Anknüpfung an Früheres wäre zu erkennen, wenn

P o p p o in Fulda (um d. J. 960) seinen Schülern ausser dem Boethius

auch andere philosophische Schriften erklärte '°"); ob aber wirklich

Ralionabilis; das ganze Capitel über die Isagoge (Anm. 28—31.) nur mit Weg

lassumg der letztem paar Zeilen (Anm. 31.) steht s. v. Hisagoge, ebenso vollständig

der Abschnitt über die Kategorien (Amm. 32.) s. v. Kategorie, und Einzelnes daraus

wieder s. v. Equivoca, Homonima (Anm. 42.), 0m0nima, Sinonima, Quantitas, Sub

stantia, Usia. Won der Lehre vom Urtheile steht s. v. Periermenias bloss jenes

Sprüchlein (Amm. 34.), sodann aber Einzelnes s. v. Apofasin, Contradictio, Kata

fasin, Negatio, Nomen, Verbum. Das Wort Definitio selbst fehlt, aber Einzelnes

ist angegeben s. v. Kataapheresin, Katahipotip0sin , Kataepenon, Kataanalogiam,

Kataetilogiam. Aus dem Abschnitte über die Syllogistik (Amm. 38.) ist nur Eine

Notiz s. v. Yppoteticos entnommen, hingegen Mehreres aus dem rhetorischen Ab

schnitte (Anm. 43.) vertheilt s. v. Catasceua, Entimema , Rationatio, Sillogismus;

die Topik aber (Amm. 39.) ist s. v. Topica vollständig abgeschrieben. Endlich aber

fehlen auch hier nicht jene obigen zwei Einzelnheiten (Anm. 45. u. 47.); sie stehem

s. v. Rationale und s. v. Tenebras.

187) Endelechia i. e. psichen secundum Chalcidium perfecta aetas, secundum

Aristotelem absoluta perfeclio interpretalur, Plato tamen endelechiam animam mundi

dicit, et dicta endelechia quasi endos lechia, i. e. intima aetas. — Emi verbum sub

stantivum, i. e. sum, cuius participium praesentis temp0ris neutri generis ens, plu

rale eius oysa, i. e. entia, cui addita iota format hoc n0men qu0d est usia, i. e.

essentia.

188) S. v. Qualitas (vgl. Boeth. p. 186 f.) und s. v. Relatio (vgl. ebend.

. 170.). - p. 189) Dilemmatum argumentum quod est ab utraque parte firmissimum et con

cludit adversarium (diess erinnert an Scotus, s. Anm. 93 ff.). Dilemma est cornu

tus sillogismus. — Pseudomeni dicuntur fallaces a graeco, qui rem aliquam men

tionibus conantur asserere, ut dicimus de philosophis qui aiunt: si dicam menliri

et non mentior; verum dico. — Sofistice, argute, sapienter conclusione vel reprehen

sione. — Im zweiten Glossare: Sophislem, eloquentissimus orator. — Sophismata,

i. e. fraudulentae assertiones. — Sophismata sunt falsae conclusiones verborum, i.

e. ubi in falsis sententiis conneacionis veritus manet (s. Anm. 83.).

190) Trithem. Ann. Hirsaug. a. 970, p. 113.: Claruit his etiam temporibus in

monasterio Fuldensi .... Popp0 venerabilis monachus, magister scholarum consensu

XIII. Reinhard. Johann v. Gorz. Gunzo. 49

ein gewisser Re i n h a rd, Scholasticus in St. Burchard zu Würzburg

(um d. J. 935) einen aus vier Büchern bestehenden Commentar zu den

Kategorien geschrieben habe, ist wohl nicht ganz gewiss, denn ausser

der Unlauterkeit der Quelle, welche diess berichtet, muss jene Zahl der

Bücher darum einigen Argwohn erregen, weil der Commentar des Boe

thius gleichfalls vier Bücher enthält, und somit die Möglichkeit sehr

nahe liegt, dass Reinhard nur eim Exemplar des Boethius copirt habe;

falls er jedoch auch eine Schrift über die Quadratur des Cirkels ver

fasste, würde diess, immerhin, wie . wir unten, Amm. 251 und 278,

sehen werden, auf eine speciellere Beschäftigung mit des Boethius Com

mentar zu den Kategorien hinweisen 4°4). Auch die Notiz, dass J o -

h a m m von Wendiere, Abt in G o r z bei Metz (welcher i. J. 955 als

Gesandter 0tt0 des I. nach Cordova zu Abdur Rahman II. gieng), bei

seinen Studiem durch Augustin's Trinitätslehre auf die Kategorien oder

die Isagoge hinübergeleitet wurde, mag höchstens als Beleg dafür an

geführt werden, dass Alcuin (oben Anm. 51) in der Schule fortwirkte,

wenn auch, wie die nemliche Quelle besagt, derlei logische Untersu

ehungem bei anderen Klerikern keineswegs Beifall fandem '°°).

Hingegen finden wir aus dem Anfange der zweiten Hälfte dieses

Jahrhunderts wenigsteiis eine Hinweisung auf die logische Parteifrage

in einem Briefe des G u n z o I t a lu s '°°), welcher Diaconus in Novara

gewesen war und durch Otto I. nach Deutschland gezogen wurde ; und

vielleicht dürfen wir aus der Schulkenntniss, welche Gunzo zeigt,

schliessen, dass mam auch in Italien jemen Fragem nicht ganz fremd

geblieben war, wenn wir auch auf die zweiumddreissig ,,Philosophen“,

welche schon im 9. Jahrh. in Benevenl gelebt haben sollen '°*), wenig

omnium constitutus, qui cum esset omni scientia scripturarum eruditissimus , mul

torum audientium praeceptor egregius fuit; hic, ut Meginfridus testatur, libros Boe

thii de consolatione primus inter omnes suis commentariis eæplanavit, plura denique

veterum synthemata philosophorum suis discipulis legere c0nsuevit. Dass die Anga

ben des Trithemius nur vorsichtig zu benutzen sind, ist bekannt.

191) Ebend. a. 934, p. 72.: Claruit his quoque temporibus apud Francos

orientales in coenobio sancti Burkardi iuaeta Herbipolim Reinhardus monachus et

magister scholarum ibidem in omni genere doctrinarum nominatissimus, sub cuius

institutione scientia litterarum multa claustrales eiusdem loci complures mirifice pro

fecérunt ; scripsit inter cetera ingenii sui opuscula de quadratura circuli librum

vnum, in categorias quoque Aristotelis libros quatuor, de musica libros duos , de

arte poetica (?) librum unum, in canticum canticorum librum unum etc.

192) Joann. Mett. vita Joann. Gorz. c. 83 bei Pertz, Mon. VI, p. 360.: postre

mum in libris de Trinitate multa intentione sudavit; in quibus cum de dialecticis

rationibus quaedam offendisset, maæime ubi .... eam quae dicitur ,, ad aliquid“

cathegoriam introducit eiusque occasione de omnibus quoque decem praedicamentis

strictim quaedam commemorat, scholasticam moae super his sibi operiendis eæpetens

ab ipsis introductionibus Isagogarum laborem arripuit lectionis. In quo cum diu

.... luctaretur, repente dominus pater Einoldus (Abt zu Gorz) medios praecidit cona

tus .... tempora in his frustra eæpendere nolens ab hoc studio eum avertit iussitque,

vt animum potius sacra lectione occuparet.

193) Näheres über ihn s. b. J. Chr. Gatterer, Commentatio de Gunzone. Nürnb.

1756. 4.

194) Anon. Salern. bei Pertz, Mon. III, p. 534.: Ludovici secundi imperatoris

aetate triginta duos philosophos Beneventi vivisse , inter quos Henricus liberalibus

disciplinis non solum apprime imbutus, sed etiam proba veritate deditus. Pertz er

P R A N T l, Gesch. II. - 4

50 XIII. Gunzo.

Gewicht legen wollem. Kurz jener Gunzo hat in einem i. J. 960 an

die Reichenauer Mönche geschriebenem Briefe '°°) Gelegemheit, nicht

bloss logisches Material zu erwähnen, wobei wir hervorheben dürfen,

dass er ausser dem Marcianus Capella und Arist. d. interpr. auch die

ciceromische und die aristotelische Topik (letztere gewiss nur in jener

Vereinigung beider Topiken bei Boeth. d. diff. top.) nennt *°°), sondern

er geht auch mit einem gewissen Forschungssinne und jedenfalls mit

Vorliebe und Lobeserhebungen auf den gleichsam als Zauberkunst wir

kenden lnhalt der Logik, zumal der Lehre vom Urtheile, ein **"), und

versucht selbst nicht ohne Geschick die logische Technik auf anderwei

tigen Stoff anzuwenden 19°). Sodann aber, was uns das Wichtigste

klärt philosophus als clericus vel monachus, vielleicht richtiger Giesebrecht (De litt.

stud. ap. Italos. Berol. 1845, p. 15.) als doctor artium liberalium.

195) Die Weranlassung des Briefes liegt darim, dass Gunzo in St. Gallen beim

geselligen Mahle wegem eines Grammatikal-Fehlers eine bittere Verunglimpfung von

Eckehard erfahren hatte, worüber er num die Reichenauer um schiedsrichterliche

Entscheidung bittet. Abgedruckt ist der Brief b. Martene, Vett. scriptt. ampliss.

coll. I, p. 294 ff.

196) Ebend. p. 304.: Adveniens (d. h. mach St. Gallem) deferebam paene

centum librorum volumina ..... inter quae erat Marciani in septem liberalibus disci

plinis succincta veritas ..... ; deportabatur quoque Platonis in Timeo (d. h. Chal

cidius) viæ intellecta profunditas, Aristotelis in libro Periermenias aut nostris viae

temporibus tentata aut non perspecta obscuritas (Wirkung jemes nun schon oft er

wähntem Sprüchleins), Ciceronis Aristotelisque non contemnenda Topicorum dignitas

(selbst schon der Wortausdruck weist uns sicher nur auf des Boethius Werknüpfung

der ciceronischen und aristotelischen Topen hin).

< 197) Ebend. p. 305 : Haec (sc. Minerva, d. h. die Wissenschaft) ita aliquando

ambiguitate obfuscatur, ut quae res cui generi subponi debeat difficile possit inve

niri; verbi gralia si quis ita proponat, cum 0mnia quaecunque sunt aut substantia

aut accidens habeantur, quid de differentia dicendum est, quae neque substantia ne

que accidens dici potest? Subslantia dici nequit, quia n0n praedicatur in e0 quod

quid sit ; accidens idcirco vocari non potest, quia substantiam informat (vgl. Anm.

109. u 150.); quod enim substantiam constituit, in substantia praedicatur. Est

autem haec tam subtilis prudentiae , ut decem et novem modorum conclusionibus

(diess aus Marcianus Cap., s. Abschn. XII, Anm. 68.) omnem paene logicen philo

sophiam concludi eæistimet, quae Aristoteli adeo obsecuta creditur, ut ei nutriæ

credatur. Scit sophistica stullos cavillatione decipere, monstrat tamen qualiter ipsa

cavillatio possit evitari; falsa veris quando vult sic farcinat, ut uno eodemque

temp0re eodemque l0c0 rite convenire videantur; esse etiam et non esse arcana qua

dam ratione (also wie eine magische Kunst) simul concurrere fingit, propositionum

suarum quadraturam eo modo dispositam autumat, qualenus obliquorum laterum

recursus aliquando sine coactione redeat, aliquando coactione operiatur (er meint

die Figuren bei Boethius, Abschn. XII, Anm. 113. u. 125.); huic non satis est, ut

dicatur. malum esse quod est, sed quia bonum non est; verba secundum se nomina

esse putat, nam et qui dicit auditum constituit, et qui audit quiescit, ipsaque non

nisi in instanti tempore iudicat dici posse (vgl. Abschn. XII, Anm. 83 f. u. 111.).

Ubique se vertit ad singulos ac veluti ludens venena mordacitatis, quae venena mon

strata cuti vitam non intercludunt.

198) Ebend. p. 310.: 0ritur quoque magna inter philosophos de coelestibus

corporibus quaestio (s. Boeth. p. 85., woselbst die Weranlassung der Bemerkung

Gunzo's), utrum animata sint `an inanimata, et Plato quidem non solum animatâ

sed et rationabilia et immortalia putat, Aristoteles inanimala et immortalia. Ea:

quo secundum opinionem Platonis contrarium quiddam conficitur diffinitioni Porphyrii,

qui differentias substantiales et divisivas affirmat generum et constitutivas specierum ;

sed irrationalis et immortalis differentiae secundum Platonem nullam speciem con

formant (d. h. wenn sie bei Plato vernünftig und unsterblich sind, so müsste mach

XIII. Gunzo. Wolfgang. Abbo. Bernward. 51

ist, zeigt er ein Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Platonismus und

Aristotelismus bezüglich der Geltung der Universalien 199), und er seheint

hierin auf einem Standpunkte zu stehen, welcher die beidem, von uns

oben S. 85 auseinandergehaltenen Fragen zugleich ins Auge fasst, denn

er entscheidet sich offenbar auch im Hinblicke auf jene die voae be

treffenden Stellen des Boethius für eine platonisch realistische Auffassung,

wobei. das Gebiet der Wortbezeichnung als das veränderliche und an

sieh unstáte erscheint *°°).

Anderes hinwiederum, was der zweitem Hälfte oder dem Ende des

10. Jahrh. angehört, können wir nur als Beleg des Fortbestandes der

Schultradition anführen ; so wenn berichtet wird, dass Bischof W o I f

ga m g in Regensburg (um d. J. 970) in einer Iheologischem Disputation

die verschiedemen Arten, in welche das accidens eingetheilt werden

kann, in Anwendung brachte, wobei jedoch bemerkenswerth ist, dass

die dialektische Methode als carnalis antidotus bezeichnet wird *"'),

oder wenn die logischen Studiem des A b b o von 0rleans (gest. 1004),

welcher in Fleury studirte und später ebendort docirte*"*), und des

Bischofes B e r n war d in Hildesheim (gest. 1022) erwähnt werden *"*),

Porphyrius danm auch eine Species von Wesen existiren, welche unvernünftig und

unsterblich wärem; eine solche aber gibt es bei Plato nicht); licet Aristotelis opi

nio a Porphyrii diffinitione non dissentiut.

199) Ebemd. p. 305.: Aristoteli genus, speciem, differentiam, proprium et

accidens subsistere denegavit (sc. Minerva), quae Platoni subsistentia persuasit.

Aristoteli an Platoni magis credendum putatis ? Magna est utriusque auctoritas,

quatenus viæ audeat quis alterum alteri dignitate praeferre.

200) Ebend. p. 299. : Boethius vir eruditissimus in libro peri Ermenias se

cundae editionis audite quid dicat: Adminiculari quis debet obscuris sensibus pa

tientia et consensu, quod ad sententiam dicentis spectat, etsi sermonum ratio se ita

non habeat...... Cui rei Aristoteles in libro peri Ermenias congruit his verbis:

sunt ergo ea quae sunt in voce, earum quae sunt in anima passionum notae. 0mnis

nota alicuius rei nota est; prius ergo res est quam nota; res ergo prius ponderanda

est quam mota.

201) Vita Wolfgangi c. 28 bei Pertz, Mon. VI, p. 538.: Quidam haereticus ....

quod verbum caro faclum est oppugnans diacit ,,si verbum, non est faclum, aut si

factum, non est verbum“..... worauf Wolfgang: Quia non per spiritualem sed per

carnalem medicandus es antidotum, dic quid sit accidens. llle vero multum arro

ganter ,,accidens est, inquit, quod adest et abest praeter subiecti corruptionem“

(diess. die Definition des Porphyrius, s. Abschn. XI, Anm. 47.). Rursumque prae

sul : ,,quot formarum sit accidens, edicito.“ At ille ... conticuit. Theologus autem

.... succincte disseruit: Accidens est, inquit, quadriforme; unum quod nec accedit

nec recedit, ut acilus (wohl zu lesen calvus) et simus (auch Boeth. p. 110. nimmt

ebenso das griechische σιμός unverändert herüber); aliud quod accedit et recedit,

vt saturitas et dormitio; tertium quod non accedit et tamen recedit , ut infantia et

pueritia; quartum quod accedij et non recedit, ut senectus et canities. Hac ergo

similitudine filius .... induit quasi per inseparabile accidens humanitatem etc. Die

Wiertheilung selbst ist erst aus den erklärenden Beispielem bei Boeth. p. 80. ge

macht, denn bei. Porphyrius liegt nur Zweitheilung vor, s. Absclim. XI, Anm.

44. u. 47.

202) Aimoin. vita S. Abb. c. 3. b. Mab. Act. Bened. VI, 1, p. 30 ff.: Diversorum

adiit sapientiae officinas locorum ..... quapropter Parisiis atque Remis ad eos qui

philosophiam profitebantur profectus ...... denique quosdam dialeclicorum modos syl

logismorum enucleatissime enodavit etc.

203) Thangmar (Scholasticus in Hildesheim und Lehrer Bernward's, dessen

Leben er beschrieb), Prol. vitae Bernw. b. Pertz, Mon. VI, p. 758. :. interdum sim

4*

52 XIII. Bernward. Walther v. Speier.

. und zwar bei beidem der Berichterstatter in eigenthümlichen Ausdrücken

die Schwierigkeiten der syllogistischen Uebungen hervorhebt; das Gleiche

gilt auch von einer Notiz, welche die Schule in Worms betrifft und

sich wieder des Wortes fuga (s. oben Anm. 97) zur Bezeichnung der

Dialektik bedient *''*). Etwas ausführlicher beschreibt den Gang seiner

eigenen Studien Walth e r v o n S p e ier, welcher zur Zeit des Re

gierungsantrittes Otto's III. (i. J. 983) eine Vita S. Christophori in sechs

Büchern (in Hexametern) verfasste, deren erstes unter der Ueberschrift

„Scholasticus“ in schwülstiger Allegorie die Darstellung der sieben freiem

Künste enthält *°°); und es ist nicht ganz ohne Interesse, zu sehen,

wie Walther an der Hand des Boethius (s. Abschn. Xll, Amm. 77 u. 82)

die Theile der Logik, nemlich Isagoge, Categorien, d. interpret., Ana

lytik und Topik, aufzählt und bei letzterer sich an Boeth. d. diff. top.

anschliessend das Nebeneinandertreten des Dialektischen und des Rheto

rischen amerkennt, um zuletzt auf Cicero als den Vertreter der eigent

lichen Rhetorik, soweit dieselbe nicht dem Dialektischen anheimfällt,

hinzuweisen *"").

plici conteactu rationem contulimus, saepe syllogisticis cavillationibus desudavimus;

ipse quoque me crebro, etsi verecunde, acutis tamen et eae intimo aditu (zu lesen

adyto) philosophiae prolatis quaestionibus sollicitabat. -

204) Lantbert. vita Herib. c. 3. b. Pertz, Mon. VI, p. 741.: Dilectissimam pro

lem provehi ardebant (d. h. die Eltern Heribert's gegen Ende des 10. Jahrh.) aetate

et litterali studio; ac per hoc Wormaciae idoneis personis contradunt eum in d0m0

apostolorum principis, ubi cum eaeteriori disciplina utriusque testamenti imbueretur

paginis. Patent illi perpropere quaecunque obscure geruntur in poemate, nec latent

eum fugae et nodosi amfractus in Socrate (hiebei ist wohl Plato gemeint, denn an

Isokrates ist doch sicher nicht zu denken) et Aristotele et quolibet alio sinuoso

rethore (Rhetorik und Dialektik scheinen als gleichbedeutend genommen zu sein,

wie in obiger Stelle des Saxo, Anm. 48.).

205) Gedruckt b. Pez, Thes. Anecd. II, 3, p. 27 ff. (die Zeitangabe Walther's

selbst über die Abfassung seines Gedichtes steht am. Schlusse des 6. Buches).

206) Der Titel des 1. Buches (ebend. p. 35.) lautet: Primus libellus de stu

dio poetae, qui et scholasticus, und nachdem von der Poesie gehandelt ist, folgt

die Philosophie p. 39.: Inde ubi , maiorum tetigit nos cura ciborum, Porphyrius

claras nobis reseravit Alhenas, Qua multi indigenae librabant verba sophistae. Cer

nere erat quandam vultu pollente puellam, Practica cui limbum pinaeitque theorica

peplum (s. Abschn. XII, Anm. 76.) , Et licet effigiem macularet parva (l. prava)

vetustas , Ipsa tamen ternas suspendit ab ubere natas (s. ebend. die Dreitheilung

des Theoretischen). Praestitit haec nobis summi subsellia lecti, Et postquam strato

licuit discumbere cocco , Procedunt senae turba comitante sorores (d. h. Dialektik,

Rhetorik, Rhythmik, Mathematik, Musik, Astronomie). Ingenui vultus non absque

gravedine gestus Adducit famulas praestanti corpore quinas (d. h. die sogleich fol

genden fünf Theile) 0mnia sub gemino claudens Dialectica puncto (der doppelte

Gesichtspunkt ist inventio und iudicium, s. Abschn. XII, ebend.). Prima quidem

(die Isagoge) miles generali nomine pollens Insigni/a tribus (d. h. genus, species,

differentia) unum selegit amictum. Hanc vice cohtinua sequitur gradiente secunda

(die Categorien). Tertia (die Lehre v. Urtheile) discrevit quidquid primaeva coegit,

Dans operam sane cirros, crispare secundae, Quos quartae (Syllogistik, d. h. Analy

tik) solido collegit fibula nodo (über nodus vgl. obige Anm. 202. u. 204.). Instà

bilem fucum tulit ultima (die Topik) quinque sororum Docta quibus geminas decer

nens Graecia formas , (d. h. dialektische und rhetorische Topen) Pinacit ,,quale**

tribus, ,,quid sit“ referendo duabas (d. h. das Quale liegt in persona, tempus,

circumstantiae, s. Abschn. XII, Anm. 166., hingegen das Quid in definitio und de

scriptio , s. Abschn. XI, Anm. 96.), Ut reboant nobis deliramenta Platonis (diess

weiss ich nicht zu erklärem). Inde suam stipat comitem pressura sodalem Rhetori

XIII. Gerbert. 53

Ja auch von dem berühmten G er b e r t (als Papst Sylvester II.

gest. 1003) miissen wir das Gleiche behaupten, nemlich dass er un

selbstständig lediglich in der Schul-Tradition befangen blieb, wenn wir

auch bei ihm eben darum etwas länger verweilen müssem, weil an ihm

und sein Auftreten sich höchst schätzbare Notizen betreffs der beschränk

ten Behandlungsweise der Logik in jener Zeit anknüpfen 207). Es er

zählt uns nemlich zunächst ein Zeitgenosse Gerbert's, wie derselbe in

seiner Jugend von einem hervorragenden Kleriker in Rheims (wahr

scheinlich Giselbert) in die Logik eingeführt worden sei und dann als

hald als Lehrer der üblichen Schulwissenschaftem ebendaselbst zu wir

ken begonnen habe *"*). Indem aber der Berichterstatter hiebei auch

das ganze logische Material, dessen sich Gerbert beim Unterrichte be

diente, ausführlich und vollständig aufzählt, erhalten wir einen ebenso

wichtigen als entscheidenden Beleg dafür, dass man auch am Ende des

10. Jahrh. noch immer die von Boethius herrührende Uebersetzung der

Analytiken und der Topik des Aristoteles nicht kannte, denn gerade

diese sind es, welche unerwähnt bleiben, während alle übrigen Ueber

setzungen und eigenem Arbeiten des Boethius (s. Absch. XII, Anm. 72 f.)

der Reihe nach angeführt werden; auch ist bemerkenswerth, dass Ger

bert den Unterricht in der Rhetorik erst nach iler Dialektik folgen liess,

sowie dass der erzählende Chronist die Rhetorik noch zur Logik rech

net und hiemit auf dem Standpunkte, welchen wir bei Isidor, Alcuin

und Hrabanus (Anm. 27, 54 u. 79) trafem, sich befindet *°°). Ferner

cam duplicis vestitam flore coloris, Quae iaciens varias nervo pulsante sagittas Mon

strat hypothetici nobis spectacula ludi (s. Abschn. XH, Anm. 169.) Et iam cornuta

(vgl. oben Anm. 189.) surgens ad sidera fronte Causarum rivos patulo profudit ab

ore. Sed postquam illatas pepulit conclusio lites Ipsaque gravigenas compegit pace

sophistas , 0mnibus asseculum veniente porismate laetis Sub pedibus Logicae recu

babat meaea coaevae, Commissura tibi reliquorum munia, Tulli. Hierauf folgen

Rhythmik und die übrigen oben genanntem Disciplinen.

207) Die Schrift von Hock , Gerbert od. Papst Sylv. H. u. s. Jahrh. (Wien

1837) ist, selbst abgesehem von der schiefen Partei-Tendenz des Werfassers, in

Bezug auf die wissenschäftliche Thätigkeit Gerbert's und seimer Zeit höchst unge

nügend (vgl. auch S. R. Wilmans in d. Berl. Jahrb. 1839, II, p. 622.).

208) Richer. hist. III, 44 ff. b. Pertz, Mon. V, p. 617.: Juvenis igitur , apud

papam relictus ab eo regi (nemlich 0ttoni) oblatus est. Qui (d. h. Gerbert) de

arte sua interrogatus, in mathesi se satis posse, logicae vero scientiam se addiscere

velle respondit. .... Quo tempore G. Remensium archidiaconus in logica clarissimus

habebatur, qui etiam a Lothario Francorum rege eadem tempestate 0ttoni regi Ita

liae legatus directus est (einen anderen Archidiaconus von Rheims aus jener Zeit,

dessen Name mit dem Buchstabem G begánne, konnte ich nicht finden, als den

Giselbert, welcher im J. 948 bei dem Ingelheimer Concil anwesend war, s. Marlot,

Metrop. Rem. hist. Ins. 1666. I, p. 464.). Cuius adventu iuvenis eæhilaratus regem

adiit atque ut G...o committeretur obtinuit. E G...o per aliquot tempora haesit Re

mosque ab eo deductus est. A quo etiam logicae scientiam accipiens in brevi ad

modum profecit, G...s * vero cum mathesi operam daret, artis difficultate victus a

musica reiectus est. Gerbertus interea studiorum nobilitate praedicto metropolitano

commendatus eius gratiam prae omnibus promeruit, unde et ab eo rogatus discipu

lorum turmas artibus instruendas ei adhibuit.

209) Ebend. (fortgefahren): Dialecticam ergo ordine librorum percurrens dilu

cidis sententiarum verbis enodavit. In primis enim Porphyrii ysagogas id est intro

ductiones secundum Victorini rhetoris translationem , inde etiam eiusdem secundum

Manlium eæplanavit, Cathegoriarum id est praedicamentorum librum Aristotelis con

54 a. XIII. Gerbert.

aber wird berichtet, dass Gerbert sich mit dem Entwurfe einer Figur

beschäftigte, in welcher die Eintheilung aller Dinge in eine Tabula

logica gebracht werden sollte, wozu natürlich jene bei Boethius sich

findende Tabelle die Veranlassung gab; er kam jedoch hierüber in

Streit mit 0tricus, und es knüpfte sich hieran eine philosophische Dis

putation, welche in Gegenwart des damals fünfzehnjährigen Otto Ill. i.

J. 970 in Ravenna statlfand ° '°). Eine andere ausführlichere Erzählung

betreffs dieses Gespräches lässt ums deutlich erkennen, dass dabei die

streitenden Personen lediglieh die Angaben des Boethius (im Commen

tare zur Isagoge) auswendig wusstem und auf solcher Basis die Con

troverse erörterten, ob Rationale ein engerer Begriff als Mortale sei,

oder nicht vielmehr umgekehrt letzterer als der engere sich erweise ?1!).

sequenter enucleans; periermenias vero id est de interpretatione librum, cuius la

boris sit, aptissime monstravit; inde etiam topica id est argumentorum sedes a

Tullio de graeco in latinum translata et a Manlio consule sea commentariorum

libris dilucidata suis auditoribus intimavit, necnon et quatuor de topicis differentiis

libros, de sillogismis cathegoricis duos , de ypotheticis tres, diffinitionumque librum

unum, divisionum aeque unum, utiliter legit et eaepressit. Post quorum laborem

cum ad rhetoricam suos provehere vellet, id sibi suspectum erat, quod sine locu

tionum modis, qui in poetis• discendi sunt, ad oratoriam artem ante perveniri non

queat; poetas igitur adhibuit ...... quibus assuefactos locutionumque modis com

positos ad rhetoricam transduacit; qua instructis sophistam adhibuit, apud quem in

controversiis ezercerentur ac sic ea, arte agerent, ut praeter artem agere viderentur,

quod oratoris mavimum videtur. Sed haec de logica, in mathesi vero etc.

210) Hugo Flavin. Chron. Virdun. b. Pertz, Mon. X, p. 367.: Hoc tempore

0tricus apud Saarones insignis habebatur ..... Adalbero Romam cum Gerberto petebat

et Ticini Augustum (d. h. 0ttonem) cum 0trico reperit, a quo ductus est Raven

nam; et quia anno superiore 0tricus Gerberti se reprehensorem in quadam figura

cum multiplici diversarum rerum distributione (aus Boeth. p. 25., s. Abschn. XII,

Anm. 87.) monstraverat, iussu Augusti 0mnes palatii sapientes intra palatium col

lecti sunt, Archiepiscopus qu0que cum Adsone abbate Dervensi et scholasticorum

numerus non parvus, et coepta disputatione cum iam totum paene diem consumpsis

sent, Augusti nutu finis impositus est.

211) Richer a. a. 0. c. 60 ff. p. 620 f.: 0tricus .... ait: quoniam philosophiae

partes aliquot breviter attigisti, ad plenum oportet ut et dividas et divisionem eno

des .... Tunc quoque Gerbertus: .... secundum Vitruvii (zu lesen , Victorini) atque

Boetii divisionem dicere non pigebit; est enim philosophia genus; cuius species sunt

practice et theorelice; practices vero species dic0 dispensativam , distributivam, ci

vilem; sub theoretice vero non incongrue intelliguntur phisica naturalis, mathematica

intelligibilis, ac theologia intellectibilis (aus Boethius, s. Abschn. XII, Anm. 76.)

..... Tunc vehementius 0tricus admirans ait: an mortale rationali supponis? quis

nesciat, quod rationale deum et angelum hominemque concludat, mortale vero utpote

maius et continentius omnia mortalia et per hoc infinila colligat ? Ad haec Gerber

tus: si, inquit, secundum Porphirium atque Boetium substantiae divisionem usque

ad individua idonea partitione perpenderes, rationale continentius quam mortale sine

dubio haberes; idque congruis rationibus enucleari in promptu est. Etenim cum

constet, substantiam genus generalissimum per subalterna posse dividi usque ad in

dividua, videndum est an omnia subalterna singulis dictionibus proferantur. Sed

liquido patet, alia de singulis aliu de pluribus nomen factum habere, de singulis ut

corpus, de pluribus ut animatum sensibile; eadem quoque ratione subalternum quod

est animal rationale, praedicatur de subiecto quod est animal rationale mortale;

nec dic0, qu0d rationale simpleae praedicetur de simplici mortali, id enim non pro

cedit, sed rationale inquam animali coniunctum praedicatur de mortali coniuncto

animali rationali. Cumque verbis et sententiis nimium flueret et adhuc alia dicere

■*; Augusti nutu disputationi finis iniectus est. (Sämmtliches aus Boeth.

a. a. 0.) - - -

XIII. Gerbert. 55

Den Gegenstand jener Disputation hatte num Gerbert noch weiter

verfolgt, und es entstand daraus die an 0tto Ill. gerichtete Schrift „De

rationali et ratione uti**1*), eine höchst abenleuerliche Verquickung

eines unverdautem Schulwissens, wobei das so eben erwähnte Rationale,

auf welches ja auch schon eine Stelle des lsidorus hingewiesen hatte

(s. oben Anm. 45), näher in Betracht gezogen wird. Nemlich nach

einer Einleitung, welche ausdrücklich an jenen erfolglosen Streit zu

Ravenna anknüpft*!*), wird als Thema der aus Boethius (oben Anm.

46) entnommene Zweifel bezeichnet, wie denn der Wernunftgebrauch

(ratione uti) von dem vernünftigen Wesen (rationale) als* Prädicat aus

gesagt werden könne, da ja doch immer der Prädicatsbegriff @r höhere

oder, weitere (maior) sein müsse ?1*). Dieses Bedenken, welches uns

höchstens darum interessant sein kann, weil es einen Beleg dafür ent

hält, wie einseitig die Schul-Logik des späteren Alterthumes bloss dem

Umfang, nicht aber den Inhalt der Begriffe berücksichtigt hat (s. Abschm.

XI, Anm. 43), wird nun auf eine ebenso ungeschickte als bloss formale

Weise gelöst. Zunächst nemlich soll jenes Prädicats- Verhältniss zwi

schen Wernunftgebrauch und Wernunftwesen dadurch gerechtfertigt wer

den, dass ersterer als ein Actuelles das Höhere sei *'°). Dagegen aber

erhebt sich der Einwand, dass ja überhaupt die Unterordnung der Be

griffe nur in allgemein bejahenden Urtheilen ausgedrückt werden könne,

also dann der Wernunftgebrauch von sämmtlichen Wernunftwesem prä

dicirt werden müsse, was zu einem unwahren Urtheile führe *'°); fer

ner sei das Actuelle eben doch von dem Dasein des Potenziellen ab

212) Gedruckt b. Pez, Thes. Anecd. I, 2, p. 149 ff. Was H. Ritter (Gesch.

d. Phil. VII, p. 304 ff.) über diese Schrift Gerbert's sagt, ist unhaltbares Gerede;

aus einer Stelle (p. .307, Anm.) müsste man ja fast schliessen, dass ihm der seit

Boethius im Mittelalter eingebürgerte Unterschied zwischen Intelligibilis und Intel

lectibilis (s. Abschn. XII, Anm. 76.) unbekannt sei. -

213) A. a. 0. p. 149.: Meministis enim et meminisse possumus, adfuisse tum

multos nobiles scholasticos et eruditos , inter quos nonnulli aderant episcopi .....

Eorum tamen vidimus neminem, qui earum quaestionum ullam digne eæplicuerit,

quod quaedam nimis ab usu remotae nec dubitationem ante habuerint, et quaedam

saepenumero ventilatae dissolvi non potuerint.

214) Ebend. c. 1, p. 151.: Quaeritur, inquiunt, quid sit, quod ait Porphy

rius, differentiam velut ád cognatam sibi differéntiam praedicari, ut ratione, uti ad

ratiónalé, cum maiora de minoribus semper praedicentur, minora de maj9ribu$ nun

quam. Zu der schon obën, Anm. 46., angeführtem Stelle des Boethius kommt

fiiebei noch folgende p. 37.: nam si qua differentia dicta fuerit, de .glia differen

tia, ut differentia intelligatur, praedicabitur ..... nam ratione uti, differenlia, ad

rationalem"differentiam veluti cognata differentia praedicatur. Der Lehrsatz betrefis

des maior stéht gleichfalls b. Böeth. p. 28. (s. âuch Abschn. XII, Anm. 124).

215) Ebend.: Sed rationale, inquiunt, potestatis est sine actu, ratione uli.

potestatis cum actu; plus vero est potestas cum actu, quam sola potestas; iure,

inquiunt, ergo praedicatur ratione uti de rationali tanquam maius de 'minori. Diese

Ansicht über pòtestas und actus findet sich b. Boeth. p. 454.: negesse est,. ut ea

quae actu sunt, his quae sunt potestate , priora sint (s. Abschn. XII, Amm. 122.).

216) C. 2, p. 15i.: Quae à generalissimis ad specialissima recta linea descen

dunt, ... talia sunt, ut inferiora universaliter prolata superigrum omnia nomina

diffinitionesque suscipiant (s. Boeth. p. 21. u. òfiers)... Quodsi eodem modo ratio

náie sub rdtvone uti positum sit, qüomodo universaliter prolatum suscipiet nomet?

sui praedicati idem rationale? non enim omne, quod rationale est, ratione uti

putatur.

56 XIII. Gerbert.

hängig und könne deshalb überhaupt nieht jene höhere Stelle einneh

men, welche im Wesen des Prädicatsbegriffes liege **"), und es müsse

auch ein abermals hiegegen gerichteter Einwand betreffs der hohen

Würde des Wernunftgebrauches zuletzt wieder an der Eintheilung der

Wesen überhaupt scheitern ?1°). Wenn aber mun hierauf gesagt wird,

diese ganze bisherige Erörterung sei sophistisch, und es handle sieh

vielmehr um die eigentliche Natur des Actuellen und des prius, sowie

des Prädicates ?1°), so erwarten wir wohl eine tiefer gehende Unter

suchung, aber vergeblich. Denn was nun folgt, besteht zunächst nur

in einem Excérpte aus Boethius bezüglich der verschiedemen Arten der

Actualität**°), woram sich dann, um auf das Rationale zurückzukehren,

die Unterscheidung der ewigen und der veränderlichen Natur anreiht,

wobei die Angabem des Boethius in ähnlicher Weise wie bei Scotus

Erigena (ob. Anm. 113 ff.) aufgefasst werden ***), so dass der Wer

nunftgebrauch (ratione uti) als ein in die Erfahrungswelt verfioehtener

217) C. 3, p. 152.: potestas actum omni necessitate praecedit, et quia haec

praecedentia non solum priora, sed etiam interemta interimunt secum posteriora,

mecesse est potestate ablata actum quoque auferri .... Non igitur quod natura p0

sterius est, de eo praedicabitur quod natura prius est; est autem natura prius

potestas , posterius actus; non igitur secundum potestatem et actum praedicabitur

Tatione uti de rationali. Auch dieser Gegenbeweis ist aus der memlichen Stelle

des Boethius (p. 451.) entnommem.

218) C. 4, ebend.: Sed merito, inquiunt, suae dignitatis seu eæcellentia seu

potentia numerosius est ratione uti, quam rationale. At natura generum, specierum

vel differentiarum non suscipit; homo enim et asinus aeque sub animali sunt, et

deus atque homo aequaliter participant rationali differentia. Diess steht wieder in

jener Stelle b. Boeth. p. 95., von welcher die Controverse ausgegangen war.

219) C. 5, ebend.: Quapropter sophistica, id est cavillatoria, conluctatione

remota quaedam de naturq potestatis et actus eæplicanda sunt, et in qua eorum

specie rationale et ratione uti versentur, de natura quoque prioris, utrum praedica

tionibus conveniat, et nonnulla de praedicationum natura et ordine, ut quasi quodam

filo .... disputatio deducatur.

220) C. 6—10, p. 153—156. Das Original hiezu ist wieder Boeth. p. 451 ff.,

selbst mit Einschluss der zur Erläuterung diemendem Beispiele, deren Eines hin

gegen aus Boeth. p. 95. genommen ist. Der lnhalt, welcher natürlich ursprünglich

der aristotelische ist (s. Abschn. XII, Anm. 119. u. Abschn. IV, Anm. 281 ff.) dreht

sich um die Unterscheidung des actus necessarius und des actus non necessarius,

welch letzterer entweder a potestate oder a`subsistendo entsteht, und endlich des

bloss Potenziellen. Gerbert bringt diese Eintheilung in eine Tabelle, worin man

wohl nur ein geringes Werdienst erblicken kann, denn dass er nicht einen einzigen

eigenen Gedanken hat, zeigt hier wie im Folgendem unsere Zurückführung auf die

Quelle, d. h. auf Boethius.

221) C. 11, p. 157.: Est igitur rationale , dum est in intelligibilibus, sub

necessaria specie actus .... immobilis et necessarii; sed quia haec intelligibilia,

dum se corruptibilibus applicant , tactu corporum variantur, transeunt haec omnia

rursus ad potestutem. Aliter enim rationale vel, ut universalius dicamus, aliter

genera et species, differentiae, propria et accidentia, in intellectibilibus , aliter in

naturalibus ; in intellectibilibus quoque rerum formae sunt, in intelligibilibus alia

sunt quidem passiones, alia sunt actus , nam quoniam in anima versantur, dum

intelliguntur, animae passiones sunt. Die Quelle hievon ist Boeth. p. 452. u. p.

56., woselbst auch die nemliche Beiziehung der quinque voces sich findet. Das

intellectibile ist der realistisch theologische Urgrund der formae (ob. Anm. 109.),

das intelligibile hingegen dasjenige, was die Wernunft an den Dingem selbst er

fasst, s. oben Anm. 211.

XIII. Gerbert. 57

dem Accidentellen angehöre ***). Hieraus wird damn natürlich ge

scblossen, dass der Wernunftgebraueh nicht selbst eine differentia sub

stantialis sei, sondern erst in Bezug auf eine verwandte Differenz aus

gesagt werde ***). Und wenn hierauf wieder in der nemlichen unge

schickten Weise wie zu Anfang auf das Verhältniss des Umfanges zu

rückgekehrt wird, da ja dann der Prädicatsbegriff der engere sei, so

wird jetzt erst auf Grund des Boethius angegebem, dass die Accidentien

von den Individuen ausgesagt werden ***), und im Hinblicke auf die

Eintheilung der Urtheile bezüglieh ihrer Quantität***) folgt num das

Resultat, dass der Satz ,,rationale ratione utitur“ eben ein unbestimm

tes Urthei] sei, welches weder als allgemein bejahendes noch als all

gemein verneimendes richtig ausgesagt werden könne *°°), — ein Resul

tat, durch welches allerdings jeder andere vernünftige Mensch von

vorneherein der ganzen Fragestellung überhoben gewesen wäre. Und

es zeigt sich uns somit Gerbert's Schrift • als eim sinnloses Treiben,

bei dessen Gelegenheit ebenso unnütz als zusammenhangslos verschiedene

Schulweisheit ausgekramt wird. — Uebrigens hält Gerbert als Theologe

nicht viel auf die Dialektik, und indem er in dieser Beziehung eine

Stelle aus Scotus Erigena, jedoch ohne denselben zu mennem, ausschreibt,

entscheidet er sich lieber für die realistische Deutung, welche jenem

Worten gegeben werden kamm ***). -

Einen ähnlichen Beweis davon, dass mam das traditionelle Schul

material kannte und in Anwendung brachte, gibt uns aus dem Anfange

des 11. Jahrh. nicht bloss ein Brief des Bischofes Burchard in Worms,

worin derselbe einem Freumd darüber belobt, dass er die üblichen sechs

Gesichtspunkte (s. Abschn. XII, Anm. 75. u. Abschn. XI, Anm. 141) bei

222) Ebend. p. 158.: merito ratione uti dicitur praedicari de rationali tan

quam accidens de subiecto; .... ratione uti facere est, qui enim ratione utitur, ali

quid agit;.... facere autem unum eae generalissimis generibus accidentium est ; igi

tur uti ratione accidens est.

223) C. 12. ebend.: quod rationale est, ratione uti potest .... ergo ratione

uti rationali accidit;.... non est igitur ratione uti substantialis differentia. C. 13,

p. 159.: Si igitur secundum Boetium ratione uti a ceteris animalibus differimus

sicut differentia rationali, iuste ratione uti ad rationale velut ad cognatam sibi dif

ferentiam praedicatur. Alles wieder aus Boeth. p. 95 f. u. p. 7. -

224) C. 14, p. 159.: Quoniam ergo minus de maiori praedicabitur, locus hic

admonet, ut de natura praedicationis pauca dicantur, worauf die betreffenden An

gaben des Boethius (p. 129., s. Abschn. XII, Anm. 92.) excerpirt werden.

225) C. 15, p. 160. Aus Boeth. p. 350., s. Abschn. XII, Anm. 113 f.

226) C. 15 f. p. 161.: Quia propositio talis est, ac si dicatur: quoddam

rationale ratione utitur; qui enim dicit, omne rationale ratione utitur, rem univer

salem universaliter enuntiat, et est affirmatio falsa, cuius negatio, id est nullum

rationale ratione utitur, similiter falsa reperitur (Boeth. a. a. 0.). . Diess ebem sei

(c. 16., p. 161 f.) der Unterschied zwischen einem solchen Urtheile und einer

propositio substantialis, d. h. einer Definition; s. Boéth. p. 651., Abschn. XII,

Anm. 103.

227) D. corp. et sang. Dom. c. 7., bei Pez, Thes. Anecd. I, 2, p. 140.: Senes

illi .... non dialecticis argumentationibus, sed verbis simplicibus et oratione compu

lerunt ad credendum ..... Et nos aliquando antequam tantorum virorum, Cyrilli dico

et Hilarii, auctoritatibus instrueremur, hanc discrepantiam (d. h. betreffs des`Abend

mahles) alicuius dialectici argumenti sede absolvere meditabamur. Non enim ars illa

etc., d. h. es folgen die ! obem Anm. 127. angeführten Worte des Scotus.

58 XIII. Adalbero.

Abfassumg eines Buches eingehalten habe ??°), sondern insbesondere ein

höchst eigenthümlicher Tractatus des Ad albero, Bischofs in Laoh (geb.

977, gest. 1030), welcher ein -Schüler Gerhert's war und einen unter

dem angehlichen Titel „De modo recte argumentandi et praedicandi

dialogus" uns handschriftlich erhaltenen Brief an Fulco von Amieiis

richtete ***), in welchem eine Mauleselin den Gegenstand syllogistischer

Spielereien bildet. Naclidem nemlich Adalbero das Thier als gänzlich

untauglich geschildert hatte, verfällt er auf den Gedanken, die Allge

meingültigkeit dieses verwerfendem Urtheiles logisch zu erproben, und

es folgt nun in Dialogform eine Erörterung darüber, dass das Urtheil

ein singuläres sei, dass es ein contradictorisches Gegentheil desselben

gebe u. dgl., woran sich die Aufforderung reiht, den Nachweis der

Untauglichkeit kunstgemäss zu liefern *°"); diess geschieht, indem das

ganze Register der hypothetischen Schlüsse im Dialoge antithetisch

durchlaufen wird **'), wobei auch Angaben logischer Regeln eingestreut

sind ***); das Ganze aber, das sämmtlich aus Boethius entnommen ist,

228) Bei Pertz, Mon. VI, p. 701.: In omni enim eæpositione auctorali et in

quolibet libro diversas seae causas quaeri convenit atque eaepediri oportet, sicut in

proemio editionis primae ysagogarum Porphyrii Severinus prudentissimus doctor Fabio

eaehortante dicendo instituit: ,,primum, inquit, docent, quae sit cuiusque operis

intentio, secundo quae utilitas, tertio qui . ordo, quarto si eius, cuius opus esse

dicitur, germanus propriusque liber est, quinto quae sit eius inscriptio, seactum est

id dicere, ad quam partem philosophiae cuiuscunque libri ducatur intentio*'. Haec

omnia in libro tuo caute conservasti etc. Da jenes b. Boeth. p. 1. steht, mochte

es wohl für besonders wichtig gehalten werden.

229) S. Pez, Thes. Anecd. 1, 1, p. XXIII. Eine in der Münchner Staatsbiblio

thek befindliche Emmeraner Handschrift sec. 11. (Cod. lat. 14272.) enthält diesen

anderthalb Folioseiten füllenden Brief (fol. 182 r.). Die erwähnte Ueberschrift

scheint nur auf Combination Pez's zu beruhem.

230) F(ulco). Denique haec mula .... non esset universaliter, sed potius aut

particulariter aut indefinite, quae paene unum sunt , inutilis proponenda .... Igitur

quae particulariter quoquo modo utilis est, omnimodis universaliter inutilis non est.

A(dalbero). Si hanc inutilem atque inhonestam indefinite vituperarem, verum a falso

non discernerem, nam huius mulae inutilitas, si universaliter esset dedicativa, par

ticulariter esset abdicativa (d. h. es würde dann zugleich Contradictorisches aus

gesagt). Sed haec vituperatio neque universaliter neque particulariter est determi

nata, ...... igitur quia singularis est, neutrum horum est. F. Singulare dedica

tivum nonne suum habet abdicativum?.... Putasne, universalis propositio universali,

particularis particulari, indefinita indefinitae sicut singulares contradictorie oppo

nuntur? A. Plane opponuntur; si substantia fuerit, erit praedicativa, sive sit sive

non sit. F. Putasne, si accidens ? A. Eodem modo opponuntur, si illud fuit inse

parabile. F. 0mne inseparabile contradictorie opponitur ? A. Non. F. Illud tantum

ímodo cui aliquid possit accidere, et illud dicitur substantiale. Sed nunc eae arte,

non de arte, nostris affirmationibus cum tuis repugnantiis hanc mulam esse inutilem

atque inhonestam convinci profiteberis. Hiebei ist die Doctrin des Boethius (bes. p.

342 ff. u. p. 383 ff., s. Abschn. XII, Anm. 113 ff.) mit der Terminologie des Mar

cianms Capella (ebend. Anm 66.) vermengt.

231) A. Mula haec si claudicat, male ambulat; atqui claudicat; igitur mule

ambulat. F. Mula haec si claudicat, male ambulat; atqui non claudicat; igitur non

male ambulat. A. Mula haec non, si claudicat, male non ambulat; atqui claudi

cat; igitur male ambulat. F. Mula haec non, si non male ambulat, claudicat;

atqui non male ambulat; igitur non claudicat. A. Si valida non est, debilis est;

atqui valida non est ; igitur debilis est u. s. f. (s. Abschn. XII, Anm. 155.).

232) A. 0mnis affirmatio et negatio semper est in praedicatis. F. Si simpliciter

praedicatur; si vero modus adverbialis (s. ebend. Anm. 119.) adhibetur , vindicat

XIII. Adalbero. Fulbert. Anonymus sec. 11. 59

schliesst mit der Hinweisung auf eine dämonische Causalität der Un

brauchbarkeit der Mauleselin, wobei, wie es scheint, sich beide strei

tende Parteien begnügen sollen 238).

. Gleichfalls ein Schüler Gerbert's war Fulb ert, Bischof von Char.

tres (woselbst er i. J. 990 eine Schule eröffnet hatte und seit 1007

als Bischof bis zu seinem Tode 1029. wirkte), welcher als Kenner der

Dialektik in hohem Ansehen stand ***) und sogar den Beinamen eines

,,Sokrates der Franken“ erhieli 238). Während uns aber bezüglich seiner

logischen Lehre durchaus Nichts näheres bekannt ist *°°), müssen wir

ihn als Lehrer des Berengarius von Tours jedenfalls hochschätzen, wenn

auch zu schliessen sein dürfte, dass Fulbert die Kenntnisse und Ge

wandtheit in der Dialektik noch völlig von dem theologisch-dogmatischen

Gebiete fermhielt, denn in letzterer Beziehung ermahnte er seine Schüler

zum strengstem Auctoritäts-Glauben 237).

Ueberhaupt aber dürfen wir eine gesteigerte Thätigkeit nach dem

Maassstabe jener Zeit schon darim erhlicken, wenn man wieder zur An

fertigung von Compendien schritt oder das vorhandene Sehulmaterial

mit fortlaufenden Commentarem bearbeitete, denn wenm auch hiebei noch

kein eigenes inneres Schaffen waltet, so wird doch die Erhaltung oder

Förderung des logischen Wissens wieder als eigentlicher. Zweck be

trachtet, d. h. die Thätigkeit gilt der Theorie als solcher, wenn auch

in unselbstständiger Weise. -

So hat ein A n o n y m u s am Anfange des 11. Jahrh. die Isagoge

und die Kategorien in Hexametern bearbeitet *°), um, wie er selbst in

der an einen gewissen Beno gerichteten prosaischen Einleitung sagt,

sibi vim contradictionis et modus intensionem et remissionem ponit praedicatis et

determinatio subiectis. A. Non eodem genere, cum alterum quantitate et qualitate,

alterum sola quantitate.

233) F. Sit quoquo modo inutilis ..... non tamen absque causa. A. Philo

sophi nihil sine causa tradunt fieri ..... Ergo quoniam huius mulae inutilitas sol

lertia daemonum effecta est, absque ulla contradictione omnimodis inutilis est. Hac

re mula probatur inutilis, non amicus, qui sibi ipsi adversarius vice functus est

alterius. - s. -

234) Trithem. d. script. eccl. p. 154. (ed. Colon. 1656. 4.): Fulbertus epi

scopus Carnotensis in scripturis divinis eruditissimus et in secularium litterarum

disciplinis omnium suo tempore doctorum doctissimus, • poeta clarus, et dialecticus,

multis annis scholae publicae praesidens plurimos doctissimos auditores enutrivit

(die hierauf genanntem Schriften Fulbert's sind nur theologischen lnhaltes).

235) Adelmanni (eines Mitschülers des Berengarius bei Fulbert) ad Berengarium

epistola, ed. Conr. Arn. Schmid. Brunsv. 1770. 8, p. 1.: Collactaneum te me meum

vocari propter dulcissimum illud contubernium, quod cum te .... in academia Car

notensi sub nostro illo venerabili Socrate iucundissime duaci. Aus dieser Stelle scheint

bei Späteren im Zusammenhange mit der theologischen Gereiztheit gegen Beren

garius jener Beiname Fulbert's geflossen zu sein.

236) Die Notiz, dass Fulbert an den Scholasticus eines Klosters die Isagoge

schickte (s. Fulberti 0pp. ed. Villiers, Par. 1608. Ep. 79, fol. 76 b.), ist un

erheblich. -

237) Adelmann a. a. 0. p. 3.: obtestans per secreta illa .... et obsecrans per

'lacrimas, ..... ut illuc omni studio properemus viam regiam directim gradientes,

sanctorum patrum vestigiis observantissime inhaerentes, ut nullum prorsus in diver

ticulum, nullam in novam et fallacem semitam desiliamus etc.

238) Aus einem Cod. St. German. (1095) abgedruckt b. Cousin , 0uvr. inéd.

d'Abel. p. 657—669.

60 XIII. Anonymus sec. 11.

durch diese , seine Erstlingsarbeit den Inhalt jener Bücher seinem Ge

dächtnisse einzuprägen *°°). Er beginnt mit der aus Boethius (Abschn.

XII, Anm. 77) entnommenen Eintheilung des aristotelischen Organons,

wobei er die Sache so auffasst, dass Aristoteles zuerst die erste Ana

lytik geschrieben habe und dann, als diese unverständlich gewesen,

hierauf die zweite Analytik, auf welche aus dem gleichen Grunde die

Topik habe folgen müssen, sowie hierauf D. interpr. und dann noch

die Kategorien; da aber Aristoteles behufs des Werständnisses nicht

noch weiter habe herabsteigen wollem und hiemit die quinque voces

verschwiegem habe, so sei hier die Thätigkeit des Porphyrius zum Glücke

ergänzend eingetreten **"). Der Inhalt der Isagoge wird dann sehr kurz

mit blosser Angabe der Begriffsbestimmung derº quinque voces abge

macht ***), und es folgen die Kategorien. Wenn hiebei der Werfasser

zu Anfang ausdrücklich sagt , es handle sich da nicht um die 'Dinge

selbst, sondern nur um die voces signativae der Dinge ***), und wir

hiemit eine Wiederholung jenes obigen (Anm. 149 ff. u. 159) nomina

listischen Standpunktes antreffen, so ist dieses aueh das Hauptsäch

lichste, was wir an diesem Compendium hervorhehen müssen; denn im

. Uebrigen schliesst sich dasselbe so enge an die pseudo-augustinische

Schrift über. die Kategorien (Abschn. XII, Anm. 43—50) an, dass es in

der That kurzweg als eine Versification desselben bezeichnet werden

muss ; höchstens mag noch bemerkt werden, dass die zahlreichen grie

chischen Termini, welche dabei in barbarischer Schreibung auftreten,

gleichfalls aus jener nemlichem Quelle fliessen, wo sie ja häufig genug

239) Wer jener Beno gewesen sei oder wo er gelebt habe, lässt sich aus

der ganz allgemein gehaltenen Einleitung nicht entnehmen. Ueber seine Arbeit

selbst sagt dort der Werfasser (p. 657 f.): Quoniam complurium mei ordinis scho

lasticorum, praesul venerande, oblatas tibi litteras omni gratiarum alacritate saepius

te audio suscepisse, .... tuae confisus pietati aliqua et ego offerre litterarum iocu

laria praesumo tuae maiestati. Fert animus dei adspirante gratia quam paucissimis

oratione metrica absolvere, quod Porphyrii Isagoge et Aristotelis Categoriae videntur

in se continere. Quod hanc ob causam maæime decrevi agere, ut, quae illi latius

diffudere , breviter collecta per me tenaci diligentius crederem memoriae. Nomina

quoque graeca quaedam interposui, ubi lege metri constrictus latina non potui; ....

id mihi ne ducatur vitio, primum abs te, pater piissime, cui hoc litterarum munere

ingenii mei primitias immolo, deinde ab omnibus veniam postulo.

240) Ebend. p. 658.: Doctor Aristotiles, cui nomen ipsa dedit res, Ingenio

pollens miro praecelluit omnes ; Hic natis post se dialectica ne latuisset, Primos

componens Analiticos studiose, De syllogismis ratio perpenditur in quis, Credidit ut

sapiens hos planos omnibus esse ; Sed cum nullus eis inlellectu capiendis Sufficeret,

rursus tentat proferre secundos; Quos neque posse capi cum sensit, Topica scripsit;

Hinc Perihermenias, postremo Cathegorias ; Post quas finitas descendere noluit infra.

Hic genus ac speciem, proprium, distantia stringens, Simbebicos etiam quid sint

omnino tacebat. Porphyrius tandem cernens, nisi cognita quinque Haec sint, bis

quinas nesciri cathegorias, Cuique suum finem signavit convenientem. (Vgl. auch

Boeth. p. 113., Abschn. XII, Anm. 84.)

241) Ebend. Nach der Definition der fünf Worte folgt: Ni nimis est longum,

communia dicier horum (d. h. was bei Porphyrius hernach erörtert wird, Abschn.

XI, Anm. 49. ff.), Non nos horreret, sed malumus ergo tacere, Ne generetur in his

tibi nausea discutiendis. -

242) Ebend. p. 658 f.: Post haec bis quinas pandamus cathegorias, In quis

vir doctus non eae ipsis quasi rebus, Sed signativis de rerum vocibus orans Sumit

ab omonymis tractandi synonymisque Principium etc. -

XIII. . St. Gállen. Notker Labeo. . 61

eingestreut sind, wonach jede etwa auftauchende Annahme, dass man

damals schon mit dem griechischem 0riginaltexte sich beschäftigt habe,

sehr einfaclf beseitigt ist?*°). -

Hauptsächlich aber findem wir um jene Zeit in S t. G alle m ein

ausgedehntere Bearbeitung des logischen Schulmateriales, wobei der

bekannte N ot k e r L ab eo (gest. 1022) jedenfalls das Werdienst hat,

die Anregung gegeben und die Ausführung geleitet zu haben, wenn

auch nicht alle hieher gehörigen Arbeiten aus seiner eigenen Hand selbst

hervorgiengen ***). Allerdings liegt aueh hier nur der traditionelle Stoff

zu Grunde, und eigentlich Neues ist nicht zu erwartem **°), aber die

Art der. Belhandlung des Ueberliefertem ist doch theilweise eine freiere

und zeigt jedenfalls ein himgebendes Interesse für die Sache selbst.

Die unbedeutendere unter diesem Schriftem ist ein ,, Tractatus inter

magistrum et discipulum de artibus“, indem hiebei lediglich das Com

pendium Alcuin's (ob. Anm. 48 ff.) mit Beibehaltung der dorligen Dia

logform excerpirt und ausserdem mur im Amfange, nemlich bei der Isa

goge und der Kategorie der Quantität, auch Boethius auszugsweise

benützt ist 24°).

243) Da das Ganze nur eine metrische Wiederholung Pseudo-Augustins ist,

erscheint es als überflüssig, Einzelnes anzuführen. Was. aber die griechischen

Worte, welche meistens durch Interlinearglossen lateinisch erklärt sind, betrifft,

mögen erwähnt werden: usya, simbebicos u. simbebicota, enarithma (§v&gt;9;ua,

Abschn. XII, Anm. 43.), epiphania (b. d. Quantität), dann bei der Relation der

Hexameter: Thesin, diathesin, episthemin, estesim, eaein (d. h. ?7 votijunv, αἰσ9n

αιν, ἐιν), und desgleichen Dicitur omne quod est, vel eneria dinamive (d. h.

èvsQyeig u. övyópuει), sowie bei der Qualitât: Evis, diathesis, phisices dinamis

poeiesque (ποιότης) Passibilis, potius seu pathos, scemata morphae (σχήματα

$®; in dem Abschnitte über die Gegensätze habitus steresisque (στεgnouc),

und bei dem Postprädicamente der Bewegung: Auæesis, megesis, genesis, storas,

aliusis, Et kata ton foras metabeles associata (d. h. czü$mous, uεάωσις, γενεσις,

. q8ogá, êáÀotoοις, xtztà tòv τόπον, μεταβολή).

244) Wenn nemlich J. Grimm (Gött. Gel. Anz. 1835. N. 92.) der Ansicht ist,

dass Notker, der alleinige Werfasser sämmtlicher jener Schriften sei, und auch H.

Hattemer, Denkm. d. Mittelallers, III, p. 3 ff., sich unbedingt dieser Meinung an

schliesst, so scheint doch in Anbetracht der inneren Werschiedenheit jener Arbeiten

es richtiger zu sein, wenn wir mit Wackernagel, Gesch. d. deutsch. Litt. p. 80 f.

•(s. auch desselben Akad. Rede üb. d. Werdienst d. Schweizer um d. deutsche Litt.

Basel 1833.) annehmen, dass die Werke, welche Notker's. Namen tragen, von ver

schiedenem Autorem nur unter der Leitung desselben verfasst seien; s. auch unten

Anm. 262.

245) Wunderliche Dinge zwar sind zu lesen bei Ild. v. Arx, Gesch. v. St.

Gallem, I, p. 262.: „In der Dialektik, welche sie in die Logik, Peripatetik, Stoik

und Sophik eintheilten, waren Aristoteles, Plato, Porphyrius und Boetius ihre

Lehrer; die zehn Categorien uud die Periemerien des erstem, die fünf. Isagogen

des Porphyrius, und die Lehrart des Sokrates waren ihnen wohlbekannt.“ Aber

während man wohl sogleich sieht, dass diese ganze Mittheilung nur auf der gröb

stem Unwissenheit des Werfassers beruhen kann, sollte man doch vermuthen, dass

derselbe die Notiz betreffs der Eintheilung der Dialektik aus irgend eimer Hand

schrift geschöpft habe; ich wurde jedoch auch hierüber durch meinem Freund und

Collegen Conr. Hofmann beruhigt, welcher in St. Gallen bei Gelegenheit seiher

eigenem Forschungen auch in meinem Interesse bezüglich logischer Werke nach

sah, aber durchaus Nichts anderes finden konnte, als was durch Graff, Wackernagel

; Hattemer bereits veröffentlicht oder wenigstens angedeutet ist; s. auch unten

nm. 271. , -

246) Worhandem in einer Handschrift der Münchner Staatsbibliothek (Cod. lat,

62 XIII. St. Gallen. Notker Labeo.

Hingegen ein fleissigeres Studium des Boethius und eine etwas

freiere Verarbeitung des dort vorliegenden Materiales zeigen.jene beidem

Schriften, welche hekanntlich auch für dig Geschichte d£r deutschen

Sprache von höchster Wichtigkeit sind, nemlich die Bearbeitung der

Kα τηyogt o , und jene des Buches II eg i § Q u m v £ t α ς **"). Die er

stere Schrift hält sich, was den Text betrifft, im Ganzen strenge an

die Uebersetzung des Boethius ***), aber mitten in den Text ist Satz

für Satz eine Erklärung verflochten, welche selbst wieder das Haupt

sächlichste aus dem Commentare des Boethius enthält, und es berufi

sieh aut denselben der Verfasser einmal ausdrücklich ***); sehr häufig

wird die Beweisführung dieser Erklärungen in ihre Bestandtheile über

sichtlich durch Inhaltsangaben oder sonstige Ueberschriften, ja auch mit

der Bezeichnung Propositio, Assumptio, Conclusio gegliedert*°°), und

die erklärenden Beispiele sind an etlichen Stellen selbstständig ausge

dacht; bemerkt mag moch werden, dass der Werfasser mit offenbarer

Worliebe für Geometrie bei solchen Stellen länger und selbstständiger

verweilt, welehe eine Hinweisung auf jene Disciplin enthaltem *°').

Die Bearbeitung der Schrift IIsQi £gunvsiag schliesst sieh durch

gängig bezüglich des Textes wörtlich an die Uebersetzung des Boethius

an, und die Erklärungen, welche auch hier in gleicher Weise einge

flochten sind , beruhen ebenfalls auf dem Commentare des Boethius,

dessen * beide Ausgaben der Verfasser, wie er selbst andeutet, benützt

4621.), woraus Hattemer, Denkm. d. Mittelalt. III, p. 532 ff. nur die Capitel-Ueber

schriften veröffenllichte. . Die Eintheilung der Philosophie und der Logik ist fast

wörtlicb aus Alcuin genommen , bei den quinque voces aber werden die verschie

demen Unterartem derselben aus Boethius aufgezählt und mit Beispielen erlämtert;

der Abschniit über die Kategorien ist zu Anfang aus Alcuin mit Weglassung der

homonyma u. dgl. excerpirt, und nachdem nur bei der Quantität wieder Boethius

benützt ist, folgen die übrigen Kategorien wörtlich aus Alcuin, jedoch nur bis zum

habere, und won jenem Einen Beispiel-Satze (s. Anm. 57.) wird sogleich mit der

Ueberschrift. Quid sunt formulae syllogismorum auf Alcuin's Angaben über die Ar

gumentation übergegangen, welche ebenso wortgetreu wie die folgenden über Dif

finitio. Topica und Periermeniae excerpirt sind.

247) Herausgegeben von Graff (Berl. 1837. 4.) und von Hattemer a. a 0.

p. 377—465. u. 465—526. Eine kurze Zusammenstellung der hauptsächlichstem

deutschen Terminologie, welche jedoch für die Geschichte der Logik selbst ohne

alle weitere Wirkung war, gab ich in meiner Abhandlung ,,Ueb. d. zwei altesten

Compendien d. Logik in deutscher Sprache.“ München 1856. 4. p. 28 ff.

248) Nur kleine Abweichungen sind bemerklich, indem zuweilen eine Abkür

zung oder Auslassung oder auch Umstellung der Worte sich findet, oder z. B.

subteriora stati inferiora, cetera stati alia, subiacenl slatt subiectae sunt, respicere

statt ostendere steht u. dgl.

249) Bei Hattemer p. 416 a.: Affectio unde dispositio ist al ein, so unsih boe

tius lerit (d. h. Boeth. p. 156 f.); abir doh zuei participia affectus et dispositus etc.

250) So z. B. p. 409 f. Die letztere Terminologie ist aus Boeth. d. syll.

hyp. entmommem; s. Abschn. XlI, Anm. 154.

251) In solcher Weise ist nicht bloss p. 402 ff. die Erklärung des continuum

(Boeth. p. 145 f.) durch Zeiehnungen anschaulich gemacht, sondern es wird auch

nach Erledigung der Quantität p. 412. noch einmal auf die Begriffe linea, super

ficies, solidum zurückgekehrt und die verschiedenem Arten der geometrischen Li

niem, Figuren und Körper graphisch dargestellt; ja bei Gelegenheit der Quadratur

des Zirkels (Boelh. p. 165 f., vgl. ob. Anm. 191.) findet sich p. 423. eine völlig

andere Erklärung und andere Zeichnung als bei Boethius.

XIII. St. Gallem. Notker Labeo. De partibus loicae. 63

hat *°°). Von Wichtigkeit aber ist die Einleitung, welche dem Ganzen

vorausgeschickt ist, insoferne uns auch hier wieder der nominalistische

Standpunkt begegnet, dass bei den Kategoriem es sich um die Worthe

zeichnung handle ; auch werden daselbst in eigenthümlicher Weise An

gabem und technische Ausdrücke aus Marcianus Capella mit jenen Be

merkungen verflochlen, welche aus Boethius (Abschm. XII, Anm. 77)

belreffs der Reihenfolge der Bücher des 0rganons entmommen sind, und

ausserdem lassem gerade bei diesem letzteren Notizen die naiven Miss

verständnisse des Verfassers uns dem sicheren Schluss ziehen, dass der

selbe die Analytiken und die Topik des Aristoteles eben nur vom Hören

sagen aus jener Stelle des Boethius kannte *°°).

Eine andere kleine Schrift, welche dem Titel ,, De pa rt i b u s

loi c a e “ trägt *°*), zeigt sich als ein compilirtes Schul.Compendium,

indem zunächst die sechs Theile der Logik, deren ersten Porphyrius

zu dem fünf aristotelischen hinzugefügt habe, aufgezählt werden *°°),

und dann eine längere oder kürzere Angabe des Inhaltes derselben folgt.

Nachdem nemlich aus der Isagoge nur die Begriffsbestimmungen der

quinque voces nach der Uebersetzung des Boethius angeführt sind, wird

von den Kategorien lediglich die Substanz, selbst ohne Nennung der

übrigen neun, kurz erläutert, dabei aber noch schärfer, als wir so eben

252) Bei Hattemer p. 474 a.: Est hoc alterius negotii. Taz ist anders uuar

zelerenne , samo so er chade, lis mine metaphisica (s. Boeth. p. 230.), dar lero ih

tih iz. Aber boetius saget iz fure in, in secunda editione etc. (d. h. Boeth. p.

326.). Auch jene Figuren, durch welche bei Boethius die Lehre vom Urtheile

versinnlicht wird (Abschn. XII, Anm. 113 ff.), fehlen hier nicht (p. 479. 492 ff.),

und zwar werzichtet bei denselben der Werfasser auf den Gebrauch der , deutschen

Sprache.

253) Ebend. p. 465.: Aristotiles sreib cathegorias, chunt zetuenne, uuaz ein

luzziu uuorl pezeichenem (vgl. ob. Anm. 149 ff. 159. u. 242. u. sogleich unten Anm.

256.); nu uuile er samo chunt keluon in perierminiis, uuaz zesamine gelegitiu be

zeichenem, an diem verum unde falsum fernomen uuirdet; tiu latine heizent prolo

quia ; an diem aber neuueder uernomen neuuirdet, tiu eloquia heizent (die Quelle

dieser Terminologie s. b. Marc. Capella, Abschn. XII, Anm. 51., und b. Augustin,

ebend. Anm. 33.); tero uersuiget er an disemo buoche. Uuanda ouh proloquia ge

skeiden sint, unde einiu heizent simpliciu, dar ein uerbum ist, ut hom0 uiuit, un

deriu duplicia, dar zuei uerba sint, ut homo si uiuit spirat, so leret er hier sim

plícia, in topicis leret er duplicia. Fone simplicibus uuerdent praedicatiui syllo

gi$mi, fone duplicibus uuerdent conditionales syllogismi (die Quelle hievon b. Boeth.,

Abschn. XII, Anm. 112.). Nah peri ermeniis sol man lesen prima analitica, tar er

beidero syllogismorum kemeina regula syllogisticam heizet; tara nah sol man lesen

secunda analitica, tar er sunderigo leret praedicatiuos syllogism0s, tie er heizet

apodicticam (auch wer nur oberflächlich die Analytiken selbst angesehen hätte, könnte

so sich nicht ausdrücken); zeiungist sol man lesen topica, an diem er ouh sunde

rigo leret conditionales, tie er heizet dialecticam. Tiu partes heizent sament logica.

Nu uernim uuio er dih leite zuo diem proloquiis (auch im Commentare selbst er

scheint häufig proloquium neben der Terminologie des Boethius).

254) Aus einer Zürcher Handschrift herausgegeben von Wackernagel in Haupt

u. Hoffmann, Altdeutsche Blätter II, p. 133 ff. und von Hattemer a, a. 0. p. 537

— 540.

255) Bei Hattemer p. 537.: Quot sunt partes logicae ? Quinque secundum Ari

stotelem, seactam parlem addidit aristotelicus Porphirius; quae sunt: isagoge, cathe

goriae, periermeniae, prima analitica, secunda analitica, topica.

64 XIII. - St. Gallen. De partibus loicae. De syllogismis.

Anm. 253 sahem, die nominalistische Auffassung ausgesprochen *°°);

dann folgt bezüglich der Urtheile die blosse Aufzählung der vier Arten

(allg. bej., allg. verm., part. bej., part. vern.) aus Marcianus Capella in

der Terminologie desselben *°"). Was aber hierauf über die erste und

zweite Analytik gesagt wird, beruht gleichfalls auf jener nemlichen

Stelle des Boethius, in welcher derselbe die 0rdnung der Theile des

Organons bespricht, und desselben Uebersetzung der Analytiken ist sicher

auch hier nicht benützt *°°). Endlich die Topik ist ausführlich behan

delt, und zwar völlig nach Isidor (s. ob. Anm. 39), wobei der Werfasser

als Beispiele der einzelnen Topen deutsche Sprichwörter hinzufügte 259).

Die bedeutendste aber unter all diesem Schriften, welche aus St.

Gallem hervorgiengen, ist die Abhandlung „ De syllogis mis“?°");

denn wenn sie auch gleichfalls auf einer Compilation versehiedenartigen

Materiales beruht, so greift hiebei ihr Werfasser mit grösserer Belesen

heit auch nach Dingen, welche nicht ganz auf der 0berfläche der Schul

compendien Isidor's oder Alcuin's lagen, und ausserdem bewahrt er

darin eine merkwürdige Selbstständigkeit, dass er auf einen einheitli

chen inneren Zweck der Logik hinsteuert, dessem Darlegung. den Schluss

(ler Abhandlung bildet. Zuerst wird die Definition des Syllogismus aus

Marcianus Capella (Abschn. XII, Anm. 67) mit Beifügung einiger Worte

aus Isidor's Rhetorik (ob. Anm. 43) angegeben *°'), wobei schon eine

ziemliche Anzahl von Beispielen in deutscher Sprache zur Werdeutliehung

dient, und nachdem hierauf die Eintheilung in kategorische und hypo

thetische Schlüsse in einer aus 'Marcianus und Boethius vermischten

Terminologie angeführt ist*"*), werden aus ersterem (Absehn. XII,

Anm. 63 u. 67) die Bestandtheile des kategorischen Syllogismus und

des kategorischen Urtheiles vorgebracht*°°), um hierauf die vollständige

Darlegung der meumzehn Schlussmodi folgen zu lassen, welche aus Apu

256) Ebend. p. 538 a.: Quid tractatur in cathegoriis? Prima rerum significatio

et quid singulae dictiones significent, utrum substantiam an accidens etc.

257) Ebend.: Quid narratur in periermeniis? S. Abschn. XII, Anm. 64.

258) Ebend.: Quid consideratur in primis analiticis ? Sillogistica quae est

communis regula omnium sillogismorum, necessariorum et probabilium , cathegorico

rum et ippotheticorum, item praedicativorum et conditionalium (sinnlose Werdopp

lung durch Beiziehung der Terminologie des Marc. Capella, s. Abschn. XII, Anm.

67.). Quid tractatur in secundis analiticis? Apodictica id est demonstrativa quae

demonstrat veritatem, id est necessarios sillogismos. e»

259) Ebend. p. 538 b — 540 b. Gleichfalls ans Isidor (Anm. 27.) ist copirt,

was Hattemer ebend. p. 530 f. aus einer anderen Stelle der nemlichen Handschrift

über dem Unterschied der Dialektik umd der Rhetorik anführt.

260) Vollständig abgedruckt b. Hattemer a. a. 0. p. 541—559. (auszugsweise

in Wackermagel's deutsch. Lesebuche I, p. 111 ff.).

261) C. 1, ebend. p. 541 a.: Quid sit syllogismus. Syllogismus graece, latine

dicitur ratiocinatio ..... quaedam indissolubilis oratio .... quaedam orationis eatena

et invicta ratio.

262) Ebend. p. 542 a.: Et eæ iis videntur quidam esse qui latine dicuntur

praedicativi, alii autem qui dicuntur c0nditionales ..... (p. 542 b.). Constat autem

omnis syllogismus proloquiis i. e. propositionibus. Aus den hierauf folgenden Wor

ten proloquia dicamus cruezeda, similiter propositiones cruezeda, item propositiones

pietunga , alii dicunt pemeinunga geht auch hervor, dass jedenfalls Mehrere sich

mit ähnlichen Bearbeitungen der Logik beschäftigten.

263) C. 2, p. 542 b. Nemlich sumpta, illatio , subiectivum, declarativum.

XIII. St. Gallen. De syllogismis. . 65

lejus (Abschn. X, Anm. 18 ff.) entnommen und mit selbstgemachten

deutschem Beispielem erläutert ist 204). Sodann wird auf die hypotheti

schen Schlüsse übergegangen, und zwar zunächst dasjenige, was bei

Marcianus (Abschn. XII, Anm. 69) sieh findet, in ziemlich freier Werar

beitung und mit Einmischnng der Terminologie des Boethius vorge

führt *°°), und erst hieran reiht sich die vollständige Angabe der sieben

Schlussweisen an, welche bei Cicero (Abschn. VIII, Anm. 60) aufge

zählt sind, und deren nähere Erklärung der Verfasser aus des Boethius

Commentar zur ciceronischen Topik entnommen und gleichfalls mit deut

schen Beispielen versehen hat *°°). Nun aber fand sich ja bei Isidor

(ob. Anm. 43) auch noch ein syllogismus rhetorum, und mit Anknüpfung

an das dort Gesagte wird hier Gelegenheit genommen, ausführlicher auf

die rhetorische Lehre hinüberzublicken, indem mit ausdrücklicher Wer

weisung auf Cicero (d. Inv. I, 36, s. Abschn. VIlI, Anm. 59) an Einem

ebendort sieh findenden Beispiele die rhetorische Schlussweise erläutert

wird *"). Aber sogleich bemüht sich der Werfasser, diese Art des Syl

logismus, insoweit er der Form der Bewahrheitung genügt, auf den

kategorischen Schluss zurückzuführen, indem er wieder an der Hand

des Boethius auf die einfachen Bestandtheile der Syllogismen überhaupt

hinweist *°°) und hieran Erklärungen über das Urtheil anknüpft *°°).

Und nachdem hierauf über einige mit syllogismus sinnverwandte Begriffe

etymologische* Erörterungen sich anreihten, welche entweder direct aus

Isidor oder aus dem sog. Glossarium Salomon's (ob. Anm. 185) und

theilweise auch aus Boethius genommen sind*7°), wird' in Anbetracht

der Ciceronischen Topik näher auf den Unterschied zwischen Dialektik

und Apodiktik eingegangen*7'), welcher mit jenem zwischen hypothe

264) C. 3—8, p. 543—547.

265) C. 9—12, p. 548 f. Der Sprachgebrauch des Marcianus wird dabei

als eigene Terminologie aufgefasst, memlich: propositio, assumptio, conclusio.

266) C. 13, p. 550—553. Die Quelle hievon ist Boeth. ad Cic. Top. V, p.

831 ff.

267) C. 14, p. 553 a. : Transeunt vero syllogismi et ad rhetores iam latiores

et diffusiores facti ...... Horum eæempla sunt apud Ciceronem in libris Rhetoricorum.

Das ciceronische Beispiel von der Weltregierung (d. Inv. I, 34, 59.), welches

übrigens auch bei Boeth. d. cons. phil. I, p. 958. eine Rolle spielt, wird hernach

ebenfalls in deutscher Sprache ausgeführt.

268) Ebend. p. 554 a.: Praedicativus est ille syllogismus aut conditionalis?

- - - • • • Plane ergo praedicativus est...... nam et omnes partes syllogismorum, sive

propositio sive approbatio sive sumptum sive illatio sive conclusio sive ut alii di

cunt compleacio (s. Abschn. VIlI, Anm. 59.) aut confectio, communi nomine enun

tiatio vocantur (s. ebend. Anm. 45.). Die Quelle dieser Reduction anf den einfa

chen Satz ist Boeth. ad Cic. Top. V, p. 823.; vgl. auch Abschn. XII, Anm. 131.

u. 140.

269) Ebend.: Est autem enuntiatio oratio verum aut falsum significans ....

huius species sunt affirmatio et negatio (Abschn. XII, Anm. 111); hierauf folgen

deutsche Erörterungen über. assumptio, illalio, conclusio.

270) C. 15, p. 555 a.: Nemlich über ratiocinari, disputare, iudicare, eaeperi

mentum, und: argumentum dicitur, ut Boetio (ad Cic. Top. p. 763.) placet, quod

rem arguit i. e. probat.

271) C. 16, p. 556 a.: Quaerendum autem magnopere est, quare Cicero dia

lecticam in ypolheticis tantum constituerit syllogismis .... Est enim medius inter

Aristotelem et Stoicos (hat etwa hieraus J. v. Arx jene obige Notiz, Anm. 241.,

P R A N t L, Gesch. II. 5

4_ *

66 XIII. St. Gallem. De syllogismis.

tischen und kategorischen Schlüssen zusammentreffe, eben darum aber

in dem Einen Zwecke der Auffindung der Wahrheit sich zu einer höhe

rem Einheit auflöse, denn durch die Meisterschaft des Schliessens werde

alle menschliche Wahrheit erfahren, während man das transscendente

Göttliche ohne solche Kunst vernehme *"*). So kann der Werfasser,

dessen Anschauung uns schon hiedurch ebenso deutlich als erfreulich

an Scotus Erigena (Anm. 111—120) erinnert, für das Gebiet des dies

seitigen menschlichen Wahrheitsstrebens eine einheitliche Definition der

Logik aussprechem, in welcher Dialektik „oder“ Apodiktik ihr Wesen

habe, und er drückt dasjenige, was , er bei Boethius (Abschn. XII, Anm.

76) vorfand, präciser und stärker aus, wenn er ähnlich wie Scotus

sagt, die Logik sei die Wissenschaft des Beurtheilens oder Disputi

rens *7°), denn die Macht der Form, welche in den Syllogismen jeder

Art erscheint, ist ihm das Entscheidende, in welchem alle innerhalb

der Logik auftretenden Unterschiede zusammenlaufen *7*); hingegen die

Rhetorik,- welche hloss dem Wahrscheinlichem, nicht aber der Wahr

heit diene, liege deshalb auf einem anderem Gebiete, während das all

umfassendste Gemeinschaftliche der Wortausdruck (verbum) sei, in

welchem sich sowohl der philosophische sermo als auch die rhetorische

dictio bewegen müsse *7°). Eben darum aber ist dem Werfasser jener

nominalistische Standpumkt, welchen wir bei Scotus trafen, völlig der

geschöpft ?) ..... Propterea Boetius Aristotilem in thopicis dialecticam et in secundis

analiticis apodicticam docuisse testatur, d. h. das Ganze ist aus Boeth. ad Cic.

Top. I, p. 760 f. entmommem, woselbst eine weitere Ausführung des in Abschn.

XII, Anm. 77. erwähntem Standpunktes sich findet.

272) C. 17, p. 557 b.: De potentia disputandi, i. e. Fone dero mahte des

uuissprachonis. Si ergo satis intellectum est, omnem apodicticam constare in decem

et novem modis syllogismorum et dialecticam in septem modis syllogismorum, non

sit dubitandum , totam earum utilitatem esse in invenienda veritate. Ube niunzen

sl0z ap0dicticae unde sileniu dialecticae uuola gelirnet sim, so uuizin man dar mite,

daz sie nuzze sint, alla uuarheit mit in ze eruarenne. 0mnia enim his constant,

quae in humanam cadunt rationem. Al daz menniskin irratin mugin , taz uuirdit

hinnam guuissot. Divina eaccedunt humanam rationem, inlellectu enim capiuntur.

Tiu gotelichin ding uuerdent keistlicho uernomen ane disa meisterskaft.

273) C. 18, p. 557 b.: Quid sit dialectica vel apodictica. Ergo diffinienda

est dialeclica sive apodictica, .... possunt enim unam et eandem suscipere diffini

tionem in hunc modum ..... Dialectica est sive apodiclica iudicandi peritia vel ut

alii dicunt disputandi scienlia (ebem dieses findet sich ja auch bei Scotus, ob.

Anm. 112.). Meisterskaft chiesennes unde rachomnis, taz ist dialectica, taz ist 0uh

ap0dictica, - -

274) Ebend. p. 558 a.: Prius diacimus , quia ratio est quae ostendit rem.

Reda skeinit, uuaz iz ist; pidero redo sol man chiesen, ube iz ` uuesen muge ....

Tara nah mag er rach0m, i. e. disputare, ioh uuar rachon , i. e. ratiocinari ....

Ter uuarrachot, ter mit redo sterchit unde ze uuare bringet, taz er chosot .....

Reda errihtet unsih allis , tes man stritet. Ter dia cham uinden, der ist iudeæ, ter

ist rationator, ter ist disputator, ter ist argumentator, ter ist dialecticus, der ist

ap0dicticus et syllogisticus. -

275) C. 19, p. 558 b.: Nec parum hoc attentendum est, quantum intellectu

quaedam distant, quae simili modo solent interpretari, ut sunt: verbum, sermo,

dictio .... Quae si unum significarent, nequaquam sermo daretur philosophis, dictio

vero rhetoribus, ut auctores docent (d. h. Isidor, s. obem Anm. 27.); nam et Ari

st0tiles dialecticam, quae interpretatur de dictione, ad rhetores traacit et voluit eam

esse in argumentis rhetoricis, i. e. probabilibus, quae ille iudicavit esse (die Hand

' XIlI. St. Gallem. De syllogismis. Franco. 67

selbstverständliche, denn der Unterschied zwischen Wahr und Falsch,

d. h. der Gegenstand aller logischen Beurtheilung oder Erörterung, kamm

mur in menschlichen Urtheilen auftreten, und auch die Prädicamente

sind eben nichts Weiteres als Aussagen 27"). — Wohlthuend ist es uns

jedenfalls, hier einem Autor begegnet zu sein, welcher weiss, was er

will, und es steht uns diese Schrift unendlich höher als die zwecklosen

und peinlichen Spielereien eines Gerbert oder eines Anselmus; auch

wäre es wohl schwerlich zu den „Beweisen für das Dasein Gottes“

gekommen, wenn man im Allgemeinen jene Besonnenheit bewahrt hätte,

die Meisterschaft des Schliessens wohl allseitig in dem uns Wahrnehm

baren zu üben, hingegen das unmittelbar Göttliche dem gläubig from

men Sinne zu überlassen. — Uebrigens müssen wir auch hier gleich

falls darauf hinweisen, dass der Werfasser dieser Abhandlung die von

Boethius angefertigte Uebersetzung der Analytiken nicht gekannt haben

kann, denn sowie er überhaupt eine grössere Belesenheit als Andere

zeigt, würde er wohl gewiss die neunzehn Modi nicht aus Apulejus

geschöpft haben, wenn ihm die aristotelische Syllogistik selbst zugäng

lich gewesen wäre, noch auch würde er bei seinem Streben nach in

merer Einheit der Logik lediglich an jene nemlichen Stellen angeknüpft

haben, welche aus den verbreitetsten Uebersetzungen und Commentaren

des Boethius Jedermann kannte *77).

Aber jener ausgedehnte Betrieb der Logik, wie ihn uns in dieser

Zeit St. Gallen zeigt, dürfte auch wohl eine ziemlich isolirte Erschei

nung sein, woferne es nicht etwa bloss der Mangel an Nachrichten ist,

welcher uns zu dem Urtheile veranlasst, dass in der ersten Hälfte des

11. Jahrh. im Allgemeinen eine Unthätigkeit in logischen Fragen oder

selbst in Anfertigung von Compendien obgewaltet habe. Ja bei jedem

Schritte unserer Untersuchung müssen wir die Möglichkeit im Auge

behalten, dass Manches, was vorhanden war, unserer Kenntniss gänz

lich entrückt sei, wenn auch zugegeben werden mag, dass Erschei

nungen von grösserer Bedeutung schwerlich ganz spurlos entschwunden

wären, und dass ein gänzliches Stillschweigen aller Quellen kaum denk

bar sei, wenn wirklich in weiterer Werbreitung das Gebiet der Logik

eine Bearbeitung gefunden hätte.

Ungefähr aus der Mitte des 11. Jahrh. haben wir die Notiz, dass

ein Scholasticus F ra n c o in Lüttich (um d. J. 1047) eine Monographie

über die Quadratur des Zirkels (vgl. ob. Anm. 191 u. 251) in Anknü

schr. hat non esse) discernenda a necessariis argumentis, de quibus fiunt ypothetici

syllogismi et tota dialectica, ut Cicero docuit (s. Boeth. ob. Anm. 271.).... Dignior

est namque sermo et gravior, ut sapientes decet, dictio humilior est et plus com

munis data rhetoribus. Verbum autem omnium est. -

276) Ebend.: Et in interpretando proprie sermo (vgl. Anm. 321.) saga dicitur,

sic et enuntiatio, quae similiter philosophis tradita est et disputantibus necessaria

est, quia inest ei semper verum aut falsum ..... Praedicare autem est, inquit Boe

tius (p. 127.), aliquid de aliquo dicere, i. e. eteuuaz sagem fone eteuuiu ; unde

et praedicamentum dicitur et praedicatio, einis tings kesprocheni fone demo andermo.

277) Es scheint, dass in solchen Fällen der Beweis aus dem Stillschweigen

völlig schlagend sei und darum sehr bestimmt verstärkend zu dem allgemeinen

Umstande hinzutrete, dass überhaupt keine einzige positive Spur einer Benützung

jener aristotelischem Schriften sich zeigt.

5*

68 XIII. 0thlo. Damiani. Die Rechtswissenschaft.

pfung an die betreffende Stelle des Boethius verfasste *"*), und etwa

aus derselben Zeit können wir wenigslens das Geständniss eines Emme

raner Mönches 0 th lo (geb. um 1013, gest. in Regensburg um .1083)

anführen, welches dahin lautet, dass es einige so eingefleischte Dia

lektiker (dialectici ita simplices) gel)e, welche an alle Worte der hei

ligen Schrift den dialektischen Maassstab amlegen und dem Boethius mehr

glauben als der Bibel selbst *7°). Aus letzterer Klage aber muss man

schliessen, dass obige Werwarnung Fulbert's (Anm. 237) nicht bloss

von einem Berengarius missachtet wurde, sondern dass von mehrerem

Seiten die Dialektik in theoretisch- dogmatischen Fragen als Prüfstein

bezeichnet wurde *°°). Hingegen blieb, wie sich von selbst versteht,

die Mehrzahl dem ursprünglichen Standpunkte des christlichen Mittel

alters getreu, und es mag, da wir nunmehr in eine Zeit der Kämpfe

einlreten, darum nur beispielsweise erwähnt werden, wie Petrus Da

mi a ni (geb. 1006, gest. 1072) der Dialektik den Beruf zuweise, als

fromme Magd im Dienste der Kirche zu stehen und ihrer Gebieterim

demüthig auf dem Fusse zu folgen **'), wobei allerdings Damiani's gläu

bige Seele noch keine Ahnung davon hat, dass auch dieser Dienstbote

den Dienst kündigen und sich einen eigenen Herd gründen könne.

Eben aber in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. tratem Momente

der Kulturgeschichte auf, durch welche innerhalb der sich gleichbleibenden

logischen Schultradition eine frischere Bewegung und selbst eine heftige

Erneuerung älterer Parteigegensätze herbeigeführt wurde. Zwei Seiten

sind es, vom welchen her sich auf verschiedene Weise und in sehr

verschiedenem Grade ein Einfluss auf die Logik geltend macht, denn

die eine derselben können wir hier vorerst nur in leisen Anfängen er

blicken, um bei ihrem späteren stärkeren Auftreten wieder hieram an

zuknüpfen, während die andere sofort mit aller Macht sich erhebt und

278) Sigebert Gembl. Chron. ad ann. 1047 b. Pertz, Mon. VIII, p. 359.: Franco

scholasticus Leodicensium et scienlia litterarum et morum probitate claret, qui ad

Herimannum archiepiscopum scripsit librum de quadratura circuli, de qua re Aristo

teles (b. Boeth. p. 165.) ait : circuli quadratura, si est scibile, scientia quidem non

est, illud vero scibile est.

279) 0thlo d. tribus quaest. b. Pez, Thes. Anecd. III, 2, p. 144.: Peritos autem

dico magis illos, qui in sacra scriptura, quam qui in dialectica sunt instructi; nam

dialecticos quosdam ita simplices inveni, ut omnia sacrae scripturae dicta iuacta dia

lecticae auctoritatem constringenda esse decernerent, magisque Boetio quam sanctis

scriptoril)us in plurimis dictis crederent ; unde et eundem Boetium secuti me repre

hendebant, quod personae nomen alicui nisi substantiae rationali adscriberem etc.

280) Denn abgesehen davon, dass in den verschiedenem theologischen Schrif

ten 0thlo's die Abendmahlsfrage nicht speciell besprochen wird und daher die

Polemik gegen die Dialektiker schwerlich sich auf Berengar bezieht, ist ja in der

eben angeführten Stelle von persönlichen Begegnissen die Rede, welche Othlo als

Folge einer allgemeinen Zeitrichtung bezeichnet.

281) Petri Damiani 0pp. ed. Caietani, Par. 1743. fol. III, p. 312.:. Haec

plane, quae ea, dialecticorum vel rhetorum prodeunt argumentis, non facile divinae

virtutis sunt aptanda mysteriis, et quae ad hoc inventa sunt, ut in syllogismorum

instrumenta proficiant vel clausulas dictionum, absit ut sacris legibus se pertinaciter

inferant et divinae virtuti conclusionis suae necessitates opponant. Quae tamen artis

humanae peritia , si quando tractandis sacris eloquiis adhibetur, non debet ius

magisterii sibimet arroganter arripere, sed velut ancilla dominae quodam famulatus

obsequio subservire, ne , si praecedit, oberret etc.

XIII. Die Rechtswissenschaft. Papias. 69

den Entwicklungsgang auf längere Zeit bedingt. Diese' beidem Seiten

aber sind die Jurisprudenz und die theologische Dogmatik.

Wenn nemlich die Rechtspflege an sich schon überhaupt eine Hin

weisung auf dialektisch-rhetorische Praxis enthält, so ist es erklärlich,

dass zu einer Zeit, als in Italien eine Erneuerung der Rechtswissen

schaft eintrat und die Entstehung von Rechtsschulen begann ?*?), nun

ein grösseres Gewicht auf praktische Logik fiel, d. h. allerdings auf

eine Logik, welche von der Rhetorik sich kaum unterscheidet, aber in

der Lehre von der Argumentation und in der Topik dem üblichen lo

gischen Schulmateriale verwandt bleibt. Sowie wir selbst für unseren

hiesigen Zweck schon früher (Abschn. VIII, Anm. 52 u. 68) aus den

Pandekten Quellenstellem entnehmen konntem, so scheint andrerseits das

Studium der Grammatik und Rhetorik in Italiem eine umunterbrochene

Verbindung mit juristischen Materien bewahrt zu haben *°°), und wenn

wir auch die litterarische Anekdote, dass das ganze Rechtsstudium zu

Bologna seinen Anfang aus einer grammatischen Erklärung des Wortes

„As“ geschöpft habe ***), gerne bei Seite lassen, so war doch jeden

falls der juridische Unterricht, welcher durchaus nicht der ausschliess

lichen Heranhildung von Klerikern diente, damals ursprünglich an dem

üblichen Betrieb der artes liberales geknüpft gewesen *°°). Den schla

gendsten Beleg , hiefür finden wir an dem Grammatiker Pa pias (um

1060), welcher in seinem encyclopädischen Wocabularium eine ansehn

liche Menge juristischer Worte und Begriffe in grösserer oder geringerer

Ausführlichkeit bespricht *°°) und in den die Logik betreffenden Wort

erklärungen oder längeren Artikeln, welche er sämmtlich aus der da

mals bekannten Schul-Litteratur entnimmt **"), uns durch eine einzelne

282) S. Savigny, Gesch. d. Röm. R. im Mittelalt. IV, p. 1 ff., u. Giesebrecht,

D. litt. stud. ap. Italos. Berol. 1845. 4.

283) S. Merkel, Gesch. d. Langobardenrechts (Berl. 1850) p. 13. u. 46., u.

Lachmann, Wersuch üb. d. Dosithens. Berl. 1837. 4.

284) Hostiensis, Comment. in Decret. libr. bei Savigny a. a. 0. p. 19.

285) S. Giesebrecht a. a. 0., welcher (p. 19.) aus Wippo's Panegyricus auf

Heinrich III. (gest. 1056) folgende Werse- anführt: Tunc fac edictum per terram

Teutonicorum, Quilibet ut dives sibi natos instruat omnes Litterulis legemque suam

persuadeat illis, Ut cum principibus placitandi venerit usus, Quisque suis libris

exemplum proferat illis .... Hoc servant Itali post prima crepundia cuncti, Et su

dare ' scholis mandatur tota iuventus ; Solis Teutonicis vacuum vel turpe videtur,

Ut doceant aliquem, nisi clericus accipiatur.

286) Papias Vocabulista. Venet. 1496. fol. (nicht paginirt). Die juristischen

Begriffe sind: Accessio, Actio, Aequitas, Aes alienum , Agnati, Arra, Arbiter, B0

norum possessio, Capitis diminutio, Casus, Causa, Codicillus, Communi dividundo,

Contractus, Dolus, Edictum, Emancipare , Emphyteusis, Emptio venditio, Falcidia

leae, Fideicommissum, Fundus, Haeres, Haereditas, Interdictum, Iudicium, Ius

(ausführlich), Iustitia, Leges (ebenso), Liber, Mancipi res, Manumissus, Municipes,

Mutuari, Necmancipi, Notae in libris iuris, Nova, Paterfamilias , Peculatus , Pos

sessio, Puberes, Reus , Stipulatio, Testamenta iuris civilis (ausführlich), Usucapio.

(Diese Seite des Papias ist, soviel ich weiss, für die Litterargeschichte der Ju

risprudenz moch- nicht benützt wordem.)

287) Die Worterklärungen aus der Logik (Accidens, Ad aliquid, Affirmare,

Anasceue, Apodiacis, Apophasis, Argumentatio, Aaeioma, Catasceue , Conclusio, De

finitio, Dialectica, Differentia , Enthymema, Enuntiativa, Equivoca, Essentia, Genus,

Habere, Habitus, Hysagoga, Hypothetici syllogismi, Individuum, Inductio , Logica,

70 XIII. Papias. Lanfrancus.

Bemerkung neuerdings den Beweis liefert, dass mam in jener Zeit auch

in 0heritalien die Analytik des Aristoteles nur vom Hörensagen kannte *°°).

Eben aber mit einer solehen Verbimdung grammatiseher, rhetorischer,

logischer und juristischer Schulkenntmisse, wie sie Papias zeigt, hängt

es zusammen, dass er in einem eigenen Artikel auch die „Epistolae

formatae“ hespricht?°°) und so auf die sogenannten Formelbücher (s.

sogleich unten Anm. 295) hinüberweist. Mlit all diesem nun steht es

in offenbarem Einklange, wenn sowohl ein gleichzeitiger Bericht über

jene ersten Keime einer Rechtssehule sich in Ausdrücken hewegt,

welche uns direct an die gewöhnliche Schul-Logik erinnern *°°), als

auch wenn an zwei hervorragenden Männern jener Zeit, an Lanfran

cus und Irnerius, sich gleichsam eine Personal- Union der Dialektik

und der Jurisprudenz zeigt. Denn dass L a m fra n cu s (geb. um 1005,

gest. 1089), auf welchen wir alsbald wieder zurückkommen müssen,

die erste Hälfte seiner Thätigkeit vor dem Ausbruche des Abendmahl

streites hauptsächlich dem Rechtsstudium in ausgedehnter und erfolg

reicher Weise zugewendet habe, ist eine unbestreitbare Thatsache ?°!),

wenn auch eine directe Verbimdung, in welche er sogar mit Irnerius

selbst gebracht wird, aus chronologischen Gründem undenkbar ist *°°);

Nomen, Omonyma, 0ratio, Propositio, Proprium, Qualitas , Quando, Quantitas,

Ratiocinatio, Syllogismus, Synonima, Sophisma, Species, Substantia, Univoca,

Voæ) sind sämmtlich aus Isidor oder Boethius excerpirt; höchstens könnte herwor

gehoben werden, dass bei Categoria Papias die mehr nominalistische Auffassung

auswählt: Categuriae graece, latine praedicamenta dicuntur, quibus per varias signi

ficationes omnis sermo conclusus est.

288) Er erklärt nemlich : Analetica (vgl. folg. Abschn., Anm. 23.) i. e. reso

lutoria, quod est medium volumen commenti super Periermenias , appellavit Boetius,

ubi omnes syllogismi rhetoricae artis resolvuntur. Ausser diesem Unsinne etwa auch

noch: Elenchorum, titulus libri cuiusdam Aristotelis.

289) Formatae epistolae a sanctis cccxvIII patribus in Nicaeno consilio consti

tutae feruntur, u. s. w. (eine Folio-Seite hindurch).

290) Nemlich der so eben erwähnte Damiani sagt in seinem Sendschrei

ben De parentelae gradibus (0pp. III, p. 89 ff.) von seinen Gegnern (prooem.

p. 89.): Ea, quibus nimirum verbis (d. h. Iustin., Instit. I.) inductoria quaedam

colligebant argumenla, ferner (c. 1, p. 90.): interrogentur igitur qui in tribunalibus

iudicant, qui causarum negotia dirimunt, qui scrutandis legum decretis insistunt,

und insbsondere (c. 6, p. 92.): cumque in astruendis propriis allegationibus sae

pius verba haec iterarent, deinde ratiocinando, assumendo, colligendo, multimoda

cavillationum argumenta componerent, sowie auch (c. 7, p. 92.): quidam promptu

lus cerebrosus ac dicaae, scilicet acer ingenio, mordaae eloquio; vehemens argumento,

Florenlinus puto, verbis me insolenter urgebat. Aehnlich auch D. grad. cogn. c. 2,

p. 96.: Super quo nimirum nonnulli doctorum diversa a se invicem sentientes longis

argumentationibus disputant.

291) Milo Crisp. Vita Lanfr. c. 11. b. Mabill. Acta Bened. IX, p. 639.: Ab

annis puerilibus eruditus est in scholis liberalium artium et legum secularium ad

suae morem patriae. Adolescens orator veteranos adversantes in actionibus causarum

-frequenter revicit torrente facundiae accurate dicendo; in ipsa aetate sententias de

promere sapuit, quas gratanter iurisperiti aut iudices vel praetores civitatis accepta

bant. Meminit horum Papia (d. h. seine Waterstadt Pavia). At cum in eacilio phi

losopharetur, accendit animum eius divinus ignis , et illuacit cordi eius amor verae

sapientiae. Mehreres speciell Juridische s. b. Merkel a. a. 0. p. 14. u. 46 f.

292) Robert de Monte auct. ad chron. Sigeb. Gembl. ad ann. 1032. b. Pertz,

Monum. VIII, p. 478.: Lanfrancus Papiensis et Garnerius socius eius repertis apud

Bononiam legibus romanis, quas Justinianus ..... emendaverat, his, inquam, repertis.

XIII. Irnerius. Formelbücher. 71

·

jedenfalls aber ist ihm, wie aus den Berichten hervorgeht, die nem

liche dialektische Gewandtheit, welehe er später gegen seine theologi

schen Gegner beurkundete, auch schon damals zur Seite gestandem.

I r n e rius aber (seine Blüthezeit fällt zw. 1100 u. 1120), dessen Auf.

trelen bekanntlich für die Bologneser Rechtsschule den Uebergang von

der ersten Keimperiode zu reicherer Entfaltung bildet, wird in dem

Glossen des 0dofredus ausdrücklich als „Logiker" bezeichnet, und aus .

dem Umstande, dass er vorher Lehrer der freien Künste gewesen sei,

wird eine übertriebene Spitzfindigkeit, welche in seinen Glossem sich

gefunden habe, erklärt *°°). Da aber Irnerius auch ein Formularium

verfasste *°*), so müssen wir hieran die vorläufige Bemerkung knüpfen,

dass eine eigene ausgedehnte Litteratur entstand, welche der Notariats

kunst und Notariatspraxis diente und fortan eine Verbindung der übli

chen Schul-Rhetorik mit juristischen Stoffen lebendig erhielt. Und wenn

nun diese ,, F ormelbü c h e r* *°°) allerdings damals noch durchaus

keinem nachweisbaren Einfluss auf die Logik selbst ausübtem, und die

„Praktiker“ noch nicht eine Anerkenntniss ihrer Berechtigung betreffs

der Logik beanspruchten, so liegt doch hier der Keim einer Tendenz

vor, welche Jahrhunderte hindurch ihre eigenem Wege wandelte und

dabei sich weit mehr auf ciceronisch-rhetorische Dialektik, als etwa auf

das aristotelische 0rganon hingewiesen sah. Daher wir schon hier es

als dereinstiges nicht umerwartetes Resultat andeuten dürfen, dass später

die rhetorischen Praktiker sich dem Sturmlaufen gegen die aristotelisch

scholastische Logik anschliessen werden. Ja, es ist schwerlich eine

ganz zufällige Redensart, wenn schon ein Autor gegen Ende des 11.

Jahrh., und zwar ein Mailänder, gelegentlich dem Aristoteles und den

Cicero mit den Ausdrücken „Labyrinth“ und „Palast“ einander gegen

überstellt 290).

operam dederant eas legere et aliis eæponere. Sed Garnerius in hoc perseveravit,

Lanfrancus vero disciplinas liberales et litteras divinas in Galliis multos edocens

tandem Beccum venit et ibi monachus factus est. Wielleicht jedoch ist das chrono

logische Bedenken, welches Savigny a. a. 0. p. 21 f. erhebt, überhaupt unnöthig,

wenn wir bei ,,socius** nicht an persönlichen Werkehr denken, sondern es gleich

sam mit „juristischer Gesinnungsgenosse“ übersetzen.

293)T0dofr. (Codez) in L. ult. C. de in int. restit. minor. (2, 22.): 0r, seg

nori, plura non essent dicenda super lege ista ; dominus tamen Irnerius, quia loicus

fuit, et magister fuit in civitate ista in artibus, antequam doceret in legibus, fecit

ìnam glossam sophisticam, quae est obscurior quam sit tertus. Und (Cod.) in

Aulh. ,,qui res“ C. de SS. eccl. (1, 2.): Et debetis scire vos, domini, sicut nos

fuimus instructi a nostris maioribus, quod dominus Yrnerius fuit primus, qui . fuit

ausus dirigere cor suum ád legem istam; nam dominus Vrnerius erat magister in

artibus, et studium fuit Ravennae et, collapsa ea, fuit studium Bononiae, et do

minus Yrnerius studuit per se sicut potuit, postea coepit docere in iure civili, et

ipse fecit primum formularium, i. e. librum omnium instrumentorum etc. (angeführt

bei Savigny). -

294) Näheres b. Savigny a. a. 0. p. 62 f.

- 295) s. Merkel a. a.T0. p. 33., uhd vor Allen L. Rockinger, Ueber Formel

bücher v. 13. bis z. 16. Jahrh. München 1855. 8., bes. p. 36 ff. u. p. 56.

296) Arnulf, Gesta archiep. Mediol. I, 1, b. Pertz, Mon. X, p. 7 : Non mihi

met ipsé confido, quem evilis ingenii adeo paupertas angustat, ut difficilis mihi

videatur Aristotelici laberinthi ingressus, laboriosus valde Tuliani palacii accessus;

fateor me nunquam conscendisse curules quadrivii rotas. -

72 XIII. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus.

Entschiedener aber, wie gesagt, äussertem theologische Streitig

keiten, welche damals über das Abendmahl geführt wurden, einen directen

Einfluss, und jene Parteispaltung betreffs der Logik, welche wir schon

am Schlusse des 9. Jahrh. oben trafem, erhält nun gegen das Ende des

11. Jahrh. einen schärferen Hintergrund durch speciell dogmatische

Anschauungen, wobei die weitere Entwicklung sich um so eigenthüm

licher gestalten muss, je mehr das eigentlich logische Interesse, wie

schon bemerkt wurde (oben S. 36 f.), gerade dem Nominalismus näher

stand, als dem christlichen Realismus. Den dogmatischen Inhalt jener

Kämpfe lassen wir hier, wie sich von selbst versteht, als einen völlig

gleiehgiiltigen gänzlich bei Seite, und betrachten nur das formell dialek

tische Moment.

In dieser letzteren Beziehung aber war es vor Allen Fulbert's

Schüler, Berengari u s (geb. 998, gest. 1088), welcher seit d. J.

1031 als Scholasticus in Tours docirte und dabei den Muth hatte, auf

dem Gebiete des Wissens sich jeder Auctorität, mochte sie sein welche

sie wollte, zu widersetzen, indem er gegenüber aller Tradition, auch

selbst der grammatischen und logischen *°7), uur die selbsteigene Kraft

der Denkfunction als den ausschliesslichen Maassstab der Wahrheit an

erkannte; denn jener Grundsatz, welchen er später in seiner Werthei

digungsschrift gegen Lanfraneus aussprach, muss ihm schon früher als

der richtige vorgeschwebt sein, der Grundsatz nemlich, dass einzig und

allein die Dialektik die Form der Wernunft sei, und während Berengarius

in ähnlicher Weise wie Scotus Erigena einem Zusammenhang der Dia

lektik mit der göttlichen Weisheit zugesleht, beruft eben darum auch

er sich auf Augustin's Ausspruch (Abschn. XII, Anm. 18) und erklärt

num mit aller Entschiedenheit, dass gerade bei Benützung heiliger Aucto

ritátem das rationelle Verfahren (ratione agere) unvergleichlich höher

stehe *°°). Hingegen umgekehrt im. Dienste der dogmatischen Auctorität

trat eben um dieselbe Zeit die Dialektik bei L a n francus auf, welcher,

nachdem er Pavia verlassen und, die dortige juristische Thätigkeit (ob.

Anm. 291 f.) aufgegeben hatte, zuerst (im J. 1040) in Avranches und

dann seit 1043 im Kloster Bec in der Normandie. als Scholasticus wirkte.

297) Adelmanni Epist. (s. ob. Anm. 235.) p. 31.: Aiunt te novitatum capto

rem .... adeo ut Priscianum, Donatum, Boethium prorsus contemnas.

298) Bereng. d. sacr. coena , ed. A. G. et F. Th. Vischer, Berol. 1834, p.

100 f.: Quod relinquere me, inquio ego, sacras auctoritates hon dubitas scribere,

nmanifestum fiet divinitate propitia, illud de calumnia scribere te, non de veritate,

ubi deducendi sacras auctoritates in medium necessitate inde agendi locus accurre

rit, quanquam ratione agere in perceptione veritatis incomparabiliter superius esse,

quia in evidenti res est, sine vecordiae coecitate nullus negaverit ..... Verbis dia

lecticis ad manifestationem veritatis agere non erat ad dialectucam confugium con

fugisse, a qua ipsam dei sapientiam et dei veritatem video minime abhorrere (vgl.

Anm. 305.), sed suos inimicos arte revincere ..... Mazimi plane cordis est , per

0mnia ad dialecticam confugere, quia confugere ad eam ad rationem est confugere,

qu0 qui non confugit, cum secundum rationem sit factus ad imaginem dei, suum

honorem reliquit, nec potest renovari de die in diem ad imaginem dei. Dialecticam

beatus Augustinus tanta diffinitione dignatur, ut dicat: dialectica ars est artium,

disciplina disciplinarum, novit discere, novit docere, scientes facere non solum vult,

sed etiam facit.

XIII. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus. 73

Seine grosse dialektische Gewandtheit, welche er in theologischer Exe

gese bei jeder Gelegenheit beurkundete *°°), wirkte gleichsam ansteckend

auf seine zahlreichen Schüler *°°), und es soll sogar ein kleiner logi

scher Werstoss, welchen er dem Berengarius nachgewiesen habe, die

Veranlassung gegeben haben, dass die Schule des Letzteren an Frequenz

abnahm 801). Wie sehr aber Lanfrancus allen logischen Scharfsinn nur

zur Stütze der 0rthodoxie aufgewendet habe, zeigt ausser dem Auftreten

in der Abendmahlsfrage ganz besonders sein Elucidarium 30?), denn in

dieser Schrift wird der Inhalt der damaligen Dogmatik in Beweisform

mit vollendetster Consequenz bis auf die extremstem Spitzen himausge

trieben, und das logische Moment dient nur dazu, um für alles Mög

liche irgemd Gründe oder nähere Bestimmungen bis ins Abstruseste auf.

zuspüren 398). Dieser Mann aber nun, welcher so seine Wernunft schlecht.

hin gefangen gab, war ganz dazu angethan, als Denunciant und Ketzer.

richter gegen Berengarius aufzutreten *"*), da Letzterer bezüglich des

299) Sigeb. Gemblac. d. scriptt. eccl. c. 155. b. Fabr. Bibl. eccl. p. 112.:

Lanfrancus dialecticus et Cantuarensis archiepiscopus Paulum apostolum eæposuit et

ubicunque opportunitas locorum occurrit, secundum leges dialecticae proponit, assu

mit, concludit.

300) Guilelm. Malmesb. d. gest. reg. Angl. III. b. Savil. Scriptt. rer. Angl. Lond.

1596. fol. 61 b.: Lanfrancum, de quo serio dici potest ,,tertius e coelo cecidit

Cato** ... adeo latinitas omnis in liberalium artium scientiam per doctrinam eius se

incitabat. Ebend. d. gest. pontif. H. fol. 116 b.: publicas scholas de dialectica

professus est .... evivit fama eius remotissimas latinitatis plagas eratque Beccum

magnum et famosum litteraturae gymnasium ..... ubique discipuli inflatis buccis

dialecticam ructabant ..... Ebend. fol. 122 b.: vir cuius industriam praedicabit Can

tia, cuius doctrinam in discipulis eius stupebit latinitas , quantum omnes anni

durabunt.

301) Guitmond (ein Schüler Lanfranc's) d. corp. et sangu. Chr. b. Bibl. patr.

Lugd. XVIII, p. 441.: Postquam a domino Lanfranco in dialectica de re satis parva

turpiter est confusus (sc. Berengarius), cumque per ipsum dom. 'Lanfrancum virum

aeque doctissimum liberales artes deus revalescere atque optime reviviscere fecisset,

desertum se iste a discipulis dolens etc. Doch es ist auf solche Berichte nicht

viel zu geben, denn dass Lanfranc's Anhänger in maiorem dei gloriam gelogem

haben können, wird jeder Unbefangene zugeben.

302) Die Schrift ,,Elucidarium sive dialogus summam totius theologiae complec

tens** ist unter den Werken des Anselmus v. Canterbury gedruckt, wurde aber

schon von Gerberom beanstandet und unter die zweifelhaften Schriften gesetzt, und

nun scheint sie völlig mit Recht der neueste Herausgeber der Werke Lanfranc's,

Giles, gestützt auf die Auctorität mehrerer Handschriftem, dem Lanfrancus zuzu

schreiben.

303) Dabin gehören z. B. die Fragen, warum Gott auch Mücken und Wanzen

erschaffem habe (Elucid. I, 12. Lanfr. 0p. ed. Giles, 0aeon. 1854. II, p. 211.), um

wie viel Uhr Adam aus .dem Paradiese vertrieben worden sei (I, 15, p. 214),

warum Gott keinem zweiten besseren Adam geschaffen habe (I, 17, p. 218.), ob

Christus als neugebornes Kind allwissend gewesen sei (I, 19, p. 220.), warum

Gott nichts ungeschehen machen könne (II, 8, p. 224.), welche Zahl von Seelen

in den Himmel kommen könne (III, 3, p. 273.), in welcher Körperstellung die

Werdammten in der Hölle sitzen (III, 4, p. 275.), wie es bei der Auferstehung des

Fleisches sich mit den Haaren, welche wir abrasiren, nnd mit den Nägeln, welche

wir uns abschneidem, verhalte, und wie es mit jenen Menschen stehe, welche von

wildem Thieren gefressem wurden (III, 11, p. 281.), um wie viel Uhr das jüngste

Gericht stattfinden werde (III, 12, p. 282), ob die Seligen nackt seien oder Klei

der tragen (III, 16, p. 287.) u. dgl.

304) Was den persönlichen Charakter Lanfranc's betrifft, so scheint die An

74 XlII. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus.

Abendmahles im Hinblicke auf frühere Streitigkeiten seine offene Sym

pathie für jene Ansicht aussprach, welche als die des Scotus Erigena

galt, und hiemit sich als Gegner des Paschasius bekannte. . Der Kern,

dieser Händel, welche zwischen 1060 und 1070 einen hefligen Schrif

tenwechsel zwischen Berengarius und Lanfrancus hervorriefen, besteht,

soweit er uns nach seiner dialektischen Seite hier interessirt, in Kürze

darin, dass B e r e n g a r i u s erstens überhaupt jene Anschauungsweise,

welche wir als die nominalistische des Scotus Erigena oben trafen , zu

der seinigen macht, und daher ebenso wie jener die Wahrheit der

menschlichen Kundgebung in den Urtheilem und die Festigkeit der Wort

bezeichnung meben dem ontologisch göttlichen Principe der Dinge aner

kennt °"°), und zweitens dass derselbe diesen Standpunkt nun folge

richtig auch auf die Abendmahlsfrage anwendet, wornach er in den

Wortem „Brod* und „Wein“ als Worten die adäquate richtige Bezeich

nung des wahren und unveränderlichen Wesens des Brodes und des

Weines erfasst*"°), so dass jede beliebige Aussage über die beiden

eben schlechthin sinnlos sei, sobald mam annelme, dass das substan

tielle Wesen des Brodes und des Weines geändert oder getilgt wäre 807).

sicht, welche Lessing über denselben aussprach, durchans noch nicht widerlegt

Zu Se10.

305) Bereng. a. a. 0. p. 104.: Et quidem propositio vera est veraeque prop0

sitionis vim suo loco posita oblineret, ......;. nec eius magis quam omnium tam

ferum quam aliarum propositionum veritas apud veritatem omnia scientis ac prae

scientis dei aeternaliter constat, qui et res ipsas in principalibus ac secundis essen

tiis condidit easque tam verarum quam falsarum pr0p0sitionum causas esse disp0

suit. H. Ritter irrt sehr, wenn er (Gesch. d. Phil. VII, p. 310.) in Berengarius

einen Realisten erblickt; denn erstens von den Universalien ist bei Bereng. weder

hier noch überhaupt irgendwo eine Rede, und zweitens werden die sogleich fol

genden Stellen deutlich zeigen, dass das Hauptgewicht auf der begrifflichen Festig

keit der menschlichen Worte liege. '

306) Ebend. p. 66.: Nomina enim rerum ad differentiam rerum ipsarum ' qu0

damm0d0 solitaria dici possunt, verbi gratia pronuntiato nomine quod est ,,terra“,

solius est terrae quod auditur, item audit0 e0 quod est ,,panis“ ad plura n0n erit

eaecurrendum; pronuntiato aulem eo quod est ,,elementum“ ad plura itur, nisi,

unde agas , de terra an de aqua aut celeris, determines , et sicut terrae' adhibetur

nomen hoc ,,terra“, qu0 discernatur ab aliis, ita ,,elementum“. Ebend. p. 75.:

Qui dicit ,,panis altaris solummodo est corpus Christi“, panem in altari esse non

negat, panem et vinum esse confirmat in mensa dominica ....... „Solemus enim ali

quas res illarum rerum ea, quibus efficiuntur nominibus appellare, quamvis in aliam

naturam translatae iam non possint esse illud, quod sunt res illae, eae quibus pro

bantur effectae ..... ac per hoc, cum tam diversae naturae sint in utrisque, non

recte quis cristallum nivem vocaverit, nisi e0 loculionis m0d0 , qu0 res effecta ma

teriali solet nomine appellari. Ebend. p. 79.: Quando enim sit aliquid n0n per

generationem subiecti de aliquo, non per corruptionem , subiecti, sicut de auro annu

lus, de aere concha, de marmore pira, de arbore paries arcus et tabula , iure ma

teriae nomine appellantur, quod facta sunt de materia, quia non amisit ipsa materia

formam suam.

307) Ebend. p. 67.: Dum enim dicitur ,,panis et vinum sacramenta sunt“,

minime panis, aufertur et vinum, et nominibus rerum ita natarum significativis apta

tur nomen, quod non nata sunt ut ,,est sacramenlum*'; simul etiam esse aliud

aliquid minime prohibentur. Ebend. p. 81.: 0mne enim quod est aliud, est in eo

quod aliquid est, nec potest res ulla aliquid esse, si desinat ipsum esse ; et ne

obscurum , quod dico, remaneat, dicat aliquis ,,Socrates est, Socrates iustus est**;

nullo modo Socrates iustus erit, si Socratem esse non contingeret. Ebend. p. 84.:

XIII. Die Theologie. Berengarius. Lanfrancus. 75

L a nfr an cus hingegen, welcher gelegentlich auch zu einer elenden

Sophisterei .seine Zuflucht nimmt 80°), steht überhaupt auf dem Stand

punkte, dass Auctoritäten mehr gelten als dialektische Gründe 309), und

ihm sowie seinen Anhängern musste natürlich eine nominalistische Werth

schätzung der Dialektik verwerflich erscheinem ; kurz ein richtiger In

stinet leitele die Gegner eines selbslständigen Auftretens der Logik,

wenn sie die dem Scotus Erigena zugeschriebene Ansicht über das

Abendmahl in eine innere Verbindung mit dem wirklichen logischen

Momente der Philosophie des Scotus brachtem, und die Verurtheilung

der Abendmahlslehre des Berengarius enthielt zugleich eine Werurthei

lung jener Logik in sich, welche auf die subjective Kraft des mensch

lichem Denkens sich stützend in den menschlichen Sprachausdrücken den

festem Gehalt. begrifflicher Allgemeinheit erblicken konnte.

Erklärlich aber ist es, dass, eben hiedurch die lediglich formelle

Frage wieder stärker angeregt wurde, d. h. dass über die Auffassung

der Logik selbst und mamentlich über die Begriffsbildung jene Wer

schiedenheit der Ansichten, welche auf Grund des überlieferten Schul

materiales schon viel früher zu Tage getreten war, jetzt zum offenem

Streite aufflammte, wobei mit dem entschiedmeren Bewusstsein einer

Parteistellung die beiderseitigen Behauptungen durch Herbeischaffung von

Gründem gestützt werden solltem. Nemlich auch die Realisten nahmen

Si propositioni illi quae dicit ,,hic panis est meum corpus“, ubi subiectus terminus

qui est ,,panis“ propria non potest locutione non eæpendi, stupenda in tua erudi

tione vecordia panem deperisse contenderis sensualem. Ebend. p. 87.: Ubi panem

qui proprie panis appelletur, corpus etiam Christi, sed tropica locutione , quantum

ad eam propositionem quae enuntiat ,,panis altaris post consecrationem est corpus

Christi** nulla falsitate dissimulat appellari. Ebend. p 107.: Repetito dico: qui

cunque negat, post consecrationem superesse panem et vinum in mensa domiiinica, et

tamen nobis harum quamcunque concedit enuntiationum, ipse se subvertit, ipse sibi

necessario contrarius eæistit. Die prâciseste Formulirung ebend. p. 99.: Ubi ego

scripsi ,,n0n enim constare poterit affirmatio omnis parte subruta“ etc.

308) Nemlich in Bezug auf das so eben zuletzt Angeführte sagt Lanfr. d. corp.

et sangu. dom. c. 7., 0pp. ed. Giles, II, p. 161.: Adhuc alio argumento probare

contendis ... dicens ,,non enim constare poterit affirmatio omnis parte subruta“.

Ad cuius rei probationem non oportuit inferri particularem negationem, qua de prae

senti quaestione nihil colligitur, sed universalem potius, per quam enunliatur ,,nulla

qffirmatio constare poterit parte subruta**. Age enim, particularis sit negatio tua

,,n0n omnis affirmatio conslare poterit parte subruta“, rursus assumpti0 tua ,,panis

et vinum altaris solummodo sunt sacramentum, vel panis et vinum altaris solummodo

sunt verum Christi corpus et sanguis, — utrumque affirmatio est**; his duabus

particularibus praecedentibus poterisne regulariter concludere, parte subruta ea non

p0sse constare ? Absit; in nulla quippe syllogismorum figura praecedentibus duabus

particularibus consequenter infertur conclusio ulla; male igitur eam collocasti. D.

h. Lanfranciis verdreht dem Satz des Berengarius, welcher doch den Sinn hat:

,,Nicht kann die Bejahung in ihrer Totalität bestehen, wenn ein Theil aufgehoben

ist“ derartig, als habe omnis die Bedeutung ,,Jeder“, und als wäre hiemit der

Sinn ,,Nicht jede Bejahung kann bestehen u. s. f.“; die zweite Sophisterei, das

Urtheil ,,utrumque affirmatio est“ ein particulares zu nennem, hätte sich Lanfr. so

gar ersparen können, da bekanntlich der Schlusssatz nicht allgemein sein kann,

wenn auch nur Eine Prämisse particular ist. Vgl. auch Bereng. a. a. 0. p. 103 ff.

309) Lanfr. a. a. 0. p. 160.: Et quidem de mysterio , fidei auditurus ac re

sponsurus quae ad rem debeant perlinere mallem audire ac respondere sacras aucto

ritates, quam dialecticas, rationes. t • • *..

76 XIII. Parteiung. Albericus. Nominalismus.

ja die übliche Schul-Logik für sich in Anspruch und glaubten, Dialek

tiker micht bloss sein zu dürfen, sondern auch sein zu müssen; denn

um die volle Tragweite des Realismus überhaupt nur zu erkennen, dazu

war jene Zeit eben zu umphilosophisch ; und hätte es damals eine Phi

losophie gegeben, so hätte man nicht gestritten, wie man stritt. Nun

aber hatte mam ja Nichts als das überall verbreitete Schulmaterial der

Logik, und das damals noch übermächtige Motiv der blossem Tradition

himderte auch innerhalb dieses beschränkten Stoffes jeden tieferen selbst

ständigen Blick des Geistes. Dass aber das benützbare Material der

traditionellen Logik auch bei dem nun ausbrechenden Streite noch im

imer nicht jene Gränze überschritten hatte, auf deren Worhandemsein wir

schon so oft hinweisem mussten, d. h. dass man auch gegen Ende des

11. und zu Anfang des 12. Jahrh. die Analytiken und die Topik des

Aristoteles noch nicht kannte, und des Boethius Uebersetzung derselben

noch nicht cursirte, ist uns durch einen jedenfalls bedeutenden Schrift

steller jener Zeit, durch Sigebert von Gemblours, deutlich bezeugt *1°).

In wie weit A l b e r i c u s von Monte Casino (gest. 1088), welcher

gleichfalls die Lehre des Berengarius bekämpfte, seinem theologischen

Standpunkt etwa auch in seiner Schrift „De dialectica“ beurkundet

habe, wissen wir nicht, da uns lediglich die Notiz, dass er eine solche

verfasste, überliefert ist; bemerkt mag werden, dass er zugleich auch

zu den Schriftstellern der obem (Amm. 295) erwähnten Formelbücher

Litteratur gehörte °11).

Wohl hingegen zeigt sich uns jene principielle Anschauung , wor

nach mam, wie gesagt, mit richtigem Instincte den Nominalismus in

eine Verbindung mit der Lehre , des Scotus Erigena brachte, in jener

Stelle eines. Chronisten, welche seit Buläus *1*) oft genug angeführt,

310) Sigebert v. Gemblours (geb. um 1030, gest. 1112) schrieb, wie er selbst

sagt, erst am Schlusse seiner übrigen schriftstellerischen Thätigkeit, also wohl erst

gegen 1100, seine Compilation ,,De scriptoribus ecclesiasticis“, und wenn er auch

planlos hiebei verfuhr (s. Sigfr. Hirsch', D. vita et scriptis Sigiberti Gemblacensis,

Berol. 1841, bes. p. 335.), so darf er uns doch als treuer Spiegel seiner Zeit

gelten. Derselbe sagt nun dort c. 37, b. Fabric. Bibl. eccl. p. 97., Folgendes von

Boethius: ,,Laudent eum seculares, quod Isagogas, quod Perihermenias, quod Cathe

gorias transtulerit de graeco in latinum et eaeposuerit (die Uebersetzung der Analy

tiken und der Topik ist also nicht erwähnt), quod Topica Ciceronis eaeposuerit,

quod Antepraedicamenta (hierunter kann doch nur wieder die Isagoge verstandem

sein, s. Abschn. XII, Anm. 85, welche ja Boethius sowohl nach der Uebersetzung

des Victorinus als auch nach seiner eigenen bearbeitete, jedenfalls aber ist das

erstmalige Workommen dieses Ausdruckes zu bemerken, s. folg. Abschn., Anm.

272.), quod libros de topicis differenliis , de cognatione dialecticae et rhetoricae et

distinctione rhetoricorum locorum (diese letzterem sind natürlich keine eigenen Schrif

ten, sondern bilden eben dem Inhalt won d. diff. top.), de communi praedicatione

potestatis et possibilitatis (diess kann wohl nur die zwei letzten Bücher des Com

mentares zu d. interpr. Edit. II. bedeuten, s. Boeth. p. 414.), de categoricis et

hypotheticis syllogismis libros, et alia multa (d. h. Introd. ad cat. syll., D. divis.,

D. defin.) scripserit etc.

311) Petr. Diac. Chron. Casin. III, 35. b. Pertz, Mon. IX, p. 728.: Per idem

tempus Albericus diaconus vir disertissimus ac eruditissimus ad hunc locum habita

turus advenit ...... composuit .... librum dictaminum et salutationum ...... librum

de dialeclica.

312) Bulaeus, Hist. univ. Paris. I, p. 443.: Nominalium princeps et antesignanus

XIII. Roscellinus. Robert. Arnulph. 77

aber nicht immer richtig verstanden wurde. Wenn nemlich dort ge

sagt wird, zu dem einflussreichen Dialektikern gehöre J oh a n nes, wel

cher gelehrt habe, dass die Logik Sache des Wortausdruckes (vocalis)

sei, und demselben seien hierin R o s c elli n u s von Compiegne, R o -

b e r t von Paris, und A r m ul p h von Laom gefolgt, welche selbst wieder

won vielen Schülern gehört worden seien, so passt jene Bezeichnung,

wie wir oben (Amm. 110—124) zu entwickelm versuchten, vortrefflich

für das dialektische Princip . des Johannes Scotus Erigena, und wir

werdem alle anderweitigem haltlosen Vermuthungen, wer jener Johannes

gewesen sei, gerne bei Seite lassen *'*). Von den anderen dreien,

welche als Vertreter jener Richtung genannt sind, bleiben uns Robert

und Arnulph ganz im Dunkeln; einiges Wenige hingegen wissen wir

von Roscellimus.

Das Missliche ist, dass wir über R o s c el I i n u s, dessen Thätigkeit

den zwei letzten Jahrzehntem des 11. Jahrh. angehört, nur durch seine

Gegner unterrichtet sind *'*), und da auch bei ihm die logische Auf

Joannes quidam cognomento Sophista, de qu0 sic Auctor historiae a Roberto rege

ad mortem Philippi primi: ,,In dialectica hi potentes eæstiterunt sophistae: Joannes

qui eandem artem sophisticam vocalem esse disseruit, Robertus Parisiacensis, Roce

linus Compendiensis, Arnulphus Landunensis ; hi Joannis fuerunt sectatores , qui

eliam quamplures habuerunt auditores.“

313) Hauréau, De lu phil. scolast. I, p. 174. gibt jenen Worten ihre richtige

Beziehung auf Scotus Erigena. •

314) In neuerer Zeit wohl hat Schmeller aus einer MMnchner Handschrift

(Cod. lat. 4643.) einen Brief veröffentlicht (Abhdl. d. philos.-philol. Cl. d. k. bay.

Akad. d. W. W, 3, p. 189 ff.), in welchem er ein Sendschreiben des Roscellinus

an Abàlard erkannte; doch gibt auch diese einzige Schrift Rosc.'s, welche wir

besitzen, betreffs der Logik keinen Aufschluss. Wohl aber ist sie biographisch

von grösster Wichtigkeit, denn indem sowohl einerseits auf dem ersten Blick klar

ist, dass Abàlard der Adressat sei (die Entmannung desselben und das Verhältniss

zu Heloise sind erwähnt p. 194. u. 210.), als auch andrerseits unzweifelhaft er

hellt, dass Niemand anderer als Roscellinns der Werfasser sein könne (denn jene

Vorwürfe, gegen welche p. 193 f. eine Wertheidigung geführt wird, sind dieselbeu,

welche anderwärts z. B. in Abael. Epist. 21. gegen Roscellinus geschleudert wer

dem, und ausser den Beziehungen auf das unsittliche Leben der Kleriker, p. 197.,

bildet der sog. Tritheismus gerade den Hauptinhalt des Briefes p. 199 ff.), so er

sehen wir iiun, dass Roscellinus, welcher in Soissons und Rheims seine Studien

gemacht hatte, hierauf in Tours und in Locmenach (bei Wannes in der Bretagne)

docirte, wobei der noch sehr junge Abàlard sich unler seinen Schülern befand,

und dass später Rosc. als Canonicus in Besangon lebte (p. 193.: beneficiorum quae

tibi tot et tanta a puero usque ad iuvenem sub magistri nomine et actu eaehibui

0blitus ..... p. 195.: testimonio Suessionensis et Remensis ecclesiae .... sub quibus

natus et educatus et edoctus. sum comprobabo .... Neque vero Turonensis ecclesia

vel Locensis, ubi ad pedes meos magistri tui discipulorum minimus tam diu rese

disti, aut Bizuntina ecclesia , in quibus canonicus sum, eætra mundum sunt).

Hiernach bestätigt sich die Angabe Otto's v. Freising (s. d. folg. Anm. 316.), und

wir wissen nun, wo Abàlard studirt , habe, ehe er nach Paris kam (Abael. hist.

culum. c. 1.: Proinde diversas disputando perambulans provincias, ubicunque huius

arlis vigere studium audieram, peripateticorum aemulator faclus sum; perveni tan

dem Parisios etc.), sowie auch erhellt, dass es mur als Uebertreibung auf Rech

nung des odium theologicum zu setzen sei, wenm gesagt wurde, Roscellinus sei aus

Frankreich und England vertrieben worden (Abael. Epist. 21.: ab utroque regno in

qu0 conversatus est, tam Anglorum scilicet quam Francorum, cum summo dedecore

eaepulsus est. Roscell. Epist. p. 194.: quod ' summa haeresi convictus et infamis

iam toto mundo eaepulsus sim). -

78 XIII. Roscellinus.

fassumg auf das theologische Gebiet (bekanntlich in dem sog. Tritheis

mus) hinüberspielte, so ist es erklärlich, dass Ton und Färbung jener

etlichen Notizen durch dogmatischen Fanatismus bedingt sind; denn auch

Roscellinus gehört zu denjenigen, welche dem Glauhen nur dann eine

Berechtigung zugestehem, wenn derselbe sich durch Gründe vertheidigen

lasse °'°). Zunächst treffen wir nur die umbestimmt allgemeine Angabe,

dass Roscellinus die nominalistische Ansicht in der Logik zur Geltung

gebracht habe *'°), und zwar wird diess. als eine Neuerung bezeichnet,

und an das Auftreten des Roscellimus die Entstehung einer „neuem“

Gattung der Logik neben der bisherigen „alten“ (s. untem Anm. 326)

geknüpft, wobei jene Neuerer nicht auf die Wissenschaft der Dinge,

sondern auf Geltendmachung der Worte und Begriffe ausgegangen

seiem °'"). Etwas eingehender ist wohl die Notiz, dass es sich eben

um die Universalien (d. h. die quinque voces und die Kategorien) ge

handelt habe, und dass Roscellinus behauptete, die Worte (voces, s.

unten Anm. 324 f.) selbst seien dasjenige, was man Gattung und Art

nenne ° 1°). Aber wenn Anselmus ° 1°), welcher in seiner Orthodoxo

315) Anselm. d. fide trin. c. 3, 0pp. ed. Gerberon p. 43.: Dicit, sicut audio,

ille qui tres personas dicitur asserere esse velut tres angelos aut tres animas, ,,Pa

gani defendunt legem suam, Judaei defendunt legem suam, ergo et nos Christiani

debemus defendere fidem nostram** (man beachte für jene Zeit die äusserst vernünf

tige Liberalitât, augh den Juden und Heiden dfe dialektische Begründung ihres

Glaubens zuzugestefien).

316) 0tto Fris. d. gest. Frid. 1, 47. (ed. Urstis. Francf. 1585, p. 433.):

Petrus iste (sc. Abaelardus) .... habuit primo praeceptorem Rozelinum quendam, qui

primus nostris temporibus in logica sententiam vocum instituit, et post ad gravissi

mos viros Anselmum Laudunensem, Guilelmum Campellensem Cataulani episcopum

migrans ipsorumque dictorum pondus tanquam subtilitatis acumine vacuum iudicans

non diu sustinuit; inde magistrum induens Parisios venit (s. folg. Abschn.,

Anm. 258.).

317) Aventin. Ann. Boior. VI. (ed. Cisner, 1615, p. 383.): Hisce quoque tem

poribus fuisse reperio Rucelinum Britannum, magistrum Petri Abaelardi, novi lycaei

conditorem, qui primus scientiam (zu lesen sententiam) vocum sive dictionum in

stituit, novam philosophandi viam invenit; eo namque autore duo Aristotelicorum,

Peripateticorum, genera esse coeperunt; unum illud vetus locuples in rebus procre

andis, quod scientiam rerum sibi vindicat, quamobrem reales vocantur ; alterum

novum, quod eam distrahit, nominales ideo nuncupati, quod avari rerum prodigi

nominum atque notionum verborum videntur esse assertores.

318) Joann. Saresb. Metalog. II, 17. (0pp. ed. Giles, V, p. 90.): Naturam

tamen universalium hic omnes eaepediunt et altissimum negotium et maioris inquisi

tionis contra mentem auctoris eæplicare nituntur; alius ergo consistit in vocibus,

licet haec opinio cum Rocelino suo fere omnino iam evanuerit; alius sermones (s.

unten Anm. 324.) intuetur et ad illos detorquet quidquid alicubi de universalibus

meminit scriptum ; in hac autem opinione deprehensus est Peripateticus Palatinus

Abaelardus noster, qui multos reliquit et adhuc quidem aliquos habet professionis

huius sectatores. Ebend. Polycr. VII, 12., 0pp. IV, p. 127.: Fuerunt et qui voces

ipsas genera dicerent esse et species ; sed eorum iam eæplosa sententia est et facile

cum autore suo evanuit (s. Anm. 325.).

319) Anselm. d. f. trin. c. 2. Ed. Gerberon p. 42 f.: Illi utique nostri tem

poris dialectici, immo dialecticae haeretici, qui nonnisi flatum vocis putant esse

universales substantias, et qui colorem non aliud queunt intelligere quam corpus nec

sapientiam hominis aliud quam animam, prorsus a spiritualium quaestionum dispu

tatione sunt eæsufflandi. In eorum quippe animabus ratio, quae et princeps et

' iudeæ omnium debet esse quae sunt in homine, sic est in imaginationibus corpora

XIII, RosCellinus. • 79

manie den köstliehen Ausdruck ,,Ketzer der Dialektik* erfand und gegen

Roscellinus anwendete, in blinder Leidenschaftlichkeit oder böswilliger

Uebertreibung sagt, nach jener Ansicht seien die allgemeinen Substanzen

Nichts weiter als ein Wort-Hauch (flatus vocis), so werden wir wohl

auch die übrigen Angaben des spiritualistischen Eiferers nur mit Wor

sicht aufnehmen dürfen, zumal da er nach dem eigenen Erzeugnissen

seiner Dialektik, wie wir sehen werdem, in logischen Fragen kaum

als urtheilsfähig gelten kann ; so ist es ja auch mur ein Ausdruck des

schroffsten Parteihasses, wenn er den Anhängern Roscellin's vorwirft,

dass sie die Wernunft den körperlichen Einbildungen (corporalibus ima

ginationibus) preisgebem, denn hoffentlich erhebt sich die Einsicht in

den begrifflichen allgemeinen Gehalt der Worte gerade am meisten über

die sensuale Zufälligkeit und hahnt allein den Weg zu einem wirklichen

selbsterrumgenen Wissem, während zui einer spiritualistischen Ontologie

vielfach eine mit dem Sensualen verfloehtene Einbildungskraft erforder

lich ist. Und abgesehen von dem lächerlichen Vorwurfe, dass Rosce!

limus nicht verstehe, wie die Vielheit der Individuen im Artbegriffe eine

Einheit sei (denn das ist es ja eben, was Roscellinus einsah, dass nem

lich die Einheit in dem den Begriff aussprechenden Worte liege), wer

den wir die weiterem Bemerkungen, dass Roscellinus die Farbe eines

Dinges mit dem Dinge selbst und die Eigenschaften mit ihren Trägern

verwechsle, sowie dass er nicht einsehe, wie z. B. ,,Mensch* etwas

Anderes sei als der einzelne Mensch, nun wohl füglich auf den wahren

Sachverhalt zurückführen müssen; denn Ersteres kann doch mur den

Sinn haben, dass nach des Roscellinus Ansicht der Begriff einer Qualität

als Begriff ebensosehr Allgemeinheit enthalte, wie der Begriff einer Sub

stanz als Begriff, und betzteres enthält, wenn wir die gehässige ' Wem

dung des Beriehterstatters abstreifen, den einfachen Grundsatz des No

minalismus, dass objectiv im concreten Sein überall mur Individuelles

existirt, die Art- und Gatlungsbegriffe aber mur subjectiv in dem mensch

lichen Worten vorliegen, kurz dass objectiv die Universalien keine vom

Individuellen getrennte Existenz haben. Dass hiernach die Trinität als

objectives Wesen Gottes gleichfalls aus drei Individuen bestehen miisse **"),

liegt in der Consequenz dieser logischen Ansicht, und es war hiedurch

in ähnlicher Weise wie hei Berengarius die Theologie in den logischen

Parteistreit verflochten. Roscellinus aber scheint überhaupt sehr folge

libus obvoluta, ut eae eis se non p0ssit evolvere nec ab ipsis ea, quae ipsa sola et

pura contemplari debet, valeat discernere. Qui enim nondum intelligit, quomodo

plures homines in specie sint unus, qualiter in illa secretissima et altissima natura

comprehendet, quomodo plures personae .... sint unus deus ? Et cuius mens obscura

est ad discernendum inter equum suum et colorem eius, qualiter discernet inter unum

deum et plures relationes eius? Denique qui non potest intelligere , aliquid esse

hominem nisi individuum, nullatenus intelliget hominem nisi, humanam personam;

omnis enim individuus homo persona est; quomodo ergo iste intelliget hominem

assumptum esse a verbo etc.

320) Ebend. Epist. II, 41, p. 357.: quia Roscelinus clericus dicit, in deo tres

personas- esse tres ab invicem separatas , sicut sunt tres angeli, ita tamen ut una

sit voluntas et potestas, aut patrem et spiritum sanctum esse incarnatum, et tres

deos vere posse dici, si usus admitteret.

80 XIII. Roscellinus.

􏿽

richtig seinen Standpunkt nach allen Seiten durchgeführt zu haben, denn

ausserdem wäre es schwer erklärlich, wie in den spärlichen Mitthei

lungen, welche wir über ihm haben, wieder irgend ein vereinzelter

Punkt uns völlig auf das gleiche Princip zurückweise ; nemlich bei dem

Theilbegriffe, dessen Erörterung Boethius schon in die Isagoge und in

die Kategorienlehre verwoben hatte (s. Abschn. Xll, Anm. 92 u. 96),

ist dem Roscellinus gleichfalls das subjective Moment das Entscheidende;

denn der Sinn der hierauf bezüglichen Notiz **') ist folgender: Soll z.

B. das Dach als Theil des Hauses betrachtet werden, so ist zu erwägen,

dass objectiv als Ding das Dach völlig unselbstständig ist, da in objecliv

dinglicher Beziehung es eben nur ein Haus-Dach und ebenso nur , ein

mit einem Dache versehenes Haus (falls es nemlich ein wirkliches Haus

sein soll) geben kann ; wäre daher das Dach objectiv ein Theil des

Hauses, so wäre es ein Theil des objectiv untrennbarem Ganzen und

hiemit zufolge dieser Untrennbarkeit zuletzt auch ein Theil seiner selbst,

d. h. objectiv dinglich führt der Theilbegriff zu Widersprüchen, und

das Richtige ist, dass das Dach lediglich durch unsere begriffshaltigen

Worte als „Theil“ bezeichnet wird, also der Theilbegriff als solcher

dem subjectiven Wortausdrucke anheimfällt; auf gleiche Weise verhält

es sich auch mit der Priorität des Theiles gegenüber dem Ganzen, denn

in objectiver Beziehung als Ding kann das Dach nicht früher sein, als

die objectiv untrennbare Verbindung seiner selbst mit Anderem, da es

dann gleichfalls wegen der Untrennbarkeit sich ergäbe, dass das Daeh

früher als es selbst wäre, so dass hiemit auch die Priorität des Theil

begriffes nur im subjectiven Denken liegt. Sowie auch diese Ansicht

Roscellin's von den Gegnern böswillig verzerrt wurde ***), so wendete

derselbe sie andrerseits witzig gegen den verstümmelten Abälard an,

wobei consequent auch der Begriff des Ganzen dem subjectivem Denk

aete zugewiesen wird, da bei Aenderung des objectiven Bestandes einer

untrennbaren Verbindung sofort die begriffsmässige Wortbezeichnung,

welche dann den subjectiven Gedanken eines Gauzem nicht mehr fest

321) Abael. d. divis. et defin. p. 471. (ed. Cousin): Fuit autem, memini,

magistri nostri Roscellini tam insana sententia, ut nullam rem partibus constare

vellet, sed sicut solis vocibus species ita et partes adscribebat. Si quis autem rem

illam, quae domus est, rebus aliis, pariete scilicet et fundamenlo, constare diceret

(es ist diess das bei Boethius, z. B. p. 52 f. u. p. 646., übliche Beispiel der Thei

lung), tali ipsum argumentatione impugnabat: Si res illa, quae est paries, rei il

lius, quae domus est, paries sit , cum ipsa domus nihil aliud sit quam ipse paries

et tectum et fundamentum, profecto paries sui ipsius et ceterorum pars erit; at

vero quomodo sui ipsius pars fuerit ? Amplius , omnis pars naturaliter prior est

t0t0 suo ; qu0m0d0 aulem paries prior se et aliis dicetur, cum se nullo modo

prior sit?

322) Abael. Epist. 21. (0pp. ed. Amboes. p. 335.): Hic sicut pseudo-dialecticus

ita et pseudo-christianus, cum in dialectica sua nullam rem partes habere aestimat,

ita divinam paginam impudenter pervertit, ut eo loco quo dicitur dominus partem

piscis assi comedisse, partem huius vocis, quae est piscis assi, non partem rei in

telligere cogalur. (0b dieser Brief von Abalard oder, wie Buläus meint, von einem

Anderen um d. J. 1095 verfasst sei, ist bezüglich dieser Stelle gleichgültig; übri

gens scheint das oben, Anm. 314., Gesagte für die Autorschaft Abâlards zu

sprechen.)

XIII. Roscellinus. Raimbert. 81

zuhaltem vermag, durch eine anderweitige Bezeichnung ersetzt werden

muss 338). -

Dass übrigens der Standpunkt des Roscellinus wesentlich kein neuer

war, zeigt die Vergleichung mit Obigem (Anm. 124, 151, 159, 242,

253, 276, 305 f.); nur halte die Anschauung, dass die Universalien und

die Begriffsbildung Sache der menschlichen Worte seien, seit dem Auf.

treten des Berengarius eine grössere Behutsamkeit und schärfere Be

kämpfung seitens der 0rthodoxie hervorgerufen. Hingegen bleibt Ein

Punkt, und zwar vielleicht der , wichtigste, in Folge des Mangels an

' Quellen uns völlig im Unklaren; es wird nemlich in der oben, Anm.

* 318, angeführten Stelle des Johannes v. Salesbury ein scharfer Unter

schied gemacht zwischen denjenigen, welche die Universalien in die

,,v0æ“ verlegten, und jenen, welche sie auf die „sermones“ bezogen,

woram sich. die Angabe knüpft, dass zu den Letzteren Abälard gehört

habe. Im Hinblicke nun auf die grammatische Bedeutung der Worte

voa und sermo und in vorläufiger Bezugnahme auf dasjenige, was untem

(folg. Abschn., Anm. 308 ff.) bei Abälard zu erörtern seim wird, müssen

wir allerdings vermuthen, dass Roscellinus einseitig nur den isolirten

Begriff ins Auge gefasst und hiemhit ohne Rücksicht auf die Satzverbin

dung die Worte als fertige Begriffe betrachtet babe 834); aber ob er

die Lehre vom Urtheile bloss vernachlässigt oder etwa die Bedeutung

des Urtheiles sogar direct bestritten habe, oder wie er bei Begründung

einer solchen Durchführung des Nominalismus verfahren sei, wissen wir

nicht 828). .

Eben für jene Zeit aber, in welcher Roscellinus aufgetreten war,

besitzen wir eine höchst charakteristische Notiz bezüglich des logischen

Parteikampfes **°). Es docirte nemlich ein gewisser R aim b ert in

323) Roscell. Epist. (s. Anm. 314.) p. 210.: Sed forte Petrum te appellari

posse eae consueludine mentiris ; certus sum autem, quod masculini generis nomen,

si a suo genere deciderit, rem solitam significare recusabit; solent enim nomina

propria significationem amittere, cum eorum significata contigerit a sua perfectione

recedere ; neque enim ablato tecto vel pariete domus, sed imperfecta domus voca

bitur; sublata igitur parte, quae hominem facit, non Petrus, sed imperfectus Pe

trus appellandus es.

324) Unter den älteren Nominalisten dürften sonach dem Roscellinus vermöge

einer einseitigeren Betonung der voa, näher stehen jener Pseudo-Hrabanus (Amm.

151.), Jepa (Anm. 159.), der Anonymus Cousin's (Anm.. 242.), und der St. Galler

Anonymus D. interpr. (Amm. 253.), sowie theilweise selbst Scotus Erigena (Anm.

124.); hingegen wären durch Beachtung des sermo und des prädicativen Werhält

nisses mehr mit Abâlard verwandt Eric (Anm. 159.), der St. Galler Anonymus D.

syllog. (Anim. 276.) und Berengarius. (Amm. 305.).

325) Möglicher Weise könnte, falls Roscellinus diese einseitige Wendung des

Nominalismus wirklich durch Gründe gestützt hätte, obige (Amm. 316.) Ausdrucks

weise Otto's (primus instituit sententiam vocum) wörtlich genommen werden; jeden

falls aber geht aus Joh. v. Salesb. (Anm. 318.) hervor, dass die Anhänger des

Nominalismus diesen verengten Stamdpunkt bald verliessem; nur darf man nicht,

— wie schon geschah —, sich so ausdrücken, dass Joh. v. Salesb. den Nomina

lismus überhaupt bereits für erloschen erkläre; s folg. Abschn., Anm. 76 ff.

326) Herimann. Narr. Restaur. Abb. S. Mart. Tornac. bei D'Achery : Spicil. ed.

De la Barre II, p. 889.: Jam vero si scholae appropriares, cerneres magistrum 0d0

nem nunc quidem Peripateticorum more cum discipulis docendo deambulantem, nunc

vero Stoicorum instar residentem et diversas quaestiones solvéntem ..... Sed cum

PR A ntl, Gesch. II. 6

82 XIII.* Raimbert. 0tto v. Cambray.

Lille, sowie „sehr viele Andere“, die Dialektik mach der ,,modernen**

nominalistischen Auffassung (in voce), und dieselben nebst ihren An

hängern bethätigten sich in feindseliger Rivalität gegen 0 t to (nachmals

seit d. J. 1106 Bisehof von Cambray), welcher i. J. 1092 das Kloster

St. Martin in Tournay widerhergestellt halle und dort Logik nach „altem“

Stile " realistisch (in re) lehrte. Da nun Manehe durch den Reiz der

Neuheit sich zu Raimbert hingezogen fühlten, zugleich aber bei dem

gegenseitigen Abwägen der Vorzüge beider Schulen kein ganz entschie

demes Resultat erzielt zu werden schien, so wendete sich Einer der

Ramoniker in Tournay an einen damals berühmtem Wahrsager, welcher,

obwohl taubstuimm, die an ihn gerichtete Frage sogleich verstand und

durch Zeichenspraehe sich, — wie man nicht anders erwarten darf

—, unbedingt für die Richtigkeit und Vortrefflichkeit der realistischen

Schule 0tto's erklärte. Wenn übrigens der Berichterstatter (Abt Her

mann in Tournay in d. ersten Hälfte d. 12. Jahrh.), welcher sich na

türlich gleichfalls als einen orthodoxen Feind der windigen Geschwätzig

keit des Nominalismus bekennt, zugleich logische Schriften 0tto's er

wähnt, so müssen wir den Verlust derselben allerdings bedauern ; bloss

vermuthen lässt sich, dass der ,,Liberº compleacionum“ vielleicht mur aus

omnium septem liberalium artium esset peritus , praecipue tamen in dialectica emi

nebat, et pro ipsa maæime clericorum frequentia eum eæpetebat. Scripsit etiam de

ea duos libellos, quorum priorem ad cognoscenda devitandaque sophismata valde

utilem intitulavit ,,Sophistem“, alterum vero appellavit ,,Librum compleacionum“;

tertium quoque ,,De re et ente“ composuit, in quo solvit, si unum idemque sit res

et ens. In his tribus libellis .... non se 0donem, sed, sicut tunc ab omnibus voca

batur, nominabat 0dardum. Sciendum tamen de eodem magistro, quod eandem dia

lecticam non iuacta quosdam modernos (diess ist die älteste Stelle, in welcher die

Nominalisten als moderni bezeichnet werden, s. hingegen folg. Abschn. Anm. 55.)

in voce, sed more Boethii antiqu0rumque doctorum in re discipulis legebat (also im

Gegensatze gegen die angebliche Neuerung werden Boethius und Porphyrius als

Realisten antiqui genannt, vgl. ob. Anm. 317.). Unde et magister Raimbertus , qui

eodem tempore in oppido Insulensi dialecticam clericis suis in voce legebat, sed et

alii quamplures magistri ei non parum invidebant et delrahebant suasque lectiones

ipsius meliores esse dicebant, quamobrem, nonnulli eae clericis conturbati, cui magis

crederent, haesitabant, quoniam magistrum 0dardum ab antiquorum doctrina non

discrepare videbant et tamen aliqui eae eis, more Atheniensium aut discere aut audire

aliquid novi semper humana curiositate studentes, alios potius laudabant, maæime

quia eorum lectiones ad ea:ercitium disputandi vel eloquenliae, imo loquacitatis et

facundiae, plus valere dicebant (Einige demnach wünschten mit dem rechtgläubigen

Realismus dennoch die , formelle Virtuosität der eigentlichen Logiker, d. h. der

Nominalistem verbinden zu können). Unus itaque ea, eiusdem ecclesiae canonicis,

nomine Qualbertus ..... tanta sententiarum errantiumque clericorum varietate permo

tus quemdam pythonicum (d. h. einen Wahrsager) surdum et mutum in eadem urbe

divinandi famosissimum adiit et, cui magistrorum magis esset credendum, digitorum

signis et mutibus inquirere coepit. Protinus ille, mirabile dictu, quaestionem illius

intelleacit deaeteramque manum per sinistrae palmam instar aratri terram scindentis

pertrahens digitumque versus magistri 0donis scholam protendens significabat, doctri

nam eius esse reclissimam; rursus vero digitum contra Insulense oppidum proten

dens manuque ori admota ea sufflans innuebat, magistri Raimberti lectionem nonnisi

verbosam esse loquacitatem. Haec diacerim n0n quo pylhomicos consulendos .... ar

bitrer, sed ad redarguendum quorundam superborum nimiam praesumptionem, qui

nihil aliud quaerentes nisi ut dicantur sapientes, in Porphyrii Aristotelisque libris

magis volunt legi suam adventiciam novitatem, quam Boethii ceterorumque anliquo

rum eæpositionem.'

.* - ; * * * -

XIlI. 0tto v. Camhray, Wilhelm v. Hirschau. 83

Boethius (d. syll. categ., s. Abschn. XII, Anm. 131 ff.) ehtnommen war,

sowie dass der „Sophistes“ etwa den theologischen Streitigkeiten näher

gelegen gewesen sei oder möglicher Weise selbst nur die Angaben des

Cassiodorus (Abschn. XII, Amm. 182) wiederholt habe; hingegen wich

tiger könnte die 'Schrift „De re et ente“ gewesen sein, denn die Frage,

ob res und -ems das Nemliche seien, war dort sieher im Simne des

Realismus beantwortet, selbst wenn aueh, — was das Wahrscheinli

chere ist --, das Ganze sieh bloss auf eine vereinzelte Stelle des

Boethius (Abschn. XII, Anm. .89 f.) bezogen habem sollte. — Jedenfalls

aber dürfte anzunelmen sein, dass der damalige Roscellinische Nomina

lismus in einer grösseren Zahl von Schrifien, als unsere Quellen durch

blicken lassem, vertreten gewesen sei; denn wir sind für solch gelegent

liche litterarische Notizen ja fast ausschliesslich auf theologische Autoren

hingewiesen, welche als Gegner einer ihnem verdächtigem Minorität vom

vornherein nicht geneigt waren, von derselben viel zu sprechen, son

dern lieber mit einem Fulbert (Anm. 237) oder Lanfrancus (Amm. 309)

in das Verwerfungsurtheil gegen die Dialektik überhaupt einstimmten 337).

Ehe wir uns aber zu Anselmus, dem eigentlichen Hauptgegner

Roscellin's wenden, müssen wir auf den Abt W ilh e I m von H i r s c h a u

(gest. 1091) hinweisen, welcher bisher in der Geschichte der Philo

sophie wohl mit Unrecht unbeachtet geblieben ist ***). Seine Schrift

„Philosophicarum et astronomicarum institutionum libri tres“ ***) scheint

überwiegend auf arabischen Quellem, und zwar hauptsächlich durch

Vermittlung C o n s tantin's de s Karthager' s °°°), zu beruhen und

327) So sagt z. B. Hildebert (als Erzbischof von Tours. gest. 1136), Sermo

69 (0pp. ed. Beaugendre, p. 579 f.): Quidam enim in philosophicis facultatibus

quandam subtilitatem inutilem vel inutilitatem subtilem quaerentes quibusdam minu

tiis verborum in cavillatione respondentes utuntur, quibus in disputatione uti, ossa

Christi est incinerare ..... Etsi enim deus c0nvertit nos, artium liberalium phanta

smatibus uti, si in hac scriptura voluerimus similiter sophistice incedere, odibiles

deo erimus, strepitum ramarum Aegypti in terram Gerson traducere molientes.

328) Ueber sein Lebem sind wir durch seinen Schüler Haimo (s. Pertz, Mon.

XIV, p. 209 ff.) und einige andere Chronisten (ebend. VII, p. 281. u. XII, p. 54.

u. p. 64 ff.) unterrichlet. Er war i. J. 1026 geboren, wurde i. J. 1069 Abt in

Hirschau, gieng i. J. 1069 in Angelegenheiten seines Klosters nach Rom, starb i.

J. 1091. Wenn Trithem. Chron. Hirs. (Basil. 1558 fol.) p. 109. ihn in Rom mit

Anselmus zusammentreffen lässt, so ist diess unrichtig, da Letzterer erst i. J.

1098 nach Rom kam (s. F. R. Hasse, Ans. v. Canterb. I, p. 333 ff.).

329) Gedruckt in Basel b. Henr. Petrus, 1531. 4 (77 Seiten enthaltend). Ich

habe über dieses seltene und interessante Buch, namentlich über die von Wilhelm

dabei benützten Quellen, nähere Untersuchungen angestellt; s. Sitzungsberichte d.

Münchner Akad. 1861, Heft l. - -

330) Petr. Diac. Chron. Casin. III, 35. b. Pertz, Monum. IX, p. 728.: Istius

vero abbatis (d. h. des Desiderius, welcher 1058—1087 Abt war) tempore Con

stantinus Africanus ad hunc locum perveniens ..... hic igitur e Carthagine , de qua

oriundus erat, egrediens Bal)yloniam petiit, in qua grammatica, dialeclica, geometria,

arithmetica, mathematica, astronomia, nec n0n et physica Chaldaeorum, Arabum,

Persarum, Saracenorum, Aegyptiorum ac Indorum plenissime eruditus est; completis

autem in ediscendis istiusmodi studiis triginta et novem annorum curriculis ad Afri

cam reversus est. Eine andere ausführliche Notiz des Petrus Diac. (d. vir. illustr.

Casin.) über Constantin's naturwissenschaftliche Schriften s. b. Muratori, Rer. Ital.

scriptt. VI, p. 40 f. oder b. Jourdain , Recherches critiques, 2. Aufl. p. 455 f. Abt

6*

84 XIII. Wilhelm v. Hirschau.

enthält für unserem hiesigen Zweck, — um abzusehen von allem Natur

philosophischen und Metaphysischen, was nicht hieher gehört —, Einen

nicht unwichtigem Punkt. Wilhelm jemlich zeigt sich uns da als der

erste und älteste Autor im mittelalterlichen Abendlande, welcher einen

syllogistisch formulirten Beweis für die Existenz Gotfes aufstellte *°°).

Während aber der theologische oder philosophische Inhalt dieses Be

weises 88*) gleichfalls über die uns hier gesteckten Gränzen hinausfällt,

ist es lediglich die formelle Seite, welehe wir zu beachten habem.

Dass das ganze Unternehmen, die objective Existenz Gottes beweisen

zu wollem, überhaupt ein verrücktes sei (daher auch Hegel das ontolo

gische Argument eben nur in seimer Eigenschaft als Neuplatoniker wie

deraufnahm), geben alle philosophisch Unbefangenen zu ; aber dass in

jenem unklaren und umphilosophischen Zeitalter ein solcher Versuch

entstehen konnte, ist höchst erklärlich, zumal weil damals als Surrogat

der 'Philosophie nur ein Bildungskreis vorlag, welcher auf dogmatische

Theologie und eine traditionelle logische Schulgewandtheit beschränkt

war; sobald man daher durch theologische Streitigkeiten sich daran

gewöhnt hatte, diess Beides derartig mit einander zu verbinden, dass

mam auch einzelne Bruchtheile des Dogma's logisch zu begründen ver

suchte (s. ob. Anm. 303), war es nur consequent, mit solcher For

mulirung sofort bei dem obersten Punkte des objectiv dogmatischen

Bekenntnisses zu beginnen. Aber eine wesentliche Bedingung hiezu war

natürlich das Worhandensein eines logischen Realismus, denn ein Nomi

nalist hätte bei irgend folgerichtigem Denken nie auf den Einfall kom

men können, Gottes , objective Existenz mit subjectiv menschlichen Wor

ten zu erweisen (ein Beispiel einer sehr ehrenwerthen Besonnenheit in

dieser Beziehung sahen wir oben, Anm. 272); und dieser Zusammen

hang mit der realistischen-Anschauung ist es aueh allein, um dessen

Wilhelm beruft sich auf Constantinus mehrmals mit namentlicher Nennung, z. B.

p. 12, 15, 24.

331) Da nemlich Wilhelm mit Anselmus schom um 1078 in Correspondenz

stand (s. Hasse a. a. 0. p. 67., Anm.), so hätte er sicher den anselmischen Be

weis berücksichtigt, wenn er die Institutiones erst nach 1080 (in welchem Jahre

das anselmische Monologium umd Proslogium bekannt wurden) geschrieben hätte;

auch zeigt sich der Gedankengang und die ganze Anschauung Wilhelm's als durch

aus unberührt won irgend einem Einflusse durch Anselm's Richtung, was nur dann

erklärlich scheint, wenn Wilhelm seine Schrift vor dem litterarischen Auftreten

Anselm's verfasste. *.

332) Er lautet seinem Hauptkerne nach (p. 3 f.): Et quando divimus in hac

vila sciri, deum esse, rationes quibus etiam incredulis hoc probari possit, ape

riamus, scilicet per mundi creationem et quotidianam dispositionem. Cum enim

nundus contrariis factus sit elementis ....., vel casu vel aliquo artifice in compo

sitione mundi illa coniuncta sunt ...... ; casu ver0 c0niuncta non sunt ...... ; igitur

aliquo artifice; artifeae vero ille vel homo vel angelus vel deus fuit ; ante vero

mundus factus est quam -homo, angelus vero cum mundo, ergo solus deus mundum

creavit. Per quotidianam vero dispositionem idem sic probatur: ea quae disponun

tur, sapienter disponuntur, ergo aliqua sapientia ..... , sed sapientia illa vel divina

vel angelica vel humana; humana .... motum et vitam conferre non potest; angelica

vero sapientia quomodo ipsos angelos disponeret? divina ergo sapientia est, quae

hoc agit; sed omnis sapientia alicuius est sapientia; est igitur, cuius est illa sa

pientia, sed nec est homo nec angelus, deus ergo est. Roh genug ist allerdings

diese Anwendung der dilemmatischen Form. -

XIII. Wilhelm v. Hirschau. Anselmus. 85

willen wir diese Beweis-Versuche bei ihrem ersten Auftreten erwähnen,

daher wir auch für alle späterem Entwicklungen, wo der formell logi

sche Parteistandpunkt in den Hintergrund . tritt, mit Wergnügen darauf

verziehtem, die verschiedenen Wandlungen, welche der ontologische

Beweis (z. B. bei Cartesius, Leibnitz, Wolff, Mendelssohn, Baumgarten,

Kant) erfuhr, zu erwähnen. Uebrigens ist es bei Wilhelm von Hirschau

nicht jener uns bisher sehon vorgekommene platonische Realismus, auf

welchem seine Beweisführung beruhe, sondern in der Speculationsweise

seiner Quellen ist es offenbar der arabisch-physikalische Realismus, wel

cher diese Wendung mit sich brachte, denn wir fimdem schon bei Ara

bern des 10. Jahrhundertes in leisen Anfängen den physiko-theologischen

Beweis *°°). Doch steht diese Einwirkung arabischer Philosophie noch

schlechthin vereinzelt da und trifft mur vermöge des realistischen Pla

tonismus überhaupt mit den entsprechenden occidentalischen Anschau

ungen in diesem Punkte zusammen.

Eben aber der ontologische Beweis war es ja, durch welchen

A n s el m u s v o n Ca n ter b u r y (geb. 1033, gest. 1109) seinen Ruhm

begründete ***). Anselmus stand, wie sich von einem Schüler Lan

franc's nicht anders erwarten lässt, auf dem Standpunkte, dass das

Wissen durch den christlichen Glauben bedingt und beschränkt sei *°°),

und er findet hiernach dem Denken gegenüber eine unbedingt objective

Realität in geistige? Beziehung bereits als vollendete vor, so dass das

Denken nur entweder an diesem objectiv Realem theilhaben oder an

demselben nicht theilhaben kann, d. h. Anselmus ist für die Logik, wie

sich von selbst versteht, Realist. Und der sonderbare Wunsch , unser

Deiiken zu dieser Theilhaftigkeit in objectivem Sinne unwiderruflich zu

zwingen, d. h. dem menschlichen Denken den Realismus andemonstriren

zu wollem, ist die Grundveranlassung des ontologischen Beweises *°°),

an welchem gleichfalls, wie so eben bemerkt wurde, uns hier Nichts

333) S. die in meiner Abhandlung über Wilhelm (a. a. 0. p. 20 f.) angeführte

Stelle aus Fr. Dieterici, d. Naturphil. d. Araber i. 10. Jahrh. (Berl. 1861). p. 162.

334) Die erschöpfend ausführliche Darstellung des Anselmus, welche F. R.

Hasse (Ans. v. Canterb. Lpzg. 1843—52. 2 Bände) gab, ist von einer durch

gängigen Ueberschätzung der Bedeutung desselben getragen.

335) Epist. II, 41. (0pp. ed. Gerberon. Paris. 1675), p. 357.: Christianus per

fidem debet ad intellectum proficere, non per intellectum ad fidem accedere aut, si

intelligere non valet, a fide recedere ; sed cum ad intellectum valet pertingere, de

lectatur, cum vero nequit, qu0d capere non potest, veneratur.

336) Proslog. c. 2, p. 30.: Convincitur ergo etiam insipiens esse , vel in in

tellectu aliquid, quo nihil maius cogitari potest, quia hoc, cum audit, intelligit, et

quidquid intelligitur, in intellectu est; et certe id, quo maius cogitari nequit, non

potest esse in intellectu solo; si enim vel in solo intellectu est, potest c0gitari esse

et in re ; quod maius est; si ergo id quo maius cogitari non potest, est in solo

intellectu, id ipsum, quo maius cogitari non potest, est, quo maius cogitari potest;

sed certe hoc esse non potest; eavistit ergo procul dubio aliquid, quo maius c0gitari

non valet, et in intellectu et in re. Apolog. c. Gaunil. c. 1, p. 37.: Ego dico: si

vel cogitari potest esse , necesse est illud esse ; nam quo maius cogitari nequit,

non potest cogitari esse nisi sine initio ; quidquid autem potest cogitari esse et non

est , per initium potest cogitari esse ; non ergo quo maius cogitari nequit, cogitari

potest esse et non est; si ergo potest cogitari esse, eae necessitate est, u. s. f. mit

fortlaufender plumper Werwechslung von cogitari und esse.

86 XIII. Gaunilo. Anselmus.

weiteres interessirt, als ebem diese formelle Seite, nach welcher er mit

dem Realismus zusammenhängt, denn er zeigt uns nur das Schauspiel

des grösstem Selbstwiderspruches, welcher überhaupt möglich ist, indem

ja durch ihn der principiellste 0bjectivismus als solcher gerade subjectiv

begründet werdem soll. Die Widersinnigkeit aber dieses Unternehmens,

welche darin liegt, dass der Realist, welcher das Ideelle von vorne

herein nur als objectives anerkennt, die objective Existenz desselben

erst noch mit subjectiven Mitteln beweisen will, erblickte G a u n ilo

(ein Mönch in Mar-Moutiers) ganz richtig, indem er behauptete, der Be

weis gehe ebensosehr auch auf die Existenz einer umbedingt vollkom

menem Insel 3°7), denn in der That hätte der Realismus durch die nem

liche Formel auch die reale Existenz sämmtlicher platoniseher Ideen

beweisen können. Wenn aber Anselmus hierauf erwidert, er 'habe ja

nicht von der Existenz des Concretem, sondern eben nur vom Unbe

dingten gesprochen *°°), so fängt er sich nothwendig in seiner eigenem

Schlinge; demn er ist genöthigt, nun dennoch seine Zuflucht zu einem

successiven Aufsteigen zu nehmen, durch welehes wir uns von dem

geringeren Bedingten erst allmälig im Denken zum Gedanken des unbe

dingten Superlatives erheben *°°), wornach das Sein dieses Unbedingten

matürlich nur ein vom Denken ponirtes Sein sein kann, während hiemit

hinwiederum sehr schlecht stimmt, wenn Anselmus apdrerseits bei jedem

Gedanken, und zwar ausdrücklieh auch bei dem ;„y$. Dinge ge

riehteten Denken, eine bloss nominelle Seite (voae significans) und ein

reelles Werstehen (id ipsum quod res est) derartig unterseheidet, dass

bei letzterem die Existenz schon involvirt, bei ersterem aber jeder Un

sinn möglich sei °*°); denm wenn die Sache so steht, bedarf es über.

337) Liber pro insipiente , c. 6. (Ans. 0pp. p. 36.): Aiunt quidam, alicubi

0ceani esse insulam, quam eae difficultate vel potius impossibilitate inveniendi, quod

n0n est, c0gn0minant aliqui perditam, quamque fabulantur .... universis aliis ....

usquequaque praestare. Hoc ita esse dicat mihi quispiam ..... At si tunc velut

consequenter adiungat ac dicat: non potes ultra dubitare, insulam illam omnibus

terris praestantiorem vere esse alicubi in re, quam et in intellectu tuo non ambigis

esse; nam quia praestantius est, non in intellectu solo sed etiam in re esse, ideo

sic eam necesse est esse , quia , nisi fuerit, quaecunque alia in re est terra, prae

stantior illa erit, ac sic ipsa iam a te praestantior intellecta praestantior non erit,

— si, inquam , per haec ille mihi velit astruere de insula illa, quod vere sit,

etc. etc.

338) Apol. c. Gaun. c. 3, p. 38.: Sed tale est, inquis, ac si aliquis insulam

0ceani etc...... Fidens loquor: quia si quis invenerit mihi aliquid aut re ipsa

aut sola cogitatione eæistens, praeter quod maius c0gitari n0n p0ssit, cui aptare

valeat conneacionem huius meae argumentationis, inveniam et dabo illi perditam in

sulam amplius n0n perdendam,

339) Ebend. c. 8, p. 39.: Quoniam namque omne minus bonum in tantum est

simile maiori bono, in quantum est bonum , patet cuilibet rationali menti, quia de

minoribus ad maiorâ conscendendo eæ his, quibus aliquid cogitari potest maius,

multum possumus coniicere illud , quo nihil potest maius cogitari ..... Est igitur

unde possit coniici, quo maius cogitari nequeat.

340) Prosl. c. 4, p. 31.: Aliter enim cogitatur res, cum vov eam significans

cogitatur, alitèr cum id ipsum quod res est intelligitur ; illo itaque modo potest

cogitari deus non esse, isto vero minime ; nullus quippe intelligens id quod sunt

ignis et aqua potest cogitare , ignem esse aquam secúndum rem, licet hoc possit

secundum voces; ita igitur nemo intelligens id quod deus est potest cogitare , quia

XIII. Anselmus. 87

haupt weder eines Beweises , der Existenz, noch eines Aufsteigens zum

Unbedingtem, sondern man braucht dann Nichts weiteres zu thun, als

eben jedwedes nach seiner realem objectiven Seite zu denken. Wohl

weislich geht daher Anselmus auch auf den treffendsten Einwand Gau

nilo's mit keinem Worte ein, welch Letzterer einen sehr vernünftigen

Nominalismus vertritt, wenn er sagt, dass allerdings die voae allein als

blosse voae, d. h. als lediglicher Buchstaben-Klang, 'keine Wahrheit ent

halte, dass aber in dem Gebiete des Erfahrungsmässigen, wo die intel

ligible Bedeutsamkeit des Wortes an Bekanntes angeknüpft umd an dem

selben gemessen wird, sehr wohl das objectiv reale Sein in den Worten

gedacht werde, wornach bei demjenigen, was über alle Erfahrung hin

ausliege, es eben bei der significatio perceptae vocis sein Bewenden

haben müsse, welche an sich dem objectiv wirklichem Bestand des be

zeichnetem Dinges nicht enthält 841). D. h. Gaunilo sagt: Wir setzen in

unseren Wortem die concrete Erfahrung in Begriffe um und besitzen in

den Wortem auch die Kraft, über das unmittelbar Wirkliche himauszu

gehen; sobald aber diess geschieht, befinden wir. uns in der Sphäre

des Gedankens allein, aus welchem als einem bloss subjectiven die ob

jective Existenz des Gedachten hervorlocken zu wollem, ein vergebliches

Bemühen ist, denn gerade wenn man auf das cogitari sich wirft, zeigt

sieh, dass esse und nom esse dem 0bjectiven angehören, und. hiemit der

ontologische Beweis Nichts beweist, weil er sein eigenes Gebiet über

schreitet und zuviel. beweist. *.

Ist hiemit der ontologische Beweis nur dadurch entstanden, dass

Anselmus sich micht einmal über seinen eigenen realistischen Standpunkt

logisch klar war, so zeigt sich diese nemliche Schwäche auch in jenem

Bekenntnisse des Realismus, welches der „Dialogus de veritate“ enthält.

Dem schlechthin realistischen Ausdruck „substantiae universales“ sahem

deus non est, licet haec verba dicat in corde aut sine ulla aut cum aliqua eætranea

significatione.

341) L. pro insip. c. 4, p. 36.: Neque enim aut rem ipsam quae deus est

novi, neque ipsam possum coniicere eae alia simili, quandoquidem et tu talem as

seris illam, ut esse non possit simile quidquam. Nam si de homine aliquo mihi

prorsus ignoto , quem etiam esse nescirem, dici tamen aliquid audirem, per illam

specialem generalemve notitiam, qua quid sit homo vel homines novi, de illo qu0

que secundum rem ipsam, quae est homo, cogitare possem; et tamen fieri posset,

ut mentiente illo qui diceret, ipse, quem cogitarem, homo non esset, cum tamen

ego de illo secundum veram nihilominus rem, non quae esset ille homo sed quae

est homo quilibet, cogitarem. Nec sic igitur, ut haberem falsum istud in cogita

tione vel in intellectu, habere possum illud, cum audio dici ,,deus“ aut ,,aliquid

omnibus maius“, cum, quando illud (d. h. jenen Menschen) secundum rem veram

mihique notam cogitare possem, istud (d. h. Gott) omnino nequeam, nisi tantum

secundum vocem, secundum quam solam aut viæ aut nunquam potest ullum cogitari

verum; siquidem cum ita cogitatur; non tam ipsa v0av , quae res est utique vera,

hoc est litlerarum sonus vel syllabarum, quam vocis auditae significatio cogitetur,

Sed non ita ul ab illo qui novit, quid ea soleat voce significari, a quo scilicet

cogitatur secundum rem vel in sola cogitatione vera, verum ut ab eo qui illud non

novit et solumm0d0 cogilat secundum animi motum illius auditu vocis effectum signi

ficationemque perceptae vocis conantem effingere sibi, quod mirum est si unquam rei

veritate potuerit. Ita ergo nec prorsus aliter adhuc in intellectu meo constat illud

haberi, cum audio intelligoque dicentem, esse aliquid maius omnibus quae valeant

cogituri. Haec de e0, quod summa illa natura iam esse dicitur in• intellectu meo.

88 XIII. Anselmus.

wir schon oben (Anm. 319) in der gegen Roscellinus gerichteten Stelle;

aber ebem diese Auffassung himdert den Anselmus natürlich an jedem

Werständnisse dessen, was die Form des logischen Urtheiles bedeute,

denm indem er die enuntiatio von vornehereim nur als Abklatsch des

objectiven Seins oder Nichtseins betrachten kann, theilt er ihr nicht

einmal in dieser Form die Wahrheit zu, sondern verlegt die Wahrheit

ausschliesslich in das 0bjective, welches micht einmal in seinem Auftretem

im Urtheile wahr sei, sondern nur die Ursache der Wahrheit des Ur

theiles enthalte 843); ja er verhöhnt förmlich die Form des Urtheiles,

indem er sagt, dass dasselbe auch dann, wenn es im Widerspruche

mit dem objectiven Thatbestande stehe, immerhin die Richtigkeit des

blossen Aussagens und Bezeichnens enthalte, während die wahre Rich

tigkeit, d. h. die Wahrheit selbst, eben nur in jener 0bjectivität liege,

nach welcher in objectivem Sinne zu haschen gleichsam als ethische

Pflicht bezeichnet wird ***), denn da Alles sein Sein mur von der höch

sten Wahrheit empfängt ***), gestaltet sich zuletzt das Sein selbst zu

einem Sollen **°). Hiernach ergibt sich wohl ein schlechthin objectiver

einheitlicher Grund der Wahrheit 34°), aber je stärker das ausschliess

342) Dial. d. ver. c. 2, p. 109 f.: M. Quando est enuntialio vera ? D. Quando

est, quod enuntiat sive affirmando sive negando; dico enim esse quod enuntiat,

etiam quando negat esse quod non est, quia sic enuntiat, quemadmodum res est.

M. An ergo tibi videtur, quod res enuntiata sit veritas enuntiationis? D. Non. M.

Quare? D. Quia nihil est verum nisi participando veritatem, et ideo veri veritas

in ipso vero est; res vero enuntiata non est in enuntiatione vera; unde non eius

veritas , sed causa veritatis eius dicenda est. -

343) Ebend. p. 110.: M. Ergo non est enuntiationi aliud veritas, quam recti

tudo ..... D. Vide0 quod dicis; sed doce me, quid respondere possim, si quis di

cat , quia etiam cum oratio significat esse quod non est, significat quod debet; pa

riter namque accepit significare esse et quod est et quod non est, nam si non

accepisset significare esse etiam quod non est, non id significaret ; quare etiam cum

significat esse quod non est, significat quod debet; at si quod debet significando

recta et vera est, sicut ostendisti, vera est oratio etiam cum enuntiat esse quod non

est. M. Vera quidem non solet dici, cum significat esse quod non est, veritatem

tamen et rectitudinem habet, quia facit quod debet. Sed cum significat esse quod

est, dupliciter facit quod debet, quoniam, significat et quod accepit significare et ad

quod facta est; sed secundum hanc rectitudinem et veritatem, qua significat esse

quod est, usu recta et vera dicitur enuntiatio, non secundum illam , qua significat

esse etiam quod non est .... Alia est igitur rectitudo et veritas enuntiationis, quia

significat ad quod significandum facta est, alia vero quia significat quod accepit

significare; quippe ista immutabilis est ipsi orationi, illa vero mutabilis.

344) Ebend. c. 7, . p. 112.: An putas aliquid esse aliquando aut alicubi, quod

non sit in summa veritate et quod inde non acceperit, quod est in quantum est,

aut quod possit aliud esse, quam 'quod ibi est?

345) Ebend. c. 9, p. 113.: In rerum quoque eæistentia est similiter vera vel

falsa significatio, quoniam e0 ipso quia est, dicit se debere esse. Hiemit hängt

anch zusammen, dass Anselmus das reale Nichtsein oder das seiende Nichts völlig

mit dem Bösen identificirt (Epist. H, 8, p. 343 f.) und somit im Vergleiche mit

Scotus Erigena (Anm. 133 ff.), entschiedener den platonischen Realismus bekennt.

346) Ebend. c. 13, p. 115.: Si rectitudo non est in rebus illis , quae debent

rectitudinem , nisi cum sunt secundum quod debent, et hoc solum est illis rectas

esse , manifestum est, earum omnium unam solam esse rectitudinem ..... Quoniam

illa (sc. veritas) non in ipsis rebus aut eae ipsis aut per ipsas, in quibus esse di

citur, habet suum esse, sed cum res ipsae secundum illam sunt, quae semper praesto

est his, quae stint sicut debent, tunc dicitur huius vel illius rei veritas. -

- XIII. Anselmus. 89

lieh spiritualistische Erfassen desselben betont wird 347), desto weniger

ist verständlich, wie der logischen Form des Urtheiles noch irgend eine

principielle Function verbleiben solle.

Wie wenig durchgebildet aber die Auffassung der Logik überhaupt

bei Anselmus gewesen. sei, erhellt am deutlichsten aus der Schrift,

welche den Titel ,,Dialogus de grammatico* führt °*°). Dieselbe ist

allerdings nur eim Schul-Exercitium, - welches Anselmus, wie er selbst

sagt, nur im Hinblicke auf übliche zahlreiche Erörterumgen ähnlicher

Art verfasste °*°); aber während wir nicht wissem, ob jene anderem

dergleichen Schriften etwa besser gewesen seien, ersehen wir jedenfalls,

dass die des Anselmus auf einem bedauerlich niedrigem Standpunkte

stehe. Denm sie ist ein fortgesetztes verstandloses Spiel mit angelerntem

Lehrsätzen aus Boethius und bewegt sich in dem tädiösen Bemühen,

Schwierigkeiten, wo kein vernünftiger Mensch welche finiden kann, vor

erst aufzustöbern und dieselben dann in adäquater Weise wieder zu

lösen, — kurz, sie ist ein ebenso geringfügiges Erzeugniss einer höchst

beschränkten : Schulweisheit wie die obige Schrift Gerberi's, und davon,

dass durch dieselbe das dialektische Studium gefördert worden sei,

Κann um so weniger eine Rede sein, als sie sogar bezüglich der logi

schen Parteifrage sich als äusserst stumpf und matt zeigt.

Das Ganze dreht sich um die Frage, ob „grammaticus“ Substanz

oder Qualität sei, da heides zugegeben werden müsse, aber nicht zu

gleich wahr sein könne *°°). Die vernünftige Antwort aber, dass nem

347) Ebend. c. 11, p. 113.: Nempe nec plus nec minus continet ista diffi

nitio veritatis, quam eæpediat, quoniam nomen rectitudinis. dividit eam ab omni re,

quae rectitudo non vocatur ; quod vero sola mente percipi dicitur, separat eam a

rectitudine visibili.

348) Anselmus sagt selbst (Prol. ad L. d. ver. p. 109.): edidi tractatum non

inutilem, ut puto, introducendis ad dialecticam, cuius initium est ,,De grammatico**,

und aus einer diess wiederholenden Stelle bei Sigeb. Gembl. d. scr. eccl. c. 168.

(Fabric. Bibl. eccl. p. 114.: scripsit.... alium librum introducendis ad dialecticam

admodum utilem, cuius initium est ,,De grammatico**) entstand die irrige Meinung,

er habe auch eine eigene ,, Introductio in dialecticam** geschrieben.

349) Dial. d. gramm. c. 21, p. 150.: Tamen quoniam scis, quantum nostris

temporibus dialectici certent de quaestione a te proposita, nolo te sic his quae divi

mus inhaerere, ut ea pertinaciter teneas, si quis validioribus argumentis haec de

struere et diversa valuerit astruere ; quod si contigerit, saltem ad eacercitationem

disputandi nobis haec profecisse non negabis. -

350) Ebend. c. 1, p. 143.: De grammaticó peto ut me certum facias, utrum

sit substantia an qualitas, ut hoc c0gnito, quid de aliis quae similiter denomina

tive dicuntur, sentire debeam, agnoscam. Die Quelle der Frage liegt darin, dass

Boethius (p. 121.), wo in den Kategorien grammaticus als denominativum von

grammatica angeführt wird, in der Erklärung den Aristarchus als Beispiel eines

grammaticus nennt, und ausserdem bei der Substanz (p. 134.) grammaticus aus

drücklich bis zu animal zurückgeführt wird, daneben aber (p. 185 f.) bei der Kate

gorie der Qualität grammaticus zum stehendem Beispiele gewordem war. Daher

stellt nun Anselmus Folgendes als sich Widersprechendes nebeneinander: Ut quidem

grammaticus probetur esse substantia, sufficit quia omnis grammaticus homo, et

omnis homo substantia (vgl. Boeth. ad Porph. p. 63 f.)...... Quod vero grammaticus

sit qualitas , aperte fatentur philosophi, qui de hac re tractaverunt, quorum aucto

ritatem de his rebus est impudentia improbare. Item quoniam necesse est, ut gram

maticus sit aut substantia aut qualitas ..... , cum ergo alterum horum verum sit

alterum falsum, rogo ut falsitatem detegens aperias mihi veritatem.

90 XIII. Anselmus.

lich dennoch beides wahr sei, wird auf den verkünsteltsten Umwe

gen herbeigeführt °°'). Der Annahme nemlich, dass es eine Substanz

darum sei, weil ja der Grammatiker ein Mensch, der Mensch aber Sub

stanz ist, tritt zunächst ein verzerrter Syllogismus gegenüber, dessen

Sehlusssatz dahin lautet, dass kein Grammatiker ein Mensch sei 3°?),

was vorerst dadurch widerlegt wird, dass man auf gleiche Weise auch

beweisen könne, dass kein Mensch ein lebendes Wesen sei 383), worauf

erst nachhinkend die Hinweisung auf dem im Mittelbegriffe liegenden

Formfehler jenes Syllogismus folgt, und die anti-nominalistische Bemer

kung sich amknüpft, dass die Kraft des Schliessens micht in den aus

gesprochenen Worten, sondern in dem inneren Gedanken liege 854).

Das hieraus gewonnene Resultat aber, dass Grammatiker und Mensch

nicht identisch sind °°°), wird num meuerdings syllogistisch dahim ver

zerrt, dass kein Mensch ein Grammatiker sei, und zwar geschieht auch

diess mur, um mit abermaliger Beiziehung des analogen Schlusses, dass

kein Mensch ein vernünftiges Wesen sei, zur Berichtigung des Mittel

begriffes zu gelangen und hiedurch auf das bereits dagewesene Resultat

zurückzukehren, dass das Wesen des Menschem nicht das Wesen des

Grammatikers sei *°°). Aber aueh diess genügt noch nicht, sondern

- _ -

~.

351) Ebend. c. 2.: Argumenta, quae eae utraque parte posuisti, necessaria

sunt, nisi quod dicis, si alterum est, alterum esse non posse ; quare non debes a

me eæigere, ut alteram partem esse falsam ostendam, quod ab ullo fieri non potest;

sed quomodo sibi invicem non repugnent, aperiam, si a me fieri potest. Sed vellem

ego prius a te ipso audire , quid his probationibus tuis obiici posse opineris.

352) Ebend. : Illam quidem propositionem quae dicit , grammaticum esse ho

minem, hoc modo repelli evistimo: quia nullus grammaticus potest intelligi sine

grammatica, et omnis homo potest intelligi sine grammatica, item omnis grammaticus

suscipit magis et minus (diess aus Boeth. p. 186.), et nullus homo suscipit magis

et minus, eae utraque conteactione binarum propositionum conficitur una conclusio,

id est, nullus grammaticus est homo.

• 353) C. 3, p. 143 f.: Non sequitur ...... Conteze igitur tu ipse quatuor pr0

positiones in duos syllogismos: ..... 0mne animal potest intelligi praeter rationa

litatem ; nullus vero homo potest intelligi praeter rationalitatem. Item: Nullum ani

mal rationale est ea, necessitate; omnis autem homo rationalis est eae necessitate.

Ex utroque hoc ordine binarum propositionum videtur nasci: nullus igitur homo est

animal; quo nihil falsius, licet praecedentes propositiones titubare in nullo videam

..... Sed video horum duorum syllogismorum conneacionem per omnia similem illis

duobus qu0s paulo ante protuli.

354). C. 4, p. 144.: Junge has duas propositiones ita integras sicut eas modo

protulisti. 0mnis homo potest intelligi homo sine grammatica ; nullus grammaticus

potest intelligi grammaticus sine grammatica ..... Video, eas non habere communem

terminum , et idcirco nihil ea, eis consequi ...... Communis terminus syllogismi non

tam in prolatione quam in sententia est habendus; sicut enim nihil efficitur , si

communis est in voce et non in sensu, ita nihil obest, si est in intellectu et non

in prolatione ; sententia quippe ligat syllogismum, non verba (so also denkt der

Erfinder des ontologischen Beweises über die Form des Syllogismus !).

355) C. 5.: Evspecto, ut reddas effectum propositionibus meis .... Conficitur

ergo, quia esse grammatici non est esse hominis ..... Si ita intelligas ,,gramma

ticus non est homo“, ac si dicatur ,,grammaticus n0n est idem quod homo“, i. e.,

non habent eandem diffiniti0nem, vera est conclusio. -

356) C. 6.: Si quis itá conteaceret ,,0mnis grammaticus dicitur in eo quod

quale (der Ausdruck in eo quod quale steht b. Boeth. ad Porph. p. 87 f.); • nullus

h0m0 dicitur in eo quod quale ; ergo nullus homo grammaticus**, tale mihi hoc vi

deretur esse , ac si diceretur ,,0mne rationale dicitur in e0 quod quale ; , at nullus

XIII. Anselmus. 91

mit steter Umgehung dessen, was jeder vermünftige Mensch von vorne

herein gewusst und gesagt hätte, wird wieder ein anderweitiger Syllo

gismus beigebracht, dessen Schlusssatz lautet, dass kein Stein ein

Mensch sei, und es knüpft sich daran die Hinweisung auf dem Unter

schied der beiderseitigen Schlusssätze, insoferne man wohl sagen müsse,

dass der Stein in keinerlei Weise ein Mensch sei, nicht aber behauptem

dürfe, dass der Grammatiker in keinerlei Weise ein Mensch sei 3°7);

ja noch einmal folgt, und zwar num in dilemmatischer Form, ein ver

schrobener Beweis, dass kein Grammatiker ein Mensch sei, um neuer

dings zu dem jetzt modificirtem Resultate zurückzukommen, dass das

Grammatiker-Sein nicht schlechthin dasselbe sei wie das Mensch-Sein *°°).

Diess Alles aber ist noch nicht gemug, sondern die Sache wird von

' Schritt zu Schritt immer ungeniessbarer. Nemlich vorerst wird die

Möglichkeit offen gelassem, nunmehr mach Analogie des Weiss-Seins doch

wieder zu schliessen, dass einige Grammatiker keine Menschen seiem °°°);

sodann' aber wird eim aus der Wesens-Werschiedenheit zwischen Gram

matik ünd Mensch (da ersteres eine Inhärenz sei, letzteres aber nicht)

gezogener abermaliger Schluss, dass kein Grammatiker ein Mensch sei,

dazu benützt, um mit anti-nominalistischer Betonung der res das Resul

tat auszusprechen, dass der objectiv sachliche Gehalt des Grammatikers

in „Mensch* und „Grammatik* liege, wornach grammaticus zugleich

homo dicitur in eo quod quale; nullus ergo homo rationalis“; hoc autem nulla

probatio verum efficere valet, ut rationale praedicetur de nullo homine. Similiter

ille syllogismus, quem modo protulisti, non necessario concludit, grammaticum non

praedicari de homine; hoc enim significant eius propositiones, si secundum veritatem

eas intelligimus, tanquam si diceretur ita ,,0mnis grammaticus dicitur grammaticus

in eo quod quale; nullus homo dicitur homo in eo quod quale**; eae his autem

quabus propositionibus nequaquam consequitur ,,nullus grammaticus praedicatur de

homine“ .... Si quis vero ... . ita velit intelligere, ac si diceretur ,,homo non est

idem quod grammaticus'* ..... , ad h0c probandum, quia essentia hominis non est

essentia grammatici, habet earum significatio communem terminum.

357) C. 7, p. 145.: Dic mihi, si quis sic proponeret ,,Nullus homo potest

intelligi sine rationalitate ; omnis autem lapis potest intelligi sine rationalitate**,

quid consequeretur, .... nisi ,, nullus igitur lapis homo*' ..... Dic ergo quid differt

iste syllogismus ab illo tuo syllogismo ? ...... Sed quoniam iste quodam alio modo

potest intelligi, quo ille tuus non potest , habet hanc conclusionem, ut nullo modo

lapis possit esse Thomo ..... Sic potest, immo debet accipi, ac si dicatur ,,Nullus

homo potest aliquo modo intelligi sine rationalitate ; omnis vero lapis quolibet modo

potest intelligi sine rationalitate**, unde conficitur ,,nullus igitur lapis aliquo modo

est homo**. In tuis vero propositionibus veritas nequaquam similem admittit subau

ditionem.

358) C. 8.: Esse grammatici non est esse hominis. Si hoc ' est, qui habet

essentiam grammatici, non ideo necessario habet essentiam h0minis , ...... non est

igitur omnis grammaticus homo. At cum omnibus grammaticis una sit ratio, cur

sint homines, profecto aut omnis grammaticus est homo aut nullus; sed constat,

quia non omnis; nullus igitur ...... Debet intelligi illa argumentatio hoc modo : si

esse grammatici non est simpliciter esse hominis , qui habet essentiam grammatici,

non ideo sequitur ut habeat simpliciter essentiam hominis ....; ita vero nihil aliud

sequitur, nisi ,,nullus grammaticus est simpliciter homo“.

359) C. 9.: Verum si probaretur, quod, ut puto, facile fieri potest, quia esse

grammatici ita non est esse h0minis sicut, esse albi non est esse hominis, ..... tunc

vere sequeretur aliquem grammaticum posse esse non hominem. -

92 XIII. Anselmus.

nach der einen Seite Substanz und nach der anderen Qualität sei 860).

Nachdem aber ein neuer gegen die Substanzialität des Grammatikers

erhobener Einwand siegreich durch den eben eimgenommenen Stand

punkt beseitigt scheint °"'), steigt wieder eine andere Schwierigkeit auf;

denn die beständige Gewohnheit der Dialektiker, das Wort „Gramma

tiker“ stets als Beispiel der Qualität, nie aber als Beispiel der Substanz

anzuführen, widerstreite gerade dem gewöhnlichen Sprachgebrauche,

nach welchem man nie jenes Wort an Stelle der damit bezeichneten

Qualität setzen könne, und ferner müsse folgerichtig auch der Begriff

„Mensch*, in welchem gleichfalls Qualitäten enthalten seien, ebenso als

Beispiel der Qualität verwendet werden können, was doch nie ge

schehe 3°?). Diess wird nun dadurch gelöst, dass das Wort „Mensch*

wirklich eine reale Einheit bezeichne und daher wahrhaft. ein significa

tivum betreffs der Substanz sei, nicht aber eigentlich als prädicatives

appellativum auftreten könne, wohingegen das Wort ,,Grammatiker* nur

eben bezüglich des realen Dinges, welches die Grammatik ist, an sich

(per se) ein significativum sei, betreffs des Menschen aber nur mit

telbar (per aliud) als blosses appellativum gebraucht werde, denn über

360) Ebend.: Aristoteles ostendit, grammaticam (bei Gerberon steht simnlos

grammaticum) eorum esse quae sunt in subiecto (aus Boeth. p. 119., s. Abschn. XII,

Anm. 92.), et nullus homo est in subiecto; quare nullus grammaticus homo. M.

Noluit Aristoteles hoc consequi eae suis dictis, nam idem Aristoteles dicit quendam

hominem et hominem et animal grammaticum. (Boeth. p. 134.) ...... Cum loqueris

mihi de grammatico, num intelligam te loqui de hoc nomine, an de rebus quas

significat? D. De rebus. M. Quas ergo res significat? D. Hominem et grammaticam

- • • • • • M. Dic ergo: homo est substantia an in subiecto? D. Non est in subiecto,

sed est substantia. M. Grammatica est qualitas et in subiecto? D. Utrumque est.

M. Quid ergo mirum, si quis dicit, quia grammaticus est substantia et non est in

subiecto secundum hominem, et grammaticus est qualitas et in subiecto secundum

grammaticam.

361) C. 10, p. 146.: Sed unum adhuc dicam, cur grammaticus non sit sub

stantia: quia omnis substantia est prima aut secunda (Boeth. p. 128., s. Abschn.

XII, Anm. 91.), grammaticus autem nec prima nec secunda. M. Memento dictorum

Aristotelis quae paullo anle diaci ..... Sed tamen unde probas? D. Quia est in sub

iecto, quod nulla substantia est, et dicitur de pluribus, quod primae non est, nec

est genus aut species nec dicitur in eo quod quid, quod est secundae (Boeth. p. 72.).

M. Nihil horum, si bene meministi quae iam diacimus, aufert grammatico substan

tiam, quia secundum aliquid grammaticus non est in subiecto et est genus et spe

cies, .... est etiam individuus , sicut homo et animal, .... Socrates enim et homo

et animal est et grammaticus.

362) C. 11.: Nemo qui intelligit nomen grammatici, ignorat, grammaticum

significare et hominem et grammaticam, et tamen si hac fiducia in populo loquens

dicam ,,utilis scientia est grammaticus“ aut ,,bene scit iste homo grammaticum“,

non solum stomachabuntur grammatici, sed et ridebunt rustici. Nullatenus itaque

credam sine aliqua alia ratione tractatores dialecticae tam saepe et tam studiose in

suis libris scripsisse , quod idem ipsi colloquentes dicere erubescerent. Saepissime

namque ubi volunt ostendere qualitatem aut accidens, subiungunt ,,ut grammaticus

et similia“, cum grammaticum magis esse substantiam quam qualitatem aut accidens,

usus omnium loquentium attestetur; et cum volunt aliquid docere de substantia,

nusquam proferunt ,,ut grammaticus aut aliquid huiusmodi**. Huc accedit : .... cur

homo non est similiter qualitas et substantia? homo namque significat substantiam

cum omnibus illis differentiis quae sunt in homine, ut est sensibilitas et mortalitas ;

sed nusquam ubi sit scriptum aliquid de qualitate aliqua, prolatum est ad eacemplum

,,velut homo**.

XIII. Anselmus. - 93

haupt falle das appellativum nur dem gewöhnlichen Redegebrauche an

heim, während das significativum die reale Substanz enthalte *°°).

Abnen wir nun schon hiernach, worauf das Ganze hinauslaufen werde,

so vergönnt uns Anselmus noch nicht sofort den Genuss seiner realisti

schen Auffassung, sondern schleppt uns noch eimige Zeit durch unver

ständige Tändeleien hindurch. Nemlieh der Einwand, dass ,,Gramma

tiker" und ,,Mensch* demnach in gleicher Weise bezeichnende Aussagen

seien, und hiemit ersteres gleichfalls in einer realen Einheit den Begriff

des Menschen und den Begriff der Grammatik umfasse, soll nun da

durch widerlegt werden, dass dann Grammatik kein Accidens, sondern

eine Wesens-Differenz wäre, was ebenso vor* allen ähnlichen Qualitátem

gelten müsste, sowie auch die Folgerung sich ergäbe, dass dann ein

Nicht-Mensch, welcher Grammatiker wäre, eben deshalb zugleich ein

Mensch sein müsste °°*); ferner sei ja gerale die Adjektivform des

Wortes grammaticus zu bedenken, denn wenn „Mensch* sehon an sich

in ,,Grammaliker* enthalten wäre, könnte mam durch Substituirung ins

Unendliche fort „das Wort „Mensch* wiederholen müssem, und überhaupt

verrücke man den Standpunkt der abgeleitetem Appellativa, da dann z.

363) C. 12.: Nempe nomen hominis per se et ut unum significal ea, eæ qui

bus constat totus homo ..... Quapropter quamvis omnia simul velut unum totum sub

una significatione uno nomine appellentur homo, sic tamen principaliter hoc nomen

est significativum et non (non fehlt widersinnig bei Gerberon) appellativum substan

liae ...... Grammaticus vero non significat hominem et grammaticam ut unum, sed

grammaticam per se et hominem per aliud, et hoc nomen quamvis sit appellativum

hominis , non tamen proprie dicitur eius significativum, et licet sit significativum

grammaticae, non tamen proprie est eius appellativum. Appellativum autem nomen

cuiuslibet rei nunc dico , quo res ipsa usu loquendi appellalur. Diese Unterschei

dung zwischen significativus und appellativus ist gleichfalls aus Boethius geschöpfi,

einerseits im Hinblicke auf die dortige (p. 308 f.) Definition des Substantives, und

andrerseits in Folge ausdrücklicher Angaben des Boethius, welcher die betreffende

Stelle Categ. c. 5. folgendermaassen übersetzt (p. 138.): in secundis vero , sub

stantiis videtur quidem similiter appellationis figura hoc aliquid significare, .... non

tamen verum est, sed magis quale aliquid significat, wozu noch Bemerkungen bei

der Kategorie der Qualitât kommen (p. 174.): qualitas secundum Aristotelem ipsa

quoque multipliciter appellatur ..... et communis est multipleæ appellatio etiam in

his nominibus, quae veluti genera de speciebus dicuntur; und (p. 183.): gramma

tici enim a grammatica nominantur, atque hoc est in pluribus, ut posito nomine

si quid secundum ipsas qualitates quale dicitur, eae his ipsis qualitatibus appellatio

derivetur ..... distinctis 'qualitatum vocabulis appellantur. So ist also auch bei

Anselmus durchweg der bisherige beschränkte Quellenkreis nicht überschritten,

und hätte man damals schon die Uebersetzung der Analytik gekannt, so wären

wohl derartige Erörterungen überhaupt unmöglich gewesen.

364) C. 13, p. 147.:- Sicut enim homó constat eae animali et rationalitate et

mortalitate et idcirco homo significat haec tria, ita grammaticus constat eae homine

et grammatica et ideo nomen hoc significat utrumque ...... M. Si ergo ita est, ut

tu dicis, diffinitio et esse grammatici est homo sciens grammaticam .... Non est

igitur grammatica accidens, sed substantialis differentia, et homo est genus et gram

maticus species ; nec dissimilis est ratio de albedine et similibus accidentibus, quod

falsum esse totius artis tractatus ostendit (Boeth. p. 79 ff.)...... Ponamus, quod

sit animal aliquod rationale, non tamen h0m0, quod ita sciat grammaticam sicut

h0m0 ..... Est igitur aliquis non homo sciens grammaticam .... ut omne sciens gram

^malicam est grammaticum .... est igitur quidam non homo grammaticus -.... sed tu

dicis in grammatico intelligi hominem ..... quidam ergo non homo est homo, quod

falsum est.

94 s. XIII. Anselmus.

B. auch hodiernus ein Zeitwort sein müsste *°°). Nachdem aber hie

durch als bewiesem gilt, dass grammaticus nicht die Substantialität des

Menschen einheitlich in sich schliesse, sondern nur die adäquate Be

zeichnung der Grammatik allein sei, soll num mocb deutlich gemacht

werden, in welcher Weise grammaticus bloss mittelbares Appellativum

des Menschen sei ; diess geschieht mit der sinnlosesten Wertauschung

atlributiver Begriffe durch ein Beispiel, da, wenn ein weisses Pferd und

ein schwarzer 0chs nebemeinander stehen, durch das Wort „Weiss“

mittelbar das Pferd bezeichmel werden könne *°°). Das hievon zu er

wartende Resultat ist, dass alle appellative Bezeichnung nur accidentell

sei °°"), wornach der gafAe Umkreis des menschlichen Iiedens, welches

sich in Urtheilen bewegt, dem Accidentellen anheimfällt, und hiemit

das Wesen des Prädicates für die Logik vernichtet ist, sobald dasselbe

nicht mit dem substantiellen Subjecte identisch bleibt. Ja, es wird

gegen jene Folgerung ein neuer Einwand beigebracht, um siegreieh aus

demselben zu dem verstärkten Standpunkte zurückzukehren; nemlich es

könne eingewendet werden, dass bei solcher Trennung von Substanz

und Accidens nun da, wo Mensch und Grammatik sich in dem Gram

matiker vereinigen, nur die Wahl bleibe, entweder den Grammatiker

* selbst sofort als eine blosse Qualität zu bezeichnen, oder sich aus

schliesslich auf die Substanz zu werfen, so dass der Mensch allein in

dieser seiner Substanzialität schon der Grammatiker wäre *°°). Letztere

Alternative nun wird durch ein Wortspiel und ein Gleichmiss beseitigt,

demn der Mensch bleibe ja in seiner Selbstständigkeit, während er die

Grammatik als Eigenschaft besitze, ' und es sei ebenso, wie wenn von

365) Ebend. : Si h0m0 est in grammatico, non praedicatur cum e0 simul de

aliquo....., non enim apte dicitur, quod Socrales est homo animal (Boeth. p. 64)

..., sed convenienter dicitur, quod Socrates est homo grammaticus .... ltem, si

grammaticus est homo sciens grammaticam , ubicunque ponitur grammaticus, apte

ponitur homo sciens grammaticam ..... si igitur apte dicitur ,,Socrates est h0m0

grammaticus“, apte quoque dicitur ,,Socrates est homo homo sciens grammaticam“

. et sic in infinitum ...... Item similiter in omnibus denominativis id qu0d dem0

minatur cum eo inlelligendum est a qu0 denominatur .... ergo hodiernum significat

id quod vocatur hodiernum et hodie ..... ergo hodiernum non est nomen, sed ver

bum, quia est voa- significans tempus. -

366) C. 14.: Sufficienter probatum est, grammaticum non esse apellativum

grammaticae, sed hominis, nec esse significativum hominis, sed grammaticae; sed

quoniam divisti, grammaticum significare grammaticam per se et hominem per aliud,

peto ut aperte mihi has duas significationes distinguas ...... M. Quid si vides stan

tes iuacta se invicem album equum et nigrum bovem et dicit tibi aliquis de equo

,,percute illum“ non monstrans aliquo signo, de quo dicat, an scis, quod de equo

dicat. D. Non. M. Si vero nescienti tibi `et interroganti ,,quem?“ respondet ,,alvum**,

intelligis, de quo dicit? D. Equum intelligo per momen albi .... Namque nomen

equi .... significat mihi equi substantiam per se et non per aliud; nomen vero albi

substantiam equi significat non per se, sed per aliud, i. e. per hoc quod scio equum

esse album, (Wohl zu bedauern ist der Leser, welcher solchen Unwerstand durch

machen soll; jedoch ich musste das Hauptsächliche objectiv vorführen, da ein

blosses subjectives Urtheil, dass Anselmus in dieser ganzen Schrift sich als logisch

impotent zeige, Niemandem genügt hätte.)

367) C. 15, p. 148.: harum duarum significationum illa, quae per se est, ipsis

vocibus significativis est substantialis, alia ver0 , quae per aliud est, accidentalis.

368) C. 16.: Non sine scrupulo accipit animus, grammaticum esse qualitatem

..... aut hominem solum, i. e. sine grammatica, esse grammaticum.

XIII. Anselmus. 95

zwei Fussgängerm der Eine voraus und der Andere hinterdrein gehe,

denn der Worausgehende sei allein, insoferne er allein vorausgehe, und

zugleich nicht allein, insoferne ein Anderer mitgehe *°°). Die erstere

Alternative aber wird zum Bekenntnisse des Realismus benützt, wobei

Anselmus mit verbissener Resignation auf die Anschauungen der aristote

lischen Dialektiker eingeht, um wenigstens zu retten, was zu retten ist,

denn da die Auctorität der Kategorien doch als zu gross galt, um sie

vollends zu verwerfen, musste eine realistische Interpretation versucht

werden. Anselmus nemlich sagt, dem Grammatiker lediglich als Qualität

zu bezeichnen, sei mur nach dem Standpunkte der aristotelischen Kate

goriem richtig, denn in denselben handle es sich allerdings weder um

das reelle Sein der Dinge selbst, noch auch um die bloss appellative

Bezeichnung durch Worte, sondern um die voces significativae (s. ob.

Amm. 363), insoweit dieselben das substantielle* Sein an sich selbst

unmittelbar bezeichnen, und darum sei es in richtiger Weise bei dem

Dialektikern üblich geblieben, sich nur in dieser substantiellen Bezeich

nungsweise zu bewegen, d. h. den Grammatiker nur als Beispiel der

Qualität zu gebrauchen *"'); denn in diesem realistischen Sinne sei im

Hinblicke auf die Kategorien der Grammatiker eben sprachlich und sach

lich eine Qualität, hingegen abgesehen von dieser dialektischen Betrach

tung, welche aber hiemit das wesentlich substantielle Sein enthaltem

soll, bleibe nur das Gebiet der gewöhnlichen appellativem Redeweise

übrig , in welcher der Grammatiker ein Mensch genannt werde, ebenso

wie z. B. in der Betrachtung der Wortformen der Stein richtig ein '

Masculinum genannt werde, während im gewöhnlichen Sprechen ihn

369) Ebend.: quod homo solus , i. e. sine grammatica, est grammaticus, .....

duobus modis intelligi potest, uno vero, altero falso. Homo quippe (diess. ist der

verus modus) solus, i. e, absque grammatica, est grammaticus , quia solus est ha

bens grammaticam, grammatica namque nec sola nec cum homine habet grammati

cum. Sed homo solus, i. e. absque grammatica, non est grammaticus, quia absente

grammatica nullus esse grammaticus potest (d. h. der falsus modus wäre , jemen

Satz so zu werstehen, als müsse nicht doch noch die Grammatik zur selbststän

digen Menschen-Substanz hinzukommen). Sicut qui praecedendo ducit alium, et

solus est praevius, quia qui sequitur non est praevius, et solus non est praevius,

quia nisi sit qui sequatur, praevius esse non potest. Hiednrch also glaubt der

Realist das Werhältniss der Inhärenz erklärt zu haben.

370) C. 16.: Cum vero dicitur, quod grammaticus est qualilas, non recte nisi

secundum tractatum Aristotelis de calegoriis dicitur. C. 17.: D. An aliud habet

ille, tractatus quam ,,0mne quod est, aut est substanlia aut quanlilas aut qualitas

etc.** (Boeth. p. 127.) .... M. Non tamen fuit principalis intentio Aristotelis, hoc

in illo libro ostendere , sed quoniam omne nomen vel verbum aliquid horum signi

ficat; non enim intendebat ostendere, quid sint singulae res, nec quarum rerum

sint appellativae singulae voces, sed quarum significativae sint; sed quoniam voces

non significant nisi res, dicendo quid sit quod voces significant, necesse fuit dicere

quid sint res ...... De qua significatione videtur tibi dicere, de illa qua per se

significant ipsae v0ces et quae illis est substantialis, an de altera quae per aliud

est et accidentalis ? D. Nonnisi de ipsa, quam idem ipse eisdem vocibus inesse

diffiniendo nomen et verbum (Boeth. p. 293 f.) assignavit, quae per se significant.

M. An putas ..... aliquem eorum, qui eum sequentes de dialectica scripserunt, aliter

sentire voluisse de hac re , quam sentit ipse ? D. Nullo modo eorum scripta hoc

aliquem opinari permittunt, quia nusquam invenitur aliquis eorum posuisse aliquam

vocem ad ostendendum aliquid quod significet per aliud, sed semper ad hoc quod

per se significat.

96 XIII. Anselmus.

Niemand als ein männliches Wesen bezeichne *"'). Also Anselmus er

bliekt in den Kategorien wohl eine formelle Macht, bezieht dieselbe aber

lediglich auf die objectiv vorliegende Tabula logica des wesentlichen

Seins. Wie roh er aber- dieses verstandem habe, erhellt deutlich aus

dem Schlusse der Schrift, wo noch die Frage erörtert wird, ob Ein

Ding unter mehrere Kategoriem fallem könne ; denn wenn z. B. gesagt

wird, dass armatus auch unler die Kategorie der Substanz gehören

könne, weil der Bewaffnete eine Substanz, nemlich die Waffen, an sich

habe, so ist diess allerdings der Gipfelpunkt logischen Unverstandes,

und wir schliessen germe mit dem Entscheide, welchen Anselmus hier

über gibt, dass nemlich eine einheitliche Sache schwerlich (— denn

völlig gewiss will er auch diess nicht behaupten —) unter mehrere

Kategorien fallen könne, wohl hingegen ein Wort, welches mehrere

Bedeutungen enthalte , als ein nicht einheitliches nach mehreren Kate

gorien betrachtet werden könne, wie diess z. B. bei albus der Fall sei,

welches sowohl zur Qualität als auch zur Kategorie des Habens ge

höre 812).

So verwickelte sich dieser stumpfsinnige Realismus durch eigenes

Unvermögen in Schwierigkeiten, welche für eine wirklich logische Be

trachtungsweise überhaupt nieht existirem, und das gesammte Auftretem

des Anselmus erscheint uns nur als ein Beleg dafür, dass der realistische

0bjectivismus mit einem angebornen Missgeschicke in Bezug auf Fragen

der Logik behaftet sei.

Ueberhaupt aber scheint damals, d. h. an der Gränzscheide des

1 1. und 12. Jahrhundertes, als das Resultat ålterer und neuerer logi

371) C. 18, p. 148 f.: Si ergo proposita divisione praefata (d. h. die Ein

theilung in die zehn Kategorien) quaero a te, quid sit grammaticus secundum hanc

divisionem et secundum eos, qui illam scribendo de dialectica sequuntur, quid quaero

aut quid mihi respondebis? D. Procul dubio non hic potest quaeri nisi aut de voce

aut de re quam significat ; quare quia constat, grammaticum non significare secun

dum hanc divisionem hominem sed grammaticam, incunctanter respondebo, si quaeris

de voce, quia est voae significans qualitatem, si vero quaeris de re, quia est qua

litas ...... Quare sive quaeratur de voce sive de re , cum quaeritur quid sit gram

maticus secundum Aristotelis tractatum et secundum sequaces eius, recte respondetur

,,qualitus“, et tamen secundum appellationem vere est substantia. M. Ita est; non

enim movere nos debet, quod dialeclici aliter scribunt de vocibus secundum quod

sunt significativae, aliter eis utuntur loquendo secundum quod sunt appellativae; si

et grammatici aliud dicunt secundum formam vocum aliud secundum rerum naturam;

dicunt quidem lapidem esse masculini generis ..... cum nemo dicat lapidem esse

masculum.

372) C. 19, p. 149.: Nam si grammaticus est qualitas, qui significat: qualita

tem, non video cur armatus non sit substantia, ..... quia significat habentem sub

stantiam , i. e. arma ..... sic grammaticus significat habere , quia significat haben

tem disciplinam. M. Nullalenus .... negare póssum, aut armatum esse .substantiam

aut grammaticum esse habere .... Rem quidem unam et eandem n0n puto sub diver

sis aptari posse praedicamentis , licet an quibusdam dubitari possit, qu0d mai0ri

et altiori disputationi indigere eæistimo (wir wären in der That begierig gewesen

auf diese altior disputatio) ..... Unam autem vocem plura significantem non ut unum

non video quid prohibeat pluribus aliquando supponi praedicamentis, ut si albus

dicitur qualitas et habere. Hierauf folgt noch C. 20 f. die Erörterung, dass albus

kein einheitlicher Begriff, sondern eben aus qualitas umd habere zusammenge

klebt sei.

XIII. Honorius v. Autum. 97

scher und theologischer Differenzen sich ein noch ziemlich plump aus

gesprochener Gegensatz zwischen Nominalisten und Realisten herausge

stellt zu haben, indem man sowohl ausser diesen zwei Standpunktem

keinen anderweitigen ins Auge zu fassen fähig war, als auch jeden der

beiden einseitig noch in extremer und gleichsam ungeschliffner Weise

aussprach. Eine weit reichere und mehr disciplinirte Entwicklung wer

den uns sogleich schon die nächsten Jahrzehnte darbietem, der späterem

Zeit vorläufig ganz zu geschweigen.

Ja bei Einzelnen mochte damals die Auffassung der üblichen Schul

Logik noch völlig unberührt von dem Parteistreite bleiben, und als ein

Beispiel gänzlicher Naivetät in dieser Beziehung sowie betreffs der Logik

überhaupt können wir zum Schlusse dieses Abschnittes noch aus dem

Anfange des 12. Jahrh. einige ergötzliche Bemerkungen des H o n o r i u s

v o n Au tu m (zwischem 1100 und 1120 litterarisch thätig) anführen,

welcher die sieben freiem Künste als ebensoviele Wohnsitze der Seele

schildert und dabei über die Dialektik Niehts weiteres vorzubringen

weiss, als dass man durch fünf Thore (die quinque voces) in die eigent

liehe Burg (d. h. die zehn Kategorien) gelange, woselbst zwei Kämpfer

in Bereitsehaft seien, nemlich der kategorische und der hypothetische

Syllogismus, welche Aristoteles in der Topik ausgerüstet und damn in

dem Buche d. interpr. auf das Schlachtfeld geführt habe, so dass man

hier in dem Kampfe gegen die Ketzer sich mèthodisch üben könne 37°).

373) Honor. Augustod. d. animae eæilio et patria, c. 4. bei Pez, Thes. II, p.

229 f.: Tertia civitas est dialecticu multis quaestionum propugnaculis munita ....

Haec per quinque portas adventantes recipit, scilicet per genus, per species, per

differens, per proprium, per accidens, unde et isagogae introductiones dicuntur,

quia per has repatriantes introducuntur. Arae huius urbis est substantia, turres cir

cumstantes novem sunt accidentia. In hac du0 pugiles sunt et litigantes certa ra

tione dirimunt; cathegorico et hypothetico syllogism0 quasi praeclaris armis viantes

muniunt, quos Aristoteles in Topica recipit, argumenlis instruit, in Perihermeniis ad

latum campum syllogismorum educit. In hac urbe docentur itinerantes haereticis et

aliis hostibus armis rationis resistere etc. -

P R A N T l, Gesch. II. 7

XIV. ABSCHNITT.

ALLMÄLIGE VERVOLLSTÄNDIGUNG DER KENNTNISS DER

, ARISTOTELISCHEN L0GIK.

Wenn ich oben S. 4 sagte, das einzige Motiv einer Eintheilung

der Geschichte der mittelalterlichen Logik liege mir in dem äusser

lichen Maasse der beschränkteren oder ausgedehnteren Kenntniss ari

stotelischer Schriftem, und es reducire sich der Unterschied zwischem

dem Inhalte des vorigen und dieses jetzigen Abschnittes zuletzt darauf,

dass man bis zum Anfange des 12. Jahrhundertés die beidem Analytiken

und die Topik nebst Soph. Elenchi weder kannte noch benützte, hierauf

aber allmälig auch diese Bücher in den Bereich der Erörterungen ge

zogen wurden, so habe ich hier nun vor Allem die Pflicht, vorerst

eben jene litterarischen Daten festzustellen, durch welche die Abtrennung

begründet wird. Es muss nemlich für diesen ganzen Abschnitt, mit

welchem wir in die bewegte Zeit Abälard's eintretem und bis zum

Schlusse des 12. Jahrhundertes, fortschreitem, zunächst der Umkreis des

logischen Materiales, aus welchem die zahlreichen Controversen dieser

Periode entsprangen, vor Augen gestellt werden, d. h. wir müssen

machweisen, dass und wie man allmälig theils zur Kenntniss der ge

- sammten schriftstellerischen Leistungen des Boethius, welcher ja das

ganze 0rganon übersetzt hatte, gelangte, und theils neue Uebersetzungem

der genannten Bücher anfertigte, um erst hiernach berichten zu können,

welcherlei Thätigkeit sich unterdessen auf diesem successiv erweiterten

Bodem entwickelt habe.

Dass jene angegebene Beschränkung bis zum Anfange des 12. Jahrh.

wirklich bestandem habe, mag num sowohl durch die im vorigen Ab

schnitte (Anm. 98, 156, 183, 196, 209, 253, 258, 277, 288, 310,

363) angeführten positiven Notizen, als auch durch den vollständigen

Mangel irgend einer entgegenstehenden Andeutung vielleicht als bewiesen

gelten. Gerade je mehr wir aber für diese vorige Periode die Kraft

des „Beweises aus dem Stillschweigen* für uns in Anspruch nehmen !),

... 1) Die Möglichkeit allerdings, dass durch neue Entdeckungen in irgend einer

Bibliothek entgegenstehende Notizen zu Tage gefördert werden können, soll hiemit

nicht verneint werden; aber dennoch würden Solches nur isolirte Fälle sein,

welche auf den Betrieb der Logik im Ganzen keinen Einfluss ausgeübt hätten,

denn um die allgemeine Haltung der Logik zu erkennen, scheinen die bis jetzi

zugänglichen Quellen hinzureichen. -

XIV. Das vervollständigte Material. . 99

desto sorgfältiger haben wir auch die vereinzelten und gleichsam über

schütteten Spuren beachtet, in welchen von einer bestimmten Zeit an

jenes Stillschweigen gebrochen wird. Der Wendepunkt liegt nemlich

in dem Bekanntwerden der Analytiken und der Topik nebst den Sophist.

Elenchi *), und wenn dasselbe aueh noch so leise und allmälig statt

fand, so lässt sich wohl erwarten, dass eine selbst noch fragmentari

sche Kenntniss dieser Hauptwerke des Aristoteles nicht ausser Zusam

menhang mit dem nun reicheren und mannigfaltigeren Betriebe der

Logik stehen werde.

Schon eine auf das Jahr 1128 gehende Nachricht, welche dahin

lautet, dâss „ein gewisser Ja c ob u s a u s V e n e dig die beiden Analy

tiken, die Topik und die Soph. Elenchi aus dem Griechischen übersetzte

und zugleich mit einem Commentare versah, obwohl man eine ältere

Uebersetzung der nemlichen Bücher gehabt habe“°), betrifft, wie man

sieht, eben jene Werke, welche in der früheren Periode unbekannt

und unbenützt gewesen waren, und sowie einerseits zu beachten ist,

dass der Berichterstatter, welcher selbst dem 12. Jahrh. angehört, das

Vorhandensein der boethianischen Uebersetzung jener Bücher kannte, —

denn eine andere kann unter der „álteren“ nicht gemeint sein —, so

ist andrerseits ebenso klar, dass jener Jacobus die Existenz derselben

nicht wusste und eben hiedurch zur Anfertigung seiner eigenen Ueber

setzung veranlasst worden war. Der örtliche Boden aber, welchem

diese beiderseiligen Momente angehören, ist ltalien.

Diese wichtige Notiz aber, welche somit ein Bekanntsein jener

Werke und daneben zugleich ein Nicht-Bekanntsein derselben enthält,

steht nicht so vereinzelt, als man glaubte *). Es scheinen nemlich

wohl auf den ersten Blick einem Bekanntsein jener Bücher ganz ent

sohiedene und weitgreifende Aussprüche Abälard's éntgegenzustehen.

Letzterer gibt, — abgesehen von seiner uns. hier nicht berührenden

Klage über den Mangel einer Uebersetzung der aristotelischen Physik

und Metaphysik °) — ausdrücklich seine logischen Quellen selbst an

und sagt, dass die lateinische Litteratur der Logik auf sieben Schriften

beruhe, welche auf drei Autorem sich wertheilen: man kenne nemlich

2) Jourdain hatte in seinen Recherches critiques wohl nur die Aufgabe, die

• im Mittelalter meu entstehenden Uebersetzungen zu untersuchen, und er konnte

diesen Umschwung, soweit er die Kenntniss des Boethius betrifft, unberücksichtigt

lassen, aber auch für jenen seinen eigentlichen Zweck sind ihm entscheidende

Stellen (s, unten Anm. 14. 19. 26 ff.) entgangem.

3) Zu einer Stelle bei Robert de Monte, Chronica ad ann. 1128, b. Pertz,

Monumi. VIII, p. 489., bemerkt ein Fortsetzer (d. h. ,,alia manus“, aher mach

Pertz's Angabe, ebend. p. 293., gleichfalls aus dem 12. Jahrh.) Folgende§: Jaco

bus Clericus de Venecia transtulit de graeco in latinum quosdam. libros Aristotelis

et commentatus est, scilicet Topica, Anal. priores et posteriores et Elenchos, quamvis

antiquior translatio super eosdem libros haberetur.

4) Cousin (0upr. inédits d'Abélard, p. L ff. und auch Fragm. d. phil. du

noyem' âge, Par. 1855 p. 56 ff.) irrt gänzlich und schliesst aus den sogleich zu

erwähnehden Stellen Abälard's nur nach dem äusserlichen Wortlaute , ohne dem

Inhalt der logischen Erörterungen zu berücksichtigem.

5) Abael. Dialect. b. Cousin, 0uvr. ined. p. 200.: in Physicis et ... in his

libris, quos Metaphysica vocat, eaesequitur (sc. Aristoteles); quae quidem opera

ipsius nullus adhuc translator latinae linguae aptavit.

7 *

400 XIV. Das vervollständigte Material.

von Aristoteles mur die Kategorien und d. interpr., von Porphyrius die

Isagoge, von Boethius aber seien in Gebrauch d. divis., d. diff. top.,

syllog. categ., syllog. hypoth. °); ausserdem führt er auch einmal eine

Bemerkung aus Sophist. El. ausdrücklich nur mittelbar aus Boethius

an 7). Während also Abälard, wie sich vom selbst versteht, aus jenen

schon öfter (vor. Abschn. Anm. 253, 258, 277) berührten Stellen des

Boethius (Abschm. XII, Anm. 77) genau wissem musste, welche Bücher

Aristoteles geschrieben habe, bekennt er hiemit wohl völligst unzwei

deutig, dass er die Uebersetzungen der Analytiken, der Topik und

Soph. El. nicht benützen kommte. Aber mehr dürfen wir auch aus

diesem Bekenntnisse micht schliessem, als dass dem Abälard jene Haupt

werke des Aristoteles nicht zur Hand waren, weil dieselben überhaupt

unter dem recipirten Schriftem (man beachte die Ausdrücke „usus cog

novit“, und „in consuetudinem duaeimus“) sich nicht befanden; d. h.

wir sehen, dass man damals in Frankreich an all jenem Ortem, in wel

chen Abälard sich umhertrieb oder in welchem mam überhaupt sich mit

Logik beschäftigte, kein Exemplar des wirklichem Textes jener Bücher

besass ; denn hätte man solche besessen, so würde der logische Eifer

jener Zeit sie gewiss ans Tageslicht gebracht habem. Hingegen bleibt

dabei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass anderweitig Einzelnes

aus jemem Schriften dennoch zur Kenntniss des gelehrtem Publikums ge

kommen sei, und wenn sicli auch mur eine einzige Angabe fände, welche

machweisbar aus keiner anderem Quelle, als aus Einem jener Bücher

geschöpfi sein könnte, so wäre der Beweis geliefert, dass irgendwie

anderswoher vereinzelte Daten aus dem Analytiken umd der Topik in

die Atmosphäre der Logiker Frankreichs transspirirten. Dem Nachweis

aber, durch welche Männer und auf welche Weise Solches geschehen

sei, möge man uns nicht auferlegen ; es ist unmöglich, ihn zu führen,

ja nicht einmal die örtliche Quelle können wir bezeichnen.

Nemlich dass zur Zeit Abälard's Einzelnes aus jemen bis dahin un

benützten aristotelischen Schriften zur Kunde gekommen war, können

6) Ebend. p. 228.: Confido, ..... non pauciora vel minora me praestiturum

eloquentiae peripateticae munimenta, quam illi praestiterunt, quos latinorum celebrat

studiosa doctrina. ....... Sunt autem tres, quorum septem codicibus omnis in hac

arte eloquentia lutina armatur. Aristotelis enim duos tantum , Praedicamentorum

scilicet et Periermenias, libros usus adhuc latinorum cognovit, Porphyrii vero unum,

qui videlicet de quinque vocibus conscriptus, genere scilicet specie differentia proprio

et accidente, introductionem ad ipsa praeparat praedicamenta, Boethii autem quatuor

in consuetudinem duaeimus libros, videlicet Divisionum et Topieorum cum Syllogismis

tam categoricis quam hypotheticis. Quorum omnium summam nostrae dialecticae

teaelus plenissimè conclüdet etc. Dass hiebei unter Topica Nichts anderes als die

Schrift d. diff. top. zu verstehem sei, zeigt ausser der eigenen Darstellung dieses Zwei

• ges bei Abalard (s. unten Anm. 392 ff.) eine Menge von Stellem, in welchen er

Einzelnes aus d. diff. top. kurzweg als ,, Topica** des Boethius citirt, so z. B. In

tr0d. ad theol. II, 12, p. 1078. (geht auf d. diff. top. I, p. 858 f.), Theol. Christ.

III, p. 1281. (ebenso), Sic et Non, c. 9, p. 41. ed. Lindenkohl (d. diff. top. II, p.

866.), ebend. c. 43, p. 105. (d. d. top. III, p. 873.), ebend. c. 144, p. 397. (d.

d. top. II, p. 867.). .

7) Dialect. b. Cousin p. 258.: Seae autem sophismatum genera Aristotelem in

sophisticis elenchis suis posuisse, Boethius in secunda editione Periermenias comme

morat (Boeth. p. 337.). -

XlV. Das vervollständigte Material. 1()1

wir gerade aus Abälard selbst, und zwar nicht bloss an Einem Punkte,

somdern an mehreren erweisen. Abälard bemerkt einmal bei Bespre

chung der Definitiom des genus *), dass unter Umständen auch das In

dividuum Prädicat sein könne, wie z. B. in dem Satze, „hoc album est

Socrates“ oder „hic veniens est Socrates“, eine Erwägung, welche man

vergeblich in sämmtlichen Commentaren des Boethius sucht, wohl aber

mit wörtlicher Uebereinstimmung jener Beispiel-Sätze in der ersten Ana

lytik findet; und eben von dort aus muss diese Notiz auch zur Kennt

niss mehrerer anderer Logiker gelangt sein °). Ferner berichtet Abä

lard, dass : „Wiele* das Wesen der Definition lediglich in die Angabe der

'Qualitäten verlegen 1"), und wollte man auch sagen, es sei diese An

sicht nur eine extreme Folgerung aus einer längst bekannten Stelle 11),

so führt uns ein Zeitgenosse Abälard's durch die Formulirung jener

Ansicht auf die wahre Quelle derselben, welche uns mur in der aristo

telischen Topik begegnet '*). Sodann auch bedient sich bei der Con

troverse über die Universalien Abälard einer Ausdrucksweise (nemlich

universalia „appellant in se*), welche nur dann erklärlich ist, wenn

wir amnehmen, dass der Grundgedanke jener Stellem der zweitem Ana

lytik, in welchen Aristoteles über xατά παντός und καθόλον handelt

(Abschn. IV, Amm. 132 ff.), irgendwie in den Schulem ruchbar geworden

sei 1°); und ebendahin dürfte gehören, dass man mit der grammatischen

8) Glossae in Porph. ebend. p. 360.: 'idetur esse falsum, quod individua de

uno solo praedicentur , cum hoc individuum Socrates de pluribus habeat praedicari,

ut ,,h0c album est Socrates“, ,,hic veniens est Socrates**. Die entsprechende Stelle

des Aristoteles ist Anal. pr. I, 27 (in der Uebersetzung des Boethius p. 490.).

9) Dass die Sache zu einer üblichen Schulcontroverse Weramlassung gegeben

habe, ersehen wir aus Joh. Saresb. Metalog. II, 20 (p. 110. ed. Giles ): Hoc enim

eae opinione q u o r u n d am sensisse visus est Aristoteles in Analyticis dicens (folgt

jene Stelle selbst). -

10) Dialect. p. 492.: Unde multi, cum significationém substantiae huius nomi

nis quod est ,,homo** agnoscant nec qualitates ipsius satis eae ipso percipiant, tan

tum propter qualitatum demonslrationem diffinitionem requirunt.

11) Arist. Cat. 5. (s. Abschn.* IV, Anm. 476.); bei Boeth. p. 138.

12) Der Werfasser der Schrift De generibus et speciebus, welche Cousin mit

Unrecht dem Abälard zuschreibt (s. umten Anm. 49. u. 148.), sagt p. 541 f.:

Concedunt omnes, species eæ differentiis : constare .... dicunt, omnes differentias esse

in qualitate etc. Diess Letztere konnte in solch pointirter Form nur aus Arist.

Top. VI, 5, 144 a. 18 ff. (d. h. aus der dortigen Erörterung über die Definition,

womit damn andere Stellem ebend. IV, 2, 122 b. 16. n. 6, 128 a. 26. übereinstim

men, s. Abschn. IV, Anm. 475.) entnommen sein und muss auf solche Weise zu

jenen versprengten Notizen gehört haben, welche nun zur Wermehrung der Schul

Controversen beitrugen; der Werfasser D. gen. et spec. lenkt dann mit Gewalt die

angeführte Auffassung auf eine andere Stelle des Boeth. ad Porph. p. 62. zurück,

besass also gewiss nur die allgemein verbreiteten Quellen-Texte. Hingegen Joh.

Saresb. a. a. 0. p. 100. bringt bereits anch Soph. El. 22, 178 b. 36. mit dieser

Frage in Werbindung.

13) Won Abàlard's Glossulae super Porphyrium gibt Ch. de Rémusat (Abelard,

II, p. 93 ff.) einen Auszug, welcher zwar leider fast gänzlich nur in einer franzö

sischen Paraphrase besteht (s. untem Anm. 238.), aber folgemde Stelle enthält (p.

110.): Aristote pensait que les genres et les espèces subsistent par appellation dans

les choses sensibles ou servent à les nommer en essence, ,,appellant in se**. Wenm

wir nun auch nicht wissen können, wie Wieles hiebei rhetorische Zugabe Rémusat's

sei, so ist doch der authentische Ausdruck ,, appellant in se** derartig, dass er

102 XIV. Das vervollständigte Material.

Form „τό Σωκράτει εῖναι“ ganz vertraut gewesen zu sein scheint, s.

untem Anm. 133. Selbst aber wenn man diese einzelnen Punkte für

ungenügend zu dem von uns beabsichtigten Nachweise halten wollte,

da ja möglicher Weise Einzelne durch Werliefung des logischen Denkens

und ein merkwürdiges „Ingenia conspirant“ ihrerseits selbstständig zu

Auffassungen hätten gelangen können, welche mit aristotelischen fast

wörtlich übereinstimmen (— was zwar an haarsträubemde Unwahrschein

lichkeit gränzen würde —), so muss hingegen jeder Zweifel vollends

verstummen, wenn wir sehem, dass Abälard die in der ersten Analytik

vorkommende Definition des Syllogismus ausführlich in wörtlicher Ueber

setzung, und zwar nicht einmal in jener des Boethius, anführl 1*), und

sodann in gleicher Weise den Wortlaut der darauffolgenden Stelle des

Aristoteles in Einklang mit Boeth. d. syll. categ. bringt '°), sowie ihm

auch bekannt ist, dass der Sprachgebrauch bezüglich des sog. Dietum

de omni, welcher bei Boeth. a. a. 0. sich findet, ein ächt aristotelischer

ist 1°); ja endlich, — was der schlagendste Beweis von allen ist —,

schlechterdings nirgend andersher entstanden sein kann, als aus einer Kenntniss

der Stellen Anal. post. I, 4 ff. (bes. 73 b. 26 ff.), wo das èv xat & 7τολλῶν dem

§v παρὰ τὰ πολλα gegenübergestellt wird, kurz wo das xtz9* orátó und xvt&

7ταντός zum aristotelischen x«9δλον sich vereinigt. Die Auffassung des ,,in se**

konnte aus keinem jener Bücher geschöpft werden, welche wordem bis dahin dem

Mittelalter bekannt gewesen warem.

14) Dialect. b. Cousin, p. 305.: Syllogismum itaque in primo Analyticorum

suorum Aristoteles tali diffinitione terminavit: ,,Syllogismus, inquit, oratio est in

qua p0sitis aliquibus aliud quid a positis eae necessitate consequitur eae ipso esse;

dico autem ipso esse per ipsa contingere, per ipsa vero contingere nullius eaetrin

secus egere termini ut fiat necessarium“ (s. Abschn. IV, Anm. 537.). Dass diess

nicht aus Gellius entnommen ist, zeigt sowohl der Grad der Ausführlichkeit als

auch. die oben (Abschn. VIII, Anm. 58.) angeführte Stelle; ebensowenig ist Apulejus

(Abschn. X, Anm. 16.) die Quelle, denn dieser übersetzt: oratio in qua concessis

aliquibus aliud quiddam praeter illa quae concessa sunt, necessario evenit, sed per

illa ipsa concessa. Die Uebersetzung hingegen bei Boethius (p. 468 f.) lautet: Syl

logismus est oratio, in qua quibusdam positis aliud quiddam ab his quae posita sunt

ea, necessitate accidit eo quod haec sunt; dico autem eo quod haec sunt propter

haec accidere, propter haec vero accidere est nullius eaetrinsecus termini indigere ut

fiat necessarium. Es ist sogar die bei Abàlard vorgeführte Uebersetzumg besser als

jene des Boethius.

15) Ebend. p. 307.: Horum autem Aristoteles alios perfectos, hoc est evidentes

per se, esse divit, alios imperfectos, id est non pér se perspicuos. ,,Perfectum

autem, inquit, dico syllogismum, qui nullius alterius indigeat praeter assumpta,

ut appareat esse verus“, ut illi quatuor quos in prima figura ipse disponit ; ,,im

perfectum vero, quod (zu lesen qui) indiget aut unius aut plurium“, ut sunt omnes

illi quos ipse in secunda et tertia figura posuit. Die Uebersetzung jener Worte bei

Boethius (p. 469.) lautet: Perfectum verò voco syllogismum, qui nullius alius in

diget praeter ea quae sumpta sunt, ut appareat necessarium; imperfectum vero, qui

indiget aut unius aut plurium etc. Die Stelle des Boeth. d. syll. cat. II, p. 593.

ist oben, Abschn. XII, Anm. 135., angeführt.

16) Ebend. p. 313.: Illud tamen notandum, quod aliis verbis in regulis syl

logismorum usi sumus quam Aristoteles; pro eo namque quod diavimus ,, aliud de

alio verbum (zu lesen universo) praedicari“, ipse ponit ,,omni alii inesse**; pro

eo quod diaeimus ,,universaliter removeri“, ipse dicit ,,nulli inesse**; pro eo vero

quod diacimus ,,particulariter praedicari** vel^ ,,removeri“, ipse usus est ,,alicui

inesse“ vel ,,non inesse'*. Die Stelle der Analytik (in des Boeth. Uebersetzung

p. 468.) s. Abschn. IV, Anm. 538., jene des Boeth. d. syll. cat. s. Abschn. XII,

Anm. 132. -

XIV. Das vervollständigte Material. 103

es kennt Abälard jene aristotelischen Syllogismem, deren Prämissen sog.

modale Urtheile, d. h. Möglichkeits- oder Nothwendigkeits-Urtheile oder

Combinationen derselben mit Urtheilen des Stattfindens sind (s. Abschn.

IV, Amm. 559—578); aber ebem die Art und Weise ist zu beachten,

in welcher er einige Probem solcher Schlüsse anführt 17), denn einer

seits leuchtet ein , dass er sie doch nur unvollständig und gewiss vom

blossen Hörensagen kennt, und andrerseits ersieht man, dass dieselben

irgend im Schulem bereits geläufig gewesen sein müssen, indem sie nicht

wie bei Aristoteles mit blosser Buchstaben-Bezeichnung, sondern in dem

aus Boethius (d. syll. cat.) üblichen Beispielsworten angeführt werden.

Ist aber somit unumslösslich nachgewiesen, dass, während man keinen

lateinischen Text jener betreffenden Bücher les Aristoteles besass, man

doch einzelne Hauptpunkte der ersten Analytik kannte, so erhaltem nicht

bloss jene anderem vorhin erwähntem Einzelnheiten eime bestärkende

Beleuchtung, sondern wir könnem auch mur auf diese Weise noch eine

weitere Stelle des Abälard richtig und vollständig verstehem, in welcher

derselbe sagt, er wolle über die mangelhafi behandeltem vier letzten

Kategorien keine ergänzenden Erörterungen hinzufügen, um nicht etwa

in Conflict mit aristotelischen Schriftem zu kommen, welche in lateini

scher Sprache nicht vorhanden seien '*); d. h. der Grund seiner Wor

17) Ebend. p. 319 f.: Contingit autem aliquando modales (s. Abschn. XII,

Anm. 119.) enuntiationes simplicibus aggregari in modis suprapositarum figurarum,

sicut in Analyticis suis Aristoteles ostendit; in prima quidem hoc m0d0 ,,0mne iustum

possibile est esse bonum, omnis virtus iusta est, omnem igitur virtutem possibile

est bonam esse“; similiter et necessarium et verum per modos singulos (Abschm.

IV, Anm. 565 ff.); sic quoque et in secunda figura contingit; si quis enim istas

concedat ,,nullum malum possibile est esse bonum, omne iustum possibile est bonum

esse“, huic quoque non contradicet ,,nullum iustum est malum**; idem in ceteris

modis accidit (ebend. Anm. 571.); tertiae quoque figurae sic adiunguntur: ,, omne

bonum possibile est iustum esse, omne bonum virtus est, quandam igitur virtutem

possibile est iustam esse**; sic et in ceteris (ebend. Anm. 572.). Videntur quo

que syllogismi eae solis modalibus veraciter componi; si quis enim dicat ,,omne quod

possibile est mori possibile est vivere, omnem autem hominem possibile est mori,

omnem igitur hominem p0ssibile est vivere**, recte primum primae figurae modum

perfecisse videtur (ebend. Anm. 559.). Eine so bestimmt formulirte Angabe einer

solchem Gombinationsweise durch die drei Figurem hindurch konnte unmöglich aus

jener leisen umd umbestimmten Andeutung entstehen, welche . einmal Boethius (d.

syll. hypoth. I, p. 613.: Quae cum ita sint, si haec eadem ratio ad c0nlingentes

et necessarias referalur, idem in necessariis et contingentibus invenitur) über das

blosse Worhandensein solcher Syllogismen gibt, sondern das Ganze beruht auf einer

wenigstens fragmentarischen Kenntniss der ersten Analytik, welche ja auch Abàlard

selbst als Quelle bezeichnet. Dass aber dergleichem in den Schulen vielleicht mur

zur Erklärung des Buches d. interpr. beigezogen wurde, liesse sich etwa daraus

schliessen, dass Abälard unmittelbar fortfährt: Tales namque etiam syllogismos,

qui videlicet eae solis modalibus componuntur, Aristoteles disposuisse invenitur; ut

enim ostenderet, quod id quod futurum est necesse est fieri, tale praemisit argu

nentum in primo Periermenias: ,,quod futurum est, non potest non fieri, quod

autem non potest non fieri , impossibile est non fieri etc.“ (d. h. Boeth. ad d. in

terpr. p. 365.).

18) Ebend. p. 399.: De contrarietate autem in vi praedicamentorum nihil

omnino in texlu Praedicamentorum, quem habemus , determinavit (sc. Aristoteles),

horum scilicet: Quando, Ubi, Situs, Habere. Nec nos quidem quod auctoritas in

determinatum reliquit, determinare praesumemus, ne forte aliis eius operibus, quae

latina non novit eloquentia, contrarii reperiamur. (Vgl. Anm. 344.; dass aber die

104 XIV. Das vervollständigte Material.

sicht liegt darin, weil er nicht wissen zu können glaubte, wie Wieles

etwa aus anderweitigem nichi recipirten Büchern des Aristoteles in spo

radischer Weise ruchbar geworden sei, und er sonacb die Möglichkeit

einer ihm unliebem Berichtigung durch Andere scheute.

Mam hatte also zur Zeit Abälards schon Einzelmes aus den bis dahin

unbenützten logischen Quellen kennen gelernt, und zwar, wie wir sahem,

durchaus nicht ausschliesslich durch die alte boethiaiiische Uebersetzung,

sondern auch durch neue Uebertragungen. Die Belege aber für die

Richtigkeit dieser Thatsache begegnen uns von Schritt zu Schritt reicher

und intensiver. Sowie wir nemlich gewiss nicht irrem, wenn wir auch

das Aufkommen von Fragen und Controversen, welche die Genesis des

Wissens betreffen (s. untem Anm. 79 f.), auf eine Kenntniss einiger

Kernstellen der zweiten Analytik reduciren 1°), so führt uns eine noch

bestimmtere Notiz selbst auf einen einzelmen Mann und zu einem chro

nologischen Anhaltspunkte, indem Adam von Petit-Pont (Näheres : über

ihn untem Anm. 440 ff.) es war, welcher offenbar mit ebem jenen

aristotelischem Hauptwerken sich beschäftigte und besonders die erste

Analytik in einer i. J. 1132 verfassten Schrift verarbeitete („eaepressit“),

wobei er sich einerseits ein Werdienst durch Erweiterung der logischen

Quellen erwarb, andrerseits aber durch die Schwierigkeit seiner philo

sophischen Sprache manchen Tadel zuzog *°). Hiedurch aber gewinnen

hier noch vermiedene Ergänzung alsbald von Gilbertus Porretanus wirklich beige

bracht wurde, werden wir untem sehen, Anm. 488 ff.).

19) Die Schrift De intellectibus, welche nicht, wie man unrichtig glaubte (s.

untem Anm. 416.), von Abälard selbst,. sondern won einem Schüler und Anhänger

desselben herrührt, bespricht die Begriffe sensus, imaginatio, eæistimatio, scientia

in einer Weise (Näheres untem ebend.), dass keinenfalls die etlichen Bemerkungen

des Boethius d. interpr. p. 298 f. die alleinige Weramlassung gewesen sein können,

sondern das Ganze nur auf Anal. post. I, 31. u. 33. u. II, 19. (Abschn. IV, Anm.

51—84.) beruhen kann. Uebrigens muss auch hiebei eine andere Uebersetzung

als jene des Boethius benützt wordem sein, denn Letzterer (p. 543. u. 547.) über

setzt δάζα und Joëáôéuv nicht mit evistimare und eæistimatio, 'sondern mit opi

nari und opinatio (s. untem Anm. 628.). -

20) Joh. Saresb. Metal. II, 10, p. 80. (ed. Giles) sagt zunächst über diesen

Adam: Unde ad magistrum Adam, acutissimi virum ingenii et, quidquid alii sen

tiant, multarum litterarum, qui Aristoteli prae ceteris incumbebat, familiaritatem

contra vi ulteriorem, womit wir, um die Worte ,,multarum litterarum** und ,,Ari

stoteli incumbere** richtig zu werstehem, jene Stellen in Verbindung bringen müssen,

in welchen Johannes die neu erwachende Benützung der aristotelischen Hauptwerke

dem einseitigen und ausschliesslichen Studium der Schriftem des Boethius gegen

überstellt (s. unten Anm. 26. u. 56 ff.). Sodann aber, wo Johannes (ebend. IV,

3, p. 159.) die erste Analytik selbst bespricht und die sterile Sprache derselben

tadelt (s. untem Anm. 569.), fährt er fort: Unde qui Aristotelem sequuntur in tur

batione nominum et verborum et intricata subtilitate, ut suum vindicent, aliorum

obtundant ingenia, partem pessimam mihi praeelegisse videntur, quo quidem vitio

Anglicus noster Adam mihi prae ceteris visus est laborasse in libro, quem ,,Artem

disserendi“ inscripsit. Et utinam bene diacisset, bona quae diacit; et licet fami

liares eius et fautores hoc subtilitati adscribunt, plurimi tamen hoc eæ desipientia

et invidentia vani , ut aiunt, hominis contigisse interpretati sunt, Adeo enim eae

pressit Aristotelem intricatione verborum, ut sobrius auditor recte subiungat ,,nonne

hoc spumosum ...... “ Habenda est tamen auctoribus gratia, quia de fonte eorum

haurientes labore ditamur alieno. Die Jahreszahl aber der Entstehung dieser Ars

disserendi führt Cousin (Fragm. d. philos. du moyen-äge. Par. 1855. p. 335.) aus

XIV. Das vervollständigte Material. 105

wir auch das Resultat, dass Abälard sein umfassendes Werk über Logik

noch vor d. J. 1132 (— woferne diese Jahreszahl richtig überliefert

ist —) ausgearbeitet haben muss, denn ausserdem hätte er Adam's

Schrift sicher erwähnt und benützt.

Somit , ist es uns nieht auffallemd, wenn Gilbertus Porretanus (s.

über ihn untem Anm. 455 ff.): auf die Analytik wie auf ein bereits cur

sirendes Buch verweist 21), und die Notiz, dass 0tto von Freising, der

theologische Anhänger Gilbert's, die Analytiken und die Topik nebst den

Elenchi ziemlich als der erste nach Deutschland oder specieller mach

Baiern gebracht habe **), ist uns gerade dureh die ausschliessliche Her

vorhebung jener drei Werke ein schlagender Beleg für die damalige

Vervollständigung der Quellen-Kenntniss, daher wir auch unbedingt an

nehmen, dass 0tto jene Schriften nicht etwa aus Italien oder aus dem

0riente, wohin er in seinen späteren Jahren reiste, sondern aus Paris

von seiner dortigen Studienzeit her mitbrachte, denn auf französischem

Boden wurdem jene Kämpfe der Logik geführt, zu welehem die erwei

terte Kenntniss des Aristoteles beitrug. 0b aber die boethianische oder

eine andere neue Jebersetzung es gewesen sei, welche so eine Ver

breitung fand, lässt sich nicht entscheidem ; in Frankreich mochte viel

leicht eher Boethius ans Licht gezogen worden sein, denn ein dortiger

Anonymus aus dem 12. Jahrh. kennt denselben wenigstens als Ueber

setzer der beiden Analytiken *°); hingegen in Italien müssen Handschrif

ten jener »oethianischen Uebersetzungen entweder gänzlich gefehlt haben

oder äusserst seltem gewesen sein, da noch im 15. Jahrh. der littera

risch höchst gebildete Leonardus von Arezzo behauptet, Boethius habe

eimer Handschrift von St. Victor an: Le ,,De arte dialectica** fut composé en l'année

1132, c'est ce que nous apprend le titre ,,Anno Mcxxxii ab incarnatione Domini

editus liber Adam de arte dialectica.**

21) Gilb. Porr. d. seae princ. c. 7 (Arist. 0pp. latine, Venet. 1552, Vol. I,

fol. 34.): Et quidem de principiis haec dicta sufficiant, reliqua vero in eo quod

de Analyticis est quaerantur volumine.

22) Radevich, d. gest. Frider. II, 11. (ed. Urstis. p. 513.): Litterali scientia

non mediocriter aut vulgariter instructus (sc. 0tto) inter episcopos Alemaniae vel

primus vel inter primos habebatur, intantum ut praeter sacrae paginae cognitionem,

cuius secretis et sententiarum abditis praepollebat, philosophicorum et Aristotelicorum

librorum subtilitatem in Topicis, Analyticis atque Elenchis fere primus nostris finibus

apportaverit. Wahrscheinlich liegt hierin äuch die Quelle jener Handschriften,

welche in der Basler Ausgahe des Boethius benützt wurdem (nemlich eine Amer

bachische, eine aus St. Georgen im Schwarzwalde, und eine aus dem Besitze des

Glareamus, also sämmtlich aus der gleichen Gegend), denn aus Italien waren für

jene drei Werke schwerlich Handschriften zu bekommen, s. Anm. 24.

23) Aus einer in Alengon befindlichen Handschrift des 12. Jahrh. veröffent

lichte Ravaisson, Rapports sur les Bibliothèques etc. Par. 1841, p. 404 ff. eine kkeine

metrische (übrigens unbedeutende) Schrift über die sieben Künste, woselbst be

züglich der Logik gesagt wird: Dialectica :.... diffinit et discernit, dividit et asse

rit, Ratiocinari potens, pincens invincibilis, Quam lampas clarificavit Manliani luminis,

Transtulit hanc resolvendo binis Analecticis (vgl. vor. Abschn., Anm. 288. u. unten

Anm. 569.), Introducens Isagogas binis commentariis, Et idem Kategorias cum Pe

riermeniis, Topica cum Sillogismis atque Differentiis, Diffinitiomum librum cum Divi

sionibus Evplicavit addens unum Propositionibus. Wenn wir unter den Propositiones

die Introd. ad syll. cat. \und unter Topica die aristotelische Topik versteheo, hätten

wir hier den ganzen Boethius vollständig.

106 XIV, Das vervollständigte Material.

I)loss den Porphyrius, die Kategorien und d. interpr. übersetzt 34) ;

wenn daher der durch anderweitige Uebersetzungen bekannte Burgundio

von Pisa, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh., dem Ruhm des Aristo

teles aus der zweiten Analytik rechtfertigt und begründet *°), so dürfte

derselbe wahrscheinlich entweder nur eine meu angefertigte Uebersetzung

oder sofort das griechische 0riginal vor Augen gehabt haben.

Noch deutlicher aber und zugleich reichhaltiger sprechen die Mit

theilungen bei Johannes von Salesbury, dessen schriftstellerische Thätig

keit nur drei Jahrzehnte von jener Abälard's entfernt ist (obige Anm.

20 im Zusammenhalte mil unten Anm. 535) und bereits das ganze 0r

ganon umfasst (s. Anm. 562 ff.). Zunächst erfahren wir durch ihm,

dass Mehrere es vorzogen, auf eben jene neu' erschlossenem Haupt

werke des Aristoteles nicht näher einzugehen, sondern mit Worliebe

sich immer nur noch auf die „alte“ boethianische Tradition zu beschrän

ken *°); dass dieses Diejenigen waren, welche trotz aller Berührung

mit dem bereichergen Zeitanschauungem dennoch über den Streit betreffs

der Universalien nicht hinauskamen, werden wir unten (Amm. 56 ff.)

sehen. Auch klagt Johannes ausdrücklich darüber, dass die zweite

Analytik so äusserst seltem in Gebrauch sei, was sich wohl durch den

schwierigen Stil des Verfassers entschuldigen lasse, wobei jedoch Wieles

auf Rechnung der Abschreiber oder, wie „die Meisten* glauben, die

Hauptschuld füglich auf den Uebersetzer falle *"). Sowie aber aus dieser

24) Leon. Bruni Arretini Epist. ed. L. Mehus, Flor. 1741. L. IV, Ep. 22. (wo

selbst es sich um die Controverse über eine Uebersetzung der arist. Ethik handelt):

Nullam enim Boetii interpretationem habemus praeterquam Porphyrii et Praedicamen

torum et Perihermenias librorum, quos si accurate leges, etc. (Leonardus v. Arezzo

war geboren 1369, starb 1444). -

25) Joh. Saresb. Metal. IV, 7. (p. 163. ed. Giles): Fuit autem (sc. liber poste

riorum Analyticorum) apud Peripateticos tantae auctoritatis scientia demonstrandi,

ut Aristoteles, qui alios fere omnes et fere in omnibus philosophos superabat, hinc

commune nomen sibi quodam proprietatis iure vindicaret, quod demonstrativam tra

diderat disciplinam (vgl. Anm. 27.); ideo enim, ut aiunt, in ipso nomen philosophi

sedit; si mihi non creditur, audiatur vel Burgundio Pisanus , a quo istud accepi.

Es ist diess sicher der berühmte, i. J. 1194 verstorbene, Jurist dieses Namens (s.

über ihn Savigny, Gesch. d. R. R. i. Mittelalter, IV, p. 335 ff.), welcher wieder

holt in Konstantinopel gewesen war und nicht bloss mehrere in den Pandekten

vorkommende griechische Stellen, sonderm auch vieles Theologische (von Chryso

stomus, Basilius, Joh. Damascenus) und dem Nemesius d. nat. hom. übersetzte;

möglich wäre ja, dass er selbst eine Uebersetzung der Analytik versuchte; mit Be

stimmtheit kann diess allerdings aus den Worten des Job. Salesb. nicht gefolgert

werdem.

26) Ebend. c. 17, p. 183.: . Ceterum contra eos, qui veterum favore potiores

Aristotelis libros eaecludunt Boethio fere solo contenti, possent plurima allegari.

27) Ebend. c. 6, p. 162 f.: Posteriorum vero Analyticorum subtilis quidem

scientia est et paucis ingeniis pervia ..... Deinde haec utentium raritate iam fere

in desuetudinem abiit, e0 quod demonstrationis usus via, apud solos mathematicos

est ..... Ad haec liber, quo demonstrativa traditur disciplina (vgl. Anm. 25.), ceteris

„longe turbatior est transpositione sermonum, traiectione litterarum, desuetudine exem

plorum, quae a diversis disciplinis mutuata sunt. Et postremo quod non attingit

auctorem, adeo scriptorum depravatus est vitio, ut fere quot capita tot obstacula

habeat; et bene quidem , ubi non sunt obstacula capitibus plura. Unde a plerisque

in interpretem difficultatis culpa refunditur asserentibus , librum ad nos non recte

translatum pervenisse. Welcher Uebersetzer ist hier gemeint, Boethius oder ein

Anderer? -

XIV. Das vervollständigte Material. 107

Klage natürlich erhellt, dass man jene Bücher kannte, so wird hinwie.

derum berichtet, dass die lange vernachlässigte Topik des Aristoteles

ebem damals gleichsam vom Tode erweckt worden sei 28), und an die

Angabe, dass diese Beiziehung der Topik auch wieder ihre Gegner ge

fundem habe, knüpft sich die Notiz über einen uns weiter nicht he

kannten Drogo in Troyes, welcher offenbar die Topik nach dem Muster

der aristotelischen bearbeitete *°). Was aber nun insbesondere die Ent

stehung neuer Uebersetzungen betrifft, so folgt allerdings aus einem

Briefe des Johannes sehr wenig, in welchem derselbe sich aus Constanz

Abschriften aristotelischer Bücher überhaupt und ausserdem wegen mög

licher Unzuverlässigkeit des Uehersetzers auch die Hinzufügung von Notem

erbittet *°). Hingegen von grosser Wichtigkeit ist, dass er eine Stelle

sowohl in der boethianischen Uebersetzung als auch zugleich in der

„neuen“ anführt **), und sowie diese letztere sich durch grössere Wört.

liehkeit unterscheidet, so hatte sich Johannes überhaupt eine ganz be

stimmte Ansicht bezüglich der Uebersetzungen gebildet (nemlich nur

wenn . dieselben sich so enge als möglich nach einem festen Gesetze an

das Original anschliessen, sei ein Werständniss möglich, welches vor

jeder Einseitigkeit durch eine „ratio indifferentiae“ bewahrt bleibe), und

er sagt, es habe dieselbe damals durch einen der beiden Sprachen

kumdigen Griechen aus Severinum, d. h. aus Szöreny in Ungarn, ihre

Bestätigung und Empfehlung gefunden *°). Jene ratio indifferentiae selbst

nun berührt uns hier noch nicht, sondern dieselbe wird sich uns in

28) Ebend. III, 5, p. 135.: Quum itaque tam evidens sit utilitas Topicorum,

miror.quare cum aliis a maioribus tamdiu intermissus sit Aristotelis liber, ut omnino

aut fere in desuetudinem abierit, quando aetate nostra diligentis ingenii pulsante

studio quasi a morte vel a somno excitatus est, ut revocaret errantes et viam veri

tatis quaerentibus aperiret.

29) Ebend. IV, 24, p. 181.: Satis ergo mirari non possum, quid mentis habe

ant, si quid tamen habeant, qui haec Aristotelis opera carpunt. ...... Magister

Theodoricus, ut memini, Topica non Aristotelis, sed Trecassini Drogonis irridebat,

eadem tamen quandoque docuit; quidam auditores magistri Roberti de Meliduno (s.

unten Anm. 453 f.): librum hunc fere inutilem esse calumniantur.

30) Epist. 221. (II, p. 54 f. ed. Giles): libros Aristotelis, quos habetis, mihi

faciatis eæscribi ..... prec0r etiam iterata supplicatione, quatenus in operibus Ari

stotelis, ubi difficiliora fuerint, notulas faciatis, eo quòd interpretem aliquatenus

suspectum habeo, quia licet eloquens fuerit alias , ut saepe audivi, minus tamen

fuit in grammatica institutus.

31) Metal. II, 20, p. 108.: ,,Gaudeant“, inquit Aristoteles, ,,species, monstra

enim sunt“ (so bei Boeth. p. 537.), vel secundum novam translationem ,,cicadationes

enim sunt, aut si sunt , nihìl ad rationem.** So erscheint der Unterschied der

Uebersetzungen an dem Worte τεQsTtducrtc in der bekannten antiplatonischen

Stelle des Aristoteles (Anal. post. I, 22, s. Abschn. III, Anm. 66.), in deren An

führung wir wieder eine Bestätigung dafür erkennen, dass gerade derartige poin

tirte Wendungen leichter in Umlauf kamen.

32) Ebend. III, 5, p. 135.: Satis enim inter cetera, quae translationis arctis

sima lege a Graecis tracta sunt, planus est (sc. Aristotelis liber Topicorum, s. oben

Anm. 28.), ita tamen ut facile sit auctoris sui stilum agnoscere, et ab iis dumtaaeat

fideliter intelligatur, qui sequuntur indifferentiae rationem, sine qua nemo unquam

nec apud nos nec apud Graecos, sicut graecus interpres nalione Severitanus dicere

consueverat, Aristotelem intelleacit. Da wegen der Bezeichnung ,,graecus“ nicht an

St. Sever in Frankreich gedacht werden kann, so scheint nur jenes. Severinum in

Ungarn übrig zu bleiben. -

108 XIV. Theologie. Pseudo-Boethius De trinitate.

die Darstellung der Logik des Johannes von Salesbury verflechten (Anm.

574 ff.); wohl aber gehört hieher, dass derselbe im Zusammenhange

hiemit auch noch einem zweiten Uebersetzer (zwar gleichfalls ohne

Nennung des Namens) erwähnt, welchen er.in Apulien kennen gelernt

habe *°). Wenn aber, wie diese wichtigen Stellen bezeugen, im byzan

tinischen Reiche und durch Griechen in Unteritalien die Entstehung

neuer Uebersetzungen gefördert wurde, und Solches. zur Kunde der

Logiker in Paris oder in England kam, so läge hier eine erste, wenn

auch vorübergehende Spur eines Einflusses aus der Zeit der Anna

Commena vor (s. folg. Abschn.). — Endlich mag noch, gleichsam zum

Ueberflusse, erwähnt werden, dass bei Johannes neben Citaten, welche

völlig wörtlich mit der Uebersetzung des Boethius übereinstimmen, sich

auch solche finden, welche wenigstens ahs ungenau bezeichnet werden

ii$, woferne sie nicht von vormeherein anderswoher geschöpft

sind 34). -

Ist hiemit hinreichend bewiesen, dass die Kenntniss der logischen

Quellen schon vor der schriftstellerischen Thätigkeit Abälard's wenigslens

in Einzelnheiten bereichert wurde und dann allmälig bis zur Zeit des

Johannes von Salesbury sich vervollständigte (für letzteres werden

sich uns moch manche einzelne Belege ergeben, s. Anm. 78, 219 f.),

so kennen wir num das entscheidemde Moment, aus welchem damals ein

nach Intension und Extension gesteigerter Betrieb der Logik hervorgehen

musste. Eine mitwirkende Macht jedoch lag für jene Zeit hiebei. durch

ein erklärliches Wechselverhältniss in der dogmatischen Theologie, denn

sowie schon dem Scotus Erigena und dem Roscellinus gegenüber die

0rthodoxie auch in logischen Fragen auf ihrer Hut gewesen war, so

zog man im gleichen lnteresse jetzt, als die Dialektik lebhafter und

selbstständiger eigene innere Kämpfe zu durchlebem begann, auch Man

ches aus der theologischen Rüstkammer hervor, damit im Streite der

logischen Parteien das , Dogma umbefleckt bewahrt bleibe, wobei, da

die streitenden Dialektiker sämmtlich Kleriker waren, es nicht fehlen

konnte, dass nicht auch dogmatischer Inhalt in die Logik hinüberspielte.

Vor Allem war es die Trinitätslehre, welche ja schon früher bei dem

Auftreten des Roscellinus sich geltend gemacht hatte, num aber in ver

stärktem Maasse auch positiv einzugreifen beganm, und die Geschichte

der Logik ist hier in dem Falle, ein theologisches Produkt berühren

zu müssen, welches , durch eine gewisse Formulirung logisch-ontologi

scher Grundsätze in jener Zeit in den Controversen der Dialektiker mit

wirken konnte. Es ist diess P s e u d o - B o e t h i u s de trinitate , wobei

natürlich nicht ohne Einfluss war, dass man gerade den Boethius, dem

Repräsentantem aller Logik, für den Verfasser hielt *°). In eben jener

33) Ebend. I, 15, p. 40.: non pigebit referre nec forte audire displicebit, quod

a graeco interprete et qui latinam linguam commode noverat, dum in Apulia morarer,

accepi etc.

'35 Zu ersteren gehörem Metal. II, 15, p. 86. (Top. I, 11, bei Boeth. p. 667.)

und II, 20, p. 110. (Anal. pr. I, 27, b. Boeth. p. 490.), zu letzteren II, 9, p. 76.

(Top. I, 11, Boeth. p. 667.), II, 20, p. 100. (Soph. El. 22, Boeth. p. 750.), III, 3,

p. 126. (Top. 1, 9, Boeth. p. 666.).

35} Ich sage ,,Pseudo-Boethius**; da ich jedoch dem Theologen die Fürsorge

XIV. Pseudo-Boethius De trinitate. 109

Zeit nemlich, d. h. seit Abälard 80), häufen sich die Anführungem aus

jenem vier Büchern über die Trinität, und Gilbertus Porretanus , beglei

tete dieselben mit einem umfangreichen Commentare, so dass es kaum

mehr möglich war, in den betreffenden Fragen sie zu umgehen. Ilaupl

sächlich aber gehören bezüglich eines Einflusses auf die Logik jene

Axiome hieher, welche der Verfasser am Anfange des 3. Buches an die

Spitze slellt, um aus ihnen im weiteren Werlaufe seine Beweise aufzu

bauem. Dieselben 87) beziehen sich nach Worausschickung einer Definition

der communis conceptio auf den in der Theologie üblichem Unterschied

zwischen Essenz (oùσία) und Existenz (ύπόστασις), da zu letzterer noch

die Form des Seins hinzukommen müsse und bei ihr hiedurch ein Theil

haben eintrete, sowie die Möglichkeit eines Ansichhabens sich ergebe,

was sodamm zur Unterscheidung von Substanz und Accidens führt und

eine Doppeltheit jenes Theilhabens begründet; dabei aber wird auch

auf die Einheit hingewiesem, in welcher bei einfachen Wesen, im Un

tersehiede von den zusammengesetzten, die Wesenheit und die Existenz

verbumdem simd, und zuletzt eine natürliche Wesens-Werwandtschaft in

nerhalb der entfaltetem Verschiedenheit in Aussicht gestellt. Diese Grund

sätze, derem theologisch-dogmatische Werwendung uns hier nicht berührt,

wurdem bald auch von Dialektikern als „regulae“ meben anderen „aucto

ritates“ citirt, und in ontologischen Punkten mochte mancher Logiker

von vormeherein sich hütem, gegen diese Axiome zu verstossen, da

ausserdem bedenkliche Consequenzen bezüglich der Trinität hätten drohen

können. So kam es, dass hierin nicht etwa |)loss die Logik auf Theo

logie reicher angewendet wurde, sondern auch dogmatische Momente

direcl den Betrieb der ontologischen Seite der Logik beeinflusstem.

Ein eigenthümliches Verhältniss liegt in dieser Einmischung aller

dings, und es ist merkwürdig, wie in jener Zeit, welche zu einer

klarem und besonnenem Trennung der Gebiete (etwa im Sinne des Chri

für ihre eigene Litteratur-Geschichte überlassen muss, so kann ich hier mur so

viel bemerken, dass jene vier Bücher de trinitale , wie aus triftigen Gründen er

hellen dürfte, nicht wor dem 9. Jahrh. entstanden sein könnem. Die Abhandlung

von Gust. Bauer, De Boethio christianae doctrinae assertore (Darmst. 1841. 8.), beruht

auf einer zu wenig umfassenden Kenntniss der einschlägigen mittelalterlichen Lit

teratur.

36) Z. B. Introd. ad Theol. I, 25, p. 1039. Amboes.

37) Boelh. 0pp. (ed. Basil. 1570), p. 1181 f.: Postulas, ut eæ Hebdomadibus

(unter diesem Titel wird die Schrift bei Späterem auch citirt, s. z. B. Anm. 514.)

nostris eius quaestionis obscuritatem ..... digeram. ...... Ut igitur in mathematica

fieri solet ceterisque etiam disciplinis, proposui terminos regulasque, quibus cuncta

quae sequunlur efficiam. 1) Communis animi c0nceptio est enuntiati0, quam quis

que probat auditam ...... 2) Diversum est esse , et id quod est, ipsum enim > esse

nondum est, at vero quod est, accepta essendi forma est atque comsistit. 3) Quod

est, participare aliquo potest, sed ipsum esse nullo m0d0 aliqu0 participat ..... 4)

Id quod est, habere aliquid praeterquam qu0d ipsum est potest, ipsum vero esse

nihil aliud praeter se habet admistum. 5) Diversum est esse aliquid et esse aliquid

in eo quod est, illic enim accidens, hic substantia significatur. 6) 0mne quod est,

participat e0 qu0 est esse ut sit, alio vero participat ut aliquid sit ..... 7) 0mne

simpleae esse suum et id quod est, unum habet. 8) 0mni composito aliud est esse,

aliud ipsum est. 9) 0mnis diversitas est discors, similitudo vero quaedam appe

tenda est, et quod appetit aliud, tale ipsum esse naturaliter ostenditur, quale est

illud ipsum, quod, appetit.

/

110 xiv. Theologie.

stian Thomasius oder des Pierre Bayle) natürlich nicht befähigt war,

dennoch die lncommensurabilität der theologischen und der logischen

Wahrheit ausgesprochen wird, während man das Unvereinbare gleich

zeitig betrieb. Ja gerade Abälard selbst, der Peripateticus Palatinus,

gibt hiefür das beredteste Zeugniss, wenn er sagt, dass den Logikern

oder Peripatetikern Gott unbekannt bleibe, da dieselben Alles unter ir

gend eine der zehn Kategorien unterbringen, Gott aber unter keine der

selben fallen könne **), und während diess noch als der allgemeine

von Augustinus her übliche Standpunkt der Theologie gelten könnte

(vgl. Scotus Erigena, vor. Abschn., Anm. 120 f.), spricht Abälard eben

betreffs der Trinitätslehre am deutlichsten aus, dass die Dialektiker oder

Peripatetiker die gefährlichsten Feinde derselben seien °°), da sie auf

dem Standpunkte der Logik aus der Wesens-Einheit der drei Personen

auf individuelle Einheit und umgekehrt aus der Werschiedenheit der

Persomen auf Werschiedenheit ihres Wesens schliessen *°). Und in der

That verträgt sich der aristotelische Begriff der individuellen Substanz

nicht leicht mit dem Dogma der Trinität, so dass strenge genommen

alle Logiker, welche an Aristoteles sich anschlossen, dem Worwurfe der

Ketzerei nicht entgehen konntem.

So ist es erklärlich, wenm Petrus Lombardus, während er den

Zusammenhang des Trinitäts-Streites mit der logischen Parteispaltumg

bezeugt, zugleich jede Anwendung der Logik auf jene Hauptfrage der

Theologie abweist *'), oder wenn sein älterer Zeitgenosse Bernhard

38) Abael. Theol. Christ. III, 3, p. 1271. (b. Martene, Thes. nov. Anecd. Vol. V):

Quod autem illi quoque doctores nostri, qui maæime intendunt logicae, illam summam

maiestatem, quam ignolum deum esse profitentur, omnino ausi non sunt attingere aut

in numero rerum comprehendere, eae illorum scriptis liquidum est; cum enim omnem

rem aut substantiae aut alicui aliorum generalissimorum subiiciant, utique et deum,

si inter res ipsum comprehenderent, aut substantiis aut quantitatibus aut ceterorum

praedicamentorum rebus connumerarent, qui nihil omnino esse eae ipsis convincitur......

(p. 1273.) Qui tamen omnem rem aut substantiae aut alicui aliorum praedicamentorum

applicant, patet profecto a tractatu Peripateticorum illam summam maiestatem omnino

esse eacclusam.

39) Ebend. c. 1, p. 1242.: Supra universos autem inimicos Christi, tam haere

ticos quam iudaeos sive gentiles, subtilius fidem sanctae trinitatis perquirunt et acutius

arguendo contendunt professores dialecticae, seu importunitas sophistarum, quos ver

borum agmine atque sermonum inundatione beatos esse Plato irridendo iudicat ......

Scimus quidem, a Peripateticis, quos nunc dialecticos appellamus, nonnullas et maaei

mas haereses esse repressas etc.

40) Ebend. c. 2, p. 1266.: Quo in loco gravissimae et difficillimae dialectico

rum quaestiones occurrunt; hi quippe eæ unitate essentiae trinitatem personarum im

pugnant ac rursus eæ diversitate personarum identitatem essentiae oppugnare laborant.

Horum itaque obiectiones primum ponamus, postea dissolvamus, worauf nua Abàlard

dreiundzwanzig aus der Logik entnommene Einwände gegen die Trinitât aufzählt,

um sie hernach theologisch zu widerlegem.

41) Petr. Lomb. Sent. I, 19, 9. (f. 27. ed. Basil. 1516): Videtur tamen mihi

ita p0sse accipi, cum ait (sc. Augustinus) ,,substantia est commune et hypostasis est

particulare“; non ita haec accepit, cum de deo dicantur, ut accipiuntur in philoso

phica disciplina, sed per similitudinem eorum, quae a philosophis dicuntur, locutus

est; sicut ibi commune vel universale dicitur qu0d praedicatur de pluribus, particulare

vero vel individuum quod de uno solo, ita hic essentia divina dicta est universale,

quia de omnibus personis simul et de singulis separatim dicitur, particulare vero sin

gula quaelibet personarum, quia nec de aliis communiter nec de aliquo aliarum singu

XIV. Hugo v. St. Victor. 111

vom Clairvaux (geb. 1091, gest. 1153) sich offen als , Feind der Dialek

tik bekennt **). Ja auch der hervorragendste Vertreter jener Richtung,

zu welcher die eben genanntem , gehören, H u g o v on S t. Victor (geb.

1097, gest. 1141), steht eigentlich völlig ausserhalb jener reichhaltigem

Bewegung, welche damals in der Dialektik eintrat, und sowie er auf

die logischem Partei-Controversen nicht mit einem Worte eingeht, so

hat für ihn auch sein eigener platonischer Realismus kein logisches In

teresse, sondern nur ein psychologisch-praktisches. Indem auch er eine

feindselige Gesinnung gegen die Dialektik hegte 4°), scheint er selbst

die allgemein zugängliche Litteratur der Logik verschmäht zu haben und

über einige Stellen des Marcianus Capella, Isidorus und Boethius nicht

weit hinausgekommen zu sein **), so dass er, was den geschichtlichen

Fortschritt der Logik betrifft, sogar noch unter dem Niveau Derjenigen

steht, welche wir gegen Ende des vorigen Abschnittes besprochen

haben; da er jedoch sowohl der Chronologie nach hieher gehört, als

auch ein Hauptrepräsentant der consequenten innerlichen Auffassung der

Theologie ist, so mag zum Gegensatze der bunt verschlungenen logi

schen Kämpfe, welche wir num sogleich darstellen müssen, über Hugo's

Standpunkt in Kürze Folgendes bemerkt werden. Nur die Stellung und

Eintheilung nemlich der Logik ist es, worüber derselbe sich gelegentlich

äussert, wobei das praktisch-ethische Motiv schon darin erscheint, dass

die drei Hauptzweige der Wissenschaft, d. h. theoretische, praktische

Disciplin und Mechanik, zur Abwehr dreier Uebel, und zuletzt die Logik

um der Wollkommemheit des Sprechens willem erfunden sein sollen *°).

lariter praedicatur. Propter similitudinem ergo praedicationis substantiam dei diacit

universale et personas particularia vel individua ...... (c. 10.) Dicuntur enim aliqua

differre numero, quoniam ita differunt, ut hoc non sit illud ..... qualiter differunt

Socrates et Plato et huiusmodi quae apud philosophos dicuntur individua vel particu

laria, iuacta quem modum non possunt digi tres personae differre numero etc. Dass

ubrigens auch Lombardus werketzert wurde, s. unten Anm. 478.

42) Z. B. Serm. 3. in die Pentec. (0pp. ed. Martene, Venet. 1567, fol. III, p.

94.) Numquid quia Platonis argutias, Aristotelis versutias intellevi aut ut intelligerem

laboravi? Absit inquam, sed quia testimonia tua eaequisivi. Oder in Bezug auf das

jungfráuliche Gebären Serm. 3. Vigil. Natio (ebend. p. 21.): Ubi nunc Aristotelicae

subtilitatis facunda quidem sed infoecunda loquacitas?

43) De sap. an. Christi, Prol. (0pp. T ed. Rothomag. 1648, fol. III, p. 59.):

Quid enim hoc esse putatis, quod de rerum veritate tam diversa sentire solent homi

nes? Numquid nomina est veritas ? Ecce quid est quod dialectica tot diversas et tam

adversas, ne dicam perversas, habet sententias? Numquid omnes noverunt unum id

quod est, sed amore fallendi diversa finaverunt? Non sic ego puto. Sed narrant quin

que somnia sua (d. h. die quinque voces) et ea, qua primwm ipsi in se opinione de

cepti sunt, postmodum alios nescientes seducunt. -

44) Es erhellt diess, abgesehen von dem Folgenden, schon aus der rohen

Angabe Didasc. III, 2. (0pp. lll, p. 16 f.): Plato .... primus logicam rationalem apud

graecos instituit, quam postea Aristoteles discipulus eius ampliavit, perfecit et in artem

redegit; Mareus Terentius Varro primus dialecticam de graeco in latinum transtulit,

postea Cicero Topica adiecit. Die Quellenstellen für diese Gelehrsamkeit s. oben

Abschn. XIII, Anm. 27, 29, 39, u. besond. Abschn. VIII, Anm. 20. u. 25.

45) Evcerpt. prior. I, d. orig. et discr. artium, c. 4 (0pp. II, p. 335): Tria

sunt remedia principalia contra tria praedicta mala ......, sapientia contra ignorantiam,

virtus contra vitium, necessitas contra infirmitatem ....... (c. 5.) Propter autem ista

tria remedia inventa est omnis ars et omnis diseiplina, propter inveniendam namque

sapientiam inventa est theorica, propter inveniendam virtutem inventa est praetica,

112 XIV. Hugo v. St. Victor.

Sowie aber letztere Wissenschaft der Entstehung nach die späteste sei,

so trete sie bezüglich* des Unterrichtes an die erste Stelle, da die Tüch

tigkeit im Sprachausdrucke die Vorbedingung zu allem Uebrigen sei *°).

ln solchem Sinne bezeichnet Hugo die Logik als „sermocionalis“, weil

dieselbe „de vocibus“ handle *"), und er theilt sie nun in einer Weise,

welche ums sehr an Scotus Erigena erinnert (vor. Abschn., Anm. 105),

derartig ein, dass nach der weiteren Bedeutung des Wortes λόγος alle

Κundgebung des Sprachvermögens zur Logik gehört, und dieselbe so

in Grammatik und logica rationalis zerfällt, weleh , letztere der engeren

Bedeutung des Wortes λόγος entspricht und sodann im Hinblicke auf

die allwerbreiteten Stellen des Boethius nach der gewöhnlichen Weise

mäher eingetheilt wird **). -

Allerdings nun wäre es gewiss bequemer gewesen, in einer der

artigen Schablone die gesammte Logik von vorneherein al)zuthum, und

propter inveniendam necessitatem inventa est mechanica ..... Novissima autem omnium

inventa est logica causa eloquentiae, ut sapientes, qui praedictas principales discipli

nas investigarent et unirent, rectius veracius honestius illas tractare et disserere de

illis scirent, rectius per grammaticam, veracius per dialecticam, honestius per rhetori

cum; logica namque facundiae rectitudinem veritatem venustatem administrat. Fast

wörtlich ebenso Didasc. VI, 14. (0pp. lII, p. 39.), vgl. ebend. I, 6. (p. 3.) II, 2.

(p. 7.) III, 1. (p. 15.).

46) Didasc. I, 12. (0pp. III, p. 6.): Ceterae prius repertae fuerant, sed necesse

fuit logicam quoque inveniri, quoniam nem0 de rebus convenienter disserere potest, nisi

prius recte loquendi rationem agnoverit. Ebend. VI, 14. (p. 39.): Istae .tres usu

primae fuerunt, sed postea propter eloquentiam inventa est logica, quae cum sit inven

tione ultima, prima tamen esse debet in doctrina. Eccerpt. prior. a. a. 0. c. 23.

(p. 339.): In legendis artibus talis est ordo servandus: prima omnium comparanda

est eloquentia et ideo eæpetenda logica, deinde etc.

47) Didasc. II, 2. (p. 7.): Philosophia dividitur in theoricam, practicam, mecha

nicam, et logicam; hae quatuor omnem continent scientiam ..... Logica sermocionalis,

quia de vocibus tractat...... Hanc divisionem Boethius facit aliis verbis (folgt die

oben, Absehn. XII, Anm. 76., angeführte Stelle).

48) Ebend. I, 12. (p. 6.): Logica dicitur a graeco vocabulo löyoc, quod nomen

geminam habet interpretationem ; dicitur enim λόγος sermo sive ratio (s. Isidor, vor.

Abschn., Anm. 27.), et inde logica sermocionalis sive rationalis scientia dici potest;

logica rationalis, quae discretiva dicitur, continet dialecticam et rhetoricam, logica

sermocionalis genus est ad grammaticam, dialecticam et rhetoricam, et continet sub se

dissertivam; et haec est logica sermocionalis, quam quartam post theoricam, practicam

et mechanicam annumeramus. Eaecerpt. prior. c. 22. (p. 339.): Logica dividitur in

grammaticam et rationem disserendi; ..... ratio disserendi dividitur in probabilem,

necessariam, et sophisticam; probabilis dividitur in dialecticam et rhetoricam, necessa

ria pertinet ad philosophos, sophistica ad sophistas (s. Boethius, Abschn. XII, Anm.

82.); grammatica est scientia recte loquendi, dialectica disputatio acuta verum a falso

distinguens, rhetorica est disciplina ad persuadendum quaeque idonea. Didasc. II, 29.

(p. 14.): Logica dividitur in grammaticam et in rationem disserendi .... grammatica

est litteralis scientia ..... ratio disserendi agit de vocibus secundum intellectus. Ebend.

31. (p. 15.): Ratio disserendi integrales partes habet inventionem et iudicium (s. Boe

thius, Abschn. XII, Anm. 76.), divisivas vero demonstrationem, probabilem, sophisti

cam; dem0nstratio est in necessariis argumentis et pertinet ad philosophum, probabilis

pertinet ad dialecticos et rhetoricos, sophistica ad sophistas et cavillatores; probabilis

dividitur in dialecticam et rhetoricam, quarum utraque integrales partes habet inven

tionem et indicium. Ebenso ebend. III, 1. (p. 15.). Die nemlichen Angaben kehren

in einer ,,Epitome in philosophiam“ Hugo's wieder, welche kürzlich Hauréau (Hugues

de Saint-Victor, Nouv. eacamen de l'édition de ses oeuvres. Paris 1859. 8.) herausgab,

s. daselbst p. 167 ff.

XIV. Reichere Bewegung. 113

I.

es hätten hiebei auch die platonisch-christlichen Anschauungen sowie

die theologische Dogmatik in ungestörter Naivetät ihre unnatürliche

AlJianz mit verkümmerten und verschrobenem Restem des Aristotelismus

fortführen können. Jedoch der selbsteigene innere Trieb der Dialektik

war ja auch schon bisher selbst innerhalb der ecclesia docens wach

geblieben, und da nun, wie wir sahen, von zwei Seitem her, nemlich

einerseits' gerade durch den dogmatischen Streit über die Trinität und

andrerseits durch sporadische und allmälig sich vervollständigende Kennt

niss der his dahin unbekanntem aristotelischen Bücher, eine gesteigerte

Anregung eintrat, so erhob sich jetzt neben aller Mystik der Schule

von St. Victor zugleich eine reiche und vielfach gespaltene Bewegung

auf dem Gebiete der Logik, deren Geschichte hier mach Maassgabe der

vorhandenem Quellen in eine äussersi schwierige Periode eintritt. Die

Schwierigkeit memlich liegt zunächst darin, dass die uns , zugänglichen

Berichte wohl vielfältig bis ins einzelnste Detail hinabreichen, aber da

bei in schlechthin fragmentarischer Form uns über alle verknüpfenden

Fäden im Unklaren lassem, wozu noch die Unbestimmtheit der üblichen

Bezeichnung „quidam“ oder des blossen Anfangs-Buchslaben des Namens

eines Logikers hinzukömmt; und es wird so auch überhaupt, z. B. na

menllich in Bezug auf jenes Fragment, welchem Cousin, den Titel „De

generibus et speciebus“ gab **), die ohnediess schon missliche Unter

suehung mannigfach durch litlerarische Schwierigkeiten durchkreuzt;

ausserdem ist mancher Berichterstalter an sich von geringerer Werlässig

keit, und wir stossen auf Widersprüche, welche in Folge des Mangels

an anderweitigem Quellen nicht genügend gelöst werden können.

Frägt es sieh aber dann noch, wie dieses zerfahrene und lücken

hafte Material für die Darstellung verarbeitet werden solle, so konnte

ich bei der Unmöglichkeit, die einzelnen (meist nicht näher bekannten)

Autorem in geschichtlicher Al)folge zu entwiekeln, nach vielfacher Er

wägung nur den Ausweg finden, dass ich die Zeit Abälard's collectiv

darstelle, und zwar so, dass in ähnlicher Weise wie im XI. Abschniite

die zahlreichen Controversen nach der Reihenfolge der inhaltlichen Haupt.

gruppen der damaligen Logik vorgeführl werden, wobei die verschiede

nen Meinungen über die Isagoge, d. h. der Streit über die Universalien,

einen ausgedehnterem Stoff darbieten, als die Erörterungen über die

übrigen Theile der Logik. Während aber so die hervorragenderem uns

bekannterem Autorem an diese inhaltlichen Momente geknüpft werden,

musste ich allerdings hievon gerade bei Abälard eine Ausnahme machen,

dessen Ansicht über die Universalien doch wieder nur bei der später

zu entwickelnden Charakteristik der gesammtem Dialeklik Abälard's ihre

-

49) Es musste eine schlimme Werwirrung zur Folge haben, wenn die franzö

sischen Gelehrten mit Cousin dieses Fragment für eine Schrift Abàlard's hielten;

H. Ritter hat hierin richtiger geurtheilt (wenn wir auch seiner Wermuthung über

den Autor selbst nicht beipflichten können, s. untem Anm. 146.); hingegen hat,

— um von Rousselot abzusehem, welchem bei Abfassung seines Werkes der 7. Band

Ritter's noch nicht vorliegen konnte —, auch Rémusat und sogar Hauréau Ritter's

Ansicht völlig ignorirt und im Anschlusse an Cousin auf jene Schrift Schlüsse,

gebaut, welche der richtigen Darstellung des Streites über die Universalien nach

theilig. sein mussten.

PRAnt L, Gesch. II. - 8

+

114 - XIV. Reichere Bewegung.

genügende Erörterumg finden konnte, denn von ihm allein ja besitzen

wir eine fast den ganzen Umkreis der Logik umfassende Schrift. Doch

hielt ich eine solche Zertheilung der Controversen, soweit sie die Uni

versaliem betreffen, hier eben für das kleinste der unvermeidlichen Uebel.

Nach Abälard können dann in gleicher Weise hauptsächlich Gilbertus

Porretanus und Johannes von Salesbury folgem.

In Folge der oben angegebenen Gründe nahm das Stüdium der

Logik, abgesehen von seiner allseitigen örtlichen Werbreitung, durchweg

an intensiver Schärfe und Präcision zu, und man gewöhnte sich daran,

alle einzelnen Sätze oder Erörterungen durch das ganze damals zugäng

liche Material der Logik hindurch so genau als möglich zu erwägen

und nach werschiedenem Seitem zu beleuchtem, wobei allerdings, da

eine eigentlich philosophische Basis gänzlich fehlte, nur eine einseitig

formale Spitzfindigkeit hervortreten konnte, welche ebensosehr zur zer

splittertsten Parteispaltung führen musste, als sie hinwiederum durch

diese genährt und bestärkt wurde, und vielleicht mag die Zahl der Ma

gistri, welche in solcher Weise das ganze Gebiet der Logik, meist

mit polemischer Erledigung gegnerischer Ansichten, durcharbeiteten, in

Frankreich allein nicht weit hinter einem Hundert zurückgeblieben sein.

Nicht zu wundern wohl ist es, wenn bei solchem Betriebe Diejenigen,

welche die Logik nicht. von vorneherein aus theologischen Gründem

ängstlich scheuten, häufig beim ersten Eintritte in dieselbe in Werwir

rung geriethen °°) ; wirkt es doch auf uns selbst fast schwindelerregend,

wenn wir aus dem fragmentarischen Einzelnheitem einen Rückschluss

auf das Ganze machen, welchem sie angehört hatten. Eine grosse Täu

schung ist es, wenn man die damalige Bewegung in der Logik mit den

zwei Worten ,,Nominalismus“ und ,,Realismus“ oder etwa noch mit Hin

zufügung eines dritten, nemlich „Conceptualismus“, erledigen zu können

glaubt, denn erstens ist, wie sich zeigen wird, die Parteispaltung eine

weit mannigfaltigere, und zweitens bildet dieselbe nur einen Theil des

Gesammt-Betriebes der Logik.

Wenn wir dem Johannes von Salesbury, welcher zwar häufig bloss

nach allgemeinen Eindrücken und Wieles mur aus dem Gedächtnisse nie

derschrieb (s. untem Anm. 536), vollständig vertrauen dürfen, wäre

der Entwicklungsgang der Logik, welche entweder in Compendien (artes)

oder in Commentaren oder in blosser Glossirung bearbeitet wurde ° !),

in jenen Jahrzehentem im Ganzen folgender gewesen. Johannes nemlich

spricht vom einem Gegner seiner logischen Auffassung, welchen er sym

bolisch Cornificius nennt (s. untem Anm. 528 ff.), und sagt bei dieser

Gelegenheit **), jene beliebte Manier, ohne ordentliches und mühevolles

50) Abael. Dialect. b. Cous. p. 436.: Sed quia labor huius doctrinae diuturnus

.... fatigat lectores, et multorum studia et aetates subtilitas nimia inaniter consumit,

multi .... de ea diffidentes ad eius angustissimas fores non audent accedere ; plurimi

vero eius subtilitate confusi ab ipso aditu pedem referunt. -

51) Joh. Saresb. Metal. III, Prol. p. 113. (ed. Giles vol. V.): Non in transitu

vel semel dialecticorum attigi scripta, quae vel in artibus vel in commentariis aut glosse

matibus scientiam pariunt aut retinent et reformant. -

52) Ebend. I, 1, p. 13.: Cornificius noster studiorum eloquentiae imperitus et

improbus impugnator ..... (2, p. 14.) populum qui sibi credat habet, et ei ..... turba

XIV. Reichere Bewegumg. 115

Studium ein Philosoph sein zu wollen, in Wirklichkeit aber nur ein

Sophist zu sein und Andere in blosser Sophistik heramzubilden, fliesse

aus jener Schule, in welcher - mam auf eigene Faust habe geistreich sein

wollen, indem man lediglich auf angebornes logisches Talent sich stützend

sich mit Controversen der läppischsten Art, z. B. ob ein Schwein, wel

ches zu Markt geführt wird, von dem Stricke oder von dem Menschen

festgehalten werde, u. dgl., beschäftigte, dabei aber stets in gespreiz

tem Dünkel mit etlichen Kunstworten der Logik um sich warf, — eine

Richtung, welche ebenso intolerant gegen jede anderweitige Wissenschaft

und Bestrebung gewesen sei, als siè in ihrer Neuerungssucht und bei

dem raschen Uebergange vom Lernen zum Lehren sich bald in das

grösste Bunterlei individueller Ansichten zersplittert habe. Eine Folge

dieses haltlosen Treibens sei nun gewesen °°), dass die Einen in welt

schmerzlicher Ueberzeugung von der Eitelkeit dieser Dinge in die Klö

ster sich flüchteten, Andere in Salern und Montpellier das Studium der

Medicin ergriffen, um nun diese Wissenschaft in gleicher rabulistischer

insipientium acquiescit, illorum tamen maæime , qui ... videri quam esse sapientes

appetunt.... 3, p. 15 ff.: sine artis beneficio .. . faciet eloquentes et tramite compen

di0s0 sine labore phil0s0ph0s .... Eo autem tempore ista Cornificius didicit, quae nunc

docenda reservat, .... quando in liberalibus disciplinis littera nihil erat et ubique spi

ritus quaerebatur, qui ut aiunt latet in littera ; Hylam esse ab Hercule, validum sci

licet argumentum a forti et robusto argumentatore ......, et in hunc modum docere

omnia, studium illius aetatis erat. Insolubilis in illa philosophantium schola tunc

temporis quaesti0 habebatur, an porcus, qui ad venalitium agitur, ab homine an a

funiculo teneatur; item an capucium emerit, qui cappam integram comparavit. In

conveniens prorsus erat oratio, in qua haec verba „conveniens“ et „inconveniens“, „ar

gumentum“ et ,,ratio“ non perstrepebant multiplicatis particulis negativis et traiectis

per „esse“ et ,,non esse“, ita ut calculo opus esset, quoties fuerat disputatum. ......

Sufficiebat ad victoriam verbosus clamor, et qui undecunque aliquid inferebat, ad pr0

positi perveniebat metam. Pöetae, historiographi habebantur infâmes et si quis incum

bebat laboribus antiquorum (d. h. der antiken Autorem, des Porphyrius, Boethius),

.... omnibus erat in risum. Suis enim aut magistri sui quisque incumbebat inventis;

nec hoc tamen diu licitum, quum ipsi auditores .... urgerentur, ut et ipsi spretis his,

quae a doctoribus suis audierant, cuderent et conderent novas sectas. Fiebant erg0

summi repente philosophi, nam qui illiteratus accesserat, fere non morabatur in scholis

ulterius, quam e0 curriculo temporis, quo ovium pulli plumescunt, itaque recentes

magistri e scholis ... pari tempore avolabant .... Ecce nova fiebant omnia, innovabatur

grammatica, immutabatur dialectica, contemnebatur rhetorica, et novas totius quadrivii

vias evacuatis priorum regulis de ipsis philosophiae adytis proferebant. Solam ,,con

venientiam“ sive „rationem“ loquebantur, ,,argumentum“ sonabat in ore omnium, et

aliquid operum naturae nominare, instar criminis erat aut ineptum nimis aut rude et

a philosopho alienum. Impossibile credebatur, convenienter et ad rationis normam

quidquam dicere aut facere, nisi „convenientis“ et „rationis“ mentio eaepressim esset

inserta, sed nec argumentum fieri licitum, nisi praemisso nomine argumenti.

53) Ebend. c. 4, p. 18 ff. Alii namque monachorum aut clericorum claustrum

ingressi sunt .... deprehendentes in se et aliis praedicantes, quia quidquid didicerant

vanitas vanitatum est ..... Alii autem Salernum vel ad Montem Pessulanum profecti

facti sunt clientuli medicorum et repente quales fuerunt philosophi, tales in m0ment0

medici eruperunt ...... Alii se nugis curialibus mancipaverunt, ut magnorum virorum

patrocinio freti possent ad divitias adspirare ..... Alii autem ad vulgi professiones

easque profanas relapsi sunt parum curantes quid philosophia doceat ..... dummodo

rem faciant „si possunt, recte, si non quocunque modo rem“....... Hoc autem quasi

quadrivio..... evadebant illi repentini philosophi .... non modo trivii nostri, sed totius

quadrivii contemptores.

8*

116 XIV. Reichere Bewegung. Alte und neue Logik.

Weise, wie vorher die Logik, zu betreiben, wieder Andere aber das

Leben am den Höfen der Reichen und Grossen aufsuchten, endlich An

dere lediglich auf Gelderwerb denkend sich in die niederen Sphären

des Lebens warfen (s. Anm. 530), kurz dass bei diesen Allen die Logik

und die Wissenschaft überhaupt in die grösste Missachtung fiel. Hier

auf aber, fährt Johannes fort **), sei ein Aufschwung der freien Künste

durch Männer, wie Gilbertus Porretanus, Theodorich (uns nicht näher

bekannt), Bernhard von Chartres, Wilhelm von Conches, und vor Allem

dureh Abälard eingetreten, wodurch eben jene Veräehter tieferer und

ernstlicher Studien nur zu Hass angestachelt und zu Schmähungen fort

gerissen worden seien; Schmähungen, welche sie nun auch gegen An

selmus, Wilhelm von Champeaux, Hugo von St. Wietor, Robert Pullus

u. A., sei es in logischer oder in theologischer Beziehung , gekehrt

hätten; die genannten Männer aber seien es, durch welche oder durch

deren Schüler er, nemlich Johannes, selbst seine Bildung empfangen

habe.

Dieser Bericht aber des Johannes von Salesbury wird uns ausser

seinem allgemeinen Inhalte noch insbesondere dadurch wichtig, dass

sich daram die Unterscheidung von „antiqui“ und „moderni“ (abweichend

von der Bedeutung dieser Worte bei einem früheren Schriftsteller, s.

vor. Abschn., Anm. 326.) in dem Sinne anknüpft, dass letztere die eben

angeführtem verdienstvollen Logiker, erstere aber jene spitzfimdigen Sophi

sten der vorhergehenden Zeit sind °°). Und wenn wir hierin ein Wor

spiel der späteren Trennung zwischen vetus logica und nova logica

erblicken, wornach von doriher der Rückschluss statthaft wäre, dass

die antiqui sich bei der älteren Boethianischen Tradition der Logik

begnügten, die moderni hingegen dem aristotelischen 0rganon näher

standen, so bestätigt sich dieses entschiedem durch das oben, Amm. 26,

Angeführte, sowie durch eine anderweitige deutliche Stelle des Johan

nes selbst °°). Ja ferner sagt derselbe, dass jene windige Geschwätzig

54) Ebend. c. 5, p. 21 f.: Solebat magister Gilbertus .... eis artem pistoriam

polliceri ..... Sed et alii viri amatores litterarum, utpote magister Theodoricus, artium

studiosissimus investigator, itidem Willelmus de Conchis, grammaticus post Bernardum

Carnotensem opulenlissimus, et peripateticus Palatinus, qui logicae opinionem praeri

puit omnibus coaetaneis suis, adeo ut solus Aristotelis crederetur usus colloquio, se

omnes opposuerunt errori ....... Praedictorum opera magistrorum et diligentia redierunt

artes et quasi iure postliminii honorem prislinum nactae sunt...... Hinc indignatio,

quam adversus discipulos memoratorum sapientium concepit Cornificii domus ; ......

impudenter etiam obfuscare nititur .... Anselmum et Radulfum ..... , nam de Albe

rico Remensi et Simone Parisiensi palam loquunlur ..... Willelmus de Campellis er

rasse convincitur scriplis propriis, viae parcilur magistro Hugoni de Sanclo Victore,

- - - - - Rodbertus Pullus .. ». diceretur filius subiugalis, nisi sedi apostolicae deferretur

- - - - - • Ego autem .... fateor aliquos praemissorum habuisse doctores et itidem aliorum

audisse discipulos et ab eis modicum id didicisse qu0d novi.

55) Ebend. I, Prol. p. 9.: Nam ingenium hebes est et memoria infidelior, quam

vt antiquorum subtilitates percipere aut quae aliquando percepta sunt, diutius valeam

retinere ...... Nec dedignatus sum, modernorum proferre sententias, quos antiquis

in plerisque praeferre non dubito. Vgl. Anm. 219, 365, 522.

56) Ebend. III, 6, p. 138.: Non .... inanem reputem operam modernorum, qui

equidem nascentes et convalescentes ab Aristotele inventis eius multas adiiciunt rationes

et regulas prioribus aeque firmas; ..... habemus gratiam peripatetico Palatino et aliis

XIV. Alte und neue Logik. 117

keit, als deren örtlichen Hauptsitz er einmal gelegentlich Paris bezeich

net °"); aus einer Silbenstecherei hervorgegangen sei, welche die gegen

alle anderen Wissenschaften intolerantem Logiker viele Jahre hindurch,

ja während ihres ganzen Lebens unablässig in Zusammenstellung und

Bekämpfung aller möglichen Meinhngen derartig übten, dass Mancher

selbst seine eigene Ansicht nicht mehr wusste **), wobei man dann um

des persönlichen Ruhmes willen selbst die antiken Autorem verschmähte

und die übliche Ordnung der Schul-Logik bei Seite setzte °°). Und

endlich wird nun noch ausdrücklich bemerkt, dass dieser übermässige

und bornirte Aufwand von Zeit und Kräften sich hauptsächlieh um die

Isagoge drehte, bei deren Erklärung man den Streit über die Universa

lien für die einzig höchste Aufgabe hielt °°), so dass ebensosehr zum

praeceptoribus nostris, qui nobis proficere studuerunt vel in eæplanatione veterum vel

in inventione novorum.

57) Epist. 181. (vol. I, p. 298. ed. Giles): Studiis tuis congratulor, quum

agnosco eae signis perspicuis in urbe garrula et ventosa, ut pace scholarium dictum

sit, non tam inutilium argumentationum locos inquirere, quam virtutum. Doch könnte,

da der Magister Radulfus Niger, an welchen dieser Brief gerichtet ist, uns nicht

mäher bekannt ist, unter der urbs ventosa möglicher Weise auch Avignon zu ver

stehen sein, denn sprichwörtlich sagte man ,,Avenio ventosa , sine vento venenosa,

cum vento fastidiosa.**

58) Metal. II, 6, p. 72.: Indignantur puri philosophi et qui omnia praeter logi

cam dedignantur, aeque grammaticae ut physicae eæpertes et ethicae ...... c. 7, p.

73.: qui clamant in compitis et in triviis docent et in ea, quam solam profitentur,

non decennium aut vicennium, sed totam consumpserunt aetatem ..... Fiunt itaque in

' puerilibus academici senes, omnem dictorum aut scriptorum eaecutiunt syllabam, imo

et litteram, dubitantes ad omnia, quaerentes semper, sed nunquam ad scientiam per

venientes, et tandem convertuntur ad vaniloquium ac nescientes, quid loquantur aut

de quibus asserant, errores condunt novos et antiquorum (d. h. der antiken Autorem,

wie obem Anm. 52.) aut nesciunt aut dedignantur sententias imitari; compilant omnium

opiniones et ea quae eliam a vilissimis dicta vel scripta sunt, ob inopiam iudicii scri

bunt et referunt, .... tanta est opinionum et oppositionum congeries ut viae suo nota

esse possit auclori. Ebend. c. 18, p. 93.: De magistris aut nullus aut rarus est,

qui doctoris sui velit inhaerere vestigiis; ut sibi faciat nomen, quisque proprium cudit

errorem. Polycr. VII, 12, p. 126.: Vetus quaestio, in qua laborans mundus iam

senuit, in qua plus temporis consumptum est, quam in acquirendo et regendo orbis

imperio consumpserit Caesarea domus, ..... haec enim tamdiu multos tenuit, ut quum

hoc unum tota vita quaererent, tandem nec istud nec aliud invenirent. Hiezu unten

Anm. 540. -

59) Enthet. v. 41 ff.: Si sapis auctores, veterum si scripta recenses, Ut statuas,

si quid forte probare velis, Undique clamabunt ,,vetus hic quo tendit asellus, Cur

veterum nobis dicta vel acta refert? A nobis sapimus, docuit se nostra iuventus, Non

recipit veterum dogmata nostra cohors, Non onus accipimus, ut eorum verba sequamur,

Quos habet auctores Graecia, Roma colit ..... (v. 59.) Temporibus placuere suis vete

rum bene dicta, Temporibus nostris iam nova sola placent.“ ..... Haec schola non

curat, quid sit modus ordove quid sit, Quam teneant doctor discipulusque viam.

60) Metal. II, 16, p. 89.: Sed quia ad hunc elementarem librum (d. h. die Ka

tegorien) magis elementarem quodammodo scripsit Porphyrius, eum ante Aristotelem

esse credidit antiquitas praelegendum; recte quidem, si recte doceatur, id est ut te

nebras non inducat erudiendis nec consumat aetatem ...... c. 17, p. 90.: Naturam

tamen universalium hic omnes eæpediunt et altissimum negotium et maioris inquisitionis

contra mentem auctoris eæplicare nituntur. Ebend. III, 5, p. 136.: qui in Porphyrio

aut Categoriis explanandis singuli volumina multa et magna conscribunt. Eine be

stätigende Aensserung Abàlard's s. untem Amm. 104.

-

118 XIV. Die Parteispaltung.

Tummelplatze individueller Eitelkeit wie zum Nachtheile des Unterrichtes

zuletzt alle Weisheit in die Erörterung des Porphyrius hineingepfropft

wurde °!).

So führen uns die allgemeineren Angaben des Johannes von Sales

bury von selbst zu den Controversen über die Universalien, und wir

dürfen aus dem Bisherigen füglich schliessen, dass der Streit in jener

einseitig spitzfindigen Weise in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahr

hundertes entbrannte, so dass hier die geschichtliche Anknüpfung an

das Auftreten des Roscellinus und an die damals sich erhebenden Kämpfe

(s. vor. Abschn. Anm. 312 ff. u. bes. Anm. 326) deutlich vorliegt. Ja

innere Gründe sprechen dafür, dass von ebendort her bei den Contro

versén betreffs der Universalien vorerst die nominalistische Auffassung

die überwiegendere gewesen sein mag, denn nicht bloss der Umstand,

dass jene Logiker nach des Johannes Bericht sich exclusiv und intole

rant gegen jede Real-Wissenschaft verhielten (Anm. 52 u. 58), deutet

auf Derartiges hin, sondern es ergibt sich auch leicht der Schluss, dass

jene von Johannes angeführten verdienstvollen Wiedererwecker der Logik,

welche sämmtlich einem extremen Nominalismus abhold warem oder

theilweise selbst bis an die äusserstem Gränzen des Realismus fort

schrittem, jedenfalls einen Umschwung hervorriefen oder beförderten,

welcher von nominalistischen Grundsätzen hinweg auf anderweitige Bah

nen hinüberlenkte.

Dass aber hiebei, wie wir schon sagten, die Spaltung der Ansichten

sich nicht bloss in eimem dichotomischem oder trichotomischen Gegen

satze hewegte, sondern in einer grösseren Zahl von Abstufungen auf

trat, erhellt aus genauerer Einsichtnahme der uns zugänglichen Quellen.

Die ausführlichste Notiz gibt uns wieder Johannes von Salesbury, wor

nach die Meinungsverschiedenheit bezüglich der Universalien sich folgen

dermaassen gestaltet habe:

1) die Ansicht des Roscellinus, dass dieselben voces seien "*), —

s. Anm. 76 ff.;

2) jene des Abälard und seiner Anhänger, dass die Universalien.

auf sermones zu reduciren seien, da das Prädicat eines Dinges

nie selbst ein Ding sein könne °°), — s. Anm. 283 ff.;

61) Ebend. II, 20, p. 113.: Nec fideliter cum Porphyrio nec utiliter cum intro

ducendis versantur, qui omnium de generibus et speciebus recensent opiniones, omnibus

obviant, ut tandem suae inventionis erigant titulum. Ebend. III, 1, p. 117.: Auste

rus nimis et durus magister est, tollens quod positum non est et metens quod non

est seminatum, qui Porphyrium c0git solvere, quod omnes philosophi acceperunt, cui

satisfaclum non est, nisi libellus doceat, quidquid alicubi scriptum invenitur, Polycr.

VII, 12, p. 129.: Qui ergo Porphyriolum omnibus philosophiae partibus replent, intro

ducendorum obtundunt ingenia, memoriam turbant. Hiezu die unten, Amm. 98., an

zuführende Stelle des Wilhelm v. Conches.

62) Metal. II, 17, p. 90., woselbst naeh dem s0 eben (Anm. 60.) angeführten

Worten unmittelbar jene Stelle über Roscellinus (s. vor. Abschn. Anm. 318.) folgt.

63) Ebend.: Alius sermones intuetur et ad illos detorquet, quidquid alicubi de

universalibus meminit scriptum; in hac autem opinione deprehensus est peripateticus

Palalinus Abaelardus nosler, qui multos reliquit et adhuc quidem aliquos habet pr0

fessionis huius sectatores et testes; amici mei sunt, licet ita plerunque captivatam

detorqueant litteram, ut vel durior animus miseraiione illius moveatur.. Rem de re

XIV. Die Parteispaltung. 419

3) die Annahme, dass intellectus oder motio im Sinne Cicero's (d.

h. der Stoiker) dasjenige sei, was man Universale nenne **), —

s. Anm. 581 ff.

Won diesen unterscheidet Johannes dann Diejenigen, welche an den

Dingen haften („rebus inhaerent“), sich selbst aber wieder in mehrere

Parteiem spalten, sonach :

4) die bald wieder aufgegebene Ansicht des Walter von Mortaigne,

dass die Universalien mit den Individuen (d. h. den res sensi

biles) essentiell vereinigt seien, wornach es auf den „status“

ankomme, nach welchem man das Individuum betrachte '°), —

s. Anm. 129 ff. ;

5) der platonische Realismus des Bernhard von Chartres °°), — s.

Anm. 89 ff.;

6) die Annahme des Gilbert von Poitiers betreffs der formae na

tivae °7), — s. Anm. 460 ff.;

7) die Ansicht des Gauslenus von Soissons, dass die Universalität

praedicari monstrum dicunt, licet Aristoteles monstruositatis huius auctor sit et rem

de re saepissime asserat praedicari, qu0d palam est, nisi dissimulent, familiari

bus eius.

64) Ebend. (fortgefahren): Alius versatur in intellectibus et eos duntaaeat genera

dicit esse et species; sumunt enim occasionem a Cicerone et Boethio, qui Aristotelem

laudant auctorem, quod haec credi et dici debeant notiones; ,,est autem“, ut aiunt,

,,notio eæ ante percepta forma cuiusque rei cognitio enodatione indigens“ (so aller

dings Cicero in der Abschn. VIII, Anm. 37. angeführten Stelle, welche aber zugleich

zeigt, dass derselbe sich nicht auf Aristoteles, sondern auf ,,Graeci“, d. h. auf die

Stoiker berief), et alibi: ,,notio est quidam intellectus et simpleae animi conceptio**

(so Boeth. ad Cic. top. p. 805. bei Erklärung jener ciceronischen Stelle, nur voll

ständiger, nemlich: ,,.... conceptio, quae ad res plures perlineat a se invicem diffe

rentes, id vero genus esse, manifestum est*', sodanm aber nach einigen Zeilem hin

zufügend: at vero Aristoteles nullas putat eætra esse substantias, sed intellectam simi

litudinem plurium inter se differentium substantialem genus putat esse vel speciem);

e0 ergo deflectitur quidquid scriptum est, ut intellectus aut n0ti0 universalium univer

sitatem claudat. -

65) Ebend. p. 90 f.: Eorum vero qui rebus inhaerent, multae sunt et diversae

opiniones. Siquidem hic ideo, quod omne quod unum est, numero est, rem univer

salem aut unum numero esse aut omnin0 non esse concludit; sed quia imp0ssibile,

substantialia non esse eæistenlibus his quorum sunt substantialia, denu0 colligunt,

universalia singularibus quod ad essentiam unienda. Parliuntur itaque status duce

Gautero de Mauritania et Platonem in e0 quod Plat0 est dicunt individuum, in e0 quod

homo speciem, in eo quod animal genus, sed subalternum, in eo quod substantia ge

neralissimum. ' Habuit haec opini0 aliqu0s assertores, sed pridem hanc nullus pr0

fitetur.

66) Ebend. p. 91.: Ille ideas ponit Platonem aemulatus et imitans Bernardum

Carnotensem et nihil praeter eas genus dicit esse vel speciem ........ (p. 92.) Egerunt

operosius Bernardus Carnotensis et eius sectatores, ut componerent inter Aristotelem et

Platonem, sed eos tarde venisse arbitror et laborasse in vanum, ut reconciliarent mor

tuos, qui quamdiu in vita licuit dissenserunt.

67) Ebend. p. 92. : Porro alius, ut Aristotelem eaeprimat, cum Gilberto episcopo

Pictaviensi universalitatem formis nativis attribuit et in earum conformitate laborat; est

autem forma nativa originalis eæemplum et quae non in mente dei consistit, sed rebus

creatis inhaeret; haec graeco eloquio dicitur εὐδος, habens se ad ideam ut eaeemplum

ad ezemplar, sensibilis quidem in re sensibili, sed mente concipitur insensibilis, singu

laris quoque in singulis, sed in omnibus universalis.

120 XIV. Die Parteispaltung.

nur in einem „colligere“ beruhe °°) (s. Anm. 145 ff.), welche

wegen maneher Schwierigkeiten sich zu

8) der Annahme betreffs der „maneries“ gestaltete oder in die obige

status-Frage auslief°°), — s. Anm. 85 ff.

Sowie aber Johannes diess noch einmal zusammenfasst, um alle

diese Ansichten mit Ausnahme der dritten als anti-âristotelisch zu be

zeichnen, und zwar mit einer merkwürdigen Wendung , wornach ihm

zuletzt Jedwedes als Realismus erscheint 7°), so spricht er ein anderes

Mal gleichfalls von dieser Parteispaltung und nennt daselbst 1!) von den

so eben aufgezählten Ansichtem nur die ersten vier, neu aber kömmt

mun dort hinzu

9) die Ansicht, dass die Universalien abstracte Formen wie die

mathematischen seien.

Dass wir aber hiemit noch nicht zu Ende sind, sieht jeder Kun

dige schon daraus, dass in des Johannes Bericht Wilhelm von Cham

peaux gar nicht erwähnt ist ; nun kömmt aber, — um vorläufig nur

bei der Aufzählung der verschiedenen Meinungen stehen zu bleiben —,

68) Ebend.: Est et alius, qui cum Gausleno Suessionensi episcopo universalita

tem rebus in unum collectis attribuit et singulis eandem demit.

69) Ehend. p. 92 f.: Evinde , quum ad interpretandas auctoritates ventum est,

laborat prae dolore, quia in locis pluribus rictum litterae indignantis ferre non sustinet.

Est aliquis, qui confugiat ad subsidium novae linguae, quia latinae peritiam non

satis habet; nunc enim quum genus audit vel species, res quidem dicit intelligendas

universales, nunc rerum maneriem (unbegreiflicher Weise gibt Giles materiem, ob

wohl die Ausgabe Amstel. 1664 das Richtige hat, abgesehen von den sogleich fol

genden Wortem, §. untem Anm. 85.) interpretalur; hoc autem nomen in quo auctorum

invenerit vel hanc distinctionem, incertum habeo, nisi forte in glossematibus aut

modernorum linguis doctorum. Sed et ibi quid significet, non video, nisi rerum

collectionem cum Gausleno aut rem universalem, quod tamen fugit maneriem (ebenso)

dici, nam ad utrumque potest ab interpretatione nomen referri, eo quod maneries

(ebenso) rerum numerus aut status dici potest, in quo talis permanet (also er ety

mologisirt wom Stamme ,,mane0“) res; nec deest, qui rerum status attendgt et eos

genera dicit esse et species.

70) Ebend. c. 20, p. 95.: Quare ab Aristotele recedendum est concedendo ut

universalia sint (s. unten Anm. 590.), aut refragandum opinionibus, quae eadem

(1) ,,vocibus“, (2) ,,sermonibus“, (4) ,,sensibilibus rebus“, (5) ,,ideis“, (6) ,,for

mis nativis“ (die Ausgaben haben formis, naturis), (7 u. 8) ,,collectionibus“ ag

gregant, quum singula horum esse non dubitentur, qui autem ea esse statuit, Ari

stoteli adversetur.

71) Polycr. VII, 12, p. 127.: In his aetatem terere, nihit agentis et frustra

laborantis est ..... Eaepediunt haec auctores multis modis variisque sermonibus .....

et litigiosis hominibus mullam contendendi materiam reliquerunt. Inde est, qui sen

sibilibus aliisque singularibus apprehensis , quoniam haec sola veraciter esse dicun

tur, ea in diversos ,, status** (4) subvehit, pro quorum ratione in ipsis : singularibus

specialissima generalissimaque constituit. Sunt, qui more mathematicorum ,,formas**

(diess das Neue) abstrahunt et ad illas, quidquid de universalil)us dicitur, referunt.

Alii discutiunt ,,intellectus“ (3) et eos universalium nominibus censeri confirmant.

Fuerunt et qui ,,voces“ (1) ipsas genera dicerent et species, sed eorum iam eæplosa

sententia est et facile cum auctore suo evanuit. Sunt tamen adhuc qui deprehen

duntur, in vestigiis eorum, licet erubescant auctorem vel sententiam profiteri solis

nominibus inhaerentes , quod rebus et intellectibus subtrahunt, ,,sermonibus** (2)

adscribunt. Magno se iudice quisque tuetur, et eae verbis auctorum .... suam ad

struit sententiam vel errorem. 0riuntur hinc magna seminaria iurgiorum et colligit

quisque, qu0 suam possit haeresin confirmare.'

XIV. Die Parteispaltung. 121

-

noch eine Stelle des Fragmentes De generibus et speciebus hinzu "*),

in welcher gleichfalls die Unterscheidung zwischen Jenen, welche die

Universalien als voae bezeichnen, und denjenigen, welche sie für res

halten, zu Grunde gelegt ist, bei letzteren aber nur zwei Unterartem

derselben namhaft gemacht werden, nemlich

10) die sogenannte ratio indifferentiae (s. Anm. 132 ff.) und

11) die Ansicht des Wilhelm von Champeaux, — s. Anm. 102 ff.

Ferner spricht von diesen Meinungs-Wersehiedenheitem einmal auch

Abälard 7°), woselbst er innerhalb des Realismus zunächst die beidem

so eben genannten Annahmen erwähnt, sodann aber auch

12) eine Auffassung , wornach der Unterschied zwischen Gattung

und Individuum nur in einer Eigenthümlichkeit (proprietas?) des

Daseins liege, insoferne das Universale sowohl in Mehreren zu

gleich als aueh in Einzelnwesen auftreten könne.

Hingegen Pseudo-Abälard De intellectibus (s. untem Anm. 416 ff.)

unterscheidet unbestimmt allgemein nur Realisten, Nominalistem und die

Abälard'sche Ansicht 7*). -

Endlich aber kömmt noch hinzu

13) die Annahme des Verfassers De generibus et speciebus, — s.

Amm. 148 ff. -

72) Bei Cousin, 0uvr. indd. d'Abélard, p. 513.: De generibus et speciebus

diversi diversa sentiunt. Alii namque voces solas genera et species universales et

singulares esse affirmant, in rebus vero nihil horum assignant. Alii vero res gene

rales et speciales universales et singulares esse dicunt, sed et ipsi inter se diversa

sentiunt; quidam enim dicunt singularia individua esse species et genera sub

alterna et generalissima alio et alio modo attenta (der Werfasser bezeichnet diese

Ansicht selbst als ,,sententia de indifferentia**, s. untem Anm. 133.); alii vero quas

dam essentias universales fingunt, quas in singulis individuis totas essentialiter esse

credunt (dass diess letztere die Meinung Wilhelm's sei, wird unten erhellem).

73) In den schon oben, Anm. 13., angeführten Glossulae super Porphyrium

bei Rémusat a. a. 0. p 96. (leider gleichfalls micht im 0riginaltexte mitgetheilt):

La grande question que Porphyre indique en débutant ..... arréte Abélard, et il est

presque obligé de la traiter seulement pour la poser. Toutes les opinions sur les

universauae se prévalent, dit-il, de grandes autorités (schom hier übersetzt Rémusat

falsch, denn er gibt in der Anmerkung die Original-Worte ,,unus quisque se tuetur

auctoritate iudice“, deren Sinn ist, dass jeder seine Ansicht durch die überlieferte

Auctorität, d. h. durch Aristoteles, stützt) ..... p. 97.: Le premier systême est celui

de l'eaeistence des choses universelles. . Il est plusieurs maniéres de l'établir. Suivant

l'une etc. (nun folgt die Ansicht Wilhelm's von Champeaux, s. untem Anm. 105.)

.... p. 99.: La seconde manière etc. (folgt die Indifferenz-Lehre, s. unten Anm.

32.)..... p. 101 f.: Enfin on s'y prend d'une troisième manière pour soutenir que

les universauae sont des choses. Voulant eæpliquer la communauté, l'on dit qu'entre

la chose universelle et la chose singuliére est une différence de propriété, la pro

priété qui consiste á être universelle, la propriété qui consiste á être singuliere.

L'animal, le corps est universel , et m'est pas seulement quelque animal et quelque

corps; mais dire ,,l'animal est universel“, revient â dire ,,il y a plusieurs choses

qui sont chacune individuellement animal“; quand ,,animal“ se dit d'un seul, on

entend qu'un seul, un étre déterminé est animal ..... Endlich p. 106. folgt in

unbestimmten Ausdrücken die Anffassung der Universalien als voces.

74) Bei Cousin, Fragm. philos. Philos.- scolast. Par. 1840. p. 494.: De formis

diversi diversa sentiunt. Quidam enim volunt omnes formas esse essentias (die Rea

listen), quidam nullas (die Nominalisten), quidam quasdam essentias esse confir

mant, quasdam non (die Anhänger Abälard's, Näheres s. untem).

122 XIV. Die Parteispaltung. Nominalismus.

Won diesem Bunterlei der Meinungen nun werden wir jene des

Abälard (2), des Gilbert (6.) und des Johannes von Salesbury (nem

lich die 3.) erst später in Verbindung mit der gesammten logischem

Thätigkeit derselben erörtern können ; sodann aber fallen die 12. und

die 9. darum hinweg, weil wir schlechthin Nichts näheres als das so

eben Gesagte über dieselben wissen; nur mag bei letzterer bemerkt

werden, dass sie uns entschiedem an jene mathematische Betrachtungs

weise erinnert, welche wir obem, vor. Abschn., Amm. 169, schon in

weit älterer Zeit trafen. Die übrigen hingegen müssen wir nun versu

chen genauer zu besprechen, wobei sich uns manche verschlungene

Verwandtschaft zwischen einzelmen derselben und selbst wieder meue

Abartem und Abzweigungen zeigen werden. Auch spielt aber in jene

Controversen, wie sich schon aus dem Worgange des Boethius (s. Ab

schn. XII, Anm. 85 ff.) erwarten lässt und es theilweise bereits bei

Roseellinus zu Tage getreten war (vor. Abschn., Anm. 321 f.), in hohem

Grade die Lehre von der Eintheilung und der Definition hereim, demn

die Tabula logica des Porphyrius oder Boethius bewegt sich ja haupt

sächlich in den Universalien, womit das Zeugniss Abälard's übereinstimmt,

dass Wiele sich mit jenem Zweige der traditionellen Logik beschäftigten

und Manche sogar die Boethianische Lehre der Eintheilung noch zu

vervollständigen versuchten 7°).

Was nun zunächst die an Roscellinus anknüpfende Ansicht betrifft,

so seheint dieser N o m in a lis m us in der That nicht so schnell- gänz

lich verschwunden zu sein, als es mach den oben angeführten Aeusse

rungen des Johannes von Salesbury (s. vor. Abschn., Anm. 325) schei

men müsste. Denn abgesehen davon, dass dieser nemliche Autor doch

wieder selbst won einer Richtung spricht, welche einseitig nur dem

Klange der Worte folgt und so dieselben fast zum blossem Hauche ver

flüchtigt 7°), treffen wir nun auch noch in Ahálard's Zeit eine Wider.

holung jener Vorwürfe, welche Anselmus gegen Roscellinus gewendet

hatte (s. ebend. Anm. 319), und zwar derartig gesteigert, dass der No

minalismus sich sehon einem vollständigen Sensualismus genähert zu

haben scheint, wenn behauptet wurde, dass nicht bloss kein Allgemeines

existire, sondern auch durch die Wortbezeichnung das Denken nur die

Einzel-Wesen erfasse ""). Ja mit deutlicher Bezugnahme auf eine Stelle

75) Abael. Dialect. b. Cousin, p. 450.: Dividendi seu diffiniendi peritiam non

solum ipsa doctrinae necessitas commendat, verum diligenter multorum auctoritas

tractat. Ebend. p. 489.: Movet autem fortasse quosdam , quod sint quaedam divi

siones, quae in sev suprapositis (d. h. jenem des Boethius, Abschn. XII, Anm. 96.)

non connumeramtur.

76) Joh. Saresb. Enthet. v. 27 ff. Qui sequitur sine mente sonum, qui verba

capessit, Non sensum, iudeae integer esse nequit; Quum vim verborum dicendi causa

ministret, Haec si nescitur, quid nisi ventus erunt?

77) Pseudo-Abael. D. intell. a. a. 0. (Amm. 74.), p. 488.: Sicut enim, in

quiunt, cum homo sentitur, necesse vel hunc vel illum vel aliquem alium sentiri,

eo videlicet quod omnis homo sit vel hic vel ille vel alius, ita et 'de intellectu ad

similitudinem sensus ratiocinantur, ut videlicet si homo intelligatur, necesse sit vel

hunc vel illum vel aliquem alium intelligi. Praeterea homo nihil aliud sonat quam

quidam homo, unde et qui hominem intelligit, profecto quendam hominem intelligit

et ita hunc vel alium intelligit.

XIV. Nominalismus. - 123

der Analytik drückten einige extreme Nominalisten, welche selbst das

prädicative Satzverhältniss bekämpft zu haben scheinen (vgl. vor. Abschn.,

Anm. 324 f.), sich sogar derartig aus, dass nicht einmal das Wort

„Individuum“ prädicirt werden dürfe, sondern nur die Singularität des

Einzel-Wesens Gegenstand der Aussage sein könne *°). Auch knüpfte

sich eine solche Hinneigung zum Sensualismus '°) an jene der Psycho

logie angehörigen Erklärungen, auf welche Aristoteles in beiden Analy

tiken (s. oben Anm. 19) die Erkenntniss-Theorie stützt *°).

Selbstverständlicher Weise hat die Stufenfolge von Gattung zu Art

und von Art zu Individuen bei den Nominalisten keine ontologische Be

deutnng, sondern indem sie den Realismus bekämpfen, substituiren sie

zur Kundgebung ihrer Auffassung für die in der Isagoge üblichen Worte

überall das durch dieselben „Bezeichnete“ (significatum), indem sie z.

B. significatum generis statt genus sagen und in solcher Weise alle

Lehr-Sätze figürlich (figura locutionis) interpretiren, ' da ihnen ja über

haupt nur die Individuen als seiend geltem, diese aber durch die Worte,

sei es durch specielle oder durch allgemeine, ihre ,,Bezeichnung“ fin

dem **). Eben Letzteres aber scheint eine Spaltumg unter den Nomina

listen hervorgerufen zu haben; nemlich die Einen, und zwar offenbar

die Besonnerem, unter welchen ein uns übrigens unbekannter Garm un d

genannt wirì, hielten doch noch an dem begrifflichen Gehalte des

Wortes, welcher ein inneres Werstehen erzeugt, fest und verneinten es

hiernach entschiedem, dass durch den Namen der Gattung auch schon

die Art oder durch eine Inhärenz auch schon' das Substrat (z. B. „Mensch*

durch „lebendes Wesen“ oder „Körper“ durch „Gefärbi“) bezeichnet

werde **); Andere hingegen, gewiss die 'Leichtfertigeren und Extre

78) Joh. Saresb. Metal. II, 20, p. 110.: Hinc forte est illud in Analyticis

,,Aristomenes intelligibilis semper est, Aristomenes autem non semper“ (Anal. pr. I,

33, bei Boeth. p. 495.); et hoc quidem est singulariter individuum, quòd solum

quidam aiunt posse de aliquo praedicari ; Plato enim Aristidis filius nec quantitate

ut atomus nec soliditate ut adamas, sed nec praedicatione, ut dicunt, individuum est.

79) Ebend. III, 7, p. 140.: Sed minutiores philosophi cum Porphyrio vulgi se

quuntur opinionem, qui fere id solum consuevit approbare, quod sensibus patet.

Ebend. IV, 20, p. 176.: Unde et quidam minuti philosophi, eo quod a sensibus

ad scientiam sit processus, nisi eorum quae sentiuntur ullam negant esse scientiam.

80) Pseudo-Abael. d. intell. a. a. 0. p. 466.: cum quidam omnes imaginationes

quasdam sensuum .... recordationes esse velint, hoc est eas eæ rebus sentilis solum

modo haberi, etc. Joh. Saresb. Metal. IV, 9, p. 166.: Eorum ergo opinio est, quod

eadem potentia nunc sentiat, nunc memoretur, nunc imaginetur, nunc discernat in

vestigando , nunc investigata assequendo intelligat.

81) D. gen. et spec. b. Cousin, Abélard p. 524.: aiunt figuram totam esse

locutionem ,,genus est materia speciei** (diesen Lehrsatz des Boeth. d. divis. s.

Abschn. XlI, Anm. 97.), id est: significatum generis materia est significati speciei;

sed hoc secundum eos stabile est, nam cum habeat eorum sententia, nihil esse prae

ter individua et haec tamen significari a vocibus tam universalibus quam singularibus,

idem prorsus significabit animal et homo.

82) Abel. Dialect. p. 210.: Alii enim omnia, quibus voz imposita est, ab

ipsa voce significari volunt, alia vero ea sola, quae in voce denotantur atque in

sententia ipsius tenentur. Illis quidem magister noster V. (was Cousin höchst will

kürlich als ,, Willelmus Campellensis** erklärt, s. untem Anm. 102.) favet, his vero

Garmundus (wenn Cousin in einer Anmerkung sagt ,,infra de eo, sc. Garmundo,

non semel mentio erit“, so verstehe ich diess nicht, denn in jemem Texte wenig

124 xiv. Nominalismus. Die Lehre von maneries.

meren, wie z. B. ein gewisser Magister „W.“, warfen sich lediglich auf

das Bezeichnen, wornach jedes Ding in jedwedem ihm beigelegten Prä

dicate bereits mitbezeichnet sei, und es ist beachtenswerth, dass diese

hiebei sich auf die Grammatik stützten, nach welcher jedes Nomen so

wohl eine Substanz als auch zugleich eine Qualität bezeichne *°). No

mipalisten der letzteren Art müssen es auch gewesen sein, welche wohl

mit einseitiger Werfolgung der Ansicht des Roscellinus (vor. Abschm.,

Anm. 321) zu der Behauptung gelangten, dass die einfache dictio (d. h.

das einzelne Wort im Gegensatze gegen das Urtheil) überhaupt keiner.

lei Theile des Denkactes, nemlich auch keine gleichzeitigem, in sich

trage, sondern wie ein Punkt in unterschiedsloser Einheit . Alles, was

unter das Wort fällt, umfasse **). — Ein paar einzelne Consequenzen

des Nominalismus bezüglich der Kategorienlehre s. unten Anm. 196 f.

u. 199.

Eine Abzweigung des Nominalismus aber war gewiss die Annahme

betreffs der ,, m a m e r i e s “, s. oben Anm. 69 ; denn wenn Johannes von

Salesbury dieselbe unter dem realistischen Ansichten aufzählt, werden

wir nicht bloss durch jene obige (Amm. 70) Stelle desselben, in welcher

er ja zuletzt Alles als Realismus bezeichnet, sehr bedenklich gemacht,

sondern wir finden auch in einem anderweitigen Berichte die entschie

dene Mittheilung, dass die Nominalisten es waren, welchè zur Stütze

ihrer Ansicht, wornach Gattumgen und Artem nur die im Subjecte oder

Prädicate ausgesprochenen allgemeinerem oder specielleren Worte seiem,

in den betreffenden Stellen des Boethius und des Aristoteles sofort „res“

als „voa:* und „genus“ als „maneries“ bezeichnetem *°). Das Wort

stens, welchen Cousin gibt, ist nicht ein einziges Mal mehr Garmund erwähnt)

consensisse videtur., Illi quidem auctoritate, hi vero fulti sunt ratione. Quibus enim

Garmundus annuit, rationabiliter eu sola (fehlt das Verbum, etwa admittunt oder

dgl.), quae in sententia vocis tenentur iusta diffinitione ,,significandi“, quae est

,,intellectum generare**; de eo enim voa, intellectum facere non potest, de quo in

sententia eius non agitur; unde nec a nomine generis speciem volunt significari, ut

hominem ab animali, nec subiectum accidentis a sumpto vocabulo, ut corpus ipsum

a colorato vel albo; neque enim homo in nomine animalis eaeprimitur nec subiecti

corporis natura in colorato denotatur, sed tantum illud, quantum substantia animal

sensibile dicitur, hoc vero tantum, quod informatur colore vel albedine ; habet tamen

et illud impositionem ad hominem et hoc ad corpus, de quibus enuntiantur.

83) Ebend.: Hi vero, qui omnem vocum impositionem in significationem dedu

cunt, auctoritatem protendunt , ut ea quoque significari dicant a voce , quibuscunque

ipsa est imposita, ut ipsum quoque hominem ab animali vel Socratem ab homine

vel subiectum corpus ab albo; nec solum eae arte, verum etiam eae auctoritate gram

maticae id conantur ostendere ; cum enim tradat grammatica, omne nomen substan

tiam cum qualitate significare, album quoque, quod subiectam nominat substantiam

et qualitatem determinat circa eam, utrumque dicitur significare (diese Ansicht also

solíte mach Consim dem Realisten Wilhelm v. Champeaux angehören !).

84) Pseudo-Abael. d. intell. a. a. 0. p. 472.: Sunt itaque intellectus coniuncta

rum et divisarum rerum diclionum tantum, coniungentes vero et dividentes intellectus

orationum tantum sunt ; illi quippe simplices sunt, isti compositi. (So des Wer

fassers Ansicht.) Sunt plerique fortassis (nemlich Nominalisten), qui intellectus

simplices nullas omnino partes habere concedant , neque scilicet per successionem

neque simul (d. h. ungleichzeitige oder successive Theile hat überhaupt mur das

Urtheil, nie aber das einzelne Wort); qui enim , inquiunt, plura simul intelligit,

una simplici aclione omnia simul attendit.

85) D. gen. et spec. a. a. 0. p. 522.: Nunc illam sententiam, quae voces solas

XIV. Die Lehre von maneries. Platonismus. Bernhard v. Chartres. 125

„maneries“ selbst ist gleichfalls weder so monströs noch so selten, als

Johannes in seiner obigen (Anm. 69) Angabe meint, denn es begegnet

uns nicht bloss in allgemeiner Bedeutung bei Bernhard von Clairvaux *°),

sondern sogar in speciell logischem Sinne bei einem anderen Autor aus

dem Anfange des 13. Jahrhundertes, nemlich bei dem Kanonisten H u

gu c c io (gest. 1212), welcher in seiner lexicalischen Schrift „species“

als „rerum maneries“ definirt *"). Und sowie dieses Wort (das fran

zösische „manière“) nach seiner richtigem Ableitung auf die Bedeutung

„Handhabung“ oder „Behandlungsweise" hinausläuft *°), so musste es in

logischer Anwendung zunächst die subjective Auffassungsweise bezeich

nem und hiemit der nominalistischen Anschauung oder jenem ,,colligere“

(Anm. 68) näher stehen; hingegen erst, wenn „maneries“ von der

Bedeutung „Art und Weise“ allmälig zu der Bezeichnung einer „Sorte“

hinübergewendet : war, konnte es in logischem Sinne objectiv so ge

nommen werden, dass die status-Frage (Anm. 65) hereinspielem mochte,

obwohl auch noch bei „Sorte“ der Gedanke an das „Sortiren“ (d. h.

colligere) nahe genug läge.

Die einseitigen Gegner der einseitigen Nominalisten waren jeden

falls die eigentlichen Plato nik e r, unter welchen uns zunächst. als ein

Hauptrepräsentant Bern h a rd v o n Chartres (bis gegen. 1160 lebend)

begegnet. Während derselbe ebenso sehr eine höchst ausgedehnte lit

terarische Kenntniss als eine entschiedene Lehrgabe besass *°), war er

kein Freund der Neuerungen, sondern wies auf die Altem hin, auf

derem Schultern allein die neuere Zeit stehe, so dass dieselbe nicht sich

genera et species universales et particulares praedicatas et subiectas asserit et non

res, insistamus ...... (p. 523.) Boethius in commentario super Categorias (p. 114.)

dicit ,,quoniam rerum decem genera sunt prima, necesse fuit decem quoque esse

simplices voces, quae de simplicibus rebus dicerentur**; hi tamen eæponunt: ,,ge

nera, id est manerias**. Quasdam autem res universales ait Aristoteles in Perier

menias (b. Boeth. p. 233.) ,,rerum aliae sunt universales, aliae sunt singulares**;

hi tamen eæponunt: ,,rerum, id est vocum** ...... His autem tam apertis auct0

ritatibus rationabiliter obviare non valentes aut dicunt auctoritates mentiri aut ea po

nere laborantes, quia evcoriare nesciunt, pellem incidunt.

86) Epist. 402. (0pp. ed. Martene, Venet. 1765. I, p. 156.): Maneries locu

tionis pro sigillo sit, quia ad manum non erat.

87) Huguccio, der Werfasser einer Summa Decretorum und anderer kanonisti

scher Schriften (Näheres über ihn s. b. Sarti, d. clar. archigymn. Bonon. profess.

I, p. 296 ff. u. b. Du Cange, Glossar. Praefatio §. XLVI.) hatte ein Vocabularium

(liber derivationum) geschrieben, welches theilweise aus dem oben erwähntem Pa

pias (vor. Abschn., Anm. 286 ff.) geschöpft war und mehrfach handschriftlich vor

handen ist. Aus demselben theilt Du Cange s. v. Maneries folgende Worte mit:

Species dicitur rerum maneries, secundum quod dicitur ,,herba huius speciei, id est

maneriei, crescit in horto meo“.

88) S. Diez, Etymol. Wörterb. d. roman. Sprachen p. 216. Ein völlig ver

schiedenes Wort ist maneria, welches von maneo abstammt und verwandt mit man

sio ,,Aufenlhalt* bedeutet (s. Du Cange s. v. Maneria). -

89) Joh. Saresb. Metal. I, 24, p. 57 f.: Bernardus Carnotensis, eacundatissimus

modernis temporibus fons litterarum in Gallia, in auctorum lectione, quid simpleae

esset et ad imaginem regulae positum, ostendebat; figuras grammaticae, colores rhe

toricos , cavillationes sophismatum , et qua parte sui propositae lectionis articulus

respiciebat ad alias disciplinas, proponebat in medio; ita tamen ut n0n in singulis

vniversa doceret, sed pro capacitate audientium dispensaret eis in tempore doctrinae

fmef)Sºurqm.

126 XIV. Platonismus. Bernhard v. Chartres.

selbst eitel überheben dürfe °°). Der antike Kern aber, für welchen

er schwärmt, ist ausschliesslich derTplatonische, und da er die Realität

der Universalien auf Plato's Auffassung hin bethguerte °1), mochte er

wohl vergeblich sich bemühen, Solches mit der aristotelischen Ansicht

zu vereinbaren, s. ob. Anm. 66 u. vgl. untem Anm. 143. Ja- es fällt

kaum mehr der Geschichte der Logik anheim, zu berichten, dass Bern

hard bei seiner idealistischen Hypostasirung des Seins auch die Singu

larität der Individuen (d. h. matürlich nicht die singulären Individuen

selbst) in der intelligiblen Welt vorgezeichnet erblickt und zu dem mysti

schen Begriffe eines Kreislaufes der Gattungen und Individuen gelangt,

in welchem mur die Namen der Evolutionem oder Involutionen das Wech

selnde seien °°). Das Widerspruchsvolle aber, dass diese idealistischen

Verächter der begrifflichen Function des menschlichen Wortes dennoch

auf die übliche Schul-Logik eingiengen, zeigt sich auch bei Bernhard,

von welehem uns in vereinzelter Weise (so dass wir auf eine ähnliche

Bearbeitung der gesammten Logik schliessen dürfen) eine Erörterung

über , die Denominativa (s. Abschn. IX, Anm. 44, Abschn. XII, Amm. 46

u. 174) überliefert ist. Er führte nemlich auch bei den Adjectivis mit

einem ergötzlichen Gleichnisse den platonischen Realismus durch, indem

ihm das entsprechende abstracte Substantivum (z. B. albedo) die reine

platonische ldee repräsentirt, hingegen das Werbum (albet) den Beginn

der Wermischung mit dem Accidentellen , bezeichnet, zuletzt aber das

Adjectivum (album) als der Ausdruck der heillosen Vermengung der

Idee mit der concreten Wirklichkeit gilt °°). Hiernach dürfen wir es

90) Ebend. III, 4, p. 131.: Dicebat Bernardus Carnotensis , nos esse quasi

nanos giganlium humeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non

utique proprii visus acumine aut, eminentia corporis, sed quia in altum subvehimur

et eactollimur magnitudine gigantea.

91) Ebend. II, 17, p. 91 f.: Quoniam universalia corruptioni non subiacent

nec motibus alterantur, quibus moventur singularia ...... , proprie et vere dicuntur

esse universalia, siquidem res singulae verbi substantivi nuncupatione creduntur in

dignae, quum nequaquam stent, sed fugiant, nec eaepectent appellationem ......

Rerum species transeuntibus individuis permanent eaedem .... Hae gutem ideae, id

est eaeemplares formae, rerum primaevae omnium rationes sunt, quae nec diminu

tionem suscipiunt nec augmentum, stabiles et perpetuae, u. s. f., — kurz an Stelle

einer verständigen Auffassung eines Erkenntnissprincipes finden wir nur beschau

liche Tiradem.

92) Aus dem Megacosmus Bernhard's theilt Cousim, 0uvr. indd. d'Abél. p.

627 ff. Einiges mit. Dort lesen wir z. B. p. 628. : Noys summi et eaesuperantissimi

Dei est intellectus et ea. eius divinitate nata natura, in qua vitae viventis imagines,

notiones aeternae, mundus intelligibilis, rerum cognitio praefinita .... Illic in genere,

in specie, in individuali singularitate conscripta, quidquid mundus, quidquid par

turiunt elementa u. s. w. p. 629.: Sic igitur providentia de generibus ad species,

de speciebus ad individua, de individuis ad sua rursus principia repetitis anfractibus

rerum originem retorquebat .... Usia namque primaria foecunda pluralitatis simpli

citas ..... p. 631.: Solis successionum nominibus variatur, quod ab aevo nec con

tinuatione nec essentia separatur. Die Logik ist bei solchem Schwulst wohl zu

Ende, oder hatte vielmehr nie angefangen.

93) Joh. Saresb. Metal. lII, 2, p. 120.: Ev opinione plurium idem principaliter

significant denominativa et ea, a quibus denominantur. Sed consignificatione diversa

aiebat Bernardus Carnotensis, quia ,,albedo“ significat virginem incurruptam, ,,albet**

eandem introeuntem thalamum aut cubantem in toro , ,,album** vero eandem, sed

corruptam. Hoc quidem, qu0niam ,,albedo** eae assertione eius simpliciter et sine

XIV. Platonismus. Wilhelm v. Conches. 127

schwerlich bedauern, dass uns nicht mehr Detail über die logischen

Untersuchungen desselben kund geworden ist.

Gleichfalls an Plato schloss sich an Wilh e l m v o m C o n c h es

(gesl. um 1160), eine der schwierigsten Persönlichkeitem in Bezug auf

Litteraturgeschichte der mittelalterlichen Philosophie **). Doch jener

mit patristischer Philosophie verflochtene Platonismus, welchen derselbe

in Cosmographie, Psychologie und Physik entwickelt, berührt uns hier

nicht, sondern wir beschränken uns auf das Wenige, was betreffs der

eigentlièhen logischen Fragen zu erwähnen ist. lndem Wilhelm in der

Erkenntnisslehre sich auf dem platonischen Standpunkt eines aufwärts

schreitendem Idealismus stellt *°), und auch ausdrücklich ausspricht, dass

er unter den heidnischen Philosophen dem Plato den Vorzug gebe °°),

unterscheidet er wohl eine vierfache Betrachtungsweise aller Dinge,

nemlich eine dialektische, sophistische, rhetorische, philosophische *"),

tritt aber betreffs der ersteren beiden (bei beidem letzteren ist es ihm

ohnediess selbstverständlich) entschiedem auf die Seite der Realisten, in

dem er Diejenigen bekämpft, welche alles Reale ausschliessen oder zu

letzt nicht einmal mehr die Namen der Dinge, sondern überhaupt nur

etliche Worte (d. h. nemlich wohl die quinque voces) zulassem woll

omni participatione subiecti ipsam significat qualitatem ..... ; ,,albet** autem eandem

principaliter, etsi participationem personae admittat, si enim illud eaccutias, quod

verbum hoc pro substantia significat, qualitas albedinis occurret, sed in accidentibus

verbi personam reperies; ,,album“ vero eandem significat qualitatem, sed infusam

commiætamque substantiae et iam quodammodo magis corruptam ...... Multa quoque

proferebat undique conquisila, quibus persuadere nitebatur, res interdum pure, in

terdum adiacenter praedicari, et ad hoc denominativorum scientiam perutilem as

serebat.

94) S. 0udin, d. script. eccl. II, p. 1228 ff. und Brucker, Hist. crit. phil. III,

p. 774., welch letzterer zuerst es bemerkte, dass die ,,Dragmaticon** betitelte Schrift

des Wilhelm von Conches sich gedruckt finde als Werk eines Guilelmus Aneponymus

sin einer von Grataroli besorgten Ausgabe. Und da nun die ,,Magna de naturis

philosophia** Wilhelm's, von welcher wohl Conr. Gesner (Epit. Biblioth. ed. Tigur.

1583, fol. 301.) einen Incunabel-Druck sah, aber 0udin nicht einmal mehr Hand

schriften auffinden konnte, völlig verloren zu sein scheint, und auch von der ,,Phi

losophia minor“ Wilhelm's offenbar nur der Anfang unter demi Titel IIegì διδά

άεων in den Werken des Beda Venerabilis (ed. Colon. 1688. II, p. 206 ff.) gedruckt

ist, darf ich hier wohl gelegentlich berichten, dass von jenem Dragmaticon die

Münchner Universitäts-Bibliothek ein Exemplar besitzt (Dialogus de substantiis phy

sicis confectus a Wilhelmo Aneponymo philosopho ... Industria, Guilielmi Grataroli.

Argentor. 1567. 8.), und dass aus diesem seltenen Buche die Kenntniss der Phi

losophie Wilhelm's noch am vollständigsten geschöpft werden könne. Ausserdem

hat Cousin, 0uvr. ined. d'Abel. p. 669 ff. höchst schätzenswerthe Bruchstücke ver

öffentlicht.

95) S. die bei Cousin a. a. 0. mitgetheilten Bruchstücke, bes. p. 673 f.

96) In genamnter Ausgabe des Gratarolus p. 13.: Si gentilis adducenda est

opinio, malo Platonis quam alterius inducatur; plus namque cum n0stra fide con

cordat.

97) Ebend. p. 4.: De eodem namque dialectice, sophistice, rhetorice, vel phi

losophice disserere possumus. Considerare namque de aliquo, an sit singulare an

universale, est dialecticum; probare, ipsum esse quod non est vel non esse quod

est, sophisticum est; probare, ipsum esse dignum praemio vel poena, rhetoricum;

sed de natura ipsiusque moribus et officiis disserere, est philosophicum. Dialecticus

ergo, sophista, orator, philosophus, de eadem re diversa considerantes et intendentes

disputare possunt.

128 XIV. Realismus. Wilhelm v. Champeaux.

ten *°). Wohl aber gesteht er wenigstens, in ähnlicher Weise wie

Scotus Erigena, sich selbst auf Boethius berufend, dem menschlichen

Geiste die Function zu, die concret existirenden Dinge mit entsprechen

den Namen zu belegen *°), und sowie er einmal gelegentlich auf die

versehiedenen Bedeutungen des Wortes „Substanz“ eingeht 199), so ver

trug es sich mit seinem Realismus sehr wohl, dass er zugleich ein

hervorragender Grammatiker war 10!).

Wenn Bernhard von Chartres den platonischen Realis mus haupt

sächlich in idealistischen Betheuerungen oder sonstigen erbaulichen Wen

dungen kundgab, so war es jedenfalls schwieriger und verdienstlicher,

einmal das Verhältniss ins Auge zu fassen, in welchem man sich die

Universalien als existirende Dinge zu den einzelnen Individuen denken

solle ; und in diesem Versuche liegt die Bedeutung des Wilhelm v om

C h a m p e a u x (gest. 1121), -wenn auch der logische Gesichtspunkt bei

dem Realismus desselben noch hinter den ontologischen zurücktritt.

Doch muss von vorneherein bemerkt werden, dass wir über die An

sichten des Wilhelm von Champeaux bei Weitem nicht so ausführlich

unterrichtet sind, als Cousin und Andere meinten ; denn wir dürfen in

dergleichen Dingen durchaus nicht weiter gehen, als die uns zugäng

lichen völlig unzweideutigen Nachrichten reichen 10°). Schriftstellerische

98) Ebend. p. 5.: Quod intelligentes quidam res omnes a dialeclica et sophi

stica disputatione eaeterminaverunt, nomina tamen earum receperunt, eaque sola esse

universalia vel singularia praedicaverunt; deinde supervenit stullior aetas, quae et

res et earum n0mina eaeclusit atque, omnium disputationem ad quatuor fere n0mina

reducit; utraque tamen secta, quia non erat eae deo, per se defecit. Jene quatuor

nomina können kaum etwas Anderes sein, als die quinque voces, vielleicbt mit Aus

schluss des proprium; im Gegensatze gegen eine solche Beschränkung der Anzahl

werden wir hinwiederum selbst sea, voces treffen, s. Anm. 278.

99) Ebend. p. 29.: Qui hoc nomen ,,corpus“ imposuit constituto eæ quatuor

elementis, quod oculis occurrebat, illud imposuit ; unde ait Boethius (p. 112.) ,,rebus

eacistentibus et in naturae constitutione manentibus humanus animus vocabula im

osuit**.

p 100) Ebend. p. 8.: Nullus qui scripta auctorum recte intelligit, hoc nomen

,,substantia** multarum esse significationum dubitat ..... aliquando .... substantia est

rés per se ezistens; aliquando tam ista quam genera et species istorum substantia

dicuntur, unde ab Aristotele in primam et secundam dividitur; . aliquando , ... actus

subsistendi, ..... aliquando possessio.

101) Joh. Saresb. Metal. I, 5, p. 21.

102) Cousin hat nemlich bei Herausgabe der Dialektik Abàlard's und des

Fragmentes D. gen. et spec. jene sämmtlichen in der Handschrift workommenden

Abkürzungen ,,magister V.“, ,,magister noster V.“, ebensosehr anf Wilhelm von

Champeaux bezogen wie jeme Stellen, in welchen ,, Willelmus“ sich findet; ja er

that sogar das Nemliche, wo einmal (d. gen. et spec. p. 509.) mit dem Wortem

,,Vel aliter secundum magistrum G.** eine Entgegensetzung gegen den vorher (p.

507.), genannten magister Willelmus deutlich genug bezeichnet ist. Und sowie es

nun geradezn leichtfertig ist, unter jenem magister G. gleichfalls unseren Wilhelm

zu verstehen, so haben wir auch keinen Anhaltspunkt hiefür bei der Abkürzung

,, V.“, zumal da dieser Buchstabe selbst dagegen spricht. Da Abàlard, ehe er zu

Wilhelm v. Champ. kam, bei allen hervorragenden Dialektikern Belehrung suchte

(Epist. 1, c. 1, p. 4. Amboes.: proinde diversas disputando perámbulans provincias,

ubicunque huius artis vigere studium audieram, Peripateticorum aemulator factus

sum), so kann er eine. Menge Männer, deren Namen wir nicht kennen, als ,,magi

ster noster** bezeichnen, und wir müssen uns vor voreiligen Schlüssen auf be

stimmte Personem hüten, um nicht auf Abwege (s. z. B. oben Amm. 83.) zu gera

XIV. Wilhelm v. Champeaux. 129

Produkte Wilhelm's sind uns nicht zur Hand 108), und wir sind haupt.

sächlich auf eine Angabe Abälard's beschränkt, welcher sich rühmt,

Wilhelm's Ansicht über die Universalien derartig mit Glück bekämpft

zu haben, dass derselbe sie bedeutemd modificirte, hiedurch aber an

Geltung und Frequenz seines Unterrichtes so sehr verlor, dass ein förm.

licher Uebergang Aller zu Abälard's Ansicht stattgefunden habe 10*).

Wilhelm nemlich habe zunächst behauptet, dass die Universalien als

einheitlich gleiche Dinge in unzerstückter Ganzheit auf wesentliche Weise

(essentialiter) den sämmtlichen unter 'sie fallenden Individuen zugleich

einwohnem, und hiemit zwischen den Individuen kein Wesens-Unterschied

bestehe, sondern dieselben nur in der Mannigfalligkeit zufälliger Be

stimmungen beruhem. Und sowie sich diess durch die oben (Anm. 72)

angeführte Stelle aus D. gen. et spec. wörtlich bestätigt, so erhalten

wir ebendort eine nähere Erklärung, welche uns sogar auf eine ganz

vereinzelte Stelle des Boethius hinüberweist und hiedurch einen richtigen

Einblick gewährt, wie das Getriebe der damaligen Partei-Controversen

wohl mehr durch zerbröckelte Schulweisheit als durch innere princi

pielle Auffassungen getragen war. Wilhelm behauptete nemlich, es seien

unter jenem zufällig Hinzukommenden (adveniens) die individuellen For

men zu verstehen, welche den im Gattungsbegriffe bestehendem Stoff

derartig ausprägen (materiam. informant), dass dabei das allgemeine

Wesem nach seinem' ganzen Gehalte (secundum totam suam quantitatem)

eine Individualisirung erfahre, was dann in dieser Weise betreffs der

then. Den Folgerumgen Cousin's schlossen sich aber Rousselot, Hauréau und auch

H. Ritter an. -

103) Hauréau, De la phil. scol. I, p. 233. berichtet, dass Ravaisson in der

Bibliothek zu Troyes 42 Fragmente Wilhelm's gefunden habe; die dereinstige Wer

öffentlichung derselben würde gewiss manchen Aufschluss geben. Dass Wilhelm v.

Champ. ,,Glossulae super Periermenias** geschrieben habe, darf nach dem so ehem

(vor. Anm.) Gesagten nicht gefolgert werden, da die betreffende Stelle bei Abae

lard Dialect. p. 225. eine so betitelte Schrift nnr einem ,,magisler noster V.“

zuschreibt.

104) Abael. Epist. 1, c. 2, p. 4.: Perveni tandem Parisios, ubi iam maæime

disciplina haec florere consueverat, ad Guillelmum scilicet Campellensem praeceptorem

meum in hoc tunc magisterio re et fama praecipuum, cum quo aliquantulum moratus

primo ei acceptus postmodum gravissimus eaestiti, cum nonnullas scilicet eius sen

tentias refellere conarer et ratiocinari contra eum saepius aggrederer et nonnunquam

superior in disputando viderer ...... (p. 5.) Tum ego ad eum reversus, ut ab ipso

rheloricam audirem , inter cetera disputationum nostrarum conamina antiquam eius

de universalibus sententiam patentissimis argumentorum disputationibus ipsum com

mutare, imo destruere compuli. Erat autem in ea sententia de communitate univer

salium, ut ' eandem essentialiter rem totam simul singulis suis inesse adstrueret in

dividuis, quorum quidem nulla esset in essentia diversitas, sed sola multitudine

accidentium varietas. Sic autem istam suam correacit sententiam, ut deinceps rem

eandem non essentialiter, sed individualiter (die Variante ,,indifferenter“, welche

Ambois am Rande gibt, fand sich auch in mehreren Handschriften, s. Hauréau a.

a. 0. I, p. 236.) diceret. Et.... cum hanc ille correaeisset, imo coactus dimisisset

sententiam, in lantam lectio eius devoluta est negligentiam, ut iam ad dialecticae

lectionem viae admitteretur, quasi in hac scilicet de universalibus sententia tota huius

artis consisteret summa (vgi. Anm. 60.). Hinc tantum roboris et auctoritatis nostra

suscepit disciplina, ut ii qui antea vehementius magistro illi nostro adhaerebant et

maæime nostram infestabant doctrinam, ad nostras convolarent scholas.

P R A nt l, Gesch. II. 9

130 XIV. Wilhelm v. Champeaux.

ganzen Stufenleiter von Gattung durch Art zum Individuum herab gelte 19°).

Auch führte er, wie anderwärts Abälard berichtet, von den zehn Kate

gorien beginnend diesen Process einer Information bis zu den Individuen

hinab durch, und konnte dabei, da jene unterscheidenden individuelleren

Formen selbst wieder auf Universalien zurückweisen, die Aussagbarkeit

der Universalien dadurch erklären, dass dieselben den Individuem ent

weder wesentlich oder durch Beifügung (adiacenter) zukommen 10°).

Eben hierin aber liegt entschieden eine gewisse Gröblichkeit dieses Rea

lismus, welche unschwer in ihrer äussersten Consequenz aufgedeckt

werden konnte, da ja danm in jedem Individuum nicht bloss die ganze

Reihe aller ihm entsprechenden Art- und Gattungs-Begriffe, sondern

auch in, Anbetracht der accidentellen Unterschiede abermals eine mehr

fache Reihe allgemeinerer Begriffe ungetheilt reell vorhandem sein müsste,

so dass zuletzt jedes einzelne Ding ein realer Inbegriff aller Univer

salien wäre und ein cruder Pantheismus als Folge sich ergäbe ; sowie

wieder andrerseits, wenn mehr jene Zufälligkeit der individualisirenden

Bestimmungen betont würde, schliesslich ja sämmtliche Substanzen ein

ander, gleich wären, da jenes Zufällige ihr substantielles Wesen nicht

berühre, so dass auch von dieser Seite her der Vorwurf des Pantheis

mus schwer vermieden werden konnte (s. unten Anm. 283). Vielleicht

mochte Abälard wirklich derartigen Einyvendungen seinen Sieg über

Wilhelm verdanken, und wenn Letzterer in Folge hievon zu der Ansicht

umsprang, dass die Universalien in individueller Weise (individualiter),

also bereits nicht mehr in total einheitlicher Weise, den Individuem ein

wohnen '""), so hatte er durch dieses Umschlagen zum Gegenlheile

105) D. gen. et spec. p. 513 f.: Homo quaedam species est, res una essen

tialiter, cui adveniunt formae quaedam et efficiunt Socratem; illam eandem essen

tialiter eodem modo informant formae facientes Platonem et cetera individua hominis,

nec aliquid est in Socrate praeter illas formas informantes illam materiam ad fa

ciendum Socratem, quin illud. idem eodem tempore in Platone informatum sit formis

Platonis. Et hoc intelligunt de singulis speciebus ad individua et de generibus ad

species .... Ubi enim Socrates est, et homo universalis ibi est, secundum totam suam

quantitatem informatus Socratitate (betreffs des Begriffes Socratitas s. die entspre

chende Auffassung des Porphyrius und Boethius Abschn. XI, Amm. 43.); • quidquid

enim res universalis suscipit, tota sua quantitate retinet ..... quidquid suscipit, tota

sui quantitate suscipit. Gerade auch dieses aber ist aus Boethius geschöpft, wel

cher (ad Porph. p. 87.) gelegentlich der Differenz sagt: Neque enim ut in corpore

solet esse alia pars alba alia nigra, ita fieri in genere polest; genus enim per se

consideralum partes non habet, nisi ad species referatur; quidquid igitur habet,

non partibus , sed tota sui magnitudine retinebit. So reducirt sich bezüglich der

Geschichte der mittelalterlichen Philosophie mancher Schein auf seinen wabrem

Gehalt; vgl. Anm. 129, 134, 170, 286. -

106) Glossul. sup. Porph. bei Rémusat (s. Anm. 13. u. 73.) p. 97.: Il, y a

naturellement diae choses génerales ou communes, ce sont les diae categories; de ces

universauae primitifs proviennent les choses génerales qui sont essentiellement dans

les choses individuelles, grâce à des formes différentes. Ainsi l'animal, qui de

nature est substance, est, comme subslance animee, sensible dans Socrate ou dans

Brunel, tout entier dans l'un comme dans l'autre, sans autre différence que celle

des formes. A ce compte l'universel serait attribuable á plusieurs, en sens qu'une

néme chose serait en plusieurs, diversifiée uniquement par l'opposition des fórmes,

et conviendrait ainsi auae individus soit essentiellement, soit ädjectivement (,,essen

tialiter vel adiacenter“).

107) Auch ich halte demnach, wenn auch aus anderen Gründen als Hauréau

XIV. Wilhelmv. Champeaux. Die Schwierigkeiten des Realismus. 131

seiner früherem Ansicht sich eben einfach blamirt, und es wäre erklär

lich, dass seine Schüler in Masse von' ihm abfielen, wenn wir auch

nicht vergessen- wollen, dass derartige Berichte Abälard's, welche theil

weise ihn selbst betreffem, sehr leicht mit einer Dosis Eitelkeit versetzt

sein könnem. Jedenfalls aber stimmt es mit jenem Realismus und init

jener Einschachtlung der .Gatlungs- und Art-Begriffe und der acciden

tellen Formen vollständig überein, weun Wilhelm (offenbar bei Erörte

rungen über die Eintheilung, s. umten Anm. 122) behauplete, in dem

Namem, der Differenz, welcher nicht adjectivisch, sondern substantivisch

zu, nehmen sei, liege schon der Artbegriff derartig, dass dabei Stoff

(d. h. Gattung) und Form (d. h. Differenz) zugleich gedacht werden

und z. B. ,,Beseelt“ genau dasselbe wie „beseelter Körper“ bedeute 10°).

Auch ist uns überliefert, dass derselbe bezüglich der Theilung des Con

tinuirlichen (s. unten Anm. 126) an dem Begriffe eines letzten Untheil

barem,. z., B. des Punktes, feslhielt 109), sowie endlich die vereinzelte

Notiz, dass er betreffs der Topik das Wesem der inventio in ' die Auf.

findung: eines Mittelbegriffes verlegte 11°).

Wahrscheinlich gaben gerade die Schwierigkeitem, an welchen die

Ansieht des Wilhelm v. Champeaux leidet, die Veranlassung dazu, dass

die Realisten, während sie im Allgemeinen den Standpunkt desselben

oder Ritter, in obiger Stelle (Anm. 104.) die Lesart ,,individualiter** für die rich

tige, weil sie eben auf ein haltloses Umspringen Wilhelm's hinweist, wohingegen

die sog. Indifferenz-Ansicht, welche in der Wariante ,,indifferenter** läge, schon

manche nicht unbedeutende Anhänger zählte, und die Berichterstatter über dieselbe

es sicher nicht werschwiègen hätten, wenn gerade Wilhelm v. Champ. selbst sich

später zu ihr bekannt hätte. -

108) Abael. Dialect. b. Cousin p. 454 f.: Iuvat .... perquirere, cum dicitur

divisio generis fieri per differentias, ;atque in loco specierum differentiae poni di

cuntur, utrum per differentiarum nomina ipsas formas specierum accipiamus , an

potius ipsa vocabula differentiarum intelligamus, quae a quibusdam sumi dicuntur in

officio specialium n0minum ac pro speciebus designandis usurpari, ut tantundem

,,rationale** valeat quanlum ,,rationale animal“ et tantundem ,,animatum“ quantum

,,animatum corpus**, ut non solum formae significatio, verum etiam materiae teneatur

in nominibus differenliarum. Quae quidem sententia W. magistro nostro praevalere

visa est; volebat enim, memini, tantam abusionem in vocibus fieri, ut , cum nomen

differentiae in divisione generis pro specie poneretur, non sumptum esset a differentia,

sed substantivum speciei momen poneretur; alioquin subiecli in accidentia divisio dici

potest secundum ipsius sententiam, qui differentias generi per accidens inesse volebat;

per nomen itaque differentiae speciem ipsam volebat accipere.

109) D. gen. et spec. p. 507.: Quod si continuum dicamus, quidam inde sic

argumentantur: Si domus est, paries est, et si paries est, dimidius paries est, et

si dimidius paries est, et dimidium dimidii est, et ita usque ad ultimum lapillum ;

quare, si haec domus est, et ultimus lapillus est; si ergo nullus lapillus est, etiam

nulla domus est. ...... Solebat autem opponere magister Willelmus huic argumenta

tioni sic: Licet prima consequentia (i. e. si haec domus est, hic paries est) vera

sit, non tamen illa quae sequitur (i. e. si hic paries est, hic dimidius paries est)

vera erit; non enim verum est compleacionaliter, quod, si quaelibet pars sequitur

ad totum suum, idcirco ad positionem eiusdem partis sequalur pars illius; sequitur

enim bipunctalem lineam pars eius , i. e. punctum, non tamen ad punctum pars eius

sequitur, quia, nullum habet. - -

110) Joh. Saresb. Metal. III, 9, p. 145.: Versatur in his (sc. in Topicis) in

ventionis, materia, quam hilaris memoriae, Willelmus de Campellis .... definivit, etsi

non perfecte, esse scientiam reperiendi medium terminum et, inde eliciendi argumentum.

9*

132 XIV. Die Schwierigkeiten des Realismus..

billigen mochten, durch Begründungs- oder Werbesserungs-Versuche selbst

wieder unter sich in eine Menge von Parteien zerfielen, deren einzelne

Unterschiede — von den Namen ihrer Wertreter ganz zu geschweigen

— wir in ihrer Durchführung nicht mehr näher . verfolgen können.

Ausser theologischen Bedenken, welche sich erhoben, mochte man die

Universalien als Erzeugnisse einer Schöpfung oder als ewige Wesen

nehmen, zumual da Einige wirklich alle einzelnem Eigenschaften Gottes

auf solche Weise als „Dinge* bezeichneten '''), war es in ontologischer

Beziehung wohl jene gegenseitige Einschachtlung aller Universalien,

welche man vermeiden wollte. Einige daher ergriffen die allerdings

plumpe Auslülfe, dass sie obiges (Amm. 105) „Hinzukommen“ der art

machenden Unterschiede als ein mur vorübergehendes nahmen, um hie

lurch die Selbstständigkeit der Gattung zu wahren ***). Andere hin

gegen zogen eine aristotelische Auffassung bei, indem sie die Gattung

als den in seinem Wesen gleichbleibenden Stoff betrachteten, welcher

in den Artem verschieden geformt werde, geriethen aber eben wegen

jener Wesensgleichheit in Conflict mil der Lehre von den Gegensätzen ''*).

Und sowie bezüglich des Processes einer solchen Formgebung wieder

die Frage auftauchte, ob der artmachende Unterschied nur das Mittel

der Artbildung sei, oder hingegen zugleich mit der Gattung in das

Wesen der Species selbst übergehe, und Einige (offenbar , näher am

Wilhelm v. Champ. stehend) sich auch wirklich für Letzteres entschie

111) D. gen. et spec. p. 517.: Genera et species aut creator sunt aut creatura;

si creatura sunt, ante fuit suus creator quam ipsa creátura; ita ante fuit deus

quam iuslilia et fortitudo .... .itaque ante fuit deus quam esset iustus vel fortis.

Sunt autem qui ... illam divisionem .... sic faciendam esse dicunt: quidquid est, aut

genilum est aut ingenitum; universalia autem ingenita dicuntur et ideo coaeterna, et

sic secundum eos qui hoc dicunt, ... non deus aliquorum factor est. Abael. Introd.

ad theol. II, p. 1067. (Amboes.): Tertius vero praedictorum (sc. magistrorum divinae

paginae, nemlich ein magister in pago Andegavensi) non solum personarum proprie

tates res diversas a deo constiluit, verum etiam potentiam dei, iustitiam, misericor

diam, iram et cetera huiusmodi, quae iuaeta humani sermonis consuetudinem in deo

significantur, res quasdam et qualitates ab ipso diversas, sicut et in nobis, concedit,

ut qu0t fere v0cabula de deo dicuntur, tot in deo res diversas constituat.

112) D. gen. et sp. p. 515 f.: Illud ergo maioris simplicitatis, quod dicunt

quidam, quia differentiae quidem adveniunt generi, sed non fundantur, unde et per

se dicitur, quia sibi ipsi facit subiectum. - -

113) Abael. Dialect. p. 399 f.: Nota aulem, id quod diacimus, contraria maæime

esse adversa, eorum obesse senlentiae, qui eandem in essentia materiam generis in

omnibus proponunt speciebus ipsis, ut eadem prorsus sit in essentia materia hominis

et asini, quae est animal, sed diversae quidem hic et ibi illius formae. Es bezieht

sich auch jene oben (Anm. 105.) angeführte Stelle , des Boethius auf die Frage

über die Gegensätze. Ja es scheint diese schwierige Controverse sich in irgend

einen Schulwitz vom ,,grossen Esel“ zugespitzt zu haben, denn kaum anders werden

wir die Worte D. gen. et spec. p. 536.: duo opposita esse in eodem, quod scilicet

inconveniens effugere non possunt, qui grandis asini sententiam tenent verstehen

können, da die Schreibweise des dortigen Verfassers nicht zulässt, ,,grandis asinus**

etWa als beschimpfende Bezeichnung des Wilhelm v. Champeaux zu nehmen; wie

jedoch der Witz formulirt gewesen sei, können wir nicht einmal errathen. Aehn

liches Wohl finden wir bei einer anderen Controverse, s. unten Anm. 352., und

eine wirkliche Formulirung, in welcher jedoch der Begriff ,,grandis* keine Stelle

findet, s. untem Anm. 434, -

XIV. Die Schwierigkeitem des Realismus. 133

den ''*), so trat andererseits für die Gattungs- und Art-BegrifTe auch

dadurch eine Schwierigkeit hervor, dass Gegensätze (wenigstens in ihrem

individualisirten Dasein) an Ein und demselben Subjecte sich finden,

wornach also, wenn z. B. ein Mensch zwar keusch, aber zugleich geizig

ist, in demselben das Universale des Guten mit jenem des Bösen zu

sammentreffen müsste; Einige nun halfen sich mit eimer Distinction

zwischen den höheren Gattungen und den specialisirten Arten der Gegen

sätze, indem sie wenigstens diese letzteren von der Möglichkeit des

Zusammentreffens ausschlossen, Andere hingegen dehnten sogar auch

auf diese das bedenkliche Zugeständniss aus 11°). Wielleieht gerade hie

durch wurdem wieder Andere zu dem radicalem Mittel veranlasst, zu

behaupten, dass die ganze Function des artmachenden Unterschiedes

überhaupt nur in der Kategorie der Substamz ihre Stelle habe, bei den

Qualitätem hingegen dasjenige, was man Arten oder Unterartem menne,

eigentlich sofort als Gestaltung von Individuem zu betraehtem sei, demn

z. B. Weiss und Schwarz seien in der gleichen Weise zwei verschie

dene Wesen wie zwei Menschen - lndividuen 11°). Ja Einige glaubten

selbst bei dem Substanzen den Grundsatz, dass mach Wegfall der Gat

tung auch die Art wegfalle (nicht aber umgekehrt), sogleich beschränken

zu müssem, sobald mit dem Wesen der Gattung eine qualitative Aende

rung vor sich gehe, denn es sei z. B. unrichtig zu sagen: „Wenn es

kein Mehl gibt, gibt es kein Brod*, da das Mehl vorerst in Teig zu

andern sei und hiemit auch bei gänzlichem Mehl-Mangel es Brod geben

könne, woferne es mur Teig gebe 117).

4* -

114) Abael. Dial. p. 477.: Rationalitas enim et mortalitas advenientes substan

tiae animalis eam in speciem creant, quae est homo; nec cum ipsae generis substan

tiam in speciem reddunt, ipsae quoque in essentiam speciei simul transeunt, sed sola

genera vel subiecta specificantur ..... non quidem cum differentiis sed per differentias

- - - - . Si enim differentiae in speciem transferrentur cum genere, sicut quorundam sen

tentia tenet, . . ... profecto cogeremur fateri, et differentias ipsas cum genere aeque

in essentia speciei convenire , unde et ipsas de substantia rei esse et in partem ma

teriae venire contingeret.

115) Ebend. p. 390.: Sunt autem quidam qui contraria genera in eodem esse

non abhorrent, sed contrarias species in eodem esse impossibile confitentur. Dicunt

enim quod cum omnia accidentia per individua in subiecta veniant, et ipsa contraria

genera per individua sua subiectis contingunt, ..... ut virtus et vitium, quae in hoc

homine per hanc castitatem et hanc avaritiam recipiuntur, quae individua sunt casti

tatis et avaritiae, quae invicem species non sunt contrariae .... Verum species con

trarias esse in eodem per aliqua sua individua, illud prohibet, quod nec ipsarum

individua in eodem possunt esse, quorum sunt tota substantia ea quae sunt contraria,

utpote species ...... Sunt autem et qui species contrarias in eodem posse consistere

non denegant.

116) D. gen. et spec. p. 541.: Sunt tamen qui solum praedicamentum substan

tiae differentias habere dicunt, et cum qualitas dividatur in duas proæimas species,

dicunt illas non diversificari a genere per aliquas differentias, sed sicut illa essentia

hominis quae est in me, non est quae illa est in altero, et tamen dissimili forma

non differunt, eodem modo albedo non est nigredo, nec tamen aliqua forma suae

essentiae differt ab ea, sed utraque mera est essentia.

117) Abael. Dialect. p. 485 f.: Destructo genere speciem perimi necesse est, per

empta vero specie genus remanere contingit ..... Quod tamen quidam in his deter

minant, in quorum constitutione materia suum esse non mutat, sed quod habebat

per se, etiam in coniunctione retinet, ut hic paries, qui et in constitutione domus

paries manet, sicut ante fuerat. Farina autem panis materia dicitur, sed versa in

134 XIV. Die Schwierigkeiten des Realismus.

Sowie aber diese Controversen, welche meist mit einem Aufwande

von Stellem aus Boethius geführt wurden, bereits, wie man sieht, an

die Gränze des Unverständigen heranrückten, so hatten sie nach dem

Worbilde der üblichen Schul-Logik ihrem verwandten Tummelplatz auch

in der Lehre von der Eintheilung (s. oben Anm. 75) und der Defini

tion. Alle Realisten kamen zwar darin überein, dass sie im Ansehlusse

an die Auffassungsweise des Boethius (Abschn. XII, Anm. 98) oder viel

mehr des Porphyriüs (Abschn. XI, Anm. 41 ff. vgl. Abschn. III, Anm.

78 ff.) dem platonischen Werfahren einer fortgesetzten Dichotomie den

Vorzug gaben 11°); aber schon sogleich bei der zur Definition erforder

lichen Eintheilung der Gattung musste die Frage wiederkehren, wie es

sich mit den am Gattungsbegriffe unterseheidbaren Wesens-Theilen ver

halte, und während die Einen behaupteten, dieselben seien durch Mi

sehung vereinigt, etwa wie auch aus der Mischung von Weiss und

Schwarz eine anderweitige dritte Farbe entstehe '*°), wiesen Andere

darauf hin, dass ja alle Wesenstheile der Gattung auch einzeln als

Prädicate von den zur Gattung gehörigen Individuen ausgesagt werden

können 130); hingegen auch diess wurde von Einigen wieder bestritten,

da jene Wesenstheile nur als allgemeinere Begriffe, d. h. abgesehen von

ihrer Verbindung mit anderen wesentlichen Merkmalem, Prädicate seien,

nemliclj als Prädicat werde z. B. vom Menschen nicht die speciell mensch

liche Körperlichkeit, sondern eben die allgemeine Körperlichkeit über

haupt ausgesagt, und ebenso auch die Geistigkeit ***). Eine andere mit

Letzterem offenbar verwandte Controverse betraf die Frage, ob bei der

Einlheilung der Gattung der Name des artmachenden Unterschiedes nur

auf die Species oder zugleich auch auf die zu Grunde liegende Gattung

sich beziehe ***). Auch konnte, je nachdem man die Differenz mehr

von der Gattung trennte (Amm. 112, 1 14), die Aufgabe der Definition

in die blosse Angabe der Qualitäten verlegt werden und hiedurch unter

den in der Schul-Tradition (Abschn. XII, Anm. 2, 107 u. 178) aufge

panem suum mulat esse, cum scilicet farinam esse deserit et in micas convertitur,

unde necquidquam conceditur, ut, si farina non sit, panis desit etc.

118) Ebend. p. 458.: Si autem genus semper vel in proacimas species vel in

proacimas differentias divideretur, omnis divisio generis, sicut Boethio (d. divis. p.

643) placuit, bimembris esset ..... Hoc autem ad eam philosophicam sententiam

respicit, quae res ipsas, non tantum voces, genera et species esse confitetur.

119) Gilb. Porret. ad Boeth. d. Trin. (Boeth. 0pp. ed. Basil. 1570) p. 1144.:

Putant quidam imperiti ..... quod non sit vera dictio, si quis dicat ,,homo est cor

pus“ n0n addens ,,et anima*', aut si dicat ,,homo est anima** non addens ,,et

corpus“, opinantes, quod, eæ qu0 diversa ut unum componant coniuncta sunt, esse

utriusque adeo sit eæ illa coniunctione confusum, ut sicut cum album et nigrum

permiscentur, quod eæ illis sit, nec album nec nigrum dicitur, sed cuiusdam , alte

rius coloris ea, illa permiactione provenientis.

120) Ebend. p. 1143.: corporalitas non modo de hominis illa parte, quae

corpus est, verum etiam de homine praedicatur, et rationalitas non m0d0 de hominis

illa parte, quae spiritus est, sed etiam de homine praedicatur ...... (p. 1144.) quid

quid de parte naturaliter, idem et de composito affirmandum.

121) Ebend. p. 1144. : Eorum aliqui dicere gestiunt, aliam rationalitatem quam

illam, quae est humani spiritus, de homine dici, et similiter scientiam aliam et

aliam c0rp0ralitatem quam quae humani corporis est.

122) Die betreffende Stelle ist vollständig oben, Anm. 108., angeführt.

XIV. Die Schwierigkeiten des Realismus. 135

zählten Arten- der Definitiom die qualitative den Worzug erhalten 128).

Noch sehwieriger aber gestaltete sich nach 0bigem (Anm. 112 u. 116)

die Frage, wie es mit der Definition der Qualitäten selbst, d. h. der

adjectivisch ausgedrückten Begriffe, stehe, und es erhob sich hierüber

eine der ausgedehntesten Controversen; denn wenn man auch bezüglich

der Worfrage, ob bloss das Wort oder dessen begriffliche Bedeutung

Zu definiren sei, in realistischem Sinne sich für Letzteres entschiedem

hatte, so , dass die Eigenschaft als ein Geformtsein dureh ein Universale

(z. B. formatum albedine) definirt würde, so konnte wieder gefragt

werden, ob diess die Definition der Eigenschaft selbst (albedo) oder

des qualificirtem Substrates (album) sei; und hielt man sich damn, da

.ersteres zu einer sinmlosen Werdopplung führt, an letzteres, so trat das

Bedenken auf, ob hiemit jedes einzelne derartige Substrat definirt sei,

oder etwa sämmtliche zusammen, und nothwendiger Weise zeigte sich

wieder diess Beides als haltlos, da weder die Dinge selbst, sondern

mur eine Eigenschaft definirt ist, noch auch die Dinge vermöge Einer

Eigenschaft, die sie gemein haben, in ihrem Wesen identisch sind ***).

Sowie aber diese ganze Discussion im Principe noch auf dem nemlichen

niedrigen Standpunkte steht, welehen wir oben (vor. Abschn. Anm.

350 ff.) bei dem Realisten Anselmus trafen, so tragen auch die Streitig

keiten über die zweite Methode des Eintheilens (Abschn. XII, Anm. 96

u. 100), nemlich über die Theilung des Ganzen in seine Bestandtheile,

eine arge Einseitigkeit in sich. Denn wenn die Frage, was ursprüng

licher Theil (pars principalis) sei, im die. Alternative hineingetrieben

wurde, dass die Einen jene Theile als ursprüngliche bezeichnetem,

welche, während sie das Wesen des Ganzen constituiren, selbst micht

mehr Theile eines Theiles sind (z. B. beim Menschen Seele und Leib),

die Anderen hingegen jene letzten Bestandtheile, durch deren Zerstörung

123) Abael. Dialect. p. 492.: Multi, cum significationem substantiae huius no

minis quod est ,,homo** agnoscant, nec qualitates ipsius satis eae ipso percipiant,

tantum propter qualitatum demonstrationem diffinitionem requirunt. . .

124) Ebend. p. 495.: At vero in his diffinitionibus quae sumptorum (diess bei

Abälard das übliche Wort für Adjectiva, s. untem Amm. 321.) sunt vocabulorum,

magna, memini, quaestio solet esse ab his, qui in rebus universalia primo loco

ponunt .... Dupleæ enim horum nominum quae sumpta sunt significatio dicitur, altera

principalis, quae est de forma, altera vero secundaria, quae est de formato; sic

enim ,,album** et albedinem, quam circa corpus subiectum determinat, primo loco

significare dicitur, et secundo ipsius subiectum, quod nominat. Cum itaque album

hoc modo diffinimus „formatum albedine“, quaeri solet, utrum haec diffinitio sit

tantum huius vocis, quae est ,,album“, an alicuius suae significationis. At vero

cum vocem non secundum essentiam suam, sed significationem diffiniamus, videtur

haec diffinitio reete ac primo loco illius esse. Restat ergo quaerere, sive illius

significationis sit, quae prima est, i. e. albedinis, sive eius, quae secunda est, quae

est ,,subiectum albedinis**. At vero si haec diffinitio albedinis sit, praedicalur de

ipsa, et de quocunque albedo dicitur, et ipsa diffinitio praedicatur; at vero quis

albedinem vel hanc albedinem formari albedine concedat? .... Si vero diffinitio su

praposita eius rei, quam ,,album“ nominant, esse dicatur, ... quaeritur, utrum

uniuscuiusque sit per se, quod albedinem suscipiunt, sive omnium simul acceptorum.

Quod si uniuscuiusque sit illa diffinitio, utique et margüritae; unde de quocunque

illa diffinitio dicitur, et margarita praedicátur, quod omnino falsum est. Si vero

omniumi simul acceptorum esse concedatur, oportebit, ut de quocunque diffinitio illa

enuntiatur, omnia simul praedicentur, qu0d iterum falsum est.

136 XIV. Die Schwierigkeiten des. Realismus.

das Ganze zerstört wird (z. B. Haupt oder Herz), als die ursprünglichen

betrachteten 13°), so war in Folge des ontologischen Realismus bei

ersterer Beantwortung dieser ganze Gesichtspunkt der Eintheilung ent

stellt und in das Gebiet der Definition verdreht, bei letzterer aber unbe

dachtsam die subjective Denkfunction des Menschen, welche dem Theil

begriff erst schalft, in dem objectiven Bestand umgesetzt, eine Stumpf

heit der Auffassung, von welcher sich bereits der roscellinische Nomi

nalismus (vor. Abschn., Anm. 321 f.) freigemacht hatte. Während `die

Einen die Theilung ins Unendliche als eine objectiv materielle verstanden

und hiebei die gestaltende Form umberücksichtigt liessen oder vielmehr

vernichteten 4*°), warfen sieh Andere, wie z. B. ein gewisser Magister

,,G.“, auf die Wirkung der Form und hielten das quantitative Verhältniss.

der Stofflheile für gleichgültig 1*7), und auf solcher Basis wurde dann

die Controverse geführt, inwieferne ein Mensch bei Zerstörung eines

Finger-Nagels noch Mensch bleibe oder nicht 1**).

125) Ebend. p. 463 f.: Est autem quaestio, quas principales, quas secundarias

partes vocari conveniat; alii enim secundum constitutionem, alii secundum destructio

nem has considerant. Hi numque eas principales vocant, quae partium partes non

sunt, sed tamen totius, ul in hoc homine animam et corpus, quibus coniungitur, vel

in hac domo hunc parielem et hoc tectum et hoc fundamentum. Qui vero princi

palitatem secundum destructionem considerant, dicunt eas tantum principales esse,

quae substantiam totius destruunt, ut caput, quod abscissum hominem perimit.

126) D. gen. et spec. p. 510.: Quidam adhuc argumentantur: si haec domus

est, et quaelibet eius disgregala.pars est, et ita hic asser est, cum sit eius disgre

gata pars ; et si hic asser est, medietas huius asseris est, deinde dimidium dimidii,

et sic usque ád punctum; itaque si haec domus est, et hoc punctum huius asseris

est; quare si hoc punctum non est, nec ista domus est. Eine zweite Stelle wurde

schon oben, Anm. 109., angeführt. Ferner Abael. Dialect. p. 182.: Talem rationem

magistri nostri sentenlia praetendebat, ut eae punctis lineam constare convinceretur:

cum, inquit, linea ubique p0ssit incidi atque separalis partibus in capite uniuscuius

que puncta appareant, quae prius erant coniuncta, oportet per totam lineam puncta

esse ; quod si puncta .... de essentia lineae non sint, magis partes lineae continuare

possunt, quam albedo supraposita ?

127) D. gen. et spec. p. 509.: Vel aliter secundum magistrum G. (s. Anm. 102.):

Prius videndum est, quid dicant voces istae ,,si paries est, et hic dimidius paries“;

dicitur inde, hic paries non est positus eæ duobus, lapidibus vel quatuor et forma,

sed corpus infectum tali proprietate, quae parietem faciat; quotiens ergo in aliquo

subiecto talem formam reperiunt, sive augmentetur quantitas sive diminuatur, forma

tamen, quae prius fuerat, remanet, verbi gratia, si alterum caput serpentis duo

capita halientis amputetur, serpens tamen, qui prius fuerat, remanet. Abael. Dialect.

p. 181.: Sunt autem quidam, qui .... neque lineam eæ punctis neque superficiem

ea, lineis aut corpus ea, superficiebus constare concedunt ..... Non est itaque haec

constitutio ad omnem lineam referenda, sed ad maiores, quas sensu quoque ipso

c0ncipimus et per quas homines mensurare consueverunt.

128) D. gen. et spec. p. 511.: Sic itaque crescendo novasque creaturas pro

gressive creand0, donec ad aliquam Socratis perveniatur particulam, utpote ad ungues,

habebis unam magnam naturam, quae erit pars Socratis et non Socrates, quia in eius

constitutione non est ungula, quae ungula pars est etiam Socratis cum illa magna

parte. Hac autem ungula destructa destruitur pars illa nalurae, cuius ungula pars

est, quae natura est Socrates, et ita destruitur Socrates; illa autem magna natura,

quae prius pars Socralis erat et non Socrates, destructa ungula remanet Socrates, et

ita quod prius non erat Socrates, fit Socrates. 0der ähnlich ebend. p. 512. : Haec

sententia medium digiti naturam unam esse negat, sed si abscindatur, creaturam esse

fmerito dubitat; aut ergo creatura erat in digito, priusquam amputaretur, aut post

abscissionem creatur.

XIV. Die Lebre, von status. Walter v. Mortagne. 137

Wenn auf diese Weise der Realismus jenes Missgeschick, welches

ihm in den eigentlich logischen Fragem ankleben muss, wirklich mannig

fach beurkundete, so ist es nicht zu wundern, dass von mehreren Seiten

neue Wege zur Erklärung der Universalien eingeschlagen wurdem, wobei

man den Schwierigkeitem des Realismus ebensosehr wie der Einseitig

keit des Nominalismus zu entgehen wünschte. Die Bedeutung einer

Uebergangsformation scheint zunächst jene Auffassung zu haben, welche

von ihrem Stichworte als die ,, s t at u s- A n s i c h t * bezeichnet werden

|könnte, und gleichfalls (vgl. Anm. 112) durch jene Bedenken veranlasst

zu sein scheint, welche den Behauptungen des Wilhelm v. Champeaux

entgegenstanden. Wenn nemlich das allgemeine Wesen der Gattung

durch individuelle Formen seinem ganzen Gelialte nach specialisirt wer.

den soll (Anm. 105), so ist schwer einzusehen, wie es mit jemen „hin

zukommenden Eigenschaften“ (advenientia) stehe, welche innerhalb einer

Gattung entweder variiren oder mur vorübergehend sind. Hier nun

griffen Einige zu dem Auskunftsmittel, dass das Universale von solchen

Qualitäten wohl afficirt werde, nicht jedoch insoferne es eben ein Uni

versale sei, und sowie 'man einmal so weit gegangen war, konnten

sich leicht die Universalien, welche bei den Realisten als Dinge (res)

gegolten hatten, wirklich in blosse „Zustände“ verwandeln, d. h. es

wurde nun in der Stufenfolge von Gattung zu Individuum nicht mehr

das Universale, sondern der „status universalis“ in Betracht gezogen,

eine Auffassung , welche sowohl durch das durchgängige Motiv einer

Tabula logica nahe genug gelegt war, als auch ihrerseits gleichfalls

auf eine Stelle des Boethius sich stützen konnte 139). Ein Wertreter

dieser Ansicht war W al te r v o n M o r tag n e (er lehrte zur Zeit Abâ

lärd's in Paris und starb als Bischof von Laom i. J. 1174), welcher

zwar mit überwiegendem Eifer den dogmatischen Controversen seine

Thätigkeit zuwandte *°°), aber auch in die Dialektik vorübergehend ein

129) Ebend. p. 514 f.: Amplius sanitas et languor in corpore, animalis fundatur,

albedo et nigredo simpliciter in corpore ; quod si animal totum eæistens in Socrate

languore afficitur, et totum, quia quidquid suscipit , tota sui quantitate suscipit,

eodem et momento nusquam est. sine languore; est autem in Platone totum illud

idem ; ergo etiam ibi langueret; sed ibi non languet. Idem de albedine et nigre

dine circa corpus. Ad haec enim non réfugiant, ut dicant etc. ...... Addunt : ani

mal universale languet, sed non in quqntum est universale. Utinam se videant ....

Si ad status se transferant dicentes ,,animal in quantum est universale non languet

in universali statu“, respondeant, de quo velint agere per has voces „in statu uni

versali**. Die Quelle aber dieses Begriffes ,, status universalis“ werden wir mit

Recht bei Boethins erblicken, wo derselbe gelegentlich der Qualität (ad Ar. praed.

p. 180.) sagt: Nihil impedit, secundum aliam scilicet atque aliam causam, unam

eandemque rem gemino generi speciei suae supponere, ut Socrates in eo quod pater

est ad aliquid dicitur, in eo quod homo substantia est, sic in calore atque frigore

in eo quod quis secundum ea videtur esse dispositus in dispositione numeratur,

denn in dem Ausdrucke ,,in eo quod** liegt hier das Entscheidende, sowie in einer

noch deutlicheren Stelle (ebend. p. 189.): Si secundum aliam atque aliam rem

duobus generibus eadem res .... supponatur, nihil inconveniens cadit; ita quoque

et habitudines in eo quod alicuius rei habitudines sunt, in relatione ponuntur, in

eo quod secundum eas quales aliqui dicuntur, in qualitate numerantur; quare nihil

est inconveniens, unam atque eandem rem secundum diversas naturae suae potentias

(diess simd ja die Universalien) pluribus adnumerare generibus.

130) Seine Briefe (gedruckt b. D'Achery Spicil. ed. De la Barre, Par. 1723,

138 XIV. Walter v. Mortagne. Die Indifferenz-Lehre.

wirkte. Er suchte nemlich die numeräre Einheit des Universale mit

der Wesensverbimdung , in welcher es mit den Einzel-Dingen stehe, da

durch zu vereimbarem, dass er an dem Individuum die Individualität und

den Artbegriff sowie den Gattungsbegriff bis hinauf zur oberstem Gat

tung je als verschiedene Zustände — status — unterschied '*'). Jeden

falls liegt in dieser Ansicht, wenn uns auch nähere Mittheilungen über

dieselbe gänzlich fehlen, das Beachtenswerthe, dass einerseits das Uni

versale den Einzel-Dingen näher gerückt ist, und andrerseits für jene

Unterscheidung der Zustände die subjective Denkoperation mehr in den

Wordergrund tritt. Daher erscheint auch jener Bericht (s. oben Anm.

69) nicht unglaubhaft, wornach von der nominalistischen Annahme be

treffs der „maneries“ Einige in die status-Frage hinübergelenkt zu haben

scheinem (s. Anm. 88). -

Die innere Entwicklung aber leitet uns hiemit von selbst auf die

l m diffe re nz- L e h r e hin, welche insbesondere eine vermittelnde

Stellung zwischen den Parteien einnimmt. Sie beruht darauf, dass Ein

und dieselbe Sache zugleich allgemein und einzeln sei, indem nicht etwa

ein Universale den Dingen wesentlich einwohne, sondern nur an den

selben als mehreren gleichartigen ein unterschiedslos (indifferenter)

Gemeinschaftliches sich zeige; hiernach also wird dasjenige, was an

mehreren Dingen das Gleichgeltende oder innerlich Aehnliche (indiffe

rens oder consimile) ist, in der Definition als Gatlungsbegriff bezeichnet,

und für das so gefasste Universale ist die Möglichkeit der Aussage

(praedicari de pluribus) geretlet, während der Realismus immer Gefahr

lief, ein Ding von einem Dinge aussagen zu müssen (s. unten Amm. 287),

und diese letztere subjectiv logische Seite komnte nun wohl allenfalls

auch mit dem Begrifte eines status verbunden werdem, so dass jedes

Ding einen Zustand der Individualität und zugleich einen Zustand der

Allgemeinheit an sich habe 18*); aber dennoch ist der ganze Standpunkt

von jenem Walter's verschieden. Während nemlich dort noch an der

Existenz des Universale festgehalten wird und eben dieses es ist, welchem

III, p. 520 fr.) sind nur dogmatischem Inhaltes und berühren die Geschichte der

Philosophie nicht im Geringsten. -

131) Die Belegstelle s. oben Anm. 65.

$ Abael. Glossulae sup. Porph. bei Rémusat (s. Anm. 13. u. 73.) p. 99 f.:

La seconde maniére de soutenir l'universalité des choses, c'est de prétendre que la

même chose est universelle et particuliére ; ce n'est plus essentiellement, mais im

differemment que la chose commune est en divers .... 0e qui est dans Platon et

däns Socrate,' c'est un indifférent , un semblable, ,,indifferens vel consimile“. Il

est de certaines choses qui conviennent ou s'accordent entre elles, c'est-à-dire, qui

sont semblables en nature, par eaeemple en tunt que corps, en tant qu'animauae;

elles sont ainsi universelles et particuliéres, universelles en ce qu'elles sont plusieurs

en communauté d'attributs essentiels , particuliéres en ce que chacune est distincte

des autres. La définition du genre (,,praedicari de pluribus'') ne s'applique alors

auae choses qu'elle concerne qu'en tant qu'elles sont semblables, et non pas en tant

qu'elles sont individuelles. Ainsi les mêmes choses ont deuae états, leur état de

genre, leur etat d'individus, et suivant leur etat elles comportent ou ne comportent

pas une definition différente. Ob Rémusat in der Handschrift hier wirklich das

Wort ,,status** gefundem habe — es scheint wenigstens so —, oder dieser Zusatz

nur auf seiner eigenem Auffassung beruhe, weiss ich nicht; doch s. jedenfalls so

gleich d. folg. Anm. u. 135 f.

'XIV. Die Indifferenz-Lehre. 139

versehiedene Zustände zugesehrieben werden, tritt bei der Indifferenz

Ansieht in aller Schärfe die dem Nominalismus (Amm. 77 f.) angehörende

Auffassung an die Spitze, dass überhaupt Nichts anderes existire, als

mur Individuen, und indem das Denken sich auf diese als auf seine 0b

jecte wirft, entstehen nur durch die Werschiedenheit der Auffassung

(aliter et aliter attentum) die Universalien, so dass Zustand (status) oder

Natur (natura) des Individuum-Seins oder des Art-Seins u. s. f. nur

als subjeetive Ansehauungsweisen zu betrachten sind, und vor Allem

ist es hiebei gleichsam ein negatives Verfahren, welches vom Individuum

zum Allgemeinen führt, indem das Denken (intelleetus) die individuellen

Unterschiede stufenweise bei Seite lässt (non concipit), absichtlich ver

gisst (oblitus), hintansetzt und abstreift (postponit, relinquit), um in

dem Erfassen des Unterschiedslosen zum Höchsten, d. h. zur Substanz

fortzurücken 138). Sonach kann sich auch diese Ansicht, ähmlich wie

die anderen, auf einzelne Stellem des Boethius berufen, wenn sie be

hauptet, dass das Individuum, als Individuum betrachtet, gar kein Un

terschiedsloses an sich trägt, welches ihm mit anderen Individuen ge

meinsam wäre, sondern es gleichsam der Unterschied selbst ist, hingegen

je mehr man dieses nemliche Individuum als Art oder Gattung betrach

tet, man desto mehrere gemeinschaftliche unterschiedslose Momente an

ihm entdeckt und dann all das Gemeinschaftliche als Art- oder Gattungs

Begriff zusammenfasst 18*), so dass hiemit allerdings, weil zuletzt an

133) D. gen. et spec. p. 518.: Nunc itaque illam, que de indifferentia est,

sententiam perquiramus, cuius haec est positio: Nihil omnino est praeter individuum,

sed et illud aliter et aliter attentum species et genus et generalissimum est (ebenso

in der schon oben, Anm. 72., angeführten Stelle). Itaque Socrates in ea natura

(man beachte ,,natura“, wofür sogleich hernach ,,status** steht), in qua subiectus

est sensibus, secundum illam naturam, quam significat de ,,esse Socrati** (dieser

Sprachgebrauch — τό ΣωxQdv ει είναι — beurkundet sicher eine Gewandtheit in

der Terminologie der aristot. Analytik, s. oben Anm. 8 ff.), individuum est ideo,

quia tale est proprietas, cuius nunquam tota reperitur in alio ..... De eodem Socrate

quandoque habetur intellectus non concipiens quidquid notat haec voae ,,Socrates“,

sed Socratitatis oblitus id tantum percipit de Socrate, quod idem notat ,,homo“, i.

e. animal rationale mortale, et secundum hoc species est .... Si intellectus postponat

rationalitatem et mortalitatem, et id tantum sibi subiiciat, quod notat haec voa;

,,animal“, in hoc statu (also ,,status“ in dem Sinne von obigem ,,natura*') genus

est. Quod si relictis omnibus formis in hoc tantum consideremus Socratem, quod

notat ,,substantia“, generalissimum est.

134) Ebend.: Socrqtes, in quantum est Socrates, nullum prorsus indifferens

habet, quod in alio inveniatur, sed in quantum est homo, plura habet indifferentia,

quae in Platone et in aliis inveniuntur; nam et Plato similiter homo est ut Socrates,

quamvis non sit idem homo essentialiter, qui est Socrates. Idem de animali et

substantia. Um aber diess auf seine Quelle zurückzuführen, genügem folgende

Stellen des Boethius ad Porph. p. 56.: Cogitantur vero universalia, nihilque aliud

species esse putanda est nisi cogitatio collecta ea, individuorum dissimilium numero

substantiali similitudine, genus vero cogitatio collecta eae specierum similitudine; sed

haec similitudo cum in singularibus est, fit sensibilis, cum in universalibus, fit

intelligibilis; ferner ebend. p. 78.: Indiniduorum quidem similitudinem species col

ligit, specierum vero genus; similitudo autem nihil est aliud nisi quaedam unitas

qualitatis ; und ebend. p. 80.: ea namque sola dividuntur, quae pluribus communia

sunt; in his enim unumquodque dividitur, quorum est commune quorumque naturam

ac similationem continet; illa vero, in quibus commune dividitur, communi natura

participant, proprietasque communis rei his , quibus communis est, convenit; at verò

140 XIV. Die Indifferenz-Lehre. . Adelard v. Bath.

jeder individuellen Erscheinung auch die Seite (status) ihrer allgemein

stem Gattung erfasst werden kann, es so viele allgemeinste Gatlungem

gibt, als es Individuen gibt, und nur wieder dureh Erwägung eines ge

meinschaftlich Unterschiedslosen die höchsten Gattungen in zehn Klassen

(Kategorien) sich gruppiren, aber alle zusammen doch wieder darin Ein

Allgemeinstes ausmachen, dass sie eben das unterschiedslos Gemein

schaftliche sind 1°°). In gleicher Weise gestaltet sich dann auch das

Verhältniss der Aussage, denn während das Individuum stets nur sein

eigenes Prädicat ist, kann diejenige Seite an ihm, welche als Art oder

Gattung erfasst wird, eine gegenseitige Bezugsetzung zu anderen Indivi

duen herbeiführen , d. h. z. B. das Mensch-Sein des Socrates ist Prä

dicat (inhaeret) auch für Plato, und umgekehrt, und dieses Gattung-Sein

des Individuums ist Sammelbegriff (colligitur) sowohl für dieses Indivi

duum selbst, als auch für die übrigen gleichartigen *°°), — kurz das

Verhältniss des Allgemeinen und des Einzelnen reducirt sieh auf ein

„Insoferme“ (in quantum), uhd indem es weder ein bloss Allgemeines

moch ein bloss Individuelles gibt, ist es die Wersehiedenheit der Auf

fassumg (diversus respectus), wodurch das Allgemeine als Einzelnes und

das Einzelne als Allgemeines betrachtet wird 1°").

Indem nun diese Indifferenz-Lehre zuletzt doch wieder mit dem

„Singulare sentitur, universale intelligitur“ übereinstimmt und hiemit

sich auch auf Boethius (Abschn. XII, Anm. 91) stützen konnte, und

immerhin zugegeben werden durfte, dass die Universalien für uns hienie

dem in diesem Jammerthale nur als Individuen eine wahrnehmbare Exi

stenz haben, während ihnen in Wahrheit ein intelligibles Sein zukomme, •

so konnten namentlich wegem jenes aufwärts führenden „Abstreifens“

des Individuellen (Anm. 133) sich selbst Platoniker mit der Indifferenz

Ansicht befreunden, während zugleich Aristoteliker am derselben die

Wechselbeziehung zwischen Allgemeinem und Besonderem, sowie die

Werthschätzung der subjectivem Denkoperation beachten moehten (ein

Beispiel der letzterem Auffassung werden wir untem, Anm. 432 f., bei

einem Schüler Abälard's treffen). So ist es erklärlich, dass A d e la r d

v o n B a th, welcher um d. J. 1 115 eine auf Platonismus beruhende

proprietas individuorum nulli communis est. Hier nemlich ist sowohl das simile

oder commane als auch das colligere (Amm. 136.) deutlich genug vorgezeichnet.

135) Ebend. p. 519.: Solvunt illi dicentes, generalissima quidem infinita esse

essentialiter, sed per indifferentiam decem tantum ; quot enim individua substantiae,

tot et sunt generalissimae substantiae; omnia tamen illa generalissima generalissi

mum unum dicuntur, quia indifferentia sunt; Socrates enim in eo quod est substantia,

indifferens est cum qualibet substantia in eo statu, quod substantia est.

136) Ebend.: Sed et hi dicunt: Socrates in nullo statu alicui inhaeret nisi

sibi essentialiter, sed in statu hominis pluribus dicitur inhaerere, quia alii sibi in

differentes inhaerent; eodem modo in statu animalis ...... (p. 520.) Dicunt ita :

Socrates in quantum est homo, de se colligitur (mam beachte dieses Wort) et de

Platone caeterisque ; unumquodque individuum, in quantum est homo, de se colligitur.

137) Ebend. p. 521.: Illi tamen non quiescunt, sed dicent: nullum singulare,

in quantum est singulare , est universale , et e converso, et cum universale est,

singulare est universale, et e converso. Ebend. p. 520.: Negant hanc consequen

tiam ,,si est universale, non est singulare“, nam impositione suae sententiae habe

tur: omne universale est singulare et omne singulare est universale diversis re

spectibus. -

&

XIV. Adelard v. Bath. 141

Sehrift „De eodem et diverso* verfassle 18°), eben durch die Indifferenz

Lehre den Gegensatz zwischen Plato und Aristoteles ausgleichen zu

könnem glaubte. - Derselbe klagt über den schroffen Gegensatz der logi

schen Parteien sowie über die Neuerungssucht seiner Zeit 1°°), aber er

ist der Ansicht, dass durch richtige Erklärung betreffs der Universalien

der Streit sich schlichten lasse 140). Er äussert sich hiebei über die

Art. und Gattungs-Begriffe völlig übereinstimmend mit der Indifferenz

Annahme, ja selbst fast mit dem nemlichen Worten (z. B. diversus re

spectus, oblivisci, non attendere u. dgl.), so dass mam glauben kann,

unsei obiger Berichterstatler habe Adelard's Sehrift im Auge, denn die

einzige Abweichung ist, dass hier der Begriff des status nicht beige

zogen wird, und vielleicht etwas mehr Gewichi auf die Wortbezeichnung

fällt ***). Sodann aber folgt in platonischem Sinne eine Klage darüber,

dass für den Menschen das Allgemeine durch die unerlässliche Simnes

wahrnehmung verfinstert sei, während die Universalien in ihrer reinem

Einfachheit ursprünglich nur im göttlichen Noùg vorlagen 4**), und

138) Näheres über ihn s. bei Jourdain, Recherches crit. 2. Aufl. (1843) p.

26. u. 97. u. 258—277., woselbst aus einer Pariser Handschrift ansehnliche Bruch

stücke dieses Buches in Uebersetzung mitgetheilt sind.

139) Ebend. p. 262.: L'un prétend qu'on doit partir les choses sensibles,

l'autre commence par les choses non sensibles. Celui-lâ soutient que la science

n'est que dans les premières, celui-ci qu'elle est hors des dernieres; ils s'inquietent

ainsi mutuellement, â fin qu'aucun d'eua, ne s'attire la confiance .... (p. 263.) `A

qui donc faut-il croire d'enlre ceuae qui tourmentent nos oreilles de leurs innovations

journalieres, qui chaque jour naissent p0ur n0us , n0uveaua, Aristotes et n0uveaua;

Platons, qui promettent également et les choses qu'ils savent et celles qu'ils ignorent?

140) Ebend. p. 267. : L'un d'euae (d. h. Plato und Aristoteles), transporté

par l'élévation de son esprit et les ailes qu'il semi)le s'étre créées par ses efforts,

a entrepris de connailre les choses par les principes eua-mêmes, a eæprimé ce qu'ils

etaient avant qu'ils ne se reproduisissent dans les corps, et a defini les formes ,

archetypes des choses. ^ L'autre, au conlraire, a commencé par les choses sensibles

et c0mp0sées. Et puisqu'ils se recontrent dans leur route, doit-on les dire opposés?

Si l'un a dit que la science était hors des choses sensibles, et l'autre, qu'elle était

dans ces mémes choses, voici comment il faut les interpréter.

141) Von den nun unmittelbar folgenden Worten (bei Jourdain p. 267.) gibt

Hauréau, De la phil. scol. I, p. 255. den lateinischen Originaltext: Genus et species,

de his enim sermo, esse et rerum subiectarum nomina sunt. Nam si res consideres,

eidem essentiae el generis et speciei et individui nomina imposita sunt, sed respectu

diverso. Volentes enim philosophi de rebus agere secundum hoc quod sensibus sub

iectae sunt, secundum quod a vocibus singularibus notantur et numeraliter diversae

sunt, individua vocaverunt, sc. Socratem, Platonem et ceteros. Eosdem autem aliter

intuentes, videlicet non secundum quod sensualiter diversi sunt, sed in e0 qu0d

notantur ab hac voce ,,homo“, speciem vocaverunt. Eosdem item in h0c tantum,

quod ab hac voce ,,animal** notantur, considerantes genus vocaverunt. Nec tamen

in consideratione speciali formas individuales tollunt, sed obliviscuntur, cum a spe

ciali nomine non ponantur; nec in generali species ablatas intelligunt, sed inesse

non attendunt, vocis generalis significatione contenti; voae enim haec ,,animal** iure

illa notat subiecta cum animatione et sensibilitate, haec autem ,,h0m0** totum illud

et insuper cum rationalitate et mortalitate, ,,Socrates** vero illud idem addita in

super numerali accidentium discretione.

142) Ebend. p. 256.: Assueti enim rebus ....., cum speciem intueri nitunlur,

eiusdem quodammodo caliginibus implicantur nec ipsam simplicem notam .... con

templari nec ad simplicem specialis vocis positionem ascendere queunt. Inde quidam,

cum de universalibus ageretur, sursum inhians ,, Quis locum eorum mihi ostendet?“

142 XIV. Adelard v. Bath. Joscellinus.

hieram knüpft sich sogleich die wunderliche Behauptung, dass eben

desshalb sowohl Aristoteles Recht habe, welcher die Universalien in

jenes Gebiet verlegte, in welchem allein sie uns *zugänglich sind, als

auch Plato, welcher sie dorthin verweist, wo sie ihr wahres Sein. habem,

kurz dass Beide, während sie im Wortausdrucke sich zu widersprechen

scheinem, in der Sache übereinstimmen !*°). Wiel Kopfzerbrechen kann

diese Wersöhnung dem Adelard wohl nicht gemacht haben 1**).

Eine dem Principe der Indifferenz-Lehre analoge Auffassung, wenn

auch mit einer etwas verschiedenen Methode, könnte die Ansicht des

G a u s l e n u s oder J o s c e l l in us von S o i s s o n s (v. 1125—1151 dort

selbst. Bischof) gewesen sein, dass nemlich die Universalien nicht schon

an sich in dem Individuen liegen, sondern denselben erst zukommem,

insoferne das Individuelle in eine Einheit vereinigt (in unum collectis)

werde '*°); denn es vertrüge sich diess vollständig mit obigem Grund

satze (Anm. 133), dass nur Individuen existiren, und die Entstehung

der Universalien im menschlichem Denken würde luier nur nicht durch

ein Abstreifen, sondern von vorneherein durch ein Sammeln (colligere)

erreicht, welches auch die Indifferenz-Lehre schliesslich doch nicht um

gehen konnte (Anm. 136). Doch wissen wir über des Gauslenus Mei

nung durchaus Nichts näheres !*°), und während wir einerseits weiter

oben (vor. Abschn. Anm. 175) sahen, dass aueh der Realist 0tto von

Clugny sich einer ähnlichen Ausdrucksweise bediente, ja auch Johannes

von Salesbury den Gauslenus für einen Realisten zu halten scheint

(was jedoch vielleicht nicht von grosser Bedeutung ist, s. ob. Anm. 70

u. 85), so kann ums andrerseits wohl nur die Lostremnung der Univer

salien von den Einzel-Individuem hauptsächlich dazu veranlassen, die

Annahme des Gauslenus näher an die Indifferenz-Lehre zur rücken, wozu

etwa noch als Bestätigung käme, dass derselbe auf die nominalistische

' inquit. Adeo rationem imaginatio perturbat .... Sed id apud mortales. Divinae

enim menti .... praesto est, et materiam sine formis et formas sine aliis, imo et

omnia cum aliis .... distincte cognoscere ; nam et antequam coniuncta essent, uni

versa, quae vides, in ipsa Noy simplicia erant.

143) Ebend.: Nunc autem ad propositum redeamus. Quum igitur illud id,

quod vides, et genus et species et individuum sit, merito ea Aristoteles nonnisi in

sensibilibus esse proposuit, sunt etenim ipsa sensibilia quaevis acutius considerata;

quum vero ea, in quantum dicuntur species et genera, nemo sine imaginatione per

se pureque intuetur (hiemit finden wir hier wahrlich schon das ,,unbekannte Ding

an sich*), Plato eætra sensibilia, scilicet in mente divina, et conspici et eæistere

diacit. Sic viri illi, licet verbo contrarii videantur, re tamen idem senserunt.

144) Zumal konnte ihm ja auch die bekannte gleichlautende Stelle Cicero's

(Acad. I, 6. bezüglich des Antiochus) wenigstens durch Augustin (d. civ. dei, VIII,

6.) zugänglich sein. Dass auch Bernhard v. Chartres sich bemühte, Plato und

Aristoteles zu wereinigen, s. oben Anm. 66.

145) Die Quellenstelle s. oben Anm. 68.

146). Denn wenn H. Ritter, dessen Angaben über Walter v. Mortagne, Ade

lard W. Bath u. s. f. theils überhaupt der nöthigen Präcision entbehren, theils

geradezu unrichtig sind, die Schrift De generibus et speciebus sofort dem Gausle

nus vindiciren will, so würden zu einer solchen Annahme die etlichen Worte jener

einzigem Quellenstelle, welche wir über Gauslenus besitzen, selbst dann kaum

ausreichen, wenn sie sich mit den Ansichten des Werfassers D. gen. et spec. ver

trügen. Dass aber Letzteres sehr zweifelhaft ist, mag aus demjenigen herwor

gehem, was wir nun sogleich über, jene anonyme Schrift anzugeben, haben.

XIV. De generibus et speciebus. 143

„maneries“-Ansicht hinübergewiesen habe (ob. Anm. 68). Dann aller.

dings hätten wir hier eine Wiederholung dessem, was schon bei den

frühestem Anfängen einer Parteispaltung seitens der nominalistischen

Richtung behauptet wurde 1*7).

Wenn wir aber bezüglich der Universalien die Annahmen Abälard's,

sowie jene des Gilbertus Porretanus und des Johannes von Salesbury

erst weiter untem im Zusammenhange mit den Gesammt-Anschauungen

derselben zu erörtern vorziehen müssen. (s. oben S. 113), so bleibt uns

für jetzt nur noch der unbekannte Verfasser der Schrift „ De generibus

et specie b u s “'**) übrig, welcher uns manche Berührungs- oder Wer.

wandtschafts-Punkte mit mehreren der bisher erwähnten Ansichten zeigen

wird. Das Ganze war ursprünglich gewiss eine Abhandlung „De divi

sione“ (vgl. Anm. 118—128) völlig in derselben Weise wie die gleich.

namige Schrift Abälard's (s. Anm. 277 u. 353 ff.), und sowie der An

fang des uns erhaltenen Textes noch die Frage über die ursprünglichen

Theile eines Ganzen behandelt, so bot dann aueh hier die Erörterung

über die Eintheilung der Gattung dem ebenso kenntnissreichen als scharf.

sinnigen Verfasser die Gelegenheit, in dem Streite über die Universaliem

sowohl die Meinungen Anderer kritisch zu beleuchten als auch seine

eigene Ansicht zu begründen 4*°). Er bekämpft den Nominalismus vor.

erst kurzweg dadurch, dass die Worte überhaupt kein Sein habem, da

dasjenige, was durch zeitliche Abfolge erst entsteht, nicht ein einheit.

Iich Gamzes constituiren könne, eine Bemerkung, welche eben, so weit

sie die Function des Gedankens. im Urtheile betrifft, auch gegen Abâ.

lard's Ansicht (Anm. 315) gerielatet ist '°°); sodann aber auch lasse

sich ja das Verhältniss zwischen Stoff und Form, welehes beim Ueber.

gange von Gattung zu Art obwalte, durch Worte gar nicht aussprechen, '

da nie ein Wort der Stoff eines anderen Wortes sei 1°1). Hinwiederum

147) Nemlich Pseudo-Hrabanus (vor. Abschn. Anm. 153.) und jener soge

nannte Jepa (ebend. Anm. 170.) haben sich in ganz ähnlicher Weisé über den

Gattungsbegriff geäussert. -

148) Der Anfang des Buches, welches Cousin (0uvr. inedits d'Abelard, p.

507—550.) aus £iner Handschrift von St. Germain herausgab, fehlt, und der Titel,

welchen Cousin selbst machte, mag wohl fortam recipirt bleiben, jedoch gewis$

mit Ausuahme des Zusatzes ,,Petri Abaelardi“, denm dass das Ganze nicht ein Werk

Abàlard's ist — s. oben Anm. 49. —, hätte auch Cousin bemerken sollen; es

erhellt diess nicht bloss. aus stilistischen Eigenthümlichkeiten (z. B. bei Lösung

von Einwürfen ein. eingeschaltenes ,,Attende“ oder ,,Solutio“, oder hinwiederum ein

eigenthümliches Lieblingswort des Verfassers ist „rationabile ingenium“ u. dgl.),

sondern auch aus inneren Abweichungen der Ansicht selbst, welche sich sogar zur

Polemik steigern. Ich werweise hierüber, um Wiederholungen zu vermeiden, nur

auf die folgenden Anm. 150, 167, 168 und besonders 171, woselbst eine Annahme,

welche dem Abälard angehört, geradezu als ,,lächerlich** bezeichnet wird.

149) Bei sorgfältigem Studium der Schrifl dürfte der Worwurf der Unbeholfen

heit und Dunkelheit, welchen H. Ritter (VII, p. 363.) gegen dieselbe ausspricht,

wohl gänzlich werschwinden.

150) Bei Cousin a. a. 0. p. 523.: Item voces nec genera sunt nec species

nec universales nec singulares nec praedicatae nec subiectae, quia omnino non sunt;

nam eæ his, quae per successionem fiunt, nullum omnino totum constare , ipsi qui

hanc sententiam tenent, nobiscum credunt.

151) Ebend. p. 523 f.: Quemadmodum statua constat eæ aere materie, forma

autem figura, sic species eæ genere materie, forma autem differentia (s. Amm. 160, f.),

144 XIV. De generibus et speciebus.

aber bestreitet er auch den Realismus des Wilhelm v. Champeaux, da,

wenn das Universale nach seinem ganzen Gehalte im Individuum indivi

dualisirt werde (Amm. 105), nicht bloss dieser nemliche ganze Gehalt

doch wieder zugleich in einem anderen Individuum sich finden müsse 1°*),

sondern auch die variirendem oder transitorischen Eigenschaften allem

Individuen zukommen müssten '**), und ausserdem in dem Gallungsbe

griffe dann auch die Gegensätze gleichzeitig vorlägen 1°*). Und ebenso

fermer wendet er sich polemisch gegen die Indifferenz. Lehre, indem er

sie sowohl in ihrem Principe, d. h. in jenem Begriffe des „Gemein

schaftlichen“ (Anm. 134) angreift *°°), als auch die dortige Ansicht

bezüglich des Sammelbegriffes („colligere“, Anm. 136) bekämpft 1°°),

und ebensosehr die Consequenz, welche in der Werwischung des Unter

schiedes zwischen Allgemeinem und Einzelnem liegt, verneint 4°7). Seine

eigene Ansicht blickt schon in der Erörterung über die Theilung ins

Unendliche (Anm. 126 f.) durch, wo er anerkennt, dass ein Gaiizes

noch fortbestehen könne, wenn auch ein Theil desselben seine Form

verliere und an Stoff vermindert werde '°°), sowie besonders in der

Auffassung, dass zwei Punkte noch nicht eine Linie ausmachen, wenn

nicht eine eimheitliche schöpferische Kraft (una creatura) mitwirke '°°).

Auch in der Polemik gegen ein Amendement des Realismus (Anm. 112)

quod assignare in vocibus impossibile est; nam cum animal genus sit hominis, voa,

vocis nullo modo est altera alterius materia. "

152) p. 514.: Quod si ita est, quis solvere potest, quin Socrates eodem tem

pore Romae sit et Athenis? Ubi enim Socrales est, et homo universalis ibi est

secundum totam suam quantitatem informatus Socratitate .... Si ergo res universalis

tota Socralitate affecta eodem tempore et Romae est in Platone tota, impossibile est,

quin ibi etiam eodem tempore sit Socratitas, quae totam illam essentiam continebat;

ubicunque autem Socratitas est in homine, ibi Socrates est, Socrates enim homo

Socraticus est.

153) Ebend. Die Stelle ist bereits oben, Amm. 129., angeführt.

154) p. 515.: Quam statim enim rationalitas illam naturam tangit, sc. animal,

tam stalim species efficitur et in ea rationalitas fundatur; illa ergo totum informat

animal; sed eodem mQdo irrationalitas totum animal informat eodem temp0re ; ita

duo opposita sunt in eodem secundum idem. -

155) p. 519.: Neque enim Socrates aliquam naturam, quam habeat, Platoni

communicat, quia neque homo qui Socrates est neque animal in aliquo extra S0

cratem est.

156) p. 520.: Socrates .... tamen nullo modo de pluribus colligitur, quia in

pluribus non est. Schon diess müsste uns hehutsam machen, den Gauslenus für

den Werfasser der Schrift zu haltem, doch s. unten Anm. 162.

157) p. 521.: At vero nec particularitas nec universalitas in se transeunt;

namque universalitas potest praedicari de particularitate, ut animal de Socrate et

Platone, et particularitas suscipit praedicationem universalitatis, sed non ut univer

salitas sit particularitas, nec quod particulare est, universalitas fiat.

158) p. 510.: Non sequitur ,,si hic asser est, et medietas huius asseris est,“

posset enim destrui medietas, non quantum ad totam eius massam, sed quantum

ûd formam , et tamen. remanentibus eius aliquibus particulis non destruerelur hic

asser, quoniam medietatis eius materia, forma tantum pereunte, tota non periret.

159) p. 511.: Si quaelibet duo puncta proæime iuncta faciunt bipunctalem

lineam, quae sit una creatura, tunc habebit unum fundamentum ; sed una atomus

non erit eius fundamentum, iam enim esset bipunctaliter lineatum ...... p. 513.:

possumus dicere, quod ipsa bipunclalis linea fundatur in illis duabus atomis ut in

subiectis, non in subiecto.

XIV. De generibus de speciebus. 145

£

stellt er sich entschieden auf das von Porphyrius her (Abschn. XI,

Anm. 44) in die Annahmen des Boethius (Abschn. XII, Anm. 97) über

gegangene Gleichniss des Kunstwerkes, wornach ihm die Gattung der

Stoff und der Unterschied die Form ist, das Produet selbst aber, d. h.

die Species, in welcher der Stoff die Form trägt (formam sustinet),

als eine bleibende Wereinigung betrachtet und auch mit dem Worte

„materiatum“ bezeichnet wird 109), wofür hinwiederum auch der eigen

thümliche Ausdruck „diffinitivum totum* mit schroffer Festhaltung der

Theil-Anschauung sich findet 1°1). Genauer aber begründet er diese

seine Meinung folgendermaassen: Im Individuum trägt (sustinet) eine

gewisse Wesenheit (essentia), welehe der Stoff ist, die Form der Indi

vidualität an sich und ist mit ihr zusammengesetzt, wodurch eben die

Verschiedenheit der Einzel-Individuen éntsteht; ebem diese Wesemheit

mun, insoferne dieselbe nicht bloss in dem einem oder anderem Indivi

duum, sondern zugleich auch in allen zusammen als Stoff vorliegt, ist

die Species, welche hiemit trotz aller Vielheit der einzelnen Wesen

heiten (essentialiter multa) als ein Sammelbegriff (collectio) mit den

Wortem „Ein Universale“ oder „Eine Natur* bezeichnet wird, ungefähr

wie auch der Begriff „Wolk* viele Einzelne umfasst 1°*) ; es wird nem

lich nicht etwa die ganze Species in jedem Einzel-Individuum individua

lisirt, sondern nur eim Theil derselben, d. h. eben Eine solche Wesenheit,

welche ja mit der die Species ausmachenden Gesammtheit (concollectio)

nicht identisch ist, sondern mit ihr nur die ähnliche Zusammensetzung

oder ähnliche schöpferische Kraft (similis compositio, similis creatio)

gemein hat, daher auch das Gleichniss mit dem Wolke oder mit einem

Heere nicht völlig passt, indem zwischen den einzelnen Wesenheiten

und ihrer Gesammtheit wegen jener Aehnlichkeit der Erzeugung eine

grössere Wesens-Gleichheit besteht, als zwischen einem Soldaten und

dem Heere; besser hingegen kann dieses ganze Verhältniss damit ver

glichen werden, dass z. B. eine grössere Masse Metall in Einem ihrer

160) p. 516.: Sed dico: facta est species eae genere et substantiali differentia,

et sicut in statua aes est materia, forma autem figura, similiter genus est materia

speciei, forma autem differentia; materia est, quae suscipit formam. Ita genus in

ipsa specie constituta formam sustinet, nam et postquam constituta est, eæ materie

et forma constat, i. e. eae genere et differentia ..... p. 517.: omne materiatum suf

ficienter constituitur eæ sua materia et forma. -

161) p. 522.: Speciem eae genere et substantiali differentia constare, ut statua

ea, aere et figura, auctore Porphyrio (b. Boeth. p. 88.) constat; itaque pars est

speciei materia et similiter differentia, ipsa vero species est totum diffinitivum eorum.

162) p. 524.: Quid nobis potius tenendum videatur de his, deo annuente amodo

ostendemus: . Unumquodque individuum eæ materia et forma compositum est; ut S0

crates eæ homine materia et Socralitate forma, sic Plato eæ simili materia, sc. h0

mine, et forma diversa, sc. Platonitate, componitur; sic et singuli homines. Et

sicut Socratitas, quae formaliter constituit Socratem, nusquam est eætra Socratem,

sic illa hominis essentia, quae Socratitatem sustinet in Socrate, nusquam est nisi in

Socrate. Ita de singulis. Speciem igitur dico esse non illam essentiam hominis

solum, quae est in Socrate vel quae est in aliquo alio individuorum, sed totam

illam collectionem eæ singulis aliis huius naturae coniunctam, quae tota collectio,

quamvis essentialiter multa sit, ab auctoritatibus (d. h. von Porphyrius und Boe

thius) tamen una species, unum universale , una natura appellatur, sicut populus (s.

vor. Abschn. Anm. 153.), quamvis eæ multis personis collectus sit, unus dicitur.

P R A N T 1, Gesch. II. 10

146 XIV. De generibus et spaciebus,

Theile zu einem Messer und zugleich in einem anderen zu einem Griffel

verarbeitet wird 1°°). Diess Nemliche nun wiederholt sich beim Gattungs

begriffe, indem jede von den Wesenheiten (essentiae), welche zur Ge

sammtheit einer Species gehören, wieder aus einem Stoffe und einer Form

zusammengesetzt ist, nur mit dem Unterschiede, dass die Form hier

nicht mehr bloss die Eine der Individualität ist, sondern selbst in sich

die Mehrheit der artmachenden, d. h. substantiellen Unterschiede in sich

involvirt; jener Stoff aber erscheint als solcher unterschiedslos (indiffe

rens) in jenen einzelnen Wesenheiten, welche der Artbildung als Stoff

zu Grunde liegen, und es heisst nun Gattung die Vielheit (multitudo)

der Wesenleiten, welche Träger (sustinere, recipere) der Artunter

schiede sein können '°*). Und endlich gilt das Gleiche auch bezüglich

des „ersten Princips*, denn die Wesenheiten (essentiae), welche zu einer

Gattung gehören, bestehen abermals aus Stoff und Form und sind ihrem

Stoffe nach gleichfalls unterschiedslos (indifferentes), während sie die

Gattungs-Unterschiede als ihre Form an sich tragen, und so gelangt mam

noch ein Mal zu einer Wielheit (multitudo) von Wesenheiten als zum

generalissimum, von welchem schliesslich nur noch gesagt werden kann,

dass sein Stoff die „reine Wesenheit“ (mera Iiiij oder die Substanz

selbst, seine Form aber die Empfänglichkeit der Gegensätze (suscepti

bilitas contrariorum) sei 168). So streift der Werfasser durch seine

163) p. 526.: Speciem esse dicimus multitudinem essentiarum inter se simi

lium , ut hominem ...... Illud tantum humanitatis informatur Socratitate, quod in

Socrate est, ipsum autem species non est, sed illud quod eæ ceteris similibus es

sentiis conficitur. Attende. Materia est omnis species sui individui et eius formam

suscipit, non ita scilicet, quod singulae essentiae illius speciei informentur illa

forma, sed una tantum, quae tamen similis est compositionis prorsus cum omnibus

aliis eiusdem naturae essentiis .... Neque diversum una essentia illius concollectionis

a tota collectione, sed idem, non quod hoc esset illud, sed quia similis creationis

in materia et forma hoc erat cum illo ...... Massam aliquam ferream, de qua fa

ciendi sunt cultellus et stylus, videntes dicimus: hoc futurum materia cultelli et

styli, cum tamen nunquam tota suscipiat formam alterutrius, sed pars styli, pars

cultelli ....... (p. 527.) Maior identitas alicuius essentiae illius collectionis ad

tolum, quam alicuius personae ad eavercitum, illud enim idem est cum toto suo, hoc

vero diversum. Hiezu p. 535.: Hoc enim habet nostra sententia, quod animal illud

genus in parte sui recipit rationalitatem et in parte irrationalitatem.

164) p. 525.: Item unaquaeque essenlia huius collectionis, quae humanitas

appellatur, eæ materia et forma constat, sc. eæ animali materia, forma autem non

una, sed pluribus, rationalitate et mortalitate et bipedalitate et si quae sunt ei

aliae substantiales. Et sicut de homine dictum est, sc. quod illud hominis, quod

sustinet Socratitatem, illud essentialiter non sustinet Platonitatem, ita de animali;

nam illud animal, quod formas humanitatis, quae in me est, sustinet, illud essen

tialiter alibi non est, sed illi indifferens est in singulis materiis singulorum indivi

duorum animalis. Hanc itaque multitudinem essentiarum animalis, quae singularum

specierum animalis formas sustinet, genus appellandam esse dico, quae in hoc di

versa esl ab illa multitudine, quae speciem facit; illa enim ea, solis illis essentiis,

quae individuorum formas sustinent, collecta est, ista vero, quae genus est, ez his,

quae diversarum specierum substantiales differentias recipiunt.

165) Ebend.: Item, ut usque ad primum principium perducatur, sciendum est,

quod singulae essentiae illius multitudinis, quae animal genus dicitur, eæ materia

aliqua essentia corporis et formis substantialibus, animatione et sensibilitate, con

$tat, quae , sicut de animali dictum est, nusquam alibi essentialiter sunt, sed illae

indifferentes formas sustinent omnium-specierüm corporis. Et haec talium corporis

XIV. De generibus et speciebus. , 147

eigenthümliche Potenzirung oder Einsehachtelung der essentia doch wieder

an Wilhelm - v. Champeaux hin, und hat daher wahrlich nicht, wie

Gauslenus, das Universale vom Individuum getrennt (s. Anm. 145 f.),

zugleich aber kömmt er durch die Begriffe der collectio und des in

differens in Berührung mit der Indifferenz-Lehre, während ihm dieselben

allerdings weit mehr eine objective Geltung haben.

Um so eigenthümlicher aber muss sich hier die Auffassung der

subjectiv logischen Function, d. h. des Urtheilens, bezüglich der Uni

versalien gestalten, während doch erst hiedureh die Ansicht des Ver

fassers ihren vollen Abschluss findet. Er klagt, dass es keine Definition

des Prädicat-Werhältnisses gebe ; denn es sofort als objective Inhäremz

zu verstehen, sei ein ungerechtfertigter Gebrauch, abgesehen davom,

dass letztere nur im obigen Sinne einer Theilung genommen werden

dürfe '°°), und sowie man sich vor dem Consequenzen der Indiiferenz

Lehre hüten müsse, so sei es überhaupt zu verwerfen, wenn im Hin

blieke auf den definitorischen Gehalt der Species praedicari und esse

identificirt werden 4°7), — eine Bemerkung, welche sicher gegen Abá

lard (s. unten Anm. 318) gerichtet ist und noch mehr einen speciell

polemischen Ausdruck erhält, wenn mit unverkennbarer Wendung gegen

eine Ansicht Abälard's (bezüglich der „sumpta“, s. unten Anm. 321)

behauptel wird, dass sämmtliehe allgemeine Bezeiehnungen, mögen sie

Adjeetiva oder Substantiva sein, sich mittelbar auf objeetive Gestaltungen

beziehen 4°°). Kurz das Urtheil sage nie aus, dass das Subject selbst

essentiarum multitudo genus dicitur illius naturae, quam eae multitudine essentiarum

animalis confectam divimus. Et singulae corporis, quod genus est, essentiae eae

materia, sc. aliqua essentia substantiae, et forma corporeitate constant. Quibus

indifferentes essentiae incorporeitatem, quae forma est, speciem sustinent; et illa

talium essentiarum multitudo swbstantia generalissimum dicitur, quae tamen nondum

est simpleæ, sed eæ materia mera essentia, ut ita dicam, et susceptibilitate contra

riorum forma constat.

166) p. 526.: Audi et attende: Praedicari quidem inhaerere dicunt; usus quidem

hoc habet, sed eæ auctoritate non inveni; concedo tamen ; inhaerere autem dico

humanitatem Socrati, non quod tota consumatur in Socrate, sed una tantum eius

pars Socratitate informatur (s. Anm. 163.). p. 531.: Nosse debes, quod nusquam,

quid sit praedicari, plane dicit auctoritas; nam quod solet dici, quod praedicari

est inhaerere, usus est eae nulla auctoritate procedens.

167) p. 527. : Item species in quid praedicatur de individuo (diese Abkürzung

,,praedicari in quid** begegnet uns hier zum erstem Male, vgl. Anm. 282.; nemlich

bei Boethius p. 68. lautet die Porphyrianische Definition der Species, s. Absehm.

XI, Anm. 41., vollständig: species est, quae de pluribus in eo quod quid praedi

catur); praedicari autem in quid, ut aiunt, est praedicari in essentia, praedicari

autem in essentia est, hoc esse illud. Cum erg0 dicitur: ,,Socrates est h0m0** .....

habebimus illud idem inconveniens, quod in aliis sententiis, sc. singulare est univer

sale (s. Anm. 137.).... Hoc consentio, ,,praedicari in essentia** dicere, ,,hoc esse

illud** nego.

168) p. 527 f.: Sed dicunt : ..... „rationale* alterius nomen est pro imposi

tione scilicet animalis, et aliud est quod principaliter significat, se. rationalitas,

quam praedicat et subiicit; ,,homo** vero nihil aliud vel nominat vel significat, quam

illam speciem. Absit hoc. Imo sicut ,,rationale** et ,,homo**, sic et quodlibet aliud

universale subslantivum alterius nomen est, per impositionem quidem eius, qu0d prin

' cipaliter significat, v. g. rationale vel album impositum fuit Socrati vel alicui sen

sibilium ad nominandum propter formas, i. e. rationalitatem et albedinem, quas prin

cipaliter significant.

10*

148 XIV. De generibus et speciebus.

das Prädicat selbst sei, sondern nur dass ersteres unter die Zahl jener

Wesenheiten gehöre, welche entweder von einem bestimmten Stoffe con

stituirt sind oder einer bestimmten Form unterliegen *°°), und demnach

werde, — wofür sich der Werfasser sogar auf eine vereinzelte Stelle

des Boethius berufen kann —, der eine Species bezeichnende Name

eben nur den betreffenden Einzel- Individuem, nie aber der Species selbst,

gegeben 17°), wobei Substantiva und Adjectiva darin sich unterscheiden,

dass erstere auf den Stoff und letztere auf die Form sich beziehen, so

dass Diejenigen, welche von einem Accidentellen, d. h. von einem

„adiacens“ sprächen, — was aber eben wieder Abälard thut, s. unten

Anm. 283 f. —, im grösstem lrrthume seien 17!); wenn aber es so sich

mit der ursprünglichen Bedeutung der Worte verhalte, so seien Aus

drücke wie z. B. „Mensch ist ein Artbegriff* nur nothgedrungene Ueber

tragungen '"*).

Schon hiedurch ist klar, dass der Werfasser (im Gegensatze gegen

Abälard) den eigentlichen Werth der Synthese, welche im Urtheile liegt,

misskennt und in platonischem Sinne die Worte sämmtlich isolirt als

subjective Abbilder objectiver Exemplare betrachtet, was man kaum deut

licher aussprechen könnte, als er selbst thut, wenn er z. B. sagt: ,,Ver

nünftig“ sei nicht der Name desjenigen, was als Subject dem Prädicate

der Wernünftigkeit unlerliege, sondern der Name eines Wesens, welches

durch die „Vernünftigkeit“ constituirt wird 17°); ja auf diese Weise

muss er das Prädicatsverhältniss so unbestimmt allgemein fassem, dass

es mit der Erzeugung des significanten Wortes überhaupt. zusammen

fällt, und, da dieses letztere Moment für Subject und Prädicat das

gleiche ist, der Unterschied zwischen beiden zu einem bloss äusser

lichem und zufälligen wird; hiebei aber stützt er sich auf eine Stelle

des Priscianus, in welcher auf Grundlage des allgemeinem stoischen

Sprachgebrauches (s. Abschn. VI, Anm. 112 ff.) die Partikeln als „syn

categoreumata* bezeichnet werden, woraus geschlossen werden könne,

169) p. 528.: Itaque cum dicitur ,,Socrates est homo“, hic est sensus ,,Socra

tes est ynus de materialiter constitutis ab homine“, .... sicut cum dicitur ,,Socrates

est ralionalis“, non iste est sensus ,,res subiecta est res praedicata“, sed ,,Socrates

est unus de subiectis huic formae quae est rationalitas“.

' 170) Ebend.: Quod autem ,,homo“ impositum sit his, quae materialiter consti

tuumtur ab homine, i. e. individuis et non speciei, dicit Boethius in commentario

super Categorias his verbis etc. (s. Boeth. p. 129.); vgl. vor. Abschn. Anm. 121.

171) Ebend.: Nomina illa tantum dicuntur substantiva, quae imponuntur ad

nominandum aliquem propter eius maleriam .... vel eaepressam essentiam;..... ad

iecliva vero illa dicuntur, quae imponuntur alicui propter formam, quam principaliter

significat ..... Nam quod dici solet, adiectivum esse, quod significat accidens secun

dum quod, adiacet, et substantivum, quod significat essentiam, ridiculum est vel sine

intellectu.

172) p. 529.: Sciendum est ergo : vocabula, quae imposita sunt rebus propter

aliud significandum principaliter circa eas, quandoque transferuntur ad agendum de

principali significatione, ut cum .... translative dicitur ,,rationale est differentia“ et

,,album est species coloris“, nihil aliud intelligo quam ,,rationalitas“ et ,,albedo**;

sic ... cum dicitur ,,h0m0 est species“..... Concedimus itaque, hanc translationem

necessitate fieri.

173) p. 547.: Rationale enim non est nomen subiecti rationalitatis, sed rei quae

a rationalitate constituitur, quae non est ipsum animal.

XIV. De generibus et speciebus. 149

dass danm alle übrigen Worte eben categoreumata, d. h. Prädicamente,

seien *"*). Die ausgedehnte Wirkung, welche , diese hier zum ersten

Male vorübergehend beigezogenem Syncategoreumata später in der Logik

äussern, müssen wir natürlich dem weiteren Werlaufe überlassen, die

Folgerung hingegen, welche hier unser anonymer Verfasser daraus zieht,

führt zu einem Platonismus, welcher ums sehr am Scotus Erigena er.

innern muss. Wenn nemlich „praedicari“ auf diese Weise das Nemliche

wie „significari principaliter“ ist, so fällt die intellectuelle Function

des Menschen in jene objectiven Formen und Gestaltungen hinüber,

welche dem Individuen zu Grunde liegen, denn es erzeugt sich der Be.

griff (intellectus constituitur, generatur) mittelst des Wortes im Hinblicke

auf das objective Universale 47°), und auch die Inhärenz, wenn mam

mit ihr. nach überkommener Gewohnheit das Prädicatsverhältniss iden

tificirem wolle, hat eben doeh nur eine objective Bedeutung in dem

Werde-Process der Dinge 17°). Kurz es handelt sich nur um die ein

heitlichen „Naturen“, welche den Dingen zu Grunde liegen, und wenn

der Begriff der Natur auf obige (Anm. 163) similis creatio oder bezie

hungsweise zur Abgränzung gegen andere Formationen auf dissimilis

creatio reducirt wird *"'), so schliesst sich hieran eine platoniseh-my

stische Creations-Theorie an, welche uns hier nicht berührt 17*). lndem

aber dabei sowohl nach 0bigem für die Aussage das Hauptgewicht auf

174) p. 531.: Mihi autem videtur, quod praedicari est principaliter significari

per vocem praedicatam, subiici ver0 significari principaliter per vocem subiectam, et

hoc quodammodo videor habere a Prisciano, quod in tractatu orationis ante nomen

(d. h. in dem Capitel vor der Erörterung über Nomen) dicit praepositiones et con

iunctiones syncategoreumata, i. e. consignificantia; scimus autem ,,syn* apud graecos

„cum“ praepositionem significare, ,,categ0rare“ autem „praedicari“, unde categoriae

praedicamenta dicuntur. Si erg0 idem est ,,categoreumata“ quod ,,significantia“, idem

erit ,,praedicari“ quod ,,significari principaliter“ (die Stelle b. Prisc. II, 15. lautet:

Partes igitur orationis sunt secundum dialecticos duae, nomen et verbum, quia hae

solae etiam, per se coniunctae plenam faciunt orationem, alias autem partes syncate

goreumata, hoc est consignificantia, appellabant.)

175) p. 532.: Idem erit „praedicari“ quod ,,significari principaliter“, quam

solam significationem recepit Aristoteles iuvta illud ,,album nihil significat nisi quali

tatem“ (Cat. 5, s. Abschn. IV, Amm. 476.; so verdrehte man jede beliebige Stelle

zu Gunsten seiner eigenen Ansicht); cum enim album subieclum albedinis n0minando

significet, illam solam significationem notavit Aristoteles, in qua intellectus constituitur

per vocem ..... . Sicut ensis et gladius eundem generant intellectum, ita illa duo

nomina facerent.

176) p. 533.: Quod si ,,praedicari** quidem pro ,,inhaerere** accipitur, quod

et nos concedimus, neque, enim bonum usum abolere volumus, sic dicendum est: omnis

natura, quae pluribus inhaeret individuis materialiter, species est.

177) Ebend.: Hic autem tantum agitur de naturis; si autem quaeras , quid

appellem naturam, eæaudi : naturam dico, quidquid dissimilis creationis est ab omni

bus, quae non sunt vel illud vel de illo, sive una essentia sit sive plures, ut So

crates dissimilis creationis ab omnibus, quae non sunt Socrates, similiter et h0m0

species est dissimilis creationis ab omnibus rebus, quae non sunt illa species vel

aliqua essentia illius speciei. Auch der Einwand bezüglich des Phönix, welcher

mur in Einem Exemplare existirt (s. Abschn. XIl, Anm. 87.) wird berücksichtigt,

aber (p. 534.) durch die Bemerkung beseitigt, dass der Gegensatz zwischen materia

und materiatum (ob. Anm. 160.) dennoch in seiner Allgemeinheit festzuhalten sei.

178) p. 538—540.

150 XIV. De generibus et speciebus.

die Unterscheidung der essentia materialis und essentia formalis fällt 17°),

als auch in ontologischer Beziehung der Form allein. eine Wirksamkeit

zugeschrieben wird 1°°), so muss jene — übrigens gleichfalls dem

Abälard (s. unten Anm. 306) angehörende — Ansicht bekämpft werdem,

wonach die oberste Gattung (genus generalissimum) der Stoff selbst,

und sonach die Formem seine nächstem Arten wären 4**), denn dem

Verfasser gilt, wie wir sahem (Anm. 165), die oberste Gattung selbst

schon. als ein Product aus Stoff und Form, und es bleibt ihm daher

für jenen letzten höchstem Stoff, d. h. für die „reine Wesenheit* kein

anderes Prädicat als das blosse Sein, d. h. „est“ übrig 1**), genau

ebenso, wie auch (s. Anm. 170) jene Wesenheit, welehe als Stoff den

Individuen zu Grunde liegt, nicht selbst schon einen Prädicats-Namen

hat, sondern ein solcher Collectiv-Name erst von den betreffenden Indi

viduem ausgesagt wird *°°). Nun aber wird dieses Letztere aueh auf

die Formen, d. h. auf die artmachenden Unterschiede ausgedehnt; es

wird nemlich in einer langen und äusserst zugespitzten Erörterung

gegen die gewöhnliche Annahme (Abschn. XI, Anm. 44, und Abschn.

XII, Anm. 87) dargetham, dass der artmachende Unterschied nicht unter

die Kategorie der Qualität fallen könne, da dann die Qualität in zwei

oberste Arten, nemlich in die Differenz und die übrige Qualität zer

fallen müssle, deren jede von beiden doch wieder mur durch einen

artmachendem Unterschied constituirt werden könnte, welch letzterer

aber ja gleichfalls unter die Qualität fallen müsste, was er in keiner

Weise, weder als Gattung moch als Art oder Unterart, kann, sowie

auch es danm in keiner anderen Kategorie einen artmachenden Unter

schied geben könne, weil jede Species der Qualität (zu welchen ja

derselbe gehören würde) nur ein artmachender Unterschied innerhalb

der Qualität selbst sein könnte !**). Und wenn nun hiernach auch die

179) p. 548.: Concedo, rationalitatem praedicari de homine in substantia ut

animal, sed illud ut formalem essentiam , aliud vero ut materialem; vere autem

assero, nullam simplicem formam de alio praedicari substantialiter, quam de his,

quae formaliter constituit.

180) p. 549. : Non est diversus effectus materiarum, imo formarum ..... Appa

ret, qu0d ille effectus sequitur formas et non materiam.

181) p. 546.: Ne concedere cogamur, et materiam substantiae generalissimum

esse genus, et susceptibilitatem contrariorum et quaslibet simplices formas esse species

..... Respondendum est, quod in diffinitione generis intelligendum est, id quod genus

est debere praedicari de pluribus speciebus proæime sibi suppositis, quod quia deest

illi materiae, idcirco non est genus.

182) Ebend.: Possumus etiam dicere, quia illa mera essentia ad interrogationem

factam per quid convenienter non respondetur .... Si ergo quaeritur ,, quid est sub

stantia“, respondeamus ,,est'*; neque enim potest responderi per nomen ,,substantia*',

namque non est nomen nisi materiatorum a substantia, vel ipsius substantiae per

translationem supervacue responderi manifestum est.

183) p. 534.: 0pponetur: illa essentia hominis, quae in me est, aliquid est

aut nihil ...... Respondemus, tali essentiae nullum nomen esse datum nec per impo

sitionem nec per translationem.

184) p. 541.: Restat nunc de differentiis, an alicui praedicamento sint adscri

bendae, an omnino a praedicamentis removendae iustius videantur ....... (p. 542.)

Dicunt omnes, differentias esse in qualitate ....... Quod si omnes differentiaè in qua

litate tenentur, differentiae specierum qualitatis in eodem praedicamento annumerafidae

sunt, quod qualiter stare possit videamus. Praeceptum est Boethii in libro Divisionum

XIV. De generibus et speciebus. 151

das Wesen constituirenden Formen, selbst mit Berufung auf eine ein

zelne Stelle des Boethius, gleichfalls aus dem Bereiche des Prädicats

Verhältnisses ausgeschieden werden 1°°), so bleibt der ontologische

Worgang selbst, insoferne er auf Stoff und Form beruht, dem Prädi

ciren entrückt, und der Mensch bezeichnet durch Prädicate nur die

Producte des Worganges, d. h. die einzelnen zusammengesetzten Dinge,

in deren Gebiet die Anwendung der Kategorien und hiemit auch die

Eintheilung in Substanz und Accidens ihre Stelle habe 1°°). So sind

wir allerdings wieder so ziemlich bei Scotus Erigena (s. vor. Abschn.

-Anm. 105, woselbst in ähnlichem Sinne von der „Natur der Dinge“ die

Rede ist, und Amm. 121, wo die Geltung der Kategorien hervortritt)

angekommen, wir verstehen aber eben darum auch, wie der' Verfasser,

welcher als den Kern seiner Ansicht bezeichnet, dass das Allgemeine

nicht das Einzelne sei '°'), gegen alle Hauptrichtungen seiner Zeitge

nossen betreffs der Universalien polemisirem kann, während er zugleich

mit allen sich gewissermaassen berührt.

Nun aber bildete, wie wir schon oben, S. 114, bemerkten, der

Streit über die Universalien immerhin nur einen Theil der gesammtem

logischen Thätigkeit jener Zeit, und sowie uns auch Johannes v. Sales

bury ausdrücklich bezeugt, dass ausser jener Frage es noch mehrere

andere Gegenstände üblicher Controversen gab !°°), so müssen wir ver

(s. ob. Anm. 118.), omne genus per duas proæimas species sufficienter naturaliter

dividi. Duo ergo species sunt sub qualitate generalissima, in quas ipsum generalissi

mum sufficienter distribuitur; hae per adventum differentiarum in genus constituuntur,

quo differentiae qualitates sunt, si omnes differentiae praedicamento qualitatis annu

merandae sunt. Quod si est, aut erunt ipsum generalissimum aut ipsae species divi

dentes aut sub illis ipsis speciebus pr0vimis continebuntur. . Ipsum generalissimum

sui ipsius forma non est ..... Item ipsae differentiae species non sunt, quae ab ipsis

constituuntur ...... (p. 544.) quocunque m0d0 dividas qualitatem, nulla species qua

litatis erit, quam non sit necesse differentiam esse alicuis speciei qualitatis, quod

si verum est, nullius speciei alterius praedicamenti poterunt esse differentiae.

185) p. 545.: Videtur mihi, substantiales differentias in nullo praedicamento

esse, sed simplices formas tantum esse nec aliquo modo eæ materia et forma constare,

ipsas autem in subiectam materiam venientes naturam aliquam constituere, quamvis

a nullo constituantur ..... Etiam Boethius (ad Ar. Praed. p. 130.) ... potentissima

confirmat auctoritate ita dicens: ,,cum tres substantiae sint, materia, species et quod

eæ utrisque conficitur, .... hic neque de sola specie neque de sola materia , sed de

utrisque T miactis compositisque proposuit'* ..... 'Ecce hic apertissime Boethius dicit,

substantialem formam in praedicamento nón esse.

186) p. 546.: Sensus est, quod res eae materia et forma compositae in praedi

camentis sunt, res vero simplices in praedicamento non sunt; quod si forte invenias

auctoritatem, quae videatur asserere, omnes res esse in praedicamento, de compositis

dici intelligas, illamque divisionem quae est ,,quidquid est, substantia aut accidens**,

de compositis factam esse dicimus, simplices enim formas accidentia non appellamus.

Ueber Letzteres s. Anm. 191.

187) p. 547.: nostra sententia, quae nullum universale esse singulare recipit.

188) Joh. Saresb. Polycr. VII, 2 (0pp. ed. Giles IV) p. 87.: Sunt autem dubi

tabilia sapienti, quae ..... suis in utramque partem nituntur firmamentis; talia sunt,

quae quaeruntur ..... de materia et motu et principiis corporum, de progressu mul

titudinis et magnitudinis sectione, an terminos omnino non habeat (s. ob. Anm. 125 ff.),

• • • • • de tempore et loco, de numero et oratione, de eodem et diverso, in quo plu

rima attritio est, de dividuo et individuo, de substantia et forma vocis, de statu

universalium , de usu et fine ortuque virtutum etc.

152 XIV. Einzelne Controversem.

*

suchen, auch noch betreffs der übrigen Theile der Logik die damalige

Zeitrichtung an der Hand einer fragmentarischen Ueberlieferung zu cha

rakterisiren, wodurch wir zugleich die Kenntniss jenes Terrains ver

vollständigen dürften, in welchem sich Abälard's Leistungen bewegen.

Was hiebei zunächst die Katego ri e n betrifft, welche zwar won

Einigen geringschätzig behandelt wurden !°°), so bolen schon jene ein

leitenden Begriffe des aequivocum, univocum und denominativum (s.

oben Anm. 93) eine Weranlassung zu Meinungs-Werschiedenheiten dar *°°).

Sodann aber wurde die Gegenüberstellung von Substanz und Accidens

(Abschn. XlI, Anm. 90) von Einigen bestritlen, von Anderen aber ent

weder mit Beschränkung , auf die concretem Dinge der Natur gerecht

fertigt oder auf das blosse Prädicats-Werhältniss (vgl. Anm. 186) he

zogen oder selbst mit Werwechslung von Form und Accidens in den

Begriff des aus Theilen bestehenden Ganzen verlegt 194). Auch die Er

örterung der einzelnen Kategorien gab manchen Stoff zu Controversen,

welche jedocli die Gränze des bei Boethius Worliegenden nicht über

schritten ; so hatte sich bezüglich der Relation die Werschiedenheit der

platonischen und der aristotelischen Auffassung durch die Commentatoren

(Abschn. III, Anm. 49, Abschn. IX, Anm. 31, Abschn. XI, Anm. 71)

auch in die Discussion bei Boethius fortgepflanzt (Abschn. XlI, Anm. 93),

und somit erscheint dieser Streitpunkt auch hier , wieder '°°); auch

strilt man, ob nicht die Begriffe der Aehnlichkeit oder Gleichheit mehr

zur Qualität als zur Relation zu rechnen seien, sowie Einzelne sogar

189) Ebend. Metal. IV, 24 (0pp. V.) p. 181.: Alii detrahunt categoriis.

190) Ebend. III, 2, p. 120.: Ev opinione plurium idem principaliter significant

denominativa et ea, a quibus denominantur (nur Realisten können dies behauptet

haben). Abael. Dialect. p. 481.: Nec aequivoca eae sola debent praedicatione iudi

cari, sed nec univoca propter eundem communionis causam ..... Sunt aulem non

nulli, qui .... non ad ea, quibus est impositum vocabulum aequivocum et de quibus

enuntiatur, respiciunt, imo ad ea, eae quibus est impositum, ut ,,amplector“, cum

ad eandem personam, amplectentem simul et ampleaeam, aequivocum dicatur secundum

diversarum proprietatum diffinitiones, actionis scilicet et passionis, non ad personam

commune dicatur, sed ad proprielales , quas aeque designat.

191) Pseudo-Abael. d. intell. b. Cousin, Fragm. philos. Par. 1840, p. 493.:

Quaeritur, an haec divisio ,,earum quae sunt, aliud est substantia aliud est accidens“

sit sufficiens. Quodsi concedalur, tunc, cum rationalitas sit; oportet esse substanliam

vel accidens ; si aulem accidens fuerit, potest adesse et abesse, quod falsum est

- - - - - - Quidam dicunt, quod de quocunque verum est dicere ,,istud est, una res“, de

eodem verum est dicere, esse substantiam vel accidens ; hi tamen non concedunt, rem

unam debere dici, quod per opus hominum habet eaeistentiam ut domus , nec quod

habet partes disgregatas ut populus ..... Alii vero duobus modis dicunt divisionem

sufficientem esse, praedicatione scilicet et continentia secundum naturam. Praedicatione

quidem ........ v. g. animalium aliud est rationale aliud irrationale, haec divisio

est sufficiens praedicatione, quia de quocunque poterit dici ,,istud est animal“, de

eodem statim consequetur, esse vel rationale vel irrationale. Continentia ..... ut tale

sit ezemplum: domus alia pars paries alia tectum alia fundamentum ..... ; accidens

tamen ibi large accipitur pro forma.

192) Abael. Dialect. p. 201 f.: Quae quidem diffinitio ab alia in eo maæime

diversa creditur, quod hanc Aristoteles secundum rerum naturam protulit, illam vero

Plato secundum constructionem nominum dedit ..... Sunt autem, qui quemadmodum

Platonicam diffinitionem nimis lavam vituperant, ita et Aristotelicam nimis strictam

appellant. - -

XIV. Einzelne Controversen. 153

die Kategorie der Lage (situs) zur Qualität zählten 198), oder man

bezweifelte die Berechtigung der Kategorien ubi und quando, da die

selben aus den zur Quantität gehörigen Begriffen des 0rtes und der

Zeit abgeleitet seien und somit z. B. dem Frageworte „qualiter“ völlig

parallel stünden *°*), oder hinwiederum fragte man über die richtige

Unterordnung der Begriffe ,,Tod“ oder „Schlaf** u. dgl. 19°), oder man

stritt über die Auffassung des in den Kategorien mehrfach vorkommen

den magis vel minus, ob nemlich durch die Gradabstufung bloss das Sub

strat oder bloss die Eigenschaft oder beides zugleich berührt werde 196);

auch konnte bei solchen Gelegenheiten die principielle Parteistellung

hervortreten , insoferne die Nominalisten z. B. den Begriff „Gestern“

als ein Nicht-Seiendes bezeichneten 197), oder auch betreffs der Relation

und der Gegensätze ihren Standpunkt geltend machten, während die

realistische Ansicht ihrerseits dasselbe that 19°). Am häufigsten aber

scheint die Kategorie der Quantität besprochen worden zu sein, schon

darum weil dieselbe wieder auf die Fragen über den Theilbegriff (Anm.

193) Ebend. p. 204.: Sunt tamen, qui ,,aequalis et inaequalis, similis et

dissimilis“ inter qualitates contrarias recipiant. p. 208.: Hi vero, qui similitu

dinem potius inter qualitates enumerant, ut magistro nostro V. (s. Anm. 102.) pla

cuit. (Die Quelle dieser Controverse ist Boeth. p. 157. im Vergleiche mit p. 187.)

Ebend. p. 201.: Unus, memini, magister noster erat, qui positionis nomen ad qua

litates quasdam aequivoce detorqueret. Hiezu Anm. 501.

194) Ebend. p. 199.: Videntur autem nec generalissima esse ,,ubi** vel ,,quando“,

e0 quod prima principia non videantur; quae enim ea, alio nascuntur, prima non

videntur principia, sed ipsa quoque principia habent; ubi autem eæ loco, quando

autem eae tempore originem ducunt ..... Solet autem a multis in admirationem ac

quaestionem deduci, cur magis eae loci vel temporis adiacentia praedicamenta innascan

tur, quam eae adhaerentia aliarum specierum sive generum; tam enim bene ,,qualiter“

unius nomen generalissimi videtur sicut ,,ubi** vel ,,quando“, cuius quidem ' species

bene vel male dicerentur sicut ,,quando'' heri vel nudiustertius vel ,,ubi** Romae vel

Antiochiae esse. Die Quelle dieser Controverse ist ausser dem Abschnitte über die

Quantitàt, in welchem ja locus und tempus eine eigene Erörterung fanden (Boeth.

p. 146.), besonders der Commentar des Boethius selbst, p. 190.: „quando“ et

„ubi“ esse non potest, nisi locus ac tempus fuerit.

195) Ebend. p. 402.: Solet autem de morte et vita quaeri, utrum in privatio

nem et habitum an potius in contraria recipiantur. p. 406.: Si in dormiente, in

quiunt, visio esset, videre eum 0p0rteret, si vero caecitas inesset, nunquam amplius

ipsum videre contingeret.

196) Gilb. Porret. de seae princ. c. 8. (bei Arist. 0pp. lat. Venet. 1552, I, f.

34.): Dicitur autem ,,magis et minus suscipere“ tripliciter; aiunt enim quidam se

cundum crementum et diminutionem eorum, quae suscipiunt, subiectorum;• aliter autem

et alii, ipsa quidem, quae suscipiuntur, in suscipiente diminut et crescere, annun

tiant; alii autem secundum utrumque amborum diminutionem et augmenlationem.

197) Abael. Dialect. p. 196.: ,,Heri* rei eæistentis designativum non videtur

...... sed fortasse hi, qui magis in speciebus rerum naturam quam vocabulorum

imp0sitionem attendunt, per „heri“ quandam praesentem adiacentiam designari volunt.

198) Ebend. p. 392.: Qu0d quidem multos in hanc sententiam induacit, ut con

trarium nomen tantum universalium, non etiam singularium, confiterentur, albedinis

quidem et nigredinis, non huius albedinis vel huius nigredinis; sic quoque et rela

tivum et „privatio et habitus“ nomina tantum universalium dicunt; relativa quidem

tantum universalia dicebant eæ relatione constructionis; ,,habitus“ quoque et „privatio“

universalium tantum nomina dicunt, eo quod in individuis non possunt servari.

Ebend. p. 398.: Quidam talem eum (sc. Boethium) divisionem innuisse dicunt, quod

contraria alia sunt genera alia specialissima; specialissima vero sic subdividuntur,

ut eorum alia sub eodem genere, alia sub diversis contrariis ponantur.

154 XIV. Einzelne Controversem.

125 fr.) hinüberführte. Während die Nominalisten die Zahlbegriffe völlig

analog dem Uebrigen auffassten und daher die einzelnen Ἀ, als

Arten bezeichnetem, deren Gattung die Zahl selbst sei 1°°), werneintem

diess ihre Gegner, weil es bei den Zahlen an der zum Art- oder Gat

tungs-Begriffe erforderlichen Wesens-Einheit der Natur fehle, und hier.

mach die Zahlen nur als adjectivische Ausdrücke eines collectiven Wer

fahrens zu bezeichnen seien, welches Letztere man dann auch auf

sämmtliche Momente der Quantität anwendete, insoferne nur die einfa

chen Grundlagen derselben, nemlich die Begriffe des Punktes, des Eins,

des Augenblickes, des Buchstahen, des 0rtes, eine Wesens-Realität

beanspruchen könnten, alles Uebrige aber auf blosse collective Aus

drücke sich reducire 200); auch wurde von Einigen auf den Unterschied

hingewiesen, welcher bezüglich der Theilbarkeit zwischen dem Zeitbe

griffe und dem übrigen continuirlichen Theilbarem bestehe?''').

In der Lehre vom U r t h eile scheint häufig der ganze hauptsäch

liche Inhalt der Logik, soweit derselbe zum blossem Unterrichte der

jüngeren Schüler verwendet wurde, zusammengefasst worden zu sein,

demn man verarbeitele das Buch De interpr. zu Compendien, zu ,,In

troductiones“ oder zu einer „summa artis“, und indem man über die

Theile und Formen des Urtheiles, über Quantität, Qualität, Aequipollenz,

über Conträres und Contradictorisches, über Wahrheit und Falschheit,

über Umkehrung und Modalität der Urtheile u. dgl. Regeln zusammen

stellte, suchte man das aristotelische Buch gleichsam schulgerechter zu

199) Ebend. p. 190.: Hi vero, quibus videtur, in specialibus aut generalibus

vocabulis non solum ea contineri, quae una sunt naturaliter, sed magis ea, quae

substantialiter ab ipsis nominantur, possunt fortasse et ista (nemlich die einzelnem

Zahlbegriffe) species appellare, quum videlicet magis logicam in impositione vocum

sequantur quam physicam in natura rerum investiganda.

200) Ebend. p. 188 f.: Numerum autem collectionem unitatum determinant .....

Unde maæime magisri nostri sententia, memini, confirmabat, binarium ternarium ce

terosque numeros species numeri non esse nec numerum genus eorum, cuius videlicet

res una naturaliter non esset; hae namque duae unitates in hoc homine Romae ha

bitante et in illo qui est Antiochiae, consistunt atque • hunc binarium componunt.

Quomodo una res in natura diceretur aut quomodo ipsae spatio tanto distantes unam

simul specialem seu generalem naturam recipient? Unde potius numeri nomen et bi

narii et ternarii et ceterorum a collectionibus unitatum sumpta dicebant. Ebend. p.

179 f.: Harum autem (sc. quantitatum) aliae sunt simplices aliae compositae; sim

plices vero qùinque dicunt, punctum scilicet, unitatem, instans quod est indivisibile

temporis momentum, elementum quod est voae individua, simplicem locum ..... Has

autem tantum, quae simplices sunt, magistri nostri sententia speciales appellabat

naturas, eo videlicet quod sint unae naturaliter, quae partibus carent; quae vero eae

his sunt compositae, composita individua dicebat nec una naturaliter esse .... magis

que earum nomina sumpta esse a collectionibus quibusdam.

201) Ebend. p. 186.: Cum autem res singulae sua habeant tempora in se ipsis

fundata, sua scilicet momenta, suas horas, suos dies vel menses vel annos, omnes

tamen dies simul evistentes vel menses vel anni pro uno accipiuntur ...... (p. 187.)

In aliis totis totum positum ponit partem et pars destructa perimit totum ....; in

tempore vero e converso est, velut in die; si enim prima est, dies esse dicitur, sed

non convertitur; .... at vero si dies non est, prima non est, sed non convertitur

- - - - - In his itaque totis, quae per unam tantum partem semper eæistunt, illud

quod de inferentia totius et partis Boethius (de diff. top. II, p. 867.) docet, non

admittunt.

XIV. Einzelne Controversen. 155

machen und maneherlei Ergänzungen oder Erweiterumgen beizubringen *°°).

In letzterer Beziehung aber ist uns Nichts näheres überliefert; hingegen

dass hieram sich auch wieder einzelne Controversen knüpftem, ersehen

wir auch aus den beschränkten uns zugänglichem Quellen. So wurden

sehon sogleich über den Begriff der voae significativa (Abschn. XII,

Amm. 109) Schwierigkeiten erhoben, welche bezüglich der Fortpflanzung

des Schalles- sieh so sehr ins Abstruse verstiegem, dass Einige zuletzt

die Luft selbst als das Significante bezeichneten 208). Nicht viel besser

ist die gelegentlich der Einheit der Bezeichnung aufgeworfene Frage,

ob ein Wort auch die Buchstaben, aus welchen es besteht, „bezeichnen“

könne 394). Einflussreielher hingegem mochte es sein, — obwohl uns

weitere Consequenzen nicht überliefert sind —, wenn man beim nomen

eine scharfe Gränze zwischen significare und nominare zog, insoferne

ersteres auf die Allgemeinheit und letzteres auf das Einzelne gehe *°°),

sowie vor Allem, wenn bei der Controverse, ob die Präpositionen und

Conjunctionem gleichfalls ,,bezeichnende“ Worte seien oder gar nicht

zu den Redetheilen gezählt werden dürfen, die Dialektiker in Berührung

202) Joh. Saresb. Metal. lII, 4, p. 130.: Quidquid in isto docetur libro (d. h.

De interpr.), compendiosius et manifestius poterit quilibet doctorum, quod et multi

faciunt, eæcepta reverentia verborum, in doctrinalibus parare rudimentis, quas intro

ductiones vocant ; viæ est enim aliquis, qui haec ipsa non doceat adiectis aliis non

minus necessariis .... Percurrunt itaque, quid nomen, quid verbum, quid oratio,

quae species etus, quae vires enuntiationum, quid eæ quantitate sortiantur aut qua

litate, quae determinate verae sint aut falsae, quae quibus aequipolleant, quae con

sentiant sibi, quae dissentiant, quae praedicata divisim, quae coniunctim praedicentur

aut conversim, et quae non, item quae sit natura modalium, et quae singularium

contradictio ...... p. 131. : Quis enim contentus est iis, quae vel Aristoteles in Peri

ermeniis docet? Quis aliunde conquisita non adiicit? 0mnes enim totius artis sum

mam colligunt et verbis facilibus tradunt. Vgl. untem Amm. 366.

203) Abael. Dial. p. 193.: Quomodo ergo eadem vov simul a diversis audiri

conceditur atque diversorum aures altingere? Sed ad haec quidem diversi diversas

proferunt solutiones. Hi quidem, qui audiri etiam remota volunt, dicunt, vocem

ante os proferentis remanentem essentialiter secundum sensuum discretionem ad aures

diversorum venire. Illi autem, qui audiri nolunt nisi praesentia, hanc in voce phy

sicam considerant, quod, quando lingva nostra aerem percutit sonique formam ipsi

nostrae linguae ictus attribuit, ipse quidem aer, eum ab ore nostro emittitur eæte

rioresque invenit aeres, ipsis etiam, quos reverberat, consúmilem soni formam attri

buit, illeque fortassis aliis , qui ad aures diversorum perveniunt. p. 190.: Nostri

tamen, memini, sententia magistri ipsum tantum aerem proprie audiri ac sonare ac

significare volebat. Vgl. unten Anm. 499.

204) Ebend. p. 488.: Totum constat eae suis partibus, voae eae suis non con

stituitur significationibus, et fit quidem divisio totius in partes , vocis vero non in

significationes. Nam etsi hoc in quibusdam vocibus contingat, ut scilicet eae suis

iungantur signifieationibus, ut hoc vocabulum quod est ,,ens'* eae litteris suis, quus,

etiam significat, non tamen id ad naturam vocis , sed totius referendum est; in eo

enim quod ea, eis constat, totum est earum, non eas significans. Est etiam et alia

quorundam solutio, ut scilicet concedant, nullam vocem coniungi eae significationibus

diversis, ad quas videlicet diversas impositiones secundum aequivocationem habeat;

neque enim ,,ens** ad quaelibet plura dicunt aequivocum, sed tantum ad diversorum

substantias praedicatorum, unde de litteris, quae in eodem clauduntur praedicamento,

aequivoce non dicitur.

205) Joh. Saresb. Metal. lI, 20, p. 100.: Quod fere in omnium ore celebre est,

aliud scilicet esse quod appellativa significant et aliud esse quod nominant; nomi

nantur singularia, sed universalia significantur.

156 XIV. Einzelme Controversen.

mit den Grammatikern kamen, unter welchen die Einen einseitig für

Letzteres sieh entschieden, Andere aber auch die Interessen der Logik

berücksichtigtem und hiedurch eine Wereinbarung ermöglichten, wornach

für jene Redetheile (etwa ähnlich wie bei dem Werfasser De gen. et

spec., s. Anm. 174) ihr späterer Eintritt in die I.ogik wenigstens vor

bereitet werden konnte *""); gleichfalls einem Einflusse der Grammatik

(möglicher Weise durch Bernhard v. Chartres, s. Anm. 89) kann die

Termimologie zugeschrieben werden , wormach man Urtheile, wie z. B.

„Mensch ist ein Substantivum“ als „materialiter imposita“ oder als Ur

theile „de significante et significato“ bezeichnete *"). An der Frage

über das Wesem der Affirmation und Negation konnte wieder der Par

tei-Gegensatz hervortretem, indem die Einen sich an die Sprachform, .

Andere an die Begriffe, Andere an die objective Realität hielten 208).

Auch bei manchen einzelnem Punkten, welche im Commentare des Boe

thius sich erörtert famdem, entschied man sich bald für bald gegem die

Auctorität desselben, so z. B. betreffs der Einheit des Urtheiles 209),

oder bezüglich der Zerlegung des Verhums in die Copula und ein Parti

cipium *1°), oder hei den Urtheilen, in welchen das „est“ nicht die

206) Abael. Dialect. p. 216.: Praepositiones et coniunctiones de rebus eorum,

quibus apponuntur, quosdam intellectus facere videntur, atque in hoc imperfecta

earum significatio dicilur, quod .... ipsa qu0que res, de qua intellectus habetur, in

huiusmodi dictionibus non tenetur sicut in nominibus et verbis, quae simul et res

demonstrant ..... Unde certa apud grammaticos de praepositionibus sefìtentia eaestitit,

vt res quoque eorum, quorum vocabulis apponuntur, ipsae designarent ..... Unde

illa quorundam dialecticorum sententia potior videtur, quam grammaticorum opinio,

quae omnino a partibus orationis huiusmodi voces , quas significativas esse per se

non iudicavit, divisit ac magis ea quaedam supplementa ac colligamenta (s. Abschn.

XII, Anm. 43, 60. u. 111.) partium orationis esse dicit ..... (p. 217.) Sunt etiam

nonnulli, qui omnin0 a significativis huiusmodi dictiones removisse dialecticos ad

struamt.

207) Joh. Saresb. Metal. III, 5, p. 137.: Interdum tamen dictionem rem esse

contingit, quum idem serm0 ad agendum de se assumitur, ut in iis, quae prae

ceptores nostri materialiter dicebant imposita et dicibilia, qugle est ,,homo est no

men, currit est verbum.“ Abael. Dial. p. 248.: Quidam tamen transitivam gramma

ticam in quibusdam pr0p0sitionibus esse volunt, qui quidem propositionum alias de

consignificantibus vocibus, .alias ver0 de significante et significato fieri dicunt, ut sunt

illae, quae de ipsis vocibus nomina sua enuntiant hoc modo ,,homo est nomen vel

vov vel disyllabum“. Vgl. Anm. 618.

208) Abael. Dialect. p. 404.: Quidam autem per ,,iacere sub affirmatione et

negatione** finitum et infinitum vocabulum accipiunt, ut ,, sedet, non sedet**; quidam

vero inlellectus ab affirmatione et negatione generatos (s. Anm. 175.); sed nos potius

ea, quae ab affirmatione et negatione dicuntur accipimus, essentias scilicet rerum,

de quibus per affirmationem et negationem agitur. Nicht recht verständlich aber

ist Joh. Sar. Metal. II, 11, p. 81.: eaepedit dialectica quaestiones, quale est, an

affirmare sit enuntiare (umgekehrt an enuntiare sit affirmare hätte eher einen er

denklichen Simn), et an simul, eaestare possit contradictio.'

209) Abael. Dial. p. 298.: Sunt autem, qui adstruant, diversa accidentia unam

, enuntiationem facere, cum talia sumuntur, quae ad diversa referuntur, veluti si

dicatur ,,homo citharoedus bonus“ (s. Boeth. p. 419.).

210) Ebend. p. 219.: Idem dicit ,,homo ambulat**, quantum proponit ,,homo

est ambulans“ (Boeth. p. 429.). Sed ad hoc, memini, magister nosler V. opponere

solet: si, inquit, verbum propriam significationem inhaerere dicit, verum autem sit,

eam inhaerere , profecto ipsum verum dicit ac sensum propositionis perficit.

XlV. ' Einzelne Gontroversen. 157

factische Existenz des Subjectes involvirt *!!), oder bei der Frage über

das Quantitätsverhältniss zwischen Subject und Prädicat ***), woram

sich auch grammatische Spitzfindigkeiten anknüpfen konnten *'°). Ja

auch jene richtige Wervollständigung, welche die aristotelische Schrift

De interpr. durch Boethius in den Angaben über das „unbestimmte Ur

theil“ gefunden hatte (Abschn. XII, Anm. 115), wurde von den Einen

gerechlfertigt, von Anderen aber verworfen, unter welch letzteren uns

ein Magister „W.“, welcher „Glossulae super Periermenias“ schrieb, ge

nannt wird 21*). Bezüglich der modalen Urtheile, — s. Abschn. XII,

Anm. . 119, die Terminologie „modalis“ erscheint num als wöllig reci

pirt —, ist es wahrlich eine eigenlhümliche Auffassung, wenn Einige

dieselben derartig von den nicht-modalen ableiteten, dass nicht der that

sächliche lnhalt, sondern der Sinn der Aussage dureh die Worte „mög

licherweise“ oder „nothwendigerweise“ modificirt werde, oder wenn

Andere sagten, die Möglichkeit oder die Nothwendigkeit selbst seien in

solchen Urtheilen das Prädicat ***); auch war der Unterschied zwischen

211) Ebend. p. 223 f.: Unde quidam, cum dicitur Homero quoque defuncto

,,Homerus est poeta** (Boeth. p. 423.) ..... ,,esse** quoque, quod interponitur, in

designatione non eæistentium volunt accipi .... Nostri vero sententia magistri non

secundum verbum accidentalem dicebat praedicati0nem, sed secundum totius construc

tionis significaturam et impropriam locutionem ..... Sed quaerilur in illa significaliva

locutione ,,Homerus est poeta“, cuius nomen ,, Homerus“ aut ,,poeta** accipiatur;

at vero, si hominis, falsa est enuntiatio e0 defuncto, si vero poematis, .... est nova

vocis aequivocatio.

212) Ebend. p. 247.: In his autem .quae secundum accidens praedicantur nec

totam subiecti sul)stantiam continent, sed in parte tantum subiectum attingunt (Boeth.

p. 263.), .... non est necesse, praedicatum vel maius esse subiecto vel aequale,

veluti cum dicitur ,,animal est homo** vel ,, quiddam animal est homo** (vgl. Boeth.

p. 562.). Quamvis tamen et hic quidam concedunt, animal quod subiicitur non esse

maius homine, dicunt enim, quia animal, quod homo est, ibi subiicitur, quod non

est maius h0mine.

213) Joh. Saresb. Metal. II, 20, p. 101.: Quia ,,omnis homo diligit se*', quodsi

eæ relativae dictionis proprietate discutias, incongrue dictum forte causaberis et fal

sum, siquidem ..... sive collective sive distributive accipiatur, quod dictum est

,,0mnis“ pronomen relativum, ,,se“ qu0d subiungitur nec universilati singulorum

nec alicui omnium veraciter aptetur. Est igitur licentiosa relatio .... (p. 102.) unde

eae sententia eorum, qui angustiis et subtilitatibus semper insistunt nec bonae fidei

rationem in colloquiis aut leclionibus curant, haec potius enuntiationis forma est,

quam regwlaris formae enuntiatio.

214) Abael. Dialect. p. 225.: De orationibus vero infinitis quare hoc loco Ari

stoteles mentionem non fecerit, solet quaeri ... Alii itaque Aristotelem simplicis

enuntiationis constitutionem demonstrasse hoc loco volunt, alii vero nullo modo ora

tionem infinitari (dieses Wort begegnet uns hier zum ersten Male) concedunt, qui

bus, memini, magister noster V. assentiebat; nec quidem id tam secundum senten

tiam negabat, quam secundum constructionis maturam, cuius quidem invalidam de

coniunctione dictionum calumniam in Glossulis eius super Periermenias invenies.

215) Ebend. p. 267.: Restat, qualiter modales propositiones eae simplicibus

descendere confiteamur; est autem magistri nostri sententia, eas ita ea, simplicibus

descendere, quod de sensu earum agant, ut, cum dicimus ,,possibile est Socratem

currere vel necesse“, id dicamus, quod ,,possibile est vel necesse, quod dicit ista

pr0p0sitio: Socrates currit“. Ebend. p. 273.: Haec enim ,,quendam hominem non

est possibile esse album** secundum magistri praedictam eæpositionem, quae de sensu

simplicis agit, sic ,,non est possibile, quod dicit haec propositio : quidam homo est

albus**. Ebend. p. 277.: Quidam aiunt, per possibile possibilitatem praedicari, per

158 XIV. , Einzelme Controversem.

possibile und contingens offenbar ebensosehr ein Gegenstand von Con

troversen gewordem *'°), wie andrerseits die Aequipollenz der modalen

Urtheile ?17), oder wenn Boethius bei der Unterordnung des disjunctiven

Urtheiles unter das hypothetische (Abschn. XII, Anm. 141) nur die

Form ,,Aut A est aut B est“ im Auge gehabt hatte, so wollten nun

Einige diess durch eine syntaktische Reduction auch auf die Form ,,A

est aut B aut C* ausgedehnt wissen *!*).

Aus dem Bereiche der Syllogis t ik dürfen wir . von vorneherein

keine derartige Controversen-Litteralur erwarten, denn die betreffendem

Compendien des Boethius sind gleichsam blosse schulmässige Formulare,

welche keine Gelegenheit zu Meinungsverschiedenheitem darbieten, die

aristotelische Analytik hingegen wurde, wie wir sahen (Amm. 8—34),

eben damals erst allmälig bekannt und ermangelte selbst dann noch

einer solchen commentirenden Zurichtung, wie sie für die anderen

Theile der Logik längst vorhandem gewesen war. Doch findet sich

wenigstens bei Johannes v. Salesbury eine Noliz, wornach jene äusserst

schwierige Stelle der ersten Analytik betreffs der Umkehrung modaler

Urtheile (Abschn. IV, Anm.: 246) zu besonderer Erwägung gekommen

zu sein scheint, insoferne man die dortigen Begriffe der Naturbestimmt

heit, des Möglichen und des Nicht-stattfindens durch eine eigene Ter

minologie (materia naturalis, contingens, remota) zu bezeiehnen für

nöthig fand *1°). Aus derselben Quelle erfahren wir auch, dass die aus

modalem Urtheilen bestehenden Syllogismen, welche bereits Abälard ge

kannt hatte (Amm. 17), nun sowohl bei den Theologen als auch * in den

Schulen der Dialektik häufig in Anwendung gebracht wurdem **°). Ein

necesse necessitatem, ut, cum dicimus ,,p0ssibile est Socratem esse vel necesse**,

possibilitatem aut necessitatem ei attribuamus.

216) Joh, Sar. Metal. IV, 4, p. 161.: ,,Contingens“, cuius latissimus usus,

quo ,,possibili** aequabatur (s. Abschn. XII, Anm. 119.), in communi modernorum

usu parietes scholarum nusquam egreditur.

217) Abael. Dial. p. 275.: Quidam in his propositionibus (Abschn. XII, Anm.

122.) ..... dicunt, qu0d si p0ssibile est vel necesse est, Socralem non esse equum,

possibile est vel necesse est, esse non equum .... ln universalibus non ita concedunt,

ut videlicet [tantundem valeat ,,n0n** ad ,,esse“ praep0situm, quantum id, quod

,,esse** copulat comp0situm.

218) Ebend. p. 442.: Sunt tamen quidam, qui nec discretionem ullam inter

categoricam et hypotheticam in disiunctione c0mp0sitas habent, sed idem dicunt pro

poni, cum dicitur ,,Socrates est vel sanus vel aeger“, et cum dicitur ,,aut Socrates

est sanus aut aeger“, ut scilicet omnis enuntiatio, quae disiunctas recipit coniunc

tiones, hypothetica credatur; volunt itaque semper in huiusmodi categoricis, quae

disiunctiones recipiunt, hypotheticae sensum intelligi, .... veluti cum dicitur ,,Socrates

est sanus vel aeger“, tale est ac si dicatur ,,aut Socrates est sanus aut Socrates

est aeger“.

219) Joh. Sar. Metal. IV, 4, p. 160, woselbst in einer Inhalts-Uebersicht

der ersten Analytik auch Folgendes vorkömmt: quid in toto esse aul non esse;

quas propositiones ad usum syllogizandi converti contingat et quas non; quidve ob

tineat in his, quae modernorum (s. Anm. 55.) usu dicuntur esse de naturali mate- '

ria aut contingenti aut remota; quibus praemissis trium figurarum subnectit ra

tiomes etc.

220) Ebend.: Deinde habita modalium ratione transit ad commiacliones quae de

necessario sunt aut contingenli cum his, quae sunt de inesse .... Eaepositores vero

divinae paginae rationem m0d0rum pernecessariam : esse dicunt .... Est, enim modus,

. . . XIV. Einzelne CQntroversen. , , 159

Ę einmal erwähnter Fangschluss. beziiglich der Möglichkeit

es Künftigen ist aus Cicero nachgebildet**').

Dass hingegen wieder die T opik sich einer ausgedehnteren und

mannigfaltigerem Bearbeitung zu erfreuen hatte, geht schon im Allge

meinen aus dem Werke Abälard's hervor, welcher bei den einzelnen

Topen sich so äussert, dass er überall schon eine bestimmte Anzahl

formulirter ,,Regeln“ vorgefunden haben muss, in welehe man in den

Schulen die Angaben des Boethius (De diff. top.) redigirt hatte ***);

auch versuchten von jener Zeit an, in welcher die aristotelische Topik

wieder hervorgezogen wurde (ob. Anm. 28 f.) in der That Einige eine

Bereicherung dieses Zweiges der Dialektik durch Auffindung neuer Topen

und neuer „Regeln*****), zugleich aber mochte sich auch eine richtige

Einsicht über die Stellung und Bedeutung der Topik verbreiten ***).

Doch blickten auch hier die allgemeinen Differenzen des Standpunktes

durch, wenn die Einen einseitig mehr die einzelnen Begriffe abgesehen

vom Sprachausdrucke *°°), Andere aber mur die inmere Nothwendigkeit

der Abfolge in der Argumentation betonten **"), wieder Andere hin

gegen gerade die subjective Wahrscheinlichkeit berücksichtigt wissem

wolften **"). Sodann aber knüpften sich mannigfache Controversen auch

am einzelne Topen oder Regeln an ***).

wt aiunt, quasi quidam medius habitus terminorum (vgl. Abschn. XII, Anm. 150).

Et profecto licet nullus modos omnes, unde modales dicuntur, singulatim enumerare

sufficiat, quod quidem nec ars eæigit (s. ebend. Anm. 163.), tamen magistri scho

larum inde commodissime disputant. Vgl. unten Anm. 623.

221) Ebend. Polycr. lI, 23, p. 125.: Restat tibi illius Stoici tui quaestio ....

Quaerebat enim, an posses aliquid facere eorum, quae minime facturus es etc. Vgl.

Abschn. VI, Anm. 136. u. 164.

222) Abael. Dialect. z. B. p. 334. (sunt igitur quatuor huius inferentiae regu

lae), p. 353. (regulae antecedentis et consequentis), p. 375. (regulae ab interpreta

tione), p. 376. (tres autem regulas a genere in usum duaeimus) u. s. f. durch die

ganze Topik hindurch. - -

223) Joh. Sar. Metal. III, 9, p. 145.: Non omnes tamen locos huic operi (d.

h, Boeth. de diff. top.) insert0s arbitror, quia nec potuerunt, quum et a modernis

huius praeeunte beneficio aeque necessarios evidentius quotidie doceri conspiciam.

Ebend. 6, p. 138.: Non tamen huic operi (d. h. der aristotelischen Topik) tantum

tribuo, ut inanem reputem operam modernorum, qui equidem nascentes et convales

centes ab Aristotele inventis eius multas adiiciunt rationes et regulas prioribus aeque

firmas.

224) Ebend. 5, p. 134.: scientia Topicorum ..... ea, opinione mullorum dia

lectico et oratori principaliter facit.

225) Abael. Dialect. p. 426.: Dicuntur in argumentis ea, quae a propositionibus

ipsis significantur, ipsi quidem intellectus, ut quibusdam placet, quorum conceptio

sine etiam vocis prolatione ad concessionem alterius ipsum cogit dubitantem.

226) Ebend. p. 427.: Sunt autem, memini, qui verbis auctoritatis nimis ad

haerentes omne necessarium argumentum in se ips0 necessarium dici velint.

227) Ebend. p. 335.: Sunt autem quidam, qui non solum necessarias conse

cutiones, sed quaslibet quoque probabiles veras esse fateantur; dicunt enim, veri

tatem hypotheticae propositionis modo in necessitate modo in sola probabilitate con

sistere, in qua quidem sententia magistrum etiam nostrum deprehensum doleo .....

(p. 336.) dicunt tamen, quia omne quod probabile est, verum est, saltem secundum

eum, cui est probabile.

228) So wollten Einige zu den maæimae proposiliones (Abschn. XII, Anm, 165)

auch dié Hauptregeln des kategorischen Urtheiles beigezählt, wissen (Abael. Dial.

p. 539 f.), Andere dieselben noch weiter ausdehnen (ebend. p. 366.), oder mam

160 XIV. Einzelne Controversen. Ahálard.

Bedenken wir aber nun, dass fast Sämmtliches, was wir bisher

vorzuführen hatten, nur aus zwei Schriftstellern, nemlich aus Abälard

und Johannes von Salesbury, von welchen uns zufällig grössere Werke

erhaltem sind, entmommen werden musste, und daher bei reicherem

Quellenstoffe wir jedenfalls noch weit Mehreres kennen lernen würden,

sowie auch dass jede der angeführten Einzelheiten seitens ihres Wer

treters auf einen Betrieb des gesammten Umkreises der damaligen Logik

zurückschliessen lässt, so werden wir, was die Extension der logischen

Thätigkeit jener Zeit, namentlich in Frankreich, betrifft, unsere Wor

stellung kaum hoch genug spannen können. Anders allerdings mag es

sich, gleichsam zur Bekräftigung einer bekannten allgemeinen Wahr

nehmung, mit dem Momente der Intension verhalten, denn wirkliche

Selbstständigkeit, geschweige denn eine philosophische Auffassung, be

gegnete uns nirgends. Sowie das Mittelalter überhaupt von dem äusser

lich aufgedrungemen Materiale einer Tradition abhängig war und hlieb,

so giengem auch die zahlreichen Controversen der Logik nicht von einem

inmeren Impulse aus, sondern beruhen auf einer vom Aussen durch den

Stoff der Schultradition gegebemen Anregung, auf welche sie gleichsam

warten mussten, um überhaupt zum Worscheine zu kommen. So mussten

wir ja auch die Vertreter der hervorragendsten Partei-Ansichten ihres

Ruhmes entkleiden, als hätten sie von sich selbst aus Bahn gebrochen;

denn irgend vereinzelte und herausgerissene Stellen des Boethius, auf

welche man sich eben warf, zeigten sich uns (Anm. 105, 129, 134,

170) als die Ausgangspunkte, nach welchen dann das Uebrige gereckt

und gestreekt wurde. Und wenn unter unseren Händen vielleicht auch

Abälard einem ähnlichen Schicksale nicht entgeht (Anm. 286), so ist

diess nicht unsere Schuld, sondern liegt in der geschichtlichen Wahr

heit als solcher begründet.

Eben jene Erwägung, dass in jener Zeit einerseits eine sehr grosse

Menge von Lehrern sich mit dem überlieferten Stoffe der Logik bis in

das eifizelste Detail hinab beschäftigte, und andrerseits eben durch die

traditionelle Litteratur alle derartigen Erzeugnisse bedingt und geführt

warem, müsste uns schon von vorneherein in unserem Urtheile über

A h à la r d (geb. 1079, gest. 1142) zur Worsicht auffordern, und in der

That auch wird uiis die nähere* Einsichtnahme seiner Leistungen im

Zusammenhalte mit jenen seiner Zeitgenossen vor einer allzu grossen

Ueberschätzung desselben bewahren *°°). Während wir nemlich bezüg

verlegte das antecedens und consequens in die einzelnen Glieder des Schlusses

(ebend. p. 353 f.), oder man beschränkte den locus a praedicato bloss auf kate

gorisch-hypothetische Urtheile (p. 381.), während Andere ihn mur als Beweisgrund

des locus a genere gelten liessen (p. 384.); auch wurde über letzteren Topus

selbst wieder mannigfach gestritten , ob er unbedingt gelte (p. 378.) oder nmr

causal zu verstehen sei (p. 386.), und ähnliche Controversen betrafen den locus

ab efficiente, bei welchem Theologisches mitspielte (p. 413.) oder den locus ab

interpretatione, in wie weit derselbe mit etymologia zusammentreffe (p. 375.).

229) Insbesondere scheinen die französischen Gelehrten zu einer Ueberschätzung

ihres Landsmannes geneigt zu sein, worin es ihnen unter den Deutschen Schlosser

zum mindesten gleichthut. Das umfassende Werk von Charles de Rémusat, Abé

lard (Paris 1845) 2 Bände, ist im biographischen Theile das Beste, was wir in

der neueren Litteratur über Abàlard besitzen, hingegen treten bei Entwicklung der

XIV. Abälard, 161

lich der Ethik in Abälard mil Freudem einem Ketzer seimer Zeit eri»lickem

umd amerkemnem, seine theologischen Werdienste aber der Geschichte

der Theologie überlassem müssem, wird sich ums zeigen, dass er auf

dem Gebiete der Logik nicht sellostständiger sich bethätigte als vielleicht

hundert Andere in jemer Zeit *°"). Allerdings besass ér eine grosse

Lebhaftigkeit des Geistes und vor Allem eine ausserordemtliche Gewandt

heit in rhetorischer Darstellung, er warf sich, sowie auf Alles, was

er ergriff, so aueh auf die Dialektik mit passionirtem Eifer, und trat

sofort als äusserst anregender Lehrer auf**'); auf Leichtigkeit des Wer

ständnisses war dabei sein hauptsächliches Augenmerk gerichtet, indem

er auch im der Wahl des Stoffes sich dem Ansprüchen der Schüler an

bequemte ***), und es ist erklärlich, dass er darum mehrfach aufge

fordert wurde, seine logische Lehrgabe zum Nutzen Anderer zu be

thätigem °°°). Aber mur dieser seiner formellem Virtuosität verdankt er

Lehre die geschichtlichen Worausselzungem, welche in dem allgemeinem Bestrebungen

jener Zeit lagen, vielleicht zu sehr gegen die persönlichem Werdienste Abàlard's in

dem Hintergrund, wozu bezüglich der Dialektik noch der schon oben (Anm. 49,

vgl. 148) gerügte Uebelstand hinzukömmt. Die Darstellung, welche Abàlard bei

H. Ritter (Gesch. d. Phil. VII, p. 406 ff.) gefundem hat, müssem wir unumwnnden

als eine misslungene bezeichnen. -

230) Es kann nicht oft genug daram erinnert werdem, dass unsere ganze Un

tersuchnng lediglich von dem quantitativem Maasse nnseres Quellem-Materiales be

dingt ist. Und hierin besteht zwischem Abàlard umd dem übrigen Dialektikern seiner

Zeit mur der Unterschied, dass vom Ersterem zufälliger Weise uns sehr Wieles er

haltem ist, wornach wir bei ihm im Stande sind, seinen Grundgedanken in reicherer

Gliederung zu erkennem und durchzuführem, was bei Letzterem mns unmöglich ist.

Aber diesem unserer Darstellung günstigen Wortheil in einem objectiven Worzug Abà

lard's . umzusetzen, müssem wir uns hùtem.

231) Dass er eim Schüler des Roscellimus, aber auch des Wilhelm von Cham

peaux war und ausserdem bei allen übrigem hervorragenden Lehrern Anregung

suchte umd famd, s. vor. Abschn. Amm. 314. u. in diesem Abschn. Amm. 102. u.

104. Won seinem Auftreten als Lehrer erzählt er selbst, Epist. 1, c. 2, p. 4.

(Amboes.): Perveni tandem Parisios .... Faclum tandem est, ut supra vires aetatis

meae de ingenio meo praesumens ad scholarum regimen adolescentulus adspirarem et

locum, in qu0 id agerem, providerem, insigne videlicet tunc temporis Meliduni castrum

et Sedem Regiam ..... (p. 5.) Ab hoc autem scholarum nostrarum eaeordio ita in arte

dialectica nomen meum dilatari coepit, ut non solum condiscipulorum meorum, verum

etiam ipsius magistri (d. h. Guilelmi Campellensis) fama contracta paullatim eaestin

gueretur ..... (p. 6.) Tunc ego Melidunum reversus scholas ibi nostras, sicut antea,

constitui ..... Meliduno Parisios redii, ... eaetra civitatem in monte S. Genovefae scho

larum nostrarum castra posui.

232) Joh. Saresb. Metal. III, 1, p. 116 (ed. Giles): Sic omnem librum legi

oportet, ut quam facillime potest eorum, quae scribuntur, habeatur cognitio; non

enim occasio quaerenda est ingerendae difficultatis, sed ubique facilitas generanda.

Quem morem secutum recolo Peripateticum Palatinum ; inde est, ut opinor, quod se

ad puerilem de generibus et speciebus, ut pace suorum loquar, inclinavit opinionem,

malens instruere et promovere suos in puerilibus, quam in gravitate philosophorum

esse obscurior; faciebat enim studiosissime, quod in omnibus praecipit fieri Augu

stinus , i. e. rerum intellectui serviebat.

233) Abael. Introd. ad theol. I, Prol. p. 974. (Amboes.): Ad has itaque con

troversias dissolvendas cum me sufficere arbitrarentur, quem quasi ab ipsis incuna

bulis in philosophiae studiis ac praecipue dialecticae, quae omnium magistra rationum

videtur, conversatum sciant atque eæperimento, ut aiunt, didicerint, unanimiter postu

lant, ne talentum mihi a domino commissum multiplicare differam. Epist. 1, c. 2,

p. 5.: Non multo autem interiecto tempore ea, imm0derata studii afflictione cor

P R A N T I., Gesch. II. 1 1

162 XIV. Abälard.

den Beimamen ,,Peripateticus Palatinus“, denn einerseits galten seinem

Zeitgenossem die Worte ,,Peripatetiker“ und „Logiker“ als synonym, da

man ja von Aristoteles überhaupt ausser dem 0rganon Niehts kannte,

und es bezeichnet jener Ausdruck nur eine sehr einlässliche oder be

sonders wirksame Beschäftigung mit diesen aristotelischem Sehriften ***),

ohne dass mam dabei etwa am eime volle Durchführung des aristoteli

schen Principes dachte ; andrerseits aber hat Abälard selbst wobl einem

glücklichem Fund. gemacht, wornach er an Eine bei Boethius vorliegende

Stelle die Berechtigung der aristotelischen Lehre vom Urtheile anknüpfen

konnte; hingegem stellt er sich darum durchaus nicht auf das Prineip .

des Aristotelismus, sondern versteht die 0ntologie schlechthin nur uach

dem Sinne Plato's. Ja noeh mehr ; in Abälard zeigt sich uns die ganze

Unklarheit, welche dem damaligen Mittelalter in allem eigentlich princi

piellen Fragen anklebt, gleichsam als eine in, rhetorischer gewandter

Form verkörperte, denn er bietet uns das merkwürdige Schauspiel dar,

dass er in Eimem Athemzuge christlicher Trinitäts-Theologe und meta

physischer Platoniker und logischer Aristoteliker und dazu noch rheto

rischer Ciceronianer ist, eine haarsträubende Mischung, welche natürlich

von seinen Zeitgenossen nicht als etwas Monströses erkannt, sondern

im Gegentheile zu seinem grössten Ruhme gewendet wurde *°°).

Won der schriftstellerischen Thätigkeit Abälard's, soweit dieselbe

dem Gebiete der Logik angehört, war früher nur die ,,Invectiva in

quendam ignarum dialectices“ zugänglich *°°), „bis in ueuerer Zeit be

kanntlich Cousin siel, das Verdienst erwarb , aus Pariser Handschriftem

nicht bloss ein grösseres die gesammte Logik umfassendes Werk Abä

lard's, welchem er den Titel „Dialectica“ gab , sondern auch mehrere

Commentare desselben, nemlich Glossae in Porphyrium, Glossae in

Categorias, Gl. in libr. de interpr., Gl. in Topica Boethii, zu veröffent.

lichen **"); hiezu kam noch durch Rémusat die Hinweisung auf einen

zweitem Commentar zur Isagoge, die „Glossulae super Porphyrium“,

welclie bezüglicl einiger Punkte zu dem Wichtigsten gehören ***).

reptus infirmitale coactus sum repatriare, et per annos aliquot a Francia quasi re

motus quaerebar ardentius ab iis, quos dialectica sollicitabat doctrina.

234) Joh. Saresb. a. a. 0. I, 5, p. 21.: Peripateticus Palatinus, qui logicae

opinionem praeripuit omnibus c0etaneis suis adeo, ut solus Aristotelis crederetur

usus colloquio.

235) In der vom Petrus Venerabilis verfasstem Grabschrift Abalard's (bei Abael.

0pp. ed. Amboes. p. 342.) kommen folgende Worte vor: Gallorum Socrates, Plato

maæimus Hesperiarum, Noster Aristoteles , logicis, quicunque fuerunt, Aut par aut

nelior ..... Ad Christi veram transivit philosophiam ; in einem anderen von Raw

linson gefundenen Epitapbium (bei Rémusat a. a. 0. I, p. 271.) heisst es: Plangit

Aristotelem sibi logica nuper ademptum, Et plangit Socratem sibi moerens ethica

demptum, Physica Platonem, facundia sic Ciceronem.

236) Abael. 0pp. ed. Amboesius (Paris. 1616. 4), p. 238 ff.

237) 0uvrages inédits d'Abelard, publiés par V. Cousin. Paris 1836. 4, wo

selbst die Dialectica p. 173—497. (mehrere Partien jedoch nur im Auszuge abge

druckt), die Glossem p. 551—610. Ein nicht zu billigendes Werfahren aber ist

es, dass Cousin zu den einzelnen Theilem der Dialektik eigenmächtig Titel-Ueber

schriften schuf, welche den Leser eher verwirren als unterstützen; das Richtige

hierüber s. untem Anm. 272 ff. -

238) Aboelard, par Ch. de Rémusat II, p. 97 ff. Je bedeutsamer aber das

XIV. Abälard. 163

Verlorem hingegen ist eine für den erstem dialektischem Unterricht der

Anfänger verfasste Sehrift, welche von Abälard selbst mehrmals citirt

wird und (im Zusammenhange mit einer überwiegenden Betonung der

Topik) die Ueberschrift „De loco et argumentatione* gehabt zu haben

scheint ***); dieses nemliche Werk ist es jedenfalls, welches an zwei

anderen Stellen unter einem bis zur Unkenntlichkeil verschriebenem

Namen genannt wird **"). Wenn er ferner wieder anderwärts sich so

ausdrückt, als habe er unter dem Titel „Grammatica“ noch eine aber

malige Umarbeitung der Kategorienlehre verfassi *4!), so scheint es

wenigstens nicht unmöglich zu sein, dass er an grammatischen Begriffem

die logische Seite erörterte, demn sowie wir schon oben (Amm. 206 f.)

ein gewisses lneinandergreifen beider Disciplinem trafen, so wird auch

bei Abälard selbst mehrfach eine Rücksicht auf Prisciamus genommen

(s. untem Anm. 250, 263 u. bes. 272). -

Abälard steht als Theologe vollständig auf dem mittelalterlichem

Standpunkte bezüglich der Werthschätzung der Dialektik. Mit Berufung

auf jenem so häufig angeführtem Ausspruch Augustin's ***) gesteht er

dort Mitgetheilte gerade für die logische Parteifrage ist, desto mehr müssem wir

es beklagen, dass Rémusat (mit einer einzigen Ausnahme) nicht den lateinischen

0riginaltext der von Ravaisson gefundenen Handschrift abdrucken- liess, sondern

eine fränzösische Paraphrase der Hauptstellen in seinem darstellendem Text ver

flocht, wornach bei Manchem ein Zweifel entsteht, wie viel davon auf Rechnung

Rémusal's zu setzen sei. Die gelehrte Mitwelt hätte in solchen Fällen wohl einen

gerechten Anspruch auf genaue quellenmässige Angaben.

239) Dialect. p. 254.: Quae autem invicem contrariae propositiones vel contra

dictoriae, quae eliam subalternae vel subcontrariae dicantur, aut quas ad invicem

inferenlius vel differentias qualesque c0nversiones habeant, in his introductionibus

diligenlius patefecimus, quas ad tenerorum dialecticorum eruditionem conscripsimus.

Ebend. p. 305.: diffinitionem syllogismi Boethius .... commemorat ac diligenter .sin

gulas eæpediendo differentias pertractat, sicut in illa altercatione ,,de loco et argu

mentalione** monstravimus, quam ad simplicem dialecticorum institutionem conscripsi

mus. Ebend. p. 332.: Nom est autem praetermittenda ad cognitionem loci differentiae

doctrina intr0ducti0num nostrarum, quas ad primam tenerorum introductionem con

scripsimus. Ebend. p. 366.: determinationes ..... quae a quibusdam maæimis pro

positionibus apponuntur superflue (s. Anm. 228.), ... quas quidem in his introduc

tionibus, quas ad parvulorum inslitutionem conscripsimus, nos posuisse meminimus.

Ebend. p. 381.: Nunc autem l0c0s a praedicat0 vel subiecto tractemus, quos quidem

multi in his tantum consequentiis assignant, quae eæ calegorica et hypothelica iun

guntur (s. ebend.), sicut in introductionibus parvulorum ostendimus.

240) Ebend. p. 308.: Sed de his quidem (sc. propositionibus in syllogismo)

quae utroque termino participant, in secundo poicherii (Cousim vermuthet enchiridii)

nostri satis dictum esse arbitror. Ebend. p. 424. : Huius autem argumentationis

sophisticae solutionem primus fantasiarum (C. schreibt sofort introductionum) nostra

rum liber plene continet.

241) Introd. ad theol. III, p. 1125 (Amboes.): Qu0d autem nec loco moveri

possit, qui spiritus est, tam phil0s0ph0rum quam sanctorum assertione docemur,

sicut de quantitate tractantes ostendimus, cum grammaticam scriberemus. Theol.

christ. IV, p. 1341 (b. Martene, Thes. Anecd. W.): Res omnino recte dici non potest,

quae in se veram non habet entiam, ut sit in se una res numero a ceteris omnibus,

quae ipsa non sunt, rebus entialiter discreta (s. untem Amm. 304.); sed de hoc

diligentem, ut arbitror, tractatum in retractatione praedicamentorum nostra continet

grammatica. -

242) Introd. ad theol. II, p. 1047.: Adeo dialecticam commendare ausus est

(sc. Augustinus), ut eam solam scientiam esse profiteri videatur, cum eam solam

1 1 *

164 XIV. Abälard.

\

die Nothwemdigkeit einer Disciplim zu, welehe im Interesse der Beweis

führung auch die Kenntniss der Sophistik in sich sehliesst***), ja in

solchem Sinne empfiehlt er sogar, auf eine aristotelische Stelle ver

weisemd, den Zweifel ***), aber als das Entscheidemde gilt auch ihm

(vgl. vor. Abschn., Anm. 17 f.) die Gesinnung, in welcher die Dialektik

praktisch ausgeübt wird, indem mur der Missbrauch logischer Gewandt

heit verwerflich ist **°). Kurz auch bei Abälard verbleibt die Dialektik

als Führerin des Wissens dennoeh in jener. diensibarem Stellung, ver

möge deren sie dem Kampfe gegen die Ketzer gewidmet ist **"), und

sowie er diejenigen, welche er für Ketzer hält, als Pseudo-Philosophen.

bezeichmet und gegen sie seine eigenen philosophischen Argumentationem

richten will **"), so bringt er principiell auch sogar das Wort „Logik“

in eine Verbindung mit dem theologischen Logos-Begriffe ***). Aller

dings fliesst hieraus jene fast spasshafte Erscheinung, von welcher wir

schon oben , Anm. 38 ff., sprechen musstem, dass der Dialektiker Abä

lard die Dialektiker als die grösstem Feinde der Trinität bezeichmete, und

posse facere dicat scientes. Ebenso Theol. Christ. II, p. 1235. Epist. 4 (Invectiva

etc.), p. 239.: Hanc quippe scientiam tantis praeconiis efferre beatus ausus est

Augustinus, ut comparatione ceterarum artium eam solam facere scire fateatur, tan

quam ipsa sola sit dicenda scientia.

243) Introd. ad theol. II, p. 1048.: Disputationis disciplina ad omnia genera

quaestionum, quae in sanctis libris continentur, plurimum valet. Epist. 4, p. 239.:

Utraque tamen scientia, tam dialectica scilicet quam sophistica, ad discretionem

pertinet argumentorum, nec aliter quis in argumentis esse discretus poterit, nisi qui

falsas ac deceptorias argumentationes a veris et congruis argumentationibus distin

guere valebit.

244) Sic et Non, ed. Lindenkohl p. 16.: frequens interrogati0, ad. quam qui

demi ... philosophus ille omnium perspicacissimus Aristoteles in praedicamento ,,Ad

aliquid** studiosos adhortatur dicens ,,.... dubitare autem de singulis non erit inu

tile** (bei Boelh. p. 172.); dubitando enim ad inquisitionem venimus, inquirendo

veritatem percipimus.

245) Intr. ad theol. II, p. 1052.: Nemo etenim scientiam aliquam malam esse

diacerit, etiam illam, quae de malo est, quae iusto homini deesse non potest, non

ut malum agat, sed ut a malo sibi provideat ..... (p. 1053.) Scientias itaque ap

probamus, sed fallaciis abutentium resistimus. Ebenso Theol. Christ. III, p. 1242 f.

Dialect. p. 435.: Neque enim crimen est in sciendo, quibus obsequiis aut quibus

immolationibus daemones nostra vota perficiant (diese Disciplim nennt er ,,nefaria

mathematica*'), sed in agendo ..... .Si ergo scire malum non est, sed agere, nec

ad scientiam, sed ad actum referenda est malitia. -

246) Dialect. p. 435.: Haec autem est dialectica, cui quidem omnis veritatis

seu falsitatis discretio ita subiecta est, ut omnis philosophiae principatum, duæ

universae doctrinae , atque regimen possideat, quae fidei quoque catholicae ita pe

cessaria monstratur, ut schismaticorum sophisticis rationibus nullus possit, nisi qui

ea praemuniatur, resistere.

247) Theol. Christ. IV, p. 1312.: Non enim hoc opusculo veritatem docere,

sed defendere intendimus, maacime adversus pseudophilosophos, qui nos phil0s0

phicis maæime rationibus aggrediuntur; unde et nos per easdem, scilicet philoso

phicas, rationes, quas solas recipiunt et quibus nos impetunt, eis praecipue satis

facere decrevimus defendendo veritatem potius quam docendo.

248) Epist. 4, p. 241.: Cum ergo verbum patris dominus Jesus Chrislus λόγος

graece dicatur, sicut et ooqtw patris appellatur, plurimum ad eum pertinere videtur

ea scientia, quae nomine quoque illi sit coniuncta et per derivationem quandam a

λόγος logica sit appellata ei sicut a Christo Christiani ita a λόγος logica proprie

dici videatur, cuius etiam amatores tanto verius appellantur philosophi, quanto ve

riores sunt illius sophiae superioris amatores.

XIV. Abälard. 165

es liegt ja auch im Geiste aller dogmen-philosophischen Erörterungen,

dass er diejenigen Dialektiker, welche die Dialektik nicht gerade nach

seinem Sinne anwendeten, kurzweg als Atheisten brandmarkt 34°), daher

er diesen Andersdenkenden auch die gesammte Logik mit einem ver

àchtlichen „vester Aristoteles“ und die Grammatik nebst dem Priscianus

förmlich an den Kopf schleudert *°°), wohingegem freilich wieder An

dere eben an der Abälard'schen Verquickumg logischer Momente mit der

Trinitätslehre Anstoss nehmen konnten 3°1).

Aber Abälard mochte wohl glauben, sich gut aus der Schwierigkeit

ziehen zu können, indem er das Gebiet der Dialektik als ein lediglich

virdisches von dem göttlichem lostrennte ; nur ist er, insoferne schon

längst Scotus Erigena das Nemliche gethan, dadurch weniger consequent,

dass er micht, wie jener, das in einer theologica affirmativa Behauptete

wieder ifiittelst einer theologia negativa zurückzieht ; wolil aber konnte

er hiedurch erreichem, dass jener „vester Aristoteles“ nun doch zugleich

auch ,,sein Aristoteles* war. Wemm er nemlich auf das Irdisclne den

Gebrauch der Kategoriem beschränkt, da ja alle menschliche Aussage

das dem Zeitlichen zugewendete Verbum enthalten muss ***), und über

haupt den Wortschatz der Menschen als ein die Gottheit mie : erreichen

des Mittel der mensehlichen Begriffsbildung bezeichnet *°°), welehes

249) Theol. Christ. III, p. 1275.: Responde tu, mi acute dialectice seu versi

pellis sophista, qui auctoritate Peripateticorum me arguere niteris, .... quomodo ipsos

quoque doctores tuos absolvis, secundum quorum traditiones nec deum substantiam

esse nec ipsum esse aliquid aliud cogeris confiteri ? ...... Constat secundum ve

strarum artium disciplinas, quae omnium rerum naturas in decem praedicamenta dis

tribuunt, deum penitus nihil esse.

250) Ebend. p. 1282.: Sed cum Aristoteles vester dicit in primo Perihermenias

etc...... aut cum Priscianus diacit etc.

251) 0tto Fris. de gest. Frid. I, 47, p. 433. (ed. Urstisius): Sententiam ergo

vocum seu nominum (s. untem Anm. 258.) in naturali tenens facultate non caute

theologiae admiscuit, quare de sancta trinitate docens et scribens tres personas .....

nimis attenuans, non bonis usus eaeemplis, inler cetera diacit (nemlich Introd. ad

theol. II, p. 1078.): ,,Sicut eadem oratio est propositio, assumptio et conclusio, ita

eadem essentia est pater et filius et spiritus sanctus. Bern. Clarav. Epist. 190.

(tract. c. error. Abael.), 0pp. ed. Martene I, p. 283—289, woselbst z. B. p. 284.:

Constituit enim (Inlr. ad theol. p. 1083.), hoc esse filium ad patrem quod speciem

ad genus, quod hominem ad animal, quod aereum sigillum ad aes, quod aliquam

potentiam ad potentiam. Quis hoc ferat, quis non claudat aures ad voces sacri

legas ? Hiezu unten Anm. 478.

252) Introd. ad theol. II, p. 1073.: Patet itaque, a tractatu philosophorum rerum

omnium naluras in decem praedicamenta distribuentium illam summam maiestatem

esse eaeclusam omnino, nec ullo modo regulas aut traditiones eorum ad illam sum

mam atque ineffabilem celsitudinem conscendere, sed creaturarum naturis inquirendis

- eos esse contentos secundum quod scriptum est ,,qui de terra est, de terra loquitur.“

Ebenso Theol. Christ. III, p. 1273 f. (s. oben Anm. 38.), woselbst die Begründung

dieser Ansicht lautet: quod vero omnis hominum locutio ad creaturarum status

maæime accommodata sit, ex ea praecipue parte orationis apparet, sine qua teste

Prisciano (Inst. gr. XVII, 12.) nulla constat orationis perfectio, ex ea scilicet, quae

dicitur verbum; haec quippe dictio temporis designativa est, quod incoepit a mundo.

Uebrigens weist uns diess Letztere auch schon auf Abälard's Auffassung des sermo

hin, s. untem Anm. 315.

253) Theol. christ. p. 1275.: vocabula homines instituerunt ad creaturas desig

nandas, quas intelligere potuerunt, cum videlicet per illa vocabula suos intellectus

166 XIV. Abälard.

hiemit auch gegenüber dem von Gott geschaffenem Dingen mur als memseh

liehes Erzeugniss zu betrachten ist *°*), so befindet er sich bezüglich

der Logik allerdings in einer Uebereinstimmnng mit Aristoteles (s.

Abschn. IV, Anm. 108 ff. und die entsprechenden Stellen des Boethius

Ahschm. XII, Anm. 109 f.). Und sowie er mum ausdrücklich Logik und

Physik derartig unterscheidet, dass der Gegenstand der ersteren die

Namenbezeichnung (vocum impositio) sei, letztere hingegen die Eigen

thümlichkeit der Dinge als solcher betrachte, wodurch aber eben beide

Wissenschaftem wechselseitig von einander abhängig seien *°°), so kann

er von Aristoteles sagen, dass derselbe, insofern er der Logik diene,

mehr in dem Wortem (voces), als in den Dingen verweile *°"). So gilt

ihm Aristoteles als die höchste Auctorität, an welcher man nicht rütteln

dürfe, geschweige denn, dass man ihr je irgend widerstreite *°°). Ja

diese so ebem angeführtem Stellen könntem uns sogar glaubem machem,

Abälard habe diesen seimen Führer Aristoteles geradezu im Simne der

Nominalistem verstandem, und wir findem, dass seine Lehre selbst auf

seine Zeitgenossem diesen Eindruck machte *°*), währemd wir uns aller

dings überzeugen werdem, dass Solches mur auf oberflächlicher Ansicht

beruhem kamm.

In grossem Irrthume jedoch befänden wir ums, wenn wir Abälard

hiernach überhaupt auch nur für einen Aristoteliker haltem wolltem, denm

er ist ja Platoniker, und Plato gilt ihm wieder als der grösste Philo

soph *°°), was uns freilieh eimigermassem am die Schwatzhaftigkeit Cice

manifestare vellent; cum itaque. homo voces invenerit ad suos intellectus manifestan

dos, deum autem minime intelligere sufficiat, recte illud ineffabile bonum effari mo

mine mom est ausus.

254) Dialect. p. 487.: Neque enim v0ae aliqua naturaliter rei significatae inest,

sed secundum hominum imp0sitionem ; vocis enim impositionem summus artifea; nobis

commisit, rerum autem naturam propriae suae dispositioni reservavit, unde et vocem

secundum impositionis suae originem re significata posteriorem liquet esse.

255) Ebend. p. 351.: Hoc autem logicae disciplinae proprium relinquitur, ut

scilicet vocum impositiones pensando , quantum unaquaque proponatur oratione sive

dictione, discutiat; physicae vero proprium est, inquirere, utrum rei natura consen

tiat enuntiationi .... Est autem alterius consideratio alteri necessaria; ut enim lo

gicae discipulis appareat, quid in singulis intelligendum sit vocabulis, prius rerum

proprietas est investiganda; sed cum ab his rerum natura non prae se, sed prae

v0cum imp0sitione requiritur , tota eorum „intentio referenda est ad logicam; cum

autem rerum natura percepta fuerit, vocum significatio secundum rerum proprietates

distinguenda est, prius quidem in singulis dictionibus , deinde in orationibus , quae

eae dictionibus iunguntur. S. Amm. 325. -

256) Ebend. p. 401.: Si enim omnia eius (sc. Aristotelis) opera studiose in

spiciamus, magis eum in vocibus immorari quam in rebus inveniemus, liberiusque

verba eius de vocibus quam de rebus eaeponerentur, quippe qui logicae deserviebat.

257) Ebend. p. 339.: hanc namque duae Peripatétiéórum Aristoteles diffinitionem

dedit. p. 228.: Peripateticorum princeps Aristoteles. p. 204 : sed et si Aristotelem

Peripateticorum principem culpare praesumamus, quem amplius in hac arte recipiemus?

p: 293.: sed nihil adversus Aristotelem.

258) Obige (Anm. 251.) Worte des Otto v. Frcisiug: sententiam vocum seu

n9minum in naturali tenens facultate, welche dort nach jener schon ^früher (vor.

Abschn. Anm. 316.) angeführten Stelle folgem, woselbst Abälard's Ansicht in directe

Verbindung mit der Lebre des Roscellinus gébracht wird.

259) Theol. Christ. I, p. 1175.: revolvatur et ille maaeimus philosophorum Plato.

p. 1186.: alioquin summum philosophorum Platonem summum stultum esse depre

XIV. Abälard. - 167

ro's erimmeri, bei welchem gleichfalls nach Beliebem bald Plalo bald

Aristoteles der grösste Philosoph genannt wird. In dem Ausichten der

platonischem Sekte erblickt Abälard (auf Augustin .sieh berufend) die

meiste Uebereimstimmung mit dem katholischen Dogma, besonders be

züglich der Trinilât, ja sogar einen Vorzug in jedem Wissen über

haupl *""); nicht bloss der Begrifr des platonischen Weltschöpfers und

seiner Güte und Weisheit *"'), sondern insbesondere die Lehre von der

Weltseele ist es, welcher er seine Beistimmung schenkt *"*). Und von

da aus schliessl er sich mum aucl in jemem Momente, welches für die

Logik das principielle ist, an Plato an, indem er mit Berufung auf

Priscianus und Macrobius die Formen der Gattungem und Artem als die

Original-Ideen der Dinge in dem göttlichen Werstand verlegt *°°).

Wenn wir aber num bei Letzterem allerdings nicht mehr einsehen

können, wie es sich damm mit jenem „nihil adversus Aristotelem“ (Amm.

257) verhalte, zeigt uns Abälard hinwiederum moch eine dritte Auf

fassung der Logik; denm er ist zuletzt weder Aristoteliker moch Plato

miker, obwohl er — oder vielmehr wohl weil er — heide Anschau

ungsweisen zu vereinigem bemüht ist (s. umlem Amm. 292 f.), sondern

er erblickt im der Logik nur ein praktisch dienstbares Werkzeug, umd

in dieser Beziehung braucht er es danm allerdings mit dem Principiem,

mögen dieselben platonisch oder aristotelisch seim , ebem micht sehr ge

hendemus. p. 1191.: nou sine cuusu mu.vimus Plato philosophorum prae ceteris

commendatur ul) omnibus. Hiezu die untem, Anm. 293, anzuführende Stelle.

260) Ebend. p. 1175. : Plato eiusque sequaces, qui testimonio sanctorum patrum

prae ceteris gentilium philosophis fidei christianae attendentes totius trinitatis sum

*mam post prophetas patenter ediderunt. p. 1191.: Pluribus quoque sanctorum testi

moniis didicimus, Plulonicam seclam calholicae fidei concordare. p. 1192.: liquidum

est, Platonicam seclum fidei sanctae trinitatis plurimum semper assentire ..... Cum

itaque in omni doctrina philosophiae Platonica seclu enituerit, .... Augustinus c0m

memorat, in scriptis eorum se repperisse, in quibus quidem tota fere fidei nostrae

summa circa divinitalem verbi apertissime conlinetur.

261) Ebend. p. 1157.: Ea, summa ilaque illa bonitate sua deus .... iuacta etiam

Platonis assertionem oplimus ipse omnium conditor. p. 1163.: deum genitorem uni

versitalis Plato dicit, u quo scilicet universa alia habent esse. p. 1176.: Plato

qu0que omne quod a deo esse habet , gemitum eæ ipso dicit. - -

262) Dialect. p. 471.: unima mundi , quam singularem Plato cogitavit .....

(p. 475.) quam animam mundi Plato vocavit, quam ipse eæ noy, i. e. menle divina,

nalurae asseruit et eandem in omnibus simul esse córporibus finacit. Theol. Christ.

I, p. 1176.: Nunc autem illa Platonis verba de anima mundi diligenler discutiamus,

ut in eis spiritum sanctum integerrime designatum esse agnoscamus ..... (p. 1177.)

cum itaque in ipsa anima mundi individua et dividua , sive ut dictum est eadem et

diversa, concurrit substantia, etc. Vgl. Inlrod. ad theol. I, p. 1015 f.

263) Theol. Christ. IV, p. 1336.: Ad hunc modum Plato formas eaeemplares in

mente divina considerat, quas ideas appellat, et ad quas postmodum quasi ad ezem

plar quoddam summi artificio providenlia operata est. Introd. ad theol. II, p. 1095 f.:

Hanc autem conceptionem , qua scilicet conceptus menlis in effectum operando prodit,

Priscianus in primo constructionum (d. h. Inst. gr. XVII, 44, p. 135. ed. Hertz)

diligenter aperit dicens, generales et speciales formas rerum inlelligibiliter in meute

divina constitisse, antequum in corpora prodirent. Ebend. I, p. 987.: Sic et Mg

crobius (Somn. Sc. I, 2, 14.) Platonem insecutus mentem dei, quam graeci voÜv

appellant, originales rerum species , quae ideae dictae sunt, continere meminit, anle

quam etiam, inquit Priscianus, in corpora prodirent , h. e. in effecta operum pr0

veniremt.

168 XIV. Abälard.

nau zu nehmen. Nicht bloss scheint jene für Anfänger bestimmte Schrift

völlig auf dem Boden der Topik verblieben zu sein *°*), sondern er

gelangt auch anderwärts an der Hand der ciceronischen Definition dazu,

das Wesen der Logik in die „Beurtheiluhg der Argumentation“ zu ver

legen, welche hiemit das Auffinden der Beweise voraussetzt *°°), sowie

sich ihm an die verschiedenem Artem der Beweise (argumenla) der in

der Schultradition übliche Unterschied zwischen Dialektik, Philosophie,

Sophistik anschliesst ?°°). Und dürfen wir hiernach vielleicht auch

schon Abälard's eigenem Ausspruch, er wolle in seiner Dialektik eine

Begründung der peripatetischen Beredtsamkeit (eloquentiae peripateticae)

geben, beim Worte nehmen *"'), so tritt dieses Motiv jedenfalls deutlich

hervor, wenn er schon die Isagoge unter die Theorie des Auffindens

der Beweise (die inventio) subsumirt und hauptsächlich an die auf den

quinque voces beruhenden Topen denkt *"*), öder wenn er ebenso auch

das hypothetische Urtheil nur unter diesem Gesichtspunkte auffasst und

daher die Topik demselben vorausschickt *"*). Uebrigens mochte wohl

diese Seite der Logik, nemlich eine grosse Gewandtheit des Auffindens,

auch in Abälard's eigenem Auftreten die hervorragende gewesen sein,

so dass er diese Begabung leicht in Schärfe und Feinheit philosophi

264) Denm alle obem (Anm. 239 f.) angeführtem Stellem, in welcheu er jene

Schrift citirt, enthaltem entweder direct die Beziehung auf die Topik oder lassem

wenigstens eine solche zu.

265) Glossulae s. Porph. bei Rémusat (s. Anm. 238.) p. 94.: Est scientia alia

agendi alia discernendi, sola autem scientia discernendi philosophia dicitur, worauf

dann (p. 95.) die Eintheilung in Physik, Ethik, Logik folgt, und von letzterer

gesagt wird : Est logica auctoritate Tullii (s. Abschn. VIII, Amm. 23.) diligens ratio

disserendi, i. e. discretio argumentorum, per quae disseritur, i. e. disputatur; non

enim est logica scientia utendi argumentis sive componendi ea, sed discernendi et

diiudicandi veraciter de iis .... Duae argumentorum scientiae, una componendi, quam

dicimus ratiocinativam, alia autem discernendi compositu, quam logicam appellamus.

Seine Quelle hiefür ist Boeth. ad Top. Cic., woselbst in der Erörterung über in

ventio und iudicium (s. Abschn. XII, Anm. 76.) besonders (p. 762.) die Worte zu

beachten sind: fieri non potest, ut de inventione iudicetur, nisi ipsa inrentio prius

eacstiterit. -

266) Dialect. p. 428.: Non est illud praetermittendum, quod ipse (sc. Boethius)

ostenderit, quae scientia quibus utatur argumentis, dialecticos quidem et rhetores

maæime probabilitatem attendere, philosophos vero necessitatem, sophistas vero neu

trum etc. s. Abschn. XII, Anm. 82. -

267) Ebend. p. 228.: Confido autem, in ea, quae mihi largius est, ingenii

abundantia ipso cooperante scientiarum dispensatore non pauciora vel minora me prae

stiturum munimenta eloquentiae peripateticae, quam illi praestiterunt, quos latinorum

celebrat studiosa doctrina.

268) Glossae in Porph. (b. Cousin) p. 553.: Scientiae inveniendi supponitur

iste tractatus (d. h. die Isagoge), quia hic docemur invenire rationes sufficientes ad

probandas quaslibet quaestiones factas ....... (p. 554.) necessarium ad ea, quae

sunt utilia in demonstratione, quia locus a genere, a specie, ad diffinitionem servit

demonstrativis syllogismis.

269) Dialect. p. 324.: Quoniam ergo hypotheticae enuntiationes, quarum sensus

sub consecutione conditionis proponitur, inferentiae suae sedem ac veritatis evidentiam

eae locis quammaæime tenent, ante ipsas rursus hypotheticas propositiones topicorum

tractatum ordinari convenit, eae quo maæime hypotheticarum propositionum veritas

seu falsitas dignoscitur.

XIV. Abälard. - 169

scher Disputationem und ebenso in Witz und Scherz der Rede belhätigen

konnte 370).

Diese überwiegende Bezugnahme auf die Argumentation ist es num

auch, welche dem umfassendem Werke Abälard's, der „Dialectica“, so

wohl in Gruppirung der Haupttlieile als auch in Behandlung des Ein

zelnen einen grundsätzlichen Charakter aufprägt. Allerdings müssen wir

es sehr bedauern, dass gerade der Anfang des Werkes, nemlich die

Darstellung der Isagoge und ausserdem die ersten Kapitel der Katego

riem, verlorem ist ; doch sind wir im Stande, nicht bloss, wie sich

zeigen wird, die Lehre betreffs der Universalien genügend zu entwickeln,

sondern vor Allem auch dem Grundplan des Ganzen einzusehen.

Die Gliederung ist folgende. lndem das bei Boethius durchgängig

eingebürgerte Motiv eines Aufsteigens vom Einfachen zum Zusammenge

setzten (Abschn. XII, Anm. 83, 123, 131) zu Grunde gelegt wird, ist

bei der menschlichen Kundgebung (vov, s. ob. Anm. 252. ff.) das Wesent.

liche der Unterschied zwischem dictio, d. h. dem einzeliftm Worte, und

oratio, d. h. der zusammenhängenden Rede ?7!). Aber nicht bloss auf

der Auctorität des Boethius oder etwa auch des Augustinus (Abschn.

XII, Anm. 34) beruht diese Scheidung, somderm auch Priscianus (Inst.

gr. II, 14 ff.) ist.es, welcher hierauf den entschiedensten Einfluss ge

habt hat, denn wenn Abälard den ganzen ersten Haupttheil der Dia

lektik, welcher von der dictio handelt, als „Liber partium“ bezeichnet

und dabei sogar den Ausdruck „partes orationis“ gebraucht, so ist die

grammalische Anschauung deutlich genug ausgesprochen. Diese logische

Erörterung der Redetheile zerfällt aber danm in drei Abschnitte, nemlich

in die „Antepraedicamenta“ (s. diese Bezeichnung schon oben, vor.

Abschn., Anm. 310), welche die Isagoge enthaltem, woselbst es sich

um die von Natur aus bestimmten Prädicate handelt (s. unlen), sodann

in . die ,,Praedicamenta“, d. h. die Kategoriem, in welchen die natür

lichen Dinge ihre Wortbezeichnung erhalten, und endlich in die „Post

praedicamenta“, d. h. die Angabem über Nomen und Werbum als die

Bezeichmungsweisen der Dinge und zugleich als die wesentlichen Be

standtheile des Urtheiles *"*). Hierauf demnach folgt als inhalt des

, 270) 0tto Fris. de gest. Frid. I, 47, p. 433. (Urstis.): Inde magistrum induens

Parisios venit, plurimum in inventionum (diess ist ja gerade das technische Wort)

subtilitate non solum ad philosophiam necessariarum, sed et pro c0mm0vendis ad

iocos animis hominum utilium valens.

271) Dialect. p. 212.: Est autem dictio simplicis vocabuli nuncupati0, i. e. v0a;

totaliter, non per partes, significativa, ut ,,homo“ vel ,,currit**; oratio autem dicti

onum collectio, i. e. voae ad aliquid significandum inventa , cuius partium aliquid

eaetra significat, ut ,,h0m0 currit** .... At quoniam dictiones 0rationibus naluraliter '

priores sunt, quippe eas constituunt ac perficiunt, priorem quoque in tractatu locum

obtinere ipsae meruerunt.

272) Ebend. p. 226. sagt Abâlard beim Uebergange vom diesem erstem Haupt

theile zum zweiten: Hactenus quidem, Dagoberte frater, de partibus. orationis, quas

dictiones appellamus, sermonem teauimus, quarum tractatum tribus voluminibus

comprehendimus; primam namque partem libri Partium antepraedicamenta posuimus,

dehinc autem praedicamenta submisimus, denique vero postpraedicamenta novissime

adiecimus, in quibus Partium teaetum complevimus. Die Auffassung der Antepràdi

camente wird sich unten zeigen; bei dem Uebergange aber von gem Prädicamentea

170 - XlV. Abälard.

zweitem Hauptlheiles die oratio, und zwar handell es sich, da mach

dem Vorgange des Boethius (Abschm. XII, Amm. 112) das kategorische

Urtheil als das einfache und das hypothetische als das zusammenge

setzte betrachtet wird, zunächst um ersteres. und im Inleresse der Ar

gumentation zugleich auch um die auf demselben beruhenden Syllogis

men *7°), und Abälard bezeichnete diesen Abschnitt hiernach als „Liber

categoricorum“ *7*). Wenn aber nun die Lehre vom hypothetischem

Urtheile sieh amreihem soll, so lässt er, auch hiezu durch Boeth. d.

diff. top. (s. Abschn. XII, Anm. 167) veranlasst, die Gültigkeit dieser

Urtheilsformem von den Topen bedingt sein (s. Anm. 269), und schickt

hiemit dem ,, Liber topicorum“ voraus, worauf erst das hypothetische

Urtheil selbst und die auf ihm heruhendem Syllogismen folgen *7°),

zu den Postprädftamentem wird p. 209. gesagt: Evolutus superius tewtus ad discre

ti0nem significationis n0minum et rerum naturas, quae vocibus designanlur, diligenter

secundum distinctionem decem praedicamentorum aperuit; nunc autem ad voces signi

ficativas recurrentes, quae solae doctrinae deserviunt, quot sint modi significandi

studiose perquiramus (in ähnlicher Weise p. 245.: non itaque propositiones res

aliquas designant simpliciter quemadmodum nomina), und es folgt hiemit p. 209—

226. nicht, wie Cousin's willkürliche Ueberschrift glaubem macht, der Abschnitt De

inlerpr., somdern mur eine Erörterung über die Satztheile. Mit dieser Bezeichnung

und Unterabtheilung des erstem Haupttheiles stimmen danm auch Abàlard's eigene

Citate überein, indem er sowohl auf das Ganze unter dem Namen Liber Partium

verweist (p. 377. : sicut in libro Partium docuimus u. p. 477.: sicut in libro Partium

tractatu speciei disseruimus) als auch die Unterabtheilungem in eben jener Bezeich

numg erwähnt (p.174.: sicut secundus Antepraedicamentorum de differentia continet;

p. 249.: nam ,,homo mortuus“.... compositum nomen est ... sicut in primo Post

praedicamentorum oslendimus, was sich ebenso wie die gleichlautendem Citate p.

296. u. 299. auf p. 214. bezieht; bei dem beidem Werweisungen p. 204. sicut in

libro Partium ostendimus und p. 205. in libro Partium requirantur ist sicher primo

statt libro zu lesen). Uebrigens ist uns durch diese ganze principielle Betonung

der ,,Redetheile“ num erklärlich, dass Abälard eine Bearheitnng der Kategorien

wirklich als ,, Grammatica** bezeichnen konnte (Amm. 241.). --

273) p. 227.: Justa et debita serie teaetus eæigente post tractatum singularum

dictionum occurrit comparatio orationum .... Non autem quarumlibet orationum con

structionem (auch diess ist eim Ausdruck des Priscianus, s. ob. Anm. 263.) • eaese

quimur, sed in his tanlum opera consumenda est, quae veritatem seu falsitatem con

tinent, in quarum inquisitione dialecticam maæime desudare meminimus ; unde cum

inter pr0p0sitiones quaedam earum simplices sint et natura priores, ut calegoricae,

quaedam vero compositae ac posteriores , ut quae eæ categoricis iunguntur hypothe

ticae, has quidem quae simplices sunt prius esse tractandas unaque earum syllo

gismos eæ ipsis componendos esse apparet.

274) AIlerdings gibt hier (p. 227.) die Handschrift dem Titel ,,Abaelardi Ana

lyticorum priorum primus“, aber nicht mur corrigirt sie sich selbst bei der zweitem

Unterabtheilung dieses Abschmittes, woselbst 'p. 253. die Ueberschrift lautet ,,Ec

plicit primus, Tincipit secundus eorundem , hoc est categoricorum**, sondern auch

Abälard sélbst citirt diesen Abschnitt als Liber categoricorum (p. 395.: sed de hoc

quidem uberius in libro categoricorum egimus). -

275) p. 437.: Congruo ordine post categoricorum syllogismorum traditionem

hypotheticorum: quoque tradamus constitutionem. Sed sicut ante ipsorum categorico

rum compleaciones categoricars propositiones oportuit tractari, eæ quibus ipsi materiam,

pariter et nomen ceperunt, sic et hypotheticorum tractatus prius Test in hypotheticis

propositionibus eadem causa eonsumendus , de quarum quidem locis ac veritate in

ferentiae quia in Topicis satis , ut arbitror, disseruimus, non est hic in eisdem

immorandum, sed satis, earum dirisiones ersequi.

XIV. Abäiard. 171

liti

Isti;

11;;

81 Af.

lig;

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di, l

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disti;

Hi: i.

welch letzterem Absehnitt er „Liber – hypotheticorum“ mannte *7"). So

hat Abälard mach seiner Auffassumg die Theorie der Argumentatiom, von

dem eimfachem Bestandtheilem zum Zusammengesetzten fortschreitend,

vollständig entwickelt, und es steht der „Liber divisionum“, welchem

Cousim als fünftem Theil der Dialektik bezeichnete, in keinem Zusammen

hange mit dem Vorhergehendem 377), sondern ist eine selbstständige

Monographie (den gleichen Gegenstand wie die Schrift De gener. et spec.

betreffend), in, welcher Abälard die Schriftem des Boethius de divisione

und de definitione unmittelbar miteinander verbamd, so dass in Er

wägung der imnerem Verschiedenheit dieser beidem (Abschm. XII, Amm.

103) sich recht deutlich zeigt, wie bei Abälard das logische Interesse

in das rhetorische übergehe. Indem wir daher nun für unsere Dar

stellung dem angegebenem Eintheilungs-Motive Abälard's folgen, werden

wir das Nöthige über dem Abschnitt de divisione, welcher sich an die

Lehre vom Begriffe anschliesst, völlig ebenso wie hei Boethius moeh

vor der Lehre vom Urtheile einschaltem.

Was dem ersten Abschnitt des erstem Haupttheiles, memlich die

Isagoge oder die sog. A n t e p ra e d i c a m e n t α betrifft, so müssen wir

die erwähnte empfindliche Lücke anderweitig, und zwar namentlich aus

Rémusat's (Anm. 238) Mittheilungem, zu ergänzen versuehem, werden

aber hiezu auch alle jene übrigem Stellen beiziehen, welche unser Ver

ständniss der logischen Parteistellung Abälard's verstärkem oder erwei.

tern können, so dass schon hier das Wesentliche umd Principielle

möglichst vollständig erläutert und eine riehtige Einsicht in Ahälard's

Logik überhaupt gewonnen werden soll, worauf danm bezüglich der

übrigem Theile der Dialektik auf solcher Grundlage mur mehr das Ein

zelnere anzuführen übrig bleibt.

Es hat etwas Auffallendes in sich , wemm Ablärd in dem Glossem

zur Isagoge nicht bloss von „sechs Worten“ spricht, indem er zu dem

üblichem fünf noch ,,individuum“ hinzufügt, sondern auch bemerkt, es

handle sich ausser diesem Wortem selbst auch noch um das vom ihnem

Bezeichnete — significata eorum — 27*); jedoch ersteres klärt sich

theils durch die Quellenstelle, welcher es entnommen ist 37°), theils

276) Auch hier ist das nemliche sonderbare Verhältniss, dass die Handscbrift

vorerst (p. 434.) den Titel ,,Abaelardi Analyticorum posteriorum primus** gibt, dann

aber beim Uebergange zur zweiten Unterabtheilung das Richtige zeigt (p. 446.):

Erplicit primus hypotheticorum, incipit secundus.

277) Es findet sich auch mirgends in dem Buche eime Anknüpfung am andere

Theile der Dialektik angedeutet.

278) Glossae in Porph. b. Cousin p. 553.: Intentio Porphyrii est in hoc opere

tractare de seae vocibus, i. e. de genere et de specie et de differentia et de proprio

et de accidenti et de individuo, et de significatis eorum .... Considerans, nullas

voces magis esse necessarias ad categorias quam istas seae voces, quoniam eae istis

seae vocibus constituuntur praedicamenta, ideo perelegit tractare de istis seac vocibus.

Huius operis sunt materia istae seae voces et earum significata, finis ipse categoriae.

(Cousim verdarb dem richtigen Sinn der Hamdschrift durch Aenderung und durch

Interpunktion.) Scientiae inveniendi supponitur iste tractatus (Anm. 268.), quia hic

docemur invenire rationes sufficientes ad probandas quaslibet quaestiones factas de

istis seae vocibus et de significatis earum. Vgl. untem Anm. 603.

279) Diese Sechszahl hat memlich, wie sich von selbst versteht, Nichts zu

schaffem mit jemer Stelle, welche ans dem griechischen Commentatoren (Abschm.

.

172 XIV. Abälard.

durch die ausdrückliche Bemerkung auf, dass Porphyrius nicht nöthig

gehabt habe, den Begriff des Individuums gleich anfangs mitaufzuzählen,

da ja das Individuum jedemfalls unter die übrigen fünf Worte falle und

an sich ebensosehr eine prädicative Bezeichnung eines Gegenstandes

sei, wie die Gattungen und Arten **"). Wenn aber num gerade diese

Betonung des Prädicats-Verhältnisses wieder mit dem zweitem Punkte,

nemlich mit der Auffassung des „von dem sechs Worten Bezeichneten“

zusammentriffi, so gibt hier Abälard über diese Grundfrage keine nähe

ren Aufschlüsse, sondern selbst bei jener Kernstelle (prima quaestio),

an welche, wie wir längst sahem, die ganze Parteifrage sich ange

schlossen hatte, gibt er mur eine spitzfindige und betreffs der Univer

saliem nichtssagende Unterscheidung zwischen solus intellectus, nudus

intellectus und purus intellectus **'), und aueh das übrige Folgende

schliesst sich überwiegend in blosser Worterklärung an den Text der

Isagoge an ***). ` .

Hingegen erhält eben dieser Punkt, welcher uns hier noch dunkel

bleibt, das meiste Licht durch die anderem sog. kleinerem Glossen zur

Isagoge. Dort nemlich knüpft Abälard an seine Angaben über die An

sichten Anderer (wobei er uns obem selbst als Quelle diente) vorerst

polemische Bemerkungen, um hierauf seine eigene Auffassumg der Uni

versalien zu entwickeln. Gegem Wilhelm v. Champeaux bemerkt er (s.

oben Anm. 106), dass, wenn ein so lockerer Zusammenhang zwischen

den individualisirenden Formem und dem allgemeinen Substanzen ange

nommen werde, zuletzt alle Substanzem, — auch dem Phönix, welcher

nur Ein Mal existirt, nicht ausgenommen —, eben als Substanzen ein

ander gleich und identisch sein müssem und hiernach auch von der

Substanz Gottes sich nicht unterscheidem . können, sowie dass diese

XI, Anm. 134.) anzuführen war, sondern beruht auf dem Inhalte jener Angaben

des Porphyrius (ebend. Anm. 43.), welche bei Boeth. p. 15. lauten: Eorum , quae

dicunlur, alia ad proprietatem dicuntur, sicut sunt omnia individua, ut est Socrates

et hoc et illud, alia quae ad multitudinem, ut sunt genera et species et differentiae

et propria et accidentia.

280) p. 553.: Et cum intendat tractare de istis seae vocibus et omne (zu lesen

omnes) tractat, tamen non proponit nisi de quibusdam tantum ; ideo non ponit de

individuo, quia individuum continetur sub unoquoque et in significatione et in prae

dicamentali ordine , nam quemadmodum genera et species proprie ponuntur in prae

dicamento, eodem modo individua ipsorum. Auch diess lag im Commentare des

Boethius zur angeführtem Stelle vor, welcher (p. 16 f.) sagt: Ita individua , quae

ad unitatem dicuntur, cunctis superioribus (d. h. quinque vocibus) supposita sunt

• • • • • Individua vero .... ad nihil aliud praedicantur nisi ad se ipsa, quae singula

atque una sunt, atque ... ad unitatem dicuntur. D. h. Abälard entnahm sich dar

aus, dass die individuellen Bezeichnungen eben doch ausgesagt werden, — dicuntur,

praedicanlur —.

281) p. 555.: llla dicimus poni in solis intellectibus, quae tantum intelliguntur

et m0m sunt ..... Illa , dicimus poni in nudis intellectibus, quae, cum sint, aliter

intelliguntur esse, quam' sint ..... Illa dicimus poni in puris intellectibus, quae in

telliguntur simpliciter ut sunt. -

282) Bemerkt mag werden, dass auch hier die schom oben. (Anm. 167.) er

wähnte abgekürzte Redeweise, ,,praedicari in quid** oder ,,praedicari in quale**

für ,,praedicari in eo quod quid** oder ,,praedicari in eo quod quale** durchgängig

recipirt ist.

XIV. Abälard. 173

- Wesens-Gleichheit aller Substamzem oder ihre Gleichgültigkeit gegem jed

wede individuelle Gestaltung dazu führe, auch das Zusammentreffen vom

Gegensätzen an Einer Substanz zulassen zu müssen *°°). Gegen die

' lmdifferenz-Lehre wemdet er (s. Amm. 132) vor Allem die Definition des

Gattungsbegriffes (genus est, quod praedicatur de pluribus), wormach

mie Eim und das Nemliche zugleich Gattung und Individuum sein könne,

und sodamm auch das Verhältniss der Aussage überhaupt, bei welchem

zwischem Individuem und Artbegriffen unterschieden werden müsse und

unmöglich die Individualität vom Allgemeinem selbst prädicirt werdem

könne, wohingegen, wenn mam das Individuum zugleich schon als Art

oder Gattumg nehme, die Aussage des Gattungsbegriffes ihres Subjectes

beraubt werde oder bei Qualitäten (d. h. bei adiacentia) eben nicht

mehr eime von mehrerem Subjectem geltende Aussage sein könne ***).

283) Glossulae s. Porph. bei Rémusat a. a. 0. II, p. 98.: Ce systeme eæige

que les formes aient si peu de rapport avec la matiere qui * leur sert de sujet, que

dés qu'elles disparaissent, la matiére ne différe plus d'une autre matière sous aucun

rapport, et que tous les sujets individuels se réduisent à l'unité et à l'identité. Une

grave hérésie est au bout de cette doctrine, car avec elle la substance divine, qui est

réconnue pour n'admettre aucune forme, est necessairement identique à toute substance

quelconque ou à la substance en général ..... Et non seulement la substance de

dieu, mais la substance du phéniæ (s. Abschn. XII, Amm. 87.), qui est unique,

m'est dans ce systême que la substance pure et simple, sans ident, sans propriéte, r- v- »

qui, part0ut la même, est ainsi la substance universelle. 0'est la même substance

qui est raisonable et sans raison , absolument comme la même substance est à la

fois blanche et assise, car étre blanc et étre assis ne sont que des formes opposées

comme la rationalite et son contraire, et puisque les deuae premières formes peuvent

notoirement se trouver dans le même sujet, pourquoi les deua, secondes ne s'y trou

veraient-elles pas également ? Est-ce parce que la rationalité et l'irrationalite sont

contraires ? Elles ne le sont point par l'essence, car elles sont toutes deuae de l'es

sence de qualité ; elles ne le sont ,.per adiacentia“, car elles sont, par la suppo

sition, adiacentes à un sujet identique. Du moment que la même substance convient

d toutes les formes, la contradiction peut se réaliser dans un seul et méme étre.

284) Ebend. p. 100.: Mais c'est là ce qui n'est pas soutenable. La définition

qui veut que le genre soit ce qui est attribuable á plusieurs, a été donnée à l'ea

clusion de l'individu. Ce qu'elle définit ne peut en soi étre â aucun titre, en aucun

etat, individu. Dire qu'une même chose tour à tour comporte et ne comporte pas

la définition du genre, c'est dire que cette chose est, comme genre , attribuable á

plusieurs, mais que, comme genre aussi, elle me l'est pas, car un individu qui

serait attribuable à plusieurs serait un genre, par conséquent l'assertion est contra

dictoire ou plutôt elle n'a aucun sens. Les auteurs disent que cette proposition

,,l'homme se promene”, wraie dans le particulier, est fausse de l'espéce. (Hier

jedoch muss Rémusat entweder einen unrichtigen Text vor sich gehabt oder den

richtigen unrichtig werstandem haben, demm die wiederholte Lehre des Boethius,

p. 15, -p. 36 u. s. f., lautet mit Anwendung des gleichen Beispieles — Cicero

ambulat, homo ambulal — natürlich dahin, dass das Accidens primitiv vom Indi

viduum und abgeleiteter Weise von der Species ausgesagt werde, nicht aber dass

letzteres falsch sei.) Comment maintenir cette distinction, si une même chose est

espéée et individu? .... (p. 101.) L'individualite resultant de formes accidentelles

me saurait être l'attribut essentiel d'une substance susceptible d'universalité ; cepen

dant cette substance en tant que particuliére, distincte de ses semblables, est essen

tiellement individuelle, violation manifeste de la règle de logique qui porte que ,,dans

un méme l'affirmation de l'oppose eaeclut l'affirmation de l'autre opposé**. Lorsqu'on

dit que le genre est attribuable á plusieurs, on parle ou d'attribution essentielle

(„praedicari in quid“) ou de toute autre ; s'il s'agit d'attribution essentielle, comme

on le nie après l'avoir affirme, elle cesse d'être essentielle, ou elle emporte avec

174 XIV. Abälard.

Endlich auch gegen jene uns micht näher bekannle Ammahme bezüglich

einer proprietas der Dinge (s. Anm. 73) richtet er wiederholt den nem

lichen aus der Definition des Gattuugsbegriffes entnommenem Einwand

und bezeichnet überhaupt jede Verwechslung oder Wermengung des

Individuums mit dem Allgemeinem als das Bedenklichste und Unhalt

barste *°°). -

Nach seimer eigewem Ansicht aber glaubte er das Richlige, wodurch

er zuletzt dem Gegensatz zwischem Plalo und Arisloleles versöhnen zu

könnem meint, dadurch gefunden zu haben, indem er sich auf Eine

Stelle des Buches De interpr. warf, in welcher das Allgemeine als das

jenige bezeichnel wird, was „von Natur aus dazu gemacht ist, von

Mehreren ausgesagt zu werden* (quod natum est de pluribus praedi

cari), und er konnte hiedurch in der schob obed (Amm. 254) erwähn

tem Weise die objectiv matürliche Entstehung der Dinge meben dem

subjectiv menschlichen Erzeugnisse der Wortbezeichnung einhergehen

lassem, ja. dieses Verhältniss sogar durch das Gleichniss der Statue aus

drücken , welche aus dem objectiv vorliegendem Steine und der durch

Menschenhand hinangebrachten Form besteht *°°). Hierauf aber nun

beruht das eigentliche Parlei-Schibolet Abälard's, denn aus jener Natur

bestimmtheit des Ausgesagtwerdens folgt, dass weder die Dinge als

solche noch die Worte als solche das Allgemeine seiem, sondern die

Allgemeinheit mur in dem Ausgesagtwerdem selbst, also in der Redeform

des Urtheils, kurz im „sermo* liege, wodureh nun die verfellte und

unhaltbare Ansiclit vermieden werde, dass man ein Ding von einem

elle son sujet; s'il s'agit d'utlribution uccidenlelle (,,in adiacentia**), lu definition

n'est plus eacacte, elle ne comvient plus à lout genre.

285) Ebend. p. 102.: La difficulte est toujours de faire cudrer ce sysleme avec

la definition du genre. Il faut que la propriéle d'être attribuable à plusieurs sépare

l'universel de l'individuel; or, on vient de dire que de plusieurs choses chacume est

individuellement animal; le nom individuel d'animal seruit-il donc le nom de plu

sieurs ? l'individu serait-il attribuable à plusieurs ? Cela ne se peut. Mais comme

animal ne peut plus se dire de plusieurs, mais de chacun, il n'y a plus de genre,

ou plutôt t0ul est renverse ; c'est l'individu ou le non-universel qui prend la place

de l'universel, c'est ce qui me peut s'affirmer de plusieurs; qui s'affirme de plusieurs,

et c'est une pluralite où chacum s'affirme de plusieurs que l'on appelle l'individu.

286) Ebend. p. 104 f.: Aristote, au dire d'Abelard, parait l'insinuer clairement,

quand il définit l'universel ce qui est ne attribuable à plusieurs ,,quod de pluribus

natum est praedicari**. C'est une propriété avec laquelle il est me, qu'il a d'origine

,,a nativitale sua“. 0r, quelle est la nativite , l'origine des discours ou de noms?

l'institution humaine, tandisque l'origine des choses est la creation de leurs natures.

Cette différence d'origine peut se rencontrer lä méme où il s'agit d'une méme essence;

ainsi dans cet ea:emple ,,cette pierre et celle statue ne sont qu'un*', l'etat de pierre

me peut étre donné à la pierre que par la puissance divine , l'état de statue lui

peut étre donné par la main des hommes. Es lautet memlich. jene, Abschm. IV,

Anm. 197., angeführte Stelle des Aristoteles in der Uebersetzung bei Boeth. p.

338.: Quoniam autem sunt haec quidem rerum universalia, illa vero singularia, dico

aulem universale, quod de pluribus natum est praedicari, singulare vero , quod non,

elc. Hier also konnte Abälard für dem Realismus auf das Wort ,,rerum“ und

zugleich für den Nominalismus auf „praedicari“ sich stützen. So sind in jener

Zeit, welche keine principielle Einsicht hatte, sondern nur fleissig die Tradition

studirle, auf einzelne herausgerissene Stellen der Schul-Litteratur, von dem Einem

auf die eime, von einem Anderen auf eine andere, sofort die Partei-Ansichten auf

gebaut worden. Vgl. oben Anm. 105, 129, 134, 170 n. untem 293.

XiV. Ahalard. 175

Dinge aussagen könne, wormach ein [)ing als Ding gleichmässig in meh

reren Dingen sein müsste, wohingegeni (— „res de re non praedicatur“

—) Alles, was ausgesagt wird, und insoferne es ausgesagt wird, nichi

ein Ding, sondern.ebem eine Aussage ist **"). Und indem nun Abälard

hiemit obige Definition der Gattung in Verl)indung bringt, verneint er

austfrückiich, dass, wenn die Aussage (sermo) allgemein ist, dann etwa

auch das Wort als Wort allgemein sei, denn auf gleiche Weise könne

man zuletzt auch schliessem, dass der Buchstabe allgemein sei, hingegen

müsse man bei jener Definition den durch' sie definirten Gegenstand,

d. h. die Gattung selbst, in's Auge fassem, wodurch sich zeige, dass

nicht die Gatlung selbst in all ihrer Totalität in dem einzelnen Worte

enthaltem sei, wohl aber das die Gattung ausdrückemde Wort in einem

Urtheile : von Mlehrerem ausgesagt wird, kurz dass eben das Uriheil aus

sagbar ist, — „sermo est praedicabilis** —, weil das Denken die Worte

behufs der Darstellung der Dinge ordnel ***). Wenn hiernach das Wort

nicht nacli seinem äusserlich wirklichem Klange, sonderu nach seinem

imnerem Simne ausgesagt wird, und also seine Bedeutung es zu einem

Allgemeinen macht *°°), so darf man auf solche Weise wolil sagem,

dass Gattung und Art ein Wort (voa) seien, nicht aber umgekelhrt, dass

das Wort die Gallung oder die Art sei, denn das individuelle Wesen,

welches das Wort ist, kann nicht von Mehrerem ausgesagt werden,

woluingegen ein objectiv Dingliches den Gattumgen und Arten entspre

287) Ebend. p. 105.: 0r, du moment que l'universel est d'0rigine attribuable

d plusieurs, mi les choses mi les mots me sont universels. Car ce n'est pas le mot,

la voiae, mais le discours ,,sermo“, c'est-à-dire l'ea pressiom du mot, qui est attri

buables ä divers, et quoique les discours soient des mols, ce ne sont pas les mots,

mais les discours qui sont universels. Quant uuae choses, s'il etait vrai qu'une

chose pit s'affirmer de plusieurs choses, une seule et même chose se retrouverait

ègalement dans plusieurs, ce qui répugne. Daher ebenso Dialect. p. 496.: nec rem

ullam de pluribus dici, sed nomen tantum concedimus. Hiezu die schon oben, Anm.

63., angeführte Stelle des Joh. v. Salesbury. -

288) Ebend. p. 107 f.: Mais Abélard se fait des objections. Commenl l'oraison

peut-elle étre universelle, et n0n pas la voiae, quand la description du genre convient

aussi bien à l'une qu'à l'autre? Le genre est ce qui se dit de plusieurs qui diffé

rent par l'espece; ainsi le decrit Porphyre. 0r, la description et le décrit doivent

convenir à tout sujet quelconque ; c'est une régle de logique, la régle „de quocun

que“, et comme le discours et les viots ont le même sujet, ce qui est dit du discours

est dit des mots. Donc, comme le discours, la voiae est le genre. Cette pr0p0sition ,

est incongrue ,,non congruit**; car la lettre étant dans le m0t, et par consequent

s'attribuant à plusieurs comme lui, il s'ensuivrait que la lettre est le genre. C'est

que, pour que la description ou définition du genre soit applicable, il fuut qu'on

l'applique á quelque chose qui ait en soi la realite du defini, ,,rem definiti**; c'est

la condition de l'applicatiom de la regle ,,de quocunque“, et ici cetle condition n'eaviste

pas. Le mot ne contient pas tout le defini, il n'en a pas toute la comprehension,

et il n'est attribué ü plusieurs, affirme de plusieurs, ,,praedicatum de pluribus“,

que parce que le discours est predicable, ,,est sermo praedicabilis**, c'est-à-dire

parce que la pensée dispose des mots pour décrire toutes choses.

289) Ebend. p. 108.: 0n peut donc dire que le discours étant un genre, et le

discours etant um mot , un mot est le gemre ; seulement il faut ajouter que c'est ce

mot avec le sens qu'on a entendu lui donner. Ce n'est pas l'essence du mot, en tant

que mot, qui peut étre attribuée à plusieurs; le som vocal qui constitue le m0t est

toujours actuel et particulier à chaque fois qu'on le prononce, et non pas universel,

mais c'est la signification qu'on y attache qui est 0enerale.

176 - XIV. Abälard.

chemdes Sein bei solcher Auffassumg umgestört zugestamdem werdem

kanm **"). Nemlieh Gattumgem und Artem, insoferme wir sie denken,

beziehem sich wohl auf Etwas, was existirt, und ergreifen es, aber

mur durch Uebertragung konnte man sagem, dass dieselben als die von

ums gedachten Universalien existiren, demm der richtige Simm ist nur,

dass Etwas existirt, was zu diesem Universalien Veranlassung gibt *°').

Und auf diese Weise num, glaübt Abälard, sei der Unterschied zwischen

Plato und Aristoteles kein jnnerlich wesentlicher, sonderm betreffe mur

den Wortausdruck (vgl. oben Anm. 143 f.), demm nach Aristoteles seiem

die Gattumgem und Artem, während sie durch menschliche Namenbe

zeichnung in dem Einzel-Dingen liegem, demnoch als das den reinen all

gemeinem Auffassumgen des Erkennens Entsprechende ausserhalb des

sinmlich-wahrnelmmbarem Einzelnem, und mach Plalo , seien die: Univer

saliem gleichfalls nicht niur Sache subjectiver Denk-Auffassumg, sondern

ebem als Gegenstand derselben objectiv ausserhalb des Sinnlich-Wahr

mehmbarem existirend *°°); ja Abälard findet sogar für diese Ueberein

stimmung des Plato und Aristoteles, während er aus Macrobius die

Schulamekdoten über die Feindschaft des Letzterem gegem Ersterem kemnt,

wieder eimen Beleg in einer einzelnem höchst äusserlich herausgerissenem

290) Ebend. p. 109.: Abélard ... permel qu'on dise que le genre ou l'espèce

est un mot „est voa **, et il rejette les propositions converses ; car si l'on disait

que le mot est genre , espece , universel, on attribuerait une essence individuelle,

celle du mot, à plusieurs, ce qui ne se peut. C'est de méme qu'on peut dire ,,cet

animal („hic status animal“) est cette matiére, la Socratité est Socrate** l'un et

l'autre de ces deuae est quelque chose, quoique ces propositions ne puissent étre ren

versees. Dialect. p. 480.: in significationibus suis vocabula saepe nominantur, ut

cum ea quoque vel genera vel species vel universalia vel singularia vel substantias

vel accidentia nominamus ; nomen autem .... hòc loco accipiendum est quaelibet vgae

significativa simplea;, qua rebus praeposita vocabulu praedicamus.

291) Ebend. p. 109.: Il decide que, biem que ces concepts (ob wohl hier im

lateinischem 0riginale „conceptus“ steht? ich vermuthe eher, dass es „intellectus“

laute, s. untem Amm. 313 ff.) ne donnent pas les choses comme discrètes , ainsi que

les donne la sensation, ils n'em sont pas moins justes et valables, et embrassent les

ehoses réelles. De sorte qu'il est vrai que les genres et les espèces subsistent, en

ce sens qu'ils se rapportent à des choses subsistantes, car c'est par metaphore (wohl

,,per translationem**) seulement que les philosophes ont pu dire que ces universauae

subsistent. Au sens propre, ce serait dire qu'ils. sont substances, et l'on veut ea:

primer seulement que les objets qui donnent lieu (etwa ,,locum praebent“?) auae

universauae, subsislent. Les doules que ce langage figuré a fait naitre sont la seule

source des difficultés qui semblent arrêter Porphyre. Bei dieser ganzen Stelle be

klagen wir es am meisten, nur aüf Rémusat's nicht umbedenkliche Umschreibnng

angewiesen zu sein. -

292) Ebend. p. 110.: Abelard réduit ces difficultes à des simples questions de

nots. Ainsi pour lui le dissentiment entre Aristote et Platon venait seulement de

ce que le premier pensait que les genres et les espeees subsistent par appellation

. dans les choses sensibles, ou servent à les nommer en essence , ,, appellant in se**,

et que cependant ils sont hors de ces choses, en ce sens qu'ils correspondent â des

concepts, purs de toutes formes accidentelles sensibles, tandis que Platon voulait que

les genres et les espèces fussent non-seulement concu, mais subsistants hors .des

sensibles. Ainsi, dit Abélard, la différence n'est pas dans le sens, quoiqu'elle

semble se montrer dans les termes. Ueber die Quelle des Ausdruckes ,,appellant

in se** s. oben Amm. 13.; hingegen für die Entgegensetzung des Platonismus und

Aristotelismus überhaupt konnte Abàlard auch Boeth. ad Porph. p. 56. benüuzen.

XIV. . Abälard. 177

Stelle der Kategorien, woselbst er dem Aristoteles , den platonischen

' Realismus aufdrängen will 298).

So weist uns nun jener für Abälard als Ausgangspunkt und als

Auctorität geltende Satz „quod natum est de pluribus praedicari“ (Anm.

286) von selbst gleichzeitig auf zwei Wege hinaus, deren einer in der

Richtung desjenigen, quod „natum“ est, liegt und in Platonismus aus

mündet, während der andere die Richtung des „praedicari“ einschlägt

und zu einem Aristotelismus führt, welcher stets den parallel laufendem

anderen Pfad in Aussicht behält, und zwar all beides, um die Dialektik

in der Theorie der Argumentation zu verwerthen. -

Was nun hiemit die erstere dieser beiden Richtungen belrifft, so

haben wir hier nicht die Aufgabe einer Geschichte der Theosophie, und

werden daher unter demjenigen, was auf Plato zurückweist, nur das

für die zweite, logische, Richtung Erhebliche entwickeln müssen. Die

Quelle für Abälard war hiebei natürlich jener Platonismus, welcher

durch Porphyrius in den Boethius übergegangen war, und so wird aus

des Letzteren Schrift de divisione die Anschauung aufgenommen, dass

durch eine ,,creatio“ die Art aus der Gattung enlstehe, indem ähnlich

wie bei der Statue eine Form dazukomme (superveniente forma), so

dass der Stoff (materia) in dem neuentstandemen Gebilde (materiatum,

vgl. Amm. 160) fortbestehe, und eine Gleichheit des Seins zwischen

Art. und Gattung sich ergebe *°*). Hiernach besteht die Species aus

zwei Bestandtheilen, nemlich materialiter aus der Gattung, formaliter

293) Dialect. p. 205 f.: Haec quidem de relativis (s. oben Amm. 192.) Aristo

telem plurimum sequentes diacimus .... Si etiam scripta magistri eius Platonis in

hac arte (d. h. in der Logik) novissemus, utique et ea reciperemus, nec forsitam

calumnia discipuli de definitione magistri recta videretur. Novimus etiam ipsum Ari

stotelem et in aliis locis adversus eundem magistrum suum et primum totius philo

sophiae ducem eae fomite fortasse invidiae aut eæ avaritia nominis, eæ manifesta

tione scientiae surrezisse, quibusdam et sophisticis argumentationibus adversus eius

sententias inhiantem dimicasse, ut in eo, quod de motu animae Macrobius (Somn.

Sc. II, 14, 2 u. 15, 1) meminit ..... Sed quoniam Platonis scripta in hac arte

nondum cognovit latinitas nostra, eum defendere in his quae ignoramus, non praesu

fhamus. Unum tamen confiteri possumus, si attentius Plalonicae , definitionis verba

pensentur, eam ab Aristotelica non discrepare sentenlia; nam in e0 quod diavit,

quod ,,hoc ipsum quod sunt aliorum dicuntur** (diess nemlich ist die Definition des

Relativen bei Boeth. ad Praed. p. 155.), non tam visus ad vocalem c0nstructionem,

ut aiunt, respezisse, quam ad naturalem rerum relationem; cum enim ait ,,h0c

ipsum quod sunt“, essentiam demonstravit, non vocabulum. In solcher Weise also

verfuhr mam mit einzelnen Stellen und einzelnen Worten, um Auctoritäten für Par

tei-Ansichten zu gewinnen. Vgl. Anm. 286.

294) Theol. Christ. IV, p. 1305.: Eae materia quippe ipsum materiatum generari

et creari quodammodo* tradunt philosophi; unde Plat0 - Ylen, i. e. c0rp0ream naturam,

tanquam matrem corporum ponit, et Boethius in libro Divisionum (p. 639 f., s.

Abschn. XlI, Anm. 97 f.) genus dividi in species quasi in quasdam a se qu0dam

modo creationes dicit, eo quod species eæ ipsa generis substantia nasci et confici

habeant superveniente forma, ut homo ea, animali superveniente rationalitate et mor

talitate, sicut statua eae aere supervenienle figura; et cum idem sit materia, quod

materiatum, sicut idem est animal quod homo (s. ebend. Anm. 98.) vel hoc aes

quod haec : statua, non ldmen ipsum materiatum est materia sui aut ipsa materia

est materiata ea, se, licet sit hoc ipsum, quod est materia eius etc. Dialect. p. 486.:

in constitutione speciei genus , quod quasi maleria ponitur, accepta differentia, quae

quasi forma superadditur, in speciem transit.

PR A N T l, Gesch. II. - 12

178 XIV. Abälard.

aber aus- dem artmachenden Untersehiede, d. h. der differentia sub

stantialis; diese letztere aber hat ausschliesslich mur die Function, eben

die Species zu erzeugen, denn — was polemisch gegen andere An

sichtem, s. ob. Anm. 1 14, bemerkt wird — sie geht nicht mit dem

Stoffe selbst in das Wesen der Species über, da sie hiedurch zu einem

Theile des Stoffes der Species würde, sondern sie ist nur die wirk

same Kraft, daher auch das Gleichniss der Statue nur nach einer äusser

liehen Aehnlichkeit zu verstehen ist, denn Species ist ja die Statue

nicht, sondern mur eine menschliche Zusammenfügung *°°). Aueh darf

jene creatio nicht so verstanden werden, dass etwa in zeitlicher Existenz

die Gättung vorher da sei, ehe die Species ins Dasein trete, denn ge

rade im matürlichen Sein der Dinge exisliren die Gattungen mur in den

Artem und umgekehrt *°°), sondern diese Priorität oder Posteriorität fällt

dem Gebiete der Aussage (praedicatio) anheim, welche bald auf die

Form, bald auf das durch sie Geformte u. s. w. gehen kann °°"). Wenn

aber bei diesem. Entstehen der Artem aus dem Gattumgen jene schwie

rigere Frage bezüglich der Gegensätze (ob. Anm. 113 u. 115 f.) zu er

ledigen war, so ist hierüber Abälard's Ansicht folgende: Die Verschie

deuheit der Artem kann nur dadurch bewirkt werdem, dass eine Ver

schiedenheit der Substanzen besleht; diese aber ist ein Erzeugniss des

artmachenden Unterschiedes, welcher eben darum ein , substantieller

heisst, weil er eine Ausscheidung innerhalb der Substanz und dabei

295) Dialect. p. 477.: Hominis enim alia pars subslantia animalis, alia forma

rationalitatis vel mortalitatis, componit autem animal hominem materialiter, rationa

litas vero et mortalitas formaliter (ebenso Glossae ad Porph. p. 575.). Neque enim

rationalitas et m0rtalitas, cum qualitates sint, in essentiam hominis, qui substantia

est, possunt converti, sed sola animalis substantia homo efficilur, per informationem

tamen substantialium eius differentiarum , unde recte Porphyrius ,eas substantiales

differentias esse definit (b. Boeth. p. 84., vgl. Abschn. XI, Anm. 44.), secundum

quas ipsa genera, quae ab ipsis divisa sunt, specificantur .... Nec cum ipsae generis

substantiam in speciem reddunt, ipsae quoque in essentiam speciei simul transeunt,

sed sola genera vel subiecta specificantur, non quidem separata a differentiis, sed,

fiisi ei differentiae adveniunt, ipsa sola non etiam differentiae species efficitur, non

quidem cum differentiis, sed per differentias, sicut in libro Partium tractatu speciei

disseruimus (s. Anm. 272.); si enim differentiae in speciem transferrentur cum ge

nere, .... ipsus de substantia rei esse et in partem materiae venire contingeret ......

(p. 478.) Nihil aliud materia iam formis actualiter coniuncta quam ipsum materiatum,

ut nihil * aliud est hic annulus aureus quam aurum in rotunditatem ductum ......

Statuae compositio, quam Boethius (p. 88.) ponit, .... species non videtur, cum nec

fmateria sit unum, sed operatione hominum , nec substantiae nomen, sed accidentis,

cum statua videatur et a quadam compositione sumptum.

296) Introd. ad theol. II, p. 1083.: Cum autem $pecies eae genere creari seu

gigni dicantur, non tamen ideo necesse est, genus species $uas tempore vel per

existentiam praecedere, ut videlicet ipsum prius esse contigerit quam illas; nunquam

etenim genus nisi per aliquam speciem suam esse contingit, vel ullatenus animal

fuit, antequam rationale vel irrationale fuerit, et ita species : cum suis generibus

simul naturaliter eæistunt, ut nullatenus genus sine illis, sicut nec ipsaè sine genere

esse potuerint.

297) Theol. Christ. III, p. 1277.: Proprietas itaque materiae ipsa est prioritas,

secundum quam ea, ea malerialiter aliquid fieri habet, materiati vero proprietas est

ipsa e converso posterioritas ; proprietates itaque ipsae impermiatae sunt per praedi

calionem, licet ipsa propriata permiatim de eodem praedicentur; aliud quippe est

praedicare formam, aliud formatum ipsum, h. e. rem ipsam formae subiectam.

XIV. Abälard. 179

zugleich eine Einheit der ausgeschiedenen Gruppen, deren jede Eine

gemeinschaftliche Natur hat, bewerkstelligt *°°); und sowie hiernach

nicht mehr in einer Wesens-Identität der Stoff, welcher die Gallung ist,

in den sämmtlichen Arten vorliegt, so simd es lediglich nur die Arten

der Substanz selbst, welche durch (lem artmachendem Unterschied er

zeugt werden ; wenn daher alle übrigen, nicht aus der Substanz her

vorgehenden Artem ohne Wirkung eines substantiellem Unterschiedes

entstehen und somit im blossen Stoffe begründet seim- müssen , so ist

die Einheit des letzteren als eine Wesens-Aehnlichkeit (consimilitudo)

zu verstehen, durch welche z. B. bei dem gemeinschaftlichen Wesem

des Farbe-Seins die Gegensätzlichkeit des Weissen und Schwarzen nicht

ausgeschlossem ist *°°). So unterscheidet Abälard zwischen Formen,

welche selbst Wesemheitem sind umd in den zu Grunde liegenden Stoff

(subiectum) erst eintreten müssen, um ihn zu Etwas zu machen, was

er ohne sie nicht wäre, und zwischen solchem Formen, welche keine

Wesenheiten selbst sind, sondern schon im Stoffe der Gattung enthalten

sind *""); in ersteren liegt natürlich der eigentliche artmachende Unter

schied, sowie in letzterem das sog. zufällige Merkmal accidenteller Un

terschiede, d. h. jene adiacentia (Amm. 284), welche Gegenstand der

nicht-substantiellen Aussage ist *"'). Hiemit aber sind bei den wesent

lichen Formen die Gegensätze durch die Thätigkeit des artmachenden

298) Dialect. p. 418.: Diversitas itaque substantiae diversitatem generum ac

specierum facit, .... nam etsi in speciebus substantiae specierum diversitalis causa

sit differentia, hoc tamen ea rerum diversitate, substantiae quam faciunt, contingit;

unde etiam substantiales sunt appellatae huiusmodi differenliae, quae in substantiam

venientes et discretionem substantiae faciunt et unionem communis naturae; neque

enim alia in speciali aut generali natura concludimus , nisi ea quae natura substan

tiae divina univit operatio.

299) Ebend. p. 400, woselbst nach der obem, Anm. 113., angeführten Stelle

folgt: Si enim omnium specierum est eadem in essentia materia, tunc albedinis et

nigredinis et ceterorum contrariorum, quae omnia eiusdem generis species esse necesse

est...... Nostra quoque sententia tenet, solas substantiae species differentiis confici,

ceterasque species per solam subsistere materiam, sicut in libro Partium ostendimus.

Si ergo eadem prorsus est materia, quae est in ipsis diversitas ? Sed eadem (d. h.

diversitas in ipsis est), quae est in consimilitudine substantiae non indeterminatae

essentiae ; neque enim ea qualitas, quae est essentia albedinis, essentia est nigre

dinis, esset enim albedo nigredo, sed consimilis in natura generis superioris ; con

similitudo autem vel substantiae vel formae contrarietatem non impedit. Bezüglich

der consimilitudo vgl. Anm. 307.

300) Pseudo-Abael. de intell. b. Cousin, Fragm. phil. (1840), p. 495 f.: Alii

autem, qui quasdam formas esse essentias, quasdam minime, perhibent, sicut Abae

lardus et sui, qui artem dialecticam non obfuscando sed diligentissime perscrutando

dilucidant, nullas formas essentias esse approbant, nisi quasdam qualitates, quae

sic insunt in subiecto, quod subiectum ad esse earum non sufficit, sicut ad esse

quantitatum ipsum subiectum sufficit .... vel ad esse sessionis necessaria est dispo

sitio partium ..... Nullam enim formam essentiam asserunt, cui poterit assignari,

subiectum ad esse illius sufficere.

301) Theol. Christ. III, p. 1280.: sive illa forma sit communis differentia, h.

e. separabile accidens, ut nasi curvitas, sive magis propria differentia, i. e. sub

stantialis, sicut est rationalitas, quae scilicet substantialis differentia non solum

facit alterum, i. e. quoquo modo diversum, verum etiam aliud, h. e. substantialiter

ätque specie diversùm. ` Die Quelle hievon ist Porphyrius (Abschn. XI, Amm. 44.),

d. h. Boeth. p. 79 ff. - -

12*

180 XIV. Abälard.

Unterschiedes erst entstanden und sofort ausgeschiedem, während sie

bei den unwesentlichen Formen als Möglichkeiten im Gattungsstoffe vor

liegen *"*), und es konnte Abälard, indem er sämmtlichen bloss quali

tativen Gegensätzen kein Wesens-Substrat unterlegte, sondern ein solches

nur in den art-constituirenden Gegensätzen anerkannte, sehr leicht mit

Aufrechthaltung der Umvereinbarkeit des Gegensätzlichen jener obigen

(Anm. 115) Schwierigkeit entgehen *"*). Während aber so jener Crea

tions-Process, im welchem der artmachende Unterschied ausscheidend

wirkt und das Ausgeschiedene nach Einheiten zusammenfällt (Amm. 298),

in fortschreitender Stufenfolge bis zum Einzel-Individuum sich erstreckt,

welches als solches wesentlich (d. h. essentialiter oder entialiter, nicht

jedoch seiner Substanz nach) von seines Gleichen geschieden ist *"*),

so gilt für Abälard im Anschlusse an Porphyrius und Boethius allerdings

wohl der Begriff des „ens" als ein vieldeutig allgemeiner Name *°°),

hingegen „substantia“ muss, insoferne diess der Begriff des genus ge

neralissimum ist, als jener oberste und letzte Stoff betrachtet werden,

an welchem die Thätigkeit des artmachenden Unterschiedes begimnt *°°).

So lehrt Abälard als Platoniker eine objective Ontologie der Uni

versalien, welche einerseits von dem plumperen Realismus des Wilhelm

von Champeaux sich durch sorgfältigere Benützung des Boethius zu

ihrem Wortheile unterscheidet, andrerseits aber durch obigen Begriff

der consimilitudo (Anm. 299) zugleich mit dem Verfasser De gen. et

spec. (Anm. 163 u. 177) oder mit der Indifferenz-Lehre (Anm. 132)

in eine gewisse Berührung tritt *"'). -

302) So kann z. B. bezüglich der albedo, welche natürlich keine Substanz

ist (Boeth. p. 173 f.), gesagt werdem, Introd. ad theol. III, p. 1119.: Cum idem

sit ,,id quod est album, esse nigrum“ et ,,albedinem et nigredinem eidem simul

inesse“, non tamen, ut possibile est, id qu0d esl album, esse nigrum, ita etiam

possibile est, albedinem et nigredinem simul eidem inesse.

303) Dialect. p. 390.: Quod si genera contraria per individua specierum non

contrariarum in eodem contingant, non est inconveniens (z. B. dass Jemand zugleich

keusch und geizig ist, s. Anm. 115.), quippe ipsa contraria non sunt eorum tota

substantia, sicut species ..... 0mnia itaque contraria in eodem esse negamus, sicut

et ipse in eodem (d. h. Arist. Categ.) docuit ,, sed nihil, quod videatur simul con

traria recipere posse** (Boeth. p. 205.).

304) Theol. Christ. IV, p. 1341., welche Stelle schon oben Anm. 241. ange

führt wurde. Ebend. III, p. 1280.: Haec itaque sola et omnia numero sunt diffe

rentia, quae tota quantitate suae essentiae discreta sunt, sive solo numero ab invicem

distent, ut Socrates et Plato, sive etiam specie, ut hic\ homo et ille equus, seu ge

mere quoque, ut hic homo et haec albedo, seu quacunque forma ab invicem differant.

S. Anm. 337.

305) Glossae ad Porph. (b. Cousin) p. 569.: Ens est aequivocum .... videlicet

illam definitionem, quam habet ens in praedicamento substantiae, nunquam habebit

in praedicament0 quantitatis; .... ens non habet unam substantialem definitionem,

cum qua praedicatur de omnibus generalissimis, cum hac definitione praedicatur ens

de substantia: substantia est ens, quod neque est qualitas nec quantitas etc. S.

Abschn. XII, Anm. 89. -

306) Ebend. p. 565.: . Substantia est generalissimum, quia est solum genus ....

(p. 566.) quemadmodum substantia est genus generalissimum, cum suprema sit, eo

qu0d nullum genus supra eam sit, etc. Hiezu obige Stelle Anm. 298. und Dialect.

p. 485.: Genus omne naturaliter prius est suis speciebus .... genus est materia

specierum. -

307) In einer ähnlichen an jene Ansichten erinnernden Weise drückt sich

XIV. Abälard. 181

Was aber nun die andere, logisch-aristotelische Anschauungsweise

Abälard's betrifft, so müssen wir zu entwickeln versuchen, wie er

obigen Begriff des „sermo“ (Anm. 286 ff.) verstanden wissen wolle und

im Einzélnen begründe, wobei es von vorneherein als beachtenswerth

erscheint, dass er durchweg seinem dortigen Ausgangspunkte getreu

bleibend sich an Stellen hält, welehe in dem Buehe De interpr. ent

hallen sind. Soll nemlich obiger Grundsatz festgehalten werden, dass

das Ausgesagtwerden (praedicari) in der Naturbestimmtheit der Univer

salien liege, so ist es zunächst nur eine Umschreibung hiefür, wenn

gesagt wird, dass die Aussage (sermo) mit den Dingen in einer ur

sprünglichen Verwandtschaft stehe *"*), was jedoch natiirlich so zu ver

stehen ist, .dass die Wortbezeichmung (vocum impositio) als das Spätere

von den durch sie bezeichnetem objectiven Dingen (res significata) be

dingt und abhängig ist *°°), ja dass in diesem Sinne selbst die Bedeu

tung des Wortes (significatio) noch das Frühere ist, von welchem erst

das Wort als Wort abhängt 31"). Auf diese Weise sind danm al]erdings

die Gattungen und die Arten .Nichts anderes als das durch diese Worte

Bezeichnete *!!), aber dasjenige, was hiedurch bezeichnet wird, kann

hinwiederum . Nichts anderes sein, als die Erzeugnisse jenes Creations

Processes von der Gattung an bis zum Individuum herab, und indem

die Galtungen und Arten nur in den Individuen eine concrete Existenz

haben, sprechen wir z. B. in dem Satze „Sokrates ist eim Mensch* nur

von dem durch diese Worte Bezeiéhmeten, nicht aber ja von diesen

Worten als Worten *1?). Ehem aber, da die Gattungen umd Arten als

Abälard aus Theol. Christ. lIf, p. 1261.: Sed nec Socrates, cum sit a Platone nu

mero diversus, h. e. eae discretione propriae essentiae ab ipso alius, ullo modo ab

ips0 aliud dicitur, h. e. substantialiter differens, cum ambo sint eiusdem naturae

secundum eiusdem • speciei convenientiam, in eo scilicet quod uterque ipsorum homo

est. Ebend. p. 1279.: Idem vero similitudine dicuntur quaelibet , discreta essentia

liter, quae in aliquo invicem similia sunt, ut species idem sunt genere vel individua

idem in specie. Vgl. auch Anm. 337.

308) Introd. ad theol. II, p. 1074.: Constat quippe iuacta Boethium ac Plato

nem , cognatos de quibus loquuntur rebus oportere esse sermones. S. Boeth. ad Ar.

de interpr. p. 323. -

309) Dialect. p. 487.: vocem secundum impositionis suae originem re significata

posteriorem liquet esse. Ebend. p. 350.: Si nominis huius, quod est ,,homo“,

propriam impositionem tenuerit, secundum id scilicet, quod substantiae hominis ut *

eæistenti eæ animali et rationalitate et mortalitate datum est, ratam omnin0 c0nsecu

tionem viderit. Hiezu die oben, Amm. 255., angeführte Stelle.

310) Dialect. p. 345.: neque enim nomina neque verba sunt suis non eæisten

tibus significationibus. Ebend. p. 482.: propria significatio, illa scilicet, de qua

intellectum proprie v0a, queat generare.

311) Glossae in Porph. p. 567.: genera et species, id est ipsa significata harum

vocum, §owie in obiger (Anm. 278.) Stelle stets: seae voces et significata earum.

312) Dialect. p. 204.: Neque enim substantia specierum diversa est ab essentia

individuorum, sicut in libro (zu lesem primo, s. Anm. 272.) Partium ostendimus,

nec res ita sicut vocabula diversas esse contingit; sunt namque diversae vocabulorum

in se essentiae specialium et singularium, ut ,,homo“ et ,,Socrates“, sed non ita

rerum diversae sunt éssentiae; unde illam rem, quae est Socrates, illam rem, quae

homo est, esse dicimus, sed nön illud vocabulum, quod est ,,Socrates“, illud, quod

est ,,homo“; unde quod in re speciali contingit, et in ipsius individuis necesse est

contingere, cum videlicet nec ipsae species habeant nisi per individua subsistere nec

182 XIV, Abälard.

solche nicht das concret Existirende sind, so gilt. der alte Spruch „sin

gulare sentitur, universale intelligitur“, und indem die intellectuelle

Auffassung (intellectus) das Nicht-Sinnfällige ergreifi *'*), muss sie, weil

jenes nicht-sinnfällige Universale dasjenige ist, was zum Ausgesagtwerden

bestimmt ist, nothwendiger Weise den Entstehungsgrund der Aussage

enthalten und durch jede Aussage als Entstehungsgrund derselhen zum

Bewusstsein kommen, d. h. sermo generatur ab intellectu et generat in

tellectum 31*). So ist das Aussagen (sermo) das Terrain der Universa

lien und nur im Ausgesaglwerden (praedicari), nicht etwa als Dinge

(denn ein Ding als Ding ist ja nicht ein Ausgesagtes), sind sie ebem

Universalien.

Während aber nun so jene intellectuelle Auffassung (intellectus),

insoferne sie das Nicht-Sinnfällige ergreift und hiemit die Erzeugerin

der Urtheile wird, ihrerseits auch auf dem platonischen Idealismus (Anm.

263) zurückweist, ist für die Logik, welche auf die menschlichen

Kundgebungen der Rede sich bezieht und in Aristoteles ihren Meister

hat (Amm. 255 ff.), jene Kehrseite das Entscheidende, wornach durch

das Urtheil die intellectuelle Auffassung zum Bewusstsein kömmt. Es

trägt dabei der Gedanke ein Moment des Zeitlichen (vgl. Anm. 252)

an sich, denn jedes Urtheil bedarf, um ausgesprochen zu werden, eine

Zeit, und erst nach dem successiven Auftreten all seiner Theile ist es

wirklich significant, und - während das Transitorische der Theile des

Urtheiles nicht selbst schon eine Form hat, welehe etwa die ,,Bedeu

tung“ wäre, macht nur das Erfassen des Gedankens (intellectus con

ceptus) den Satz zu einem bedeulungsvollen oder bezeichnenden °'°),

so dass auch die Einheit des Urtheiles in der Einheit des Gedankens,

welchen es erweckt, besteht *1°). Eben- darum aber hat das Urtheil,

in ea, quae informant et ad invicem faciunt respicere, nisi per individua, venire

(vgl. Anm. 296.).

3f3) Introd. ad theol. II, p. 1061.: proprie de invisibilibus intellectus dicitur,

secundum quod quidem intellectuales et visibiles naturae distinguuntur.

314) Theol. Christ. I, p. 1162 f.: Licet etiam ipsum nostrae mentis conceptum

ipsius sermonis tam effectum quam causam ponere , in proferente quidem causam, in

audiente effectum, quia et sermo ipse loquentis ab eius intellectu proficiscens gene

ratur, et eundem rursus in auditore generat intellectum. Pro hac itaque maæima

sermonum et intellectuum cognatione non indecenter in eorum nominibus mutuas fieri

licet translationes, quod in rebus quoque et nominibus propter adiunctionem significa

tionis frequenter contingit.

315) Dialect. p. 191 f.: Nostra in eo sententia pendet , ut post omnium par

tium suarum prolationem oratio significare dicatur; tunc enim eae ea intellectum colli

gimus, cum prolatas in proæimo dictiones ad memoriam reducimus, nec ullius vocis

significatio perfecta est, nisi ea tota prolata ...... Cum igitur dicimus, prolatam

orationem significare, non id intelligi volumus, ut ei, quod non est, formam ali

quam, quam significationem dicunt, attribuamus, sed potius intellectum eae prolata

oratione conceptum animae audientis conferimus, ut cum dicimus ,,Socrates currit*',

significatus hic videtur sensus, quod intellectus eae prolatione ipsius conceptus in

anima alicuius eæistit..... Quod intellectus aliquis generetur, possumus orationem

quamlibet ita significativam dicere, quod unum de his, eæ quibus intellectus conci

piatur. Die. Quelle hievon ist Boeth. p. 296 f., s. Abschn.'XII, Anm. 110.

316) Ebend. p. 297.: Multiplicem illam dictionem dicimus, quae pluribus im

p0sita est, ea, quibus non fit unum, h. e. plura in sententia tenet non secundum

id, quod eae eis unus procedat intellectus ; sic autem e converso omnis illa una est

XIV. Abälard. 183

sowie , aueh das Wort als Bestandtheil desselbem, wesentlich zugleich

zwei Seiten, deren eine in den Dingen liegt, über („de“) welche es

handelt (significatio realis), die andere aber den Gedanken betrifft, wel

chen es enthält und erzeugt, über welchen es aber nicht handelt (sig

nificatio intellectualis), und so geht das objectiv factische Sein und

Nicht-sein dem Wahr- und Falseh-Sein des Urtheiles parallel 317). Nem.

lich das Wort „praedicari“ hat allerdings drei Bedeutumgen, indem es

eimmal ganz äusserlich von der blossen Aneinanderreihung eines Sub

jeetes und eines Prädicates, abgesehen von allem realem Inhalte, ge

braucht wird, sodann . aber in zweifachem Sinne das Verhältniss des

objectiv Factischen betrifft, insoferne das praedicari bezüglich jenes

Creationsprocesses (Anm. 294 ff. u. 312) entweder das Geformte (ma

teriatum) oder die Form (forma) mit dem Gatlungsstoffe (materia) in

eine Beziehung setzt; natürlich aber ist nur letzteres beides dasjenige,

worüber (,,de quo“) das Urtheil handelt, und in solcher Bedeutung ist

praedicari so viel als esse, so dass, insoferne wir nur in Worten Ur

theile aussprechen können, es der Modalität der Ausdrucksweise amheim

fällt, wenn ein Urtheil bejahend oder ein anderes verneinend u. dgl.

ist 81*). Auch triffi ja jene doppelte Beziehung, welche in den Urtheilen

dictio, quae plurium significativa est secundum id, quod eae eis unus intellectus pro

cedat. S. Boeth. p. 335. (d. h. Aristoteles, s. Abschn. IV, Anm. 185 ff.).

317) Ebend. p. 238.: Sunt igitur verum ac falsum nomina intellectuum, veluti

cum dicimus ,,intellectus verus et falsus“, h. e. habitus de eo, quod in re est vel

non est, quos quidem intellectus in animo audientis prolatu propositio generat ......

Sunt rursus verum ac falsum nomina propositionum, ut cum dicimus ,,propositio vera

vel falsa“, i. e. verum vel falsum intellectum generans. Significant propositiones idem,

quod in re est vel quod in re non est; sicut enim nominum et verborum dupleæ ad

rem et ad intellectum significatio, ita etiam propositiones, quae eae ipsis componunlur,

duplicem eae ipsis significationem contrahunt, unam quidem de intellectibus, aliam

vero de rebus ..... Patet insuper adeo , per propositiones de rebus ipsis, non de in

tellectibus nos agere. p. 240 f.: Restat itaque, ut de solis rebus, ut dictum est,

propositiones agant, sive idem de rebus, quod in re est, enuntient, ut ,,homo est

animal, homo non est lapis“, sive id, quod in re non est, proponant, ut ,,homo

non est animal, homo est lapis“, ut etiam de significatione reali propositionis, non

tantum de intellectuali, supraposita propositionis definitio (Boeth. p. 291.) possit

eæponi sic ,, significans verum vel falsum, i. e. dicens illud, quod est in re vel quod

non est in re*', et in hac quidem. significatione verum et falsum nomina sunt earum

eæistentiarum rerum, quas ipsae propositiones loquuntur. Cum autem eandem de

finitionem et de intellectibus ipsis hoc modo eæponimus ,,significans verum vel falsum,

h. e. generans secundum inventionem suam de rebus, de quibus agitur, verum vel

falsum intellectum“, tunc quidem ipsos nominat intellectus. Nota autem, sive de in

tellectibus sive de rerum existentiis eaeponamus, orationis praemissionem necessariam

esse. Die Quelle hievon b. Boeth. p. 321. Vgl. auch Anm. 347.

318) Ebend. p. 367.: Tribus autem modis ,,praedicari** sumitur, uno quidem

secundum enuntiationem vocabulorum ad se invicem in constructione, du0bus vero

secundum rerum ad se inhaerentiam , aut eum videlicet in essentia cohaeret sicut

materia materiato, aut cum alterum alteri secundum adiacentiam adhaeret ut forma

materiae. Ac secundum quidemÅomnis enuntiatio .... praedicatum et

subiectum habere dicitur ..... Sed non *de his in propositione agitur, sed de praedi

catione tantum rerum, illa scilicet solum, quae in essentia, quae verbo substantivo

eaeprimitur, consistat ..... Tantum itaque ,,praedicari** illud accipimus, quantum si

,,hoc illud esse“ diceremus, tantum per ,,removeri“, quantum per „non esse“ ..

Cum itaque per „praedicari“ „esse“ accipiamus, superflue vel ,,vere'' vel ,,affirma

tive** apponitur; quod enim est aliquid, vere est illud, affirmative autem enuntia

184 XIV. Abälard.

enthaltem sein kamn , mit der altem Unterscheidung zwischen „de sub

iecto“ und „in subiecto“ (s. Abschm. XII, Anm. 92) zusammen, und das

Gesetz der Aussage (leae praedicamenti) hat seinen Wirkungskreis in

eben jemen zwei realen Bedeutungen des Urtheiles °'°).

Hiemit ist uns nun obige (Amm. 272 ff.) Gliederung der Dialektik

Abälard's erst völlig verständlich. Im sermo, d. h. im Urtheile, liegt

Alles. Hiefür aber sind die Universalien die gebornem, im Creations

processe entstandenem Prädicate, welche das Denken platonisch erfasst

und im Urtheile aristotelisch als Universalien ausspricht, daher ja Abä

lard auch das Individuum als sechstes Wort den üblichen fünf noch

heizählte (Anm. 278 ff.), demn das Jndividuum als prima substantia

(Abschn. XII, Anm. 91) oder, wie es hier auch genannt wird, als

principalis substantia, wird eben mit jenem Worte (voae) bezeichnet,

welches der letzten Stufe des Creations-Processes entspricht **"); ferner

aber musste Abälard hiebei, da er dem artmachendem Unterschied nur

als wirksame Kraft, welcher nicht selbst in den Gattungsstoff eingehe,

betrachtete (Anm. 295), den Namen der Differenz nicht als Substantivum

nehmen, wie Wilhelm v. Champeaux gethan hatte (Anm. 108), sondern

konnte den Schwierigkeiten, welche hierüber auch von Amderen erhoben

wurdem (Anm. 122) dadurch ausweichen, dass er das die Differenz

bezeichnende Wort als ein von derselben abgeleitetes Adjectivum —

„sumptum“ — erklärte ***). Nach jenen gebornen Prädicaten aber

tionis est determinatio, quia tantum in vocibus consistit affirmatio, sicut et modi

vel determinationis appositio; modus enim vel determinatio (s. Abschn. .XlI, Anm.

119.) tantum vocum sunt designativa, quae solae moderantur vel determinantur in

enuntiatione positae. S. Anm. 327. u. 375.

319) Glossae in Categ. p. 579 f.: omnia aut dicuntur de principalibus sub

stantiis sibi subiectis .... servata lege praedicamenti .... aut sunt in eis subiectis.

Eine andere Ausdrucksweise hiefür ist (ebend. p. 585 f.) die Unterscheidung zwi

schen praedicari substantialiter und praedicari accidentaliter (Boeth. p. 134.), vgl.

Amm. 322. -

320) Ebend. p. 584.: species, in quibus continentur principales substantiae

• • • • • • genera et species Ordinata post principales substantias sola dicuntur secundae

substantiae (u. öfters ebenso). p. 591.: Vere primae substantiae significant aliquid

hoc individuale , quia illud, quod significatur a prima substantia, scilicet quae voae

est sicut et consimilia (so ist nach der Handschrift mit kleiner Aenderung zu lesen,

Cousin gibt Widersinniges), est individuum et unum numero, i. e. parificatum nu

nerali descriptione, i. e. significatur ab hac voce, quae est individuum et unum

1ma/mer0.

321) Dialect. p. 456.: De nominibus differentiarum sciendum est, ut non quidem

substantiva, sed sumpta a differentiis sumantur, posita tamen loco specierum; oportet

enim in eadem significatione vocabula differentiarum sumi in divisione generis, in qua

significatione ipsa in definitione speciei ponuntur, cum scilicet nomini generali adia

cent ..... (p. 457.) sicut in nostra fiawum *est sententia, nullo modo inter accidentia

differentias admittamus (s. oben Anm. 300 f.); quod autem Porphyrius per differen

tias genus in species dividi diacit, secundum eam dictum est sententiam, qua naturam

generalem in species , redigi atque distribui per •usceptionem differentiarum realiter

voluit, aut potius per differentias genus in species dividi voluit, cum earum Joca

bula adiuncta nomini generis speciem designant atque definitionem speciei componunt,

hoc modo ,,animal aliud rationale, aliud irrationale animal.** Ebend. p. 189.: In

sumptis enim non ea, quae ab ipsis nominantur, comparantur, sed tantum formae,

quae per ipsa circa subiecta determinantur; alioquin et substantias ipsas comparari

* contingeret, quae a sumptis nominibus nominantur, ut ab eo quod est album.

XIV. Abälard. . 185

folgen damn in den Kategorien die Dinge selbst, insoferne : sie durch

Worte bezeichnet werden — „naturae, quae vocibus designantur“ —,

und die Kategoriem enthalten demnach die Dinge ***), wohingegen zu

nächst hierauf die Worte als das Bezeichnemde betrachtet werden und

den Uebergang zum Urtheile (sermo) selbst, welches aus ihnen zusammen

gesetzt ist, bilden.

' Das Urtheil aber sodann enthält nicht die Dinge, sondern enthält

dem Gedanken (intellectus), hingegen handelt es über die Dinge, nicht

aber etwa indem es die Dinge bezeichne, sondern indem es den vom

Denken erfassten Zusammenhang der Dinge mit dem Creatiomsprocesse

enthält. Während demnach das Aussagen des Seienden (im Urtheile)

micht selbst ein Seiendes ist, handelt es sich bei dem Aussagen um

einen sachlichen Werhalt, d. h. um das objectiv saehliche Zusammen

hängem des durch das Suhject und des durch das Prädicat Bezeichne

ten ***). Diese Unterscheidung von „enthaltem“ und „handeln* bildet

den innersten Kern der Abälard'sehen Auffassung bezüglich des Urthei

les ***). Die Aussage' hat nemlich allerdings eine spraehliche Seite,

und indem wir Ein und das nemliehe Ding mit mehreren Bezeichnungen

im Urtheile henennem (z. B. den Sokrates bald Mensch, bald Körper,

bald Substanz nennen), liegt ebem hierim ein Unterschied zwischen

Sprachausdruck und Realität (vgl. Anm. 312); aber während die Aus

sage (praedicatio) für sich allein in einer Losreissumg von der sach

lichen Inhärenz (rerum inhaerentia) durchaus Nichts ist, hat gerade die

Logik die Aufgabe, das Urtheil in diesem Sinne nach der Seite des

Wortausdruckes zu untersuchen 328). Die Hauptsache ist ja eben das

322) Ebend. p. 209. u. 245., welch beide Stellen schon oben, Amm. 272.,

angeführt sind. Hiezu aber p. 220.: Subiectarum vero rerum diversitas secundum

decem praedicamentorum discretionem superius est ostensa, qua principalis ac quasi

substantialis nomini significatio detur; ceterae vero significationes, quae secundum

nodos significandi accipiuntur, quaedam posteriores atque accidentales dicuntur. Vgl.

Amm. 319.

323) Ebend. p. 241.: Dignum autem inquisitione censemus, utrum illae eaei

stentiae rerum, quas propositiones loquuntur, sint aliquae de rebus eæistentibus .....

p. 245.: Clarum itaque eae suprapositis arbitror esse, res aliquas non esse ea, quae

a propositionibus dicuntur .... Patet insuper, ea quae propositiones dicunt nullas res

esse , cum videlicet nulli rei praedicatio eorum aptari possit; de quibus enim dici

potest, quod ipsa sint ,,Socrates est lapis“ vel ,,Socrates non est lapis“ ..... Esse

autem rem aliquam vel non esse, nulla est omnino rerum essentia;. non itaque pro

positiones res aliquas designant simpliciter quemadmodum nomina. Imo qualiter sese

ad invicem habeant, utrum scilicet sibi conveniant annon, proponunt; quae idcirco

verae sunt, cum ita est in re sicut enttantiant, tunc autem falsae , . cum non est in

re ita ; et est profecto ita in re, sicut dicit vera propositio, sed non est res aliqua,

quod dicit; unde quasi quidam rerum modus habendi se per propositiones eaeprimi

tur, non res aliquae designantur. -

324) Nur aus dem Misskennen dieses Unterschiedes floss es, dass Cousin und

mit ihm Hauréau und Rémusat in Abälard's Lehre einen Intellectualismus oder

Conceptualismus erblickten.

325) Dialect. p. 247 f.: Si quis itaque secundum rerum inhaerentiam realem

acceperit praedicationem ac subiectionem, secundum id scilicet, quod unaquaeque res

in se recipit ac subsistit, sicut nihil esse eam videret praeter ipsam, ita eam nihil

esse per se ipsam invenerit. At vero magis praedicationem secundum verba propo

sitionis, quam segundum rei evistentiam, nostrum est attendere, qui logicae deser

186 . XIV. Abälard.

jenige, worüber das Urtheil „handelt*; diess aber ist weder das Wort

noch der Gedanke (intellectus), denn weder ist .durcli die Exislenz Eines

Wortes die eines anderen Wortes gefordert, noch auch sind die Ge

danken, welche die Urtheile ,,enthalten“, in einer zwingenden gegen

seitigen Werwandtschaft, da wir ja in jedem Uriheile nur Einem Ge

danken haben, und die Annahme, dass wir mehrere zugleich hätten,

zu der Consequenz führen würde, dass wir gleichzeitig unendlich viele

Gedanken hätten, indem sachlich in der That jeder Zustand unendlich

Wieles in zusammenhängender Folge enthält; hingegen nur in demjenigen,

worüber das Urtheil „handelt*, ist der reale Zusammenhang oder jenes

sachliche Sichverhalten (Anm. 323) zu findem , und festzuhalten *°°), da

her auch die Modalität der Ausdrucksweise, d. h. ob Bejahung oder

Werneinung oder dgl. (s. Anm. 318), weder in dem Worten noch in den

Gedanken liegt, sondern nur auf ihren objectiv dinglichen Grund zurück

zuführen ist 837).

Ist es aber auf diese Weise dem Abälard beim Urtheile nicht um

den Gedanken (intellectus), sondern um die faclische Inhärenz im Ding

lichen zu thum, so verstehen wir nun auch, warum er nach dem Motive

des stoisch-boethianischen Zusammensetz-Spieles das kategorische Urtheil

mur als Worstufe des hypothetischen Urtheiles behandelt, in welch letz

teres sich die Topik als Basis der Gellung desselben einschiebt. Das

hypothetische Urtheil als zusammengesetztes hat ja die Rolle, der adä

quate Ausdruck des Zusammenhanges zu sein, und dieser wird durch

Schlüsse, vorausgesetzt dass die Prämissen für den Hörer eine Geltung

der redenden Aussage haben, in dem Verfahren der Argumentation klar

gemacht. D. h. dasjenige, was der denkende Mensch in platonischer

Weise erfasst und durch das Urtheil in aristotelischer Weise ausspricht,

soll num in rhetorisch-ciceroniseher Weise zur Argumentation verwerthet

werden. Auch in der Argumentatiom nemlich, — wie polemisch gegen

Andere bemerkt wird, s. Anm. 225 —, handelt es sich nicht um die

Gedanken (intellectus), sondern um das Nemliche, worüber die Urtheile,

aus welchen sie besteht, handeln, nur mit dem Unterschiede, dass hier

vimus, secundum qu0d quidem de e0dem diversas facimus enuntiationes hoc modo

,,Socrates est Socrates vel h0m0 vel corpus vel substantia“; aliud enim in nomine

Socratis quam in nomine hominis vel ceteris intelligitur, sed non est alia res unius

nominis, quod Socrati inhaeret, quam alterius. Hiezu obige Stelle Anm. 255.

326) Ebend. p. 352 f.: Neque enim veram hanc consequentiam ,, si est homo,

est animal** de vocibus agentem possumus accipere sive dictionibus sive pr0p0sitioni

bus; falsum est enim, ut, si haec v0æ ,,h0m0“ eæistat, haec quoque sit quae est

,,animal**; ac similiter de enuntiationibus sive earum intellectibus. Neque enim

necesse est, ut qui intellectum praecedenti propositione generatum habet, habeat quo

que intellectum eae consequenti conceptum ; nulli enim diversi intellectus ita sunt af

fines, ut alterum cum altero necesse sit haberi, imo nullos intellectus simul diversos

animam retinere, eæ propria quisque discrelione convicerit, sed totam singulis in

tellectibus, dum eos habet, vacare invenerit; quod si quis essentiam intellectuum ad

se sequi sicut essentiam rerum, ea, quibus habentur intellectus, concesserit, profecto

quemlibet intelligentem infinitos intellectus habere concederet secundum id scilicet, quod

quaelibet pr0p0sitio innumerabilia consequentia habet ..... Ut igitur veritatem conse

cutionis teneamus, de rebus tantum eam agere concedamus et in rerum natura re

gulas antecedentis ac consequentis accipiamus.

327) Ebend. p. 404., welche Stelle schon oben, Anm. 208., angeführt ist.

*

XIV. ' Abälard. 187

die Subsumption (inferentia) es ist, durch welche der in dem sachli

chen Bestande vorliegende nothwendige Zusammenhang (necessitas) im

Schliessen ausgedrückt wird ***), und Ahälard glaubt es kaum oft genng

hervorheben zu können, dass die Abfolge zwischen „antecedens“ und

„consequens“ (s. Abschn. XII, Anm. 144) nicht im Gedanken, sondern

lediglich factisch in der geschaffenen Natur und der realem Grundlage

âller Urtheile selbsl schon vorliege °°°), daher er auch jener anderen

Einseitigkeit, welche wir oben (Anm. 215) trafen, schroff die Auffassung

gegenüberstellt, dass die Modalität der Urtheile auch bezüglich der Be

griffe des Möglichem und Nothwendigen (ebenso wie oben Anm. 327)

auf eine dingliche Modification des Seins zu begründen sei *°°).

So glauben wir nun durch das Bisherige über Wesen, Princip und

Durchführung der Dialektik Abälard's eine richtige Einsicht gewonnen

zu haben, für welche wir selbst, falls es nöthig wäre, ein von einem

Zeitgenossen herrührendes Epitaphium Abälard's **') als äusserlichen

Beleg beniìtzen könnten. Allerdings ist es kein aristotelischer Geist,

welcher uns in dieser Dialektik entgegenwelit, sondern weit eher ver

spüren wir den verpestenden Einfluss des Stoicismus (s. Abschn. VI,

Anm. 47—56), welcher sich in die Schriften des Boethius hineinge

zogen hatle; denn jene Verbindung eines rohen Empirismus mit dem

328) Ebend. p. 426 f.: Dicuntur in argumentis ea, quae a propositionibus

ipsis significantur, ipsi quidem intelleclus, ut quibusdam placet, quorum conceptio

sine etiam vocis prolatione ad Qoncessionem alterius ipsum c0git dubitantem, unde et

bene rationis nomen in praemissa definitione (d. h. in der ciceronischen, s. Abschm.

XII, Anm. 165.) dicunt apponi, ratio enim nomen est intellectus, qui in anima est.

Sed si divisionis verba attendamus, potius argumentum accipiendum erit in designatione

eorum, quae a propositionibus dicuntur, quam eorum intellectuum, qui ab ipsis ge

?meramtur ..... Neque enim in propositione quidquam de intellectu dicitur, sed cum

de rebus agitur, per ipsam inlellectus generatur, qui neque in sua essentia necessi

tatem tenet neque inferentiam ad alterum ..... Unde p0tius de his, quae proposiliones

ipsae dicunt, supraposita definitio accipienda est. -

329) Introd. ad theol. III, p. 1134.: Ea, quo apparet, quam verum sit, ....

in illa philosophorum regula, cuius possibile est antecedens et consequens, eos ad

creaturarum tantum nomen accommodare. Dialect. p. 239 f.: Eæ his itaque mani

festum est, in consequentiis per propositiones de earum intellectibus agendum non

esse, sed magis de essentia rerum ..... Et in hac quidem significatione eorum, quae

propositiones loquuntur, una tamen regula eæponitur, quae ait, posito antecedenti

poni quodlibet consequens eius ipsius, h. e. eæistente aliqua antecedenti rerum essen

tia necesse est eæistere quamlibet rerum eæistentiam consequentem ad ipsam. Ebend.

p. 351.: Si quis ilaque vocum impositionem recte pensaverit, enuntiationum quarum

libet veritatem facilius deliberaverit et rerum consecutionis necessitatem velocius ani

nadverterit. Ebenso p, 343 f. u. p. 382. - -

330) Dialect. p. 270.: Unde oportet, ut rectae sint modales, ut etiam de rebus

sicut simplices agant et hunc quidem de possibili et impossibili et necessario, quod

quidem tam in his, quae singulare subiectum habent, quam in his, quae universale,

licet inspicere. S. Anm. 379.

331) Aus Rawlinson angeführt bei Rémusat II, p. 104.: Hic docuit voces cum

rebus significare, Et docuit voces res significando notare, Errores generum correaeit,

ita specierum ; Hic genus et species in sola voce locavit, Et genus et species ser

mones esse notavit; Significativum quid sit (diess nemlich ist das Urtheil, s. Anm.

315.), quid significatum, Significans quid sit (diess ist das einzelne Wort), prudens :

diversificavit; Hic quid res essent, quid voces significarent, Lucidius reliquis pate

fecit in arte peritis; Sic animal nullumque animal genus esse probatur, Sic et homo,

et nullus homo species vocitatur.

188 XIV. ' Abälard.

formalen Motive des fortschreitendem Zusammensetzens und mit dem

rhetorischen Interesse der Argumentation tritt gerade da, wo Abälard

überall die logischen Momente an die factische Sachlage der Dinge

veräussert, am die Stelle einer dem definitorischen Wissen wahrhaft

dienenden Syllogistik, und im innersten Kerne ist Abâlard bezüglich

der Logik weit mehr ein rhetorischer Theoretiker der Argumentation,

als etwa ein Platoniker oder Aristoteliker. Jedoch er ist vielfach eni

schuldbar, da er ja von den Hauptwerkem des Aristoteles nur etliche

zerstreute Einzelnheiten vom hlossen Hörensagen kannte (Anm. 8—18),

und insbesondere darum, weil die unvernünflige Anordnung der Theile

des 0rganons sowie die porphyrianischen Anschauungen des Boethius

eine schiefe oder zwiespaltige Auffassung hervorrufen mussten. Es

rächt ' sich bei Abälard und vielleicht bei all seinen Zeitgenossen, dass

einerseits die Isagoge und die Kategorien dem Platonismus näher stehen

und andrerseits zugleich das hernaeh Folgende den Aristotelismus ent- '

hält; und ausserdem mochte Abälard durch seine persönliche Begabung

selbst über ein tieferes Erfassen dieser Gegensätze hinausgehoben und

zu einem Rhetorismus hingetrieben sein. Es scheint, dass Abälard, wenn

er in jenem späteren Jahrhunderten gelebt hätte, wohl sicher ein An

hänger des Petrus Ramus gewesen wäre.

Es ist uns nun aber noch übrig, Abälard's Entwicklung der Dia

lektik auch durch die einzelnen Theile derselben zu verfolgen, wobei

uns derselbe in gleiche Limiie mit den obigen, ihren Namem nach unbe

kannten Urhebern der dort erwähnten einzelnen Controversen tritt.

Nach Abälard's eigener Eintheilung (Ann. 272 ff.) folgt num, nach

dem die Ergänzung des Inhaltes der Antepraedicamenta uns zu den all

gemeineren und principiellerem Erörterungen geführt hatte, der zweite

Abschnitt des ersten Haupttheiles, nemlich die Pr a e d i c a m e n t a,

wobei selbstverständlicher Weise Boethius zu Grunde gelegt ist und

Schritt für Schritt begleitet wird. Die Begriffe des univocum u. dgl.

fallem nach 0bigem (Anm. 312 u. 325) matürlich mur der sprachlichem

Seite anheim ***). Die Kategorie der substantia, welehe anderwärts

im Anschlusse am Ps.-Boeth. de trin. auch als subsistentia gefasst wird ***),

erhält ihre Besprechung durchgängig im vollständigsten Anschlusse an

Boethius *°*). Ausführlicher wird die Quantität erörtert, obwohl hiebei

Abälard auf die Erörterungen Anderer sich stützen musste, da er nach

seinem eigenem Geständnisse in der Arithmetik unwissend war *°°); er

stimmt denjenigen bei, welche (vgl. Anm. 109 u. 127) der Ansicht

waren, dass die Linie aus Punkten bestehe °°°), und hält bezüglich des

332) So gelegentlich Dialect. p. 480.: Hoc itaque nomen, quod est aequivocum

sive univocum eæ vocabulis tantum in rebus contingit. -

333) Introd. ad theol. II, p. 1071.: Unde et substantiae quasi subsistentiae

esse dictae sunt, et ceteris rebus, quae ei assistunt et non per se subsistunt, natu

raliter priores sunt. -

- 334) Dialect. p. 173—178. (Der Text der Handschrift beginnt überhaupt erst

in Mitte der Kategorie substantia, d. h. bei Boeth. p. 133.)

335) Ehend. p. 182.: Etsi multas ab arithmeticis solutiones audierim, nullam

tamen a me praeferendam iudico, quia eius artis ignarum omnino me cognosco.

336) Ebend.: Talem autem, memini, rationem magistri nostri sententia praeten

XIV. Abälard. 189

Zahlbegriffes an der durch den Creations-Process bedingten natürlichen

Einheit fest (Anm. 304), wornach im- Gegensatze gegen obige Meinungen

Anderer (Anm. 199 f.) hier die Particularität der Einzelnheit die reali

stisehe Grundlage bildet, so dass einerseits ,,Zahl überhaupt“ schon die

Pluralität enthält und gleiehbedeutend mit „Einheiten“ ist, und andrer

seits die bestimmtem verschiedenem Zahlen als Substantive die Bezeich

nungen für verschiedene collective höhere Einheilem sind, vergleichbar

dem collectiven Verfahren, durch welches wir die Dinge nach verschie

demen Gesichtspunkten in Arten oder Unterarten oder sonstige Gruppen

hringen **"). Insoweit dort auch die menschliehe Rede als ein Quan

titatives zu erörterm ist, bestreitet Abälard obige Einseitigkeit, w0rnach

die Luft für das Significante gehalten wurde (Anm. 203), und indem

er dem Schalle diese Function zuweist, sucht er diese Ansicht durch

Auctoritäten zu stützem *°°). Unmittelbar nach der Quantilât aber reiht

er die Kategorien ubi und quando ein, da dieselben von Natur aus in

ihrem Ursprunge, mit den in der Quantität erörterten Begriffen des 0rtes

und der Zeit verbunden seien 33°), und während er so diese beidem

Kategorien, auch z. B. mit Einschluss des Begriffes „Gestern* **"),

realistisch fasst, gelangt er wegen des „im 0rte Seins“ und des „in

der Zeit Seins* auf die versehiedenen Bedeutungen des „inesse“ **'),

debat, ut eæ punctis lineam constare convinceretur ..... (p. 183.) Alioquin supra

posita magistri sententia, cui et nostra consentit, etc.

337) p. 186.: numerus semper in natura discretionem habet, qui solam unitatis

particularitatem requirit .... Nomen numeri plurale simpliciter videtur atque idem

cum eo, quod est unitates .... p. 189.: Unde ópportunius nobis videtur, ut, sicut

supra tetigimus, numeri momen substanlivum tantum sit ac particulare unitalis atque

idem in significatione quod unitates, binarius vero vel ternarius ceteraque numerorum

nomina inferiora sunt ipsius pluralis, sicut homines vel equi ad animalia aut albi

homines et nigri vel tres vel, quinque homines ad homines. Et fortasse quoniam

omnia substantive numerorum nomina in unitatibus ipsis pluraliter accipiuntur, omnia

eiusdem singularis pluralia poterunt dici secundum hoc scilicet, quod diversas uni

tatum collectiones demonstrant (vgl. Anm. 307.). Numerus quidem simpleæ metiatur

plurale, alia vero secundum certas collectiones determinata. Hierauf folgt dann die

oben, Anm. 199., angeführte Stelle. Vgl. auch p. 421.: Haec enim unitas hominis

Parisiis habitantis et illa hominis Romae manentis hunc faciunt binarium, unde sola

unitatum pluralitas numerum perficit; ebenso p. 486.

338) p. 190.: Nos autem ipsum proprie sonum audiri ac significare concedimus

.. p. 192.: unde et Priscianus (Inst. gr. I, 1) ait, vocem ipsam tangere aurem,

dum auditur, ac rursus ipse Boethius (de Musica, p. 1071.) totam vocem .... ad

aures diversorum simul venire perhibet, worauf noch in folgender auffallender Form

auf Augustin und Boethius verwiesen wird (p. 193.): ipsum eliam Augustinum in'

Categoriis suis asserunt diacisse, und etiam Boethius dicitur in libro musicae artis

adhibuisse.

339) p. 195.: Hactenus de quantitate disputationem habuimus. Nunc ad tracta

lum praedicamentorum reliquorum operam transferamus, eaque post quantitatem eaese

quamur, quae ei naturaliter adiuncta videntur ac quodammodo eae ea originemi ducere

ac nasci; haec autem ,,quando“ et ,,ubi** nominibus Aristoteles designat, quorum

quidem alterum eae tempore alterum eae loco duaeit exordium.

340) p. 196., s. oben Anm. 196.

341) p. 197.: Quum autem et „quando“ in tempore esse et „ubi“ in loco esse

delerminamus, non incommode hoc loco demonstrabimus, quot modis esse in aliquo

accipimus; Boethius autem in editione prima super Categorias movem computat (folgi

num die Aufzählung derselben aus Boeth. p. 121., s. Abschn. XII, Anm. 92.;. Cousin

nimml Anstoss, weil er diese Stelle des Boethius nicht fand!).

190 XIV. . Abälard.

sucht aber im Gegensatze gegen , obige Bedenken Anderer (Amm. 194),

welche die Analogie des Fragewortes „qualiter* beizogen.jene das

inesse betreffenden Ausdrucksweisen dem grammatischen:Sprachgebrauche

zuzuweisen ***), hingegem jene zwei Kategorien als solche dadurch zu

rechtfertigen, dass in ihnen eine Vergleichung möglich sei, sie daher

nicht auf die Quantität, welche eine Vergleichung ausschliesst, zurück

geführt werden dürfen ***), woran sich übrigens noch die Klage an

knüpft, dass Aristoteles die letzten sechs Kategorien überhaupt so karg

behandelt habe ***). In der Controverse über die Relation (ob. Anm.

192) entscheidet sich Abälard schliesslich für die Auctorität der aristo

telischen Definition °*°), sowie in der Frage über die Stellung der Be

griffe des Aehnlichem und Gleichen (Anm. 193) dafür, dass dieselben

zur Qualität gehören 34°).

Die Po s t p r a e d i c a me nt a sodamm als dritter Abschnitt des Li

ber partium enthalten, wie wir sahen (Amm. 272), die Erörterung über

Nomen und Verbum, insoferne dieselben die Bezeichnungsweisen der

Dimge sind und als Theile betrachtet werdem, aus welchen das Urtheil

als Ganzes zusammengesetzt ist. Die von uns im Obigen entwickelte

Ansicht Abälard's über den Begriff der Bezeichnung (significari oder

342) p. 200.: Si quis autem ,,qualiter“ dicat nihil aliud quam qualitatem

demonstrare, et ,,ubi** dicemus nihil aliud quam locum designare vel ,, quando**

nihil aliud quam tempus ; unde et earum definitiones recte vel ,,in loco esse** vel

,,in tempore esse** dicimus, quae, si grammaticae proprietatem insistamus, nihil

aliud a loco vel tempore diversum ostendunt ..... Videntur itaque magis pro nominibus

accipienda esse ,,esse in loco** vel ,,esse in tempore**, quam pro definitionibus.

343) Ebend.: Haec autem generalissima ipsa, ut arbitror, comparationis neces

sitas meditari compulit; cum enim quantitates non comparari constaret (Boeth. p.

154), non poteramus comparationem ,,diu* vel ,,diuturni“ vel ,,eaetra“ ad tempus

vel locum reducere, indeque mnacime inveniri praedicamenta arbitror, ad quae illa

reducantur.

344) Ebend.: Ac de his quidem praedicamentis difficile est pertractare, quorum

doctrinam eæ auctoritate non habemus, sed numerum tantum; ipse enim Aristoteles

in tota praedicamentorum serie sui studii operam nonnisi quatuor praedicamentis

adhibuit, substantiae scilicet, quantitati, ad aliquid, qualitati; de facere autem vel

pati nihil aliud docuit, nisi quod contrarietatem et comparationem susciperent .....

de reliquis autem quatuor, quando scilicet, ubi, situ, habere, eo quod manifesta

sunt, nihil praeter eæempla posuit ..... De ubi quidem ac quando ipso quoque atte

stante Boethio (p. 190.) in Physicis de omnibusque altius subtiliusque in his libris,

quos Metaphysica vocat, eæsequitur, quae quidem opera ipsius nullus adhuc trans

lator latinae linguae aptavit, ideoque minus natura horum nobis est cognita. Vgl.

obige Anm. 18., woselbst wir schon auf die durch Gilbertus Porretanus später

beigebrachte Ergänzung hinweisen musstem, s. untem Anm. 488 ff.

345) p. 204.: Aristoteles de imperfectione restrictionis sicut Plato de accepta

tione nimiae largitatis culpabilis videtur; • uterque enim modum eaecesserit, atque hic

quasi prodigus, illa tanquam avarus redarguendus. Sed et si Aristotelem peripateti

corum principem culpare praesumiamus, quem amplius in hac arte recipiemus? Dica

fmus itaque, omni ac soli relationi eius diffinitionem convenire etc.

346) p. 208.: At vero cum similitudo relationibus aggregetur (Boeth. p. 157.),

. non videtur secundum solas qualitates simile dici .... His autem, qui simile ac

dissimile inter qualitates computant (Boeth. p. 187.), monstrari potest, res quaslibet

in eo, quod dissimiles sunt, esse similes .... At fortasse non impedit, si in eo,

quod dissimilitudinem participant, similes inveniantur (d. h. er hält sich an die

letztere Stelle des Boethius). -

XIV. • Abälard. 194

significatio) führt ihm hier dazu, seine Uebereinstimmung mit jenem

Garmundus (Amm. 82) auszusprechen, welcher als gemässigter Nomi

nalist in dem begrifflichen Gehalte des Wortes, nicht im Worte als

solehem, das Wesen der Bezeichnung erblickte; eine Auffassung, welche

Abälard dureh Stellen des Boethius bestätigt findet ***). In dem Streite,

ob die Präpositionem und Conjunctionen als Redetheile zu betrachten

seien (Amm. 206), sueht er eine Wermittlung zwischem dem einseitigem

Standpunkten der Grammatiker und der Dialektiker herzustellen, indem

er jenem Redetheilen wohl die Fähigkeit des Bezeichnens zuschreibt,

aber dieselbe in der nemlichen Weise wie den Modus der Aussage

(Anm. 327 u. 330) auf eine dingliche Modification zurückführt ***), wo

durch, wie man sieht, auch nach Abälard's Ansicht die sog. Syncate

goreumata (s. Anm. 174 u. 206) folgerichtig in der Logik irgendwo

ihre Stelle finden müsstem. In allem Uebrigen aber schliesst er sich

enge am Boethius am und sucht Bedenken, welche vom Anderen erhoben

wurden, zu widerlegen ***), wozu ihm sowohl bezüglich der Urtheile,

welche nicht die factische Existenz ihres Subjectes enthalten (Anm. 211),

Gelegenheit geboten war *°°), als auch insbesondere bei dem sog. un

bestimmten Urtheile (Amm. 214), betreffs dessen er theils den techni

schen Sprachgebrauch zu begründem versuchte *°*), theils die Leistung

des Boethius rechtfertigte 8°°).

347) p. 210., woselbst unmittelbar auf obige Worte (Amm. 82.) folgt: Unde

manifestum est, eos velle vocabula non omnia illa significare, quae nominant (dass

z. B. ahimal nicht sofort schon homo „bezeichne“), sed eâ tantum, quae definite

designant, ut animal scilicet animal sensibile aut album albedinem, quae semper in

ipsis denotantur. Quorum sententiam ipse commendare Boethius (p. 639.) videtur,

cum ait in divisione vocis ,,vocis autem in proprias significationes divisio fit etc.“

- - - - - - (p. 211.) Si tamen ,, significare“ proprie ac secundum rectam et propriam eius

diffinitionem signamus, non alias res significare dicemus, nisi quae per vocem con

cipiuntur. Vgl. Anm. 317.

348) p. 217.: Illa ergo mihi sententia praelucere videtur, ut grammaticis con

sentientes , qui etiam logicae deserviunt, has quoque per se significativas esse confi

teamur, sed in eo significationem earum esse dicamus, quod quasdam proprietates

circa res eorum vocabulorum, quibus apponuntur praepositiones, quodammodo deter

miment ..... Coniunctiones quoque, dum quidem rerum demonslrant coniunctionem,

quandam circa eas determinant proprietatem.

349) Z. B. p. 219., wo gegenüber dem obem, Anm. 210., erwähnten Ein

wande bemerkt wird: Verum ipse verbo deceptus erat ac prave id ceperat, verbum

dicere rem suam inhaerere.

350) p. 224.: Sed ad hoc, memini, ut magistri nostri sententiam defenderem,

respondere solebam, Homeri et poetae nomen, si per se intelligantur, Homerum de

signare, unde bene denegetur simpliciter Homerum esse, qui iam defunctus est; at

vero .... tota magis orationis sententia intelligenda. Dasselbe wiederholt er in der

Lehre vom Urtheile p. 251.

351) p. 220.: Est autem causa vocabuli ,,infinitum“ non tam ad significationem

reducenda, cum scilicet nec solis nec omnibus infinitis videatur convenire, quam ad

quandam imponentis institutionem .... p. 221.: Patet, infiniti diffinitionem non esse,

quod infinita continet, sed causam potius esse novae transpositionis et impositionis

nominis. S. Boeth. p. 311 f.

352) p. 225 f.: Si sensum eæsequamur, infinitationis quoque proprietas in

oratione quoque invenietur, et quaecunque sub finita non continentur, sub infinita

eadem possunt ; ut, cum verum sit, Socratem non esse album asinum, veram quo

que et eam concedimus ,,Socrates est non albus asinus“, ita quidem, ut nom solum

192 XIY. Abälard.

Insoferne aber auf dem Inhalte des Liber partium, d. h. auf der

Auffassung der Universalien, der Kategoriem und der Bezeichnungskraft

des Wortes, auch bei Ahälard ebenso wie bei Boethius die Lehre von

der Eintheilung und der Definition beruht, so* reihen wir hier jene an

dere Schrift des Abälard, welche mit der „Dialectica* nicht in Einem

Faden zusammenhängt (s. Anm. 277), ein. Im Li b e r D iv i s i o n u m

memlich, woselbst Abälard mach des Boethius Standpunkt Eintheilung

und Definition als Eine gemeinschaftliche Disciplin mimmt und der erste

ren nur die Stellung einer vorbereitenden Manipulation für die letztere

anweist, dabei aber auch sein eigenes Werdienst in Bearbeitung dieses

Zweiges zu erwähnen nicht vergisst °°°), schliesst er sich zunächst,

auch schon in der Aufzählung der sechs Methoden der Eintheilung

(Abschn. XII, Anm. 96), ganz an Boethius an *°*), aber bei der Ein

theilung der Gattumg in die Arten bekämpft er die Ansicht der Realisten,

welche an dem Werfahren der platonischen Dichotomie : festhalten zu

müssem glaubten (Anm. 1 18); denn dasselbe könne keine Anwendung

auf die Kategorie der Relation finden, da, wènn es zwei Artem des

Relativen gäbe, diese weder auf eine oberste Gattumg des Relativem

bezogen werden könnten, — indem sie als relative dann gleichzeitig '

mit der Gattung als ihrem Correlatum sein müssten, was aber bei Gal

tung und Art nicht der Fall ist —, noch aber auch auf Unterartem,

indem jede derselben entweder auf ihre eigenen Unterarten zu beziehen

wäre — was zum memlichen Widerspruche führen würde —, oder

auf die Unterartem der ihr coordinirten zweiten Species, wodurch, da

diess wechselseitig geschehen müsste, die Unterordnung zwischen Ober

und •Unter-Artem in Werwirrumg komme *°°). Bei der Eintheilung des

album infinitetur et asinus remaneat, ac si ita dicatur ,,est asinus non albus“, sed

ut tota simul orati0 ,, albus asinus** negalione eæcludatur (es erinnert diess an obigen

— Anm. 113. — räthselhaftem Syllogismus vom ,,grandis asinws**); alioquin magis

una dictionum tanlum infinitarelur. -

353) p. 450.: Dividendi seu diffiniendi periliam .... multorum auctoritas trac

tat; quorum non quidem aemulatores non ingrali eorumque vestigia studiose amplec

tentes ad tuam , frater, imo ad communem omnium T utilitatem in eisdem desudare

compellimur. Non enim tanta fuit antiquorum scriptorum perfectio, ut non et nostro

doctrinâ indigeat studio, nec tantum in nobis mortalibus scientia potest crescere, ut

non ultro possit augmentum recipere. Quoniam ver0 divisiones diffinitionibus natura

liter priores sunt, quippe eæ ipsis constitutionis suae originem ducunt, in ipso qu0

que tractatu divisiones merito priorem locum obtinebunt, diffinitiones vero posteriorem.

354) p. 452 ff.

355) p. 458.: Si autem genus sempex vel in proæimas species vel in proæimas

differentias divideretur, omnis divisio generis, sicut Boethio (p. 643, s. Abschn. XlI,

Amm. 98.) placuit, bimembris esset ..... Hoc autem ad eam philosophicam senten

tiam respicit, quae res ipsas, non tantum voces , genera et species esse confitetur.

Sed ad haec, memini , . obiectionem de relatione habebam ; si enim in omnibus id

contigit generibus, ut duabus proæimis speciebus contineantur, utique et ,,ad aliquid**

duabus proacimis speciebus comprehenditur, quibus sufficienter dividitur; licet enim

earum nomina non habeamus, in natura tamen rerum non minus consistunt. Sed ad

supremum genus n0n p0ssunt referri; quippe id, quod omnibus relativis prius et

genus omnium est, simul cum ipsis non est, unde nec relativum est ad eas, omnia

enim ad aliquid simul esse natura, Aristoteles in praedicamentis docuit; ea, eo quo

que ad ipsum referri n0n p0ssunt duae illae species ...... Sed nec ad subiectas

species referri p0ssunt; si enim aliqua illarum specierum ad inferiores specierum ad

XlV. Abälard. 193

Ganzem in seine Bestandtheile trat Abälard in der Frage, was die ur

sprünglichen Theile (partes principales) seiem, dem beiden obem (Amm.

125) erwähnten einseitigen Annahmen Anderer dadurch gegenüber,

dass er jene Bestandtheile als die wesentlichen bezeichnete, deren Zu

sammenfügung ummittelbar das Ganze constituirt, also z. B. Grundmauer

Wände und Dach bei dem Hause, d. h. er legte dabei die Werwirkli

chung des Wesens des Ganzen zu Grunde *°°), sowie er auch bezüglich

der Theile der Zeit (s. Anm. 202) sich dafür entschied, dass das

aus successivem Theilen bestehende Ganze nicht sachlich objectiv ein

Ganzes sei, sondern nur gleichsam als Ganzes oder Eines (quasi unum,

quasi totum) durch die Betrachtung aufgefasst werde *°"). Er unter

scheidet aber auch im Anschlusse an Boethius (Abschn. XII, Anm. 97)

die Eintheilung der Gattung von der Eintheilung des Ganzen derartig,

dass, da die Theile der Stoff des Ganzen sind und die Gattung der

Stoff der Arlen ist, die erstere Eintheilung eine Zerlegung in das Spä

tere, die letztere aber eine Theilung in das Frühere sei °°°). Bei der

Eintheilung des Wortes in seine Bedeutung (Abschn. XII, Anm. 101)

reduciri er die auf die Modalität des Wortes bezügliche in gleicher Weise

wie oben, Anm. 348, auf dingliche Modificationem °°°); seine Ansicht

aliquid referatur, itaque vel ad sibi supp0sitam vel ad suppositam alteri; sed ad

suppositam sibi non potest, cum prior in natura sit ut genus ; quodsi haec ad spe

ciem illi suppositam et illa ad speciem isti supp0sitam referatur, necesse est, alteram

altera priorem et posteriorem esse in natura ...... (p. 460.) Non poterat (so oder

ähnlich ist zu lesen statt des sinnlosen Nota) itaque huius praedicamenti generalis

simum duabus contineri speciebus ; aut n0s itaque in his ultra quam oporteat sub

tiles sumus, aut, si auctoritatem salvam conservemus, n0n ad omnium praedicamen

torum genera respeaeit. `

356) p. 468.: de principalitate partium .... quid nostro praeluceat arbitrio, sup

ponamus. Principales itaque partes nobis appellari videntur, quarum ad se con

iunctionem totius perfectio statim subsequitur, ut tecto et fundamento et pariete con

iunctis domus statim perficitur, sed non ita eorum partibus compositis; etsi enim

(so ist zu lesen für non) in tect0 omnes partes eius iam sint dispositae ac similiter

in pariete et fundamento, deest tamen ad perfectionem domus compositorum, et pa

rietis et tecti et fundamenti, ad se invicem coniunctio, quorum quidem conventus

domus perfectionem statim reddit.

357) p. 469.: Horum enim totorum eæistentiam, quae partes permanentes non

habent, ut ' in orationibus et temporibus contingit, n0n p0ssumus secundum omnes

partes simul accipere, quippe cum ipsae simul nunquam sint, sed sibi succedant,

unde tantum secundum partium ipsarum eæistentiam totorum dimetimur essentiam ....

(p. 470.) Sed si rei veritatem confiteamur , nunquam proprie ista partibus constare

contigerit..... 0portet ista tota non esse confiteri, sed tamen quasi de totis philo

sophos de eis egisse secundum hoc scilicet, qu0d ea, quae praeterita erant vel futura

erunt (dieses Wort fehlt in d. Handschr.), cum e0, quod praesentialiter est, consi

deratione quasi unum colligebant .... Quae ilaque in re tota non sunt, secundum

tamen eorum considerationem quasi tota accipiuntur.

358) p. 485.: Genus omne naturaliter prius est suis speciebus, totum vero

posterius partibus, sive illae natura tantum sive tempore compositionem totius prae

cedant; quod enim in materia rei collocatur natura, necesse est praecedere id, quod

ea, eo efficitur; partes autem totius materia sunt, genus vero specierum ; unde fit,

ut genus in posteriora distribuatur, totum vero in priora dividatur. Theol. christ.

IV, p. 1293.: Pars autem teste Boethio (p. 640.) prior est ab eo, cuius pars est,

et eo eius constitutiva divisio in priora fit, sicut generis in posteriora. Ebenso

ebend. p. 1262.

359) Dialect. p. 481 f.: At quoniam vocis in significationes omnem divisionem

P R A N T l, Gesch. II. - 13

194 XIV. Abälard.

über die Frage, ob ein Wort auch seine Buchstaben bezeichnen könne,

wurde schom oben, Anm. 204, angeführt. In der hierauf folgenden

Lehre von der Definition °°°) gibt er eine commentirende Umschreibung

des Boethius *°*), wobei er Gelegenheit hat, jene Meinung, dass die

Definition mur auf die Qualitäten -sich beziehe (Amm. 123), dadurch zu

modificiren, dass allerdings die Namenbezeichnung schon für sich mehr

das substantielle Wesen enthalte (Amm. 317 u. 347), hingegen die An

gabe der Eigenschaften durch den artmachenden Unterschied auch ihrer

seils auf dem formbildemdem Process der Substanz (Amm. 294 ff.) ein

gehe, und so Beides ineinander übergreife *"*). Auch jene andere

Schwierigkeit, welche die Definition der Qualitäten selbst betraf (Anm.

124), löst er in analoger Weise; denn indem die Eigenschaft als ein

bloss Beiwohnendes (Amm. 301) betrachtet wird, kann die Definition

sowohl auf dieses Beiwohnende selbst, als auch auf die durch dasselbe

modificirtem Dinge gelien, und ebensosehr auch als Definition des Namens

der Eigenschaft gelten, insoferne ja bei den Namen dasjenige, was

durch sie bezeichnet wird, Gegenstand der Definition ist, und die Defi

nition als ein Ausgesagtes stets in Worten sich bewegen muss *°°). In

letzterem Sinne wird die Definition als ein Urtheil erklärlicher Weise

namentlich in der Topik aufgefasst , woran sich dort die Bemerkung

monstravimus , illam quoque vocis divisionem, quae in modos fit, pertractemus ......

Unde nec vocis divisio proprie videtur, cum in ea de voce non agatur, imo de rebus

tantum.

360) Ebend. p. 490.: Hactenus quidem de divisionibus tractatum habuimus ...

Nunc vero consequens est, ut ad diffinitiones nos convertamus, quae, sicut dictum

est, ea: divisionibus mascuntur.

-

361) So z. B. wiederholt er (p. 491.) auch desselben Auffassung, dass nur

die mittleren Wesenheiten definirt werden können, s. Abschn. XII, Anm. 99.

362) p. 492.: Diffinitiones maxime propter ostensionem proprietatum inducuntur,

interpretationes vero ita nomen aperiunt, ut sola substantiae demonstratio sufficere

queat. Tunc enim interpretatio proprie requiritur, cum de nominativo quoque sub

stantiae (die Handschr. hat nominativa qu. substantia, Consin gibt nominata qu.

substantia) dubitatur nec cui etiam substantiae impositum sit, tenetur; tunc autem

diffinitio superadditur, cum formae proprietas ignoratur. Cum autem vel interpre

tatio de qualitate quoque vel diffinitio de substantia etiam proponat, principaliter

tamen illa propter substantiam monstrandam, haec vero propter qualitates ad aliarum

rerum differentiam et plenam rei demonstrationem componitur.

363) p. 495 f. (nach der in Anm. 124. angeführten Stelle): Sed ad haec,

memini, tales erant solutiones, quae ab omnibus suprapositis óbiectionibus liberare

viderentur. Dicatur itaque illa diffinitio albedinis esse non secundum essenliam suam,

sed secundum adiacentiam acceptae; unde et eam praedicari convenit et de ipsa albe

dine secundum adiacentiam hoc modo ,,omne album est formatum albedine“ et de

omnibus, de quibus ipsa in adiacentiam praedicatur ..... Potest etiam dici diffinitio

eadem esse huius nominis quod est ,,album**, non quidem secundum essentiam suam,

sed secundum significationem, nec in essentia sua de ipso praedicabitur, ut videlicet

dicamus, hanc vocem ,,album“ esse formatam albedine, sed secundum significationem,

i. e. scilicet cum significando, ac si diceremus ,,res quae alba nominatur, est for

nata albedine**. Est autem vocem diffinire eius significationem secundum diffinitionem

aperire, rem vero diffinire ipsam demonstrare. Itaque sive diffinitio vocis esse sive

cuiuscunque significationis esse eius diceretur, solvi poterat; scilicet profecto nihil est

diffinitum, nisi declaratum secundum significationem vocabulum dicimus, nec rem

ullam de pluribus dici, sed nomen tantum concedimus (über Letzteres s. oben

Anm. 287.).

-

XIV. Abälard. 195

knüpft, dass das Definirte und die Definition wohl bezüglich des Wesens

identisch sind, nicht aber im Sprachausdrucke, indem, während beide

das Nemliche bezeichnen, doch die Definition mehr auf dem Creations

Prozess der Substanz gehe, hingegen das Definirte noch manches Am

derweitige enthalte, was in der Definition nicht ausgedrückt ist, so

dass demnach auch hier,- wie oben Anm. 323—330, der dingliche

Befund, über welchen das definitorische Urtheil „handelt“, die Haupt

sache ist und durch denselben die Regel sigh hedingt, dass die Defini

tion weder zu eng noch zu weit sein soll 3°4).

Was aber sodamm den zweiten Haupttheil der Dialektik, nemlich

die Lehre von der oratio (s. Anm. 273 f.). betrifft, so äussert sieh Abä

lard im L i b e r C a t e g o r i c o r u m mit einem sehr hohen Selbstbewusst

sein gegenüber seinen Neidern über seine eigene Leistung im Vergleiche

sowohl mit der Tradition als auch mit der Thätigkeit seiner Zeitge

nossen, welch letztere er als „moderni“ (vgl. Anm. 55 u. 219) bezeich

net °°°); ja er meinte, das Buch De interpret. (vgl. oben Anm. 202)

sei überhaupt mur durch die Auctorität gehalten, und es sei leicht,

über diesen Theil der Logik eine Schrift zu verfassen, welche dem

364) p. 370.: Diffinitio, cum orationis sit species, naturam orationis n0n p0

test eæcedere, sed, sicut omnis oratio eæ partibus suis suam contrahit significationem

(s. Anm. 315.), ita diffinitio eae suis; alioquin dictio videretur, si videlicet ad sig

nificalionem totius, non partium, respiceremus ...... (p. 371.) Animal rationale

mortale idem prorsus est, quod homo, nec tamen eæ his sequitur, ut si quid sit

animal rationale mortale, sit homo, si propriam vocum demonstrationem attendamus;

si vero magis rei essenliam, quam vocum proprietatem, insistamus magisque iden

titatem essentiae, quam vim verborum attendamus, profecto consequentia , ut vide

licet vel totum in ,,animal rationale mortale“, quod in ,,homo“, intelligamus, vel

in ,,h0m0** tantum, quantum in „animal rationale mortale“ .... Unde clarum est,

quantam vim cum enuntialionibus vocum proprietas teneat, mazimeque illa attendenda

est vocum significatio, quae prima est, i. e. quae in voce ipsa denotatur et secun

dum quam ipsa v0æ imponitur .... Nam et cum diffinitio et diffinitum ad eandem

prorsus substantiam habeant impositionem atque enunliationem, saepe tamen non

idem prorsus de ipsa notant ; nam ,,animal rationale mortale“ secundum id tantum

hominis substantiae datum est, quod est animal informatum rationalitate et mortali

tate, „homo“ vero secundum ceterarum quoque formarum differentiarum informationem

.... Haec autem ratio diffinitionem in rei demonstratione accipi probat, quod in

ipsa consequentia tantum de rebus, non de vocibus, agitur. Theol. Christ. III, p.

1278.: diffinitio ...., quae eae integro vim et proprietatem diffiniti eaeprimit et sen

tentiam nominis in nullo eaccedit nec ab eo eacceditur (s. Abschn. XII, Amm. 108.).

365) Dialect. p. 227 f.: Nec propter aemulorum detractationes obliquasque in

vidorum corrosiones nostro decrevimus proposito cedendum nec a communi doctrinae

usu desistendum. Etsi enim invidia nostrae tempore vitae scriptis nostris doctrinae

viam obstruat, ..... in his quisque , quod doctrinae necessarium sit, inveniet. Nam

etsi Peripateticorum princeps Aristoteles categoricorum syllogismorum formas et modos

breviter quidem et obscure perstrinaverit, .... Boethius vero hypotheticorum compleacio

nes eloquentiae latinae tradidit, graecorum quidem Theophrasti et Eudemi operum

noderator (s. Abschm. XII, Anm. 139.), .... post omnes tamen ad perfectionem doc

tririae locum studio nostro in utrisque reservatum non ignoro. Item quae ab eis

summatim designata sunt vel penitus omissa (— aber neue Ergänzungen bringt Abâ

lard, höchstens etwa mit Einer Ausnahme, s. Anm. 391., nirgends bei —), labor

noster in lucem proferat, interdum et quorundam maledicta corrigat et schismaticas

eæpositiones contemporaneorum nostrorum uniat et dissensiones modernorum, si tan

tum audeam profiteri negotium, dissolvat.

- - 13 *

196 XIV. Abälard.

selbem in keiner Beziehung nachstehe *°°). Doch müssem wir gestehen,

dass Abälard hiebei von Eitelkeit geblendet sein mochle, denn er lässt

sich auch hier mur von Boethius leiten. Aus diesem ist Alles, was zu

Anfang über oratio gesagt wird, entnommen*°"); nur bei der üblichen

Eintheilung der Satzartem, woselbst aus Marcianus Capella (Abschn. XII,

Anm. 62) auch der Wunschsatz aufgenommen ist, wird der von Boe

thius (ebend., Anm. 111) hinzugefügte Vocativ-Satz bestritten *°°). Was

die Definition des logischen Urtheiles selbst betrifft, so kann nach 0higem

(Amm. 317) die aristotelische Definition in jene rhetorische hinüberge

lenkt werden (s. Abschn. VIlI, Anm. 45), welche bei Boethius in der

Topik sich findet *°°). Es. folgt hierauf die Eintheilung in kategorische

und - hypothetische Urtheile (Abschn. XII, Anm. 112), wobei neben der

üblichen boethianischen Terminologie (s. ebend. Anm. 124) uns hier

zum ersten Male das Wort „copula* begegnet, welches hiemit damals

in der Schule bereits üblich gewesen sein muss *7°). Das Quantitäts

verhältniss zwischen Subjects- und Prädicats-Begriff (maior und minor)

fällt nach 0bigem (Anm. 318 u. 325) dem Sprachausdrucke anheim *7 !).

Die Eintheilung des kategorischen Urtheiles veranstallet Abälard

mach vier Gesichtspunktem, iudem auf das Prädicat die sog. Qualität

und auch die Modalität, auf das Subject aber die Quantität bezogen

wird, sodann in den Terminis überhaupt die Einheitlichkeit oder Wiel

heitlichkeit liege und endlich nach der Zeit sich eine Eintheilung in

drei Artem ergebe 373). Wielleicht war es diese Gliederung, in welcher

366) Joh. Saresb. Metal. III, 4 (wo von dem Werthe des Buches De interpr.

die Rede ist), p. 131.: Divisse recolo Peripateticum Palatinum , quod verum arbi

tror, quia facile esset, aliquem nostri temporis librum de hac arte componere, qui

nullo antiquorum, qu0d ad conceptionem veri vel elegantiam verbi, esset inferior,

sed ut auctoritatis favorem sortiretur, aut impossibile aut difficillimum.

367) Dialect. p. 229—233.

368) p. 234.: Harum igitur orationum, quae perfectae sunt, aliae sunt enun

tiativae, aliae interrogâtivae, aliae deprecativae, aliae imperativae, aliae desiderativae

..... Addunt autem quidam seactam speciem, vocativam scilicet orationem; sed mihi

quidem vocatio non videtur diversam speciem a suprapositis procreare, quae quidem

vocatio omnibus aequaliter potest apponi.

369) p. 237 f.: Propositio est oratio verum falsumve significans; quae quidem

diffinitio (bei Boeth. de diff. top. p. 858.) eadem omnia et sola continet cum ea,

quam secundum Aristotelem protulimus ..... Nec quidem incommode ; sicut enim

omnes propositiones vel affirmativae vel negativae ac solae , ita etiam verae vel

falsae.

370) p. 246.: Harum itaque aliae sunt categoricae, i. e. praedicativae ......

aliae hypotheticae, i. e. conditionales ..... Est autem categoricarum nalura secundum

membra sive species demonstranda; sunt aulem membra, eae quibus coniunctae sunt,

praedicatum ac subiectum atque ipsorum copula, secundum hoc scilicet, quod verbum

a praedicat0 seorsum per se accipimus, .... verbum vero interpositum praedicatum

subiecto copulat. Die Quelle dieser Schul-Terminologie liegt in den, Abschn. XII,

Anm. 124., angeführten Stellen des Boethius, wenn auch bei Letzterem das Wort

,,copula** selbst noch nicht workömmt. Vgl. jedoch folg. Abschn. Amm. 11.

371) p. 248.: Quod itaque praedicatum subiecto maius vel aequale dicitur

(Abschn. XII, ebend.), ad vocum enuntiationem, non ad essentiam rei , reducitur.

372) p. 253.: Ad praedicati enuntiationem pertinet, quod propositiones .....

affirmativae dicuntur vel negativae, quodque aliae ipsum simpliciter aliae cum aliquo

m0d0 praedicant, unde alias simplices alias modales appellamus. Ad subiectum vero

illud refertur, quod aliae universales aliae particulares aliae indefinitae aut singu

XIV. Abälard. 197

er ein besonderes Verdiensi seiner Darstellung erblickte, die Reihenfolge

aber der hier angegebenem Gesichtspunkte änderte er in der Entwicklung

des Einzelnen. Zuerst wird über Affirmation und Negation gehandelt,

wo bezüglich des realen Gegensatzes nicht bloss die an Apulejus

(Abschn. X, Anm. 10) erinnernde Terminologie „maaeime repugnans“,

sondern auch für die alternativen Gegensätze der Ausdruek „immedia

tio“ oder ,,dividentia“ erscheint *7°). Bei der contradictorischen Ent

gegensetzung wird jene Annahme des Boethius, welche bezüglich des

allgemein bejahenden Urtheiles oben, Abschn. XII, Anm. 114, angeführt

wurde, bekämpft, und die aristotelische Angabe (Abschn. IV, Amm. 217)

als die richtige bezeichnet 874), was eben damit zusammenhänge, dass

Aristoteles überhaupt bei dem contradictorischen Gegentheile die erfor

derliche Rücksicht auf die Modalität der Ausdrucksweise (Amm. 318 u.

327) genommen habe 37°). Hierauf folgt die Erörterung der Quantität

der Urtheile und der dureh Quantität und Qualität sich ergebenden Ver

hältnisse derselben 87°), wobei es eigenthümlich ist, dass Abälard nicht

der boethianischen Terminologie „consentiens“ oder „conveniens“ (Abschm.

XII, Anm. 117 u. 128), sondern des bei Apulejus (Abschn. X, Anm.

11) vorkommenden Wortes „aequipollentia“ sich bedient*"). Sodann

folgt die Modalität in einer Compilation, welche aus Boeth. de interpr.

lares nominantur. Ad multiplicitatem ver0 terminorum illud attinet, qu0d aliae unae

sunt aliae multiplices. Ad diversitatem vero temporum, quod aliae de praesenti aliae

de praeterito aliae de futuro proponuntur,

373) p. 255.: Ea namque opposita contraria diffiniunt, quae prima fronte sibi

opponuntur, h. e. quae maæime sibi repugnant, velut album et nigrum, quae nullo

modo eidem simul inesse possunt ..... Quod itaque simul abesse n0n p0ssit, 0pp0

sitionem non eæigit, sed dividentiam seu immediationem. Ueber dividentia vgl.

untem Amm. 427. •

374) p. 256.: Ex his itaque manifestum est, ei, quae dicit ,,omnis homo

iustus est“, magis repugnare ,,nullus homo iustus est“, quam „non omnis homo

iustus est“ ..... Eadem enim haec ,,n0n omnis h0m0 iustus est** cum ea videtur,

quae proponit ,,quidqm homo iustus non est“, atque pro una et eadem utramque

Boethius accipit, cum tamen earum sententia diversa appareat his, qui eam perspi

cacius inspiciunt. Multum enim refert ad sententiam enuntiationis .... negativa par

ticula, ... quod quidem eæ hypotheticis quoque enuntiationibus ostenditur; non enim

eadem est `sententia istarum ,,si est homo, non est iustus“ et „non, si est homo,

est iustus“...... (p. 257.) Unde subtilius Aristoteles negationem universalem, quam

Boethius, distinacii; hic enim „non omnis homo est albus“ recte semper opponit,

Boethius autem ,,quidam h0m0 non est albus''. - - - - -

375) p. 259.: Apparet autem, .... Aristotelem contradictionem affirmationis

et negationis non tam secundum sententiam , quam secundum constiluti0nis materiam

demoiistrasse .... Quia vero Aristoteles non solum sententiam contradictionis, verum

etiam constitutionem demonstrare intendit, quae in eorundem terminorum voce consi

stit, recte, postquam eosdem terminos negationem habere divit secutudum prolationem,

cetera secundum sententiam determinanda videbantur ..... (p. 260.) Est itaque recta

ac propria tam voce quam sensu negatio, quae negatio praeposita propositae enun

tiatìonì sententiam eiús eastinguit .... Eæ his itaque manifestum est, subtilius Ari

stotelem considerasse negationem universalis affirmationis, quam Boethium.

376) p. 262. Cousin gibt nur den Titel, ohne den Inhalt, welcher auf Boe

thius (Absöhn. XII, Anm. 113 ff.) beruhen muss, abzudrucken. - -

377) Glossae in libr. de interpr. p. 597 f.: Modo vult ostendere aequipollentiam

earum... Nota, hanc regulam esse in omnibus aequipollentibus u. s. f. stets; nur

Ein Mal findet sich dorf p. 600. consentire in aequipollentia. S. Anm. 381.

198 - XIV. Abälard.

(Abschn. XII, Amm. 119 ff.) und zugleich aus Boeth. de syll. hyp. (ebend.

Anm. 150 ff.) entmommen ist 87°), dabei aber in unahlässiger Wieder

holung auf die dingliche Basis der Modalität (ob. Anm. 330) hinweist*"*),

womit zusammenhängt, dass auch hier (vgl. Anm. 216) possibile und

contingens als völlig gleichbedeutend genommen werden *°°). Auf Grund .

des Boethius (Abschn. XII, Anm. 122 u. 150) werdem sowohl die For

mem der modalen Urtheile als auch derem Umkehrung (mit, der boethia

nischen Terminologie, s. ebend. Anm. ' 130) und derem Aequipollemz er

örtert 881), worauf dann im Gegensatze gegen andere Auffassungen

(Anm. 215) abermals die Möglichkeit als das von der Natur Zugelassene

und die Nothwendigkeit als das von derselben Geforderte bezeichnet,

und hiemit auch die Modalität des Wahr- und Falsch-Seins in Verbin

dung gebracht wird ***). Erst hiernach bespricht Abälard, was bei

Boethius vorausgeht; nemlich das durch die Zeit bedingte Verhältniss

der Urtheile, namentlich , insoferne dieselben auf die Zukunft gehen,

wobei er sich vollständigst an die boethianische Erklärung des Aristo

teles anschliesst *°°). Ebenso verfährt er in der äusserst weitschwei

figen Erörterung über den noch übrigen Gesichtspunkt, welcher die

Einheit oder Wielheitlichkeit des Urtheiles betrifft ***), und unler wel

chen sofort schon hier auch das hypothetische Urtheil (nach Boethius,

s. Abschn. XII, Anm. 146) gebracht wird 3°°).

378) Dialect. p. 262 ff. woselbst z. B. (p. 264.) auch die Hindeutung auf die

erschöpfte Anzahl aller möglichen Combinatiomen (Abschn. XII, Anm. 152.) sich

fimdet.

379) p. 266—270., oder z. B. p. 273.: Sic enim recte videntur mihi omnes

huiusmodi pr0p0sitiones eæponi, ut de rebus ipsis agamus sic: ,,omnem hominem

possibile esse album“, i. e. natura omnis hominis patitur albedinem, i. e. nullius

hominis natura repugnat albedini u. s. f. *

380) p. 265.: Possibile quidem et contingens idem prorsus sonant.

381) p. 268.: Quod tam in conversione simplici quam in conversione per con

trapositionem licet inspicere. p. 271 ff. folgt die Angabe der durch Combination

der Modalität mit Quantität und Qualität möglichen Formen, nemlich Possibile est

omnem (oder nullum oder quendam) hominem esse (oder non esse) album, und

ebenso bei Impossibile und bei Necesse, sowie bei Non possibile, Non impossibile

und Non necesse. Dann im Hinblicke hierauf p. 276.: Nunc autem dispósitis in

utroque genere prop0sitionum ordinibus modalium regulas aequipollentiae tradamus.

Dass hingegen die auf Subordination beruhende Abfolge bei dem modalen Urtheilem

unmöglich sei, wird ausdrücklich bemerkt (p. 276.): Sunt autem quidam, qui et

nostram tenent sententiam, qui in consequentiis modalium inferentiae simplicium

locos vel regulas non admittant; dicunt enim totius vel partis naturam in Italibus

omnino deficere inferentiis; falsum enim aiunt, quod si omne animal impossibile est

esse hominem , omnem hominem impossibile est esse hominem u. s. f.

382) p. 277 f.: Nunc autem utrum aliqua proprietas per modalia nomina, ut

quidam volunt, praedicetur, persequamur ; aiunt enim, per possibile possibilitatem

praedicari, per necesse necessitatem .... Sed falso est .... sed per possibile id de

fmonstratur, quod natura patiatur, per necesse, quod eæigat et constringat ......

Verum antecedit quidem ad possibile, sequitur vero ad necessarium ; falsum autem

ad impossibile tantum sequitur ; si enim necesse est esse, verum est esse, et si verum

est esse, possibile est esse; si vero impossibile est esse, falsum est esse. .

383) p. 280—294. (In gleicher Weise äussert er sich über diesen Gegenstand

anch Introd. ad theol. III, p. 1134.).

384) p. 294—303.

385) p. 304.: Cadunt autem sub divisionem unarum et multiplicium proposi

XIV. Abälard. 199

Ummittelbar hierauf aber reiht sich als Abschluss dieses Abschnitles

die Lehre von den kategorischen Syllogismen am °°°), woselbst wohl

jeme ächt aristotelische Definitiom des Syllogismus, welche wir obem,

Anm. 14, als Beweis einer sporadischen Kenntniss der Analytik anzu

führen hattem , an die Spitze tritt, aber die Entwicklung dann sogleich,

mach Einschaltumg einer zweitem aristotelischem Stelle (s. dieselbe oben

Anm. 15) und einer Bemerkung über eine Terminologie (s. oben Anm.

16), lediglich aus Boethius de syll. categ. (s. Abschn. XII, Anm. 131 ff.)

entnommen wird °°"). Es bietet die Aufzählung und Darlegung der

sämmtlichen Modi des kategorischem Schlusses durchaus Nichts eigen

thümliches dar, höchstens etwa mit der einzigem Ausnahme, dass

Abälard in der dritten Figur die bei Boethius erwähnte und von Porphy

rius herrührende (Abschn. XII, Anm. 137, Abschn. XI, Anm. 82) Hin

zufügung eines siebenten Modus verwirft *°°). Ueber einen Selbstwider

sprueh, in welchen er bei Reduêtion der Syllogismen mit seiner eigenen

Ansicht über dem contradictorischen Gegensatz (Anm. 374) geräth, hilft

er sich sehr leicht mit der „Wahrscheinlichkeit“ hinweg *°°). Sodann

aber folgt jene merkwürdige Stelle, in welcher Abälard eine gewisse

Kenntniss jener aristotelischen Syllogismen zeigt, welche aus Combina

tiomen der Möglichkeits- und Nothwendigkeits-Urtheile unter sich und

mit Urtheilem des Stattfindens bestehem , s. obem Amm. 17. ; sowie er

aber die Sache gleichsam mur vom Hörensagen zu kennen scheint, so

erblickt er auch in jenen Schlüssen, welche mur aus modalem Urtheilen

alleim hestehen, keine eigentliche Schlusskraft, sondern blosse Wahr

scheinlichkeit 39"). Endlich aber versucht er noch eine eigenthümliche

Ergänzung der Syllogistik, von welcher wir nicht wissem, ob sie da

mals in den Schulen überhaupt üblich gewesem sei, oder ob Abälard

selbst sie erdacht habe ; es wird nemlich auch auf Combimationem him

gewiesen, welche aus Urtheilen der Gegenwart mit Urtheilen der Zu

tionum non solum categoricae enuntialiones, verum etiam hypotheticae; sunt mul

tiplices hypotheticae, in quibus vel eæ uno plura vel eae pluribus unum vel eae plu

ribus plura consequuntur u. s. f.

386) p. 305.: Haec autem de proprietatibus categoricarum enuntiationum dicta

sufficiant; nunc autem in figuris et modis syllogismorum, qui ea, ipsis fiunt, pr0p0

situm nostrum perficiamus.

387) p. 306—319. Auch die Terminologie ist selbstverständlicher Weise jene

des Boethius, und so findem wir auch (p. 310. u. 313.) die Bezeichnung ,,directi“

umd ,,imperfecti syllogismi“, sowie den Ausdruck ,,per refleacionem conversionis“,

welcher dem boethianischen ,,per conversionem refractionemque** entspricht, s.

Abschn. XII, Anm. 136.

388) p. 316.: Nos Aristotelem sequentes sea tantum modos huius figurae esse

deprehendimus.

389) p. 319.: Illud aliquos movere poterit, quod in ostensione impossibilitatis

per contradictoria ac recta dividentibus utimur his propositionibus, quas superius

contradictorias esse negavimus, cum quandoque eas non esse veras c0ntingat, univer

salem scilicet affirmiativam et particularem negativam, ut sunt istae ,,0mne iustum

virtus est, quoddam iustum virtus non est.** At vero etsi non necessitate huiusm0di

fesolutio constringat, probabilitatem tamen maæimam tenet.

390) p. 321.: Licet autem syllogismi recte dici non possint hi, quos eae solis

nodalibus constitutos adiecimus, quia tamen maacimam probabilitatem tenent, non

incommode quandoque a disputantibus inducuntur.

200 XIV. Abälard.

kunft oder der Wergangenheit bestehen, was in allen Modis der Fall.

sein könne, aber nur dann wirklich einen Schluss gebe, wenn Eines

der Urtheile ein Urtheil der Gegenwart sei °°').

Es folgt hierauf der Li b e r Top i c o r u m , da aus dein oben an

geführten Grunde (Amm. 269) die Topik dem hypothetischen Urtheile

vorausgeht. Die ciceronianisch-rhetorische Tendenz der Dialektik Abälard's

zeigt sich recht deutlich an der ausserordentlichen Breite und Weit

schweifigkeit, mit welcher dieser ganze Abschnitt behandelt ist. Doch

ist es mur Weniges, was wir aus demselben hervorheben müssen, denn

dem Inhalte nach beruht das Ganze auf Boethius *°°). Die Folgerung

(inferentia), welche in dem Werhältnisse zwischen dem Wordersatze und

dem Nachsatze eines hypothetischem Urtheiles bestehe, unterscheide

sich von der Schlussfolgerung eines Syllogismus dadurch, dass sie nicht

wie jene in sich selbst die vollkommene Schlusskraft trage, sondern

noch einer Werstärkung aus einem gewissen Werhalten (habitudo) der

beidem verbundenem Begriffe bedürfe , und diese Bekräftigung der Ab

folge als einer wirklich nothwendigem liege eben in den Topen *°°),

d. h. jenes Werhaltem sei nur das Mittel, nicht der Gegenstand der

Folgerung, denn diese gehe stets auf die Wesenheit der im hypotheti

schen Urtheile verknüpften Dinge 394). Aber an dem Nexus der Noth

wendigkeit sei (im Gegensatze gegen die Meinung Anderer, s: oben

— -

391) p. 322.: Possunt qu0que per tempora pr0p0sitiones syllogism0rum variari

in singulis figuris. In prima autem sic ,,0mnis homo morietur, omnis citharoedus

est homo, quare omnis citharoedus morietur** vel ,,omnis seneae fuit puer, Nestor

autem est seneæ, quare fuit puer**. In secunda vero hoc modo „nullus lapis morie

tur, omnis homo morietur, quare nullus h0m0 est lapis“; vel ita „nullus puer fuit iu

venis, omnis autem seneæ fuit iuvenis, quare nullus seneae puer est“. In tertia

quoque talis fit ad m0dum temporum admisti0 ,,0mne mortale morietur, omne autem

mortale vivum est, quoddam igitur vivum morietur**. .... Sic quoque per singulos

modos trium figurarum praesenti tempori cetera quoque poterunt aggregari; eae solis

autem pr0p0sitionibus ceterorum temporum nulla secundum aliquam figuram syllogismi

necessitas videtur contingere, sicut nec eae solis particularibus aut negativis.

392) Abàlard behandelte diesen Zweig der Dialektik auch in den ,,Glossae

super Topica“ (b. Cousin p. 605 ff.), schloss sich aber dort lediglich erklärend

an Boeth. de diff. top. mit Beiziehung einiger Stellen des Commentar's zur cicero

nischen Topik an.

393) p. 325.: lnferentia in necessitate consecutionis consistit, in eo scilicet,

qu0d eae sensu antecedentis sententia eæigitur consequentis, sicut in hypothetica pro

p0sitione dicitur. p. 328.: in illis consequentiis, quae formas tenent syllogismorum,

. ita in se perfectae sunt huiusmodi inferentiae, ut nulla habitudinis natura indi

geant, nullam eae loco firmitatem habeant; cuius quidem loci proprietas haec est, vim

inferentiae eæ habitudine, quam habet ad terminum illatum, conferre consequentiae,

ut ibi tantum, ubi imperfecta est inferentia, locum valere confiteamur ..... Hoc ergo,

quod ad perfectionem inferentiae deest, loci supplet assignatio. Sowohl die Bezeich

nung ,,inferentia“ ist aus dem boethianischen Sprachgebrauche ,,inferre** entstanden,

als auch die Auffassung, dass die Abfolge auf dem Nexus der Nothwendigkeit

beruhe, ist dem Boethius entnommen, s. Abschn. XII, Anm. 153 f.

394) p. 330 f.: Quae enim in ea ponuntnr vocabula, essentiae tantum , non

habitudinis, sunt designativa, ut ,,homo** et ,,animal** et ,,lapis**; qui itaque

dicunt ,,si est homo, est animal, si est homo, non est lapis“, nullo modò de hdbi

tudinibus rerum, sed de essentiis agunt, ut, si aliquid sit essentia hominis, et

essentia animalis esse concedatur, et lapidis substantia esse denegetur.

XIV. Abälard. 201

Anm. 227) bei dem hypothetischen Urtheile entschiedem festzuhaltem 398),

und durch diesen Nexus, welcher in jener Verhältniss-Beziehung liege,

unterscheide sich dasselbe vom categorischen Urtheile, welches die

blosse Existenz ausspreche, während das hypothetische mit voller Noth

wendigkeit, abgesehen von der Existenz der Dinge, gelte, aber elem

darum bezüglich desjenigen, was aus der blossen Wirklichkeit nicht

entnommen werden könne, die Beihülfe der Topen in Anspruch nehme *°°).

Daher sei in diesem Sinne ber- dialektischem Erörterungen das Zuge

ständniss des Mitfedenden, abgesehen von der factischen Richtigkeit,

als eine solche Nothwendigkeit zu verstehen *°7), und bei dem hypo

thetischen Urtheile handle es sich nicht, wie Einige meinen (Anm. 228),

um die einzelnen Glieder desselben, sondern eben um dem ganzen

Nexus zwischen antecedens und consequens *°°); auch sei aus dem

gleichen Grunde das disjunctive Urtheil, wie schon Boethius (s. Abschn.

XII, Anm. 141) gezeigt habe, nur als eine andere Satzform des hypo

thetischen zu betrachten *°°). Auf dieser Grundlage werden dann die

sog. ,,maaeimae propositiones“ (s. ebend. Anm. 165) im Anschlusse an

Boethius besprochen und mit Bekämpfung der Ansichten Anderer (oben

Anm. 228) auf die Form des hypothetischen Urtheiles beschränkt*°°).

395) p. 336.: Quod autem veritas hypotheticae propositionis in necessitate

consistat, tam eae auctoritate quam eae ratione tenemus. Diese Auffassung des hypo

thetischen Urtheiles scheint dem Abàlard speciell eigenthümlich gewesen zu sein

(Joh. Saresb. Polycr. II, 22, p. 122.: Solebat nostri temporis Peripateticus Palatinus

omnibus his conditionibus obviare, ubi non sequentis intellectum antecedentis con

ceptio claudit aut non antecedentis c0ntrarium consequentis destructoria ponit, eo

qu0d omnes necessariam tenere consequentiam velit. Ebend. Metalog. III, 6, p. 138.:

Miror tamen, quare Peripateticus Palatinus in hypotheticarum iudicio tam arctam

praescripserit legem, .... si quidem hypotheticas respuebat nisi manifesta necessitate

urgente).

396) p. 343.: Categoricarum autem propositionum veritas, quae rerum actum

circa earum eæistentiam proponit, simul cum illis incipit et desinit; hypotheticarum

vero sentenlia nec finem novit nec principium, unde et antequam homo et animal

creata fuerint, vel postquam etiam omnino perierint, aeque in veritate consistit id,

qu0d haec consequentia pr0p0nit ,,si est homo animal rationale mortale, est animal.“

p. 347.: Quia vero categoricae enuntiationes actum rerum proponunt quantum ad

enuntiationes inhaerentiae praedicati, actus vero rerum eæ ipsarum rerum praesenlia

manifestus est, necessitas autem inferentiae eæ actu rerum perpendi non potest, quae

aeque, ut dictum est, et rebus eæistentibus et non ezistentibus permanet, arbitror,

hinc locum tantum in hypotheticis pr0p0sitionibus requiri, cum de vi inferentiae rerum

earum dubitatur, quae eae actu rerum convinci non possunt.

397) p. 342.: Neque enim dialecticus curat, sive vera sit sive falsa inferentia

pr0p0sitae consequentiae, dumm0d0 pro vera eam recipiat ille, cum qu0 sermo con

seritur ....., sed haec concessio verae inferentiae in necessitate recipienda est.

398) p. 353.: Quidam tamen has regulas non solum in tota antecedentis et

consequentis enuntiatione, verum etiam in terminis eorum assignant ....., sed regulae

sunt accipiendae in his, quae tota pr0p0sitionum enuntiatione dicuntur.

399) p. 368.: Quod autem antecedens et consequens in disiunctis quoque Boe

thius accipit, non ad rerum essentias, sed ad enuntiationum constitutionem respeacit

...., quod eæ resolutione disiunctae dign0scitur, eae qua etiam resolutione hypothe

ticae, i. e. conditionales, disiunctivae quoque sunt appellatae.

400) p. 359 f.: Maacimarum propositionum proprietates inspiciamus, quibus

quidem singularum veritas consequentiarum eæprimitur, quaeque ultimam et perfectam

omnium consecutionum probationem tenent ..... Cum itaque diacimus, eas consecutio

nis sensum habere, categoricas enuntiationes eæclusimus.

w

202 XIV. Abälard.

Hierauf folgen die einzelnen Topem, wobei Abälard mit Ausschluss der

rhetorischen nur die dialektischem beiziehen will 401); die Reihenfolge

derselben beruht auf jener Erörterung, in welcher Boethius de diff.

top. (s. Abschn. XII, Anm. 168) die Topen des Themistius (Abschn. XI,

Anm. 96) mit den ciceronischen in Einklang zu bringen versucht 4°°);

dem Schluss aber bilden Bemerkungen über Argumentation überhaupt

und über die rhetorische Bedeutung der Induction und des Enthyme

ma's *"*). Dass die Entwicklung der einzelnen Topen sich in der An

gabe und Aufzählung schulmässig fixirter ,,Regeln* bewegt, wurde schon

obem (Amm. 222) bemerkt, und wie sehr überhaupt die Topik in den

Schulem Gegenstand und Veranlassung zahlreicher Controversen gewesen

sei, zeigt sich im Zusammenhange mit 0bigem (Amm. 228) auch in Abä

lard's eigéner Darstellung 404).

Endlich nun im L i b e r h ypoth et i c o r u m, d. h. in der Lehre

vom dem hypothetischen Urtheilen und Syllogismen, wird der gesammte

401) p. 334.: Illud praesciendum est, nos, qui haec ad doctrinam artis dia

lecticae scribimus , eos solum locos evsequi, quibus ars ista consuevit uti.

402) Im Vergleiche mit jener Reihenfolge, welche oben, Abschn. XII, Anm.

184., angegeben wurde, gestaltet sich die Sache hier folgemdermaassen: Den An

fang machem auch hier (p. 368.) die Topen aus der Substanz selbst, nemlich a

definitione, a descriptione, a nominis interpretatione ; dann aber reihen sich in

einer combinirenden Auswahl aus Themistius und Cicero die Topen aus den Fol

gerungen der Substanz an (p. 375.), nemlich a genere, a toto, a partibus divisivis,

a partibus constitutivis, a pari, a praedicato, ab antecedenti, a consequenti ; hier

auf (p. 386.) folgen als Topen, welche eaetrinsecus genommen werdem, nur die

Unterarten des locus ab oppositis, nemlich a relatione (mit Einschluss des simul

und prius), a contrariis, a privatione et habitu, ab affirmatione et negatione (bei

dieser Besprechung der vier Artem des Gegensatzes wird fast der ganze betreffende

Abschnitt aus den Kategorien beigezogen); sodann folgen als loci medii (p. 408.)

a relativis, a divisione et partitione, a contingentibus , und hierauf werden als

solche, welche selten in Anwendung kommen (p. 409. : sunt autem alii, quibus

dialectici raro ac nunquam fere utuntur, quos tamen Boethius non praetermisit),

unter den Topen eae consequentibus substantiam noch nachträglich angegeben: a

causa , a materie, a forma, a fine, a motu. Uebrigens hat Cousin 'im diesem

ganzen Abschnitte häufig nur durch Titel-Ueberschriften die Reihenfolge angedeutet,

ohne den Inhalt selbst zu veröffentlichen.

403) p. 430 ff. Die Quellenstellen aus Boeth. de diff. top., woranf diese An- .

gaben beruhen, s. Abschn. XII, Anm. 82. n. 137.

404) So z. B. führte der locus a substantia micht bloss auf die Lehre vom

der Definition hinüber (Stellem aus der Topik dienten uns obem, Anm. 364., als

Quellen), sondern es spielte in der Frage über ,,idem“ und ,,diversum** (p. 373.)

vermöge des Pseudo-Boethius de trin. (Anm. 37.) auch Theologisches herein (vgl.

Introd. ad theol. II, p. 1077 f. Theol. Christ. III, p. 1276 ff.), sowie bei dem locus

a causa efficiente und a motu (p. 413 ff.) die göttliche Causalität des Weltschöpfers

erörtert wurde. Der locus a genere (p. 378 ff.) leitet auf den realistischem Crea

tions-Process hin und triffi so mit der richtigem Auffassung des locus a praedicato

(p. 384.) zusammen, welch letzterer unbeschränkt allgemein gelte (p. 381.). Bei

dem locus ab oppositis begegnet uns hier die Terminologie ,,compleaca** umd ,,in

compleaca** (p. 407.: compleaea autem contraria eas dicimius propositiones, quae de

eodem contraria enuntiant hoc modo ,,Socrates est sanus , Socrates est aeger“), so

wie ,,constantia** (p. 408.: ut immediata inferentiam habeant, adiiciendum esse,

cuius respectu immediata sint, quae quidem determinatio constantia appellatur); auch

vermisst Abälard eine Durchführung der Gegensätze durch alle Kategoriem (p. 399.),

d. $ er vermisst, was Gilbertus Porretamus wirklich hinzufügte , s. Anm.

u. 344. -

XIV. Abälard. 203

lnhalt der Schrift des Boethius de syll. hypoth. wiedergegebem. Indem

Abälard aus derselben zunächst die Eintheilung des hypothetischen Ur

theiles (s. Abschn. XII, Anm. 139 ff.) entwickelt 408), entscheidet er

sich betreffs der mit der Conjunctiom „cum* begimnenden Urtheile (s.

ebend. Amm. 143), über welche er früher eine andere Ansicht gehabt

hatte, nun für die Auctorität des Boethius, d. h. er mimmt jene Ur

theile als hypothetische *°°); auch bekämpft er obige (Anm. 218) Mei

nung Anderer bezüglich der Stellung des „vel... vel“ in dem disjunctiven

Urtheilen *""). Hierauf aber folgt eine merkwürdige Angabe über die

Umkehrung der hypothetischen Urtheile; nemlich die disjunctive Form

derselben lasse sich rein umkehren (durch Wertausehung der Glieder

der Disjunction!), ebenso auch das eine Gleichzeitigkeit enthaltende Ur

theil, welches mit „cum* beginnt; hingegen bei dem eigentlich hypo

thetischem, welches auf dem Nexus der Naturnothwendigkeit beruht,

sei der allbekannte Grundsatz der Abfolge (s. denselben bei Boethius

Abschn. XII, Anm. 145) als conversio per contrapositionem zu neh

men 40°). Wenn aber diese angebliche Ergänzung der traditionellen

Lehre, von Anderen bekämpft wurde, so waren diese gewiss eben so

im Rechte, als Abälard im Unrechte war, wenn er in solcher Ent

gegnung gleichsam ein Märtyrthum seiner wissenschaftlichen Leistungen

erblickte 499). Sodann reiht sich zum Schlusse moch die Entwicklung

der hypothetischen Syllogismen an; dieselbe ist vollständig aus Boethius

entnommen, nur mit einer Aenderung der Reihenfolge ; zuerst memlich

werdem jene angeführt, welche oben Abschn. XII, Anm. 155—158

405) p. 437—439,

406) p. 440.: Nunc vero de temporalibus in proæimo disputandum est; in his

autem nulla natura consecutionis attenditur, sed sola comitationis societas, ut vide

licet simul sit utrumque .... Aeque enim qui dicit ,,cum Socrates est animal, est

h0m0“, verus est et qui pr0p0nit ,,cum ipse est homo, est animal“.... Memini

tamen, quia dicere solebam, tumc hypotheticam esse propositionem, cui temporale

adverbium apponebatur, cum ipsùm ad propositiones totas referebatur, tunc vero

categoricam, cum ad simplices terminos ponebatur .... (p. 441.) At vero licet huius

modi temporales rationabilius categoricae quam hypotheticae videantur, nos tamen

Boethio adhaerentes eis tanquam hypotheticis in modis syllogismorum utamur.

407) p. 442., woselbst auf die oben, Anm. 218., angeführten Worte folgt:

Quod quidem falsum esse convincitur eæ eis categoricis, quae cum universales sint,

disiunctivas habent coniunctiones, velut ista ,,omne animal est vel sanum vel aegrum“;

cum enim haec vera esse non dubitetur, falsa est manifeste hypothetica, quae ita :

proponitur ,,aut omne animal est sanum, aut omne animal est aegrum“, cum videli

cet meutrum sit.

408) p. 443.: Nunc autem de conversionibus omnium hypotheticarum superest

disputare ..... Temporales quidem hypotheticae et disiunctae simplicem tenent con

versionem; sicut enim aeque dici potest ,,aut noa est aut dies est“ vel ,,aut dies

est aut noa est“, ita aeque dicitur ,,cum pluit, tonat“ et ,,cum tonat, pluit**.....

Naturalium autem coniunctarum conversiones per contrap0sitionem solum fieri hoc

m0d0 ,,si est homo, est animal; si non est animal, n0n est h0m0“.

409) p. 444.: Sunt autem nonnulli, qui ad nomen conversionis hypotheticarum

obstrepant et vehementer obstupeant, eo quod de earum conversionibus Boethium trac

tare non viderint nec alium quemquam, qui consequentiarum naturam ostenderet;

unde nos quidem non eæ falsitate, sed eæ novo conversionis nomine redarguunt ....

Si enim eæ additamento vel novitate me accusent, quomodo et illi absolvi possunt,

quicunque ad alicuius scientiae perfectionem eae se aliquid post primos tractatores

adiecerunt?

204 XIV. Abälard. Anonymus De interpr.

angegeben.sind, dann folgt der Inhalt der dortigen Anm. 162, hierauf

jener der Anm. 159—161, zuletzt jener der Anm. 163; der Grund

dieser Aenderung lag für Abälard darim, dass jene (lorlselbst Anm.

159—161 angeführten hypothetischen Syllogismen sich in den drei

Figurem des kategorischen Schlusses hewegen, und daher diese „figu

rirten* (figurati) Syllogismen nicht in Mitte der nicht-figurirten einzu

reihen seien 410).

So ist uns Abälard nach Maassgabe der uns erhaltenem Quellen der

hervorragendste Repräsentant des damaligen Betriebes der Logik, aber

während wir stets im Auge behaltem, dass er eben Einer unter Wielem

war, dürfen wir einerseits aus seinen Leistungen auf die seiner näch

sten Zeitgenossen schliessen, und werden andrerseits zu der Annahme

berechtigt sein, dass ein eigentlicher Fortschritt der Logik weder durch

ihn noch durch Andere in jener. Zeit hervorgerufen wurde, sondern

dass mur in der grösseren Anzahl der Dialektiker überhaupt und in dem

reicherem Detail-Studium der traditionellen Schul-Logik der Unterschied

gegen die frühere Zeit beruhe.

Als einen Schüler Abälard's zeigt sich uns der Werfasser .eines

a no ny m e n C o m m e m tare s zu dem Buche de interpr. *''); denn

derselbe wählt nicht bloss die Abälard'sche Bezeichnung „doctrina ser

monum“ für die Logik, welche ' er in einer Dreitheilung gliedert, die

uns an 0biges (Amm. 271 f.) erinnert *'*), sonderm er erörtert auch

bezüglich der Redetheile, d. h." des Nomens und Verbums, die Frage,

in welchem Sinne dieselben in der Lehre voim Urtheile zu besprechen

seien, in einer Weise, welche als eine Schärfung der Ansicht Abälard's

• bezeichnet werden muss ; es sei memlich die primäre Function der

Worte, dass sie die Gedankem (intellectus) erwecken und bezeichnen

(vgl. Anm. 314 ff.), während die Bezeichnung der Dinge das Secundäre

sei, welch Letzteres den Kategorien anheimfalle (Anm. 272), sowie Er

steres der Lehre vom Urtheile 41*); denn gerade darim, dass die Worte

410) p. 447 f.: Ipse namque Boethius inter syllogismos consequentiarum ea,

gltera tantum hypothetica constantium et syllogismos consequentiarum eæ utraque

hypothetica conneaearum eos medios locavit, qui év mediis propositionibus nascentes

tribus figuris continentur..... Nos tamen his syllogismis, qui figurali n0n sunt, eos,

qui figurali sunt et a longe diversis propositióhibus nascuntur, interserere noluimus.

- 411) In einigen Bruchstücken publicirt bei Cousin, Fragm. philos., Philos.

scolast. 2. Anfl. Par. 1840, p. 408 ff. (Aufl. v. 1855, p. 326 ff.).

412) p. 409.: Doctrinae sermonum huic arti accommodatae in tribus integritas

consistit, ' i. e. in doctrina incompleacorum, propositionum et syllogismorum ......

Quod autem tractatus iste de propositionibus instituatur, monstrat tam operis inscrip

tio quam assignatio intentionis. -

413) p. 410.: In parte huius operis agitur de dictionibus, nomine videlicet et

verbo, in parte de propositionibus .... p. 411.: Sed asserunt quidam, de nomine

et verbo hic agi per hoc, quod intellectum significant; cum enim dupleæ sit signifi

cati0 vocum, una quidem de rebus , altera vero de intellectibus, hic de vocibus agi

secundum hoc, quod intellectum significant, quae principalior est. Eae quo aperte

huius operis intentio a Praedicamentorum intentione distare ostenditur; ibi enim de

vocibus incomplevis secundum rerum significationem agitur, quae secundaria ab in

tellecluum significatione habetur posterior; primo enim intellectus, secundario res

significantur; ad nihil enim aliud facta est vocum institutio nisi ad intellectum, nil

quippe voces in scientia rerum faciunt, sed tantum intellectus de eis eæcitant .....

XIV. Anonymus De interpr. Amonymus De intellectibus. 205

stets zu Sätzen führen, liege ihre Bedeutsamkeit für das geistige Er

fassen (conceptio), und so seiem Nomen und Verbum als Satztheile in

der Lehre vom Urtheile mur in diesem auf die Gedanken bezüglichen

Simne zu verstehen, und ihre dingliche Bedeutung könne hier nur neben

bei berührt werden 444). Und währemd hiemit der Werfasser sich auf

jenen Standpunkt stellt, welehen Abälard in den von ihm sogenannten

Postprädicamenten eingenommen hatte, erhält hier die Auffassumg des

Urtheiles, d. h. des sermo, ein so entscheidemdes Uebergewicht, dass

der durch das Urtheil erweckte und in demselben liegende Gedanke

(intellectus) sogar scharf den platonischen Ideen gegenübergestellt wird,

da die letzteren bloss Fictionem seien, in welchem man mur die Aehn

lichkeitem der Dinge durch die Einbildungskraft festhalte, während die

Aufgabe des Sprachausdruckes darin liege, nicht blosse Aehnlichkeiten,

sonderm die Dinge selbst und deren Denk-Auffassung zum Bewusstsein

zu bringen 41°). Hiemit wäre hier sowohl jene platonische Seite, welehe

der Dialektik Abälard's amklebt, bereits abgestreift, als auch eine Pole

mik gegen jene Wendung angedeutet, in weleher die Status-Ansicht und

die Indifferenz-Lehre sich berührem, und vielleicht könnte man, wenn

wir die Meinung des Werfassers vollständiger kennen würdem, hier mit

Recht das Princip eines Intellectualismus erblicken, welehes bei Abälard

selbst jedenfalls durch platonische und ciceronianische Anschauungen

sehr entstellt und getrübt ist.

Gleichfalls einem Schüler und Anhänger Abälard's gehört die Schrift

,, D e i n t e l l e c t i b u s ** am, welche Cousin als ein Werk Abälard's her

ausgab *'°). Wenn der Werfasser im Anschlusse an die „doctrina ser

Unde cum tam res quam intellectus significentur, asserunt, hic de vocibus non secun

dum rerum, sed secundum intellectuum significationem agi.

414) p. 412.: Unde propositionem semper reddere possunt et semper ad animi

conceptionem, non quantum ad rerum nominationemi, significare dici possunt ; quare

Aristoteles de nomine et verbo ibi agit propter orationis constitutionem .... Quod.

autem de vocibus hic tantum secundum intellectuum significationem agatur, monstrat

bifaria vocum distinctio facta, in nomen et verbum, quibus simplicibus sive con

iunctis quilibet intellectus eaeprimi possunt ; in Praedicamentis enim, ubi de vocibus

secundum rerum significationem agitur, secundum rerum decem diversitatem denaria

vocum incompleaearum facta est partitio. Nos autem dicimus, quod licet de nomine

et verbo secundum intellectuum significationem agat Aristoteles, tamen quod de vocum

significatione communiter inducit, non est eæ intentione, sed incidenter.

415) p. 414.: Quod autem ideae meditatae a Platone a vocibus prim0 loco

non significentur, planum erit, si prius, quid ipsae sint, inspeaeerimus. Sunt itaque

formae imaginariae, quas sibi pro rebus animus configurat, ut illis res ipsas spe

culetur et per eas rerum imaginationes sive memoriam retineat, quas quidem ideas

sive -ezemplares formas nominant, Plato vero eas incorporeas naturas, i. e. insen

sibiles similitudines nuncupat (die Quellenstelle für diesen Ausdruck s. oben Amm.

134.) .... Unde eas effigies incorporeas, i. e. non tractabiles corporeis sensibus,

Plato nominat, qui quidem volebat a vocibus primo loco significuri, quod Aristoteles

improbat; non enim propter rerum vel intellectuum similitudines voces repertae sunt,

sed magis propter res ipsas et earum intellectus (Boeth. p. 304., d. h. Aristoteles,

s. Abschm. IV, Anm. 108.), ut de rebus nobis doctrinam facerent, non de huius

modi figmentis, et intellectum de rebus constituerent, non de figmentis.

416) In der oben (Amm. 411.) angeführten 2. Aufl. (v. 1840.) der Fragm.

philos. p. 461—496. (es ist ein eigenthümliches Verfahren, dass Cousin in späterem .

Auflagen diesem Bestandtheil seiner Sammlung wieder wegliess). Dass die Schrift

*

206 XIV. Anonymus De intellectibus.

monum“ die Begriffe (intellectus) erörtern und sowohl ihre verschiede

men Arten als auch besonders ihren Untersehied von Sinneswahrneh

mungem, Einbildungskraft, Meinung, Wissem, Wernunft, angeben will 447),

so mussten wir ihn eben darum schon oben (Amm. 19) gleichsam als

Zeugen dafür anführen, dass man in jener Zeit eine gewisse, wenn

auch fragmentarische oder vereinzelte, Noliz von der zweiten Analytik

des Aristoteles hatte, und es möchte wohl dem Einflusse einer solchem

erweiterten Kenntniss zuzuschreiben sein, dass diese ganze Abhandlung

in der That zu dem Besten gehört, was jene Zeit aufzuweisen hat.

Der Werfasser, welcher dem herrschenden Platonismus gegenüber sich

als völlig unbefangen zeigt, steht auf dem aristotelischen Standpunkte

der Erkenntnisstheorie, dass das Denken dem Ursprunge nach wohl

mit der Sinnes-Wahrnehmung verfloehtem sei, insoferne es aus derselben

seine Anregung empfange ***), dabei aber doeh mur durch eine von den

Sinnes-Werkzeugen , unabhängige Thätigkeit der erwägenden Wernunft

sein eigentliches Dasein erweise *4°), so dass die Wernunft (ratio) als

die geistige Urtheilsfähigkeit die Real-Potenz des begrifflichen Denkens

(intellectus) sei, wovon die Wernünftigkeit (rationalitas) sich nur als

die graduell gesteigerte Fähigkeit unterscheide **"). Eben aber in der

Verfiechtung des Denkens mit den Sinnem liege es, dass auch die Ein

bildungskraft (imaginatio), welche auf Erinnerung beruhe und daher

trotz allem Zusammenhange mit den -Eindrücken dennoch über 'die un

mittelbar gegenwärtige Sinneswahrnehmung sich frei erhebe, sehr wohl

nicht ein Werk Abàlard's selbst sei, geht daraus hervor, dass der Werfasser gegen

das Ende (in der oben, Amm. 300., angeführten Stelle) selbst den Abälard nennt;

allerdings war Cousin der Ansicht, dass die letzten Capitel der Schrift nur zu

fällig anderswoher angereiht seien; jedoch selbst wenn dem so wäre (— obwohl

ich Teher das Ganze für Einen Tractatus über verschiedene cohtroverse Materiem

halten möchte —), so scheint aus sprachlichen Gründen auch der Anfang nicht

„ein Product Abâlard's zu sein, denn nicht bloss ist der Stil überhaupt hier viel

härter und eckiger als jener Abälard's, sondern der Werfasser gebraucht auch als

synonym mit intellectus die Worte ,, speculationes** oder ,,visus animi**, welche man

bei Abälard vergeblich sucht. Uebrigens s. auch Anm. 432" f.

417) p. 461.: De speculationibus itaque, hoc est intellectibus, disserturi sta

tuimus .... ipsos primum a ceteris animae passionibus sive affectionibus disiungere

- - - - - deinde ipsos quoque ab invicem propriis separare differentiis, prout necessarium

doctrinae sermonum eæistimamus esse; sunt autem quinque, a quibus diligenter eos •

disiungi convenit, sensus videlicet, imaginatio, eæistimatio, scientia, ratio.

418) p. 461.: Cum sensu intellectus tum origine tum etiam nomine coniunctus

est; origine quidem, qu0d quislibet quinque sensuum rem quamlibet attractando ipsius

nobis intelligentiam m0æ ingerit .... Vocabulo etiam, .... cum videlicet sensum ver

borum dicimus pro intellectu ipsorum. p. 482.: tota humana notitia a sensibus

surgit. -

419) p. 462.: Sensus perceptio rei corporalis est corporeo indigens instrumento

.... Intellectus vero nec corporei ezercitio indiget instrumenti ... nec etiam virtute rei

eæistentis ..... Praeterea sensus nullam vim deliberandi aliquid habet .... Intellectus

esse non potest, nisi eæ ratione aliquid attendatur. -

420) p. 463.: Rationem autem dicimus vim ipsam seu facilitatem discreti animi,

qua rerum naturas perspicere ac diiudicare veraciter sufficit ..... Tantum itaque inter

rationalitatem et rationem differre arbitror, quantum inter potentiam currendi et poten

tiam facile currendi ..... Patet, intellectum tam a sensu quam a ratione diversum

*esse et eum necessario eae ratione descendere tanquam perpetuùm rationis effectum.

XIV. Anonymus De intellectibus. 207

Quelle von Begriffen sein könne, und zwar namentlich derjenigen, in

welchen wir die Eigensehaften (formae accidentales) der körperlichem

Dinge erfassen **1), und überhaupt gehe eine Einsicht (intelligentia),

welche gänzlich ohne alle Sinneswahrnehmung oder Einbildungskraft

bestünde, über die diesseitige Existenzweise des Menschen hinaus, und

auch wenn man hiebei an unmittelbare göttliche 0ffenbarung denke, so

sei dieselbe eben darum nicht eigentlich als ein begriffliches Denken,

sondern eher sofort als Wissen zu bezeichnen ***). Das begriffliche

Denken unterscheide sich so sowohl von dem Meinem (eacistimatio),

welches zwar gleichfalls nur in Urtheilen, d. h. in der Satzverbindung,

sich bewege, durch die fortschreitende Thätigkeit der vernünftigem Er

wägung ***), als auch von dem Wissen (scientia), welches als bleibende

innere Gewissheit des Geistes auch danm beharre, wenn das Meinem

oder. das begriffliche Nachdenken nicht ausgeübt werde ***).

Ist so die Thätigkeit des begrifflichen Denkens wahrhaft nach dem

Sinne des Aristoteles in die Mitte zwischen die blosse Sinneswahr

nehmung und das reine Wissen gestellt, so wird num auf solcher Grund

lage die Abälard'sche Auffassung des sermo mit einigem Modificationen

durchgeführt. Die Gedanken als Erzeugnisse des Aussagens (vgl. Anm.

314) werden ebenso, wie letzteres in dictio und oratio zerfällt (Anm.

271), in einfache und in zusammengesetzte getheili***), wobei das

unterscheidende Merkmal darim liegt, dass in ersteren der ganze Gehalt

421) p. 464.: Imaginati0 est quaedam sensus recordalio .... confusa animae

perceptio sine sensu, eius scilicet rei, quam imaginariam confusam dicimus. p. 466.:

Notandum qu0que, qu0d, cum quidam omnes imaginationes quasdam sensuum recor

dutiones esse velint, h. e. eas ea rebus sentitis solummodo haberi, Aristoteles tamen,

teste B0ethio super Periermenias (p. 298.), intellectus nostros imaginationibus minime

haberi prohibet ...... Sensus consuetudo, a qu0 omnis humana nolitia surgit, quaedam

per imaginationem ingerit animo, quae nullo modo attendimus .... utpote pleraeque

accidenlales formae c0rp0rum, quas frequenter sensibus eæperti sumus.

422) p. 467.: Fortasse iuacta Boethium (p. 296.) intelligentia, quam paucorum

admodum hominum et solius dei esse dicit, omnem et sensum et imaginationem ita

transcendit, ut sine utraque habeatur ..... Quod nequaquam iuaeta Aristotelem in hac

vita contingere credimus, nisi forte per eaccessum contemplalionis revelatio divina ali

cui fiat, magisque hunc eaccessum mentis ab Aristotele scientiam, quam intellectum,

appellari credimus. Während allerdings Boethins die aristotelischen Stellen (aus

de an.) über imaginatio anführt, scheint letztere Aetisserung über scientia nur auf

einer versprengten Notiz aus der zweitem Analytik (s. Abschn. IV, Anm. 116 ff.)

beruhem zu können.

423) p. 468.: Evistimare credere est, et eæistimatio idem quod credulilas sive

fides, intelligere autem speculari est per ralionem .... Nec ulla est eæistimatio nisi

de eo, quod propositio dicere habet, h. e. de aliqua rerum vel coniunctione vel divi

sione. Vgl. Anm. 628. -

424) p. 469.: Scientia autem neque intellectus est neque eæistimatio, sed est

ipsa animi certitudo, quae non minus absente vel evistimalione vel intellectu per

manet. Auch diess war nicht aus Boethius zu schöpfen, sondern weist auf die

Analytik zurück (s. Abschn. IV, Anm. 81.).

425) Ebend.: Nunc autem iuacta promissionis nostrae pr0p0situm ipsos ab in

vicem intelleclus superest diligenter distinguere, ut secundum eos clara fiat sermonum

discretio .... Sicut enim sermonum, qui eæcitant intellectus, ita est et intellectuum

^atura, ut videlicet, sicut sermonum alii simplices sunt, singulae scilicet dictiones,

alii comp0siti velut orationes, ..... ita et intellectus eæ sermonibus habiti .... modo

simplices sunt .... modo compositi.

208 XIV. Anonymus De intellectibus.

auf Ein Mal (Amm. 322), in letzteren hingegen mur successiv (Amm. 315)

zum Bewusstsein kömmt **"), was damn auch im Hinblicke auf den

Unterschied zwischem Namenbezeichnung und Definition (vgl. Anm. 360 ff.)

derartig ausgedrückt wird, dass die ersteren Gedanken intellectus com

iunctorum umd die letzterem intellectus comiumgentes seien, sowie ent

sprechend bei den sog. negativen Begriffen, d. h. beim nomen infinitum

(Amm. 351) die ersteren divisorum und die letzteren dividentes *?7).

Nach diesem Standpunkte wird hierauf aueh die Frage über die Einheit

der Gedanken erledigt, indem dieselbe, abgesehen von der factischem

Richtigkeit, lediglich in das Erwecken Einer geistigen Anschauung, die

Wielfältigkeit hingegen in das successive , durch Pausen umterbrochene,

Erwecken mehrerer Ansehauungen verlegt wird ***). Die Berechtigung

oder Nichtberechtigung (sanum vel cassum) der Gedanken, gleichwiel

ob sie einfach oder zusammengesetzt seien, liege in dem factischem Be

stande der Dinge ***), hingegen von Wahrheit oder Unwahrheit (verum

vel falsum) könne mur bei zusammengesetzten die Rede sein, demm hier

werde ein vom Denken erfasster Gegenstand als grammatisches Subject

(vgl. Anm. 317 f.) durch eine denkende Erwägung in einer gewissen

Verbindung oder Nicht-Verbindumg ausgesprochen, daher hier auch die

grammatisehen Verhältnisse der Verbimdung, d. h. der sog. Construction;

von Einfluss seien **"), in welcher Beziehung z. B. das disjunctive

426) p. 471.: Et hoc est, ut arbilror, differentia intellectuum dictionis et ora

tionis easdem prorsus res significantium, quod videlicet per dictionem, quae nullis

scilicet significativis partibus constat, omnia simul intelligimus, per orationem vero

eadem per successionem colligimus.

427) Ebend.: Est itaque intelleclus nominis et diffinitionis eius proprie quodam

modo idem et quodammodo diversus, idem quidem secundum effectum intelleetarum

rerum, .... diversus aulem, quia ibi omnia simul, hic succedunt ..... Et ideo hi

intellectus, qui de rebus ut iam coniumctis habetur, coniunctorum est; ille autem

coniungens est intellectus, qui per successionem progrediendo rebus prius intellectis

alias postmodum intellectas aggregat ....... p. 472.: Ita intellectus divisorum et di

videns; sicut enim ,,animal** intellectum coniunctarum rerum facit, ita ,,non animal“,

qu0d est infinitum nomen, .... divisorum facit; et sicut animalis diffinitio coniun

gentem facit intellectum, ita descriptio non-animalis dividentem ..... Sunt itaque in

tellectus coniunctarum vel divisarum rerum dictionum tantum, coniungentes vero vel

dividentes intellectus orationum tantum sunt. Betreffs des dividens vgl. oben Anm.

373.

428) p. 473 f.: Unos autem dicimus intellectus, quicunque simplices sunt vel,

si sunt compositi, in una coniunctione vel divisione seu disiunctione consistunt ....

Nec refert ad conceptionis modum vel unitatem, sive in re ita sit, ut concipitur, sive

non, sed ad conceptus solummodo veritatem; aeque enim unus est intellectus „lapis

rationalis“, qu0modo ,,animal rationale“ ..... Saepe autem contingit in uno intellectu

plures fieri coniunctiones, .... verbi gratia si dicam „homo ambulans qui currit“

.... p. 475.: Multiplicem vero intelleclum dicimus multos intellectus ab invicem diss0

lutos, ut si dicam .... ,,animal“ et postmodum paullulum quiescens addam „rati0

nale“. Vgl. hingegem Abàlard's Ansicht, Anm. 316. -

429) p. 475 f. : Sanos quidem dicimus intellectus, per quoscunque ita, ut sese

res habet, attendimus, sive illi quidem sint simplices sive compositi; cassi vero e

contrario dicuntur tam simplices quam compositi, quos frequentius opiniones vocare

consuevimus (s. Boeth. p. 305.).

430) p. 476 f.: Veros autem vel falsos intellectus dicimus eos solumm0d0, qui

c0mp0siti sunt ...... Unde bene secundum intelligentiae quoque, non tantum construc

tionis, ordinem subiectum dicimus terminum, per quem intellectu primo res substi

XIV. Anonymus De intellectibus. 209

Urtheil (welches auch hier als Species des hypothetischen betrachtet

wird, s. oben Amm. 399) im Gegensatze ge$, obiges dividens als af

firmatives Urtheil genommen werdem müsse ***). Die Betraehtung aber

der Berechtigung (sanum) der Gedanken führt nun auf die Frage, ob

denm all jenes Denken, in welchem wir die Dinge anders erfassen als

sie sind, unberechtigt (cassum) sei; und indem darauf hingewiesen

wird, dass wir im Denken durch „abstractio“ sowohl vom Stoffe ab

sehen und bloss die Form betrachten können, als auch von der indivi

duellen Erscheinung absehen und bloss das einheitlich Gleiche derselben

erfassen können, sowie dass wir umgekehrt durch „subtractio“ von der

Form absehen können, so wendet der Verfasser bezüglich der ,,abstra

ctio“, welche auf die Universalien himausläuft, jene nemlichen Ausdrücke

am, welche wir oben (Anm. 132 ff.) bei den Vertretern der Indifferenz

Lehre trafen , aber er lenkt diese Ansicht in dem aristotelischen Sinn

hinüber, indem er ausdrücklich sagt, dass das indifferens, währemd es

in der vielheitlichem concreten Erscheinung nie das Existirende ist, doch

wesentlich (essentialiter) Nichts anderes als das Individuum, sondern

gänzlich das Nemliche (penitus idem) sei und eben nur durch die Aus

sage (per praedicationem) von dem Individuen abstrahirt werde ***);

und indem er hiemit vom dem platonischen Nebenzuge, welchen die

Auffassung der Universalien bei Abälard hatte, sich völlig frei macht,

weist er entschieden dem menschlichen Denken (intelligere) es zu, die

Dinge in solchem Erfassen des indifferens eben anders zu denken, als

tuitur, quam deinde in copulatione vel remotione alicuius deliberemus .... p. 478.:

Sicut autem in e0 , quod dicitur, vis enuntiationis consistit, .... ita in intellectu

termini, qui dicitur, h. e. praedicatur, vis deliberantis intelligentiae constituitur .....

p. 479.: Non est itaque necesse, ut eaedem penitus voces in significatione idem peni

tus in conteætu constructionis valeant, de quo plenius in constructionibus prosequimur.

Den Prisciam'schen Ausdruck ,,constructio** trafen wir schon oben Anm. 263 u. 273.

431) p. 479 f.: Differt autem ab invicem dividens et disiungens intellectus, quod

dividens intellectus negationis est, .... disiungens vero affirmationis, ... eae pluribus,

quae mente concipit, unum tantum constituit, ut ... quicunque sunt hypotheticarum

disiunctarum inlellectus. -

432) p. 480 f.: Illud quoque inquiri ac diffiniri necessarium iudico, utrum

omnis intelleclus aliter quam res sese habeat attendens cassus ac vanus dicendus sit

.... Per abstractionem autem illos dicimus intellectus, qui vel naturam alicuius for

mae absque respectu subiectae materiae in se ipsa speculantur, vel naturam quam

libet indifferenter absque suorum scilicet individuorum discretione meditantur .... Cum

naturam humanam, quae singulis inest hominibus, ita indifferenter considero, ut nul

lius hominis personalem discrelionem attendam, h. e. simpliciter hominem eæcogito,

in e0 scilicet tanlum, qu0d h0m0 est, i. e. animal rationale mortale, non etiam in

eo, quod est hic homo vel ille, universale a subiectis abstraho individuis. Sit ita

que abslractio superiorum ab inferioribus, sive scilicet universalium ab individuis

per praedicationem subiectis, sive formarum a materiis per fundationem subiectis.

Subtractio ver0 e contrario dici potest, .... cum aliquis subiectae naturam essentiae

absque omni forma nititur speculari. Uterque autem intellectus, tam abstrahens sci

licet quam subtrahens, aliter quam res se habet concipere videtur .... p. 482.: Nus

quam enim ita pure subsistit, sicut pure concipitur, ... et nulla est natura, quae

• indifferenter subsistat, sed quaelibet res, ubicunque est, personaliter discreta est at

que una numero reperitur .... Humana natura in hoc homine, i. e. in Socrate, quid

aliud est quam ipse? Nihil utique aliud, sed idem penitus essentialiter ....... Tota

humana notitia a sensibus surgit; ac per hoc insensibilium rerum status ad modum

sensibilium eæcogitare ipsa nos sensuum eæperimenta compellunt.

P R A N t l, Gesch. II. 14

210 XIV. Anonymus De intellectibus.

sie in der concreten Erscheinung sind, was natürlieh nicht damit zu

verwechseln sei, wenn das Denken eine factische Unrichtigkeit ent

halle *°°). Aber auch. die Kehrseite jener Frage wird erörtert, nemlich

ob alles Denken, welches die Dinge erfasst, wie sie sind, ein berech

tigtes sei; und es dreht sich die Beantwortung um die Widerlegung

oder Lösung eines Fehlschlusses, welcher damals in dem Schulen unter

dem Namen des „Esels-Beweises“ (s. Amm. 113) üblich gewesen zu sein

scheint und auf folgenden Witz himauslief: Wer denkt, dass Sokrates

ein Esel ist, denkt, dass ein gewisses lebendes Wesem (memlich Sokra

tes) ein Esel ist; da aber ein gewisses lebemdes Wesen wirklich ein !

Esel ist, so denkt Jener richtig 484). Uebrigens bringt der Werfasser

bei seiner Besprechung der Denkthätigkeit auch noch eime Unterschei

dung bei, welche im Vergleiche mit Abälard in Bezug auf Feinheit ünd

Tiefe der Auffassumg als ein Fortschritt bezeichnet werdem muss: nem

lich das begriffliche Demken (intelligere) überhaupt unterscheide sich

von dem begrifflichen Denken eines speciellem 0bjectes, denn bei letz

terem erhalte in dem blossen Erfassem des 0bjectes das geistige, Schauen

an dem 0bjecte seime Bestimmtheit und seinem Abschluss, und ebenso

reiche auch das Bezeichnen (significare), indem es das begriffliche

Denken .erwecke, über die Einzel-Bezeichmumg eines 0bjectes' hinaus,

ila letztere in einem hestimmt abgeschlossenem Denken verweile *°°).

433) p. 483 f.: Cum dico ,,intelligo istam rem aliter quam sit“, duo sunt

sensus: unus quidem huiusmodi, si ita dicam, quod alius modus sit in intelligendo

rem, alius in subsistendo, i. e. alius modus sit in intelligenlia eius, alius in sub

sistentia ipsius .... Alius vero sensus, si ita dicam „intelligo hanc rem aliter quam

sit“, i. e. in statu alio eam attendo, quam ipsa in se. habeat, vel quocunque m0d0

aliter se habentem quam sese habeat ..... Sic utique quaestio supraposita potest in

telligi .... et secundum diversos sensus diversae sunt dundae responsiones, Si enim

ita quaeratur, utrum omnis intellectus, qui alium modum attendendi habet, quam res

subsistendi, vanus sit, non est concedendum. Aus dieser ganzen Erörterung geht

hervor, dass Cousin zu worschnell war, wemm er diese Schrift für ein Werk Abà

lard's hielt.

434) p. 482 f.: Aliam propositi nostri partem persequamur, utrum videlicet

Omnis intellectus sanus sit dicendus, qui ita ut sese res habel eam intelligit. Quod

... habet nonnullam impugnationem. Quippe qui hunc hominem asinum esse intelligit,

. intelligit et ipsum esse animal et quoddam animal esse asinum, quae utraque

vera sunt;...... c0ncedendus est inlelligere, esse animal, cum in asino necesse sit

animal substantiam intelligi ..... Ac per hoc profecto, qui intelligit, hunc hominem

esse animum, verum intelligere convincitur ..... p. 485.: Non est audiendus.; cum

enim h0c nomen ,,asinus“, quia simpleae est sermo; simplicem habeat intellectum et

n0n eæ partibus coniunctum, n0n p0ssumus in praedicatione eius intellectus diver

sarum enuntialionum distinguere ..... 0biici solet, quod omnis, qui intelligit Socra

tem esse asinum , intelligit quoddam animal esse asinum, et omnis qui intelligit

. quoddam animal esse asinum, intelligit verum, et ita omnis, qui intelligit Socratem

esse asinum, intelligit verum. Facile responsum damus, quod videlicet, si medius

terminus in eodem sensu sumatur, firma sit omnino compleacio.

435) p. 487.: Non est necesse, ut si alicuius intellectus conceptus habeam,

quoquo modo ideo illud intelligere dicar; et licet intelligere simpliciter sumptum sit

ab intellectu, non tamen intelligere hoc sumptum est ab intellectu huius rei, cum

videlicet .... intelligere hoc non sit simpliciter hunc intellectum habere, sed sic eum

habere, ut insuper visus animi terminetur ibi ac perficiatùr. Nam et significare idem

est quod intellectum constituere, non tamen significare aliquid idem est quod intel

lectum de eo constituere. Alioquin , cum singuli sermones intellectus quoque sicut et

XIV. Anonymus De intellectibus. Adam v. Petit-Pont. 211

So können auch die , sensualistischen Nüancem des Nominalismus eben

von diesem Standpunkte aus bekämpft werden, dass die Denkthätigkeit

in freier Erwägung in sich selbst fortsehreite 4°°), und es wird diese

Selbslständigkeit des Denkens gegenüber dem factischem Bestande noch

an einigen anderweitigem Beispielem machgewiesen *°7). Eine: hierauf

folgende Erörterung über die Eintheilung des Seiendem in Substanzen

und Accidentien wurde ihrem Hauptkerne mach schon obem, Anm. 191,

angeführt. Endlich aber wird in kurzer Andeutung die Frage über die ,

Universaliem (s. oben Anm. 74) derartig erledigt, dass sowohl den Rea

listen die nothwendige Consequenz einer ins Unendliche fortgesetztem

Einschaehtlung der Formen als auch dem Nominalistem der Mangel an

Ideal-Sinn vorgeworfen wird ***), und bezüglich der Formen die Abä

lard'sche Ansicht die Zustimmung des Verfassers erhält 4°°).

In der stärkerem Betonung der Lehre vom Urtheile mochte vielleicht

mit Abälard auch A d a m v o n P e tit- P o n t übereinstimmen **"), wel

chen wir als einen Bearbeiter der ersten Analytik schon oben (Anm.

20) erwähnen mussten, sowie eine unten (Amm. 522) anzuführende

Stelle gleichfalls einen Beleg enthält, dass er jenes Werk benützte.

res significare dicuntur, non tamen ideo de intellectibus rursum alios intellectus con

stituunt. -

436) p. 488., woselbst nach den oben, Amm. 77., angeführten Wortem folgt:

Quod omnino falsum apparet .... Cum itaque dicimus ,,homo intelligitur“, hic est

sensus, qu0d aliquis per intellectum naturam concipit humanam, h. e. animal tale

altendit ..... p. 489.: Ea natura tamen ipsius sensus, qui, nisi in aliquam rem

eæistentem agat, eaeerceri non potest, concedendum arbitror, quod si quis hominem

sentiat, hunc vel illum sentiat. At vero intellectus non minus haberi potest etiam,

si res non sit, quia et eorum , quae iam praeterita sunt, memoria recordamur et,

quae futura sunt, per providentiam iam c0ncipimus et, quae nunquam sunt, non

nunquam 0pinamur atque fingimus, ut chimaeram, centaurum, sirenem, hircocervum

(s. Boelh. p. 296., Abschn. XII, Anm. 110.).

437) p. 489 f.: Quaerit etiam illud fortassis aliquis, cum audio ,,omnis homo“,

utrum intelligam omnem hominem, vel cum dicitur de aliquibus duobus, quod ,,alter

eorum currit**, utrum intelligam alterum eorum currere, vel cum dicitur ,,chimaera

quae est alba“, utrum intelligam chimaeram, quae est alba, sicut cum audio ,,chi

maera** intelligo chimaeram, nec non etiam, utrum cúm audio hoc nomen „non in

telligibile“, intelligam non intelligibile. Hiebei wird damn p. 490—492. überall ge

zeigt, dass mit dem ,,intelligo** durchaus nicht das aüsserlich factische Sein mit

gegeben sei.

438) p. 494.: Qui autem formas universaliter essentias esse volunt, si rati0

nabiliter ugant, inquiramus ; et primum inquirendum videtur, si concesserint, unum

praedicari de unaquaque, sic quoad praedicationem suam (der Text, welchen Cou

sin gibt, ist unverständlich) unitatem inesse illi de quo praedicatur, innuant. Quod

si concesserint, Socratem habere unitatem, cum unus sit, concedere debent, et uni

tatem Socratis habere unitatem formam sui, cum una sit, et illam aliam, et sic

tanta multiplicitas fiet, quod in natura numerus non occurrat (s. untem Anm. 477.)

- - - - - p. 495.; Illi autem qui non asserunt essentiam nisi substantias, fortasse vere

virtutes et vilia et colores aliquid esse denegabunt; sed quam recte id faciant, sa

pienles iudicent.

439) S. die schon oben Anm. 300. angeführte Stelle.

440) Er war aus England gebürtig, trat als Lehrer des Triviums in Paris

auf, wo er seine Schule in der Nähe von Petit-Pont hatte, und wurde später Bi

schof von St. Asaph in Nord-Wales. Dass er in der Theologie ein Gegner des

Gilbertus Porretanus war, berichtet 0tto Fris. de gest. Frid. I, 51, p. 436, Urstis.

14*,

212 XlV. Adam v. Petit-Pont.

Wohl würde es durch eine solche Thätigkeit sich erklären, dass Adam

zu den Neuérern gehörte und somit über Diejenigen lachte, welehe Alles

in die lsagoge hineinpfropften (s. Anm. 56 ff.), aber er scheint dennoeh

nach dem Sprichworte, dass man mit den Wölfen heulen müsse, ver

fahren zu sein ***) und wenigstens als Lehrer mit ziemlicher Affectation

' im Aeusseren doch mur allbekannte Dinge vorgetragen zu haben ***),

wobei er wohl auch in eitler Prahlerei Manches als eigene neue Er

findung ausgeben mochte ***). Won seiner schon oben, Anm. 20, ge

nannten ,,Ars disserendi“ gab Cousin einige kärgliche Bruchstücke, mit

welchen uns wahrlich wenig gedient ist ***). Wir ersehen nemlich

daraus nur, dass Adam in der Einleitumg eine eigenthümliche Unter

scheidung aufstellte, wornach das Wissen (scientia) auf geistiger Be

gabung allein (vgl. ohen Anm. 422), die technische Durchführung aber

(ars) auf Begabung und Uebung, und die Gewandtheit (facultas) auf

Begabung, Uebung und Technik beruhe **°), sowie dass er von dem

Urtheile ausgegangen zu sein und innerhalb desselben dem sachlichen

441) Joh. Saresb. Metal. III, 3, p. 129. (ed. Giles): Plane magis dedocent

quam erudiunt, qui in hoc libello (d. h. in der Isagoge) legunt universa et eum

brevitate sua contentum esse non sinunt; quidquid alicubi dici potest, hic congerunt

.... Deridebat eos noster ille Anglus Peripateticus Adam, cuius vestigia sequuntur

multi, sed pauci praepediente invidia profitentur; dicebatque se aut nullum aut audi

tores paucissimos habiturum, si ea simplicitate sermonum et facilitale sententiarum

dialecticam traderet, qua ipsam doceri eæpediret.

442) Walter Mapes (s. untem Anm. 525.), Metamorph. Goliae, v. 193 ff. (ed.

Th. Wright p. 28.): Inter hos et alios in parte remota Parvipontis incola, non lo

quor ignota, Disputabat digitis directis in iota, Et quaecunque diverat, erant per ;

se n0ta.

443) Joh. Saresb. Enthet. v. 49 ff., woselbst mach den oben Anm. 59. ange

führten Wersen folgt: Incola sum modici Pontis novus auctor in arte, Dum prius

inventum glorior esse meum; Quod docuere senes nec novit amica iuventus, Pectoris

inventum iuro fuisse mei; Sedula me iuvenum circumdat turba putatque Grandia

iactantem nonnisi vera loqui.

444) Cousin, Fragm. phil. (s. Anm. 416.) 2. Aufl. (1840), p. 417 ff. (Aufl. v.

1855, p. 333 ff.). Abgesehen von dem äusserst corrupten Texte der Handschrift,

am welchem alle Wersuche einer Exegese scheitern, ist auch die Masse des Mitge

theilten doch allzu gering. Dass aber das Werk Adam's für uns von Wichtigkeit

sein müsste, sieht man aus folgendem Anfange des 2. Buches, welcher eine Reca

pitulation des 1. enthält und bei Cousin (p. 423.) lautet: Ad prioris a sequenti

libro distinctionem (Cousin's Text hat sit distinctiones), quid in hoc dicendum, quid

in illo dictum, interserere (scheint licet oder dgl. ausgefallen zu sein). De quo et

ad quid et qualiter artis disserendi institutio, praemonstravimus; a quibus disserendi

principium in eorum principiis duplicem, in ipsis dupliciter duplicem disserenti at

tentionem praescripsimus, de quo dicat et qualitèr id designet; post principia item

duplicem, quid de eo dicat et qualiter id designet; de quibus autem dicat, primo

in quatuor, denique distinctius distinacimus, et eae hoc principiorum genera, quae

sunt et ad quae, docuimus. Nemlich so unverständlich' diese Worte auch grossen

theils sind, so blickt doch eine ganz eigenthümliche Gliederung des Ganzen durch.

445) p. 419.: Principium propositi, de quo et ad quid et qualiter ars disse

rendi instituenda, dicere; propositum autem, de eo et ad id et sic artis rationem

instituere. Erit autem, qualiter artem institui conveniat, cognito eius initio mani

festius ..... Innotescat igitur, quoniam initium non idem scientiae et artis et facul

tatis disserendi; id autem innotescet, eæ quibus- horum initia, cognito; sunt autem

ea, tribus: ingenio, usu, arte ..... Scientiae enim disserendi eae ingenio absque ce

teris initium; artis autem eæ hoc et usu; facultatis autem eae his et arte.

XIV. Robert Pulleyn. Peter v. Poitiers. 213

Inhalt und die sprachliche Form unterschieden zu haben scheint**®).

Einen Schüler Adam's werden wir untem (Anm. 522) treffem.

Während num auf solche Weise, wie wir uns bisher hinreichend

überzeugen konntem, die Dialektik in reicher Fülle als specielle Dis

ciplin eine ausführliche Pflege fand, fehlte es um die Mitte des 12.

Jahrhundertes auch nicht an Solchem, welche lediglich von der Theo

logie aus gelegentlich auf. logische Momente stiessen und danm in der

üblichen Weise mit dem platonisch-christlichen Realismus es sich ziem

lich bequem machtem oder die Unvereinbarkeit der Logik und der Glau

bens-Mysteriem aussprachen. So erwähnt Robert Pu Ileyn (er lehrte

in Paris und in 0xford, starb im J. 1154), welcher vor keiner dogma

tischen Consequenz zurückscheut, sondern Alles und Jedes zu construi

ren versucht, bei seinen Erörterumgen über die Trinität auch Ansichtem

der Dialektiker, wobei wir theils Wilhelm v. Champeaux theils Abälard

wiedererkennen **"); er selbst jedoeh, in der Ueberzeugung, dass hierin

die Dialektik ein vergebliches Unternehmen sei 44°), schaukelt sich ab

sichtlich von Zugeständnissen aus, welche uns an die lndifferenz-Lehre

'erinnern, in einem völligen Skepticismus hinein, indem er verschiedene

Partei-Stellungen der Logik gleichmässig als berechtigt zugesteht und

zuletzt bei dem blossen gewöhnlichen Sprachgebrauche bezüglich der

Universalien stehen bleibt 449). Und während Petrus v o n Poi tier s

446) p. 421.: Principium disserendi ab interrogatione vel enuntiatione. Quo

niam igitur ab ipso disserendi principio docendi disserere propositum inchoari con

veniens, , sic de iis docendi disserere principium, a quibus est disserendi ..... Est

igitur enuntiatio veri vel falsi dictio ut ad disserendum; interrogatio vero quid sit,

notius est quam ut diffiniri oporteat ..... p. 422.: Duplicem utrinque consideratio

nem adhibendam instituimus , alteram eorum, de quibus et quae dicuntur, alteram

verborum, quibus ea de illis. Quoniam enim, quae consideratione percipiuntur, verbis

designari aeque conveniens, de quo et quibus enuntietur vel interrogetur, eæ arte

considerato, qualiter secundum locutionem utrumque ut ad disserendum designari con

veniat , non minus attente considerandum.

447) Rob. Pulli Sentent. I, 3 (ed. Mathoud, Paris. 1655 fol.), p. 33 a.: Dicet

dialecticus: Species est tota substantia individuorum totaque species eademque in sin

gulis reperitur individuis; itaque species una est substantia, eius vero individua

multae personae et hae multae personae sunt illa una substantia, nam secundum Por

phyrium omnes homines participatione speciei sunt unus homo (diess ist die Ansicht

Wilhelms v. Champeaux, s. Anm. 105.).... Sed dices: Sunt nonnullae formae gene

rum, quae ea nequaquam ducunt ad esse specierum; sunt quoque proprietates per

tinentes ad substantiam, sed non efficiunt personam (so Abälard, s. Anm. 300 f.).

448) Ebend.: Dialectice, obscuro obscurum incredibili creditum solvere quaeris;

nihil proficis. -

449) Ebend. p. 35 b. : 0mnem rem vere informem discretione cogitatuum , non

varietale formarum, distinguimus; haec enim est vis mentis, ut concipiat diversis

modis rem licet formis non diversam (diess trifft wörtlich mit dem ,,diversis modis

attendere** der Indifferenz-Lehre, s. Anm. 133., zusammen). Quod dico, difficile

est videre, difficilius eæplanare. Nam concolores per quid inter se conveniunt, per

quid a discoloribus differunt, si accidentia non sunt? An , ut quidam aiunt, conve

niunt et differunt, sed in nullo, ut albi similantur (diess wäre Abälard's ,,consi

mile**, s. Anm. 299. u. 307.); sed in quo? An in participatione speciei? Sed ratio

evincit, universalia non esse (diess beruht ' auf dem Ausspruche ,,res de re non

praedicatur*', . s. Anm. 132. u. 287., oder stimmt mit Johannes v. Salesbury über

ein, s. Anm. 590.). An in dividua albedine? Sed singuli cernuntur suam, non al

terius, habere (so die Nominalisten, s. Anm. 78.). Verumtamen sibi similes esse

214 XIV. Peter w. Poitiers. Robert v. Melum.

(ein Schüler des Petrus Lombardus, blühte um 1160—1170) gleichfalls

gegen die Anwendung der Dialektik auf die Trinitäts-Frage protestirte *°°),

knüpfte er dennoch viele seiner Erörterungen an Pseudo-Boethius De

Trinitate (s. Anm. 35 ff.) am, und zwar mit der komischen Bemerkung,

jene Schrift sei mehr philosophisch (!) als theologisch , und mam dürfe

daher durch dieselbe sich micht irreleiten lassen *°'); auch zeigt die

Untersclieidung der Substanz als Subject und der Substanz als Form,

sowie die Unterscheidung der substantiellen Form als einer das Indivi

duum erzeugenden und als einer die Artem und Gattungen hervorrufen

den mur den rohesten platonisch-theologischen Realismus *°*). Desglei

chen findet sich bei seinem Zeitgenossen R o b e r t v o n M elu n, dessen

äusserliche Gewandtheit in der Dialektik sehr gerühmt wird *°°), nur

der ontologische gewöhnliche Realismus, welcher theoretisch zu stumpf

ist, um auf die logischen Momente überhaupt einzugehen, oder, wo er

solches thut, sich eben blamirt, wie z. B. wenn gegen die Einheitlich

keit der Bedeutumg, welche in „est“, und jener, welche in „ens“ liegt,

polemisirt wird ***). Zu verwundern aber ist es demnach nicht, wenn

liquet, quia, licet diversas, habent tamen albedines. Sed si formas tollimus, unde

similes? Si sic dico, in consuetudine loquor, autores tam divinos quam mundanos

videor habere adversos.

450) Petri Pictav. Sentent. I, 32 (ed. Mathoud, Paris. 1655, fol.), p. 93 a.:

Non videtur ergo transferenda conversalio dialecticorum ad huiusmodi propter incon

venientia .... 33, p. 94 b.: Quod ergo dicit Johannes Damascenus (s. Abschn. XI,

Anm. 170.), non ita accipiendum, ut universalia et individua ita accipiantur sicut

in philosophicis disciplinis .... Si quaeratur, an hoc praedicabile ,,deus“ sit univer

sale vel individuum, neutrum hic admittendum. Und dennoch wurde auch " er ver

ketzert, s. Anm. 478.

451) Ebend. I, 4, p. 8 b.: Ideo imponitur Boethio, quod illam diffinitionem

(d. h. der persona) magis posuit ut philosophus, quam ut theologus. 32, p. 93 b.:

Sed nostri theologi plerique non habent illam diffinitionem pro authentica, quia magis

fuit philosophus quam theologus et magis ad probabilitalem locutus est quam ad

veritatem.

452) Ebend. I, 6, p. 12 a.: Substantia a substando dicitur ipsum subiectum,

quod substat formis, sive sit corpus sive alia res; substantia a subsistendo dicitur

forma, quae adveniens subiecto illud subsistit, i. e. sub se et aliis formis sistit, i.

e. substare sibi et aliis facit, sicut imago sigilli ceram ...... Sed substanlialis

forma dupleæ est, vel quae facit ,, quis“, et talis est omnis individualis proprietas,

i. e. individuo et proprio nomine, ut Platonitas, cuius participatione Plat0 est quis;

vel quae facit ,, quid“, ut speciale vel generale, i. e. quae speciali vel generali n0

mine significatur, ut humanitas, animalitas, cuius participatione Plato est quid, non

ver0 quis.

453) Joh. Saresb. Metal. II, 10, p. 78 f. (ed. Giles): Sic ferme toto biennio

conversatus in monte (d. h. Sanctae Genovefae) artis huius praeceptoribus usus sum

Alberico (s. unten Anm. 521.) et Roberto Melidunensi, ut cognomine designetur, quod

fmeruit in scholarum regimine, natione siquidem Angligena est, quorum alter .......

Alter autem (d. h. Robert) ini responsione promptissimus subterfugii causa propo

situm nunquam declinavit articulum, quin alteram contradictionis partem eligeret aut

determinata multiplicitate sermonis doceret, unam non esse responsionem ..... in re

sponsionibus perspicaa;, brevis et commodus.

454) Ausser jenem, was bei Bulaeus, hist. univ. Par. II, p. 264. sich findet,

hat Hauréau , de la phil. scolast. I, p. 333 ff. noch Mehreres aus Handschriften

mitgetheilt; aus Letzterem kann, da alles Uebrige unseren hiesigen Zweck nicht

berührt, bezüglich eines logischen Punktes folgende Stelle (p. 333.) angeführt

werden: Has vero voces ,,est“ et ,,ens'* eiusdem esse significationis, omnes philo

XIV. Gilbert Porretamus. 215

die Schüler dieses Robert über die aristotelische Topik als ein umbrauch

bares Buch schmähten (s. oben Amm. 29). ` .

Hingegen hal bei Gilbert u s P o r r et a m u s (geborem in Poitiers,

daher auch Pictaviensis genannt, gestorben i. J. 1154) das theologische

Gezänke über die Trinität zu einer ganz bestimmten logischen Auffassung

bezüglich der Universalien Veranlassumg gegebem, und wir müssen daher

ausser der Schrift De seae principiis, welche in den mächsten Jahrhun

derten für sehr bedeutend gehalten wurde, auch den Commentar dessel

ben zu Ps.-Boethius de Trinitate *°°) näher ins Auge fassem. Dass

Gilbert bereits die aristotelisehe Analytik kannte, wurde schon oben

(Anm. 21) erwähnt; jedoch macht er, abgesehem von jenem Citate, in

der That keinem weiterem Gebrauch von einer inneren Kemntniss der

dortselbst enthaltemen Principien, sondern bewegt sich nur in dem enge

rem Umkreise der allgemein üblichen Schul-Logik *°°). Während auch

er uns das eigenthümliche Schauspiel des Widerspruches zeigt, mit

allem Aufwande logischen Scharfsinnes über die Trinität zu discutiren

(s. jedoch Anm. 478) und dabei zugleich eine durchgängige Scheidung

Gottes und des matürlichen Gebietes festzuhalten, scheint er allerdings

über Aufgabe und Stellung der Logik durchaus in sich selbst nicht klar

gewesen zu sein. Es lässt sich bei ihm das ontologische und das

logische Gebiet nieht einmal in jener Weise wie bei Abälard auseinan

derhaltem, sondern trotz all seinem realistischem Grundtone acceptirt er

völlig naiv und nnbedenklich die Function des menschlichen Sprachaus

druckes ; denn die Erweckung des Gedankens verlegt er, einen Salz

des Boethius wiederholend, ganz gleichmässig in die Eigenthümlichkeit

der Dinge und ebensosehr in die feste Bedeutung der Worte *°'), und

wemn er auf die memliche Weise die Qualität des Urtheiles in der Ab

folge der -Dinge und der Worte oder in der Modalität des Ausdruckes

fimdet, — was uns an Abälard erinnern könnte, s. Anm. 318, 327,

330 —, und somit die Aufmerksamkeit auf die Sprachform einschärft ***),

so stellt er wieder den philosophischen Gehalt, welcher auf die Eigen

thümlichkeit der Dinge (proprietas rerum) geht, sofort meben die der

sophicae clamitant scripturae; in istis ergo locutionibus ,,mundus est ens“, „mundus

est**, terminis oppositis idem significatur ; sed nullus tanta amentia ignorantiae ea

caecatus est, qui aliquam harum vocum ,,essentia, est, ens“ in illa significatione

retenta, in qua creaturis convenit, deum vel essentiam divinam significari praesumat

u. S. W. -

455) Gedruckt in Boethii 0pera ed. Basil. 1570, p. 1128—1273.

456) So erwähnt er z. B. p. 1185. den Unterschied zwischen Syhlogismus und

Enthymema, p. 1187. ,,dialecticorum, topica generalis omnibus nota*, p. 1225. ,,re

gula dialecticorum de conversione“, p. 1187. ,,conceptio communis“, p. 1224. „com

çeptus non entis“ (z. B. Centaurem), p. 1226. nihil als fomen infinitum, u. dgl.,

ufid auch die Erwähnung der sechs Sophismen (p. 1130.) kann er aus der nem

lichen Quelle wie Abàlard (s. obem Anm. 7.) geschöpft haben,

457) p. 1131.: Cum in aliis intelligentiam ea citet rei certa proprietas aut

certa vocis positio, etc. ..... p. 1132.: Tria quippe sunt, res et intellectus et serm0;

res intellectu concipitur, sermone significatur (Boeth. p. 296., s. Abschn. XII, Anm.

110.).

'is, p. 1130.: Qualitas autem orandi vel in rerum atque dictionum consequen

tia vel in earundem tropis attenditur. p. 1268.: Quia omnis dictio diversa significat,

quid et de quo diligens auditor attendit. .

216 XIV. Gilbert Porretanus.

Logik anheimfallenden Verhältnisse der Aussage (loquendi rationes) und

zugleich neben die grammatischen, die sophistischen und die rhetori

schen Momente hin 4°°).

lst so Gilbert in den Fragen über das Verhältniss des objectiv

0ntologischen zu dem subjectiv Logischen selbst noch naiver, als Scotus

Erigena gewesen war, so ist es hingegen nach der ersteren Seite der

Begriff der Substanz, durch welchen er in dem Streite über die Uni

versalien eine Parteistellung einnimmt; und wenn dieselbe uns wesent

liche Berührungspunkte mit anderem Ansichten zeigen wird, so ist diess

el)en ein neuer Beleg dafür, dass die Parteien in mannigfachen Knoten

punkten sich kreuztem. Gilbert nemlich unterscheidet an dem Begriffe

der Substanz, welcher in allumfassender Weise als höchster Gattungs

begriff von allen, sowohl körperlichen als unkörperlichen, Wesen gilt,

mach dem Standpunkte der theologischen Terminologie (d. h. des Ps.

Boethius) zwei Seiten, wornach bei einem Wesen sowohl dasjenige,

was es ist (quod est — subsistens), als auch dasjenige, wodurch es

ist, was es ist (quo est — subsistentia), als seine Substanz bezeichnet

wird 4°°). In letzteres aber num, nemlich in die Subsistenz, verlegt er

in einer eigenthümlichen Weise dasjemige, was wir bei Scotus Erigena

als die „Natur der Dinge“ (vor. Abschn. Anm. 105 u. 427) und bei

dem Werfasser der Schrift De gen. et spec. als „una creatura* oder

„similis creatio“ (oben Amm. 159 u. 163) trafen; nemlich er definirt

Natur kurzweg als den die Wesen formenden artmachenden Unterschied,

und indem er es ablehnt, ein Subsistirendes oder etwa auch die Gattung

oder Art als Natur zu bezeichnen, sagt er, die Natur oder Dasjenige,

459) p. 1246.: Ne ergo lectorem decipere possit aliqua dictio, quae, cum sen

sum aurium sono eaccitat, in quacunque oratione ponatur, offert menti, quaecunque

significat, rerum proprietatem, quam apud philosophos didicit, recolat et loquendi

rationes, quas logica ministrat, attendat atque ovvtt:£uv ev grammalicorum, λέιν

eae dialecticorum seu sophistarum, άηαιν eae rhetorum locis considerans de tot signi

£#; id, quod ad propositum pertinet, convenientium illi rationum adminiculis

eligat.

460) p. 1152.: Hoc nomen, quod est ,, substanlia“, non a genere naturalium,

sed a communi ratione omnium, quae sunt esse, subsislenlium inditum est non solum

illis , quae sunt esse, i. e. subsistentiis, sed etiam illis, quorum ipsae sunt esse,

i. e. omnibus subsistentibus ; quoniam tamen omnium, i. e. corporalium et incorpora

lium, sübsistentium, quod ab illorum subsistentia communi generalissimum esse, no

men non habetur, saepe latini hoc pro eo ponunt; unde et in Isagoge Porphyrius

(Boeth. p. 68.), ubi ait ,, substantia est quidem“, supponit ,,et ipsa est genus“,

quem iste (d. h. Ps.-Boeth. de Trin.) sequitur, pro omnium subsistentium generalis

sim0 ait ,, substantia“. p. 1151.: Error, .... nescire huius nominis, quod est ,,sub

stantia** multiplicem in naturalibus usum, videlicet non modo id, quod est, verum

etiam id, quo est, hoc nomine nuncupari. p. 1161.: Non enim subsistens tantum,

sed etiam subsistentia appellatur substantia, eo quod utraque accidentibus, diversis

tamen rationibus, substant. Subsistens igitur est substantia, non qua aliqua rerum

est aliquid, nihil enim subsistente est aliquid, sed est illa substantia, quae est ali

quid; subsistentia vero est substantia, non cui quid nitatur, quo ipsa aliquid sit,

sed qua solum subsistens ' est aliquid. Es wäre unrichtig, wenn man in dem Aus

drucke ,,id, quod est** das quod als grammatisches Subject nähme; es ist Prädicat,

denn die Formel für die cohcretem Dinge gestaltet sich folgendermaassen: res

;;;*** sunt esse subsistentiarum, d. h. Dasjenige, was ist, ist das Sein seines

esens.

XIV. Gilbert Porretanus. 217

wodurch Etwas sein Sein hat, d. h. die Subsistenz, liege in dem sub

stantiellen Formen (formae substantiales) und denjenigen qualitativen

und quantitativen Bestimmtheiten, welehe mit denselben verflochten

seien *°'), — eine Auffassung, welehe er im Sinne des Realismus auch

auf die Natur des Individuum-Seins derartig ausdehnt, dass er z. B. in

dem Plato-Sein (Platonitas), welches hiemit gleichfalls eine Subsistenz

ist, auch dem Grund der Individualität des Leibes Plato's erblickt 4°?).

Aber jene „substantiellem Formen“, mit welchem moch anderweitige Eigen

schaften verflochten sind, erhalten nun ihren eigentlichen Umkreis in

den concreten Dingen, denn eine Form wohl sei auch das Wesem

Gottes, und Formen seien die platonischen Ideen der Dinge als Urbilder

derselben, Formen emdlich seien auch die mathematischem Verhältnisse

der Figur, aber in all diesen dreiem Bedeutungen sei Form ein Imima

terielles, hingegen jene Form, welche als das Sein der subsistirenden

Dinge der Grund dessen ist, dass sie sind, was sie sind, und hiemit

als Stoff Desjenigen auftritt, was mit ihr sich verflicht, sei eben darum

nicht immateriell, sondern hier seien Form und Stoff vereinigt *°°). In

dieser letzteren Sphäre aber nun, welche auch die des Werdens und

der Bewegung sei, könne die geistige Auffassung des Menschen auf

461) p. 1231.: Haec igitur est propria naturae significatio, quae diffinietur,

i. e. secundum quam significationem natura diffinietur hoc modo: Natura est unam

quamque rem informans specifica differentia ; secundum hanc diffinitionem nullum

principium, nullum subsistens corporeum vel incorporeum, nullum genus vel species

sul)sislentis, nullum omnino accidens appellatur natura, sowie die 'kurz vorhergehen

den Worte: naturae nomine monstrare cupientes rerum , quae generibus et speciebus

suis sunt aliquid, vel gemerum ipsorum atque specierum substantialem proprietatem,

qualis est v. g. , rationalitas. p. 1255 f.: Natura enim subsistentis est, qua ipsum

subsistens aliquid est; hae vero sunt substantiales formae et quae illis in ipso sub

sistente adsunt qualitates et mensurae ..... quoniam sunt aliae verioris nominis

subsistentiae, quae "nunquam a subsistente recedentes perpetuae vocantur. Hiezu

Anm. 486. -

462) p. 1128.: Est enim proprium naturalium, qu0d sicut numero diversorum

proprietates diversae sunt, ita quoque subsistenliae numero sunt diversae , et qu0d

una singularis subsistentia nonnisi unum numero faciat subsistentem, ut Platonis et

Ciceronis n0n solum accidentales proprietates, verum etiam substantiales, quibus ipsi

sunt (v. g. vel diversa corpora vel diversi homines) diversae sunt, et quaecunque

singularis proprielas Platonem corpus esse vel hominem, eadem nullum alium esse

facit idem. -

463) p. 1138.: Forma quoque multipliciter dicitur. Nam essentia dei, qu0

opifice est quidquid est, ..... prima forma dicitur. Quatu0r quoque sincerae sub

stantiae, ignis, ' aer, aqua, terra, non quidem quae in sylva (d. h. ύλm) muluam

concretionem habere praedicta sunt, sed quae eae sylva et intelligibili specie sunt .....

eaeemplaria eorundem corporum, ίδεαι graece, latine vero formae cognominatae sunt.

Illud etiam quorumlibet subsistentium quodlibet esse, ea, qu0 unumquodque eorum est

aliquid, et quod eorum, quae sibi adsunt, materia est, eorundem subsistentium dici

tur forma, ut corporalitas omnium c0rp0rum. Dicitur etiam forma illud quartum

genus qualitatis, quod est corporum figura ..... Ex his manifestum est, quod mate

riarum alia informis et ideo simpleæ, ut ίλη, alia formata et ideo non simpleæ,

ut c0rp0ra ..... Quae vero sunt esse subsistentium, et materiae dicuntur et formae.

- - - - - Similiter formarum alia nullius materiae, ut opificis essentia, qua ipse vere est.

.... Illae quoque sincerae substantiae, quae c0rp0rum ezemplaria sunt, sine materie

formae sunt ...... Quae vero sunt subsistentium esse, sicut iam dictum est, n0n

modo formae sed etiam materiae nuncupantur. Figurae vero sensilium ..... formae

tantum cognominantur et non materiae.

218 XIV. Gilbert Porretanus.

Grundlage der Simmeswahrnehmung und des Gedächtmisses (vgl. obem

Amm. 418 ff.) die an sich umabstracten und concret gewordemen For

men des natürlichen Seins (inabstracta, concreta, nativa) dureh eine

andere Betrachtungsweise abstract erfassen — abstractim auendere —*"*),

und sowie bei der Erkenntniss des Göttlichen. ein intellectuelles Ver

fahren, betreffs der mathematischen Formen aber ein disciplinäres Wer

fahrem hestehe, so habe der Philosoph in den natürlichen Dingen ratio

nell (rationabiliter) zu verfahren, indem er die Worte, durch welche

sowohl dasjenige, was die Dinge sind (quod est), als auch jenes, wo

durch sie es simd (quo est), bezeichmet wird, mit , verständigem Nach

denken .erfasse, und eben dieser Umkreis der natiìrlichen Dinge sei es

ja auch, in welchem Artem unter Gattungen subsumirt und Gattungen

von Artem ausgesagt werden 468). So ist, uns durch diese Anschauungs

weise Gilbert's *°°) bereits klar, wie richtig Johannes von Salesbury

sich ausdrückte, wenn er sagt, Gilbert verlege die Universaliem in die

„formae nativae“ der geschaffenem Dinge und bemühe sich um die „com

formitas“ derselben, welche einerseits vom Denken als das Allgemeine

erfasst werde und andrerseits in der Erscheinung singulär auftrete *°").

Es erhält diess aber auch noch seine weitere Bestätigung.

Die substantielle Form nemlich hat darin ein Seim, dass sie es ist,

welche das ganze Wesen und die mit demselben verflochtemen Attribute

eines Dinges bewirkt und so als eine totale der Artbegriff ist, welcher

aus Gattung und artmachendem Unlerschiede besteht *"*), wormach in

- 464) Ebend.: His itaque divisis addendum est, quod primaria materia, i. e.

ύλη, et primariae formae, i. e. oόστα opificis et sensilium ίδεαι , .... omni motu

carent. Quae vero inabstracta a se invicem atque concreta sunt, i. e. sensilia, m0

ventur. Formae vero sensilium, quamvis inabstractae ideoque motum habentes, si

tamen abstractim attendantur (man beachte diesen Ausdruck, s. Amm. 133.), hac

vere abstractorum imitatione sine motu esse dicuntur; non enim tantum sicuti sunt,

verum etiam aliter quam sunt, res aliquae saepe vere concipiuntur. Propter qu0d

etiam ipsa animi speculatio dividitur .... Cum enim nativa, sicut sunt, i. e. con

creta et inabstracta, considerat, eae sua quidem propria potestate, qua humano animo

datum est, eae sensuum atque imaginationum praeeuntibus adminiculis reri sensilia

ratio dicitur; sed eæ his quae considerat, nativis scilicet et inabstraclis et motum

habentibus, naturalis et in motu et inabstracta cognominatur ...... Speculatio, quae

mativorum inabstractas formas ... considerat. Hiezu Anm. 487.

465) p. 1140.: Ac per hoc in naturalibus, quae sicuti sunt percipi debent, sc.

concreta et inabstracta, oportebit philosophum versari rationabiliter, ut scilicet posito

nomine, quo et id, quod est, et id, quo est, significatur, ea vi mentis, qua concreta

reri debet, diligenter attendat, quid proprie sibi vel quod est vel quo est concretionis

consortio eæigat et quid ceterarum speculationum locis communicet ..... In naturali

bus enim dicitur homo species generis ... ideoque naturalis concretionis proprietate

dicitur genus de specie praedicari ..... In mathematicis vero ... oportebit eum versari

disciplinabiliter .... In divinis .... intellectualiter versari oportebit. *

466) Die Quelle hievon liegt natürlich in der platonisch-theologischen Onto

logie des Pseudo-Boethius.

467) Die Stelle ist oben, Amm. 67., angeführt. •

468) p. 1142.: Ea quae est tota forma substantiae hominis non modo eæ e0,

qu0d ipsa t0ta eum, in qu0 est, facit hominem, sed et eae e0, quod alia parte sui

eundem facit animatum, alia sensibilem, alia rationabilem, recte dicitur esse aliquid.

- - - - - Quidquid est alicuius esse, aut est tota substantia illius, cuius dicitur esse,

aut pars eius, quod est tota substantia; et tota quidem substantia species, quae de

XlV. Gilbert Porretanus. 219

der Subsistenz, dureh welche ein Ding zu dem Subjecte seiner Wesens

Attribute gemacht wird, mehrere Subsistenzen wie in Einem Geflechte

zusammenlaufen *°°). Hiedureh aber haben die Galtungs - und Art-Be

griffe ein anderes Sein als die Dinge selbst ; denn erstere haben eben

nur das Sein der Subsistenz, letztere hingegen haben das Seim, Subjecte

und Träger der in der Sul)sistenz vereinigten Attribule zu sein *"").

Und so erfasst das Denken die Gattungs- und Art-Begriffe als die Uni

versalien gegenüber dem particulären Dingen, indem es aus den con

cret existirenden Trägern der Attribute auf das Sein der Subsistenz

sammelnd (colligere) schliesst 47!), wobei dann die natürlichen Dinge

im Hinblicke auf die Gattungs- und Art-Subsistenz, an welcher als an

dem wesentlichen Sein die einzelnen Dinge theilhabem, mit den Galtungs

und Art-Namen bezeichnet werdem, sowie die Attribute als Prädicate

ausgesagt werden und auch denominativ die Subsistenz selbst das Sub

ject genannt wird *"*). Sowie aber der Begriff des Sammelns (colle

eo dicitur, est, pars vero eius, quod est totum esse, genus est aut differentia, quae

speciem ipsam constituit.

469) p. 1145.: Subsistentia causa est, ut id, qu0d per eam est aliquid, suis

, propriis sit subiectum. p. 1175.: Quotiens enim subsistens ea, subsistentibus con

iunctum est, necesse est, eius totum esse, i. e. illam qua ipsum perfectum est sub

sislentiam , eæ omnium partium suarum omnibus subsistentiis esse coniunctam.

470) p. 1239.: Genera et species, i. e. generales et speciales subsistentiae, sub

sistunt tantum, non substant vere, neque enim accidentia generibus speciebusve con

tingunt, ut quod sunt, accidentibus debeant (der Begriff accidens ist hier wie über

all in dem Sinne genommem, dass er gegenüber der Substanz die übrigen meum

Kategorien umfasst).... Individua vero subsistunt quidem vere, .... informata enim

sunt iam propriis et specificis differentiis, per quas subsistunt; non modo autem

subsistunt, verum etiam substant individua,• quoniam et accidentibus, ut esse possint,

ministrant, dum sunt scilicet subiecta accidentibus.

471) p. 1238.: Essentiae in universalibus sunt, in particularibus substant, ....

subsistentiae in universalibus sunt, in particularibus capiunt substantiam, i. e. sub

stant .... Universalia, quae intellectus eæ particularibus colligit, sunt, quoniam par

ticularium illud esse dicuntur, quo ipsa párticularia aliquid sunt; particularia vero

non m0d0 sunt, qu0d ulique eæ huiusmodi su0 esse sunt, verum etiam substant.

472) p. 1137.: Ad generales quoque et speciales subsistentias, quae subsisten

tium, in quibus sunt, esse dicuntur, eo quod eis, ut sint aliquid, conferunt, eius

dem nominis, i. e. materiae, alia fit denominatio. p. 1140.: Essentia est illa res,

quae est ipsum esse, i. e. quae non ab alio hanc mutuat diclionem , et eae qua est

esse, i. e. quae ceteris omnibus eandem quadam eactrinseca participatione communicat

.... namque in naturalibus omne subsistentium eæ forma est, i. e. de quocunque

subsistente dicitur ,,est**, formae, quam in se habet, participatione dicitur. p. 1141.:

0mnia de subsistente dicuntur, ut de aliquo homine tota forma substantiae, qua

ipse est perfectus homo, et omne genus omnisque differentia , ea, quibus est ipsa

composita, ut corporalitas et animalio, et denique omnia, quae vel toti illi formae

adsunt, ut humanitati risibilitas, vel aliquibus partibus eius. p. 1145.: Quoniam

subsistentia causa est, ut id quod per eam est aliquid, suis propriis sit subiectum,

ipsa quoque per denominationem eius subiecta dicitur et eorundem materia .... (p.

1146.) et ideo generaliter cum qualitatibus qualitas dicitur et cum solis albedinibus

specialiter albedo, atque adeo multa sunt, quae de istis dicuntur, ut saepe etiam

efficiendi ratione a coaccidentibus ad ea, quibus c0accidunt, denominativa trans

sumptio fiat, ut ,,linea est longa, albedo est clara**. p. 1199.: Hoc igitur, quod

habet a substantia, nomen ad ea, quae eae ipsa fluxerunt, denominative transump

tum est. <*

220 XIV. Gilbert Porretanus.

ctio), welchen Gilbert förmlich zu einer Definition der Gattung benützt *7°),

uns schon oben in der Indifferenz-Lehre (Anm. 136), bei Gauslenus

(Anm. 146) und bei dem Autor De gen. et spec. (Amm. 162) begegnete,

so verbindet Gilbert damit in realistischem Sinne eine Auffassung, welche

er durch die Ausdrücke ,,substantialis similitudo“ oder ,,conformantes

subsistentiae“, am liebsten aber durch das bei ihm so häufige Wort

„conformitas“, selbst mit Ausdehnung auf die Namen der Dinge, bezeich

net 474), wobei wir die Verwandtschaft mit der „similis creatio“ des

Buches De gen. et spec. (Amm. 163) und insbesondere mit Abälard's

„consimilitudo“ (Amm. 299) nicht werkennem können ; bemerkenswerth

aber ist, dass Gilbert das Wort „indifferentia“, welches ihm doch ganz

nahe liegen musste, ausschliesslich nur bei den theologischen Discus

sionen über die Trinität anwendet *7°), hingegen wohl des Wortes

„identitas“, sowohl bei Substanzen als auch bei Attributen, sich be

dient 47"). Er nimmt überhaupt diese formgebende Kraft der Univer

salien so realistisch, dass ihm nicht bloss z. B. die Weisse, sondern

auch die Einheit als eine dergleichen Form erscheint, welche bei jedem

Prädicate mitwirken müsse, um den Träger desselben zu Einem Dinge

zu machen *77), und während er hiedurch .dem oben augeführten Ein

wande (Anm. 438, was möglicher Weise selbst direct gegem Gilbert

gerichtet sein könnte) preisgegeben ist, gelangt er dabei auf eine für

die Trinitätsfrage nutzbare, aber von Anderen wieder heftig bekämpfte,

Unterscheidung zwischen Einheit und , Eins oder überhaupt zwischen

473) p. 1252.: Genus vero nihil aliud putandum est, nisi subsistentiarum se

cundum tòtam eorum proprietatem ea rebus secundum species suas differentibus simi

litudine comparata collectio. -

474) p. 1135.: Diversae subsistentiae, eae quarum aliis homines et eae aliis

equi sunt animalia, non imitationis vel imaginaria, sed substantiali similitudine

ipsos, qui secundum eas subsistunt, faciunt esse conformes. p. 1136.: Dicuntur

etiam multa subsistentia unum et idem n0n nalurae unius singularitate, sed multa

rum, quae ralione similitudinis fit, unione .... llla, quae diversarum naturarum

adunat conformitas, genere vel specie unum dicuntur ...... Tres homines neque ge

nere neque specie, i. e. nulla subsistentiarum dissimilitudine, sed suis accidentibus

dissimilitudinis distant ...., sunt conformanlium ipsos subsistentiarum numero plures.

p. 1175.: Conformitate aliqua plures homines dicuntur unus homo. p. 1192.: Se

cundum pr0p0sitae nalurae pleniludinem dicitur substantialis similitudo, qualiter al

bum albo simile est et homo homini. p. 1194.: Tales sunt omnes differentiae illae,

quae vel huic generalissimo proæime cum ipso quaedam contractioris similitudinis

constituunt genera, quae a logicis subalterna appellantur, vel subalternis similiter

adhaerentes quamlibet sub ipsis subsistentiam specialem componunt. p. 1234.: Homo

videlicet subsistentia specialis, quae est huius nominis qualitas una quidem confor

mitate, sed plures essentiae singularitate, de singulis hominibus. Ebenso p. 1251.

1262. u. s. f.

475) So z. B. p. 1134. u. 1152. u 1169. -

476) p. 1169.: Identitate unionis homo idem quod homo est, nam Plato et

Cicero unione speciei sunt idem homo ....; identitate, quae eae proprietatis est uni

tate, rationale idem quod rationale est, veluti anima hominis et ipse homo non unione

speciei, sed unitate proprietatis sunt unum rationale.

477) p. 1178.: Unitas omnium .... praedicamentorum comes est; nam de quo

cunque aliquid praedicatur, id praedicato quidem est hoc, quod nomine ab eodem

sibi indito et verbi substantivi compositione esse significatur, sed unitate ipsi coacci

dente est unum, ut album albedine quidem album est, sed unitate coaccidente albe

dini unum, et simul albedine et eius comite unitate est album unum.

XIV. Gilbert Porretamus. 221

dem Zahlwörterm und den ihnem zu Grunde liegemdem ldealformen, im

soferme erstere nur von den concretem Dingem, welehe eben der form

gebenden Wirkung der ideellen Universalien unterliegen, ausgesagt werden

können *7°). Sodann aber knüpft sich an den Begriff der conformitas

auch noch die Auffassung, dass im Individuum alle möglichen Bestimmt

heiten derartig vereinigt sind, dass dasselbe in der Totalität seiner Sub

sistenz (vgl. Anm. 462) mit keinem anderen Wesen conform ist, und

hiemit die Individualität in dieser Wesens-Unähnlichkeit liegt, wohin

gegen alles Nicht-Individuelle auf einer Aehnlichkeit beruht und hiernach

in seine individuellen concreten Erscheinungsweisem, welche in ihm ähn

lich, unter sich aber unähnlich sind, getheilt werden kann ; es be

zeichnet Gilbert diese Anschauung dadurch, dass er das Wort „divi

dua“, welches wir hier zum ersten Male treffem, für die sog. nomina

appellativa und „individua* für die sog. nomina propria wählt *7°).

Eine logische Werwerthung dieses ontologischen Realismus liegt in

jenem Aufundabklettern an der Tabula logica, welches nach dem Wor

gange des Boethius in . Definition und Division geübt wird *°°), und

hiemit in der Function des Aussagens, insoferme durch dasselbe mie das

concrete Sein selbst, sondern nur das Wesen, d. h. die Subsistenz und

die Wesens-Attrihute, über die concretem Dinge ausgesagt werden *°*),

478) p. 1148.: Quod est unum, res est unitati subiecta, cui scilicet vel ipsa

wnitas inest, ut albo, vel adest, ut albedini; unitas vero est id, quo ipsum, cui

inest, et ipsum, cui adest, dicimus unum, ut album unum, albedo una. Rursus ea,

quae dicimus esse duo , in rebus sunt, i. e. res sunt dualitati similiter subiectae,

quae duae sunt ..... Ideoque non unitas ipsa, sed quod ei subiectum est, unum

est, nec dualitas ipsa, sed quod ei subiectum est, recte dicitur duo ....., nam vere

omnis numerus non numeri ipsius, sed rerum sibi suppositarum est numerus. Dass

aber überhaupt selbst dieses orthodoxeste Bestreben bei manchen anderen Theologen

wenig Dank einärndtete, sehen wir daraus, dass, wie Bulaeus, hist. un. Par. I, p.

404. berichtet, der Prior Walther von St. Victor eine eigene Schrift gegen die

,,vier Labyrinthe Frankreichs“, nemlich gegen Petrus Lombardus, Abàlard, Petrus

v. Poitiers und Gilbert, verfasste; aus Handschriften derselbem (in der Bibliothek

von St. Victor) theilt Launoi, de var. fort. Aristot. c. 3, p. 29., folgende Stelle

mit: Quisquis hoc legerit, non dubitabit, quatuor labyrinthos Franciae, i. e. Abae

lardum et Lombardum, Petrum Pictavinum et Gilbertum Porretanum, uno spiritu Ari

stotelico afflatos, dum ineffabilia trinitatis et incarnationis scholastica levitate tracta

rent, multas haereses olim vomuisse et adhuc errores pullulare.

479) p. 1164.: Si enim dividuum facit similitudo, consequens est, ut indivi

duum dissimilitudo. p. 1236.: Homo et sol a grammaticis appellativa nomina, a

dialecticis vero dividua vocantur, Plato vero et eius singularis albedo ab eisdem

grammaticis propria, a dialecticis vero individua; sed horum homo tam actu quam

natura appellativum vel dividuum est, sol vero natura tantum, non actu; multi nam

que non modo natura, verum etiam actu, et fuerunt et sunt et futuri sunt substantiali

similitudine similes homines. p. 1165.: Restat igitur, ut illa tantum sint individua,

quae eæ omnibus composita nullis aliis in toto possunt esse conformia, ut eæ omni

bus, quae et actu et natura fuerunt vel sunt vel futura sunt, Platonis collecta Pla

tonitas. -

480) p. 1128.: Sicut in diffinitiva demonstratione species genere, sic in divi

siva genus specie declaratur. p. 1130.: ,,Nulla species de suo genere praedicatur**

in diffinitionum genere verum est, item ,,omnis species de suo genere praedicalur**

in divisionum genere verum est.

481) p. 1244.: Nunquam enim id , quod est, praedicatur , sed esse et quod

illi adest praedicabile est, et sine tropo nonnisi de eo, quod est. (Wenn hiemit

*.

222 XIV. Gilbert Porretanus.

d. h. Gilbert spricht seinen Realismus aus, indem er. alle Kategorien

als die reellen Causalitäten ihrer Erscheinung in den concreten Dingen

betrachtet und so als oberste Gallungen nicht der Aussagem, sondern

der 0bjecte bezeichnet, wornach die logische Functiom (facultas logica)

nur einen Abklatsch der Realität enthält ***). Dabei aber scheidet er die

Kategorien nicht bloss in der üblichen Weise, dass die Substanz allem

übrigem neum gegenübersteht, sondern letztere zerfallen ihm wieder in

solche, welche zu dem immeren Wesen gehören, und solche, welche nur

eine äusserliche Verbindung enthalten *°°); nemlich Qualität und Quan

tität, welche zur „Natur“ (Anm. 461) oder Subsistenz gehören, dienem

darum noch der Aussage des wahren Seins (vere esse), wohingegen die

übrigen siebem Kategorien, — also mit Einschluss der Relation —,

nur dem äusserlichen wechselnden Verhältnisse der Zustände (slatus,

vgl. circumstantia bei Boethius, Abschn. XII, Anm. 166) , anheimfal

len 434).

Gilbert die blossen Existentialsätze als nichtssagend bezeichnete, so kam er hie

durch wieder in Conflict mit Theologem, s, 0tt0 Frising. de gest. Frid. I, 52, p.

437. Urslis.: Erat quippe quorundam in logica sententia, quod, cum quis diceret,

Socratem esse, nihil diceret; quos praefalus episcopus sectans talem dicli usum haud

* praemeditate ad theologiam verterat). -

482) p. 1173.: Horum nominum illa significata, quae diversis rationibus gram

matici qualitates, dialectici categorias , i. e. praedicamenta, vocant, praedicantur

substantialiter. p. 1153.: Qualitas omnium qualitatum generalissimum est et quan

titas omnium quanlitatum .... ideoque qualitas est qualitas genere cuiuslibet quali

tatis, quale vero est quale qualitate cuiuslibet generis .... similiter nullum, quod est

ad aliquid, relatio est, et nulla relatio est ad aliquid, sed id, de qu0 ipsa dicitur,

est ad aliquid .... Ubi quoque et quando et habere et situm esse et facere et pati

nomina sunt generalissima non eorum, quae praedicantur, sed eorum, de quibus prae

dicantur ..... Haec igitur praedicamenta talia sunt relationibus logicae facultatis,

qualia illa subiecta, de quibus ea convenit dici , permiserint. p. 1146.: Ceteras,

quae in c0rp0ribus sunt, v0cantes formas hoc nomine abutimur, dum non ideae , sed

idearum sint εὐχάνες, i. e. imagines, quod utique nomen eis melius convenit; assi

^milantur enim ...... quadam eaetra substantiam imitalione his formis, quae non sunt

in materia constitutae, sinceris. -

483) p. 1153.: Quidquid hoc est subsistentium esse, eorundem sul)stunlia dici

tur, quod utique sunt omnium subsistentium speciales subsistentiae et omnes, eæ qui

bus hae compositae sunt, scilicet eorundem subsistentium, per quas ipsa sibi con

formia sunt, generales , et omnes , per quas ipsa dissimilia sunt, differentiales .....

Accidentia vero de illis quidem substantiis, quae eae esse sunt, aliquid dicuntur,

sive in eis creata sive eætrinsecus affiaca, sint, sed eis tantum, quae esse sunt,

accidunt.

484) p. 1156.: Haec quidem, i. e. substantiae, qualitates, quanlitales , sunt

talia, quibus vere sunt, quaecunque his esse proponuntur, ideoque recte de ipsis

praedicari dicuntur; reliqua vero septem generum accidentia ... non vera essendi

ratione praedicantur, nam .... eactrinsecis scilicet circumfusus et determinatus minime

praedicaretur, si non suis esset per se proprietatibus informatus. p. 1160.: sic erg0

praedicati0 alia est, quae vere inhaerens inhaerere praedicatur, alia, quae quamvis

forma inhaerentium fiat, tamen ita eæterioribus datur, ut ea nihil alicui inhaerere

intelligatur. p. 1255 f.: Cetera vero (vgl. Anm. 461.), quae de ipso naturaliter

dicuntur, quidam eius status vocantur, eo quod nunc sic nunc vero aliter, retinens

has quibus aliquid est mensuras et- qualitates et maæime subsistentias, statuatur

....., situ vel loco vel habitu vel relatione vel tempore vel aclione vel passione sta

tuitur. S0 wird auch ausdrücklichst won der Relation gesagt p. 1163.: relativa

praedicatio consistit non in eo, quod est esse.

XIV. Gilbert Porretanus.' 223

Eben diess Letztere aber nun führt uns auf Gilbert's Schrift De

seae principiis *°°), ein in der That klägliches Machwerk, welches wahr

lich nur durch die Bornirtheit des Albertus Magnus zu Ansehen und

Geltung kommen konnte. Es begegnet uns dort zunächst wieder (vgl.

Amm. 461) der Begriff des substantiellen Seins, in welchem die Form

einer Werflechtung der Wesens-Bestandtheile liegt *°°), wobei ebenso

unmotivirt wie oben (Amm. 464) bemerkt wird, dass aus der Singulari

tät der concretem Dinge durch das Denken das einheitlich Gemeinschaft

liche (commune) und Universelle erfasst wird **"). Sodanm aber wird

auf die Kategorien mit jener memlichen (Anm. 483 f.) Zweitheilung in

innerliche und äusserliche übergegangem, jedoch mit dem Unterschiede,

dass nun hier die Relation nicht mehr unter den äusserlichen aufgezählt

wird, sondern dieselben nur aus den sechs letzten Kategorien (actio,

passio, ubi, quando, situs, habere) bestehen sollem, und da die erstem

vier Kategorien schon hinreichend von Aristoteles besprochen seien, so

will Gilbert nun eben jene übrigem sechs vollständiger erörtern *°°).

- So erfüllt er ein Bedürfniss, welches wir schon früher (Amm. 18 u.

344) aussprechen sahen, und indem er in seinem realistischen Wahne

auch diese Kategoriem als „principia“ bezeichnet (vgl. Anm. 477 u.

482), erhielt diese seine verstandlose Schrift auch in Anbetracht ihres

Titels später eiue solche Bedeutsamkeit, dass sie gleichsam als integri

render Theil in das 0rganon aufgenommen wurde.

Zuerst wird actio definirt und mit schärfstem Dualismus zwischen

körperlicher und psychischer Action als reciproc mit dem Begriffe der

Bewegung bezeichnet *°°), worauf die Bemerkung folgt, dass die Eigen

thümlichkeit der Action darim liege, passio zu erzeugen, und hiernach

die actio das uranfängliche ,,Princip* sei *""), und es wird nun der

485) In Folge der Aufnahme in das 0rganon gedruckt in fast sämmtlichem

àltestem lateinischen Uebersetzungen des Aristoteles; ich citire nach Aristot. 0pp.

lat. Venet. 1552, fol. vol. I.

486) Cap. 1, f. 31. v. A.: Forma est compositioni conlingens, simplici et inva

riabili essentia consistens ..... Substantiale vero est, quod confert esse eæ quadum

compositione compositioni, ut in pluribus, quod impossibile est deesse ei.

487) f. 31. v. B.: Sicut eæ plurium partium coniunctione constitulio quaedam

primorum excedens quantitatem efficitur, sic eae singularium discretione unum quod

dam intelligitur eorum excedens praedicalionem. So auch f. 32. r. B.: omnes qui

dem homines eius hominis, qui communis est et universalis.

488) f. 32. r. A.: Eorum vero, quae contingunt eæistenli, singulum aut eætrin

secus advenit aut intra substantiam consideratur simpliciter, ut linea, superficies,

corpus; ea vero, quae eætrinsecus contingunt, aut actus aut pati aut dispositio aut

esse alicubi aut in mora aut habere necessario erunt. Sed de his, quae subsistunt

et quae non solum in quo eæistunt eæigunt, in eo qui ,,De categoriis“ libro inscri

bitur disputatum est; de reliquis vero conlinu0 agamus.

489) Cap. 2, ebend.: Actio vero est, secundum quam in id, qu0d subiicitur,

agere dicimur .... Differunt autem, quoniam ea, quae corporis est, movens est ne

cessario illud, in quo est, .... actio autem animae non id movel, in qu0 est, sed

coniunctum ; anima enim, dum agit, immobilis est .... 0mnis ergo actio in motu

est, omnisque motus in actione firmabitur.

490) f. 32. r. B.: Naturalis vero aclionis proprielas est, passionem eae se in

id, quod subiicitur, inferre, omnis enim aclio passionis est effectiva ..... et sic attus

quidem est primordiale principium. -

224 XIV. Gilbert Porretamus.

Begriff des „facere“ in den dürrsten und grundlosestem Behauptungen

auch auf alle übrigem Kategoriem angewendet *°*), und nach dem Muster

der vier ersten Kategorien das Verhältmiss des Gegensatzes und das

Mehr oder Minder auch an dem facere und pati aufgezeigt *°°). Dann

folgt trotzdem zweitens passio, bei welcher die Werschiedenheit der

Wortbedeutung hervorgehoben wird *°°). Hierauf wird drittens quando

vorgeführt, welches wohl mit tempus verwandt sei, aber von demselben

sich dadurch unterscheide, dass die drei Zeiten, Vergangenheit und

Gegenwart und Zukunft, kein quando seien, sondern mur eine Wirkung

und Eigenschaft, vermöge deren Etwas als vergängen u. s. f. hezeichnet

werde (Aehnliches s. oben Amm. 194); auch könne nach dem quando

Nichts gemessen werden, wohl aber nach der Zeit *°*). Hieran reiht

sich' als Gipfelpunkt des Unsinnes die Angabe eines Unterschiedes zwi

schen quando und ubi, da das quando der Gegenwart zugleich mit dem

Augenblicke selbst in dem Nemlichen sei, was bei dem ubi nicht sich

finde *°°), sowie eine Eintheilung des quando umd des tempus in ein

fache und zusammengesetzte *°°), und zuletzt die Notiz, dass das Ver

hältniss des Gegensatzes und des Mehr oder Minder bei quando nicht

statihabe 4°7). Nun folgt viertens ubi, wobei die analoge Unterscheidung

zwischen ubi und locus auftritt *°°), und an die Unmöglichkeit, dass

491) Ebend.: Facere vero id, quod quale est, eae se gignit .... Quanlitatum vero

particularium positio effectriae est et qualitatum ...., universa enim haec a situ sub

stantiam et generationem habent .... Situs autem agere et pati, in dispositionis nam

que compositione quaedam generatio simplicium fit, quam in motiva actione consistere

necesse est. Quando vero tempus, ubi vero locus, habere autem corpus, ea enim,

quae circa corpus sunt, habere dicuntur.

492) Ebend.: Recipit autem facere et pati contrarietatem et magis et minus ....,

secare enim ad plantare contrarium est .... et calefieri magis et minus dicilur.

493) C. 3, f. 32. v. A.: Passio est effectus illatioque actionis .... Est autem

pati eorum, quae multipliciter dicuntur; animae enim actionum unaquaeque passio

dicitur ....., dicitur quoque passio, quod in naturam agit, ut morbus ..... Ea vero,

quae nunc relinquunlur, in e0 qui est ,,De generatione** libro tractantur (dieses Citat

ist aus Boeth. p. 190. entnommen).

494) C. 4, ebend.: Quando vero est, quod eae adiacentia (vgl. Anm. 504.)

temporis relinquitur; tempus vero quando non est, ulriusque autem ratio coniuncta

est, ut tempus quidem praeteritum quando non est, effectus autem eius et affectio,

secundum quam dicitur aliquid fuisse, quando est; instans autem quando non est,

sed secundum quod aliquid aequale vel inaequale est; eius autem affectio, secundum

quam aliquid dicitur in instanti esse, quando est; futurum similiter tempus quando

non est. f. 32. v. B.: Distat autem et tempus ab eo, quod quando, quoniam se

cundum tempus aliquid est mensurabile, ut motus annuus ...., at vero secundum

quando nihil mensuratur, sed aliquando dicitur esse.

495) f. 32. v. B.: Differt enim quando ab eo, quod est ubi, quoniam in quo

cunque tempus est vel fuit vel erit, in eo quidem quando est vel fuit vel erit, quod

secundum idem tempus dicitur; quando enim, quod eæistenti est, cum ipso instanti

est, et simul in eodem sunt .... Ubi vero et locus, a quo est vel fit, nunquam simul

in eodem; ubi enim in circumscriptione est, locus autem in complectente.

496) Ebend.: Quando autem sicut et tempus aliud quidem compositum est,

aliud vero simplea' ; est autem compositum, quod in composita actione consistit,

simpleae vero, quod cum simplici procedit.

497) Ebend.: Inest autem quando, non suscipere magis et minus .... amplius

qudndo nihil est contrarium.

498) C. 5, f. 33. r. A.: Ubi vero est circumscriptio corporis a circumscriptione

XIV. Gilbert Porretamus. 225

zwei Dimge im Einem 0rte oder Ein Dimg am mehrerem 0rtem sei, sich

auch obige Controverse (Amm. 203) über die Fortpflanzung des Schalles

anknüpft *°°); auch das ubi wird in einfaches und zusammengesetztes

eingetheilt, und demselben das Werhältniss des Mehr oder Minder, so

wie auch jenes des Gegensalzes, sogar mit ausdrücklicher Beziehung

auf die Begriffe des 0ben und Untem, abgesprochen °""). Fünftens folgt

situs, oder wie Gilbert es memnt, positio, in möglichst rohem Realismus

aufgefasst, so dass alle speciellem Erscheinungen dieser Kategorie, wozu

auch z. B. Hauh und Glatt gezählt werden (vgl. Amm. 193), mur als

abgeleitete Ausdrücke belrachtet werden °"'); dass diese Kategorie der

Gegensätzlichkeit fähig sei, wird darum verneint, weil Gegensätze mur

Einer Gattung angehören, hingegen das Sitzem und das Liegem verschie

denem Gattungen anheimfallem, indem mur vernünftige Wesem sitzen

könnem, die übrigen aber liegem °"*); und während auch das Verhält

miss des Mehr oder Minder hier unstalthaft sei, müsse diese Kategorie

in die mächste Verbimdumg mit der Substanz gebracht werdem, da die

Substanzen ebem in ihr ihre Anordnung findem °"°). Sodamm ist sech

stens noch habitus übrig, welche Kategorie mit dem uns von Abälard

her (Amm. 284) bekanntem Begriffe der adiacentia identificirt wird *''*);

loci proveniens; locus autem in eo est, quod capit et circumscribit .... Non est

autem in eodem locus et ubi, locus enim in eo, quod capit, ubi vero in eo, quod

circumscribitur et compleclitur.

499) Ebend.: Nequaquam igitur duo in eodem loco esse simul possunt nec

idem unum in diversis ..... Movet autem quis quaestionem fortasse idem in diversis

et pluribus concludens, etenim voæ in auribus diversorum est .... Confiteri oportet

omnino, unam particulam aeris ad aures diversorum pervenire ..... Relinquitur igi

tur, diversum sensum esse imaginabiliter se generantium et similiter.

500) f. 33. r. B.: Ubi autem aliud quidem simpleæ, aliud vero compositum;

simpleæ quidem, quod a simplici loco procedit, compositum autem , quod ea com

posito ..... Caret autem ubi intentione et remissione, non enim dicitur alterum altero

magis in loco esse vel minus .... Inest autem ubi, nihil esse contrarium ..... Sur

sum enim et deorsum esse contraria pluribus videntur .... Contingit autem contraria

in eodem esse ...., si enim sursum esse, et inferius esse contraria sunt, cum idem

sursum et deorsum sit, colligitur, idem sibimet contrarium fieri.

501) C. 6, f. 33. v. A.: Positio est quidam partium situs et generationis ordi

natio, secundum quam dicuntur stantia vel sedentia .... Sedere autem et iacere posi

tiones non sunt, sed denominative ab his dicta sunt. Solet autem quaestio induci de

curvo et recto, aspero et leni .... Non sunt autem positiones ea, quae dicta sunt

omnia, sed qualia circa situm eæistentia.

502) Ebend.: Suscipere autem videtur situs contrarietates, nam sedere ad id

quod stare contrarium esse videtur .... Ponentibus autem nobis , haec contraria esse,

inconvenientia recipere cogimur, hoc qu0d unum sit c0ntrarium plurium .... Amplius

autem contrariorum quidem ratio est , circa idem natura eæistere ; sedere autem et

iacere non circa idem natura sunt seiuncta, est enim sedere proprie circa rationalia,

iacere vero et accumbere circa diversa.

503) f. 33. v. B.: Proprium autem positionis, neque magis neque minus dici

.... Magis autem proprium videtur esse positionis, substantiae proæime assistere

omnibus quidem aliis formis suppositis; positio enim nihil aliud est, quam naturalis

ipsius substantiae ordinatio.

• 504) C. 7, f. 33. v. B.: Habitus est corporum et eorum, quae circa corpus

sunt, adiacentia, secundum quam hoc quidem habere, illa vero dicuntur haberi;

haec autem non secundum totum dicuntur, sed secundum parlicularem divisionem, ut

armatum esse.

P R A N T l, Gesch. II. 15

226 . XIV. * Gilbert Porretanus.

wenn danm gesagt wird, das Verhältniss des Melr oder Minder sei im

der Regel bei habere statthaft, zuweilen aber, z. B. bei Bekleidet-sein,

unstatthaft, und die Gegensätzlichkeit bestehe in dieser Kategorie nicht,

weil Bewaffnetsein und Beschuhtsein nicht Gegensätze seien °"°), so

gibt auch diess himreichend Zeugniss von der logischen Befähigung des

Verfassers ; als Eigenthiimlichkeit dieser Kategorie wird angegeben, dass

dieselbe stets auf eine Mehrheit hinweise , was nur ih mancher Bezie

hung auch bei der Quantität und der Relation der Fall sei °""); endlich

werden noch fünf verschiedene Bedeutumgen des Wortes habere ange

führt °"7). Nachdem aber dann diese Erörterung über die ,,Prineipien“

abgesehlossen wird *"*), folgt noeh eine specielle Besprechung des

magis et minus, wobei Gilbert die oben (Anm. 196) erwähnte Contro

verse abschneidet, indem die Gradabstufung weder in der Subslanz

selbst liegen könne, da diess gegem den Begriff der Substanz verstiesse,

noch aber auch in den Accidenzien, da dann der höhere Grad z. B.

der Weisse in der Grösse der Oberfläche liegen müsste(!), wormach

sich ergebe, dass aueh nicht in beiden zugleich, nemlich in Substanz

und ihren Accidenzien, das Mehr oder Minder seinen Sitz habe °"°).

Der positive Entscheid aber, welchem nun Gilbert gibt, beruht darin,

dass das magis vel minus in dem Grade liege, in welchem der faeti

sehe Bestand näher oder* entfernter der Wortbedeutung des die Qualität

bezeichmenden Wortes stelie, eine Gradabstufung, welche bei Substanzen

darum nicht eintrete, weil die Bezeichnung derselben in festen Gränzen

(in terminis) sich bewege, wobei jedoch Gilbert zum Selbstbekenntnisse

des Unsinnes, welchen er vorbringt, hinzufügen muss, dass eine solcbe

Festigkeit sich doch aucla bei einigen Qualitälem finde ° '"). Die Sache

505) f. 34. r. A.: Suscipit autem habitus magis el minus, urmalior enim est

eques pedite .... In quibusdam autem non videtur, quod cum magis et minus prae

dicentur, ut vestitum esse et similia. Habitui quoque nihil est contrarium, etenim

armatio calceationi non est contrarium.

506) Ebend.: Proprium quidem habitus est, in pluribus existere .... In paucis

autem aliis principiis `huiusmodi invenies; in quantitate enim solum et in his,

quae ad aliquid sunt, similia reperies .... Habitus autem omnis in pluribus necessario

eri stit, ut in corpore et in his, quae circa corpus sunt.

507) Ebend.: Dicitur autem habere multis modis; habere enim dicitur altera

tionem ..... dicitur etiam vas aliquid hubere .... habere quoque in membro dicimur

.... dicitur vir uæorem habere et recipere uaeor virum .... Quare modi habendi, qui

dici consueverunt, quinario numero terminantur. -

508) Ebend. : Et quidem de principiis haec dicta sufficiant, reliqua vero in eo,

quod de Analyticis est, quaerantur volumine (s. Anm. 21.).

509) C. 8, f. 34. r. B.: Non ergo secundum suscipientium ipsorum crementum

vel decrementum cum ,,magis vel minus** aliqua dicuntur; nulla enim ratio obviaret,

• hominem et animal et substantiam et cetera consimilia cum ,,magis et minus** dici

- - - - - Mons etiam alio monte maior dicitur, cum neuter crescat vel “decrescat ......

Amplius autem neque secundum ea, quae inficiunt; si enim secundum magnitudinem

albedinis vel alicuius ceterorum dicitur aliquid albius aliquo vel secundum parvitatem

minus album vel quomodolibet aliter, utique et magis albus equus vel homo vel quod

libet aliud albius margarita dicetur; etenim maior albedinis quantitas equo accidit

quam margaritae ..... f. 34. v. A.: Patet itaque, nihil secundum magis et minus

* praedicari neque seeundum subiecti solum augmentum mel diminutionem neque secun

-dum accidentis ; quare neque secundum utrumque.

510) f. 34. v. A.: 0portet igitur ab alio ea invenire. quae cum ,,magis et

XIV. • Gilbert Porretamus. • Otto v. Freising. 227

läuft ja sehliesslich auch in dem Kern aus, dass in der Vielheit des

Materiellen überhaupt (las Werden und die Relativität ihre eigentliehe

Stelle habem °''), und der unlogische Realist macht dann für dieses

Gebiet den Sprachausdruck zum Maassstahe, während er für den Um

kreis des wahren Seins in dem Worte nur dem Alyklatsch einer Idee

besitzt. -

So gibt uns Gilbert's Sehrift über die Kategoriem einen wahrhaft

trübseligen Beleg dafür, dass jene Zeit um Nichts weniger unbeholfen

und unfähig war, als die vorhergegangemen Jahrhunderte, sobald man

mur irgendº ohne das Gängelband der Tradition in dem einfachsten Dingen

einen selbstständigen Schritt zu thum versuchte.

Als einen Anhänger aber Gilbert's bezüglich der Auffassuug der

Universalien zeigt sich uns 0tt o v o n F r e is in g (geb. 1109, gest.

1158), welcher in seine historischen Werke zuweilen förmliche Excurse

philosophischem Inhaltes verflieht und dabei in den üblichen Redens.

arten seinen theologischen Respect vor Plato und zugleich die Werth

schätzung der aristotelischen Logik ausspricht ° '*). Indem er gelegent

lich einmal der Annalime beistimmt, dass die concret existirendem Wesen

den Inhalt und Gegenstand der erklärenden Aussagen bildem , hingegen

die Art- und Gattungsbegriffe im Hinblieke auf die in ihnen beruhende

Ursächlichkeit von den Dingen prädicirt werdem ° 1°), erklärt er sieh

ein anderes Mal ausführlicher über dieses Verhältniss, wobei er voli

ständig die Ansicht Gilbert's, selbst im Wortlaute übereinstimmend (ma

ninus** dicantur. Iluiusmodi vero sunt eu, quae sunt in voce eorum, quae adveniunt,

et non secundum subiecti vel mobilis crementum vel diminutionem, sed quoniam eorum,

quae sunt in voce, impositioni propinquiora sunt sive ab eadem remotiora sunt ; de

his etenim cum ,,magis“ dicuntur, quae proæimiora sunt ei, quae in ipsa voce est,

impositioni, cum „minus“ autem de his, quae remotiora consistunt .... Quanto igitur

ad vocis imp6sitionem accedens puriori inficitur albedine, tanto et candidior assigna

bitur .... Dubitabit autem aliquis, quare haec quidem cum „magis et minus“ dican

tur, substantiae vero minime. Hoc autem contingit, quoniam substantiarum impositio

quidem in termino est, ultra quem transgredi impossibile est. Additur autem et de

accidentibus quibusdam, quae sine ,,mngis et minus** dicuntur, ut quadrungulus,

triangulus et similia.

511) f. 34. v. B.: In subiecto enim duo sunt, quorum haec quidem est forma

secundum rationem , haec autem secundum materiam; quando igitur in his duobus

est transmutatio, generatio et corruptio erit simpliciter secundum veritatem ..... Est

autem materiu ma.vime quidem subiectum generationis et corruptionis proprie suscep

tibile .... Haec autem hoc aliquid significant et substantiam, haec autem quule, haec

autem quantum; quaecunque igitur non substantiam significant, non dicuntur sim

pliciter sed secundum aliquid generari. w

512) Chron. II, 8, p. 27. ed. Urstisius: Socrates .... educavit Platonem et Ari

stotelem, quorum alter de potentia sapientia bonitate creaturis ac creatura mundi

creationeve hominis tam luculenter, tam sapienter, tam vicine veritati disputat ..... »

alter vero dialecticae libros artis vel primus edidisse vel in melius correaeisse acutis

simeque ac disertissime inde disputasse invenitur.

513) De gest. Frid. Prolog. p. 405. Urstis.: Sicut enim iuaeta quorundam in

logica notorum positionem, cum non formarum, sed subsistentium proprium sit prae

dicari seu declarari, genera tamen * et species praedicamento transsumpto ad causam

praedicari dicuntur, vel, ut communiori utar evemplo, sicut albedo clara, mors pal

lida , eo quod claritatis altera, palloris altera causa sit, appellatur, etc. (Der

Ausdruck transsumptio, sowie das nemliche Beispiel albedo clara bei Gilbert p.

1142., s. Aam. 472.)

15 *

228 XIV. 0uo v. Freising. Pseudo-Boethius De unitate.

tivum, matura, forma, conformis, coadunatio, — „omne esse eae forma

est“ —) wiederholt ° '*). In demselben Sinne bezeichnet er am einer

anderem Stelle (mit polemischer Wendumg gegem Wilhelm v. Champeaux)

das Universale als „quasi in unum versale“ und knüpfi hieram eine ety

mologische Rechtfertigung der Worte und Begriffe dividuum und indi

viduum ° 1°); auch theilt er mit Gilbert die maive Gleichstellung der

Dinge und Worte °'"), sowie er auch einmal jene logisehe Turnùbumg

erwähnt, welche am dem Kletterhaume der Tabula logica veranstaltet

wird 517).

Zur gleichen Gruppe gehört auch eine kleine anonyme Schrift ,, D e

w n i t a ue e t u n o “, welche offenbar in dem damaligen Trinitäts-Streitig

keitem die Weranlassung ihrer Entstehung hat, aber ehenso wie jenes

ältere Werk De trinitate für ein Erzeugniss des Boethius gehaltem

wurde °'°). Es waltet in der Frage über die Einheit, auf welehe auch

514) De gest. Frid. I, 5, p. 408.: Nativum velut natum aut genitum descendens

a genuino (s. Anm. 464.).... In nativis igitur omnem naturam seu formam, quae

integrum esse subsistentis sit, vel actu et natura vel natura saltem conformem habere

necesse est .... Partes autem hic voco eas formas (Amm. 468.), quae ad componendam

speciem aut in capite ponuntur, ut generales, aut aggregantur, ut differentiales, aut

eas comitantur, ut accidentales .... Patet, humanitalem Socratis secundum omnes

partes et omnimodum effectum humanitati Platonis conformem esse, ac secundum hoc

Socratem et Platonem eundem et unum ih universali dici solere (Anm. 474.) ....

Concretio etiam in naturalibus n0n solum coadunatione formae et subsistenlis, sed

ea, multitudine accidentium, quae substantiale esse comitantur, considerari potest

(Amm. 464. u. 471.) .... Sunt aliae formae subiectum integrum informantes, quae

naluram lantum conformem habent; esse quippe solis, etsi non actu, natura confor

mem habere noscitur, quare, quamvis plures soles non sunt, sine repugnantia tamen

naturae plures esse possent (Amm. 479.).... (p. 410.) 0mne namque esse eae forma

est .... Tantum de ea, quae a philosophis genitura, a nobis factura seu creatura,

dici solet, disputationem instituimus; sed notandum, quod compositio alia formarum,

alia est subsistentium , formarumi eae formis, subsistentium ea: subsistentibus .... For

narum autem aliae compositae , aliae simplices; simplices, ut albedo, compositae, ut

humanitas ..... unde Boethius in octava regula libri Hebdomade ,,omni composito

aliud est esse , aliud ipsum est“ (s. Anm. 37.).

515) Ebend. 53, p. 437.: Universalem dico, non eac eo, quod una in pluribus

sit, quod est impossibile (Amm. 105.), sed ea, hoc, quod plura in similitudine vivendo

ab assimilandi unione universalis quasi in unum versalis dicatur .... Et quo patet,

quare singularem individualem vel particularem diacerim proprietatem, eam nimirum,

quae suum subiectum non assimilat aliis, ut humanitas, sed ab aliis dividit, dis

cernit, partitur, ut ea, quam fict0 n0mine solemus dicere ,,Platonitas“, a dividendo

individua, a partiendo particularis, a dissimilando singularis dicta. Nec opponas,

quod potius a dividendo dividuam, quam individuam dici oporleat; nam cum suum

subiectum non solum ab aliis dividat vel dissimilet, sed etiam in sua individualitate

et dissimilitudine tam firmiter manere faciat, ut nec sil nec fuerit nec futurum sit

aliud subiectum, quod secundum eiusmodi proprietatem illi assimilari queat, melius

individuum privando, quam dividuum ponendo vocatur, eiusque oppositum, quod divi

dendo pluribus communicat et communicando dividit , rectius dividuum dici debet

(Amm. 479.).

516) Ebend. p. 438.: Cum enim omne esse eae forma sit, quodlibet subsistens

rem et nomen a sua capit forma (Anm. 458, 474, 482.).

517) Ebend. 60, p. 444.: luaeta logicorum enim regulam methodus a genere

ad destruendum, a specie valet ad construendum (Anm. 480.).

518) Gedruckt bei Boethii 0pp. ed. Basil. 1570, p. 1274 ff. Havaisson (Rap

ports sur les bibliotheques des departemenls de l'ouest, Paris 1841, p. 169.) fand

XIV. Einzelne Autorem. 229

Gilbert geführt worden war (Anm. 477 f.) jener nemliche Realismus,

wie bei Gilbert oder bei 0tto ° '°), und wir mögen vielleicht höchstens

erwähnen, dass sich hier eine wunderliche Aufzählung verschiedemer

Bedeutungen des Wortes „unum“ findet **"). -

In die nemliche Zeit aber, d. h. ungefähr zwischen 1140 und 1170,

fällt auch das Auftreten einiger Anderer, von welchen wir fast nur die

Namen kennen, und es drängt sich uns bei jedem Schritte unserer Un

tersuchung wieder die Erwägung auf, dass die uns zugänglichem Quellen

immer noch nur eine fragmentarische Kenntniss ermöglichem. Man wird

es ja als zufällige Notiz bezeichnen müssen, dass Johannes von Sales

bury, wo er den Lauf seiner Studien erzählt, einen gewissen Alb e r i c h.

nennt, welcher nach Abälard's Tod in St. Géneviève zu Paris docirte

und energisch den Kampf gegen die Nominalisten aufnahm, wobei ihn

ein bedeutendes Talent des Distinguirens unterstützt haben mag**').

Ferner berichtet Johannes, er selbst habe einen gewissen Willi ram

v o n S o i s s o n s in der Logik unterrichtet, welcher danm durch ihn

bei Adam von Petit-Pont (Anm. 440 ff.) eingeführt worden sei und hier

auf gegen die Anhänger der alten Logik (antiqui, logicae vetustas, s.

in einer Handschrift von St.-Michel einem anonymen Tractat, welcher nach dem von

ihm angeführten Anfangs-Zeilen identisch mit diesem Pseudo-Boethius ist.

519) p. 1274.: 0mne enim 'esse eae forma est in rebus creatis, sed nullum

esse ea, forma est , misi cum forma materiae unita est; esse enim non est nisi eae

coniunctione formae cum materia .... Cum autem forma materiae unitur, eæ con

iunctione utriusque necessario , aliquid : unum constituitur .... Unitio aulem non fit

nisi ab unitate .... Forma autem non tenet unilatem cum materia, nisi unitas sit;

ideo materia eget unitate ad uniendum se et de natura sua hal)et multiplicari; unitas

vero retinet, unit et colligit, ac per haec, ne materia dividatur et spargatur, necesse

est ut ab unitate retineatur u. s. f.

520) p. 1276.: Unum enim aliud est essentiae simplicitate, ... aliud simpli

cium cognitione, .... aliud continuitate, .... aliud compositione, .... aliud aggrega

tione, .... aliud praepositione, ... aliud accidente, ... aliud numero, .... aliud ratione,

.... aliud natura unum, ut participatione speciei plures homines unus, aliud ....

natione, .... aliud more.

521) Joh. Saresb. Metal. II, 10, p. 78 f. (ed. Giles): Contuli me ad Peripate

ticum Palatinum, qui tunc in monte Sanctae Genovefae clarus doctor et admirabilis

omnibus praesidebat; ibi ad pedes eius prima artis huius rudimenta accepi ......

Deinde post discessum eius, qui mihi praeproperus visus est, adhaesi magistro Al

berico, qui inter ceteros opinatissimus dialecticus enitebat et erat revera nominalis

sectae acerrimus impugnator. Sic ferme toto biennio conversatus in monte artis

huius praeceptoribus usus sum Alberico et magistro Roberto Melidunensi (s. oben

Anm. 453.)..... qu0rum alter (d. h. Alberich) ad omnia scrupulosus locum quae

stionis inveniebat ubique, ut, quamvis polita planities, offendiculo non careret et,

ut aiunt, scirpus ei non esset emodis, nam et ibi monslrabat, quid oporteat enodari

..... Apud hos t0t0 eæercitatus biennio sic locis assignandis assuevi et regulis et

aliis rudimentorum elementis, quibus pueriles animi imbuuntur et in quibus praefati

doctores potentissimi erant et eaepeditissimi, ut etc. Eine Erwähnung dieses Alberich

findet sich auch bei Joh. Saresb. Enthet. v. 55 f. : lste loquaæ minimumque dicaae

redolet Melidunum, Creditur Alberico doctior iste suo. Welcher Alberich aber unter

dem Mehreren dieses Namens, welche in jener Zeit erwähnt werden, es gewesen

sei, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen; die erwähnte Zeitangabe macht es

wahrscheinlich, dass es Alberich von Rheims, mit dem Beinameu de Porta Veneris,

war, welcher später den Johannes v. Salesbury und den Erzbischof Thomas bei

ihrem Exile in Italien gastlich aufnahm. S. Bulaeus, hist. un. Par. II, p. 724. u.

Histoire litter. de la France XII, p. 75.

230 XIV. Einzehne Autorem.

obem Amm. 55 ff.) eine eigenthümliche Weranstaltung (machina) ersonnen

habe 82*). Sodamm hezeichnet Johannes ein anderes Mal ausser jenem

seinem Gegner, welchem er Cornificius mennt (s. sogleich untem), dem

Vertreter einer amderem, wie es scheint, übertriebemen und abstrusen

Richtung der Logik mit dem fimgirten Namen S e r t o r iu s °°°). Hiezu

aber kömmt ausser schlecht beglaubigten Notizen über einem David

in Hirsehau und einen , Joh an m e s S e r I o vom York ***) noch eime an

derweitige Mittheilung durch eimem Autor aus dem Ende des 12. Jahr

hundertes, nemlich durch W alter Ma p e s, welcher in seinem Gedich

tem gelegentlich eine Kenntniss der in den Schulen hervorragendem

Persönlichkeitem und Riehtungen zeigt; derselbe erwähnt (mit der Be

merkung, dass Abälard die meistem Anhänger habe) ausser dem Bern

hard v. Chartres, dem Petrus v. Poitiers und dem Adam vom Petit-Pont,

einen gewissen Re g in a I d u s, einem gewaltigen Schreier, welcher Alle

tadelte und den Porphyrius am den Galgen hieng (laqueo suspendit),

so dass wir vielleicht in ihm jemen Cornificius des Johannes v. Sales

bury erblicken könntem ; fermer nebem dem Robert Pulleym einem äusserst

spitzfindigem Ma n e r i u s, einen witzigem B a r t h o 1 o m ä u s und einen

R o b e r t A m i cla s *°°). Auch mag erwähnt werdem, dass das Gedicht

522) Ebend. p. 80.: Unde ad magistrum Adam .... familiaritatem contraaci ul

teriorem .... Interim Willermum Suessionensem, qui ad eaepugmandam, ut aiunt sui,

logicae vetustatem et consequentias inopinabiles construendas et antiquorum sententias

diruendas machinam postmodum fecit, prima logices docui elementa et tandem iam

dicto praeceptori apposui. Ibi forte didicit, idem esse eae contradictione, quum Ari

stoleles obloquatur, quia ,,idem quum sit et non sit, non necesse est idem esse**

(diese Worte finden sich Anal. pr. II, 4, 57 b. 3, s. Abschn. IV, Anm. 614.) et item

quum aliquid sit, non necesse est idem esse et non esse ; nihil enim eæ contradic

tione evenit et contradictionem impossibile est eæ aliquo evenire, unde nec amici

machina impellente urgeri potui, ut credam, eae uno impossibili omnia imp0ssibilia

provenire. Selbst abgesehen davom, worin denn diese ràthselhafte machina bestan

dem haberi soll, ist mir diese ganze Stelle, derem Text wohl auch werdorben sein

mag, völlig unverständlich geblieben; nur so viel geht aus einer anderem Stelle

(unten Anm. 624.) hervor, dass man am jene aristotelischen Worte die hypotheti

schem Syllogismem anzuknüpfen versuchte.

523) Enthet. v. 116 ff.: Si quis credatur logicus, hoc satis est; Insanire putes

p0tius, quam philosophari, Seria sunt etenim cuncta molesta nimis , Dulcescunt

nugae, vultum sapientis abhorrent, Tormenti genus est saepe videre librum. Ablac

tans nimium teneros Sertorius olim Discipulos fertur sic docuisse suos; Doctor enim

iuvenum prelio compulsus et aere Pro magno docuit munere scire nihil.

524) Trithem. Ann. Hirsaug. ann. 1137. (Ed. St. Gall. 1690, I, p. 403.): Da

vid ...... monachicum habitum suscepit .... Scripsit quaedam non spernendae lectionis

opuscula ..... de grammatica L. 1, in Perihermenias Aristotelis libros duos. Dass je

doch die Angabem des Trithemius geringem Werth habem, weiss jeder Kundige;

hingegen woch weit schlimmer steht es bekanntlich mit Pitseus, welcher häufig,

w0 er nicht den Leland ausschrieb, reine Lügen ersanm, daher es vielleicht kaum *

der Erwähnung werth ist, dass derselbe, De illustr. Angl. script. p. 223 f. (ad ann.

1160.) sagt: Joannes Serlo dictus magister Serlo .... eae Eboracensi canonico factus

est ... Fonlanus Abbas ..... Scripsit .... de aequivocis dictionibus librum unum, de

univocis dictionibus librum unum.

525) The latin poems commonly attributed to Walter Mapes, collected and edi

ted by Thomas Wright (London 1841. 4.), woselbst auch das Nähere über Walter

Mapes in der Einleitung erörtert ist. In Einem Gedichte, Metamorph. Goliae, v.

189 ff. (p. 28.), findet sich folgende Stelle: Ibi doctor cernitur ille Carnotensis, Cuius

lingua vehemens truncat velut ensis, Et hic praesul praesulum stat Pictaviensis, Prius

XIV. Der sog. Cornifieius. ' ' ' ' 231

mit einer Austreibung der Mönche aus dem Sehulem der Philosophem

endigt °*°), sowie dass eim anderes Gedicht, welches ungefähr der mem

liehen Zeit angehört, im sehr launiger Weise dem Gegensatz zwischen

sinnlichem Pfaffenthum und seiner logischer Bildung schildert °*7).

An die Genanntem reiht sich endlich noch jeme ganze Richtung am,

welche Johammes v. Salesbury, indem er micht gegem die Person, som

dern nur gegen die Sache kämpfen will, mit dem symbolischen Namen

C o r m i fi c i u s bezeichnet °°°). Die zahlreichen Stellem, in welchem er

diesem seinem Gegner oder die Anhänger desselben erwähnt, treffem in

dem Eimen Punkte zusammem, dass es Mehrere gab, welche jede Tech

nik des denkemden Redens (eloquentia oder logica) vom vormeherein als

unnütz verwarfem , da Alles auf Naturamlage beruhe, und hiemit, wer

diese besitze, ohne alle Technik von sich selbst auf das Richtige komme,

wer hingegen keime Begabung habe, auch durch die Theorie nicht ge

fördert werde °*°). Und wenn hinzugefügt wird, dass diese „Philo

et nubentium miles et castrensis (hierauf die oben, Anm. 442., angeführtem Verse)

. Celebrem theologum vidimus Lombardum, Cum Yvone Helyam Petrum (beides

Grammatiker) et Bernardum, Quorum opobalsamum, spiratos et nardum, Et professi

plurimi sunt Abaelardum, Reginaldus monachus clamose contendit Et obliquis singulos

verbis comprehendit, Hos et hos redarguit, nec in se descendit, Qui nostrum Por

phyrium laqueo suspendit. Robertus theologus corde vivens mundo Adest et Manerius,

quem' nullis secundo, Alto loquens spiritu et ore profundo, Quo quidem subtilior nul

lus est in mundo. Hinc et Bartholomaeus faciem acutus Rhetor, dialecticus, sermone

astutus , Et Robertus Amiclas simile secutus, Cum his, quos praetereo, populus

minutus.

526) Ebend. v. 233. (p. 30.): Quidquid tantae curiae sanctione datur, Non

cedat in irritum, ratum habeatur; Cucullatus igitur greae vilipendatur Et a philoso

phicis scolis eaepellatur. Amen.

527) De presbytero et logico (gleichfalls vom Wright herausgegeben a. a. 0.

p. 251 ff.) in 216 Versen, worin sich allerdings für unserem Zweck keim geschicht

licher Beitrag findet. Der Gegensatz der Richtungem spricht sich aus z. B. v.

29 ff.: Logicus: Fallis, fallis , presbyter, coelum Christianum, Abusive loqueris,

laedis Priscianum, Te probo falsidicum, te probo vesanum .... Presbyter: Tace, tace,

logice, tace, vir fallator, Tace, duae insaniae, legis vanae lator ... Log.: Peccasti,

sed gravius adiicis peccare, Legem hanc adiiciens vanam nominare; Sanum est, dis

serere vel grammatizare, Si insanum putas, velim dicas quare. Presb.: Deo est

odibile vestrum argumentum; Ibi nulla veritas, totum est figmentum, oder z. B. v.

129 ff.; Log. : Audi, inter phialas quid philosopharis; follus, non philosophus, hinc

esse probaris, Stulto sunt similia singula, quae faris, Epicure lubrice, duæ inglu

wiei , Cuius deus venter est, dum sic servis ei etc.

528) Joh. Saresb. Metal. I, 2, p. 14.: Utique par est, sine derogalione per

sonae sententiam impugnare , nihilque turpius, quam, quum sententia displicet aut

opinio, rodere nomen auctoris .... Ceterum opinioni reluctor, quae multos perdidit,

eo quod populum, qui sibi credat, habet, et licet antiquo novus Cornificius ineptior

sit, ei tamen turba insipientium acquiescit. Polycr. I, Prol. p. 15. : Aemulus non

quiescit, quoniam et ego meum Cornificium habeo .... Quis ipse sit, nisi ab iniuriis

temperet, dicam ....., procedat tamen et publicet, arguat meum ratione vel auctori

tate mendacium. Aus der Ausdrucksweise in diesem beiden Stellen geht hervor,

dass der Name Cornificius mur von einer antiken Persömlichkeit auf den eigenen

Feind 'des Johannes symbolisch übertragen sei, umd es ist mit Gewissheit anzu

nehmen, dass die Angaben des Donatus (Vita Virgilii, c. 17 f. , s. Virg. 0pp. ed.

Wagner I, p. xci* f.) über einen Cornificius, welcher ,, ob perversam naiuram** ein

Gegner Virgils gewesen sei, die Weramlassung hiezu darbotem.

529) Ebend. Metal. I, 1, p. 12 : Miror itaque ...., quid sibi vult, qui elo

quentiae negat esse studendum .... p. 13.: Cornificius noster studiorum eloquentiae

232 XIV. Der sog. Cornificius. Johannes y. Salesbury.

sophen auf eigene Faust“ mit Verschmähung des ganzen Triviums und

Quadriviums sich auf praktische Dinge und auf Gelderwerb warfen *°°),

so läge hierin ein bedeutsames Anzeichen, insoferne diese Richtung

nicht etwa von klerikaler oder dogmatischer Anschauung aus, sondern

in Folge eines praktischen Dranges dem Wuste der Schulweisheit abge

neigt gewesen wäre und auf den ummittelbaren Werth individueller Be

gabung hingewiesen hätte. So könnten wir Solches als ein Vorspiel

späterer Tendenzen verstehen. Dürften wir auf den sog. Cornificius

auch die Notiz beziehen, dass Einige die Kategorien und die lsagoge

als unnütze Elementarbücher verwarfen **'), so könnten wir vielleicht

den obigen Reginaldus wenigstens für einen Vertreter dieser Partei

halten ***), wenn es nicht unnütz wäre, bei einer so lüekenhaften

Quellenkenntniss blosse Wermuthungen aufzustellen. , Wie aber Johannes

selbst sich die Entstehung einer solchen 0pposition gegen die Schul

Logik gedacht habe, wurde oben, Amm. 52 f., angegeben.

Hiemit aber wenden wir uns zu eben jenem Autor selbst, welchen

wir bisher schon so häufig als Quelle benützen mussten, nemlich zu

J oh a n n e s v o n S a I e s b u r y ***). Derselbe (gestorben i. J. 1 180)

imperitus et improbus impugnulor. C. 3, p. 15.: Fabellis tamen et nugis suos

pascit interim auditores, quos sine artis beneficio, si vera sunt quae promittil, faciet

eloquentes et tramite compendioso sine labore philosophos. C. 6, p. 23.: Neque enim,

ut Cornifisius meipsum docui ... Non est ergo eae eius sententia studendum praeceptis

eloquentiae, quoniam eam cunctis natura ministrat aut negat; si ultro ministrat aut

sponte, opera superfluit et diligentia; si vero negat, inefficaae est et inanis. C. 10,

p. 29.: Eo itaque opinionis vergit intentio, ut non omnes mulos faciat, qu0d nec

fieri potest nec eaepedit, sed ut de medio logicam tollat. . Ebend. II, Praef. p. 62.:

Logica, quam, etsi mutilus sit et amplius mutilandus, Cornificius parietem solidum

coecati m0re palpans impudenter attentat et impudentius criminatur. Ebend. IV, 25,

p. 181.: Sed Cornificius noster, logicae criminator, philosophantium scurra, non

immerito contemnetur. Enthet. v. 61 ff.: Cum sit ab ingenio totum, non sit tibi

curae, Quid prius addiscas posteriusve legas. Haec scola non curat, quid sit modus

ordove quid sit, Quam teneant doctor discipulusve viam.

530) Metal. I, 4, p. 20.: Alii autem Cornificio similes ad vulgi professiones

easque profanas relapsi sunt parum curantes, quid philosophia doceat, quid appeten

dum fugiendumve denuntiet, dummodo rem faciant, si possunt, recte, si non qu0

cunque modo rem (Hor. Ep. I, 1, 65.) ..... Evadebant illi repentini philosophi et

cum Cornificio non modo trivii nostri, sed totius quadrivii contemptores.

531) Ebend. III, 3, p. 123.: Sunt, qui librum istum (d. h. die Categoriae),

qu0niam elementarius est, inutilem fere dicunt, et satis esse putant ad persuaden

dum, se in dialectica disciplina et apodictica esse perfectos, si contempserint vel ign0

raverint illa, quae in primo commento super Porphyrium , antequam artis aliquid

attingatur, docet Boethius praelegenda. -

532) Möglicher Weise könnte dann in obigem ,,laqueo suspendit“ (Anm. 525.)

selbst wieder ein Wortspiel mit Cornificius und carnifeae stecken. Ein anderes Wort

spiel mit cornicari s. unten Anm. 545.

533) Gründliche litteraturgeschichtliche Untersuchungen über Joh. v. Salesbury

hat Christ. Petersen in seiner Ausgabe des Entheticus (Hamb. 1843) gegeben. Die

Monographie, in welcher Herm. Reuter (Joh. v. Salesb. Z. Gesch. d. christl. Wis

sensch. im 12. Jahrh. Berl. 1842) die Lehre des Johannes darzustellen versuchte,

leidet durchgängig an einer ebenso schiefen als äusserst mangellroften 0rientirung

des Werfassers. — Ich citire nach der Gesammtausgabe von A. Giles (0xford

1848, 8, 5 Bände, wovon der Polycraticus den 3. u. 4. Band füllt, der Metalogicus

aber im 5. sich findet), wenn auch dieselbe durchaus nicht sorgfältig gemacht

-

XIV. Johannes v. Salesbury. - 233

halle das Studium der Logik in Abälard's Schule begonnem, bei obigem

Alberich, bei Robert von Melum und Wilhelm von Conches fortgesetzt,

trat damn in wissenschaftlichen Werkehr mit Adam von Petit-Pont, hörte

abermals Dialektik bei Gilbert Porretanus, Theologie bei Robert Pulleyn,

kehrte danm zu den Abälardianern zurück, welche während der zwanzig,

Jahre Nichts gelernt und Nichts vergessen hatten ***), und verfasste

um d. J. 1160 °°°) seinen Metalogicus, in welchem er hauptsächlich .

seine Ansichten über Logik niederlegte. Johannes hat dieses sein Werk,

wie er selbst sagt, nach langjähriger Unterbrechung seiner logischen

Studien nur aus dem Gedächtnisse rasch in kurzer Zeit gesehrieben,

nicht um einen Commentar zum Lehren oder Lernen zu verfassem, son

dern hauptsächlich um gegen die erhobenen Angriffe den Nutzem der

Logik zu erweisen und so dieselbe zu vertheidigen *°°).

Der Nützlichkeits-Standpunkt ist ihm der entscheidende, und es

wird uns schom hiernach nicht unerwartet sein, wenn wir in ihm einen

völlig principlosen Eklektiker treffen werden *°"). Bei dem praktischen

Utilitäts-Drange unterscheidet er sich von seinem Gegner Cornificius nur

ist und namentlich durch die simnloseste lnterpunktion häufig das Werständniss er

schwert (die nöthigen Aenderungen hierim nebme ich stillschweigend vor).

534) Metal. II, 10, woselbst nach der oben Anm. 521. angeführten Stelle

folgt (p. 79.): Deinde me ad grammaticum de Conchis transtuli ipsumque triennio

docentem audivi; hierauf folgt der Inhalt obiger Anm. 522., sodann (p. 81.): Re

versus itaque ... reperi magistrum Gilberlum ipsumque audivi in logicis et divinis;

sed mimis cito subtractus est; successit Robertus Pullus, quem vita pariter et scientia

commendabant; deinde me eaccepit Simon Peaeiacensis .... sed hos duos in solis theo

logicis habui praeceptores .... Iucundum itaque visum est, veteres, quos reliqueram

et quos adhuc dialectica detinebat in monte, revisere socios, conferre cum eis super

ambiguitatibus pristinis, ut nostrum invicem eae collatione mutua commetiremur pro

fectum. Inventi sunt, qui fuerant et ubi; neque enim ad palmam visi sunt pro

cessisse ad quaestiones pristinas dirimendas neque pr0p0siliunculam unam adiecerant.

Ebend. III, 3, p. 129.: Habui enim hominem (d. h. den Adam v. Petit-Pont, s.

Anm. 441.) familiarem assiduitate colloquii et communicatione librorum et quotidiano

fere exercitio super emergentibus articulis conferendi; sed nec una die discipulus

eius fui , ei tamen habeo gratias , quod eo docente plura cognovi, plura ipsius

ipso arbilrio reprobavi. Vgl. hiezu Anm. 54.

535) S. Petersen a. a. 0. p. VI u. 73 ff.

536) Metal. Prol. p. 8.: Si quidem, quum operu logicorum vehementius tan

quam inutilis rideretur, et me indignantem *t renitentem aemulus quotidianis fere

iurgiis provocaret, tandem litem eæcepi et ad calumnias studui respondere .... Pla

cuit itaque sociis, ut hoc ipsum tumultuario sermone dictarem, cum nec ad sentem

tias subtiliter evaminandas nec ad verba eaepolienda studium superesset aut otium ....

(p. 9.) Nam ingenium hebes est et memoria, infidelior, quam ut antiquorum (s.

Anm. 55 ff.) subtilitates percipere aut, quae aliquando percepta sunt, diutius valeam

retinere .... Et quia logicae suscepi patrocinium, Metalogicon inscriptus est liber.

Ebend. lII, praef. p. 113.: Anni fere viginti elapsi sunt, eae , quo me ab officinis

et palaestra eorum, qui logicam profitentur, rei familiaris avulsit angustia .... Unde

ne eaccusatiorem habendum puto in his, quae 0btusius et incultius a me dicta lector

inveniet .... (p. 115.) Ergo procedat oratio, et , quae antiquatae occurrunt memo

riae de adolescentiae studiis, quoniam iucunda aetas ad mentem reducitur etc. III,

10, p. 156.: propositum est scilicet, ut potius aemulo occurratur, quam ut in artes,

quas omnes docent aut discunt , commentarii scribantur a nobis.

537) Herm. Reuter ist gänzlich in Irrthum, wenn er von einem ,,höheren

philosophischen Standpunkte* spricht, von welchem aus Johannes sich über die

damals streitenden Parteien erhoben habe. -

234 XIV. Johammes v. Salesbury.

dadurch, dass er nicht wie jener die Schuldoetrim verwirft, somderm

diese selbst praktisch machem will; aber Philosoph ist er ebenso wenig

als Cicero, mit welchem er sieh in imniger Uebereinstimmung befimdet.

Er bekennt sich ja selbst ausdrücklich zur Probabilitäts-I.ehre der vom

Cicero empfohlenem akademischem Sekte °°°) und findet hiernach in der

praktisehen Nutzbarkeit dem einzigen Zweck aller Wissenschaft °°°). ln

solchem Sinne äussert er sich über die Wortklauberei und Spitzfindig

keit der Dialektiker in so starkem Ausdrückem, dass der principiellste

Feind aller Logik kaum heftiger sprechen könnte °*°); ja sogar an dem

Erörterungen über die Kategorien, welehe sein Lehrer Gilbert gepflogen

hatte, findet er, obwohl vielfach mit demselben einverstandem (s. untem

Amm. 582 II. 593 ff. u. 606 ff.) dennoch zu tadeln, dass hierüber die

moralische Selbsterkenntniss verkürzt werden könne °*'), und hinge

rissem vom dem Eifer für Moraltheologie bezeichnet er die aristotelische

Logik, welche er doch gegem Angriffe vertheidigen will, mit dem Worte

astutiae, welches wir bei famatischen Gegnern der Philosophie zu findem

gewohnt sind ***).

538) Polycr. I, Prot. p. 15.: In philosophicis academice disputans pro rationis

nodulo, quae occurrebant probabilia, sectatus sum, nec Academicorum erubesco pro

fessionem, qui in his, quae sunt dubitabilia sapienti, ab eorum vestigiis non recedo;

licet enim secla haec tenebras rebus omnibus videatur inducere , nulla veritati eaca

minandae fidelior et auctore Cicerone, qui ad eam in senectute divertit, nulla pro

fectui familiarior est. Metal. II, 20, p. 102.: qui me in his, quae sunt dubitabilia

sapienti, academicum esse pridem professus sum.

539) Metal. Prol. p. 9.: De moribus vero scienter nonnulla inserui ratus, omnia,

quae leguntur aut scribuntur, inutilia esse, nisi quatenus afferunt aliquod admini

culum vitae ; est enim quaelibet professio philosophandi inutilis et falsa, quae se

ipsam in cultu virtutis et vitae eæhibitione non aperit.

540) Polycr. VII, 9, p. 110.: Suspice ad moderatores philosophorum temporis

nostri ..... , eos in regula una aut duobus aut pauculis verbis invenies * 0ccupatos,

aut, ut multum, pauculas quaestiones optas iurgiis elegerunt, in quibus ingenium

suum eæerceant et consumant aetatem; eas tamen non sufficiunt enodare, sed nodum

et totam ambiguitatem cum intricatione sua per auditores suos transmittunt posteris

dissolvendum, .... latebras quaerunt, variant faciem, verba distorquent, ... si in eo

perstiteris, ut, quocunque verba defluant et volvantur, quid velint, intelligas, et

quid sentiant in tanta varietate verborum, et tandem vincientur sensu suo et capien

tur in verbo oris sui, si substantiam eorum, quae dicunt, attigeris firmiterque tenue

ris. Ebend. 12, p. 122.: Errant utijue et impudenter errant, qui philosophiam in

solis verbis consistere opinantur; errant, qui virtutem verba putant .... Qui verbis

inhaerent, malunt videri quam esse sapientes, .... quaestiunculas movent, intricant

verba, ut suum et alienum obducant sensum, paratiores ventilare quam evaminare,

si quid difficultatis emersit. Hiezu obige Anm. 58,

541) Ebend. III, 2, p. 164.: Inde est forte, quod illi, quia prima totius

philosophiae elementa posteris tradere curaverunt, substantiam singulorum arbitrati

sunt intuendam, quantitatem, ad aliquid, qualitatem, situm esse, ubi, quando, habere,

facere et pati, et suas in omnibus his proprietates , an intensionem admittant et

susceptibilia sint contrariorum et an eis ipsis aliquid inveniatur adversum (all diess

letztere hat eben Gilbert erörtert, s. Anm. 489—509.); provide quidem haec et

diligenter, etsi in eo negligentiores eaestiterunt, quod sui ipsius notitiam in tanta

rerum luce non assecuti sunt etc.

542) Ebend. IV, 3, p. 227.: Astutias Aristotelis, Chrysippi acumina omnium

que philosophorum tendiculas resurgens mortuus confutabat. Metal. III, 8, p. 141.:

Pythagoras naturam eaecutit, Socrates morum praescribit normam, Plato de omnibus

persuadet, Aristoteles argutias procurat. Vgl. Anm. 560.

XIV. Johannes v. Salesbury. 235

Suchem wir hiernach ausfindig zu machem, welche principielle

Stellumg Johannes der Logik anweise, so deutet er einmal bezüglich

der Eintheilung der Wissenschaftem eimem Grundton am, welcher uns

sehr am Hugo v. St. Victor erinnert (Amm. 45 f.), indem als diemende

Mächte unter der Herrschaft der divina pagina die mechamisehem, die

theoretischem, die praktischem Disciplimem, und die das feste Bollwerk

aufbauende Philosophie bezeichnet werden ***), wobei beachtenswerth

ist, dass auch Hugo die Aufgabe der Logik im die Vervollkommnung

des Sprechens verlegt. Und wenn ein anderes Mal im umverkennbarsten

Anschlusse an Gilbert (Amm. 465) eine dreifache Functiom der Wernunft

(ratio) unterschieden wird, insoferne der concrete Gebrauch derselbem

(modus concretivus) auf die simnlich wahrnehmbare Natur gehe, die

abstract auflösende Thätigkeit (resolvere) zur Mathematik führe, und die

beziehungsweise Vergleichung (conferre et referre) Aufgabe der Logik

sei °**), so sehen wir schon hieraus, dass Johannes die Fähigkeit hat,

verschiedene Ansichtem Anderer beliebig aufzugreifen umd eklektisch

mebeneimander hinzustellen.

Num aber ist der eigentlich eklektische Standpumkt für die Logik

der rhetorische, demm dieser überhebt sich aller Schwierigkeiten, welche

in dem philosophischem Grundfragem auftretem können, und so ist auch

Johannes vom der Mühe dispensirt, sich etwa für Eine philosophische

Auffassung zu entscheidem. 0hne die Stellung der Logik im Gebiete

der Wissenschaften näher zu bestimmen, und ohme das Verhältniss des

subjectiven Denkens zur 0])jectivität oder zur Form (les Sprachausdruckes

nach irgend Eimer bestimmtem Ansicht zu erörtern, kanm er sich dabei

begnügem, in einer huntem Fülle verschiedemer Wendumgen und mit Be

mützung der üblichen Schultradition dem Feimden der Logik den Begriff

und den Werth der „eloquentia“ emtgegenzuhaltem °*°). Die Arl und

Weise, wie sich das Denken zu dem Wortausdrucke verhalte, wird

durch eime rhetorische Floskel bezeichmel, indem vom eimer ,,süssen

und fruchtbarem Ehe“ der Wermunft und des Wortes gesprochen wird 840),

543) Enthet., v. 441 ff. : Haec scripturarum regina vocatur, eandem Divinam

dicunt, .... Hanc caput agnoscit philosophia suum; Huic omnes artes famulae; me

chanica quaeque Dogmala, quae variis usibus apta vides, Quae ius non reprobat,

sed publicus approbat usus, Huic operas debent militiamque suam; Practicus huic

servit servitque theoricus; arcem Imperii sacri philosophia dedit. In Bezug anf Hugo

vgl. Amm. 555.

544) Ebend. v. 659 ff.: Res triplici spectare modo ratio perhibetur, Nec quar

tum potuit mens reperire modum; Concretivus hic est, alius concreta resolvit, Res

rebus confert ,tertius atque refert; Naturam primus, mathesim medius comitatur,

Vindicat eaetremum logica sola sibi. -

545) Metal. I, 7, p. 24.: Cornicatur haec domus insulsa, suis tamen verbis,

et quam constat totius eloquii contempsisse praecepta .... Ait enim, superflua sunt

praecepta eloquentiae, quoniam ea naturaliter adest aut abest (Anm. 529.). Quid,

inquam, falsius? Est enim eloquentia facultas dicendi commode, quod sibi vult

animus eaepediri .... (p. 25.) Ergo cui facilitas adest commode eaeprimendi verbo qui

dem , quod sentit, eloquens est; et hoc faciendi facultas rectissime eloquentia nomi

natur, qua quid esse praestantius possit ad usum, compendiosius ad opes, fidelius

ad gratiam, commodius ad gloriam, non facile video.

546) Ebend. I, 1, p. 13.: Ratio, scientiae virtutumque parens, ... quae de

verbo frequentius concipit et per verbum numerosius et fructuosius parit, aut omnino

236 XIV. Johannes v. Salesbury.

und dem gleichen Werth hat die Redensart, dass die Eigenthümlichkeiten

der Dinge in die Worte „überfliessen“, und bei der bestehenden Wer

wandtschaft der Dinge und der Aussagen (vgl. das Nemliche bei Abá

lard, Amm. 308, und Aehnliches bei Gilbert, Anm. 457) es sich nur

darum handle, eine Fülle von Dingen im Geiste und eine Fülle von .

Wortem im Munde zu besitzen °*7). Kurz der einmal vorliegende Be

fund der redenden Kundgebung bietet für Johannes den wesentlichsten

Gesichtspunkt dar, und so definirt er „Logik im weitesten Sinne“ in

Ciceronischer Terminologie als ratio loquendi vel disserendi, wornach

ihr die Disciplinirung der Aussagen (magisterium sermomum) anheim

falle, und sie hierin sowohl ihren Nutzen zeige als auch unter den

freiem Künsten die erste Stelle einnehme, denn in jenem weitesten Sinne

umfasse sie auch dem Umkreis der Grammatik ***). Indem aber hiemit

sich doeh die Forderung ergäbe, bei dieser weiten Definition das wech

selseitige Verhältniss der Grammatik und der Logik (vgl. sogleich untem

Anm. 556) genauer festzustellen, lässt der wissenschaftliche Indifferen

tismus des Johaunes auch diese Frage wieder bei Seite liegen, indem

der Entscheid darüber, ob die Grammatik wirklich ein Theil der Logik

sei, ausdrücklich abgelehnt wird °*°). Wenn fermer gesagt wird, die

Dialektik solle durch Erwägung der Aussagen (sermones — der so häu

fige Gebrauch dieses Wortes erinnert von selbst an Abälard —) zu einer

Wissenschaft der Prüfung und Feststellung des Walaren gelangen, so

hat diess wieder nur den beschränkten Sinn, dass die Dialektik als

treftlichste Dienerin der Rede-Gewandtheit (ministra eloquentiae) hierin

ihren Nutzen bewährt, indem sie zum Maassstabe des Wissens wird °°°),

a*

sterilis maneret aut quidem infoecunda, si non conceptionis fruclum in lucem ederet

eloquio, et invicem, qu0d sentit, prudens agitalio mentis hominibus publicaret; haec

autem est illa dulcis et fructuosa coniugatio rationis et verbi, quae elc.

547) Ebend. 16, p. 42.: Natura enim copiosa est et ubertatis suae gratiam

humanae indigentiae facit; inde ergo est, quod proprietas rerum redundat in voces,

dum ratio affectet, sermones rebus, de quibus loquitnr, esse cognatos. Polycr. VII,

12, p. 124.: Nihil enim utilius , nihil ad gloriam aut res acquirendas commodius

iuventuti, quam eloquentia, quae ea, e0 plurimum comparutur, si rerum in mente et

in ore copia sit verborum.

548) Metal. I, 10, p. 29 f.: Est itaque logica, ut nominis significatio latissime

paleat, loquendi vel disserendi ratio (s. Abschn. VIII, Anm. 23.); contrahitur enim

interdum et dumtaaeat circa disserendi rationes vis nominis coarclatur. Sive itaque

ratiocinandi vias doceat sive omnium sermonum regulam praebeat, profeclo desipiunt,

qui eam dicunt esse inutilem ..... Sed , ut quam latissime protendatur significatio,

ei ad praesens sermonum omnium magisterium tribuatur. Ebend. 13, p. 34.: Ha

rum autem omnium (d. h. artium liberalium) prima est logica, ab ea tamen sui

parte, quae in prima sermonum institutione versatur, ut nomen logices, sicut iam

dictum est, quam latissime pateat el non modo ad disserendi scientiam contrahatur;

est enim grammatica scientia recte loquendi scribendique et origo omnium liberalium

disciplinarum.

549) Ebend. II, praef. p. 62.: Sit aul non sit grammalica pars logices, non

contendo; constat enim, quod in sermonibus vertitur eosque ministrat, etsi non omnes

sermonum e.vaminet rationes.

550) Ebend. lII, 2, p. 121. : Quum eo tendat dialectices tota inlenlio, ut ser

monum vim aperiat et eae eorum praedicatione examinandi veri et statuendi scientiam

assequatur; hoc agit, sive dividat, sive definiat, sive colligat, sive ea quae fuerunt

collecta resolvat. Ebend. II, 9, p. 77.: Liquet, dialecticam, quae inter ministras

XIV. Johannes v. Salesbury. 237

und zum Beweise dieser Nülzlichkeit stellt auch Johanmes seinem Cor

mifieius jeme augustinischen Worte entgegen, welche wir mum schon so

oft angeführt trafen *°'). Gerade der Nutzem aber wird mur in der

obigem Fülle der Dinge zu Tage treten könnem, und darum dringt Jo

hamnes darauf, dass man vom dem logischen Schul-Unterrichte, welcher

in Wortkram umd Sophistik sich bewege, hinwegstrebe und auf den

Stoff anderer Disciplinem übergehe, damit eine Fülle der Rede (copia

eloquentiae) erwachse, vermöge deren mam in Allem wenigstens mach

Wahrscheinliehkeit disputirem, wo nicht sogar das Unwahre siegreich

bekämpfen könne °°°). Wie sehr aber diess mit inmerer Amkmipfumg

an die rhetorische Seite der Logik, d. h. an die Topik , gemeint sei,

geht daraus hervor, dass in wörtlicher Uebereinslimmung mit Boethius

de diff. top. mur nach dem Standpumkte der Argumentation die metho

dische That der Logik auf die streitigem Punkte (quaestio oder thesis)

der einzelnen übrigen Disciplinem beschränkt wird, welch letztere hie

durch auf diesem miützlichsten Zweig des Wissens angewiesem seiem °°°).

Denselben Sinn hat es aueh noch, wenm sodann die „Dialektik im enge

rem Simne* als ratio disserendi definirt und ihr in üblicher Weise die

Umterscheidung des Wahren und Falscbem, jedocli ahermals mit Beizie

hung des Wahrscheinlichen, zugewiesen wird ***), und nm der Technik

eloquentiae eæpeditissima est et promptissima , unicuique prodesse ad mensuram

scientiae suae. -

551) Ebend. IV, 25, p. 182.: Pater Augustinus, cui temerarium est obviare,

eam tantis effert praeconiis, ut vituperari non possit nisi ab his, quorum nulla est

prudentia .... ,,Haec docet docere,- haec docet discere .... Quid valeat scire , scit

sola ; scientes facere non solum vult, sed et potest**. Quid ad haec Cornificius?

552) Ebend. 28, p. 184.: Fere enim inutilis est logica, si sit sola ; tunc de

mum eminet, quum adiunctarum virtute splendescit. Tenerae tamen aetati indulgen

dum est amplius, et, ut copiam eloquentiae comparet, interim est ferenda verbositas

..... Procedente ergo aetate et sensu verbositatis cohibeatur licentia et sophisticae,

quam Aristoteles dictilivam, nos circumventoriam vel cavillatoriam dicere possumus,

improbitas conquiescat. Ebend. II, 9, p. 77.: Sic dialectica, si aliarum disciplina

rum vigore deslilualur, quodammodo manca est et inutilis fere; si aliarum robore

vigeat, potens est, omnem destruere falsitatem et, ut minimum ei adscribam, sufficit,

de omnibus probabiliter disputare. Enthet. v. 111 ff.: Laudat Aristotelem solum,'

spernit Ciceronem Et quidquid Latiis Graecia capta dedit, Conspuit in leges, vilescit

physica, quaevis Littera sordescit, logica sola placet. Vgl. Amm. 52.

553) Metal. II, 12, p. 83.: Versatur eaeercitium dialecticae in omnibus disci

plinis, siquidem quaestionum habent materiam; sed eam, quae hypothesis dicitur, i.

e. quae circumstantiis (s. Abschm. XIl, Anm. 166.) implicatur, relinquit oratori.....

Thesim vero vindicat sibi, i. e. quaestionem a praedictarum circumstantiarum neacibus

absolutam. 13, p. 83.: Quaerunt ergo singulae (sc. disciplinae), et licet suis mu

niantur principiis, eis tamen logica methodos suas, compendii scilicet rationes, com

muniter ' subministrat , unde non modo ad eacercitationem, sed ad obviationes et ad

disciplinas utilissima est. -

554) Ebend. II, 1, p. 62.: Ut itaque nominis significalio contrahatur, logica

est ratio disserendi, per quam totius prudentiae agitatio solidatur. 2, p. 64.: hic

quidem, sicut Boethius in commento secundo super Porphyrium asserit (p. 47.), est

ortus logicae disciplinae; oportuit enim esse scientiam, quae verum a falso discerneret

et doceret, quae ratiocinatio veram teneat semitam disputandi, quae verisimilem, et

quae ficta sit et debeat esse suspecta; alioquin veritas per ratiocinantis operam non

poterat inveniri. I, 15, p. 41.: Dialectica autem id dumtaaeat acceptat, quod verum

est aul verisimile, et quidquid ab his longius dissidet, dicit absurdum.

238 XIV. Johannes v. Salesbury.

der Argumentation willen soll so die Dialektik als erste Einführung , in

die Philosophie benützt werden *°°). Da aber jede Argumentation oder

Disputation in Wortausdrücken sich bewegt, so wird nun in Anbetracht

dieser engeren Definition (vgl. hingegen Anm. 548)' in ähnlicher Weise

wie bei Abälard (Amm. 271) die Grammatik, welche bloss von dictio

handelt, von der Dialektik, derem Gegenstand und lnhalt die dicta * seien,

untersehiedem, dabei aber in lediglichem Indifferentismus die Frage als

unerheblich bezeichnet, ob es sich dabei um die • Aussage oder um das

Ausgesagte handle *°°). Und während Johannes hiemit wieder die in

, der Schule von Boethius her übliche Eintheilung der „Logik“ verbin

det *°7), führt ihm zugleich seine Kenntniss des Aristoteles auf die

Unterscheidung der Apodeiktik und der Dialektik, wobei ihm jedoch

aueh die erstere keimen inneren eigemen Zweck in sich selbst trägt,

sondern immer die Nutzbarkeit der gesammten so eingetheilten Logik

die Hauptsache bleibl °°°).

Won solehem Standpunkte aus vertritt num Johannes gegen die Ver

áchler der Dialektik aucl, den Werth der vorhandemen logisehen Littera

tur. Dass er in dieser Beziehung der erste Autor des Mittelalters ist,

555) Ebend. II, 3, p. 65.: Profecta igitur hinc est et sic perfecla scienlia dis

serendi, quae disputandi modos et rationes probationum aperit .... aliis philosophicis

disciplinis posterior tempore, sed ordine prima (ebenso Hugo v. Victor, Anm. 46.,

vgl. Anm. 543.); inchoantibus enim philosophiam praelegenda est, eo quod vocum et

intellectuum interpres est, sine quibus nullus philosophiae articulus recte procedit

in lucem.

556) Ebend. 4, p. 67.: Est aulem dialectica, ut Augustino placet (s. Abschn.

XII, Amm. 30.), bene disputandi scienlia .... Est autem disputare, aliquid eorum,

quae dubia sunt aut in contradictione posita aut quae sic vel sic proponuntur, ratione

supposita probare vel improbare, quod quidem, quisquis eæ arte probabiliter facit,

ad dialectici pertingit metam. Hoc aulem ei nomen Aristoteles auctor suus imposuit,

e0 quod in ipsa et per ipsam de diclis disputatur; ut enim grammatica de dictio

nibus et in dictionibus teste Remigio (vor. Abschn., Anm. 172.), sic ista de dictis

et in diclis est; illa verba sensuum principaliter, sed haec eacaminat sensus verbo

rum, nam λεχτόν graeco eloquio, sicut ait Isidorus (vor. Abschn. Anm. 27.) dictum

appellatur. Sive autem dicatur a graec0 λέις, quod locutio interpretatur .... sive

a λεκτόν, quod dictum nuncupatur, non multum refert, quum evaminare locutionis

vim, et eius quod dicitur veritatem et sensum, idem aut fere idem sit ; vis enim

verbi sensus est. III, 5, p. 137.: Est autem res, de quo aliquid; dicibile, quod

de aliquo; dictio, quo dicitur hoc de illo, worauf die oben, Anm. 207., angeführtem

Worte folgem.

557) Ebend. II, 3, p. 66.: Pro eo namque logica dicta est, quod rationalis, i.

e. rationum ministratoria et eacaminatriae est. Divisit eam Plalo in dialecticam et

rhetoricam, sed qui efficaciam eius altius meliunlur, ei plura attribuunt, siquidem

ei demonstrativa, probabilis et sophistica subiiciuntur, u. s. w. völlig nach Boethius,

s. Abschn. XII, Anm. 82. Ehenso 5, p. 68.: Demonstrativa et probabilis et sophi

stica , omnes quidem consistunt in inventione et iudicio et itidem dividentes , defi

nientes et colligentes domesticis rationibus utuntur, s. ebend. Anm. 76.

558) Ebend. II, 14, p. 35.: Principia itaque dialecticae probabilia sunt, sicut

demonstralivae necessaria. lll, 10, p. 152.: Sophisma est syllogismus litigatorius,

philosophema vero demonslralivus, argumenlum autem syllogismus dialecticus, sed

aporisma (s. Abschn. IV, Anm. 33.) syllogismus dialecticus contradiclionis. Horum

omnium est necessaria cognitio et in facultatibus singulis perutilis est eæercilatio.

p. 154.: Sic suorum instrumentorum necesse est logicum eæpeditam habere faculta

tem, ut scilicet principia noverit, probabilibus abundet, syllogizandi et inducendi omnes

ad manum habeat rationes.

XIV. Johannes v. Salesbury. 239

welcher eine vollständige Kenntmiss des gesammten aristotelisehen 0rga

nons zeigt, wurde schon obem, Anm. 26 u. 56 ff., bemerkt, unil es ist

num anzugeben, wie er sich das ganze Material und die einzelnen Theile

desselben anschaute und zurechtlegte. Den Aristoteles, dessen logische

Schriftem er micht mehr wie Andere theilweise vom blossen Hörensagen

kennt, bezeichnet er als den wahren Feldherrn (campiductor) aller

Logiker und, wenn auch mit Vorbehalt der Auctorität (ies christlichen

Glaubens und der Moraltheologie, jedenfalls als den Lehrer der Dispu

tirkunst °°°), d. h. für dem innerem philosophischen Werth der aristo

telischen Logik hat natürlich : der Ciceronianer Johannes keimen Sinn,

sondern er erblickt in ihr nur eine äusserliche Tecknik, daher et auch

— was an obigen Ausdruek ,,astutiae“, Anm. 542, erinnert — der

Ansicht ist, Aristoteles sei in der Polemik gegem Andere stärker als in

dem positiven Aufbauen der eigeneia Lehre °""). Vom der Annahme aus

gehend, dass die Logik als Technik der Aussagen (sermones), indem sie

inventio und iudicium enthält (Abschn. XII, Anm. 76), das Werkzeug

aller Disciplinen sei, und eben hiedurch Aristoteles sich den Beinamen

des ,,Philosophen“ erworbem habe °"'), betrachtet Johannes das ganze

0rganon in einer Weise , welehe völlig mit Abälard's Auffassung (Amm.

271 ff.) übereinstimmt, indem Aristoteles die einfache voae significativa

aus der Hand des Grammatikers empfangen und in dem Kategoriem der

artig erörtert habe, dass sie hernach in der Zusammenfügung des Ur

llieiles (De interpr.) betrachtet werden könne, und hierauf die Entwick

lung dessem, was zu inventio und iudicium gehört, folgen könne ; die

Isagoge, welche Porphyrius zu dem ersten Hauptabschnitte verfasst habe,

gehöre eben nur als Einleitung zu dem Ganzen und solle nicht, wie

Wiele thun (Amm. 56 fr.), gleichsam zur Hauptsache gemaeht werden *"*).

559) Ebend. III, 10, p. 147.: Rei rationalis opifer et cumpiductor (Giles gibt

campi doctor) eorum, qui logicam profilentur. IV, 1, p. 157.: Campiductor (ebenso)

itaque Peripateticae disciplinae, quae prae ceteris in veritatis indagatione laborat,

infelicem summam operis dedignatus totum componit (Anspielung auf Hor. Ars poet.

v. 34.), certus, quod cuiusque operis perfectio gloriam sui praeconatur auctoris.

IV, 23, p. 180.: Sicut optimus campiductor (hier auch bei Giles das Richtige) hunc

ad inferendam pugnam , illum instruit ad cautelam. 27, p. 183.: Nec tamen Aristo

telem ubique plane aut sensisse aut scripsisse protestor, ut sacrosanctum sit, quid

quid scripsit; nam in pluribus obtinente ratione et auctoritate fidei convincitur errasse.

.... Unde sic accipiendus est, ut ad promovendos iuvenes ad graviores philosophiae

instituta doctor sit non morum, sed disceptationum.

560) Ebend. III, 8, p. 141.: Aristotelem prae ceteris omnibus tum aliue dis

serendi ratiocinationes quam definiendi titulus (d. h. der Inhalt des 6. Buches der

Topik) illustraret, si tam patenter adstrueret propria, quam potenter destruaeit

aliena.

561) Enthet. v. 821 ff.: Magnus Aristoteles sermonum possidet artes Et de vir

tutum culmine nomen habet, Iudicii libros componit et inveniendi Vera, facultates

tres famulantur ei; Physicus est moresque docet, sed logica servit Auctori semper

officiosa suo; Haec illi nomen proprium facit esse, quod olim Donat amatori sacra

sophia suo; Nam qui praecellit, tituli communis honorem Vindicat. Metal. II, 16,

p. 88.: 0mnes se Aristotelis adorare vestigia gloriantur, adeo quidem, ut commune

omnium philosophorum nomen praeeminentia quadam sibi proprium fecerit; nam et

antonomatice, i. e. eæcellenter, philosophus appellatur.

562) Metal. II, 16, p. 89.: Hic ergo (d. h. Aristoteles) probabilium rationes

-redegit in artem et quasi ab elementis incipiens usque ad proposili perfectionem

240 XIV. Johannes v. Salesbury.

So scheide sich aber das 0rgamon auch wieder im zwei Hauptgruppem

ab, insoferme die Isagoge, die kalegorien und De inlerpr. nur als Wor

bereitungsstufem (praeparaticia artis) gellem können, imdem diese Bücher

mehr ad artem, als de arte seiem, wohingegen die eigentliche Technik,

worim inventio umd iudicium ihre Fülle emtwickeln, in dem drei Haupt

werken Topik, Analytik und Soph. Elenchi vorliege °°°). Eben aber

im Hinblicke auf inventio und iudicium ergebe sich hinwiederum eim

amderer Gesichtspunkt der Eintheilung, insoferne die Topik mebst den

ihr vorausgehenden Bücherm überwiegend und grundsätzlich zur inventio

gehöre, hingegen ebenso Analytik und Soph. El. dem iudicium diemen

sollem; doch dürfe man diese Einlheilung (vom welcher wir danm aller

dings micht wissem, warum sie überhaupt zu Grund gelegt worden sei)

auch wieder micht sehroff festhaltem, da auch die Analytik und Soph.

-Ei. zur inventio beitragen, und umgekehrt auch die Topik zu iudicium

förderlieh sei °°*). Nebem all diesem aber ])eutet Johannes die Durch

führung eines Gleichnisses für die Auffassung des 0rganons aus, imdem

die Kategoriem dem Buchslabem, das Buch De interpr. den Sylbem ent

sprechen soll °°°), worauf lann die Topik das Wort (dictio) repräsen

eveacit. Hoc aulem planum est his, qui scrulantur et discutiunt opera eius. Voces

enim primo significativas, i. e. sermones incompleaeos de grammatici manu accipiens

differentius et vires eorum diligenler ea posuit, ut ad compleacionem enuntiationum et

inveniendi iudicandique scientiam facilius accedant. Sed quia ad hunc elementarem

librum magis elementarem quodammodo scripsit Porphyrius, eum ante Aristotelem esse

credidit antiquitas praelegendum; rerte quidem, si recte doceatur, i. e. ut tenebras

non inducat erudiendis nec consumat aetatem ..... Unde quoniam ad alia introducto

rius est, nomine Isagogarum inscribitur; itaque inscriptioni derogant, qui sic ver

santur in hoc, ut locum principalibus non relinquant.

563) Nachdem nemlich Metal. III, 1 über die Isagoge, c. 2 u. 3 über die

Kategorien und c. 4 über De interpr. gehandelt worden, beginnt c. 5, p. 134.:

Artis praeparaticia praecesserunt, ad quam suus opifea, et quasi legislator rudem

omnino tironem irreverenter et, ut dici solet, illotis manibus non censuit admitten

dum ..... Utilissima quidem sunt et, si non salis proprie dicantur esse de arte,

satis vere dicuntur esse ad artem ; parum autem refert, sic magis dicatur an sic.

Ipsum itaque quodammodo corpus artis deductis praeparaticiis principaliter , consistit

in tribus, scilicet Topicorum, Analyticorum, Elenchorum notitia ; his enim perfecte

cognitis et habitu eorum per et eaeercitium roboralis inventionis et iudicii copia suffra

gabitur in omni facultate tam demonslratori quam dialectico et sophistae.

564) Ebend. IV, 1, p. 157.: Unde quum inventionis instrumenta procurasset

et usum, quasi in conflatorio sedens eaeaminatorium quoddam studuit cudere, quo

diligentissima fieret eacaminatio rationum; hic aulem est Analyticorum liber, qui ad

iudicium principaliter speclat el tamen ad inventionem . aliquatenus proficit; nam

disciplinarum omnium conneaeae sunt rationes , et quaelibet sui perfectionem ab aliis

muluatur. III, 5, p. 134.: Scienlia Topicorum, quae etsi inventionem principaliter

instruat, iudiciis tamen non mediocriter suffragatur ....., siquidem sibi invicem uni

versa conlribuunt, eoque in proposila facultate quisque eæpedilior est, qu0 in vicina

et cohaerente instructior fuerit; ergo et tam Analytica quam Sophistica conferunt in

ventori et Topica itidem conducit iudicanti. Facile tamen acquieverim, singulas in

suo proposito dominari et accessorium esse beneficium cohaerentis. IV, 8, p. 164.:

Licet ad iudicium matrime dicatur haec scientia (sc. demonslrativa) pertinere, inven

tioni tamen plurimum confert. -

565) Ebend. III, 4, p. 130.: Liber Periermeniarum vel potius Periermenias (s.

vor. Abschn. Anm. 33.) ratione proporlionis syllabicus est, sicut Praedicamentorum

elementarius, nam elementa rationum, quae singulatim tradit in sermonibus incom

plearis, iste colligit et in modum syllabae comprehensa producit ad veri falsique

XIV. Johannes v. Salesbury. 241

' tire und hierim das Zusammenfassen (collectio) der Bestandtheile ent

halte °°°), und zwar in der Weise, dass bei der stets aufsteigenden

Entwicklung das erste Buch der Topik die Grundlage der ganzen Logik

sei °°'), und somit dann das achte Buch der Satzverbindung (construc

tio, ein Ausdruck Priscian's, vgl. Anm. 273) entspreche, wodureh in

eben diesem Buche der Höhepunkt der Logik erklommen sei, und das.

selbe im Vergleiche mit der ganzen neueren Litteratur (der moderni,

s. Amm. 55 ff.) als die bei weitem nützlichste Schrift bezeichnet werden

müsse °°°). Die hierauf sich anschliessende erste Analytik wird unter

Hinzufügung einer barbarischen Interpretation des Namens (vgl. Amm.

23 u. wor. Abschn. Anm. 288) zwar gleichfalls wegen ihres Nutzens

gelobt, jedoch zugleich wegen ihrer sterilem Form getadell, da nicht

bloss der gleiche Inhalt anderwärts (d. h. offenbar bei Boeth. de syll.

cat. u. Introd. ad syll. cat.) viel leichter und eindringlicher entwickelt

sei, sondern jenes Werk überhaupt in seiner verworrenen (confusus)

und unverständlichen Schreibweise für den äusseren Apparat der Argu

mentation (ad phrasim instruendam) ziemlich unbrauchbar sei, und man

daher mur die in demselben enhaltenen Regeln (also ungefähr in der

Weise wie bei Boethius a. a. 0.) auswendig lermen solle, das Uebrige

aber wie Spreu oder dürres Laub bei Seite lassen könne °°°). Und

significationem. Tantae quidem subtililalis est habitus ab antiquis, ul in praeconium

eius celebratum ferat Isidorus (s. ebend. Anm. 34.), quia Aristoteles, quando Perier

menias scriptitabat, calamum in mente tingebat.

566) Ebend. 6, p. 137 f.: Sicut autem elementarius est Praedicamentorum, Pe

riermeniarum vero syllabicus, ita et Topicorum liber qu0dammodo dictionalis est.

Licet enim in Periermeniis agatur de simplici enuntiatione, quae utique veri falsive

dictio est, nondum tamen ad vim colligendi pervenit nec illud assequitur, in quo

dialectices praecipua opera versatur; hic vero primus est in rationibus eæplicandis

doctrinamque facit localium argumentationum et sequentium compleacionum pandit

initia.

567) Ebend. 5, p. 135.: 0cto quidem voluminibus clauditur, fiuntque semper

novissima eius potiora prioribus; primus autem quasi materiam praeiacit omnium

reliquorum et totius logicae quaedam constituit fundamenta.

568) Ebend. 10, p. 147.: Arma tironum suorum locavit in arena, dum sermo

num simplicium significationem evolveret et item enuntiationum locorumque naturam

aperiret ..... Ut autem praemissae similitudinis sequamur proportionem, quemadm0

dum Categoriarum elementarius , Periermeniarum syllabicus, praemissi Topici dictio

males libri sunt, sic Topicorum octavus constructorius est rationum, quarum elementa

vel loca in praecedentibus monstrata sunt. Solus itaque versatur in praeceptis, eæ

quibus ars compaginatur, et plus confert ad scientiam disserendi, si memoriter ha

beatur in corde, quam omnes fere libri dialecticae, quos moderni praeceptores nostri

in scholis legere consueverunt; nam sine e0 non disputatur arte, sed casu.

569) Ebend. IV, 2, p. 158.: Analyticorum quidem perutilis est scientia et sine

qua quisquis logicum profitetur, ridiculus est. Ut vero ratio nominis eaeponatur,

quam graeci analyticen dicunt, nos possumus resolutoriam appellare (diess entmahm

er aus Boethius, s. Abschn. XII, Anm. 77.), familiarius tamen assignabimus, si

diverimus ,,aequam locutionem“, nam illi ,,ana** aequale, ,,leacim** locutionem di

cunt. Frequens autem est, quum sermo parum est intellectus, ut eum in noliorem

resolvi desideremus aequivalenter; unde et interpres meus (wohl Einer jener beiden

Uebersetzer, welche wir oben Anm. 32 f. trafen), quum verbum audiret ignotum,

et maæime in compositis, dicebat ,,analetiza hoc“, quod volebat aequivalenter eaeponi.

. Ceterum licet necessaria sit doctrina, liber non eatenus necessarius est; quid

quid enim continet, alibi facilius et fidelius traditur, sed certe verius aut fortius

P R A N T l, Gesch. II. 16

242 XIV. Johannes v. Salesbury.

wenn sich nach des Johannes Ansicht diese Unverständlichkeit z. B. '

namentlich in dem letzten Capitel der ersten Analytik (Abschn. IV, Anm.

649 f.) zeige °"°), so richtet er den nemlichen Vorwurf auch gegen die

ganze zweite Analytik, nur mit dem Beisatze, dass ein Theil der Schuld

vielleicht an der Uebersetzung liege °"'). Hingegen nun findet der

Ciceronianer Johannes wieder sein rhetorisches Fahrwasser in den Soph.

Elenchi, welche er hiemit losgetrennt von der Topik an den Schluss

des 0rganons stellt; er sagt, kein anderes Buch sei für die Jugend

mützlicher als dieses, und sowie dasselbe dem grössten rhetorischem

Behelf (ad phrasim) gebe, so sei es auch den beidem Analytiken vor

zuziehen, weil es den logischen Sprachausdruck (eloquentia) in leichte

rer Werständlichkeit fördere °7*). Aus der Topik aber, welche ja die

(}rundlage der Logik enthält, seien die betreffenden Schriften des Ci

cero und des Boethius geflossen, sowie des Letzteren Buch De divisione

(hierin allerdings hal Johannes vollständig Recht), welches unter den

boethianischen Werken eine besonders hervorragende Stelle einnehme °"°).

Somit sind wir nun über den Standpunkt des Johannes vollständig

orientirt und erblicken in demselben gewiss mit Recht eine Steigerung

dessem, was Abälard (Anm. 267) eloquentia Peripatetica genannt hatte,

nusquam, siquidem et ab invito fidem eaetorquet .... Porro eaeemplorum confusione et

traiectione litterarum, quas tum de industria tum causa brevitatis tum ne falsitas

alicubi eaeemplorum argueretur interseruit, adeo confusus est, ut cum magno labore

eo perveniatur, quod facillime tradi potest. 3, p. 159.: Sicut autem regulae utiles

sunt et necessariae ad scientiam, sic. liber fere inutilis est ad phrasim instruendam,

quam nos verbi supellectilem possumus appellare ... Ergo scientia memoriter est fir

manda, et verba pleraque eaccerpenda sunt, ... quae ali0 commode transferuntur et

quorum potest esse frequentior usus; reliqua coaequantur foliis sine fruclu et ob hoc

aut calcantur aut sua relinquuntur in arbore. (Hierauf folgt die oben Anm. 20.

angeführte Stelle.) Ebend. III, 4, p. 132.: Sunt autem pleraque, quae si a suis

avellas sedihus, aut nihil aut minimum sapiunt auditori, qualia fere sunt omnia

Analyticorum eaeempla, ubi litlerae ponuntur pro terminis, quae sicut ad doctrinam

proficiunt sic tractata, alias inutilia sunt; regulae qu0que ipsae, sicut plurimum

vigoris habent a veritate doctrinae, sic in commercio verbi minimum possunt.

570) Ebend. IV, 5, p. 162.: Postremo agit de cognitione naturarum ; grande qui

dem capitulum et quod licet aliquatenus proposito conferat, fidem tamen promissi

nequaquam implet. Unum scio, me huius capituli beneficio neminem in cognitione

naturarum vidisse perfectum. -

571) Die Stelle wurde schom oben Anm. 27. angeführt.

572) Metal. IV, 22, p. 178 f.: Sophisticam esse dictum est, quae falsa imagine

tam dialecticam quam demonstrativam aemulatur et speciem quam virtutem sapientiae

magis affectat .... 0pus quidem dignum Aristotele et quo aliud magis expedire iu

ventuti non facile diacerim ...... Frustra sine hac se quisque gloriabitur esse philo

sophum, quum nequeat cavere mendacium aut alium deprehendere mentientem ....

Unde et ad phrasim conciliandam et totius philosophiae investigaliones sophisticae

evercitatio plurimum prodest, ita tamen ut veritas, non verbositas sit huius exercitii

fructus. 24, p. 181.: In eo autem mihi videntur (sc. Elenchi) Analyticis praefe

rendi, quod non minus ad eacercitium conferunt et faciliori intellectu eloquentiam

promovent. -

573) Ebend. III, 9, p. 145.: Qui vero librum hunc (d. h. die aristotelische

Topik) diligentius perscrutatur, non modo Ciceronis et Boethii Topicos ab his septem

voluminibus (d. h. aus den sieben ersten Büchern) erutos deprehendet, sed librum

Divisionum, qui compendio verborum et elegantia sensuum inter opera Boethii, quae

ad logicam spectant, singularem gratiam nactus est.

XIV. Johannes v. Salesbury. 243

und wenn in philosophischer Beziehung schon bei Abälard eine umor

ganische Wereinigung entgegengesetzter Ansichten obgewaltet hatte, so

isi bei Johannes auch diess in höherem Grade der Fall. Es ist eigent

lich consequent, dass Letzterer bei seinem ausschliesslichen Augenmerke

auf die Eloquenz der Argumentation sich sogar um eine bestimmte For

mel umsieht, durch welche er über alle Schwierigkeitem, die in einer

festem philosophischen Parteistellung liegen könntem, sich von vorneherein

hiuausheben kann. Diese Formel ist seine ,,ratio indifferentiae“, d. h.

das Verfahren des vollendeten Indifferentismus. Er weist nemlich zu

nächst, da es sich um die Kenntniss der aussagbarem Dinge (rerum

praedicamentalium, s. Anm. 605) und der Aussagen selbst (sermonum)

handelt, auf die Wieldeutigkeit der Aussagen hin, und bemerkt, dass

dieselben zur Zeit des Aristoteles einem anderem Sinm haben konnlem,

da ja mach dem Ausspruche des Horatius die Worte in stetem Wechsel

dahinfliessen und nur der Gebrauch sie so oder so feststelle °"*). Und

wenm nun auch zugegeben wird, dass bei gleichem Sinne der Wortge

brauch der Alten ehrwürdiger sei, als jener der Neueren °"°), so sei

grundsätzlich der Gebrauch doch mächtiger, als Aristoleles selbst, daher

man auch, insoferne die objectiv dingliche Wahrheit und hiemit der

reelle Sinn der Worte in Frage komme, wohl die Wortausdrücke zum

0pfer bringen dürfe, während andrerseits, so lange es eben angehe,

zugleich Wortlaut und innerer Sinn aus der älteren Lehre beibehalten

werden könne *7°). Schon hieraus ersieht man, dass dieser Grundsatz

zu einer äusserst bequemen Manier führen muss, alle auftauchenden

Schwierigkeiten zu escamotirem, denn mam braucht in all solchen Fällen

mur zu sagen, der Wortausdruck habe im Laufe der Zeiten eine andere

Bedeutung erhalten, oder es liege an demselben überhaupt Nichts. So

sagt ja Johannes (gelegentlich einer Ansicht des Bernhard von Chartres)

selbst, er lege kein Gewicht darauf, ein Wort beim Wort zu nehmen,

574) Ebend. 3, p. 128.: Profecto rerum praedicamentalium et sermonum peru

tilis est notitia ..... , et quia multiplicitas sermonum plerumque intelligentiam clau

dit, quotiens dicatur unumquodque, docet (sc. Aristoteles) esse quaerendum .... Con

tingit autem tractu temporis et acquiescente utentium voluntate, multiplicitatem sermonum

nasci itemque eaestingui .... (p. 129.) Multiplicius, dicitur, quam Aristotelis tempore

diceretur, et quae tunc verba aliquam, nunc fòrte nullam habent significationem,

siquidem ,,Multa renascentur quae iam cecidere, cadentque Quae nunc sunt in honore

vocabula , si volet usus, Quem penes arbitrium est et ius et norma loquendi** (Hor.

Ars poet. v. 70 ff.).

575) Ebend. 4, p. 131.: Praeterea reverentia eaehibenda est verbis auctorum

cum cultu et assiduitate utendi, tum quia quandam a magnis nominibus antiquitatis

praeferunt maiestatem, tum quia dispendiosius ignorantur, quam ad urgendum aut

resistendum potentissima sunt .... Licet itaque modernorum et veterum sit sensus

idem, venerabilior est vetustas.

576) Ebend. p. 133.: Patet itaque, quod usus Aristotele potentior est in dero

gando verbis vel abrogando verba, sed veritatem rerum, quoniam eam homo non

statuit, nec voluntas humana convellit. Itaque, si fieri potest, artium verba tene

antur et sensus; sin autem minus, dum sensus maneat, eaccidant verba, quoniam

artes scire non est scriptorum verba revolvere, sed nosse vim earum atque sententias.

Enthet. v. 27 ff.: Qui sequitur sine mente sonum, qui verba capessit, Non sensum,

iudeae integer esse nequit; Cum vim verborum dicendi causa ministrat, Haec si ne

scitur, quid nisi ventus erunt?

16 *

244 XIV. Johannes v. Salesbury.

und es sei gar micht möthig, mit einer einzelnem Stelle im solchem Sinne

auch alle übrigen in Einklang zu bringen °77). Und in der That gestaltet

sich auf diese Weise die ratio indifferentiae, welche er auch behufs

des Uebersetzens für die richtige hält (Anm. 32), überall da, wo er

sich auf dieselbe beruft, zur *ausgesprochenem Methode der Unwissen

schaftlichkeit. Denn sicher höchst leichtfertig ist es, wenn er nicht

bloss „significare“ und „praedicare“ als völlig synonym nimmt, während

doch Abälard sich um eine feste Begriffsbestimmung bemüht hatte (Amm.

318), sondern dabei es auch als durchaus gleichgültig bezeichnet, ob

z. B. durch die Adjectiva die Eigenschaft oder deren Träger gemeint

sei ; und indem er für jeden einzelnen Fall diess einer benigma inter

pretatio überlässt, gelten ihm die Kategorien gerade darum als ein haupt

sächlicher Empfehlungsgrund seines Verfahrens, weil sie bald über die

bezeichnenden Worte bald über die bezeichneten Dinge handeln °"°).

Ebenso verfährt er gelegentlich mit einer aristotelischen Stelle und

kömmt dabei nach seiner indifferentia oder ratio licentiae zu dem Resul

tate, dass das simnlich-wahrnehmbare Einzel-Individuum ebensosehr Prä

dicat wie Subject sein könne °"°). Und wenn in solchen Fragen bei

Johannes die Logik zu Ende ist, ehe sie überhaupt begonnem hat, so

577) Metal. III, 2, p. 120., woselbst nach der oben Anm. 93. angeführten

Stelle folgt: Habet haec opinio sicut impugnatores sic defensores suos. Mihi pro

*minimo est, ad nomen in talibus disputare, quum intelligentiam dictorum sumendam

noverim eae causis dicendi; nec sic memoralas Aristotelis aliorumve auctoritates inter

pretandas arbitror, ut trahatur istuc , quidquid alicubi dictum reperitur.

578) Ebend. p. 122.: Ex quo liquet, quoniam ,,significare** sicut et ,,praedi

care** multipliciter dicitur; sed quis modus familiarissimus sit, discernere palam est.

Inde est, quod ,,iustus“ et similia passim apud auctores nunc dicuntur iustum nunc

iustitiam significare vel praedicare .... Tale est illud Aristotelis ,,qualitatem signifi

cant, ut album, quantitatem ut bicubitum“ (Cat. 4, s. Abschn. IV, Anm. 303.; bei

Boeth. p. 127.); sic utique, quia dantur a qualitate vel quantitate, ita et qualitatem

praedicant, quam apposita demonstrant inesse subiectis; interdum dicuntur significare

qualia, quoniam appositione sua declarant, qualia sint subiecta. Sed haec a se, si

sit benignus interpres, non multum distant, etsi audit0 ,,albus“ intelligatur, in quo

est albedo, quum autem. ,,albedo** dicitur, non intelligatur, in quo talis color, sed

potius color faciens tale. Illud vero, qu0d audita voce concipit intellectus, ipsius

familiarissima significatio est. 3, p. 122 f.: Quia ergo aut aequivoce aut univoce

aut denominative, ut sequantur indifferentiae rationem, singula praedicantur, ipsaque

praedicatio quaedam ratiocinandi “materia est, praedicamentorum praemissa sunt in

strumenta .... Ralionem vero indifferenliae, quam semper approbamus, liber iste com

mendat prae ceteris, etsi ubique diligenter inspicienti manifesta sit; agit enim nunc

de significantibus nunc de significatis aliorumque doctrinam facit nominibus aliorum.

579) Ebend. Il, 20, p. 110.: Hinc forte est illud in Analyticis ,,Aristomenes

inlelligibilis semper est, Aristomenes autem non semper“ (Anal. pr. I, 33, bei Boeth,

p. 495.); et hoc quidem est singulariter individuum, quod solum quidam aiunt posse

de aliqu0 praedicari .... Ego quidem opinionem hanc vehementer nec impugn0 nec

propugno; nec enim multum referre arbitror ob hoc, quod illam amplector indifferen

tiam in vicissitudine sermonum, sine qua non credo quempiam ad mentem auctorum

fideliter pervenire ...... (p. 111.) Itaque hic sicut et alibi eacsecutus est, quod decet

liberalium artium praeceptorem, agens, ut dici dolet, Minerva pinguiori, ut intellige

retur ..... Quid ergo prohibet, iuxta hanc licentiae rationem, ea quae sunt sensi

bilia vel praedicari vel subiici. Nec opinor, auctores hanc vim imposuisse sermoni,

ut alligatus sit ad unam in iuncturis omnibus significationem, sed doctrinaliter sic

esse locutos, ut ubique serviant intellectui, qui commodissimus est et quem ibi haberi

prae ceteris ratio eæigit. Hiezu antem Anm. 604.

XIV. Johannes v. Salesbury. 245

dürfen wir uns nicht wunderm, dass er in etwas versteckterem Seliwie

rigkeiten sofort ungenirt seinen Standpunkt ausspricht, wie z. B. wenn

er bezüglich des allgemeinen Urtheiles die objeetive Inhärenz und die

subjective Aussage als gleichbedeutend nimmt und höchstens dabei eine

Aenderung des Wortausdruckes erblickt, welehe im Laufe der Zeilem

sich eingestellt habe °°°). -

Verfolgen wir hiernach das Einzelne, was Johannes bezüglich des

Umkreises der Logik äussert, nach dem Faden der Eintheilung, welchen

er selbst für das 0rganon zu Grunde legte, so begegnet uns bei ihm

erklärlicher Weise zunächst in der Erörterung der Isagoge, d. h. in der

Frage über die Universalien, der äussersle Synkretismus oder Eklekticis

mus, welcher zuletzt in eine stoisch-ciceronische Auffassung ausmündet.

Nicht der Standpunkt eines über dem einseitigem Partei-Gezänke stehen

den Philosophen, sondern Mangel an philosophischem Scharfsinne oder

Bequemlichkeit des rhetorischen Praktikers ist es, wemm Johannes den

ganzen Streit über die Gattungs- und Art-Begriffe als einen kindischen

bezeichnet, indem er sich dabei lediglich auf jene obige (Anm. 574 f.)

Wieldeutigkeit der Worle zurückzieht, da Gattung und Art sowohl das

Princip der Entstehung, d. h. die ontologische Basis der Dinge, als

auch das Aussagbare, d. h. den logischen Werth der allgemeinen Be

griffe, bedeuten können °°'). Und sowie er hiebei sieh auf des Boethius

Erklärung der lsagoge stützt, so ist es, wie sich zeigen wird (Amm. 602),

schliesslich auch wieder eine einzelne Stelle des Boethius, in welcher

die Ansicht des Johannes concentrirt vorliegt, so dass wir auch bei ihm

neuerdings einen Beleg vorfinden, wie sehr die ganze logische Bewegung

jener Zeit an herausgerissemen Aussprüchem der traditionellem Autorem

klebte. Wöllig ähnlich wie Abälard an Eine einzige Stelle die Doppelt

heit seiner Auffassung anknüpfte (Anm. 286), verhält sich das Ganze

aueh bei Johannes, insoferne er dem Universalien eine ontologische und

zugleich eine logische Geltung verleiht ; nur ist bei ihm die Verquiekung

der Standpumkte nicht bloss mammigfaltiger und abenteuerlicher, sondern

580) Ebend. III, 4, p. 132.: Quod dicitur ,,in toto esse alterum ultero** vel

,,in toto non esse“ et ,,universaliter aliquid de aliquo praedicari** vel ,,ab aliquo

removeri“ idem est (vgl. Anm. 16.). Frequens tamen usus est alterius verbi et alte

rius fere intercidit, nisi quatenus eae condicto interdum admittitur. Fuit fortasse

tempore Aristotelis utriusque usus celebrior, sed nunc prae altero viget alterum, qu0

niam ita vult usus. Sic et in e0, qu0d dicitur contingens, aliquatenus derogatum

est ei, quod apud Aristotelem obtinebat. (Vgl. Anm. 216.)

581) Ebend. 1, p. 116 f.: Se ad puerilem de generibus et speciebus .... incli- -

navit opinionem (d. h. Abälard) malens instruere et promovere suos in puerilibus,

quam in gravitate phil0s0ph0rum esse obscurior ..... ltaque sic Porphyrius legendus

est, ut sermonum, de quibus agitur, significatio teneatur et eae ipsa superficie

habeatur sensus verborum ..... Sufficiat ergo introducendo nosse, quia nomen generis

multipleæ est et a prima institutione significat generationis principium ..... , dehinc

translatum est ad significandum id, quòd de differentibus specie in quid praedicatwr

(über diese abgekürzte Terminologie s. Anm. 282.). . Item et species multipliciter

dicitur, nam ab institutione formam significat ...., hinc autem sumptum est ad sig

fificationem eius , quod de differentibus numero praedicatur (All dieses beruht auf

Boeth. p. 22. u. 57 f.) ..... Quid erg0 sibi volunt, qui .... quidquid aliud eæc0gi

tari p0test, adiiciunt ?.... Vocabulorum simpliciter aperiantur significationes, appre

hendatur illa, quae proposito congruit, per descriptiones certissimas etc.

Σ

246 XIV. Johannes v. Salesbury.

auch weit widerspruchswoller, als bei Abälard. . Nemlich Johammes spricht

nicht bloss gelegentlich als Theologe über die Begriffe der Substanz

und der Wesenheit in der memlichen Weise, wie wir diese Dinge bei

Pseudo-Boethius de trin. und bei Gilbert finden ***), sondern auch in

jener Schrift, welche der Logik gewidmet ist, äussert er ausdrücklich

seine Uebereinstimmung mit Plato's ontologischem Realismus, wornach

dem Intelligiblen das wahre Sein zukömmt, die concretem Dinge aber

nicht einmal des Verbums „esse“ würdig sind °°°). Und sowie er die

Unvergänglichkeit der Substanz und die fortdauermde Wirksamkeit der

Form als die reale Basis des Seiendem behauptet, dabei auf dem alt

überlieferten Satze „singulare sentitur, universale intelligitur“ fussend °°*),

so ist ihm auch Gilbert der Führer in Bezug auf die Begriffsbestimmung

der Natur und die formgebende Kraft des artmachenden Unterschie

des °°°), ja er bedient sich sogar des Wortes „forma nativa“ (vgl.

Anm. 467), und desgleichen fehlt auch der Begriff der Theilhaftigkeit

bei ihm ebensowenig als bei allem Realisten °°°); endlich selbst die

Auffassung der Individualität gestaltet sich auf eine Weise, dass wir

Gilbert's Unterscheidung zwischen dividua und individua (Anm. 479)

darim wiedererkennem °°7).

582) Epist. 169 (I, p. 270.): Quidquid autem subsistit , sine dubio in genere

vel in natura vel in substantia manet; quum ergo essentiam dicimus significare na

turam vel genus vel substantiam, intelligimus eius rei, quae in his omnibus semper

esse subsistat .... Quod si apud graecos ezpressam habent differentiam haec, quae

hic toties inculcata sunt, essentia, natura, genus, substantia,. eam eaepediri omnium

arbitror interesse quam plurimum.

583) Metal. IV, 35, p. 193.: Plato quoque eorum, quae vere sunt, et eorum,

quae non sunt sed esse videntur, differentiam docens intelligibilia vere esse asseruit.

• • • • • Unde et eis post essentiam primam recte competit esse, i. e. firmus certusque

status, quem verbum, si proprie ponitur, eæprimit substantivum; temporalia vero

videntur quidem esse, e0 quod intelligibilium praetendunt imaginem, sed appellatione

verbi substantivi non satis digna sunt, quae cum tempore transeunt, ut nunquam in

eodem statu permaneant, sed ut fumus evanescant; fugiunt enim, ut idem ait in

Timaeo (p. 49 E) nec eaespectant appellationem ..... p. 195.: Ideam vero .... sicut

aeternam audebat dicere, sic coaeternam esse negabat.

584) Enthet. v. 1013 f.: Nulla perire potest substantia, formaque formae Suc

cedens prohibet, qu0d movet, esse nihil. v. 1233 f.: Solis corporeis sensus carnalis

inhaeret, Res incorporeae sub ratione iacent.

585) Metal. I, 8, p. 26.: Est autem natura, ut quibusdam placet (hiemit ist

offenbar Gilbert gemeint, s. Anm. 461.), licet eam sit diffinire difficile, vis quae

dam genitiva rebus omnibus insita, eæ qua facere vel pati possunt; genitiva autem

dicitur, eo quod ipsam res quaeque contrahat a causa suae generationis et ab eo,

quod cuique est principium eæistendi ..... (p. 27.) Sed et unamquamque rem infor

mans specifica differentia aul -ab e0 est, per quem facta sunt omnia, aut omnino

nihil esl .... Esto ergo sic potens et efficaae, vis illa genitiva indita rebus origi

naliter.

586) Enthet. v. 395 ff.: Est idea potens veri substantia , quae rem Quamlibet

informat et facit esse, qu0d est; 0mne quod est verum, convincit forma vel actus,

Nec falsum dubites, si quid utraque caret. Forma suo generi quaevis addicta tene

tur Et peragit semper, quidquid origo iubet; Ergo quod in forma nativa constat

agitve, Quod natura manens in ratione manet, Esse sui generis verum quid dicitur

idque Indicat effectus aut sua forma probat. Polycr. III, 1, p. 162.: Implet autem

haec vita omnem creaturam, quia sine ea nulla est substantia creaturae; omne enim

quod est, eius participatione est id quod est.

587) Metal. II, 20, p. 105.: Ergo si genera et species a deo non sunt, omnino

XIV. Johammes v. Salesbury. 247

Aber mach solch umzweideutigem Aussprüchem staunem wir nun

billig, wenn Johannes darum, weil das Intelligible nicht universell sein,

sondern mur universell begriffen werden könne, dem Streit über die

Universalien für einen gegenstandslosen erklärt, in welchem man die

Substantialität eines Schattens oder eines flüchtigen Nebels zu erhaschen

suche °°°). Auch erhält für die Logik num Plato nebst Augustin und

allem Platonikern förmlich seimem Abschied, um dem Aristoteles Platz

zu machen, allerdings mit dem tröstlichen Zusatze, dass des Letzterem

Ansieht vielleicht wohl um Nichts wahrer, aber jedenfalls für die logi

schen Partien passender sei °°°). Sonach werden num alle Diejenigen

getadelt, welche in die Isagoge eine platonische Auffassung hineinlegen

oder anderweitig von Aristoteles abweichem, und mit der entschieden

sten Berufung auf den Ausspruch des Aristoteles, dass die Universalien

keine getrennte Existenz für sich habem, wird jede Ansicht, welehe von

einem Sein derselben spricht, von vorneherein abgewiesen °°°), und so

namentlich auch die Status-Lehre von diesem Gesichtspunkte aus be

kämpfi °°'). Sind wir aber nun in der That begierig, wie dieser Wider

spruch gegem das Worige sich lösen soll, so steigert sich vielleicht

unser Erstaunen noch von Schritt zu Schritt. Johannes stellt nemlich

wohl zunächst den Gedanken (intellectus) derartig in den Wordergrund,

dass er in fast wörtlicher Uebereinstimmung mit dem Verfasser De in

tellectibus nicht bloss das verbindemde und trennemde Denken (intellectus

nihil sunt; quod si unumquodque eorum ab ipso est, unum plane et idem bonu*m

est. Si autem quid unum numero est, protinus et singulare est; nam quod quidam

unum aliquid dicunt, non quod in se, sed quod multa vivat expressa plurium con

formitate, articulo praesenti non derogant ..... 0mnis namque substantia accidentium

pluralitate numero subest; accidens autem omne et forma quaelibet itidem numero

subiacet, sed non accidenlium aut formarum participatione, sed singularitate subiecti.

588) Polycr. VII, 27, p. 127.: Sicut in umbra cuiuslibet corporis frustra soli

ditatis substantia quaeritur, sic in his quae intelligibilia sunt dumtazat et univer

saliter concipi, nec tamen universaliter esse, queunt, solidioris eæistentiae substantia

nequaquam invenitur. In his aetatem terere nihil agentis et frustra laborantis est,

nebulae siquidem sunt rerum fugacium et, quum quaeruntur avidius, citius eva

mescunt.

589) Metal. II, 20, p. 112.: Licet Plato coetum philosophorum grandem et tam

Augustinum quam alios plures nostrorum in statuendis ideis habeat assertores, ipsius

tamen dogma in scrutinio universalium nequaquam sequimur, eo quod hic Peripateti

corum principem Aristotelem dogmatis huius principem profitemur .... Ei, qui Peri

pateticorum libros aggreditur, magis Aristotelis sententia sequenda est, forte non quia

verior, sed plane quia his disciplinis magis accommodata est.

590) Ebend. 19, p. 94.: Quasi ab. adverso petentes (nemlich die Erklärer der

Isagoge) veniunt contra mentem auctoris et, ut Aristoteles planior sit, Platonis sen

tentiam docent aut erroneam opinionem, quae aequo errore deviat a sententia Ari

stotelis et Platonis, siquidem omnes Aristotelem profitentur. 20, p. 94.: Porro hic

genera el species non esse, sed intelligi tantum asseruit (Anal. post. I, 11 u. 22,

s. Abschn. III, Anm. 66. u. Abschn. IV, Amm. 373.) ..... (p. 95.) Ergo si Aristo

teles verus est, qui eis esse tollit, inanis est opera praecedentis investigationis .....

Quare ab Aristotele recedendum est concedendo, ut universalia sint, u. s. f., s.

Amm. 70.

591) Ebend. 20, p. 102 f.: Sed esto, ut statum aliquem generalem appellativa

significent, .... status ille quid sit, in quo singula uniuntur et qui nihil singulorum

est, etsi aliquo modo somniare possim, tamen quomodo sententiae Aristotelis coapte

tur, qui universalia non esse contendit, non perspicuum habeo.

248 XIV. Johannes v. Salesbury.

coniungens et disiungens, s. Anm. 427) und hauptsächlieh vor Allem

die Kraft des Abstrahirens (int. abstrahens, s. Anm. 432) hervorhebt,

sondern auch mit Zurückweisung des Einwandes, dass das abstrahirende

Denken ein nichtberechtigtes (cassus, s. Anm. 429) sei, dem Denken

die Fähigkeit vindicirt, die Dinge anders zu betrachten, als sie im Con

creten sind (s. Anm. 432 f.), und hiedurch die Abstraetion als die Grund

bedingung aller geistigen Technik bezeichnet, wobei er sich. sowohl in

Uebereinstimmung mit Gilbert (abstractim attendere, s. Anm. 464) be

findet, als auch in Ausdrücken sich bewegt, welche wir bei der ln

differenz-Lehre trafen (generaliter intueri, diverso modo attendere, s.

Anm. 133 u. 137), und zugleich wieder mit dem Verfasser De gen.

et spec, in dem Begriffe des Sammelns der Aehnlichkeiten (s. Amm. 162 f)

zusammentrifft, ja unter dem Vorbehalte, dass es sich nur um die sub

jective Denkkraft handle und objectiv in der Natur die Universalien micht

existirem, sogar jenes Wortes sich bedient, welches in der von ihm

bekämpften Status-Lehre (s. Anm. 132) das übliche war °"*).

Laufen so in bunter Auswahl aus den Ansichten Anderer mehrere

Fäden in die Auffassung der subjectiven Denkoperation zusammen, so

soll nun umerwarteter Weise hiemit wieder der Gilbert'sche Realismus

in Verbindung kommen; nemlich Unkörperlichkeit sei mur negative Be

zeichnung der Universalien, hingegen mach ihrer positiven Grundlage

seien dieselben, wie überhaupt Alles, in eim Abhängigkeits-Verhältniss

zu Gott zu bringen ; Gott aber habe die geformte Materie geschaffen,

d. h. sämmtliche Formem, sowohl die substantiellen als auch die acci

dentellen (s. diess bei Gilbert oben, Amm. 461 f.) habem ihr Sein und

ihre Wirksamkeit von Gott, und so habe bei der Ausprägung der Dinge

eime Rücksicht auf Art-Begritfe obgewaltet, welehe hiemit der Logiker

592) Ebend. 20, p. 95.: Nec verendum, ut cassus sit intellectus, qui ea per

ceperit seorsum a singularibus, quum tamen a singularibus seorsum esse non possint.

Intellectus enim quandoque rem simpliciter intuetur, velut si hominem per se intuea

tur, .... quandoque gradatim suis incedit passibus, ut si hominem albere contempletur,

et hic quidem dicitur esse compositus. Porro simpleae rem interdum inspicit, ut est,

ut si Platonem attendat, interdum alio modo; nunc enim componendo, quae non sunt

composita, nunc abstrahendo, quae non possunt esse disiuneta ..... p. 96.: Ceterum

componens qui disiuncta coniungit (das Beispiel ist hircocervus), inanis est; abstra

hens vero fidelis et quasi quaedam officina omnium artium. Et quidem rebus eaei

stendi unus est modus, quem scilicet natura contulit, sed easdem intelligendi aut

significandi non unus est modus; licet enim esse nequeat homo, qui non sit iste vel

alius homo, intelligi tamen potest et significari ..... Ergo ad significationem incom

plezorum per abstrahentem intellectum genera concipiuntur et species, quae tamen si

quis in rerum natura diligentius a sensibilibus remota quaerat, nihil aget et frustra

laborabit, nihil enim tale natura peperit; ratio autem ea deprehendit substantialem

similitudinem rerum differentium pertractans apud se. Polycr. II, 18, p. 96.: Intel

lectus .... nunc quidem res ut sunt, nunc aliter intuetur nunc simpliciter nune com

posite, nunc disiuncta coniungit nunc coniuncta distrahit et disiungit .... p. 97.:

Si abstrahentem tuleris intellectum, liberalium artium officina peribit.... Sic hominem

intellectus attingit, ut ad neminem hominem aspectus illius descendat generaliter in

tuens, quod nonnisi singulariter esse potest .... Dum itaque rerum similitudines et

dissimilitudines colligit, dum differentium convenientias et convenientium differentias

allius perscrutatur, .... multos apud se rerum invenit status , alios quidem univer

sales alios singulares.

XIV. Johannes v. Salesbury. 249

nicht von Gott trennen dürfe, sondern kraft derem „die Dinge vorerst

in ihre Wesenheit und sodann in das mensehliche Denken eingiengen“ °°°).

In Folge dieser mystischen Causalität desjenigen, was Gilbert substan

tielle Form genannt hatte, kanm num Johannes sagen, die Substantialität

der Universalien gelte nur bezüglich des Erkenntnissgrundes (causa

cognitionis) und zugleich bezüglich des Entstehens der Dinge (natura),

denm jedes Wesen, welches in der Tabula logica auf einer je miedreren

Stufe stehe, bedürfe zu seinem Sein und zu seinem Gedachtwerden

eines anderem auf einer je höherem Stufe befimdlichen Wesens; aber

ein Sein haben die Universalien weder als Körper noch als Geister noch

als Einzel-Dinge °°*). So also glaubt der Anhänger Gilbert's ein Aristo

teliker sein zu können, und sowie er meint, er entgehe jener umnö

thigen Werdopplung der Wesenheiten (s. Absehm. III, Amm. 64), welche

eine Folge der platonischem Auffassung ist °°°), so sagt er auf das

Ausdrücklichste, dass die Universalien, welche den Dingen in ähnlicher

Weise zu Grunde liegen wie der unkörperliche Plan des Handelns den

simnlich wahrnehmbarem Handlungen zu Grunde liegt, eben ausschliess

kich nur in dem Einzel-Dingen gefunden werden, welch letztere als die

erscheinendem Exemplare (eaeempla) derselben sichtbar vorliegen, d. h.

Johannes vertritt — und er ist hierim der Erste, welcher diess thut

— entschieden die Auffassung der „universalia in re“ und bekämpft

sogar die platonische Ansicht der „universalia ante rem“, da es ausser

halb des Einzelnen kein Allgemeines gebe °°"). Da ihm aber dabei immer

593) Metal. II, 20, p. 103.: Sed et nomina, quae praemisi, ,,incorporeum“

et ,,insensibile** universalibus convenire, privativa in eis dumtaaeat sunt nec proprie

tates aliquas, quibus natura universalium discernatur, illis attribuunt, siquidem nihil

incorporeum aut insensibile universale est ..... Quid est autem incorporeum, quod

non sit substantia creata a deo vel ipsi concretum ?.... Valeant autem, imo disper

eant universalia, si ei obnoacia non sunt. 0mnia per ipsum facta sunt, utique tam

subiecta formarum quam formae subiectorum ..... Formae quoque tam substanliales

quam accidentales habent ab ips0 ut sint et ut suos in subiectis operentur effectus;

qu0d itaque ei obnoæium non est, omnin0 nihil est (hiezu unten Anm. 613.) .....

p. 104.: Ut enim ait Augustinus, formatam creavit deus materiam .... Eo spectat

illud Boethii in primo de Trinitate ,,omne esse eae forma est“ (Anm. 37.).... Cuili

bet ergo esse, quod est aut quale aut quantum est, a forma est ..... p. 105.:

Fundamenta iecit deus, et in ipsa eæpressione rerum habita est mentio specierum,

non illarum dico, quas logici fingunt non obnoæias creatori, sed formarum, in qui

bus res prodierunt primo in essenliam suam et in humanum intellectum demum, nam

hoc ipsum aliquid, quod coelum aut terra dicitur, formae effectus est.

594) Ebend. p. 97.: Quod autem universalia dicuntur esse substantialia singu

laribus, ad causam cognitionis referendum est singulariumque naturam (in ähnlicher

Weise hatte Scotus Erigena vom den Universaliem die Ausdrücke causaliter und

effectualiter gebraucht, Abschn. XIlI, Anm. 129.); hoc enim in singulis patet, si

quidem inferiora sine superioribus mec esse nec intelligi possunt ...... Quia ergo

tale eæigit tale et non eæigitur a tali tam ad essentiam quam ad notitiam, ideo

hoc illi substantiale dicitur esse ; idem est in individuis, quae eæigunt species et

genera, sed nequaquam eaciguntur ab eis ..... Universalia tamen , et res dicuntur

esse et plerumque simpliciter esse, sed non ob hoc aut moles corporum aut subtilitas

spirituum aut singularium discreta essentia in eis attendenda est.

595) Ebend. p. 98.: Itaque detur, ut sint universalia aut etiam ut res sint,

si hoc pertinacibus placet; non tamen ob hoc verum erit, rerum numerum augeri vel

ninui pro e0, quod ista non sunt in numero rerum.

596) Ebend.: Nihil autem universale est nisi quod in singularibus invenitur ....

250 XIV. Johammes v. Salesbury.

der Gilbert'sche Begriff der substantiellen Form vorschwebt, so istº es

erklärlich, dass er am jene aristotelischen Stellen sich hält, in welchen

Gattungs- und Art-Begriff als. etwas Qualitatives bezeichnet werden °°°).

In diesem qualificirenden Formen erblickt er die „Hand der Natur“,

welche die Dinge in die Formem einkleidete, damit der Mensch sie

leichter erfassen könne, und darum tritt mun die prima substantia des

Aristoteles, d. h. das Individuum, in den Wordergrund, von wo aus das

Demken für sich allein zu dem Allgemeinen der Art- und der Gattungs

Begriffe sich mittelst der Formgleichheit des Einzelnem (conformitas, s.

diesem Begriff bei Gilbert oben Anm. 474) in aufsteigender Linie er

hebt 598), und sowie Johannes hiebei wieder mit der Indifferenz-Lehre

zusammentrifft, so gebraucht er auch in dieser Beziehung selbst den

Ausdruck ,,conformis status“ °°°). So wird die Formgleichheit der

Nec- moneat, quod singularia et corporea exempla sunt universalium et incorporalium;

quum omnis ratio gerendi incorporea sit et insensibilis, illud tamen quod geritur et

actus quo geritur plerumque sensibilis sit (auch dieses erinmert an die Bedeutung,

welche Scotus Erigena in das Wort ,,agere“ legt, s. Abschn. XIII, Anm. 131.).

p. 108.: Habita tamen ratione aequivocationis, qua ens vel esse distinguitur pro

diversitate subieclorum, species et genera utrumque non sine ratione esse dicuntur.

Persuadet enim ratio, ut ea dicantur esse, quorum ezempla conspiciuntur in singu

laribus, quae nullus ambigit esse. Non autem sic dicuntùr genera et species exem

plaria singulorum, ut iuacta Platonici dogmatis sensum formae sint eæemplares, quae

in mente divina intelligibiliter constiterint, antequam prodirent in corpora (diess ist

die Stelle Priscian's, s. Anm. 263.), sed quoniam, si quis eius, quod communiter

concipitur audito hoc nomine ,,homo“ aut quod definitur, cum dicitur homo esse ani

mal rationale mortale, quaerat ezemplum, statim ei Plato aliusve hominum singulorum

ostenditur, ut communiter significantis aut definientis ratio solidetur.

597) Ebend. p. 100.: Item Aristoteles, genera, inquit, et species circa sub

stantiam qualitatem determinant (Cat. 5, s. Abschn. IV, Anm. 476.) .... item in

Elenchis (c. 22, bei Boeth. p. 750. in etwas abweichender Uebersetzung, s. Anm.

34.) ,,homo et omne commune non hoc aliquid, sed quale quid vel ad aliquid aliquo

modo vel huiusmodi quid significat“ et post pauca ,,manifestum, quoniam non dan

dum, hoc aliquid esse, quod communiter praedicatur de omnibus, sed aut quale aut

ad aliquid aut quantum aut talium quid significare“. Profecto quod non est hoc ali

quid, significatione eaepressa non potest eaeplanari quid sit.

598) Polycr. II, 18, p. 98.: Et primo substantiam, quae omnibus subest, acu

tius intuetur (sc. intelleclus), in qua manus naturae probatur artificis, dum eam

variis proprietatibus et formis quasi suis quibusdam vestibus induit et suis sensuum

perceptibilibus informat, qu0 aplius possit humano ingenio comprehendi. Quod igitur

sensus percipit formisque subiectum est, singularis et prima substantia est ; id vero,

sine quo illa nec esse nec intelligi potest, ei substantiale est et plerumque secunda

substantia nominalur .... Universale, si, licet non natura, conformitate tamen sit

commune multorum, quod forte facilius in intellectu, quam in natura rerum, poterit

inveniri, in quo genera et species, differentias, propria et accidentia, quae univer

saliter dicuntur, planwm est inveniri, quum in actu rerum substantiam universalium

quaerere eæiguus fructus sit et labor infinitus, in mente vero uliliter et facillime

reperiuntur. Si enim solo rerum numero differentium substantialem similitudinem

quis mente pertractet, speciem tenet; si vero etiam specie differentium convenientia

menti occurrat, generis latitudo mente diffunditur; denique dum rerum, quas natura

substantialiter vel accidentaliter assimilavit, conformitatem percipit intellectus, uni

versalium comprehensione movetur ..... p. 99.: Numquid abstrahens intellectus, dum

haec agit, otiosus est aut inutilis, per quem animus honestarum artium gradibus

ad thronum consummatae philosophiae conscendit?

599) Enthet. v. 849 ff.: Est individuum, quidquid natura creavit, Conformisque

XIV. Johannes v. Salesbury. 251

Dinge mit der Gemeinschaftlichkeit des Gedankems (intellectus commu

nitas, communiter intelligi) in unmittelbare Verbindung gebracht°°°),

die Universalien selbst aber als solche lediglich in die Erkenntnissweise

(modus intelligendi, was selbst mit der Lehre von der maneries über

einstimmt, s. Amm. 88) verlegt, wornach sie „figürliche“ und nur der

„Doctrin“ angehörende Worte (auch die. Nominalisten hattem von figura

locutionis gesprochen, s. Anm. 81) oder kurzweg „Figmente“ genannt

werden, welche zu den Einzel-Dingen in dem Wechselverkehre des

Zeigens und Gezeigtwerdens stehen und darum von Aristoteles füglich

als „monstra“ (— monstrare —) bezeichnet werden konnten “0!).

Diese Auffassung der Universaliem aber ist mum allerdings so dehn

bar, dass Johannes in den Begriff des Figmentes auch das psychologi

sehe Erfassen der Urbilder (eaeemplaria), welehe in mystischer Weise

aus den Dingen (eaeempla) auf die Seele wirken, verlegen kann und

hiebei seinen eklektischen Synkretismus deutlich genug ausspricht, in

dem er neben jenem nominalistischen Anklange die Universalien mit

einem am Scotus Erigena (s. umten Amm. 613) erinnernden Ausdrucke

als psychologische Erzeugnisse (phantasiae) bezeichnet, hiemit aber zu

gleich die stoisch-ciceronische Auffassung verbindet, wormach dieselben

subjective Begriffe (§vvouov, notiones, s. die oben Anm. 64 angeführte

Stelle) sind, und ausserdem noch sehr merklich an den Platonismus

hinüberstreift oder wenigstens mit Gilbert übereinstimmt, insoferne auch

ihm die Universalien als die aus den Aelanlichkeiten der Einzel-Dinge

hervorleuchtenden Spiegelbilder einer ursprünglichem ideellen Reinheit

gelten, womit schliesslich noch der Aristotelismus sich vermischt, da

diese Phantasie- Gebilde eben keine von den Einzeldingen getrennte

Existenz besitzen, sondern, wenn man sie so festhalten wollte, wie

Schatten oder Traumbilder entschwinden °0*). Wenn es mun in der

status est rationis opus; si quis Aristotelem primum non censet habendum, Non red

dit meritis praemia digna suis. -

600) Metal. II, 20, p. 98.: Ergo quod mens communiter intelligit et ad singu

laria multa aeque pertinet, quod voae communiter significat et aeque de multis verum

est, indubitanter universale est. p. 107.: Secundum intellectum illum deliberari potest

de re subiecta, i. e. actualiter eaeemplificari ob intellectus communitatem, et res,

quae sic intelligi potest, etsi a nullo intelligatur, dicitur esse communis; res enim

sibi conformes sunt, ipsamque conformitatem deducta rerum cogitatione perpendit

intellectus.

601) Ebend. p. 107.: Ergo dumtaaeat intelliguntur secundum Aristotelem uni

versalia, sed in actu rerum nihil est, quod sit universale ; a modo enim intelligendi

` figuralia haec et licenter quidem et doctrinaliter nomina indita sunt. p. 108.: Ergo

ea sententia Aristotelis genera et species non omnino quid sit, sed quale quid quo

dammodo concipiuntur et quasi quaedam sunt figmenta rationis se ipsam in rerum

inquisitione et doctrina subtilius eaeercentis ..... Possunt et monstra dici (in Bezug

auf die bekannte antiplatonische Stelle des Aristoteles, s. dieselbe oben Anm. 31.),

quoniam invicem res singulas monstrant et monstrantur ab eis. III, 3, p. 127.:

Ea vero, quae intelliguntur a singularibus abstracta, .... animi figmenta sunt, ....

quae eae conformitate singularium intellectu non casso concipiuntur.

602) Ebend. II, 20, p. 96.: Sunt itaque genera et species non quidem res a

singularibus actu et naturaliter alienae, sed quaedam naturalium et actualium phan

tasiae (auch dieses Wort findet sich gleichfalls — vgl. Anm. 594. u. 596. —

bei Scotus Erigena, s. Abschn. XIII, Amm. 125.) renitentes intellectui de similitu

252 *. XIV. Johannes v. Salesbury.

That kaum möglich scheint, mehr Widersprüche aufeinander zu häufen,

als hier sich zusammenfinden, so müssen wir uns freilich daran erin

nern, dass Johannes Akademiker zn sein behauptete, und ihm der Vorzug

der aristotelischen Speculationsweise nicht so fast in der Wahrheit der

selben, sondern nur in einer gewissen Angemessenheit zu liegen schien

(Amm. 589). Keinemfalls aber darf es uns wumderm, wenn num auch

die oben (Anm. 598) sehr betonte „individuelle Substanz“ des Aristo

teles neben aller Berufung auf den Grumdsatz, dass das der Natur mach

Spätere für den erkennendem Menschen das Frühere ist, dennoch unter

den Händen des Johannes in eine sehr unaristotelische Wemdung hin

übergelenkt wird; denm derselbe denkt auch hiebei nur an jenen Crea

tions-Process, welchen Gilbert bis zur Individualität (nicht-bis zum In

dividuum) fortgesetzt hatte (Amm. 462), und in solchem Sinne stellt er

den Begriff des Individuums den Gatlungs- und Art-Begriffen völlig

gleich °"*), — eine Auffassumg, welche uns daran erimnert, dass sebon

Abälard das „individuum“ gewissermaassen zu den Universalien zählen

wollte (s. Anm. 278). Ja, während Johannes gesagt hatte, in der

Logik sei Aristoteles der Führer, stumpft er vermöge seimer rhetoriseh

stoischen Auffassung der Universalien sogar jenes Partei-Schibolet ab,

welches stets die Aristoteliker den Platonikern entgegenhielten, nemlich

den Satz „res de re non praedicatur“ (s. Anm. 132 u. 287), demm er

meint, wenn auch nicht das Ding selbst als solehes in den Urtheilen

sich befinde, so werde doch in dem Prädicate das Ding bezeichnet,

und auf solche Weise hebe die obige duldsame Auslegung, d. h. die

Methode des Indifferentismus (Amm. 574 ff.) auch über diese Schwierig

keit hinweg ""*). Zuletzt ja erklärt er sieh in Erwägung der Wieldeu

dine actualium tanquum in speculo nativae puritatis ipsius animae , quas graeci

èyvotc.s sive εἰxovoq ανέας appellant, h. e. rerum imagines in menle apparentes

(s. Abschn. VIlI, Anm. 37. u. in Bezug auf Gilbert ob, Anm. 482., die Hauptstelle

aber des Boethius ob. Anm. 64.); anima enim quasi reverberata acie contemplationis suae

in se ipsa reperit, quod diffinit, nam et eius eaeemplar in ipsa est, eaeemplum vero in

actualibus ..... p. 97.: Illa ilaque eaeemplaria cogitubilia quidem sunt et quasi phan

tasiae et umbrae eæistentium secundum Aristotelem, quas si quis apprehendere nititur

per eæistentiam, quam habent a singularibus separatam, velut somnia elabuntur.

603) Ebend. p. 109.: Quae autem communiora sunt, et priora quidem simpli

ciler, nam et in aliis inlelliguntur; quae vero singularia, posteriora ; sed plerum

que, quae naturaliter priora sunt, et notitia simpliciter ignotiora sunt nobis, namque

solida magis familiariora sunt sensibus, quae vero subtiliora, longius absunt (Arist.

Anal. post. I, 2, s. Abschn. IV, Anm. 74.)... Sunt itaque genera et species eaeen

plaria singulorum, sed hoc quidem magis ad rationem doctrinae, si Aristoteles verus

est, quam ad causam essentiae. Procedit et haec monstruosa, ut licentius loquar,

figmentorum speculatio usque ad ventilationem 'singularium ..... Quum enim Plato

esse m0n p0ssit informis et eæpers loci aut temporis, eum ratio quasi nudum de

duclo respectu quantitatis et qualitatis aliorumque accidentium simpliciter intuetur et

individuum nominat; sed et hoc utique doctrinalis instantiae et subtilioris agitationis

figmentum est; nihil enim tale in rebus occurrit, tale quid tamen fideliter, intelli

gitur. -

604) Ebend. p. 111 f.: Hoc ipsum ergo quod dicitur ,,praedicari**, ab gd

iumctis plures significandi contrahit modos .... Nam quum sermo de sermone iungi

bilitatem quandam terminorum verae , affirmationis innuit, . quum de re sermo diciiur

praedicari, ostenditur, quod ei talis nuncupatio aptatur. Rem vero de re praedicari

XIV. Johannes v. Salesbury, 253

ligkeit der Worle auch noch damit einverstandem, dass mam die Univer

salien selbst Dinge menmen könne °°°), wobei wir allerdings aus dieser

aussersten wissenschaftlichen Gleichgültigkeit dem, Eindruck empfangen,

als sei es überhaupt nicht der Mühe werth gewesen, uns um die Ein

sicht in die Meinung des Johannes bezüglich der Universaliem so sehr

zu bekümmern. -

Nach dem Bisherigem, was über den allgemeinem logischen Stand.

punkt des Johannes sowie über seine Stellung zu der hauptsächlichsten

Partei-Controverse anzugeben war, ist won vornelierein nicht zu erwartem,

dass er in den übrigem Haupttheilem der Logik, obwohl ihm auch die

Kenntniss der Analytiken zu Gebot stand, eigentlieh einen förderlichen

Einfluss ausgeübt habe; und es sind auch im Ganzen nur wenige ein

zelne Punkte, welche wir hervorheben müssem.

Was hiemit zunächst die Kategorien betriffi, so tritt erklärlicher

Weise hier wieder mehr die Auffassung des Gilbert in den Wordergrund,

und es , stimmt völlig mit demselben überein, wenn Johannes diesen

Zweig der logischen Erörterungen, welchen er als „praedicamentalis

inspectio* bezeichnet, hauptsächlich in die Erwägung des Was (quid)

und der qualitativen Bestimmtheit (proprietates, vgl. Anm. 459) und der

Gegensätzlichkeit verlegt, wobei er die Beschränkung auf das Natürliche,

d. h. auf dasjenige, was Gilbert (Anm. 464) nativum genannt hatte,

einhält "°°). Hiemit aber verbindet sich ihm der Standpunkt Abälard's

(s. Anm. 272), dass in den Kategorien es sich um die einfachen unver

bundemen Sprachausdrücke handle, insoferne dieselben an sich ,,be

zeichnend“ sind """). Die Erörterungen über univocum, aequivocum

u. dgl. nennt er, hierin dem Isidorus folgend, Werkzeuge def Katego

riem °°°), und es liegem ihm dieselben wegen seiner stetem Berück

interdum notat , quoniam hoc est hoc, ut puta Plat0 h0m0, interdum quoniam hoc

participat hoc, utpote subiectum accidente. Nec erubesco confiteri, quod res de re

praedicetur in propositione, etsi res in propositione non sit, quum hoc in mente

mihi versetur, qu0d res significetur praedicato termino verae affirmationis, cuius sub

iecto aliqua de re agitur aut res aliqua significatur. Itaque non adversandum litterae ,

arbitror, sed amicandum eique mos gerendus est in admittenda licentioris verbi in

differentia.

605) Ebend. p. 112.: Sed et rei nomen latius pateat, ut possit universalibus

convenire, quae sic auctore Aristotele intelliguntur abstracta a singularibus, ut tamen

esse non habeant deductis singularibus. So erklärt sich dann freilich der aben

teuerliche Ausdruck ,,res praedicamentalis“, Anm. 574.

606) Ebend. IV, 30, p. 187.: Est autem praedicamentalis inspectio et prima

fere philosophandi via, de qualibet re proposita quid sit attendere, itemque quibus

proprietatibus ab aliis differat et quomodo aliis conformetur, deinde an sit ei quid

contrarium et an ipsum susceptibile contrariorum ; quae quum innotuerunt, res fami

liarius assignata in notitiam transit. Polycr. IV, Prol. p. 218.: Est ergo primus

philosophandi gradus, genera rerum proprietatesque discutere, ut quidquid in singulis

verum sit, prudenter agnoscat. Ebend. II, 22, p. 121.: Denique apud philosophos

cautum est, talia manere praedicata, qualia subiecta permiserint, omniumque prae

dicamentalium vim et proprietatem naturalium finibus limitari.

607) Metal. III, 2, p. 119.: Categoriarum liber Aristotelis elementarius est et

accedentis ad logicam quodammodo infantiam eaecipit; tractat enim de sermonibus in

compleaeis in e0, quod rerum significativi sunt, qu0 nihil prius est apud dialecticum.

Vgl. hingegen Amm. 578. -

608) Ebend.: Univocorum quoque et denominativorum adeo necessaria est cogni

254 XIV. Johannes v. Salesbury.

sichtigung der Wieldeutigkeit der Worte ganz besonders am Herzen,

obwohl er wie wir sahem (Amm. 577), durch seinen Indifferentismus

gerade auch diese Begriffe abschwächte oder verwischte; das multi

vocum und diversivocum will er überhaupt lieber der Grammatik zu

weisen °°°). Jene „Bezeichnung des Unverbundenen* (significatio in

compleacorum) soll durch zwölf Fragem zur Erkenntniss gelangen, deren

erste das ,,0b“ ist, worauf zehm Fragen entsprechend den Kategorien

folgen, und als zwölfte das „Warum“ den Schluss macht; letztere je

doch fällt in ihrer Beantwortung dem göttlichen Wissem anheim und

geht somit über die Philosophie hinaus, welche sich mit den ersten

elf begnügt, wovon die erste wieder nicht zur Logik gehört; indem

aber die Logik den Umkreis des Gewordenem (d. h. Gilbert's nativum)

durchforscht, findet sie für ihre zehn Fragen die zehn Kategorien vor,

welche als Sprachausdrücke für das in den concreten Dingen Werfloch

tene (Ann. 469) „ausgedacht“ sind, und so haben die zehn „genera

praedicabilium“ völlig gleichmässig in den Aussagen und in den Dingen

(sive in sermonibus sive in rebus) ihren Umkreis °'°). Während so

die Hauptfrage dem Johannes auch hier wieder gleichgültig ist, legt er

ein grösseres Gewicht auf jenen Einen Beispiel-Satz, in welchen Alcuin

alle zehn Kategorien gebracht hatte °14), und entscheidet sich auch darin

für Gilbert's Auffassung (Anm. 481 f.), dass er selbst einer aristoteli

schen Slelle gegenüber die Behauptung festhält, dass sämmtliche Kate

gorien nur zur Erkenntniss des Wesens, d. h. des „Was“, dienem °1*);

tio, ut haec tria, scilicet aequivoca, univoca et denominativa, asserat lsidorus

categoriarum instrumenta (s. Abschn. XIlI, Anm. 32.).

609) Ebend. 3, p. 123.: Multivoca et diversivoca, quae Boethius adiicit (s.

Abschn. XII, Anm. 88.), magis ad grammalicam pertinent.

610) Ebend.: Incompleacorum significatio innotescit ..... Primo quidem nosse

de aliquo, an sit, deinde, quid, quale, quantum, ad quid, ubi, quando sit, qu0

modo silum, quid habeat, faciat, patiatur; novissima speculatio est in singulis,

quare sit, et quae iam non modo ad angelicam perfectionem, sed ad divinae maie

statis praer0gativam accedit .... (p. 124.) Cumulus itaque scientiae in hoc duode

nario solidatur; investigatio philosophica undenarii sobrietate contenta est;.... porro

logicus decem institutionis suae elementa cognoscit ..... Sed quia naturalium prima

est inquisitio, in ipsa primo decem praedicamenta formata sunt eaccogitatique serm0

nes, quibus de his, quae primo occurrunt sensui aut intellectui, qualia sint c0rp0ra

aut spiritus, quid, quantum et quale esset, aut secundum ceteras quaestiones natu

raliter procedentes, declaretur unumquodque eorum; unde et praedicamenta dicta

sunt, sive in sermonibus sive in rebus, decem genera praedicabilium, quae sic ad

singulares individuasque substantias applicantur.

611) Ebend. p. 126 f. : -Isidorus, Alcuinus et quidam alii sapientum ......

sententiam plenissimam praedicamentorum absolutione perficiunt, ut in hoc eorum

patet ezemplo, s. Abschn. XIII, Anm. 57.

612) Ebend. p. 126.: 0mnia ergo genera speciesque substantiarum et qualita

tum aliorumque primo ingerunt praedicamento, quoniam appositione generis speciei

primae satisfit quaestioni, i. e. declaratur de aliquo, quid ipsum sit .... Hoc quidem

ab Aristotele videtur alienum; ait enim: nun folgt die oben Abschn. IV, Anm.

324. angeführte Stelle Top. I, 9 in einer von Boethius (p. 666.) etwas abweichen

den Uebersetzung (s. Anm. 34.); hierauf: Equidem non hic videtur auctor eaepri

mere, quod in eodem praedicamento, etsi eundem modum habeant praedicandi, sint

omnia genera, aut quod novem genera accidentalium rerum non praedicentur de sub

stantiis, aut quod eodem modo praedicentur de subiectis et de contentis suis.

XIV. Johannes v. Salesbury. 255

ja für die Gilbert'sche Annahme (Anm. 462 u. bes. 479), dass die in

dividuellem Bestimmtheiten die Totalität der Substanz betreffem, beruft

er sich sogar auf den Dionysius v. Areopag, d. h. auf Scotus Eri

gena "*°). Indem er aber, wie gesagt, die ontologische und die logi.

sche Seite völlig naiv parallelisiri, bringt er jene Werflechtung der con

creten Dinge, gleichfalls wie Gilbert (Anm. 472), in eine Verbindung

mit der Grammatik, indem die Substanz dem Substantivum, die übrigen

Kategorien aber als Ingredienzem der Eigenthümlichkeiten dem Adjec

tivum entsprechen sollem, und wegen der auf alle concreten Wesen

sich erstreekenden Kategorie des Thums und Leidens oder der Bewegung

(Amm. 464 u. 489 f.) sich nothwendiger Weise das Werbum ein.

stellt 614).

In der Lehre vom Urtheile, für welche Gilbert's Ontologie Nichts

darbot, schliesst sich Johannes offenbar theilweise an Abälard am, denn

er spricht nicht bloss wie Jener (Anm. 314 ff.) von dem weehselsei

tigen Erwecken .der Gedanken durch die Rede "'°), sondern insbeson

dere gilt aueh ihm (vgl. bei Abälard Anm. 330 u. bes. 382) das Wahr

sein und Falsch-sein als eine blosse Modalität, welche bei den Dingen,

bei den Gedanken, und bei den Aussagem eintrete "'"). Hingegém he

613) Ebend. II, 20, p. 106.: Sic et quodlibet accidens in toto sui subiecto est

totaliter, sed totius partialiter, si pro parle, et quodlibet subiectum accidentis sui

'limilibus coaequatur; hoc idem de generibus et speciebus protestari non vereor; quin

mundo reclamante dicam, quoniam a deo sunt aut omnino nihil sunt (s. Anm. 593.);

clamat mecum et Dionysius Areopagita et numerum, quo discernuntur, pondus quo

statuuntur, mensuram qua diffiniuntur omnia, dei dicit imaginem (vgl. Abschn. XIII,

Anm. 139 f.). Andere Anklänge aus Scotus Erigena s. oben Anm. 602.

614) Ebend. I, 14, p. 36.: Substantiis omnibus sua quasi impressa sunt no

mina ; sed quoniam ipsarum multae sunt differentiae, aliae quidem a quantitate, aliae

a qualitate, aliae a variis accidentium formis, item aliae ab his quae familiariora

sunt et ad esse conducunt; idcirco quibus hoc designaretur, nomina sunt inventa,

quae possent adiici substantivis et eorum vim et naturam quodammodo depingerent.

• • • • • Sicut enim accidentia substantiam vestiunt et informant, sic quadam propor

tionè rationis ab adiectivis substantiva informantur .... Pro eo, quod substantia, quae

sensui aut rationi obiicitur, sine motu, quo agendo vel patiendo aliquid temporaliter

movetur, esse n0n p0test, ide0 ad designandos motus corporales agentis aut patientis

eaecogitata sunt verba.

615) Enthet. v. 497 ff.: Aer subtilis, quem guttur format et oris 0rgana, qui

sonitu possit ab aure capi, V0æ est, quae reserat uni, quid c0gitet alter, Inque

vicem reddit pervia corda sibi. Metal. I, 19, p. 49.: Sermo institutus est, ut eae

plicet intellectum. -

616) Melal. IV, 33, p. 190.: Locutio, quae vera dicitur, a modo, quem innuit,

modalis appellatur; item opinio vera a modo percipiendi et ratio vera a qualitate

eacaminis sui; 'res quoque singulae verae dicuntur, .... dum in his taliter percipien

dis nullius imaginis phantasmate circumveniatur opinio. Ebend. 36, p. 196.: Si

enim rem sic esse ut est, aut non esse ut non est, comprehendit (sc. intellectus)

iudicio certo et fideli usus est; sin autem vel non esse qu0d est, vel esse quod non

est, opinatur, procul dubio fallitur et errat; idem quoque est in sermonibus; res

autem, quae se ipsam , pr0ut est, inlellectui subiicit, vera est; quae aliter, vana

et falsa. Ergo a m0d0 percipiendi .... convincitur veritas aut falsitas tam opinionum

quam rerum, sermonum vero a modo significùndi. Enthet. v. 405 ff.: Hinc aliud

verum rerum conneacio monstrat, Quam sine compositis nem0 videre potest; Est in

tellectus verus, quia concipit ipsam; Sicque tripleæ veri dictio rebus inest; Est sermo

verus, quotiens designat eandem, Si se res habeant, ut data verba ferunt.

256 XIV. Johannes v. Salesbury.

züglich des sog. umbestimmtem Urtheiles (vgl. Amm. 351) nimml er den

Standpumkt ein, dass dasselbe für das Erkennem untauglich sei °4').

Jene Urtheilsformen, welche der Grammatik angehören und ums oben

(Amm. 207) unter dem Namen „materialiter imposita“ begegnetem, be

zeichnet er als „secunda impositio*"'°), und er warnt bei dieser Ge

legenheit vor dem logischen Missbrauche, welcher mit solchen Urtheilen

durch sophistische Witze gemacht werdem kann, dabei die Probe eines

absichtlich gebildeten unsinnigen Satzes , gebend"4°). Bemerkenswerth

ist, dass er ebendort die „Syncategoreumata“ (s. Anm. 174, 206, 348)

erwähnt, jedoch im einer Weise, wormach er nicht geneigt scheint,

denselbem für die Logik eine Bedeutung zuzugestehen, da er sie eben

jenem grammatischem Bezeichnungen gleichstellt, welche als blosse se

cunda impositio nicht leicht wieder auf den primären dinglichem Sinn

zurückangewendet werden können "*"). -

Aus dem Gebiete der Topik mag etwa erwähnt werden, lass Jo

hammes in den Erörterungen des Aristoteles über dem Gattungsbegriff

eine Ergänzung und Berichtigung der Angabem des Porphyrius erbliekt °*'),

sowie dass er im Hinblicke auf die maacimae propositiones (s. Abschm.

XII, Anm. 138) ähnlich wie Boethius die Festigkeit des mathematischen

Beweis-Verfahrens hervorhebt ***).

In der ersten Analytik findet er nicht bloss bei dem Formen des

kategorischen Schlusses eine Unvollständigkeit, welche durch Spätere

gehoben worden sei (Abschn. XII, Anm. 136), sondern sagt auch be

züglich jener Schlüsse, welehe aus Combinationem kategorischer Urtheile

617) Metal. II, 20, p. 101.: 0mnis itaque dictio, quae .... non satis proprie

ponitur aut certo et sua ratione definito innititur subiecto; alioquin suo privabitur

officio, quum ratio cognitionis certitudinis finem quaera* aut teneat.

618) Ebend. I, 15, p. 37.: Procedat ratio ad secundae impositionis originem.

.... Rebus itaque quum nomina primitus essent imposita, reversus ad se animus im

ponentis ipsis nominibus vocabula indidit, per quae sermonum doctrina procederet.

- - - - - Ergo dictum est nomen substantivum, ..... adiectivum, .... verbum.

619) Ebend. p. 40.: Abusio est, si quis dicat ,,equus desinit in S** et simi

lia; item ,, Cato sedens inter Janiculum et calendas Martias (es erimmert diess un

willkürlich an dem Wolkswitz der Augsburger: „Zwischen Pfingsten und dem Klinker

Thor**) vestes populi Romani quaternario aut senione resarcit“ aut sermo non est aut

quovis sermone nugatorio corruptior.

620) Ebend. 16, p. 43.: Et quidem, quae a rebus sumptu sunt, ad res redire

possunt, sed quae inventa sunt, ut verborum indicent qualitatem, non eadem c0mm0

ditate vel usu devocantur, ut rerum indicent qualitatem; videntur enim aliquid habere

simile cum his generibus verborum, quae graece syncategoremata appellantur, e0 quod

sicut illorum ab adiunctis aut est aut perpenditur significatio, sic ista originis suae

sociata sermonibus suum commode eaccitant intellectum, alio vero traducta velut na

turali vigore destituta evanescunt vel absona sunt.

621) Ebend. III, 7, p. 140.: Hoc tamen ab Aristotele (Top. IV, 1—6.), qu0

niam Porphyrius, quem parvuli sequuntur, aliud docuit, adiiciendum puto, quoniam

sicut genus univoce et non denominative, sic nec secundum quid praedicatur; unde

constat, corpus non esse genus animalis ..... Sed minutiores philosophi cum Por

phyrio vulgi sequuntur opinionem, qui fere id solum consuevit approbare, quod sen

sibus patet. -

622) Polycr. VII, 7, p. 103.: Sic et geometriae primo petitiones quasdam quasi

totius artis iaciunt fundamenta, deinde communes animi conceptiones adiiciunt, et

sic quasi acie ordinata ad ea, quae sibi sunt demonstranda, procedunt.

XIV. Johammes v. Salesbury. 257

mit Nothwendigkeits- umd Möglichkeits-Urtheilem bestehen (Abschm. IV,

Anm. 558 ff.), dass dieselben von Aristoteles nicht erschöpfend darge

stellt seien, und hiemit noch für Andere hier eine Thätigkeit übrig

bleibe, welche jedoeh für das bestehende praktische Bedürfniss der

artiger Schlussweisen praktisch Bequemeres liefern solle “28), — ein

Gerede, welches auch seinerseits selbst auf obige benigna interpretatio

Anspruch machen zu müssem scheint. Aehnlich spricht er sich über

die hypothetischen Schlüsse aus, welche vielleicht Aristoteles wegen

ihrer Schwierigkeit absichtlich weggelassen habe; doch sei mebem , einer

Hinweisung auf diese Syllogismen, welche schon in der Topik vorliege,

insbesondere Eine Stelle der Analytik die Weranlassung gewesen, dass

Boethius und Andere die Lücke ergänztem, obwohl , auch durch diese

moch nicht die wahre Vollständigkeit erreicht worden sei °**). Dass

Johannes auch bei der Analytik nur den praktischen Zweck der Argu

mentation im Auge hatte, zeigt sich bei seiner Erwähnung der petitio

principii "*°), sowie einiger anderer technischer Momente, unter welehen

er für das Werfahren des Gegenheweises die Terminologie „catasyllo

gismus“ wählt °*"). Aus der zweiten Analytik kommte er die Kenntniss

623) Metal. IV, 4,^p. 160.: Trium figurarum subnectit rationes (sc. Aristoteles)

. et qui modi in singulis figuris eæ compleacione eætremitatum proveniant, docet,

data quidem semente rationis eorum, quos sicut Boethius asserit (die Stelle ist oben

Abschn. W, Anm. 46. angeführt) Theophrastus et Eudemus addiderunt. Deinde ha

bita m0dalium ratione transit ad commiactiones, quae de necessario sunt aut contin

genti, cum his quae sunt de inesse .... Nec- tamen dico, ipsum Aristotelem alicubi,

quod legerim, nisi forte quod ad propositum, de modalibus sufficienter egisse , sed

procedendi de omnibus fidelissimam scientiam tradidit; eaepositores vero divinae pa

ginae rationem modorum pernecessariam esse dicunt .... Et profecto licet nullus

Imodos omnes, unde modales dicuntur, singulatim enumerare sufficiat, quod quidem

nec ars eæigit, tamen magistri scholarum inde commodissime disputant et, ut pace

multitudinis loquar, Aristotele ipso commodius. Vgl. Anm. 220.

624) Ebend. 21, p. 177.: Dialecticam et apodicticam .... praecedentia docent.

In iis tamen de hypotheticis syllogismis nihil aut parum est actitatum, seminarium

tumen datum est ab Aristotele, ut ei istuc per industriam aliorum possit esse pro

cessus: Quum enim tam probabilium quam necessariorum loci monstrati sint, osten

sum est, quid eæ quo sequatur probabiliter aut necessario, quod quidem ad hyp0

theticorum iudicium maæime spectat .... Praeterea Boethius (De syll. hyp. p. 609.)

hoc pro seminario inveniendorum dicit acceptum, quod Aristoteles ait in Analyticis

(s. oben Anm. 522.) ,,idem quum sit et non sit, non necesse est idem esse.“ Ergo

ipse et alii (s. Abschn. XII, Anm. 139.) aliquatenus suppleverunt imperfeclum Ari

stotelem in hac parte, sed quidem ut mihi visum est, imperfecte. (Inwieweit Letz

teres richtig sei, s. ebend. Anm. 155. u. 163.) .... Sed forte ab Aristotele de in

dustria relictus est hic labor, eo quod plus difficultatis quam utilitatis videtur habere

liber illius, qui diligentissime scripsit; profecto si hunc Aristoteles more suo eaese

queretur, verisimile est, tantae difficultatis fore librum, ut praeter Sibyllam intelligat

nemo. Nec tamen hic de hypotheticis satis arbitror expeditum, supplementa vero

scholarum perutilia et necessaria sunt. -

625) Ebend. 5, p. 161.: Adiicit (Anal. pr. II, 16., s. Abschn. IV, Anm. 628.)

et regulam petitionis principii, quae speculatio tam demonstratori quam dialeclico

satis accommodata est, licet hic probabilitate gaudeat, ille veritatem dumtaacat am

plectatuf.

626) Ebend. p. 162.: Sequitur de causa falsa conclusionis, ut catasyllogismi

(so ist auch wirklich in der Üebersetzung des Boethius p. 516. das betreffende

Capitel überschrieben, Anal. pr. II, 19., s. Abschm. IV, Anm. 631.) et elenchi (ebend.

Anm. 632.) et de fallacia secundum opinionem (ebend. Anm. 634 f.) et de conver

PR A NT l, Gesch. II. 17

258 XIV. Johannes v. Salesbury. Alanus v. Lille.

der sog. vier aristotelischen Principien schöpfen "*"), und ausserdem

wurde auch er auf die erkenntniss-theoretischen Fragen geführt, welche

er jedoch weit schlechter erörtert als der Verfasser De intellectibus

(Amm. 418 fl.), denn auf einen noch ziemlich aristoteliseh klingendem

Anfang, welcher die Sinneswahrnehmung, die Einbildungskraft und die

Meinung betrifft, folgt sofort der ciceronische Begriff der praktischen

Klugheit, worauf sich Plato's Auffassung der Wernunft (ratio) anreiht,

um zuletzt zu der theologisch verstandenem Weisheit (sapientia) als

endlichem Ziele zu führen "**). -

Aueh aus den Soph. Elenchi, welche Johannes an den Schluss des

aristotelischen 0rganons stellte, dürfte höchstens die Termiuologie ,,re

luctatorius syllogismus“ erwähnenswerth sein "*"), sowie aus dem Um

kreise der Schriften des Boethius die Erwähnung der fünfzehn Artem

der. Definition (s. Abschn. XII, Anm. 107), wobei die oberflächliche

Lectüre des boethianischem Buches dem Johannes auf die Meinung brachte,

aueh Cicero habe eine Schrift De definitione verfasst"°°).

' Einige Verwandtschaft mit Johannes von Salesbury zeigt bezüglich

der theologischen Ontologie der ebenso geschimacklose als affectirte

A la n u s v o m L ille (gest. um 1200), insoferne Beiden die Auffassung

des Gilbert Porretamus in solchen Fragen als gemeinschaftlicher Aus

sione medii et eætremorum (ebend. Anm. 636 f.), cuius tamen tota utilitas longe

commodius tradi potest.

627) Enthet. v. 375 ff.: Quatuor ista solent laudem praestare creatis, Subieclum,

species, artificisque manus, Finis item cunctis qui nomina rebus adaptat. Arist.

Anal. post. II, 11., s. Abschn. IV, Anm. 696.; Es war demnach völlig unnöthig,

wenn man die Wermuthung aufstellte, Johannes habe die Bücher der Metaphysik

gekannt.

628) Metal. IV, 9, p. 165.: Quum sensus secundum Arislotelem (Anal. post. II,

19, Abschm. IV, Anm. 51.) sit naturalis potentia indicativa rerum, aut omnino non

est aut viæ est cognitio deficiente sensu .... p. 166.: Aristoteles aulem sensum potius

vim animae asserit, quam corporis passionem. 10, p. 167.: Imaginatio itaque a

radice sensuum per memoriae fomitem oritur. 11, p. 168.: Primum enim iudicium

viget in sensu, .... secundum vero imaginationis est, ut quum aliquid perceptorum

retenta imagine tale vel tale asserit de futuro iudicans vel remoto ; hoc autem alter

utrius iudicium opinio appellatur (so ist dóÉc. bei Boethius übersetzt, s. oben Anm.

19.; hingegen evistimatio s. Anm. 423.). 12, p. 169.: Prudentia autem est, ut

ait Cicero, virtus animae, quae in inquisitione et perspicientia solertiaque veri ver

satur. 13, p. 169.: Inde est, quod maiores prudentiam vel scientiam ad tempora

lium et sensibilium notitiam retulerint, ad spiritualium vero intellectum et sapientiam,

nam de humanis scientia, de divinis sapientia dici solet. 16, p. 172.: Erg0 et p0

tentia et potentiae motus ratio appellatur; hunc autem motum asserit Plato in P0

litia vim esse deliberativam animae etc. 19, p. 175.: Sapientia vero sequitur in

tellectum, eo quod divina de his rebus, quas ratio discutit, intellectus eaecerpsit,

suavem habent gustum et in amorem suum animas intelligentes accendunt.

629) Ebend. IV, 23, p. 180.: Sicut enim dialecticus elencho, quem nos relucta

torium dicimus syllogismum, eo quod contradictionis est, utitur etc. Vgl. Polycr.

II, 27, p. 145., woselbst unter dem Namen ,,cornutus“ ein Dilemma angewen

det wird.

630) Metal. IIl, 8, p. 141.: Sumpserunt hinc (d. h. aus Arist. Top. VI.) doctri

nae suae primordia Marius Victorinus et Boethius cum Cicerone, qui singuli libros

definitionum ediderunt; illi quidem definiendi nomen usque ad quindecim species

dilataverunt, describendi modos definitionis vocabulo supponentes, huic vero de sub

£,praecipue cura est (die Quelle dieses lrrthumes s. Abschn. XII, Anm. 103.

u. • ■ -

XIV. Alanus v., Lille. 259

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gangspunkt dient. • Jedoch hat Alanus den logischen Gehalt dieser Onto

logie, deren Beurtheilung oder Werthschätzung den Theologen über

lassem bleiben muss, nicht einmal in jener Weise, welche bei Gilbert

oder etwa auch bei Johannes hervortritt, ins Auge zu fassem der Mühe

werth gefundem, sondern sich in seinem schwülstigen Gedichte „Anti

claudianus“ bezüglich der Logik auf den Standpunkt der allergewöhn

lichsten Schuldoctrim gestellt, welehe auch er nur , als ein Mittel- der

Argumentation belìufs der Bekämpfung der Ketzer anerkennt °°'). lndem

er die sieben Künste in ähnlicher Weise wie Marcianus Capella als

symbolische Figurem auftreten lässt, schildert er, nachdem zuerst die

Grammatik vorgeführt war, an zweiter Stelle die Logik als eine äusserst

fleissige und strebsame Jungfrau, an deren gebleichtem Amtlitze nur

Haut und Knochen zu bemerken seien, so dass man die Folgen der im

Studium durchwachten Nächte erkenne °°*); sodann zählt er ihre Gahen

auf, welche sie zum Kampfe für die Wahrheit mit sich bringe, und

zwar nennt er dabei vor Allem die Topik. mit ihren maacimae propo

sitiones, in dieselbe die Syllogistik, sowie Induetion , und Exemplum ver

flechtend, dann folgt die Definition mit Einschluss der Beschreibung

(vgl. Abschn. XII, Anm. 9) und die Eintheilung der Gattung in die Arten

sowie des Ganzen in die Theile, und ausserdem die Wiederverbindung .

des so Unterschiedemen, durch welch sämmtliche Functionem die Logik

als Werkzeug oder Schlüssel der Weisheit, sowie als Waffe für alle

übrigen künste wirke *°°). Endlich die Aufzählung der Autorem der

Logik preist den Porphyrius als einen zweiten 0edipus, tadelt die Wort

verwirrung des Aristoteles, durch welche die Logik wieder verdunkelt

631) Anliclaud. VII, 6 (Alani 0pp. ed. C. de Visch, Antw. 1654, fol. p. 394.):

Succedit logicae virtus arguta, ..... Haec docet argutum Martem rationis inire, ' Ad

versae parti concludere, frangere vires 0ppositas partemque suam ratione tueri, Vesti

gare fugam veri falsumque fugare, Schismaticos logice falsosque retundere fratres,

Et pseudologicos et denudare sophistas.

632) Ebend. III, 1, p. 345.: Latius intendens sollers studiosa laborans Virgo

secunda studet, intrat penetralia mentis, Sollicitatque manum, mentem manus eaccitat,

urget Ingenium ..... Et decor et species afflasset virginis artus, Sicut praesignis

membrorum disserit ordo, Ni facies quadam macie respersa iaceret; Vallat eam macies,

macie vallata profunde Subsidet, et nudis cutis ossibus arida nubit; Haec habitu

gestu macie pallore figurat Insomnes animi motus vigilemque Minervam Praedicat, et

secum vigiles vigilasse lucernas.

633) Ebend. p. 345 f.: Monstrat elenchorum pugnas logicaeque duellum, Qua

liter ancipiti gladii mucrone coruscans Vis logicae veri facie tunicata recidit Falsa,

negans falsum veri latitare sub umbra ..... Quid locus in logica dicatur quidve lo

calis Congruitas , quid causa loci, quid mazima, Quid sit vis argumenti manans a

fonte locali, Cur argumentum firmet locus, armet elenchum Maacima, quae vires

proprias largitur elencho ...., Cur liget ea tremos medius mediator eorum Terminus

et firmo confibulet omnia meaeu ...., Qualiter usurpans vires et robur elenchi Singula

percurrit inductio, colligit omne ...., Qualiter eaeemplum de se parit ..... Quomodo

definit, partitur, colligit, unit Singula, quae gremio complectitur illa capaci, Quo

modo res pingens descriptio claudit easdem Nec sinit in varios descriptum currere

vultus, Quid genus in species divisum separat, aut quid Dividit in partes totum

rursumque renodat, Quae sunt sparsa prius , divisaque cogit in unum, Qualiter ars

logicae tanquam via, ianua, clavis, 0stendit reserat aperit secreta sophiae, Qualiter

arma gerit et in omni militat arte.

17*

260 XIV. Rückblick.

und verhüllt worden sei, worauf Boethius wieder Licht und Ordnung

in das Ganze gebracht habe °°*). -

Hiemit sind wir an der Gränzscheide des zwölftem umd des drei

zehnten Jahrhundertes angekommen, welche auch dadurch sich kenn

zeichnet, dass gerade zu jener Zeit von verschiedemer Seite her dem

lateinischen Abendlande neuer Stoff zugeführt wurde, dessen Betrachtung

der Gegenstand der zwei folgenden Abschnitte sein soll, um hernach die

ausgedehnten Wirkunfgen des neu hinzukommenden Materiales entwiekeln

zu können. Erfreuliche Gesichtspunkte bezüglich des eulturgeschicht

lichen Fortschrittes hat uns die bisher geführte Untersuehung allerdings

wahrlich nicht dargebolem. Wir haben wohl multa, aber sicher nicht

multum an uns vorübergehen lassen. Hat ja sogar die allmälig er

wachende Kenntniss der aristotelischen Hauptwerke kaum nemnenswerthe

Früchte getragem, und an Stelle einer wahrhaft philosophischen Auf.

fassung der Logik, zu welcher das Studium des Aristoteles hätte ver

anlassen können, schien zuletzt selbst lieber noch der Drang ' nach

praktischer Rhetorik sich geltend machen zu wollen. Und selbst die

folgenden späteren Abschnitte werden uns auch zu jener Zeit, in welcher

eim neuer Geist die Fesseln der Tradition und der äusserlichem Aucto

rität durchbricht, auf dem Gebiete der Logik nur eine gesteigerte Wie

derholung dieses Spieles der Geschichte zeigem, wormach die Logik

unter sehr verschiedemen Auffassungem stets wieder aus einer innerlich

philosophischen Basis hinausgedrängt wird.

634) Ebend. p. 347.: Auctores logicae, quos donat fama perenni Vita, ....

recolens defunctos suscitat orbi. Illic Porphyrius arcana resolvit, ut alter 0edipodes

nostri solvens aenigmata sphingos; Verborum turbator adest et turbine multos Turbat

Aristoteles noster gaudetque latere. Sic logica tractat, quod non tractasse videtur,

Non quod aberret in hoc, sed quod velamine verbi 0mnia sic velat, quod viæ labor

ista revelet ..... In lucem tenebrosa refert, nova ducit in usum Evcusatque tropos,

in normam schema reducit, Eæserit ambiguum Severinus, qu0 duce linquens Natalem

linguam nostri peregrinat in usum Sermonis logicae virtus dicatque latinum.

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XV. ABSCHNITT.

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Halte der Betrieb der Logik schon in der zweiten Hälfte des 12.

Jahrhundertes einen höchst ansehnlichen Zuwachs des Materiales da

durch gefunden, dass man die früher unbekanntem hauptsächlichstem

Bestandtheile des aristotelischen Organons kennen lernte, — wenn auch,

wie wir sahen, die Wirkung hievon zunächst nicht so bedeutend war,

als man hätte erwartem können —, so trat num mit dem Beginne des

13. Jahrhundertes gleichzeitig von drei Seitem her eine neue Wermehrung

des Stoffes ein, nemlich durch Benützung byzantinischer Litteratur-Er

zeugnisse, durch Beiziehung der Leistungen der Araber, und durch das

Bekanntwerden der übrigen Werke des Aristoteles, unter welchen selbst

verständlicher Weise vor Allem die Bücher. der Metaphysik, sodann

aber auch .die Schrift de anima auf die Logik einem Einfluss ausüben

musstem. Und so wird ums denm auch neuerdings unsere schom wie

derholt ausgesprochene Ansicht, dass das ganze Mitlelalter lediglich von

der äusserem Zufuhr des Materiales abhängig war, durch dem geschicht

lichen Werlauf ihre thatsächliehe Bestätigung erhaltem.

Dass durch die dritte der genanntem Erweiterungem des Stoffes

ein Umschwung in der* Stellung der Logik eintreten musste, ist klar;

denn machdem bis dahin, abgesehen von platonischer Physik, die Logik

allein -den Umkreis der eigentlichen Philosophie repräsentirt hatte, kam

dieselbe nun seit dem Betriebe aristotelischer Metaphysik und aristoteli

scher Psychologie in das Verhältniss einer Coordination oder auch einer

Subordination zu anderen Zweigen der Philosophie. Doch wie sich

diess gestaltet habe, wird erst untem im XVII. Abschnitte dargestellt

werden könnem, wo der chronologische Faden an dem Punkte, an wel

chem wir ihn so eben yerliessem, wieder aufzunehmen sein wird. In

gleicher Weise muss es jenem nemlichen späterem Abschnitte vorbe

halten bleiben, die Wirkungen selbst vor Augen zu führen, welche aus

dem beidem anderen neuen Ingredienzien, nemlich aus der byzantinischen

und aus der arabischem Litteratur, sich ergaben.

Hingegen ist es mun unsere nächste Aufgabe (— denm die Dar

stellung der ächten und vollständigen Lehre des Aristoteles liegt längst

hinter uns —), eben jenes doppelte fremdländische Material, welches

in die Sprache des lateinischen Abendlandes übertragen wurde, vorerst

für , sich allein kennen zu lernen. Sowie, aber. dort der byzantinische

262 xv. Berührung mit den Byzantinerm.

umd der arabische Einfluss im 13. Jahrhunderte zur memlichen Zeit zu

Tag tretem, so ist es für die Geschichte der alendländisehen Logik an

sich völlig gleichgültig, welchen von beidem wir zuerst betrachten, und

es mag etwa der erstere nur darum vorangestellt werden, weil er mehr

eine unmittelbare Anknüpfung an Erscheinungen darbietet, welche bereits

früher Gegenstand unserer Erörterungen gewesen waren.

Wobl aber dürfen wir schon hier zur Orientirung die weitgreifende

Bemerkung vorausschicken, dass die Logik, soweit sie im 13. Jahr

hunderte neben der äusserlich eingelerntem aristotelischen Philosophie

eine selbstständige Stellung erhielt, num dureh Uebertragung eines by

zantinischen Compendiums und byzantinischer Technik eine veränderte

Gestalt annahm und einen folgenreichem Zuwachs an Inhalt erfuhr, so

dass nicht ohne Berechtigung in den Schulem für diese „neue Logik“

die Bezeichnung „via moderna“ üblich wurde. Sowie man dem ge

sammtem Zeitabsehnitt von lsidorus an bis zum Beginne des 13. Jahr

hundertes füglich die Periode des Boethius mennen kann, wenn auch in

dem letzterem Jahrzehenten derselben einige Kemntniss des Aristoteles

mitspielte, ebenso darf mam bezüglich der eigentlichen Schul-Logik fast

die ganzen mächstfolgenden drei Jahrhunderte als die Periode des Psel

Ius bezeichnen, wenn auch die ältere boethianische Tradition als „via

antiqua* nebenherlief, oder Erneuerungem früherer Partei-Controversen

sich einstellten. -

Im XI. Abschnitte wurde die vielfach umbedeutende und sterile

Reihe der griechisehen Commentare zur aristotelischem Logik und der

griechischen Schulcompendien bis in das 14. Jahrhundert himabgeführt ;

und indem schon dort (zw. Amm. 82 u. 83) bemerkt wurde, dass vom

5. Jahrhunderte an diese Litteratur spurlos am dem lateinischen Abend

lande vorübergieng und gleichsam seitab lag, wohl aber (ebend. Anm.

176) bei Petrus Hispanus (13. Jahrh.) eine Einwirkung sich zeige, welche

mit Psellus beganm, so müssen wir mum hier, nicht etwa zur Fort

setzung der dort schon angegebenem litterär-geschichtlichen Entwicklung,

sondern lediglich um jener lateinischem Schul-Logik willen, welche vom

13. Jahrhunderte an betrieben wurde, alles dasjenige vorführen, was

als meues Ingrediens wirkte. Denn äusserliches Aufraffen und äusser

liches Uebertragen des sich darbietendem Stoffes war ja überhaupt die

methodische That des traditions-süchtigen Mittelalters, und so kann auch

die Geschichte der Logik gleichsam nur registrirem, welcherlei Bausteine

zugeschleppt wordem seien. -

Dass num ein thatsächlicher Einfluss byzantinischer Litteratur auf die

lateinische Logik bestand, wird im Folgenden selbstredend dargestellt

werdem. Die Frage aber, wie derselbe überhaupt ermöglicht wurde, gehört,

theils der allgemeinen Kulturgeschichte an, theils liegt ihre Beantwortung

im so allbekanntem Thatsachem und Verhältnissen, dass wir den Leser zu

beleidigen fürchten, wenn wir an die Kreuzzüge und die Entstehung des

lateinischen Kaiserthumes (Einmahme Konstantinopel's durch die Kreuz

fahrer i. J. 1204), an das emdlose Gezänke der Theologen beider zum

Schisma treibenden Kirchen, an die juristische Gelehrsamkeit, welche in

Erklärung der Basiliken miedergelegt wurde, erst noch ausdrücklich er

innern wollten. Einzelne Momente, welche unserem speciellen Gegen

XV. • Berührumg mit dem Byzantinerm. 263

stande mäher liegem, trafen wir bereits im 12. Jahrh. (s. , vor. Abschm.

Anm. 25 u. 32 f.); eine völlig entscheidemde Wirkung aber, musste es

für die ersten Jahrzehente des 13. Jahrhundertes haben, dass der all

gewaltige Papst Innocenz III., welcher das durch seine Intrigue in die

Welt gesetzte lateinische Kaiserthum vortrefflich für seine Zwecke aus

zumützen wusste, im J. 1205 den Wunsch Balduins bei dem französi

'schen Prälaten befürwortete, dass „zur Ehre Gottes“ Geistliche aus

Frankreich mach Konstantinopel sich begében und dori dem Samen

chrisllieher Bildung ausstreuen sollten 1), — ein Wunsch, welehen der

Papst gleichzeitig auch am die Universität Paris richtete, dabei micht'

vergessend, die Bereitwilligkeit der Missionäre aueh durch Hinweisung

auf irdische Schätze und Genüsse , anzuspornen *). Und wemm num auch

hiebei Förderung der Wissenschaft wahrlieh ebenso wenig der Zweck

war, als bei dem Collegium Constantinopolitanum, welehes in der mem

lichen Zeit der winkelzügige König Philipp August in politischer und

papst-freundlicher Tendenz zu Paris einrichtete *), so war es Sache des

mittelbarem äusseren Erfolges, dass nun Vertreter oder Schüler der bis

dahim hauptsächlich im Frankreich blühenden I.ogik in Berührung mit

einer fremden litterarischem Entwicklungsstufe kommen konntem, welche '

wohl in dem Augem eines Papstes einer Maassreglung zu. bedürfem

scheimen mochte, an sich aber in der glänzenden Litteratur-Epoche der

Anma Commena äusserst manigfaltig und reiehhaltig emporgeblüht war.

und bezüglieh der Logik wenigstens , nicht in höherem Grade, als die

bisherige lateinische Litteratur, umphilosophiseh und sehulmässig auftrat,

1) Diplomata , Chartae, Epistolae etc. Receuil de Brequigny et La Porte du

Theil. Paris. 1791. H, p. 712.: Universitatem vestram rogamus attente et hortamur

per apostolica vobis scripta mandantes, quatenus pium eius (sc. Balduini) desiderium,

quantum in vobis fuerit, promoventes de singulis ordinibus viros moribus et scientia

commendandos ac in religione ferventes ad partes illas destinare curetis, per quos

novella illa plantatio in disciplina domini erudita fructum reddat suis temporibus

opportunum ..... ad laudem et gloriam redemptoris .... et orientalis ecclesia in di

vinis laudibus ab occidentali non dissonet.

2) Ebend. p. 713.: Magistris et scholaribus Parisiensibus .... supplicavit (sc.

Balduinus), ut vos inducere ac monere apostolicis litteris dignaremur, quatenus in

Graeciam accedentes ibi studeretis litterarum studium reformare ..... Universitatem

vestram rogamus, quatenus diligentius attendentes, quanto maiores vestri difficultates

et gravamina sunt perpessi, ut adolescentiae suae primitias imbuerent litteralibus

disciplinis, non taedeat plerosque vestrum ad terram argento et auro gemmisque

refertam , frumento, vino et oleo stabilitum et bonorum omnium copiis affluentem

accedere, ut ad illius honorem et gloriam, a quo est omnis scientiae donum, sibi et

aliis ibidem proficiant, praeter temporales divitias et honores aeternae gloriae prae

mia recepturi. S. Jourdain , Recherches crit. (2. Aufl. 1843), p. 47 f.

3) Bulaeus, Hist. univ. Paris. III, p. 10. (aus Filesacus, de statutis theol.):

Post eæpugnatam Constantinopolim a Francis et Venetis sacro foedere iunctis Phi

lippo Augusto rege Lutetiae conditum est collegium Constantinopolitanum ad ripam

Sequanae prope forum Malbertinum, nescio in arcano imperii consilio, ut Graecorum

liberi Lutetiam venientes una cum lingua latina paullatim vetus illud et patrium in

Latinos odium deponerent eorumque humanitatem et benignitatem eæperti ad suos

reversi non sine magno Latini nominis incremento virtutes illas passim praedicarent,

ac velut obsides habiti, qui, si quid parentes et affines graeca levitate adversus

Lalinos molirentur, ipsi adolescentes Lutetia conclusi fuerint. S, Jourdain a. a. 0.

p. 49 f.

264 XV. Berührung mit den Byzantinern. Psellus.

wohl jedoch vor derselben den Einen Vorzug besass, dass in ununter

brochener Succession stets auch die Hauptschriftem des aristotelischen

Organons erörtert und benützt worden waren. Dass ausserdem in Un

teritalien die Kennlniss der griechischen Sprache (wenn auch nicht der

griechischen Litteralur) und der Werkehr mit Griechen nie völlig aus

gestorben waren, sowie dass Venedig in lebhafter Wechselbeziehung

mit dem griechischen Oriente war, ist hinreichend bekannt, und so

mochte neben denjenigen Erscheinungen, welche wir schon früher trafen

(vor. Abschn. Amm. 3, 25 u. 33), wohl im Laufe der Zeit noch in ge

steigerter Weise durch Uebersetzungen eine Vermittlung byzantinischer

Schriften bewerkstelligt worden sein, wenn wir auch nicht mehr im

Stande sind, einzelne Fädem einer solchen Thätigkeit auf dem Gebiete

der Logik nachzuweisen oder zu verfolgen *).

Bei Weitem das einflussreiehste Erzeugniss der byzanlinischen Lit

teratur war das Compendium des P s ell u s (s. oben Abschn. XI, Anm.

173 ff.), welches unter dem Titel xvvo^pug εἰς τὴν 'AguotovéÀovg àoyw

xìjv άπιστήμην die gesammte aristotelische Logik enthielt. Dasselbe

übte die weitgreifendste Wirkung auf das lateinische Abendland dadurch

aus, dass es sofort bei seinem dortigen Bekanntwerden zur Grundlage

der Compendien-Litteratur gemacht wurde. Nemlieh es lag in dieser

Beziehung allerdings wohl das entscheidendste Factum darim, dass Petrus

Hispanus die Synopsis des Psellus wörtlieh übersetzte, aber aus Hand

schriftem der Pariser Bibliothek machte ich die überrasehende Entdeckung,

dass Petrus Hispanus durchaus nicht der erste Uebersetzer des Psellus

war, sondern dass bereits einige Jahrzehnte vor demselben durch An

dere, wie namentlich durch Wilhelm Shyreswood, das Compendium

des Psellus in die lateinische Schul-Logik eingeführt und sogar mit

einer weit grösseren Selbstständigkeit verarbeitet worden war. Und

nur durch die Auctorität, welche Petrus Hispanus - als Papst in dem

römisch-katholischen Abendlande genoss, konnte es geschehem, dass jene

Bestrebungen anderer Schriftsteller des 13. Jahrhundertes, welche gleich

falls auf byzantinischer Litteratur fusstem, allmälig bei Seite geschoben

wurden und mit einer gewissen Monotonie sich ausschliesslich das geist

losere Elaborat des Petrus Hispanus auf lange Zeit hin einbürgerte.

Während aber all diese Werhältnisse, wie sich von selbst versueht,

ihre genügende Darlegung im XVII. Abschmitte finden werden, wendem

wir uns nun zu der Synopsis des Psellus selbst, um hiedurch die 0ri

ginal-Quelle jener lateinischen Litteratur-Produkte kennen zu lernen °).

4) Giangirol. Gradenigo, Ragionamento istorico-critico intorno alla letteratura

grec0-italiana. Brescia 1759. 8. enthält, ohne irgend neue Spurem der Forschung

zu eröffnen , ein ziemlich unkritisches Register von Italienerm, welche des Griechi

schen kundig waren. Die Abhandlung von Friedr. Cramer. (Dissertatio de graecis

Imedii aevi studiis. Pars prior et altera. Sundiae 1849 u. 1853. 4.) bricht an eben

jenem Punkte ab , welcher uns hier zumeist interessirt, nemlich bei dem Eintritte

der Kreuzzüge.

5) Ich halte es für unerlässlich, mehrere einzelme Abschnitte des Psellus

gleichsam als Probe wörtlich im Originaltexte mitzutheilen, um sodann entsprechend

im XVII. Abschnitte das Gleiche zu thun; denn nur hiedurch kann der Leser die

eigene Ueberzeugung schöpfem, in wieweit z. B. Wilhelm Shyreswood selbststän

XV. Psellus. 265

\ -

* Psellus beginnt mit der Notiz, dass die Dialektik die Kunst der

Künste (ars artium) sei, um dann sogleich von der Etymologie ihres

Namens aus auf den Begriff der Sprache und hiemit auf jenen des

Wortes (φωνή) und des Schalles (pöyog) zu gelangen "), wodurch sich

sofort als erster Haupttheil des Compendiums der Inhalt des Buches

De interpr. einstellt und sonach die Lehre vom U rth ei I e voraustritt.

Es wird nemlich zunächst in der üblichen Schulmanier ausführlicher

über den Schall und über die menschliche Ausdrucksweise gehandelt,

welch letztere entweder nicht bezeiehnend oder bezeichnend (φων)

αημαντική) sein könne; der bezeichnende Ausdruck wird in den ver

bundenem (σνμττετίεyμévm), d. h. den Satz, und in den unverbundenem

(άσύμπλεκτος), d. h. die einzelnen Worte, eingetheilt '), worauf in der

diger dem neuen Stoff benützt, hingegen Petrus Hispanus nur wörtlich übersetzt

habe; und ich hege das Wertrauen, dass danm der Leser meine Angaben über die

übrigem, nicht ausführlich abgedruckten, Theile der sich entsprechendem Compen

diem mir auf mein Wort glauben werde. Uebrigens ist anch zu bemerken, dass

die Summula des Petrus Hispanus gleichsam als eine zweite Handschrift, und zwar

häufig in der That als éime bessere Recension, zur Textes-Kritik des Psellus be

nützt werden muss; jene Augsburger Handschrift, aus welcher Ehinger die Synopsis

herausgab (Augsb. 1597. 8.), — jetzt in der Münchner Staatsbibliothek befindlich

(Cod. graec. Mon. 548.) —, enthält auch noch (fol. 33 ff.) ein Excerpt der Synopsis

von sehr später Hand.

6) Mici. Pselli Synopsis 0rg. Arist. I, 1, p. 1. (ed. Ehinger): 21ιαλεχτιχῆ ἐατι

a&yvrj τεχνόν xaì èπιστήμη ἐπιστημῶν 7τgὸς τάς άπασῶν τῶν μεδόσων

&gyàç óóóv èyovoa, xaî `$ià toùtò èv tj. xtijost τόν ἐλτιστημόν πραότην

εῖναι τήν διάλεχτιχην χQrj. L1€y£rat ôë `ï öuc. 18zruxi, à7ιὸ τῆς διαλέεως,

j δὲ ἀπò τῆς ,,6u«“ τῆς σημαινόύσης τὸ „uεταζύ'' xcd ταῦ „£yo*, £v' j

6 övoiv μεταζύ τούλέχιστὸν λέγος, τοῦ πQoßáÀÀovτος δηλονότι και τοῦ

άποxguvouévov ' ì à7rò toù διαλελέχάται και διακεxQto&ai, xα{}' ijv όηλον

6τι δίχα ταῖς yvojuaus διαιQoùvvat 9i διαλεγόμενοι. 24λλ' ἐπει η διάλεάις

où òvvczται yενεσ9ώαι ει ui; £j?':; λόγον, οὐδ' ἐν ό λόγος εἰ μῦ

μεσητενούσης φωνῆς, πάσα δέ φωνή μόφος τὰς ἐστι, διὰ τούτὸ ἀδς άτὸ

7tQot£Qov τοῦ μάqov àgxv£ov. Es ist wahrlich nicht nöthig, bei jedem einzel

nem Paragraphem des Psellus auf die Quellen, aus denen sie geschöpft sind, zu

rückzuweisen, soweit das Ganze uns nur dem Inhalt der am Schlusse des Alter

thumes recipirtem Schul-Logik zeigt, welcher aus dem im XI. Abschmitte Erörterten

hinreichend ersichtlich sein dürfte. Wohl hingegen werde ich sorgfältig alle die

jemigem Punkte hervorheben, für welche jene Schultradition nicht zureichend ist,

und namentlich macht in dieser Beziehung der Schluss des Compendiums eine

bedeutsame Ausnahme, woselbst uns die Frage über die Quellen des Psellus sehr

fühlbar werden wird. * -

7) Ebend. p. 3.: Póqoc τοίννν ἐστιν, οί άv xvQtog η άzoi, &vtvlau

ρένηται, λέγω δέ τὸ xvQiaos, διότι εί xaì ò äv&Qto7tos xαὐ δ xgjöov &xoìs

tgt , τούτο οὐx ἐστιν εἰ μὴ διά τρόφου. Tóv pöq αν δ μὲν ἐστι φωνῆ δ

6è où qooyij; x«) qovij èotu póqos toù ojugτας τοῦ ἐφQù zvQo&v8z9άς τοῖς

qovouxoïs ögyévotg uεμορφωμένας, φvσικά δέ δgyανα, οίς ή φωνή μοgqoù

ται, λéyovtav xccì éíóú zétìm , óóóyisg , yìgìøøα, ούQανάσχος, λέgùy$, ^ xgì

9αῖga£ * póqos óè,ô oùx óv, qovij £ατιύ δ ytyv6uevos èx, τῆς σνγχσοὐσεως

τόν άιρύχωύ σωμάτων, δς ή '9gtzügus tóv öévógaov xai δ τόν 7τρόόν xrú

τος και τά όμοια, Tóv φανόν αi μ£ν είσι σημαντικαι αί έ αύ- σημαν

tuxi, qoovij £στιν η παQtotóσέ τι xaì òmλοποιοῦσα τj άxoj, oiov &v8Qdjrtos*

oῦ σημαντιχῆ ἐστιν η μηδέν τj άxoj 7taQuotóσα, οίον ßá, 8ού. Töv αη

Augvtixóv, q)govóv gi μέν είσι σημαντιχαὐ φύσει, αi ôè 9έσει: qaovi, qùos,

anuwyτιχῆ ἐστιν ί ίαQά τάσι 'τὸ αὐτὸ παquat åøø, óςτεg δ ατενάγμός

τόν άσ98voυντων δδύνην (άηλόν scheint ausgêfallen zu sein) xc.) j ttjv 'xv

266 XV. Psellus.

ùblichen Weise die Angabem über das Substantivum °) und über das

Verbum folgem, woran sich die Bemerkung knüpft, dass mur diese bei

den für die Dialektik wirklich als Redetheile gelten können, hingegen

* die übrigen Artem der Worte blosse syncategoremata (s. vor. Abschn.

Amm. 174, 206, 348) seiem °). Die übliche Aufzählung der Arten des

Satzes (λόγος) erscheint hier in der Terminologie der Grammatik (Indi

cativ -, Imperativ -, 0ptativ-, Conjunctiv- Satz), daher auch der Indicativ

Satz als das eigentlich logische Urtheil bezeichnet wird 1").

Das letztere (τQότωσις) wird nun vorläufig in das kategorische und

das hypothetische eingetheilt, hierauf aber sogleich bezüglich des kate

gorischen die Angabe der wesentlichem Bestandtheile angereiht, wobei

mit völliger Entschiedenheit die Dreizahl derselbem, nemlich Subjeet,

Prädicat und „Copula“ (vgl. vor. Abschn. Anm. 370) ausgesprochen

wird 11). Indem sodann die Erörterung der Verhältnisse der Quantität

(allgemein, particular, singulär, unbestimmt) und der Qualität folgt, ist

zu heachten, dass nieht bloss nebem speciellem Definitionem des allge

meimen und des individuellen Subjects-Bégriffes (ögog xovvög und ögog

£vuκός) ein besonderes Gewicht auf die grammatischen Zeichen (σημεία)

der Quantität gelegt wird, sondern auch ächt schulmässig drei Fragen

vóv ίλαxh ögyjjv jj yagtív - q tovi, 9éos, σημαντιχη ἐστιν η xar& τῆν τοῦ

8εμελέον δέλησιν άτιοῦν παόιστύσα, oiov' äy{}Qto7ros. Tóv σημαντιxöv

qùvùv ij uév èoruv άττλjj x«î ' άσύuztászτος, οίον`rò övouc. x«i τὸ δημα, ή

δὲ σύνθετος και σνμτεπλεγμ&vm, 'oiov ö Àóyos.

8) I, 2.

} I, 3. Der Schluss des Capitels lautet (p. 9.): 'Iot&ov δέ δτι ή διαλεx

τιχῆ δύο μόνα τύησι μ€Qm τοῦ λόγον, τό όνομα δηλαδή και τὸ δημα* τὰ

δε άλλα u£gn xαλεῖ zigoçxtetnyogijugτα (aus Petrus Hispanus sowie aus Wil

helm Shyreswood, verglichen mit der oben, vor. Abschn. Anm. 174. angeführten

stelle Priscian's, ist anch hier sicher ovyxcct myoQrjutcta zu schreiben) ijyovv

7tgosσημαντι xcc.

10) I, 4, p. 9.: A6yos ?ατι φωνή σημαντιxh xgrè συνθήκην, ής τά

Au&gm xtx9' czύτὰ σημαίνει x8χωQισμενα ..... Tòv Àóyov oi uév είσι τελειοι

oi δ' άτελεῖς ..... TÖv òè íêà êtov λόγων oi μεν είσιν άριστιxo), oiov äv

8gωτος τgéyει , oi δέ τιQootaxtixoi, oîov άπτά πύg, oi § sùztuxoì, aóς τὸ

}/£vovro xcùδς xànQwzóς, οί δέ άποταχτιχοι, οίον ἐν ἐλεύς agóς με, διόσω

άοι ἐπτον. Toùτέον δέ πάντων ό δquot uxòs uóvog \6yos ἐστι πQότασις,

§7r&ì puévog άλη9ειαν η μεὐδος σημαινει. *.

f1) I, 5, p. 13.: IIq6τασίς ἐστι λόγος άλήθειαν ή μεὐδος σημαίνων ....

Tóv 7tQordo £oov ή μέν xgtmyoQtx) ij όε ύποδετιzij. Karnyoguxì, 7 görtgots

èotv λόγος χαταφατιχός ή άλιοφατιxòς τινός xar« τινος ή τινὸς ἀπό τινος.

Kατηyögtxi, 7τgótccotc ?o tuv ij §yovog άποκειμενον xccì xatrjyogoúu£vov xtà

ovvöêv (dass diese zwei Worte im Texte ausgefallen waren, zeigt sowohl Petrus

Hispanus als auch das sogleich Folgende) §v, 9iov ,,&v9Q07τος τgéyει“: èv

ταύτη δâ rj 7rgorêost τὸ ,,&v9gωπος“ ?στιν ύττοχείμενον χαι τὸ ,,τg£y£t*

»ατηγοQoúuisvov xccì τὸ συνδέν ἐν τὸ ,,άστιν“, ό όηλον, εἰ διαλύσταις ούτως

„άνδαρπρς τg&ε'', „άν8Q07τος τgéyov £ortν** £vrgò9α γάg tò ,,&v8gto

zιος“_ã7τόxsutai, τὸ ,,τg£yων* χατηγοQεῖται, xaì τούτο τὸ δημα τὸ „£ατίν**

ανζεῦγνναι xg%πεg τις σύνδεσμός 'τὸ ἐν μετά τοῦ ἐτὸgöv. Sowie aus

dieser Stelle mittelst der lateinischén Logik des 13. Jahrh. der moch heutzutage

recipirte Sprachgebrauch floss, so möchte ich auch die Möglichkeit nicht geradezu

verneinen, dass jene obige Stelle Abàlard's (vor. Abschn. Anm. 370.) gleichfalls

auf eimer versprengten Notiz byzantinischer Schuldoctrin (s. ebend. Amm. 33 f.)

beruht haben könne.

XV. Psellus. 267

formulirt werden, welehe sieh auf die Substanz des Urtheiles (oùota,

d. h. ob kategorisch oder hypothetisch) sowie auf die Qualität und die

Quantität desselben beziehen 1*). -

In gleicher Weise wie bei Boethius (Abschn. XIl, Amm. 125) knüpft

sich danm an die Bemerkung, dass zwei Urtheile entweder ihre beiden

Begriffe oder : Einen der beidem oder keimen gemeinschaftlich haben

können , sogleich die gewöhnliche Angabe bezüglieh der vier Urtheils

formem (allg. bej., allg. vern., part. bej., part. vern.), wann dieselben

conträr oder contradictorisch oder subalterm oder subconträr seien 1°),

und die hierauf bezüglichen Regeln werden durch die Eintheilumg eim

geleitet, dass der Stoff (ύλη) der Urtheile entweder eine, Nothwendig

keit oder eine Möglichkeit oder eine Unmögliehkeit (άναywczio, ἐνδεχο

μένη, άδύνατος) enthalte 14).

Sodamm wird gleichfalls an die Gemeinsehaftlichkeit der beiden

Termini die Lehre von der Umkehrung (άντιστgoq)rj) geknüpft, und zwar

zeigt uns auch diese hier die memliche Dreitheilung (άπλή, κατά σνμ

12) Ebend. p. 15.: Tóv x«t myoguxóv 7iQov do&ov j uèv xa&6lov ή δὲ

v c w v o / « • w T « a. v a. a* &

u&gtxi) j δέ άπgosόιόgιστος ή όέ ένιχή. Ktà xa%λον μὲν ἐστιν, ἐν ή δ

zoivòg ögos ùztózει τὰν σημεὰρ κα&όλον πgosόιωguo u£voç.... xoivòs δέ δgos

èατῖν ό κατά πλειόνων ἐγεσ&αι ττεφυκτός (eine wèitere Verwendung des äùos

zouνός s. unten Anm. 69.) ... σημεῖα δέ xα96λον είσι ταύτα ' 7τάς, οὐδές,

£x«ατος, ἐλάτεgos xαι τά όμοια. (p. 17.) IIQότασις uegtxij $otvv, èv j ö

xotvòs ögog άπόxsut at gnuêîq) μεQuxó 7iQogδιωQuo uévóg ' ' onu$ío óè μεgìzó

εῖοι, τιαύτα* τις, ἐτεgos, άλλος, λοιπὸς xcà τά δμοὐα. 24agogδιδguotóς ἐστιν,

èv j ùìóx&v tgv ö xoivòς άgos άνεν σημείον ... 'Evvxi, 6* £ατῖν, ἐν j ύπό

zειίαι δgos διωguguévog ijyovv §vvxòsj xoivòς μετά δεικτικής άνταγvut«ς.

.... "Ogos §vvxög èótuv ό καθ' ἐνὸς μόνον λόγεάδαι 7τεqvxóς .... 'Eri ttjv

xarnyoQtxóv 7tgotáqsov ij uév èat zovgq arixj j όέ άποφατική ...... Tijs

zvQ9τέσεως τgtyóς διαιgovu£vms ίστεον ἐστιν, ότι και τὸ πεgì tajtns ín

τούμενον τguν λοῦν ἐστιν, οίον* ττς; 7toic. ; 7τόση; Tò uèv oöv ,,τις“';ntëî

zτεgì aóynç tijs, qùotas, τό, ,,παίας πεgì tjs 7iovötnigs, τὸ „7tóon* fisgi

τῆς ποσότητος' ά98v xaì 7τgòς τὴν ἐggìtjouv tjjv uèv διὰ τοῦ ,,τις“ ysvö

Auévmν άποxQut£ov, öτι κατ myoQixi] i] özτο98 rixrj* 7rgòς δέ τγ,ν διὰ τοῦ

,,7voç**, ότι xcct &qtxttxij j άποφατική: zygός δὲ τὴν διὰ τοῦ ,,πόση“, δτι

x«96λον η μεQuxrj (ausgefallen istî êvvxjj jj '&7 gogòvóguotos).

13) l, 6, p. 19.: 'Ett τόν xat myoQtxòv 7tQÖv άσεων αi uèv xoivovoυσιν

άμφοτεgρν τόν , ögaov, τοντ€στι ταύ ύποκειμένον xa\ toù xvtyogovu£vov,

oiqv ö äy9Qtg^ 6s '®ott ἐφον, ό άνθgωπος οὐx èo tì joy* ai δέ 9άτégov

μόνον, οίον άνάga)7ros τg&ει, άνδgωτος όιαλέγεται, η άν9gωπ9ς τg&sv,

$ττος τg&ει, άνάσωπος xivsitau * άλλαι δέ οὐδενὸς, οίον ό IIλάτων δια

λέγεται χαι ἐππος xuv$itat ..... (p. 21.) "Eτι τῶν πQotdo&ov τόν xotvtovov

göv άuqot£Qov τόν δgων xtxi τί αὐτύ τάζει gi μόν είσιν ἐναντιαι αi òè

ù7ιεναντῖαι , αi uèv άντιφατι xccì tri ôè ùz côàmàot u. s. w. ; auch die übliche

Figur (s. z. B. Abschn. XI, Anm. 157.) fehlt nicht.

14) Ebend. p. 25.: Tôv 7tQordo sov tQv7τλῆ ἐστιν η ύλη, δηλονότι άν

αyzczicz, èyéçzouévm xaì àôùvστος. . 24vayxata îùm èorìv, èv jj τὸ κατnyo

gojusyóv Égriv èx tjs oùgtas του ύτοκειμ£vovj i6vov αυτού, οίον άνωgo;

3τός ἐστι ἐφαν, άνθgρπός ἐστι γελαστιχός. 'Ev6syou£vm Üìn ?0t}ν, ἐγ j

τὸ xatmyogoúusvov δύναται ἐνεῖναι και άπείναι του ύποχειμένον άνευ τῆς

τού ύποκειμένου φόogάς, οίον ό άν&ρωπός ἐστι λευχάς, ή δ xögt;§ èotì

uάλας. Σ4δύνατος ίλm ἐστιν, ἐν, ή τò xùtnyogoúugvov οὐ δύναται συνελ9εῖν

τ φ ύποxειμ&νω, οίον άν9Q07τός ἐστιν όνος. Mäuos τόy èygyrtaov έστιν

u. s. w. Die Quelle der Dreitheilung s. Abschn. XI, Anm. 157.

*

268 XV. Psellus.

ßsßnκός, κατ' ἀντίδεσιν), welche wir bei Boethius (Abschn. XII, Anm.

129 f.) trafen 1°). -

' Hierauf folgt in einer völlig verrückten Amordnung, deren Unrich

tigkeit die lateinischen Bearbeiter gar nicht bemerkten '"), zunächst das

hypothetische Urtheil, hierauf wieder die Aequipollenz der kategorisehen

Urtheile, und dann die Lehre von dem modalen Urtheilen (während,

wie man auf den ersten Blick sieht, nach der Conversion die Aequi

pollenz folgen musste, und hierauf die Lehre vom hypothetischen Ur

theile und dann jene über die Modalität sich amschloss). Was hiernach ,

vorerst das hypothetische Urtheil betrifft, so wird dasselbe nach stoi

scher Weise iii das conditionale (ÉÉ âxo\ov6iag), das copulative (ανμ

τλεκτική), und das disjunctive (διαζενκτική) eingetheilt (— bei Boe

thius war von dem „copulativen“ Urtheile keine Rede, s. Abschn. XII,

Anm. 141 —), und jede dieser drei Artem nach formalem Regeln be

züglich ihrer Wahrheit oder Falschheit näher untersucht '').

Ueber die Aequipollenz kategorischer Urtheile (ìgoòvvauoùααι πQo

τάσεις) gibt Psellus sofort ohne alle weitere Begründung in lediglich

schulmässiger Weise vier Regeln (xxxvövsg), deren jede er mit einem

Beispiele belegt '*).

15) I, 7, p. 29.: "Ert τῶν πgor&αεων, αè μετὰovouv άμφοτégov τῶν

δgov, άντεατααμμένη τύ τέει ίQuzóς ἐστιν ή άντιστgoqj* άπλῶς, κατά

αυμβεβηχός, καί κατ' ἀυτόεσιν. ' Auch die Regeln entsprechen genau den bei

Boethius angegebenen, so dass, indem die Lehre von der Umkehrung sich in dieser

Form bei dem Commentatorem nicht, findet, bei den Byzantinern jener Zeit eine

Kemntniss der Schriften des Boethius vorausgesetzt werden muss; dass Psellus

selbst denselben citirt, s. Anm. 28.

16) Sowohl Wilhelm Shyreswood als auch Petrus Hispanus folgen dieser

verkehrtem Reihemfolge; nur Lambert von Auxerre lässt das an eine falsche Stelle

gekommene Capitel über das hypothetische Urtheil hinweg.

17) I, 8, p. 33.: IIq6τασις ύποσετιχη ἐστιν, ής ἀgyo&ιδῆ μ£go, εἰ αὐ δύο

zczvmy9Qux&t..... "Eτι τῶν ύποδετιxóv zigottiosajv ij üév èotiv è$. &xoÀov

3t«$' i' òè σνμπλεκτική η δέ διαέevxttxij. 'E£ àxoiov% tος μέν ούν ἐστιν,

èv j ovv&πτονται αi δύο xατηyogtgt;ι όιά τοῦ συνδέσμρv τοῦ ,,εί* ......

(p. 35.) συμπλεκτιχῆ δὲ ἐστιν ἐν j συνέττονται αi δύο xarrjyoQuxai τ φ

,,xat* ovyóéo utp ..... διαζενxtuxh ö*"?orìv, èv j ovvári tovva, gi' δύο κατη

vogixcrì òu& τοῦ „jj** ovvòéo uov (die stoische' Quelle dieser Dreitheilung s.

Ab§chn. VI, Anm. 125 ff.).... IIgός τύν άλη&ειαν τῆς ἐά άχολονσίας ζητεῖται

τὸ τὴν agonyovuévrjv μη δυνάσ&αι ἀληθή άνευ τῆς ἐπομένης ..... 7tgòg dè

τὸ τρεῦδος αὐτῆς άπόχgn τὸ τὴν 7τgonyov,uévrjv δύνασθαι άλη9j xccì άνευ

vijς ἐπομένης (s. ebend. Anm. 146.) ..... IÎQὸς τὴν τῆς συμπλεκτιxijs &λή

<}έιαν ζητεῖται τὸ ἐxέτερον, αὐτῆς τῶν μεgóv άληδές είναι .... πQός δέ τὸ

vpsùδος αὐτῆς ἀQxsi tò 9ατεgov τόν usgtjv αὐτῆς είναι ψευδές (s. ebend.

Anm. 155.)..... IIgός δέ την άλήθειαν τηζ όιαζενxtuxijç å7ιόχgm τό 39ατεQoy

czùtijs u£gos είναι άλη9€¢ ..... τgòς δέ τό μεὐδος αὐτῆς ζητεῖται άμφω 'τὰ

μέgm άύτῆς εῖναι ψενδη (ebend. Anm. 156.). So bezeugt uns Psellus, dass

stoische Schul-Logik in der Tradition bei den Byzantinern fortgelebt habem muss,

wenn auch die uns erhaltene Litteratur der Commentatorem uns hierüber keine

näherem Aufschlüsse gibt.

18) I, 9, p. 39.: 'Enóμενον πagì τόν ἰσοδυναμοναόν , πgotáαεων δεῖ

3εωgijααι, τεgì óν τοιούτοά τινες όδονται χανόνες. 'Edv ίινος σημεόον

ij xc*όλου όντος j uequxoù zigore$j tò àgvntvxòv uoQtov, ίσοδυναμέί τφ

9i*§tw fyrupatuxj .... 45υτεgos, xtjvojv £στιν αὐτος* £äv τινος σημεῖρv xa

&ólov ύστεόον τ£9j τό άgvniuxòv μοQtov, iooòvvauεῖ τφ άναντὰ ἐαυτού.

.... TQ£τος xavóv èατι τοιούτος ' 'êáú τινος xc:%λον ή μεQuxoù σημεtov

XV. Psellus. 269

Hierauf wird die Modalität der Urtheile (tgóvog, s. Abschm. XI,

Anm. 159) definirt und unler dem adjectivischen Redetheilen, welche

als Ausdruek des Modus diemen sollem, insbesondere (mit Werweisung

auf Priscianus) das Adverbium gleichsam als Adjectivum des Verbums

hervorgehoben ; unter den Adverbien selbst aber erhalten diejenigen eine

speciellere logische Bedeutung, welehe das Verbum bezüglich der Ur

theils-Bildung (σύνδεσις) näher beslimmen, und es werden als solche

die sechs Adverbiem ávayxaiog, ἐνδεχομένως, δvvwtóς, άδυνάτως, άλη

δός, φενδός aufgezählt, durch welche allein die Entstehung modaler

Urtheile (vgovuxai τgotάσεις) möglich sei 1°). Nach der Bemerkung,

dass es für jeme sechs Bestimmungen auch substantivische Ausdrücke

gebe, wird mum das Charakteristische der modalen Urtheile in den Um

stand gelegt, dass in denselben eigentlich das Verbum das Subject und

der Modus das Prädicat sei, was bei allen übrigen Urtheilen der blossen

Inhärenz nie stattfinde ; sodann aber wird die Besprechung- der beiden

Adverbien άληδός und wpevöög als überflüssig erklärt, weil bei diesen

heidem Modalitäten die Verhältnisse des Gegensatzes und der Aequi

pollemz u. dgl. völlig die nemlichen seien wie bei dem einfachen Inhä

remz-Urtheile *"). Nachdem hiemit nur die vier Modi der Nothwendigkeit,

ago e$j ggj vovsgore9j τό άgνητικὸν uoQiov, igo6vvau£ί τφ δέφ ύπαά

λήλφ .. I. 'Ex τούτων τόν. xtxvövöov εἰς τοιούτος άχολονδεῖ κανόν* èàv δύο

gnuεῖα xα&όλον ἀποφατικὰ τεσσυσιν ἐν τφ αὐτφ λόγφ ούτως ἀςτε τὸ ἐν

èv τφ ύτοxéuévqy tò ôå ìouzτὸν ἐν τφ κατηχοgóvuévq) eìvat, διὰ τοῦ πQó

τον ἰσοδυναμεῖ τφ èvavrig §ovroù, όιά δέ τοῦ δεντέQov τό ίδὰρ ἀποφα

τιχό. Es entsprechen diese vier Regelm den Angabem des Boethius, s. Abschn.

XII, Amm. 117.

19) Ehend. p. 41.: Tgöaos £ατί 7tgggxstusyos rê 7τgdyugτι πgogêvo

Qισμὸς δι' ἐπιδέτov yvvóuενος' άλλ' ἐπεῖ τὸ ἐπιδετόν ἐστι διπλοῦν, ἐστι

νάς ἐπά9€tQv övöuotos, δίον λευκὸς μάλας xccì öuotv, xxxî ëotuν ἐπιδετον

ἀηματος, οίον τὸ ἐπέggημα, xατά γάρ τὸν IIQιάκιανὸν (Prisc. Inst. gr. XV,

1, 1 ; übrigens hat diese' Citirung Priscian's durchaûs Nichts auffallendes, da der

selbe bekanntlich in Konstantinopel lehrte und wirkte) ἐπάggmucz §otuv £z£9ετον

δήματος, διὰ τοῦτο και ό τgόπος διπλοῦς ἐστι ..... (p. 43.) "Etv τῶν ἐπιg

nudτων τά μέν άφοgtiovoi τὸ δήμα λέγφ σνν&έσεως, οίον ταῦτα τὰ ἐ:

άναyxatos, èvòéyoμένως, δvv&rjg, äövvdvos, ἀληθός και ψευδῶς' τά

gè àq ggt;ovot , tò ôïíug zéguv τοῦ Ἀgêyugros ..... τά δέ άφορέαμαι πὸ

ôïìu« λόγφ zgóvqv ..... 3λλὰ τοὺς άλλους âqgvres πάντας τégè] τόν τήν

δύν9eguí äjjQu£óvtov £goῦμεν, οῖόν είσιν δύτοι', ávayxafgos, £y6ezouévovs

xal τὰ λοιτία ..... (p. 45) üóvoç èxsivos δ την σύνθεσιν άφοgi£a)v τgόπος

ποιεῖ τgoztvxijv 7tgórczovv, xa\ 7teQ\ τόν τόιούτων μόνον èvv«v9oi oxo

7τουμε1/.

%) I, 10, p. 45.: 'Igréov δε, ότι ούτοι oi §£ τgόποι ποτά μεν λαμρά

vovtav £7tuQgmucztuxóς, οίον άναyxatos, £vd£you£vog, .... πατά δέ όνοματι

xός, οίον Τδυνατόν, άδύνατον, άναyxaiov, £v6syóuενον, άληθὲς, ιμάνδες.

- - - - - (p. 47.) "Ett ίστ£ον, δτι ἐν ταῖς μετά τgόποῦ τgov %αεαι τὸ μέν άήμα

ύεί ύ7ioxeio;%av, τὸν δὲ τgöztov xvtmyoQ£ίσθαι • ττάσάι δέ αi άλλὰ παοίά

αεις λέγοντι τεgì toù rgocsivg, 6j& tò τῶν μετά τθότον 7tgov άσεων xaì

τὸ πός είναι δηλονσόν αὐτάς δέ μόνον 7τεgì toù 7tgossiva rj ύποxsuévq)

τὸ κατηyogoúusvov δηλούσας ' ö9&v xαί η τῆς πQotdosos άφειλομένη διαθ

geous άλη, 'ότι δηλονότι τῶν προτάgeov j uèv , ταρτική δέ τεgì £gù

agogeivai. 24λλ' £xsiva μέν άi 7tQov έσεις, αἰς τὸ άληδες, xxxî τὸ ipsúóos

zzσόςxειτται, ός τgότος πάgsto 8000 av διὰ τὸ τὸν αὐτὸν τgόπον ἐν αὐταῖς

vàvsg9αι τήν άντt9εσιν και τὰ λοιπά, δν δ) xàv ταῖς άλλαις ταῖς πεgì

τοῦ ἐνεῖνται.

270 XV. Psellus.

Statthaftigkeit, Möglichkeit und Unmöglichkeit übrig bleiben, . folgt die

Angabe, dass für ein Urtheil sich hiedurch , sechzehn Formen ergebem,

denn bei jedem Modus sind vier Formen möglich, da derselbe entweder

ohne alle Negation ausgesprochen sein kann, oder die Negation ent

weder beim Verbum oder beim Modus oder bei beidem stehen kann * ').

Und somit werden num bezüglich dieser möglichen Formen weit aus

führlicher als bei Boethius (Abschn. XII, Anm. 122) die Verhältnisse

des Contradictorischen, Conträren, Subconträren und Subalternen unter

sucht **), 'und das Ganze nach üblicher Schulmanier in eine Figur ge

|)racht**), worauf nocli speciell die Regeln der Aequipollenz dieser

21) Ebend. p. 49.: 'Io réov δε ότι, ἐχαστος τῶν τούτων τgόπων ποιεῖ

7tgorgoets tggtrxάς τεσσαρας, και, ούτω τόν τgόπων, όντων τεσσάgov «i

τgor&agrs £to t srgéxts τεσσαρες ήγουν δεκαε; ° si yàg ànq 9sin δ vgóro;

zògìς άgνήσεως, ποιεῖ μαν τgότασιν τgortuxijv ..... ei Anqj9εόη μετ' άgvij

αεως πQosx£ιμένης τφ άηματι (die letztern drei Worte sind im Texte ausge

fallen), ποιεί ἐτ€Qav ..... τήν τgάτην 7τοιεῖ πgότασιν, εῖ ληq 98£n uετ' ἀg

vijαεως πQogxstuêvns τφ τόδπφ ..... τήν τετάρτην ποιεῖ, εῖ ληφθείη μετά

δυοῖν άgνήσεων, τῆς μιᾶς uèv 7tQosx&iuévmς τύ όηματι τῆς δέ άτερας figog

xetuévns r$ tgörio .... Kò roùrov ròv rgόπον ἐj' £xáørov τῶν πεσσάgων

τgόπων αί τgotάσεις λαμβάνοντσι. Wahrscheinlich konnte dieser Abschnitt

dér Schul-Doctrin aus Syriànus entnommen werden; wenigstens scheint derselbe,

soweit wir ihn früher (Abschn. XI, Anm. 98. u. Abschn. XII, Anm. 118.) kennen

lernten, völlig der Mann zu solchen ' Combinations-Spielereien gewesen zu sein.

22) Ebend. p. 51: . IIgóτος κανόν, ότι ἀ äv xarajατικός signuévφ

útoόιδόται τὸ δvvστὸν, τούτφ άποδέδοται' και τὸ ἐνδεχόμενον όμοίως,

άποφάσκεται δέ αὐτοῦ τὸ ἀδυνάτον, και άντιφατι»ύς τgoόnveyuévov &to

qάσzsrgt xaì rò àvayxgiov,

21εύτεgos xανόν, ότι φ έν άποφατικός signuévφ άποδιδόται τὸ δv

Vατόν, τούτφ αύτφ άποδόδοται τὸ ἐνδεχόμενον, άποφάσχεται δὲ αὐτοῦ

τό άδύνατον, xαι άντιφατικῶς πQosvmvsyμένον άποφάσχεται τὸ ἀναyxcxiov.

Tgáros x&vóv, ότι ού άν καταφάiuxóς εῖgnáévov άποφάσχηται τὸ

ôvvστὸν, ἐπὸ τοῦ αὐτοῦ ἀποφίσκεται τὸ ἐνδέχόμενον, άποδίδδται δὲ

gύτφ τό άδύνατον, και τά τόύτον άντιφατικός ἐναντιφ άποδόδοται τὸ

άναyxviov. -

Téragros xovóv, άτι οί άν άποφατικός signuévov άποφάσκηται τὸ

αννατόν, τούτον άποφάσχεται τὸ ἐνδεχόμενον, άοότόοται δὲ αὐτφ τὸ

άδύνατον, xai του άντιφατικῶς τούτφ άνίιχειμévov xvtwq άσχεται τὸ ἐναy

zαῖοy.

23) Ebend. p. 53.: “O 6ijlov ταύτη τj £x8£αει

g

ξ

Η

Ου δυνατόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

Ουκ ενδεγόμενόν εστι τον Σωκράτη μή τρέγειν

"".o"

εχομ

"

ρημη τρεχ

εναντίαι

Αδύνατόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

Αναγκαίόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

"Ά%

c-

J

48'

ξι Φ2. 84'

&ν "ο&

3.-Ώ

3-

Φ.ξ.

κΥ

"Σε

SκΥ&

Δυνατόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

Ενδεχόμενόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

Ουκ αδύνατόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

Ουκ αναγκαίόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

υπεναντίαι

Ουδυνατόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

Ουκ ενδεχόμενόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

Αδύνατόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν'

Αναγκαίόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

ξ

έ

-

ξ

ξ

Δυνατόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

Ενδεχόμενόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

Ουκ αδύνατόν εστι τον Σωκράτη μή τρέχειν

Ουκ αναγκαίόν εστι τον Σωκράτη τρέχειν

- 272 - xv. Psellus.

modalen Urtheile, jedoch mit Hinweglassung des ἐνδεχόμενον, hervor

gehoben werden **). Dabei aber ist uns im Hinblicke auf die latei

nische Schul-Logik von grösstem lnteresse, dass hier bei Psellus zum

ersten Male technische Memorial-Worte erscheinen (ähnlich den in der

Syllogistik angewendetem, s. sogleich unten Anm. 45 ff.); es erhalten

nemlich die vier Vokale A, E, I, OT eine symbolische Bedeutumg

für die vier Formen, welche bei jedwedem Modus möglich sind, indem

A das modale Urtheil bezeichnet, in welchem keine Negation ist,

E jenes, in welchem die Negation beim Verbum steht,

I jenes, in welchem die Negation beim Modus steht, und

OT jenes, in welchem die Negation beim Verbum und beim

Modus steht 2°);

und aus diesen Vocalem sind nun für die übliche Figur Worte gebildet,

welche nicht bloss für sich wenigstens wirkliche Worte sind, sondern

auch bei ihrer Zusammenstellung in Einem Satz einen verständlichen

Sinn geben, nemlich : „4ov\ovu£vov 'Iudöeg IIoQvaotov êwrQ£yovoiv*.

Nachdem auf diese Weise die Lehre vom Urtheile erledigt ist, folgt

der lnhalt der I sa g o ge, wobei die quinque voces als „xatrjyoQuxd**

(— praedicabilia —) bezeichnet werden, und bezüglich ihrer Geltung

die Auffassung sich zeigt, dass das eigentliche Prädicabile und das Uni

versale an sich das Nemliche seien (vgl. Abschn. XI, Anm. 130 ff.) und

mur dadurch sich unterscheidem, dass ersteres durch den Sprachaus

druck und letzteres durch das objective Sein bestimmt sei *°). Die

¢

24) I, 11, p. 57.: 'Iov£ov, ότι πάσαι gi 7tQordo sus cti £v τφ πgστφ

xstuεναι σελιδάφ ίαρδvναμοῦσι διὰ τοῦ πQότον κανόνος xaì àvtuoiQéqúvouv

§y éczvzczîs, czi öè èv τφ δεvt€Qq) διὰ τοῦ δευτεgov, xccì oùt ao xàzú róv

άλλων u. s. w. ...... (p. 59.) 'Igi£ov òè, ότι ἐν τφ πQosigmuévq) où y&yovs

uvium πεgì toù êvδεχομ€νον διὰ τὸ ἐντιστgéq εῖν αὐτὸ `ïú ôùvarj (über

άiesè Gleichstellung des èvδεχόμενον und des δυνστόν vgl. Abschn. XII, Anm.

119. u. Abschn. XIV, Anm. 216.).

25) Ebend. p. 59., woselbst Psellus die Erklärung der Wocale obiger Memo

rial-Worte (4ovìoùμεναι, 'Iλιάδες u. s. f.) gibt; allerdings aber zeigt uns der

gedruckte Text in sinnloser Weise die vier Buchstabem A, B, IT, 24; hingegen

enthielt die oben (Anm. 5.) erwähnte Handschrift (fol. 7 a) ursprünglich das völlig

Richtige, wofür eine spätere Hand mit schwärzerer Tinte das Falsche hineincorri

girte. Es lautete nemlich die Stelle in der früherem, noch deutlich erkenmbarem

Lesart folgendermaassen: 'Igτ£ον δε, δτι διὰ τοῦ ,,A* voeitai ij xo 96λον

xataqάτιxì èx τοῦ μéQovs τοῦ δήματος όμοτως xai τοῦ τgόπον, διὰ τοῦ

,,E* j άποφατική μέν £x toù uégovs τοῦ δήματος, xatc:q &vixi, ôë ëx τοῦ

uéQovs τοῦ τgόπον, διὰ τοῦ ,,1'* ì à7toq ατική μέν £x τοῦ μεgovs τού τgó

7tov, xαταφατιxi, ôè èx τοῦ μ£Qovs τοῦ δήματός, διὰ τού',,0Y* ij §xcité

g09εν άποφατικη ἐx τε τοῦ δήματος xaì toù tgö7tov.

23) II, Prooem. p. 61.: Tò] xat myoQιχὸν ποτέ μέν λαμβανεται xvgtos

xaì giro uóvov xatnyoQixòv Àéyετὰ , `ô ἐπῦ πλεόνων ίζγεται, ποτά δέ

Άαμράγεταί Χρινός, xò öüτα λ€γεται κατηyoQuxòv, άπεg ijxw8* §vòς μόνον

jj, xatà 7ιλειόνων xατηyog£ίται.' 'O9ev τὸ χvqtos λαμρὰνόμενον κατηγοgu

xòv ταὐτόν ἐστι τ ά καδόλον^ διαφ£gsu ôè ùùτοῦ δμως τὰ τὸ μέν ἐαῖn

yoQixòv ögt;eg9αι, τὸ λεγεσσαι, τὸ δέ xa9óìgv τφ εῖναι ἐστι δέ τό xατη

χοόιχόν τὸ 7v£gvxòg xgtà 7ιλειόνων xtztnyoQsig9ai, xa861ov ôè τὸ πεφvxös

èv 7ιλεδοσιν εῖναι (wahrlich eine bequeme Verbimdung des Platonismus unâ des

Aristotelismus). Tò óè xατηy9Quxòy ijyovv xa%λον διαιgsita, yévsu, sìòst,

διαφορά, iòtç xaì ovußeßrjx6iv' ö9ev 7tsgì toùtov èvrêv$ov $sogησωμεν.

XV. • Psellus. 273

Besprechung der einzelmen fünf Worte und ihrer gegenseitigem Verhält

nisse *") enthält durchaus Nichts bemerkenswerthes, weder an sich noch

bezüglich der Schul-Logik der Lateiner. Höchstens das Eine mag er

wähnt werden, dass Psellus einmal ausdrücklich den Boethius citirt 28).

Die hierauf folgemde Lehre von den Kat e gorien wird durch

mehrere Erörterungem, welche in einem äusserst losen Zusammenhange

stehen, eingeleitet (die lateinische Schul-Logik nemnt diesen Complex

Antepraedicamenta); nemlich zunächst werden die • Verhältnisse des Ho

monymen, Synonymen und Paronymen als Artem der Aussage (tgóvov

τοῦ κατηyoQ&iv) vorgeführt**), sodann als ein höchst nothwendiger

Gegenstand die neun Arten des èv τινι είναι (s. dieselben bei Porphy

rius, Abschn. XI, Anm. 66, und bei Boethius, Abschn. XII, Anm. 92)

aufgezählt *°), worauf die Erklärung des xαδ* άποκειμ£vov umd des év

vjrtoxeuuévg, sich anreiht **), und zuletzt noch drei Regeln gegeben

werden, deren erste namentlich dem Grundsatz (die sog. regula de quo

cunque) einprägt, dass alle Prädicate eines Prädicates auch vom Subjeete

gelten **). Die Kategorien selbst werden, wie wir diess schon früher

sahem (Abschn. XI, Anm. 68. und Abschn. XII, Anm. 90), auf das Schroffste

in Substanz und Accidens getheilt *°), von dem einzelnen Kategorien aber

27) II, 1—7, p. 63—95.

28) II, 4, p. 79.: 'Iot£ov ôè, δτι φησιν δ Boijτιος (Boeth. de Divis. p.

644., s. Abschm. XII, Anm. 99.) uóvov τὸ είδος δgt£e08trt* ό μέν yàg ágogòs

èx yévovg xaì ovo totuxóv εὐαι όφεόλει διαφοgóν, μόνον δέ τὸ ἐίδὸς ἐχει

3/£vog xaì διαφοQάς.

29) III, 1, p. 95.: IIgòς τὴν ἐπ£yvuyovv τόν ἐστηyoQvôv àvayxai&

τινα τgovztotu$&uevov 7tQöτον είτα ἐπ' αὐτάς ßαδιούμεδα ^ xaì ò) 7ródjtov

ίατ&ον, ότι ό τόύ κατηyogeiv τgάπας τgurtíoüs £or- ròv yàg xατηγορον

μ€νον τά μεν είσιν όμωννμα τά δέ συνωνυμα τά δέ παδωνύμα. *Ouo

yvpud εἰσιν`u. s. w.

30) III, 2, p. 99.: Tóν λεγομένων τά μέν είσι σvu7t£7tXeyu£vcz, oiov

„áv9gtoTos τg3y£u*, τά δέ άvév "%£%£j; qiov ,,áv$σαρπος“ij ,,tQéysr*.

24λλὰ τgῖν ή τὸ ἐτεQov μ€Qog tijs διαιgéσεως ύποδιαιQεάjvgv δεῖ διάδrst

λασ9ta toùç èvv€¢ tQ6ftovs τοῦ ἐν τινι εῖναι, άναyxdtovg övvrag 7τgòg τὸν

§7touévrjv διατgeoiv και πQός άλλα πάντα τὰ μετὰ ταῦτα διορισθησόμενὰ.

Im Folgenden jedoch werden nur siebem Arten aufgeführt, indem das óς είδος

èv t j yévet und das óς yévoç èv τφ είσει fehlen; die Reihemfolge der übrigen

ist: ός μégog èv τφ άλφ —, óς δλον ἐν τοῖς μεgsot --, óς είδος ἐν άλα

—, ἀς άνμβεβηκότὰ ἐν ύποκειμένφ —, óς ἐν τοῖntuxj —, óς ἐν τελει — ,

ός ἐν άγγεὐφ.

31) Έbeid. p. 103.: Töv övvaov τὰ μὲν είσι κα9* ύποχειμένον, ἐν ύπο

zειμένω δὲ οὐδενὸ είσι ...... τὸ λεγεσθαι χα9* ύποκειμάρύ, αός ἐνταῦθα

λαμβάνεται, ἐστι τὸ τού ύτοxέτω xατηyogeio8gu ..... τὸ δ* εῖναι ἐν ύττο

xeipìévq), tjç èvtcrù$t: λαμβάνεται, xatà tò ανμβεβηκός ἐστιν ἐν ύποκειμένω

• • • • • Tά δέ λέγεται xc, 9' ύποκειμévov xaì éìoìv èv ύποκειμένω ...... T&

6è sìoìv èv ύ7iox£t,uévq) xccì xc. 8* ú7rox£tu£vov οὐδενὸς λόγονται .... Eine

versinnlichende Figur hierüber, wie sie Boethius gab (Abschn. XII, Anm. 92.),

findet sich hier nicht.

- 32) III, 3, p. 105.: "Oταν ἐτεgov §tégov xat myogijται, όσα χατά τοῦ

zατηyogovuéyov λόγονται, και xατά τού ύπρχειμ€vov ταῦτα πάντα λεγεται.

• • - - - - Tóv διαφόgων γενόν και μη ύτ* άλληλα τεταγμένων διαφοgά είσι

τά είδη χα\ αi διαφοgat ...... Töv Ö£ yε ύπέλληλα γενόν οὐδέν xoÀùet

τάς σύτάς διαqoQàg εῖναι ....

33) III, 4, p. 109.: Tóv óè xav& μηδεμζαν ovu7tXoxijv λεyou£vtpν ἐκα

ατον ή οὐσίαν σημαίνει η σνμβεβηxός' χαι εί συμβεβηκός, ή τοσότητα ίί

P R A N T L, Gesch. II. 18

274 XV. Psellus.

nur Substanz, Quantität, Relation und Qualität in ausführlicher Erör

terung **) und ganz kurz noch Thun und Leiden *°) besprochen; die

übrigen fehlen. Bemerkenswerthes bietet auch dieser Theil des Com

pendiums nicht dar. Der Anhang zu den Kategorien, welcher bei den

Lateinern Postpraedicamenta heisst, enthält hier zunächst die übliche

Lehre von den vier Arten der Gegensätze °°), hierauf Angaben über die

verschiedenen Bedeutumgem des πρότεQov 87), sowie des άμα **), ferner

ùber die sechs Arten der xivqoig **), und endlich hinkt hier noch die

Besprechung der Kategorie des ἐχειν in einer Aufzählung der mehrfachen

Wortbedeutungen nach 40). Die Quelle aber all dieser letzteren Capitel

scheint Themistius zu sein 41).

Indem nun unmittelbar hierauf die Lehre von Syllogismu s folgt,

wird ohne alle weitere Anknüpfung am Früheres sofort mit der Definition

des Urtheiles (πρότασις) und jener des Begriffes (ögog) begonnen, woran

sich die Erklärung des κατά παντός und xov& μηδενός (dictum de

omni und dictum de nullo, vgl. Abschn. XII, Anm. 132) anknüpft **),

worauf die aristotelische Definition des Syllogismus angegeben wird und

die Dreizahl der Termini die nöthige nähere Erörterung findet *°). An

votóτητα ή πQός τι iiyovv àv&qogάν ή πού η ποτέ i xeio9ta fi άχειν ή

7τοιεῖν ή πάσχειν.

34) III, 5—9, p. 111—143.

35) III, 9, p. 143.

36) III, 10, p. 145.: L1€y€ται δέ άτεgόν τι ἀντικεῖσ&αι ἐτégφ τετQαχύς'

τῶν γὰg άντιχειμόνων τά μεν είσιν άναφοguxóς ἀντιx8tu8vo. .... τά δέ

ατεgrjtuxά .... τά δε είσιν ἐνάντια ..... τά δέ εἰσιν άντιφατιχός ἀντιxst

μενα .... Näher erörtert aber werden nur die letzterem drei, denn bezüglich des

(gegensatzes der relativen Begriffe wird auf die Kategorie der Relation werwiesem

p. 147.: tegi uèv ούν τὸν άναφοgtxöv stgnra 7τgötégov).

37) III, f1, p. 151.: Tò åê 7iQ6τεgov Àéyεται τάτggyóς ..... agóregoy

x*tà zgóvov ..... τgότεQov τὸ μή άντιστgéqjov xwv ά τήν τοῦ είναι άxoìbù

9nouv, jc7tsg τὸ ἐν λέγεται πgότεgov ttjv δύο ..... 7τgότεgov τίί τάζει

, 7tQöτεgov τό 3éâtuoy..... IIάgά δέ τούτονς τούς εῖgriuévóvg τόσσαgas

τgόπους ἐστιν άλλος τgόπος τοῦ πῖgotégov* τόν yàg àviuötQsq 6vtov xàvâ

τήν, τοῦ είναι άxoìoù$nguν τὸ αίτιον όπωςοῦν δατέQφ τοῦ εὐαι πgότεgov

sixóτω; qùost Àéyovt' äy. ;*

38) III, 12, p. 155.: %4ua ôë £yεται xatà tQgis τQöztovg : .... óv ij

yévsovg £v τφ αὐτφ zgóvó .... τά άντιστgéqοντα, δν μέτοι οὐδετεgóv £ατί

$&τ£Qov αίτιον, ἀςτέg τά άναφοguxd .....'. τὰ ἐκ τοῦ αὐτοῦ yévovc άντι

dumgrjuévg άλλήλοις.

T39) III, 13, p. 157.: Kvvrjosos δέ είδη εἰρων ἐά, δηλονότι yévsors, qu&ogd,

vύζησις, μετωσις, ἀλλοίωσις , xgì j xatä tö7τον, μεταρολή u. s. w.

40) III, 14, p. 159.: Tò ôë ëystv 7toÂÃοῖς τgότοις λ€γεται .... ἐχειν τινὰ

ττοιότητα .... ἐχειν μ€γεδος .... ἐχειν τά πεgì tò. σῶμα ..... 6ìs èv u£g£u.

- - • • • tjs èv àyy§ίφ , '..'Éyειν κτήμάτα .... ἐχειν yvvaixw ..... "Iaos oùv και

άλλοι τοῦ ἐχειν τgόποι φανεῖεν άν* oi δέ δίω96τες λεγεσ&αι σχεδόν πέντες

xwv mQt9urjvtau.

41) Wenigstens wenn wir diese Postprädicamente mit dem Schlusse des pseu

do-augustinischen Compendiums (s. Abschn. XII, Anm. 50.) vergleichen und dem

Charakter des letzteren (s. ebend. Anm, 42.) erwägen, wird es uas höchst wahr

scheinlich, dass Psellus hierin ebenso wie in der Topik (s. unten Anm. 64.) die

Schriften des Themistius zu Grund gelegt habe.

42) IV, 1, p. 163.

43) IV, 2, p. 165.

XV. Psellus. 275

die Definition der Figur (σχῆμα, — wobei, wie sich von selbst ver

steht, nur von drei Figuren die Rede ist —), sowie des Modus (tQö

πος) schliessen sich dann fünf allgemeine Regeln an, welche auf sämmt

liche kategorischen Syllogismen sich beziehen **). Bei Angabe der

sämmtlichen Schlussmodi der drei Figuren finden wir auch hier in der

ersten Figur ebenso wie bei Porphyrius und Boethius (Abschn. XI,

Anm. 82. u. Abschn. XII, Anm. 136) die Beifügung jener fünf theophra

stischen Schlussmodi, welche auf einer bloss mechanischen Ausbeutung

der vier aristotelischen Modi beruhen (s. Abschn. V, Anm. 46); hin

gegen in der dritten Figur bleibt der von Porphyrius und Boethius

hinzugefügte siebente Modus hier hinweg. Die schulmässige Erörterung

sämmtlicher Modi nebst den üblichen Beispielen *°) bietet an sich weder

Neues noch überhaupt Bemerkenswerthes dar. Wohl hingegen treffem

wir hier bezüglich eines rein formellen Momentes der Schuldoctrin die

Quelle einer bekanntlich weitverbreiteten technischen Manipulation ; Psel

lus ist nemlich der erste Autor, bei welchem sieh Memorial-Worte

(vgl. Anm. 25) für die einzelnen Schlussmodi findem *°). Die vier ersten

aristotelischen Modi der ersten Figur erhalten die Bezeichnung

Iσάμματα

êygawe

vQaqpiόι

τεχνικός *');

44) Ebend. p. 167. u. 3, p. 169., woselbst jene Regeln (xccvöves x«8oâuxoì

τgòς ἐκαστον τὸν αymuάτων xαι τῶν τgόπων) lautem:. IIQóτος xavojv £στιν,

ότι £x xα9αQóv u£gixöv ή άπgocόιogtovov ii §vvxóv οὐ δύναται γενεσθαι

αυλλογισμός, δύάν δεῖ τὴν ἐτεααν εῖvσι x«9ÖÀov. 4&vtsgöς ἐστιν, ότι £x

x«9agóς ἀποφατικῶν οὐ δυνάται γενεσθαι σνλλογισμός, δ9εν δεῖ τήν

§τ£gov τογτων είναι xatggerixjv. Tgiyos ?orìv, ότι, τῆς ἐτ€ρας τόν τgo

τάσεων ούσης μεQuxjs áváyxm τὸ σνμτ&gt;opua usQuxòv εῖναι, άλλ' οὐ `τὸ

&v&παλιν. Tévogtóς ἐστιν, ότι τῆς ἐτégwc toùtov ούσης άποφατιxijs

άνάyxm τὸ συμπάθασμα άποφατιχόν είναι. ' II€ur vos èατῖν, ότι τό μεσον

oῦδέποτε τQός τὸ συu7t£gcro ut §gys ται.

45) IV, 3, p. 169 — IV, 5, p. 193.

46) Allerdings bietet die gedruckte Ausgabe diese Memorial-Worte nicht dar,

sie findem sich jedoch vollständig in der oben erwähntem Augsburger Handschrift

(fol. 17 ff.) am Rande eingetragen, und zwar von der nemlichen Hand, welche

dem Text geschrieben hat, so dass nicht abzusehen ist, warum Ehinger dieselben

nicht abdruckte. Wollte mam aber das Alter der Handschrift (14. bis 15. Jahrh.)

zu dem Einwande benützen, dass der Abschreiber diese Dinge aus dem Compen

dium des Nicephorus Blemmides (s. unten Anm. 113.) habe eintragen können, so

fällt dieses Bedenken sofort wieder dadurch hinweg, dass Blemmides bei der

ersten Figur überhaupt nur vier Schlussweisen aufzählt, hier aber sämmtliche neum

ihre technischen Worte bekommen; ausserdem auch waren die oben Anm. 25.

angeführteu Memorial-Worte durch ihre ausdrückliche Motivirung in den Text selbst

verflochten, und wir müsstem schon darum den schwer zu bestreitenden Schluss

ziehen, dass wenn Psellus einmal bei irgend einem anderen Punkte eine derartige

Technik anwendete, er gewiss bei dem formalsten Capitel der Schuldoctrin das

Gleiche gethan habe; ja zuverlässig waren die Memorial-Worte der Syllogistik die

früherem, und jene obigen wurden denselben erst nachgebildet.

47) Auch hier demnach wie oben (Anm. 24.) sind die technischen Worte so

gewählt, dass der aus ihnen gebildete Satz als solcher einen Sinn gibt, nemlich

„Buchstaben schrieb mit dem Griffel der Gelehrte*. (Bei den Lateinern Wilhelm

' 1S *

276 XV. Psellus.

die fünf theophrastischem Modi der erstem Figur heissen :

Igduuoovv

άταζε

χάguot

- τάgδενος

tegöv *°);

die vier Modi der zweitem Figur:

.Έyoaws :

xc:t8y8

μέτριον

άχολον 4°);

die sechs. Modi der drittem Figur:

"Avaov

αδεναQÖg

ίσάκις

άσπίδι

δμαλός

qoègugtog °°).

Der Schlüssel dieser Memorial.Worte liegt, wie man auf den ersten

Blick sieht, darin, dass auch hier wie oben die Wokale als Symbole

gelten, memlich

' 4 bedeutet ein allgemein bejahendes Urtheil,

E ein allgemein verneinendes,

I ein particular bejahendes, und

O ein particular verneinendes.

Es lässt sich aber auch der Ursprung dieser abkürzendem Symbolik

mit- ziemlicher Gewissheit nachweisen ; denn für die so eben angegebene

Viertheilung der Urtheile war längst bei den Commentatoren die kurze

Bezeichnung „τάς, οὐδείς (wofür aber sehr häufig oùôÉv steht), tig,

oῖ τάς“ recipirt *'), und man hediente sich derselben bei bestimmten

* •

Shyreswood, Lambert v. Auxerre und Petrus Hispanus lautem die Worte Barbara,

Celarent, Darii, Ferio).

48) Diese, fünf Worte, welchen den Sinn geben „Durch Buchstaben errichtete

den Grazien eine Jungfrau ein Weihgeschenk**, | waren bisher gänzlich unbekanni,

da sie, bei Blemmides fehlen und nur in jener Handschrifl des Psellus sich finden.

(Bei dem genanntem Lateinern, welche diese Schlussweisen gleichfalls zur ersten

Figur zahlen, sind die recipirten Worte Baralipton, Celantes, Dabitis, Fapesmo,

Frisesmorum oder Frisesomorum.) Dass aber diese fünf Modi durch Galenus zu

$i; eigenem vierten Schlussfigur umgestaltet wurden, s. oben Abschm. IX, Anm.

. 49) D. h. „Er schrieb (oder sie schrieb, nemlich die Jungfrau): Ertrage

einen gemässigten Mann, welcher ohne Zorn ist**. (Cesare, Campestres, Festino,

Baroco.) -

50) D. h. „In Allem ist der Starke, welcher in gleichem Maasse einem Schilde

vergleichbar ist, der Tüchtigste“. (Darapti, Felapton, Disamis, Datisi, Bocardo,

Ferison.)

51) S. dieselbe z. B. Abschn. XI, Anm. 156., in einer Stelle, welche bereits

dem Ammonius (Ende des 5. Jahrb.) angehört. ' Es mag hervorgehoben werden,

dass bei allen Commentatoren das particiilar verneinende Urtheil nicht etwa durch

»τινές οὐ“, sondern stets durch „óù 7rác* abgekürzt bezeichnet wird.

XV. Psellus. 277

traditionellem Figuren zur Versinnlichung der einzelnen Schlussweisen **).

Und' mum mochte sehr leicht es sich als abermalige Vereinfachung dieser

Abkürzung einstellen, dass man nur die prägnanten Hauptvokale jener

vier Worte heraushob, wobei „τάς“ und „tig“ sofort von selbst auf

4 und I führten, hei ,,οὐδείς“ oder noch mehr bei „oùô£v* das accen

tuirte E hervortreten konnte, und damn bei „où τὰς* das O entweder

wegen des ,,οὐ“ oder etwa auch darum gewählt wurde, weil es der

übrigbleibende vierte Hauptvocal ist.

Nach der Angabe der meunzehn Schlussmodi folgt bei Psellus ein

Corollarium über die syllogistische Tragweite der drei Figuren, sowie

eine Erörterung über die zum Schliessen untauglichen Combinationem

(äygnotov ov%vyiav) der Urtheile **). Hierauf wird in aller Kürze über

jene Syllogismen gehandelt, welche aus Verbindungen von Urtheilem des

Stattfindens, Möglichkeits-Urtheilen und Nothwendigkeits-Urtheilen be

52) Nemlich z. B. bei Philoponus (Comment. in Priora Analyt. Venet. 1536,

fol. XX ff.) wird in der ersten Figur der erste Modus dargestellt:

7τάς • 7τάς

- /

• ^ ^]

4 / a

7τάς

oder z. B. der vierte Modus:

- oῦδὲν τάς ©

oῦ τὰς

Für die zweite Figur sind aufwarts stehende Dreiecke gewählt, und z. B. der

dritte Modus ist:

oῦδὲν τῖς

où zτάς

Für die dritte Figur aber abwärtsstehende Dreiecke, und dort ist z. B. der

zweite Modus:

oῦ πάς

oùóêv 7τάς

53) IV, 5, p. 193. u. IV, 6, p. 195.

278 XV. Psellus.

stehem **), sodamm aber ausführlicher über die hypothetischem Schlüsse °°).

Die Lateiner fanden für gut, diese beidem letzteren Capitel sofort weg

zulassem. Hingegen fehlt bei Psellus ein die Syllogistik abschliessendes

Capitel, welches bei Petrus Hispanus sich findet und unter der Ueber

schrift De potestatibus syllogismorum noch einige Punkte enthält, welche

bei Aristoteles im zweiten Buche der ersten Analytik besprochen sind °°).

Auf die Lehre vom Schlusse folgt nun unmittelbar die T o p ik,

und es ist zu beachten, dass dem lateinischen Schul-Betriebe der Logik

durch Psellus das eigentlich logisch-philosophische Werk des Aristoteles,

nemlich die zweite Analytik, nicht zugänglich gemacht wurde.

Die Topik beginnt mit einer ziemlich ausführlichen Erörterung

ùber πορισμὸς τόν τgotáαεων (inventio propositionum), d. h. über die

Frage, wie der Dialektiker den nöthigen Mittelbegriff einer Beweisführung

finden könne *"), ein Capitel, welches die Lateiner übergiengen. Hier

auf wird 16yog nach seinen verschiedenen Wortbedeutungen erklärt,

und unter denselben für die Topik jene als die entscheidende hervor

gehoben, wornach λόγος den Mittelbegriff eines Schlusses bezeichnet °°);

diess bildet den Uebergang zur Definition des ἐπιχείρημα (argumentum)

und der άπόδειάις (argumentatio), woran sich die gewöhnlichen An

gaben über ἐπαyoyj, ἐνδύμημα und παράδειγμα anschliessen, um so

damn zur Definition und Eintheilung des τόπος διαλεκτικὸς zu führen °°).

Die Anordnung der einzelnen Topen ist folgende: Vorerst die τόποι

êootegixoi, und zwar zunächst jene ἐκ τῆς οὐσίας, nemlich ἐκ τοῦ

öguouoù, ἐκ τῆς ύποyQaqpìjg, ἐκ τῆς ἐgμηνείας τοῦ δνόματος °°); so

damn jeme ἐκ τῶν xoivovovvtov τί οὐσία, nemlich άπό τοῦ δλον και

τοῦ μ£govg, άπδ τίς αἰτίας xai του άπότελεσματος, άπό yev£geog, £x

54) IV, 7, p. 197.

55) IV, 8, p. 201 ff. Die Lehre von dem hypothetischem Schlüssen ist hier

jene nemliche, welche wir Abschn. XI, Anm. 166. trafem. -

56) Nemlich das πλεto ovÀÀoyt£εα9αι (s. Abschn. IV, Anm. 608.), §x pev

Jóv άλη9jj ovÃÄoyt£εσόται (ebend. Anm. 610.), xùxàq) δε£xvvo&at (eb. Anm.

615.), άντιστgéq&uν συλλογισμόν (eb. Anm. 619.), ünd δ διὰ τοῦ ἀδυνάτου

ανλλογισμός (eb. Anm. 623.). ' Es bleibt hiebei immerhin die Frage, ob nicht

die Hinweglassung dieses Capitels bei Psellus lediglich auf Rechnung der hand

schriftlichen Ueberlieferung zu setzen sei, und ich möchte diess sogar für das

Wahrscheinlichste halten.

57) V, 1, p. 206 ff.

58) V, 2, p. 218.: '0 λόγος πολλαχύς λεγεται. IIgóτον μέν yàg τQó

πον ό λόγος ά αὐτός ἐστι ἐφ όgiouô, fi rjjtoyQaqj &s £v τὸ „gyvoj;

vvug sioiv όν τούνομα xoivòv] xà à xατὰ τούνομα λόγος τῆς οὐσ/ας δ

aùröc*. 4εύτεgρν δέ τgόπον λόγος τὸ αὐτὸ ἐστιν άπεQ ìóyos δειxvύς τι,

táczieQ oi λόγοι [ijyovv oi gviâoytogoi τόν διαλεyou£vov. "Aλλον δέ τgόπον

ό λόγος ἐστῖν άπεg τὸ είδος τῆς ύλης, όςπεg èv 'τφ μαχαιgtQ ö uèv gt

άngóg èo ruv ύλη, η δὲ τgosεταχόεῖσα, τὰ ovdfjgq/ διάδεότς ἐστιν είδος.

"Eregov ôè τQόπον λόγος ἐστιν άπεg η οὐσία τοῦ xQuvoù roù xατηyogov

puéyov xatά πλειόνων, ἀςτεg i) oùótg τοῦ yévovs j rgù gidovg. IIagâ

τούτους δέ τούς τQόπους λόyòς ἐστιν άπεg τό μεσον, δι' αῦ ἐχτέγεται τὸ

gvu7t€Qa opu«, xaì xατὰ τοῦτον τὸν τgö7iov λαμβάνεται ό λόγος ἐν τφ

ögiouj τοῦ ἐπιχειQfiugtos.

59) V, 3, p. 220—4, p. 234.

60) V, 5, p. 234— 7, p. 246. (Loci intrinseci a substantia, und zwar a de

finitione a descriptione, ab interpretatione). *•

XV. Psellus. 279

φθοράς, ἐκ τὸν χαήσεων, ἐκ τῶν κοινί σνμ£ερηκότων "*); hierauf die

τόποι ἐτοτεgwot, nemlich §§ άντικειμ£vov, wobei . die άντιδιηρημένα

einzureihen waren, άπὸ μείζονος καί ἐλαττονος, άφ' όμοίον, ἐά άνα

Àoyiag, άπό μεταιηφεος, ἐά άδιαδματος °°); zuletzt die τόποι μόσοι,

memlich ἐκ τὸν συστοιχων, άπό τταδσεων, άπό διαιρέσεως °°). Die

hauptsächliche Quelle des Ganzen dürfte bei Themistius zu suchen

sein 64).

Die Sophistici Elenchi fehlen bei Psellus, jedoch, wie es scheint,

sicher nur durch Schuld der handschriftlichen Tradition °°).

Hingegen schliesst sich ummittelbar an das letzte Capitel der Topik

eim Bruchstück einer ebenso eigenthümlichem als ausgedehntem Erör

terumg an, welche bei den Lateinern unter der Bezeichnung „De ter

minorum proprietatibus“ und theilweise unter dem Titel „Syncategoreu

nata“ (s. unten Anm. 92) ihre höchst einflussreiche Aufnahme fand.

Es wird nemlich zunächst mit einer Bemerkung, welche aus dem Ab

schmitte über die Kategorien wiederholt ist (s. Anm. 30), sogleich auf

die Definition der „Bedeutung“ (σημασία, — significatio) übergegangem,

und letztere wegen ihres dinglichen Gehaltes auf jene Worte beschränkt,

welche in sich einen allgemeinem oder particularen Inhalt darstellem,

so dass die blossen Zeichem der Quantität nicht zu dem eine Bedeutung

darbietemden Begriffen (ögoi) gehören sollen °°). Die Bedeutungen wer

dem sodann in substantielle (oùαιόδεις) und attributive (ἐπείςακτοι) der

artig getheilt, dass den ersterem die Substantiva und dem letzterem so

61) V, 8, p. 246—13, p. 280. (Loci intrinseci a concomitantibus substantiam,

mmd zwar a toto et parte, a causa et effectu, a generatione, a corruptione, ab usi

bus , a communiter accidentibus).

62) V, 14, p. 282—20, p. 302. (Loci eaetrinseci, und zwar ab oppositis,

disparata, u maiori et minori, a simili, a proportione, a transsumptione, ab auet0

ritate). Im Texte des Psellus jedoch besteht eine Werwirrung, insoferne das Capitel

über die άντιδιμgnuévg (disparata) von den ávrtxstusva (opposita) losgerissen

und am das Ende (c. 20) gestellt worden war.

63) V, 21, p. 302—24, p. 308. (Loci medii, und zwar a coniugatis, a casi

bus , a divisione).

64) Es stimmt memlich die Reihemfolge der Topem im Allgemeinem mit dem

jenigen überein , was wir won der Topik des Themistius wissen (Abschn. XI, Amm.

96.); einzelne Abweichungen können immerhin ' von dem allmäligem Werlaufe der

Schultraditiom herrührem.

65) Denm es wäre schwer einzusehem, wie ausserdem Wilhelm Shyreswood

und Lambert von Auxerre und Petrus Hispanus gleichmässig auf den nemlichem

Gedanken verfallen wärem, diesem Abschmitt aus Aristoteles oder aus der Ueber

setzung des Boethius zu ergänzen. Wohl hingegem kann noch die Frage offen

bleibem, am welcher Stelle die Sophistici Elenchi ursprünglich bei Psellus gestandem

sein mögen, s. unten Anm. 91.

, 66) V, 25, p. 319.: Tòv ìsyouévov τὰ μέν μετά σνμπλοκής λ€γεται,

oiov , xayxQ&tns rgézει* ij. „áv9άωπος λεvxös“, τά δέ άνευ σνμττλοxijs,

Qiov „áv8Q07τος“* §xûotos δέ τῶν ἀσυμπλάτων δgων ή ούσιαν σημαάνεῖ

ij 7τοιότητὰ (diese beiden Worte sind im Texte ausgefallen) ij 7τοσότητα £;:

qogάν ή τοιεῖν ή πάσχειν, ούτω δέ xázτά τόν άλλων. Σημαστα δά, δς

èvtaÜ8 a Agußάνεται, ἐστι τgáyuavos διὰ φωνῆς xarà ovv&rjxrjv παρά

ατασις : διότι, ἐπειδή τάν τigάγμα ή xt.96λον ἐστιν η μεgtxóv, δεῖ κάς

qωνάς τάς μη (fehlt im Texte) δημαινοῦσας xa9δλον η μεgixòv uij onuatveuy

tu, *αι ούτως οὐx ëgovtov ögov , τὸς ἐνταῦθα λαμβάνεῖαὐ δ δgos* ö3εν τὰ

za&ólov η τά μεQuxά σημεία οὐ λéyouev ögovg.

280 XV. Psellus.

wohl die Adjectiva als auch die Verba angehören sollen, woran sieh

die Bemerkung knüpft, dass die Substantivität (oùσιωδότης, — „sub

stantivatio“) und Adjectivität (ἐπιδετικότης, — „adiectivatio“) weder

Dinge, noch auch Modificationen der Bedeutung, sondern Modifigationem

der Dinge seien, indem die Substantive eine „Unterstellung“ (ύποτιδέ

vau) und die Attribute eine Werknüpfung (συμπλεκειν) hervorrufen "").

Es sei nemlich die Unterstellung (ύπόδεσις, — „suppositio“) die An

mahme eines substantivischen Begriffes anstatt. eines anderem, namentlich

eines particulareren, und sie fliesse erst als eine abgeleitete aus der

,,Bedeutung“, insoferne letztere bloss Sache der Sprache sei, die Unter

stellung aber auf der bereits bestehenden Werbindung der Sprache mit

der Bedeutung beruhe ; das Nemliche aber, was die Unterstellung bei

substantisen, sei die Werknüpfung (ovuvlowî) bei attributiven Wor

ten 6°).

Und num wird die „Supposition“ (— ich will mich fortan dieses

bei den Lateinern recipirten Wortes bedienen —) auf das Ausführ

liehste erörtert. Zunächst memlich folgt die Eintheilung derselben, in

soferne sie entweder allgemeim (xovvrj, — „communis“) oder bestimmt

(διωQuopa£vm, — „discreta*) sein kann, je nachdem ein allgemeiner Be

griff (ögog xotv6g, vgl. oben Anm. 12) oder ein individueller Begriit,

welcher auch durch Demonstrativ-Pronomina ausgedrückt werden kann,

angewendet wird; die allgemeine Supposition wird dann wieder einge

theilt in eine natürliche (φvσική, — „naturalis“) und eine accidentelle

(κατά σνμßsßnxός, — „accidentalis*), indem erstere auf den gesammten

Umfang eines sog. Allgemein-Begriffes sich beziehe, letztere aber eine

Beschränkung auf specielIe Determinationem, welche an dem Allgemein

Begriffe sich finden können, enthalte °°). Ferner aber zerfällt die acci

-

67) Ebend. p. 312.: Tóv σημασιῶν ή μὲν ἐστιν 9ύσιωδόονς πgáyματοs

x«î ëz£t tò yiv£o9ai δι' όνόματος οὐσιῶδδυς, οίον „áv8Q07τος“, ij öí êoruv

èzt£ιςάxtov xaì §zει τὸ γένεσδαι ή δι* óvóματος ἐπιθέτόν ή διὰ δήματος,

oiov ,,}&vxög* j ,,τgéχει*' διότι xvQtog òùx èo τὸ σημασία ἐπύέτος xaì

oùgiajómς, άλλα τι σημαίνεται οὐσιωδῶς xcct τι σημαίνεται ἐπιδετuxós*

διότι η ἐπιδετιxότης και οὐσιωδότης οὐχ είοι πQdyματα, άλλ* είσι τQözy9v

τῶν πραγμάτων, ά σημαίνονται, xαι οὐ τῆς σπμασίας' ö9εν τά οὐσιῶδn

övöugτα λεγονται ύττοίι8évat, τὰ δὲ ἐχτί9ëra óvunâéxeuv,

68) Ebénd.: 'Y7r69eovs y&Q ἐστι τQόςληψις δόον οὐσιῶδονς άvτὰ τινος '

διαφάσει δέ άπό9εσις και όnύσατα, ότι η μάν σημασές ἐστι δ' ἐπισάgsos

φωνῆς πρὸς τὸ σημαινόμενον τgάχμα, άπόδεονέ όε ἐστι τgásánipus ög9v

jòm σημαινοντος gò 7τgάyμα άντ} μεQuxoù τινος, ὐς όταν λέγηται ,,άν

8Q07τος, τQ€χει“, qύτος δ δόος δ „êv$Qωπος“ ô7zovt9&rav άντι ΣωxQdvovs

xô IIλάτὸυος xaì ròv άλλων. [Kgì òvó vt ij omuaoto 7tQov&gt; £ατὰ τjs

i7ro9€σεως χαι οὐ σημα£yovov τὸ αὐτό; διότι τὸ σημαίνειν ἐστι τῆς φω

vijs, τὸ δέ άποτάσεσδαι δgov ijön omucz£vovros, τοντἐστι συνθέτον £x qoo

vijs, xaì omuaotas* ii ίττάθεσις άgâ oùx èo τι σημασια. Σνμπλοxijw Èotu

zτgóςληψις ögov èv %tov ijyovv £7tovouojöovg άντί'τινος.

69) V, 26, p. 314.: Töv ύποδέσεων η μέν ἐστι x9uv) j δέ διωguo,u£vr].

'Yrt69&gus xotvfj èατιν η δι' ögov yuvouévrj xotvoü, oiov „êv9QQ7tos** ìnó

􏿽εσις διωQuouévn £ατιν η δι' `ögov yivouévm διωρισuévov, oiov „xoxQd

της“ ii (au$ Petrus Hispanus geht herwör, lass hier folgende Worte ausgefallen

sind: yuvogévn 6g' ögov, xotvoü Au£τά άντωνυμάς ἐπιδεικτικής, τοῦ τgωτο

τυπον είσους, oiov) ,,ούτος δ άv8Q07tos“. "Et véóv xovvóv ύποθέσεων ij

XV. Psellus. 281

dentelle Supposition abermals in . eine einfache (άπλή, — „simpleae*)

und eine persönliche (προςωτική, — „personalis*); die ersterè der.

selben bestehe in der Annahme eines Allgemein-Begriffes an Stelle des

von ihm allgemein bezeichnetem Dinges, d. h. ohne specielle Beiziehung

jener Dinge, welche als zu seinem Umfange gehörig unter • ihm fallen

(v& xαταδτεgo, τά ταπεινῶτεgo); und zwar bestehe bei dieser „einfachen

Supposition“ wieder ein Unterschied, je nachdem der Allgemeim-Begriff

im Subjecte oder im Prädikate stehe, und man müsse hievon jene Fälle

streng ausscheiden, in welchen der Allgemein-Begriff durch einen Zu

satz (ìáêtg τταρασημειωτική) eine nähere Bestimmung, z. B. namentlich

durch restrictive Ausdrücke eine Beschränkung erfährt, denn- alle der

gleichen Supposition gehe bereits in die „persönliche* über; dass aber

auch damn, wenn der Allgemein-Begriff im Prädicate steht, es eben

eine einfache Supposition sei, wird ausdrücklich an einem traditionellem

Beispiele gezeigt 7°).

Auèv qvouxi, í óè xατά ggg; 'Y7t69εσις φvoixrj £ατι τgόςληψις

δgov xoiyoù êvrì 7tdvrtov, ög* óv μετεχεσθαι π£qvxsv , οίον ό άύθQωτος

x&&' αὐτὸν siànuu£voc (in ' den Wortem x&9* aùtôv liegt ein Gegensatz im

Vergleiche mit ττgός τι, s. unten Anm. 82.) £x τῆς, ἰδέας φύσεως ύποτέ$mow

dévri 7róvtov &v8góziov vóv ysvouévov, x«î övvoov και ἐσομενων* χατά

σνμβεβηχός δέ ίτό9εσίς ἐστι πqόςληψις δgov xglvov, άντ' ἐκεόγων, & τὸ

αυνημμένον άπαιτεί, οίον „άν9δωτός ἐστιν“ ούτος ό δgos ô „áv8Q07τος“

ύποῖάησι ἐνταῦ9« άντι τόν, ἐνέστότων, όταν δέ λéyntάι „äv8Q07tos jv*,

υποτόησι πεgì tóv παQελθόντων, xaì διαν , άνθgωτὸς ἐσται“,`îztott$noi

7tsgi tóv uεῖλόντων' κέ ούτω διαφόgovs i/to&éoeus άει xατά τάς όια

qog&ς τῶν αὐτοῦ σημαινόντων.

70) Ebend. p. 316.: Tóv δε χατά σνμβεβηχός ύποθέαεων η μεν ἐστιν

άπλη ή δέ τgo<g/tuxij: άπλη ύπό9£otc £στι τgόςληψις δgov xoiyoù êvrì

argéyματος κάθάλαν σημαινρμένον δι' αὐτοῖς, ός, όταν áéyjrgt „ö äv&go

πός ἐστιν είδος“ ì ,,τὸ ἐφόν ἐστι γένος“, oῦτος δ ögog ó ,,ίν9Q07τος“ ύτο

tt9mouν άντι τού άν9Q0j7rov èv τφ xoivj, άλλ' οὐχ άντ' άλλου τινὸς τόν

zc tot£Qaov, όμοίως xcä 9îvos ö ögos ,,τὸ ζφον“ Ü7τοτθησιν άντι τοῦ ἐφον

èv τφ xouvj xxxî oùx άντ' άλλον τινὸς τόν τταπεινοτ€Q0v* óς ό' αύτως

xgì èv èxcziéQφ (zu lesen Éxdiovq) ögφ κοινά, δς ,,τὸ γελαστικόν ἐgτιν

iόιον* jj „τὸ λοyuxóv èo τι διαqogd* jj „τὸ λευκόν ἐστι σνμβεβηxös“. 'Etu

τόν άπλόν ύπόθεσεων η μεν ἐστιν δgov xouyoù êv ύποx£iuévq) τε9évtoc,

oiov „ö äv9Q07τός ἐστιν εῖδος“, íí ôá êo tuv ögov xotvoü τε&εντος èy xtx τη

VoQovu£vq xatgqatixj, oiov „τάς άν&gt07tóς ἐστι ἐφον“, qύτος δ, ögos „τὸ

άδων* £v τά xginyogovu£vo te8£ìs άπìjv &s; ύπόθεσιν, διότι μόνον ύπο

τόησιν άνί τῆς φύσεως του y£vovs' άλλη δε ἐστιν ögov xotvóù ye%vros

μετὰ λεζιν 7ταggonustorgxhv, δῖον „τάν ἐφον παgά τόν άνδgωπόν ἐστιν

åÀoyov*: èvv αὐθα γὰg oότος ό δgos ö „άνδgωπος* άπλήν ἐχει ύπόδεσιν,

αὐ γάρ ἐπονται ταῦτὰ ' ,,täv. ζφον παgά τὸ ἐν9Qωτόν ἐστιν άλογον, πάν

ágú úov ταQά τούτον τόν άνδαρτόν ἐατιν άλoyov*, άλλ' ἐστιν ἐxsî vê

oxijuc. τῆς 4<;eps τφ 7tQ9;éva, ££ 37τλής, ύπο9€oetog εἰς πQoctozvtxijv εἰς

τίσόςωπον* όμους κάνταῦθα „ö äv8Q07τός ἐστιν είδος“ (aüsgefallen: τάς

άδα άνθgωπός ἐστιν εῖδος) xc.) 7τάλῖν „7täg äv&Q07rós £otu ζφον, πᾶς

άδα άνόσωπός ἐστιν (ausgefallem τούτο τδ ζφον)“: èv ττάσι yàg ytvetgu

7igδοόος ἐς άπλής ύττο9€σεως εἰς τgogo7tixjv. *0t δέ ό xoivòς δgos £v

τό xατηyogovu£vq), re$s}ς ἀπλῶς 9εασεῖται, δῆλον £x ταῦ λ£yeιν, άγί πάν;

τῶν τόν άντικειμένων ή αύτη ἐστιν ἐλτιστήμηζ εἰ μὴ γὰρ ούτος ό δgoς ,,ii

èrtigrijun* άπλήύ εῖysv ύπό9êouv, ysvéès äv'jv* óóósutà yàg μεguxj &ftt

ατήμη άτάντων τὰ ἐναντίων ἐστιν* ì yàg ίατQux) oùx èότι τίτάντων τῶν

èvavvtov, άλλὰ μόνον τού ύyιαίνοντος xò vogoùvroc, xαι * yQauuo tuxi

τού iiguoouévov xaì àvaguóατον, και έπι τόν, άλλων όμοάως.

282 XV. Psellus.

Umd es folgt mum die zweite' Species der accidentellen Suppositiom,

memlich die „persönliche“; das Wesem derselben liege im Gegensatze

gegen die einfache gerade darim, dass ein Allgemeinbegriff an Stelle

der unter ihn fallendem Dinge, welche seinem Umfang ausmachem, ange

mommen werde; durch eine abermalige Eintheilung aber wird sodann

immerhalb dieser persönlichen Substitution wieder umterschieden , eine

feststehende (διωQuou£vm, — „determinata*) und eine verworrene (ovy

x£yvpévm, — „confusa“); die erstere finde Statt, wenn die Quantität

des Allgemein-Begriffes entweder gar , nicht oder particular ausgedrückt

sei, und eine feststehende werde diese Supposition darum genannt, weil

ein auf derselben beruhendes Urtheil, wenn auch zu allgemein ausge

sprochem, demnoch jedenfalls von Einem unter den Allgemein-Begriff

fallemden Individuum wahr sei; zur Erläuterung aber wird hier zum

ersten Male (wir werden sehen, dass im weiterem Verlaufe diess zum

wesentlichem Bestandtheile dieser Erörterungem sich umgestaltet) ein

Sophisma beigezogen, welches zu den ἐκ τοῦ σχήματος τῆς λάζετος

genannten gehört "').

Die Besprechung aber der zweitem Unterart, memlich der „ver

worremen“ Supposition führt zu moch ausführlicherem Untersuchungen

und zur Schlichtung einer Controverse. Eine verworrene Supposition

liege dann vor, wenn ein Allgemein-Begriff durch Wermittlung des Zei

chens der Allgemeinheit (d. h. des Wortes „Alle“) an Stelle mehrerer

unter ihm fallenden Dinge angenommen werde ; dabei aber sei wieder

ein Unterschied, je nachdem diese Unterstellung aus der zwingendem

Nothwendigkeit jenes Quantitäts-Zeichens oder aus der zwingenden Noth

wendigkeit des Sachverhaltes selbst hervorgehe, und zwar betreffe der

erstere Fall das Subject, der letztere aber sowohl die Copula als auch

das Prädicat "*). Aus Letzterem aber folgt nun die abermalige Unter

71) Ebend. p. 322.: IJQogw/twxij èovuv ύπό9εσις λῆψις xotvoü ögov àyτὰ

τόν ίστων xtztótégov, oiov, „üv9gσπος τgéyss* oîvoç' yäg ö ögog ö „άν

8gωπος“. zeivau άντι τόν ίόζων χάτωτ£gov.T "Erv τῶν 'ττάοςωπύxöv ύπο

8êαεων ό μὲν ἐστι διωguguévm j óè avyx£yvuévm. 4uoquóu$vm μέν λεγε

ται, jv ἐχέι ögog xoivòς άδιορίστως είλημμενος j μετὰ λgóςδιοgùguoù ift9t

gnusfov ueguxoù, oiov „áv8gozios.tQéyéw*. i) „äv&go)7toc xvvsírg* ij ,,τις

ίνόgoros tg&£**' x&} λ€γετά ἐx&*£go roûrov άιωσιαμενn, διότι, ει xgì

èv èxgτégg Ttóvov ούτος ό δgos ó „äv8Q07t9c* ùroîtônôv àvrì agvtòs

fìv8Qoj7ιου τg6yovvös τε όμοίως xaì 4â, όμως ἐνὸς τgéyovios άληθής ἐστιν*

άλλο γέg ἐστί τό ύποτιδέναι xaì äåÀo tòv Àóygν άj9ij άποδιδόναι ἄντα

τινος ἐν yàg τοῖς 7tgosugnuévovs, jc signrta, δύτος ό όσος ό „äv&gtotos“

ù7τοττεησιν άντά ταντός άνθgσίπον, ἀςτεg τοῦ τgéyovtoç oùτω και τοῦ

μῖ} 3%£';;;; άλλ' άποδέδραι τὸν άλη9j λóyov μόνου άντι τοῦ τgéyovtog.

Zfv6ti ôè èxavéga τούτων ἐστι διωguo uévm, ôijìov èvrsù9εν' άταν γάρ λé

ynrat ,,£φόν ἐστι Σωxgάτης, ἐφόν ἐστι Kvx€Qaov, xaì ènì vóv άλλων όςαὐ

tog, ägg £jöν ἐστι τάς άν8gòτος“, èvrgù9ά τὸ σχήμα τῆς λ&εαῖς ἐστιν

από πλειόνων διωguo,u£vov ènì μάαν διωguopu$vnú," xαί ούτως ό xouvòς

ögos άσιοQ£o ros ληφδεῖς ἐχει ύπό9εσιν δύωgio uévrjv* óςαύτως xaì μετὰ

τόύ μεQuxóù 7tQocduoguouoù.

72) Ebend. p. 324.: Σvyx£yvpuévm ùztó9εσις ἐστι λῆψις ögov xouvoù

άντι 7tàeudνων Ausgrejovtgs zcz$6Āov zvgocjuoquo uoù, djg öταν λέγηται »7vês

άν&ρωπός èoti • £jov*, ούτος δ ögog ö „äy8σφχτος“ μεσιτεύοντως τοῦ κα

96λον σημε£ov xgarsitat άντὸ πλάιόνων ἀς έχαστοῦ τούτων όντος ίδέον

XV. Psellus. 283

scheidumg, dass bei dieser Supposition der Subjectsbegriff in beweg

licher Weise (xvvrjtóς, — „mobiliter“) und in vertheilender Weise

(διανεμητικός, — „distributive*) verworren supponirt werde, nemlich

ersteres darum, weil durch alle Unterbegriffe herabgestiegen werden

kamm, und letzteres darum , weil, er von jedem Einzel-Individuum gilt,

himgegen dass der Prädicatsbegriff mur auf unbewegliche Weise (άκι

vjvog, — „immobiliter“) supponirt werden könne, weil hier ein Herab

steigen auf die niedrerem Theile des Umfanges unstatthaft ist, wenn

man nicht in Sophismen verfallen soll; ebem hieran aber knüpft sich

das Bedenken, ob diese Behauptung einer verworrenen Supposition des

Prädicatsbegriffes micht im Widerspruche stehe mit obiger Angabe (Amm.

70), woselbst die Supposition des Allgemein-Begriffes,. auch wenn der

selbe im Prädicate stehe, zur einfachen (άπλή) Supposition gerechnet

wordem war 7°). Und indem nun Psellus die Lösung dieses Wider

spruches vorerst nach der Ansicht Anderer angibt, welche darauf hinaus

lief, dass einerseits die Gattumg als solche durch eine einfache Suppo

sitiom substituirt werde und andrerseits zugleich die in dem Individuen

vervielfältigte Gattung zu einer unbeweglichen verworremen Supposition

verwendet werden könne, und hiernach kein Widerspruch zwischen

jemem beidem Angaben bestehe, spricht er nun seine eigene Meinung

aus, welche dahin lautet, dass der allgemeine Prädicatsbegriff überhaupt

zu keiner verworrenen Suppositiom, weder in beweglicher noch in um

beweglicher Weise, tauglich sei, sobald beim Subjecte das allgemeine

c.

ύποκειμévov. Έτι τόν ovyxsxvu£vov ύπαδέσεων η μ£ν ἐστι ovyxexvuévm

zj, áváyxq τοῦ ποοςδιogaujù'fi , toù tgöztov, j 36 £ors gyyxgxvuévi, vj

ûváyxm toü, 7rQdyμάτος * óς όταν λεγηται, τάς άνδgωπος ἐφόν ἐστι'', ovtoç

ö ögoç ô „άνθοάλτος“ τj άνάyxm τοῦ xαδόλον σημεῖον σνγχεῖται ή διανé

μετάι έπέg ἐλέατον ίδῖον ύτοχειμévov, xa\ èriô §xagτος άνόga)ztos ἐχει

tην ίόταν Τίταqάιν, διὰ τούτο τδ άήμα τούτο τό „ἐστ* xQ&vsita, Τ j

&vdyxy τοῦ τgêyugτος άντι τοσούτων ύπέQÉétov, àv8' όσων' άν&gtözvov,

xaì èzigì §xáατό' άν{}Q037των ἐνεστιν η ίότὰ ἐφότης, διὰ τοῦτο xgάτεῖται

τj άνάγχη τού] 7tQdyuatos άντι τοσούτων ζύων τὸ ἐφον, άνδ' άσων

ά9ggfiov δ άνθόωλίος xccì àv9* όσων ύπέgάεων x«î ` τούτο τδ „èατ*

το Qmug.

73) Ebend. p. 326.: "O98v oῦτος δ ögos δ „áv8Q07tos“ λεγεται ύποτι

9évgv ovyxsyvρι&νως xvvntòς (dass diesés Wort ausgefallem sei, zeigt sowohl

das Folgeiide àl§ auch Petriis Hispanus) xaì òuccvsunt uxóς' άλλὰ αvyxexvu£vooc

μέν x«î διανεμητιχός ύποτέ9ησι, διότι xgarêîtat άντι παντός άν&άύτον,

zινητός δε, διότι ἐεστι γένεg8av xat& ptzovv (zu lesem xoztóßασιν) έπέg

§xáötgv iöiov ύττοxειμένου, οίον ,,τάς άν&gqtog jov, xayxQ&της , άga*

τάς άν9Q07tog jov, IIâτων άgt'': oότος δέ δ δgos „tô jov.' åéyεται

ovyx£yύσδαι άxuvijTog, διότι οὐκ ἐάεστι γένεσ&αι ἐατέβάσιν ύπ' αὐτό,

oióv Ίτάς άv9Q07τός ἐστι (ausgefallen ἐφον, πᾶς άgω άνάgωπός ἐστι) τούτο

τὸ ἐφον“, άλλ* ἐστιν £x8i j tgógôος άπò τῆς άπλῆς ἐις τήν, πgocott

}:; άς ἐνταῦ$a, „á äv&Qto7tjs* £ατι τιμιωδτατον τῶν xtvou«£gov , äga

oότος ό άν9gωτός ἐατι τιμιωτατον τόν. κτισμάτων“ xαι ,,τὸ ἀδόον τόν

άν9£ov τιμιότατόν ἐστι, και τι άgg άόόον“ ἀλλά xaì toùto διαφégét,

xc:9ò èv τόύτοις ἐστιν η ύτό9εσις ἀπὸ τοῦ μεgovs ταύ ύποxειμένον, _èxei

δέ άπὸ τοῦ μ€Qovs τοῦ xατηyoQovpuévov, Éi και τούναντίον δοκεῖ gύπεg

$ignrav ztgötégov, öτι ἐν ταῦτα τj „ztás áv8Q07tóς ἐστι ἐφοy“ ούτος ό

ágos ,,τὸ ἐφον“ ἐν τφ xwv myo6ovρένφ τεάεύς άπλήν ἐχει τό&εσιν, xccì

èyταύ9α λέγεται ἐχειν σvyx£yvpìévijv (lie letzten fünf Worte fehlen im Texte).

284 XV. ' Psellus.

Quantitätszeichem bejahend stehe, denn der Prädicatsbegriff repräsentire

(im Hinblicke auf eine Stelle des Porphyrius) dann stets einen Gattungs

begriff, die Gattumg aber höre durch jeme Vervielfältigung, sei es durch

bewegliche oder durch unbewegliche, jedenfalls auf, Gattung zu sein "*),

was auch seine Bestätigung durch eine aristotelische Stelle finde *°).

Nun aber wird diese Erörterung noch in weiteren Unterscheidungen

fortgesponnen; zunächst nemlich sei zu erwägen, dass der Begriff des

Ganzen (όλον) ein anderer sei, insoferne er den Gattungsbegriff betreffe,

und ein anderer, wenn er quantitativ verstanden werde; eben letzterer

aber komme bei der verworrenen Supposition in Betracht, und zwar

als der des vollständigen Ganzen bei der beweglichen, und als der des

74) Ebend. p. 328.: ITQός τούτο λεχτ€ov xará τινας (diese Worte fehlen

im Texte), διότι, x«9ò yévóg xatnyoQeivav èxsi xcztà toù êtôovs, oùto xaì

oῦτος ό δgos ,,τὸ ζφον“ άντι κοινοῦ αὐτῆς xgtxv&ivwv, özv&Q ègrì tò yévog,

xaì oijtaos ö ögos άτλjv ἐχει ύπό{}εσιν' xc, 9ö öè ij xouvi) cùri, qùot § (der

Text gibt x&}ὸ ἐx8tvm j άλη9ης) £x&tvov τού y£vovs 7τολλαπλασιάζεται διὰ

τῆς ύποθεσεως τού άν9Q057του, ούτω λεγεται ἐχειν συyxsxvuêvmv, où xuvrj

τός άλλ' άxuvijτως' η γάg ovyxsxvuév xvvgrós ὐτόθεσις οὐ δύναται άμα

sìvov μετὰ τῆς ἀπλῆς ούτε x&vâ tô αὐτὸ ούτε xav ά διάφοQα, ἀλλ' ί άκι

vijv 0$ ovyx£zvuévm üztó9εσις δύναται άμα εέναι μετά τής άπλῆς αὐ κατά

τὸ αὐτό, &λλά `zczτὰ διαφοQα, αός εἰQntda (letzterem Satz gibt Petrus Hispanus

bei gleichem Sinne in abweichender Formi)* xαι ούτω δεῖ λύειν τῖν ἐναντιδι ητα,

ijτις ἐφαίνετο τοῖς γιgρειgmuévovs, δτι δ xoivòς δgos èv τφ κατηyoQovu£vq)

t£9£ì c'§zει άπλjν ύπό98öiv x«î σνγχεῖτ αι άxuvijτως xoc96λον xav ccqccvvxoù

7τgogδιοδισμού όντος ἐν τφ ύποxειμένφ , οίον , τάς άνθQωτός ἐστί άφον“

(dieser Satz fehlt bei P. Hispanus): oiuaι όά $yó (diese Wortè übersetzt P. Hispa

mus ganz gemüthlich mit „sed ego credo“) άδυνάτον εῖναι, κοινὸν δgov τε δέντα

èv τὰ κατηyoQovu£vq' ovyy&io;%xv xvvntojs j (die beidem letzterem Worte fehlem

im Texte) άκινητὸς κα&όλον σημειον ἐν ύποx8t,uévqy xg ταφατικῶς (fehlt im

Texte) ts$€vtos, oiov ,,7τάς άύ3Q07tóς ἐστι έφον“, öuotios óè xà7rò τόν

άλλων (c. 27, p. 332.; Ehinger nemlich beginnt sinnlos hier eim meues Capitel),

djgτε, δςτεg xaì ò IIoQqvQvog ßov/.εται, πᾶν xcztmyogoúμενον η μεῖζον ή

άλαττον ή άντεστQαμμένως λεγεται xcà negì xat myàQtùs tò xαδ' αὐτὸ

σχοτεῖ (s. Abschn. XII, Anm. 124.) ' ἐνταῦ9α δέ ,,πάς άγ8Q07τές ἐστι ἐφον**

zατηyoQto x«9' αὐτὸ ἐστι και μῦ ἀντεστgσμμένως xcct myoQ£ίται, μεῖζον

άgcr (letztere zwei Worte fehlen), xccì ui, ojg 6vuj3spnxòς, άgc: ejs oùαιῶδες *

ίσα ή yévog η διαφοgά* (diese fünf Worte fehlén hinwiederum bei P. Hispanus).

&ìλά μη διαφοQά* ágoe yévos ' öuos uévrov ij qùovs τοῦ yévovs 7ro) latâ

σιασδεῖσα xùvnttjs j άλινήτως οὐx èovì y£vos* oùxoùv όταν λεγηται ,,πάς

áv8Q07t6ς ἐστι ἐφον“, τιθεμ€vov èvtσύ9ά yévovs oùx èytì òvvatòv, ögov

τὸν `xouvòv πολλὰπλασιάζεάδαι κινητός, ή άxuvijτως, δς τις σημαένει τὴν

qvovv τοῦ yévovs, διότι ήδη οὐx êv ijv yévog, öςπερ εἰ δ Κάνδαωποέ*

övyy&ovro xivmróς ή άxινήτω;, oùx èo tìv, jjòn sìdos.

75) Ebend. c. 27, p. 334.: "Evv τὸ αὐtò öoxeî èx toù 24Quo tot£\ovs èv

τφ τgσότφ τόν To7vvxóv (Top. I, 8, 103 b. 8.): âêyεται γάg* ,,&vdyxrj 7täv

£o xgtnyògoέμενον xotg τινος ή άvτεστgσμμ£νως £x£tvòv x«yoQeig9αι

ί μή* §i uèv àvreovgauuévos , öguo uóς ἐστιν ή ίδιον, εἰ δέ uh άντε

ατάαμμ€νθς, ή πέπτει εἰς τὸν δQio uòν ή οὐδαμῶς' εἰ μὴ πέπτει, έστι

ovußsßnxός' εῖ πέπτει, η yévos èατίν jj 6ιαφ9e&* x«î σχότεῖ δ Agugtové

λης, όπως ἐν εἰη ή χατηyogtg ög9i), xoì'ìftöxsuvat τὸ είδος xa&' αὐτὸ

ταλλαπλασιασ9€v. Aλλ' ἐν τάύτη ij ,,πάς άν8Q07tos“ ἐστι κατηγοράα xozì

„&v8Q07τος' ύπόxειται χαι ui) àyredtgauu£vos *cctnroQεῖται ή σνύβάρηxόs:

άQα γενος ή διαφορά άλλὰ μὴ διαφρόέ άga gêvos: xò oüτως τgòς αὐτὸ

τοQεύομεν, άςπεQ' xaì zvgótov. 24δύνατον ούν, τὸν κοινὸν δgov èv τφ

xwinyoQovuév@ ré8&vta xivrjτός ή άxuvijτως σνγχεῖο9αι.

XV. Psellus. 285

umvollständigem bei der umbeweglichen Supposition, und aus ebem diesem

Grumde könne bei dem Prädicatsbegriffe, welcher stets Gattung sei, von

einer verworrenen Supposition keine Rede sein 7"). Ferner sei die

aufsteigende Beziehung des dem Umfange nach Niedrigeren (τά κατέ

τεgo) auf das Höhere (τά άνότερα) gerade entgegengesetzt dem Herab

steigen, nur die erstere aber finde bei dem Allgemein-Begriffe als einem

wirklichen umfassenden Gattungsbegriffe statt, letzteres hingegen enthalte

allerdings jenen Process der Wervielfältigung, habe aber eben darum

mit der Gattung als solcher Nichts zu schaffen "). Der Grund des

Zweifels aber, zu dessen Lösung diese Bemerkungen dienen sollem, sei

darim gelegem, dass mam eben bei Urtheilen , deren Prädicat ein Gat

tungsbegriff ist, die Supposition völlig in gleichem Maasse für den Sub

jects- wie für den Prädicats-Begriff annahm, weil da letzterer in jedem

unter den Subjects-Begriff fallenden Individuum sein individuelles Dasein

habe; hingegen bei Urtheilem, derem Prädicat mur eine accidentelle

Eigenschaft ausspreche, habe man sofort bemerken müssen, dass jene

Eigenschaft je nach ihrem Workommen an ihrem Trägern eine Verviel

fältigung erfahre, und dass dabei im Subjects-Begriffe night eine Indi

vidualisirung einer im Prädicate liegeuden Gattung bestéhe "*); daher

76) Ebend. p. 336.: "Et v δλον χα&όλον, άπεg yévog, xaì δλον ἐν πο

oότητι' ἀντ t9 sgiv äyovguv. 212/ à uijv τὸ δλον ἐν`zioo ötytv διχός λεγετιι '

άστι μέν yàg öλον τι ἐν ποσότητί ovuzveztángouévov, δταν δ' xouvòς δgos

xuvnrjg övyyεῖται, xaì äotv τι δλον ἐν πασότητι άσνμπλῆθωτον, όταν άxi

νήτως ό xòyòς μᾶλλον σνγχεῖται. Εί άρα δ xoivòs, ögog άπλός xaì zij

αὐyyeirta, oùra, x«i τὸ ἐν λύσότητι δλον igόπον τινά,Χαι άπλῶς xt, 7j

y£íí ca (dieser Satz fehlt bei Petrus Hispanus). Oùxoùv άσύντατόν ἐστι τὸ ἐυ

7τοσότητι δλον είναι yévog, ö9εν άδύνατόν ἐστι τὸν xoivòv ögov £v τφ

zατηyogovu£vq) τε%vtt. ovyz8io8 at, óς ἐλεγον.

77) Ebend. p. 338.: "Et ij 7tagę9εσις ἐκεάνη, xα8' ijv àv&q sQov tò xa

τότερον εἰς τὸ ἐνωτεgov αὐτόν, άντιxειμενη ἐστιν ἐx£%vy rj 7taQa%αεμ,

x«9'`ijv άναφ&Qstat τό άναότεgov εἰς τὸ κατότεgov* &λλά κατά τήν πQtö

την λαμβάνεται τὸ κοινὸν ἐν τφ λόγφ τού xguyoù* oùtto yàQ αὐτὸ τὸ λοι

vöv ?y ἐαντφ πεgu£χει πέντα τά άπ' αὐτὸ δντα' άλλά xάτὰ τὴν ἐτ&gt;v

λαμβάνεται τὸ xoivòv 7ro//.απλασιασθέν ή (die letzteren drei Worte fehlen im

Texte) ovyx£yvuévov ijyovv τὸ κινητός xoivòv άντι πάντων ijyovy (offenbar

fehlt διαγεμήτìxûs, s. Anm. 73.) άνδ' ἐκάστρον. Aga (zu lesen Ag' εί) τό

y&voc Kotovg, xa9' αὐτὸ ἐν τφ τού xotvoü Äöyφ, oùx èorì òvvatòv xùtò

zzολλαπλασιάζεσ9αι.

78) Ebend.: Ka\ ταύτα μέν σνγχωgó (bei P. Hispanus: Et haec quatuor

argumenta sunt concedenda)* ì òè τοῦ κινεῖσ&αι αὐτόov (zu lesen cóτούς αίτια,

P. Hispanus: Causa autem, propter quam movebantur isti qui fuerunt hujusmodi

opinionis) άαότως λυσήσεται. L4éyóvog yàg, δς, όταν λέyntas ,,πάς άγόσω

7i6ς ἐστι Έφον“, £xaotov άνάgo7tov ἐχειν τὴν ἰδέαν ύπαθάιν , καῦ ἐφότητα,

xa9ò άδυνάτον άν9gωπον είναι xccì uî sîvat άφον, ούτως ό δgos ,,£φον“

&ντ) τοσούτων άφων xQatsîta, άν9' 'όσων άν9gωπων άν9Q07τος (letzteres

Wort fehlt im Texie): λέγομεν yàg èv ταύτη τj 7tQot&αει μηδέν είναι είδος

(dieser Satz fehlt bei P. Hispanus, sowie überhäupt auch im Folgendem manche

Abweichungen sich zeigen, und jedenfalls beide Texte, sowohl der uns erhaltene

des Psellus als auch der von Petrus Hispanus benützte, vielfach corrupt sind) *

δταν δέ λ€γωμεν ,,τάς άν9Q07tös èóτι λευκός'* j ,,πάς άν9Q07iös ?στι

μελας', δτι ἀδύνατον άν9gajvov είναι κά μη είναι ἐφον, άνάγκη τοσαύτα

Ἐφα ἐν τφ ύποκειμένφ νόεῖσθαι, δσοι άνδgozzot sigiv, &v8' öσων ,,άν

3Q07toc* xQav sìvai. ¥¥¥& ujv άτοπον λεγειν, τὸ πλj9os èxeivo τῶν ἐφο

286 XV. Psellus.

zeige sich bei richtiger Erwägung dieser Verhältnisse, dass der Gattungs

begriff eines allgemeinen Prädicates zu keiner verworremen Supposition,

weder in beweglicher noch in unbeweglicher Weise verwendet werden

könne '°). Hierauf aber wird in ähnlicher Weise gezeigt, dass auch

die Copula keiner verworrenem Suppositiom fähig sei, indem der Gattungs

begriff, welcher im Prädicate liegt, von Anbegimn an im Subjectsbe

griffe vorhanden sei; und hiemit wird obige Angabe (Amm. 72), dass

die eine Species der verworrenem Supposition auf zwingender Noth

wendigkeit des dingliehen Bestandes beruhe und sowohl im Prädicate

als auch in der Copula auftreten könne, jetzt direct dahin berichtigt,

dass eine verworrene Supposition überhaupt nur durch die Nothwendig

keit des Quantitätszeichens erfolge, da jene in der Individualisirung

liegende Wervielfältigung des Gatlungsbegriffes mur dem natürlichen Ge

biete anheimfalle, hingegen für das logische Verfahren der Gattungs

begriff als solcher von der verwirrenden Wervielfältigung unberührt

bleibe, wornach die einzige Weranlassung. der verworrenen Supposition

nur in der Allgemeinheit des Quantitätszeichens liegen könne *°).

τήτων διὰ τὸ τιλήσας τῆς xtztnyogiws £v εῖναι, ότι ἐκεῖ λεvxòv xαί μελαν

τολλαπλασιάζεται. "Orciv λεγό ίόν άνθgωποῦ σvyxeio9av xatà rijv τῶν

vouxóv öööv (richtiger P. Hispanus: logice loquendo, non naturaliter) £x τοῦ

 xgì loyuxoù, διὰ τοῦτο ἐν ἐαντὰ ἐφον ἐχει, δόεν άν9Q07tog πολλα

τλασιάζεται και ἐν ἐαντφ ἐχει τὸ πλῆθός ἐχεῖνο τῶν ἐφοτήτων' άταν λ£yu

(zu lesen δέ λεγω) ,,7ιάς άνδgωτός ἐστι λευκός“ xaì ,,7iús áv8gωτός ἐστι

:'. xxxt' οὐδένα τQ67tov άχει ταύτας τάς ἐφότητας ἐχ τοῦ κατηyoQov

tyov.

Au 79) Ebend. p. 342.: 'OuQfos £otè xàv τφ πQostgmuévq), δταν xarnyo

gijt ca yà yévos, qioy „7rás άν8g07τός ἐστι άρν* £v ταύτη yàg tj rigo

t&σει ύττόx&utczt δ άv8Q07tos, èv φ νοεῖται rò 7τλj9os ἐχεῖνο τῶν Ἐφοίη

των, ός εῖgna cct, xxxî xvvnyog&ίταί τούτο τδ yévog τὸ ζφον* διότι οὐδενα

zgótov gvyzeitgt xivntôς ή άxivjros, άλλά xiysira (zu lesen xggτεῖται)

èxsî êyri tijs qúosos αὐτῆς του yévovg τοῦ κοινj xarnyoQuxoù xai ά πλειό

vtov' ö8 εν κάί ζφον κατηyogsitùs xaì jov vóεῖται ἐν` τφ ύττοxeruévq),

όςπεg £vtwù9« ,,τόν ἐφον λόyvxòv 9ynróν ἐστι ζφον“.

80) Ebend.: 'Ogotos ôë £yousv, ότι τούτο τὸ δημα τὸ ,,Εστίν“ οὐ συy

zεῖται κινητός ή άκινήτως, ἐγίεῖ τὸ ἐφον ἐv τφ άνδάπφ εὐχεν αὐτό ύπο

xstusvov 7tQìv £7roxeio&at £v tj 7tQotdos, xäv nyogovu£vq) xat* oùotgv ij

xxxiâ ovu883ηxός (Petrus Hispanus hattè einen etwas àbweiêhendem Text vor sich).

Kαι διὰ τούτο την 7τgodyovoav σάζαν (d. h. das oben Anm. 72. Gesagte;

schlechter ist die Lesart, welche P. Hispanus übersetzt: quandam divisionem factam)

dvaoxev&£ouεν, δηλονότι ότι τῶν gvyxgvu£vov, ίποσ&αεων η μέν σνγχ$i

ται τύ άνάγκη τοῦ προςδιQgvouoj jj 38 rj άνάyxn roù 7tQ6yuagos. I4é

you£v yàg, τὴν σύγχvσιν είναι τj áváyx, toù 7iQogδιοguoyioj, óςτεg xaì

?vtcrù$έ άστιί ,,τὰ ζῶον λογικὸν θύητόν ἐστί ζφον***' ούτος ό δύος δ

,,£jov*' άντι παντὸς ἐjov xgat£ίται δ εοτιν άνθόωπος, ἀςτεg xà èv

ταῦτυ τj 7tQorgoet ,,τάς άνδgωτός ἐστι έφον“ ούτος δ δgoς δ „ëy$go

7tos“ âvîî 7τάντός άν&gt;j7tov xgav £ita, xaì àvrl tccvtòς άφόν δπεg άνδύω

7τος* xgì iot€ov, τοσαύτας ἐχεί εῖναι άν9ρωτότητας, δόαύται ἐφότητες,

x«ì àv&παλιν κατὰ τὴν τῆς qúostos óóóν, κατὰ σὰ τὴν τῶν λoyvxöv öööv

(auch hier gibt P. Hispanus einèn anderen Text, wie oben Anm. 78.) èv £xc.otq*

&τόμφ τού άν&gt;7rov, óςτεg δ έν9go7vos èv rj xovvj £στι τὸ αὐτό, ö85v

gò tovtmv λεγεσδαι τήν άν9Q07τάτητα ή èz£tvnv 7tagà ròv Àóyov ?6τὰ τjs

ύλης' ἐν δέ τj δόφ τῆς φύσëgç ï άν9gωτάτης i £;uâ &λλη ἐστι παQά τήν

αῦν, ἀςτεg zú í`yvyj, 'όι' jg £ytuv j &v8götöriis'i $ui $y $uoù Kö

duά τούτο τὸ σημεῖον σνγχζον τὸν άν&gt07tov οὐ σύyy§i xcà rò ἐφον (aus

XV. Psellus. 287

Hiemit aber brieht unser griechischer Text des Psellus ab *!), und

wenn auch der Leser vielleicht den Eindruck empfand, dass hier die

Logik wirklich toll gewordem sei, so wollen wir einerseits diesem rich

tigen Gefühle durchaus nicht widersprechen, müssen aber bemerken,

dass es sich hiebei erstens um eine Logik handelt, welche ein paar

Jahrhunderte das lateinische Abendland beherrschte', und zweitens dass

wir eigentlich mit diesem Erörterumgen noeh lange nicht zu Ende sind.

Nemlich nur ein Fragment ist es, — wie wir schon oben sagten —,

von welchem uns die einzige bisher benützbare Handschrift des Psellus

eine Kunde gibt. Schon bei aufmerksamer Betrachtung des Bisherigen

konnte man nicht hloss aus einer obigen Stelle schliessen, dass nach

der Supposition καδ' αὐτό gewiss noch die Supposition κατὰ τὸ πρός

vi oder, wie die Bezeichnung bei den Grammatikern laulete, τόν άνα

φοQuxöv folgen müsse **), sondern noch deutlicher springt in die Augem,

dass die oben bereits erwähnte ovpavìoxij°°) eine der örtöêeovg parallel

gehende specielle Erörterung gefunden habem muss. Und in der That

finden wir aueh diese beiden Capitel bei den auf Psellus beruhendem

Lateinern, indem dort sowohl die suppositio relativorum ausführlich (in

einer Zweitheilung maeh relativa substantiae und relativa accidentis)

besprochen wird **), als auch die copulatio (d. h. gvuvìowj) ihre

nähere Darlegung findet *°).

Aber auch hiemit war die Theorie betreffs derjenigen Gesichts

punkte, welche sich an σημασία (significatio, s. oben Anm. 66 f.)

knüpfen, noch nicht abgeschlossem, sondern so gewiss die Lateiner

(nicht bloss Petrus Hispanus, sondern auch Wilhelm Shyreswood und

Lambert von Auxerre) für die Schul-Logik in allem Uebrigem, was wir

bisher vorführen musstem, vollständig und fast ausschliesslich das Com

pendium des Psellus zu Grunde legten, ebenso gewiss ist es, dass sie

auch bezüglich jenes ziemlich umfangreichen Restes, welchen uns die

fragmentarische Handschrift des Psellus leider vorenthält, nur das Nem

liche thaten, d. h. dass die Synopsis des Psellus auch noch Alles Fol

gende, welches ich hier nur kurz berühren werde *°), ursprünglicli

gefallen ist èv xov vój), &λλὰ τὸ ἐφον τὸ συνελxv08&v εἰς τὸν άν&g07τον διὰ

τόν ίσεων διαφοgóv, ö8 εν πάσα σύγχυσις ἐστι τj άνάγχη τόύ σημεόον

ii toù τgó7tov.

81) Anstatt einer weiterem Fortsetzung folgt nur noch (p. 348.) eine an diesem

- Orte völlig unpassende Tabelle der einzelnen Topen.

82) S. in Anm. 69. die vom mir dort besonders betonten Worte xcz8' aùτὸν

&ίλημμένος.

83) S. Anm. 68., hauptsächlich dem Schluss derselben, sowie den Schluss der

Amm. 67.

84) Bei Petrus Hispanus unmittelbar nach dem Obigen (Anm. 80.) folgend.

85) Allerdings fehlt dieses Capitel bei Petrus Hispanus, hingegen fand ich es

in jener Pariser Handschrift, welche die Dialektik des Wilhelm Shyreswood ent

hält, unmittelbar nach der Lehre von der Supposition eingereiht.

86) Es versteht sich von selbst, dass das Nähere im XVII. Abschnitte ent

wickelt werden wird, woselbst ich bei jenen Partien der lateinischen Schul-Logik,

welche bereits hier aus Psellus vorgeführt sind, mich kürzer fassen nnd Manches

durch blosse Werweisung auf das hier Gesagte erledigen kann, hingegen jenen

Rest, dessen griechisches Original wir nicht mehr besitzen, ausführlicher dar

stellem muss.

288 XV. Psellus.

gleichfalls enthaltem habem muss *"). Ja ich habe allerdings auch an

die fast abstruse Möglichkeit gedacht, dass der uns erhaltene Text der

Synopsis nur fälschlich den Namen des Psellus trage und zuletzt nichts

Amderes sei, als eine von einem Griechen (ungefähr um d. J. 1400)

angefertigte Uebersetzung der Summula des Petrus Hispanus; und wer

dieses Hirngespinnst weiter zu verfolgem Lust hätte, könnte allenfalls

darauf hinweisen, dass in der Synopsis Priscianus erwähnt wird (Anm.

19) und an zwei Stellen in Beispiel-Sätzem der Name Cicero's vor

kömmt **). Während jedoch Letzteres wahrlich nichts Auffallendes hat,

sobald wir uns erinnern, dass die griechische Schul-Logik dem Boethius

gekannt haben muss (Amm. 15 u. 28), und auch ausserdem bezüglich

des Uebersetzens gerade aus Petrus Hispanus der directe Gegenbeweis

geliefert werden kann *°), so liegt sicher das Hauptgewicht darauf, dass

es ein unerklärbares Wunder wäre, wie denn mehrere Pariser Logiker

in gleicher Behandlungsweise auf einem so ausgedehntem und vordem

unbekannten Zweig der Dialektik hätten verfallem können, wenn sie

micht gleichmässig durch ein neu aufkommendes Material hiezu veran

lasst wordem , wärem ; ja eine schon oben (Anm. 16) erwähnte Einzel

heit wäre noch wunderbarer, dass memlich zwei Autorem unabhängig

von einander bei dem nemlichen Capiteln die nemliche verkehrte Reihem

` folge eingeschlagen hätten. Doch wir wollen eine blosse Hallucination

micht weiter erörtern, sondern in der unverrückbaren wissenschaftlichen

Ueberzeugung, dass jene mehreren Lateimer nur aus Psellus schöpften,

belhauptem wir , dass in der Synopsis auch noch Folgendes enthalten

gewesen sein muss. -

Zunächst nemlich musste sich an 0biges dasjenige anreihem, was

bei den Lateinern bezüglich der ampliatio (wohl „αύδησις“ oder „êrtov

άησις“) und der appellatio (doch wohl „τQogyogto*) und restrictio

(wahrscheinlich „uείωσις“, schwerlich „6v6τολή“) besprochen wird *'").

87) Freuen würde es mich, wenn ich hiedurch die gelehrte Mitwelt oder

allenfalls auch Nachwelt aufforderm könnte, in den Bibliotheken Nachforschungen

über Handschriften der Synopsis anzustellen; meine Ansicht könnte durch neue

Entdeckungen ja nur bestätigt werden, indem eine Widerlegnng derselben auch

danm nicht einträte, wenn die Werstümmlung des Textes noch an mehrerem anderen

fragmentarischen Handschriftem sich zeigte. - -

88) S. Anm. 71. nnd ausserdem V, 8, p. 256.: T67τος ἀπὸ μ&govg èv ποσό

τητι ..... oiov ,,>a)xQατης τgézet xc.) IIλάτων τgéyet xαι Κιxégov tgéχει“,

xai 7t€Qi t(öv άλλων τῶςαὐτως.

89) Bei Psellus nemlich lautet eine Stelle (V, 3, p. 226.): IIagdóg*yucz ôé

?ατιν, όταν ἐν , u&gtxòv άποδεικνύηται δι' άλλον μεQuzoù, èv ois óuotöv

τι εὐg£oxev αι, ός , τὸ τοῦς €9mgc.tovs Meyageυσι πολεμεῖν xaxóv èατι, xαι

τὸ τοῦς Kogiv9tovg ägc. 24gyεζοις πολεμέίν xaxóv èóτι*. Und wenn hiefür

bei Petrus Hispanus (Summul. V, 2, fol. 36 ä.) steht: Exemplum est, quando unum

particulare probatur per aliud propter aliquod simile repertum in ipsis, ut ,,Leodien

ses pugnare contra Tongerenses malum est, ergo Mechelinienses pugnare contra Lova

nienses malum est“, so ist klar, dass derjenige der Uebersetzer ist, welcher ein

traditionelles Schul-Beispiel durch Anspielungen auf Zeitereignisse (Kämpfe zwischen

den Städtem Lüttich, Tondern, Mecheln und Löwen) umschreibt.

90) Die vernünftigere Anordnung dieses Stoffes im Wergleiche mit jener des

Petrus Hispanus erscheint allerdings bei Wilhelm Shyreswood und Lambert von

Auxerre, insoferne diese Beidem in der appellatio die Hauptsache erblicken und

erst mittelbar mit derselben die ampliatio iind restrictio verbinden.

XV. Psellus. 289

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lil ut\

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„i*

„«;i*

…**

pr*

a ad #

[…”

ha?

Und nachdem auch schon hier sowie im 0bigen (Anm. 71) zur Erläu

terung Sophismen beigezogen waren, ersclieint es immerhin als möglich,

dass Alles bis hieher von der significatio (σημασία) Gesagte nur als

Einleitung zu den Sophistici Elenchi betrachtet wurde, und demnach

dieser letztere Abschnitt aus Aristoteles bei Psellus nicht schon weiter

oben (s. Anm. 65), sondern erst hier eingereiht war ° '). Mochte je

doch dem sein, wie es wolle, so musste jedenfalls in der Synopsis

noch eine ausgedehnte Gruppe anderweitiger Erörterungen gefolgt sein.

Während nemlich das Bisherige überwiegend nur die Subjects- und

Prädicats-Begriffe der Urtheile betroffen hatte, war noch übrig, nun

aueh die logischen Functionem jener übrigen Redelheile zu betrachten,

welche wir schon oben (Anm. 9) unter dem Namen ovyxotrjyoQevuata

vorläufig erwähnt fanden "*). Und die Compendien der Lateiner zeigen

uns, dass in diesem Theile der Dialektik zuerst von der distributio

(wahrscheinlich wohl „διανομῆ“ oder etwa „τά διανεμητικά*) die Rede

war, woselbst es sich um die Worte omnis, nullus, nihil , uterque,

meuter, non, totus, qualislibet, quantuscunque, infinitus (also um άπας,

oῦδείς, οὐδεν, ἐκάτεgog, oùòêregog, où, δῖος, όττοιοσοῦν, όττοαοσοῦν,

άπειρος) handelte und Sophismen, welche durch dieselben entstehen,

zu lösen waren "*). llieraüf musstem jene Redetheile gefolgt sein,

welche zur völligen Werdeutlichung des Sinnes eine nähere Auseinander

setzung bedürfen, d. li. die ea ponibilia (wohl offenbar „ἐκδετικά*),

wozu lie exclusiva (etwa „άποκλειστικά*?), die eaeceptiva (wohl „#£av

getuxê*), die reduplicativa (sicher „άναδιπλαστικά*), sowie die Worte

incipit et desinit („ügyérou xaì ììyei*?), abermals infinitus, sodann die

comparativa et superlativa (sicher ,,ovyxQvtvxà xαι ύττεgδετικά“), sowie

differentia (etwa „διαφορικά*) und noch einmal totus (όλος) gehörten **).

Endlich aber scheinen aueh noeh die übrigen Conjunctionen (σύνδεσμοι),

soweit sie nicht schon in dem Worigen erörtert worden, noch speciell

in die Dialektik beigezogen worden zu sein °°). Auch mag bemerkt

91) Wenigstens ist zu beachten, dass Wilhelm Shyreswood in der That erst

von der appellatio aus auf die Soph. Elenchi übergebt. Auch wäre das Hinweg

fallem dieses Abschnittes bei Psellus dann leichter erklärlich, wenn die Sophistik

erst in jenem Theile besprochen gewesen wäre, welcher für uns überhaupt verloren

ist. Petrus Hispanus aber und Lambert v. Auxerre hätten eben dann aus eignem

Gutdünken in diesem Punkte die aristotelische Reihemfolge hergestellt, indem sie

die Soph. Elenchi aus jenem Verbande mit der σημαστα herausnahmen und un

mittelbar nach der Topik folgen liessen.

92) Wahrscheinlich bietet Wilhelm Shyreswood das Richtige dar, indem in

der Handschrift der Dialektik desselben der ganze das Folgende umfassende Ab

schnitt unter dem Titel Syncategoreumata eingeführt ist.

93) Die Reihenfolge in der Besprechung dieser Worte ist bei Wilhelm Shyres

wood und Petrus Hispanus allerdings nicht die gleiche, jedoch Ersterer hat über

haupt das ganze Material weit selbstständiger verarbeitet, und wir dürfen mit Sicher

heit schliessen, dass der Letztere als getreuer Uebersetzer uns die Anordnung

überlieferte, welche bei Psellus selbst sich fand.

94) Auch hier arrangirt Wilhelm Shyreswood mit Uebergehung einiger der

genannten Worte die übrigen mach eigenthümlichen Gesichtspunkten.

95) Bei Petrus Hispanus findet sich allerdings kein eigenes den Conjunctionem

bestimmtes Capitel, hingegen Wilhelm Shyreswood bespricht die Worte si, nisi,

quin, vel, an, sive.

PR Antl., Gesch. II. ' 19

290 XV. Psellus.

•.

werden, dass in diesen Erörterungen theilweise die Lösung von So

phismen versucht würde, bei fast sämmtlichen aber für die logische

Praxis mehrere schulmässig formulirte regulae („xovöveg*, wie wir

solche schon oben, z. B. Anm. 18, 22, 44, trafen) aufgestellt warem,

so dass die Synopsis jedenfalls von Anfang bis zu Ende in diesem

äusserlich formellen Punkte sich getreu blieb 9°).

Billiger Weise aber drängt sich uns die Frage auf, wie denn wohl

alle diese Dinge, welche wir von Amm. 66 an erwähnen musstem, in

das Compendium des Psellus gekommen seien, und es wird sich dieser

Frage auch Derjemige nicht entziehen können, welcher etwa die Unter

suchung bloss auf den uns überlieferten griechischen Text beschränken

wollte und es in Zweifel zöge, dass auch all jenes Uebrige ursprünglich

gleichfalls in der Synopsis enthalten gewesen sein müsse. Was aber

die Beantwortung betrifft, so sind wir in Folge des Materiales, welches

bis zum heutigen Tage der geschichtlichen Forschung zu Gebote steht,

leider nicht in der Lage, jenes „Woher ?“, dessen Ergründung wir uns

wahrlich stets bisher zur Aufgabe gemacht haben, hier mit Bestimmtheit

angeben zu können.

Im Allgemeinen wobl steht fest, dass stoische Schuldoctrin, d. h.

Grammatik und Rhetorik, in den Betrieb der Dialektik sich reichlich

verfloehtem haben müssen (vgl. oben Amm. 17), um zu solch einer

Theorie der qnucrgio: und der logischen Function derselben zu führen;

aber die einzelnen Fädem der Entwicklung oder etwa gar die einzelnen

Autorem, durch welche diess geschah, machzuweisem, ist uns nicht mehr

möglich. Ja wir sehen uns hei dem bisher zugänglichen griechischen

Grammatikerm und Rhetoren vergeblich selbst um mehrere der oben

erwähnten Worte oder Begriffe um, und auch die uns erhalteme Gram

matik des Psellus selbst 97), — allerdings ein äusserst kurzer und arm

seliger Abriss —, enthält bezüglich der uns interessirenden Frage

schlechthin Nichts. Höchstens einzelne Bausteine, welche dann später

allmälig mit anderen zu einem Ganzen verbumden wordem sein müssem,

können wir sowohl bei Grammatikern als auch bei Rhetoren wiederer

kennen. So ist z. B. nicht bloss der Begriff der σημασία selbst ein

bei vielen Grammatikern vorkommender *°), sondern wir finden auch

bei Dionysius Thrax eine Aufzählung der Unterarlen des Substantivums

(övoμα), welche mit einzelnen der oben erwähntem Punkte sich be

rührt, insoferne die Begriffe des πQogrjyoQικόν, des £g0tmuatuxöv (tig,

96) Eben dieser gleichbleibende Charakter des Ganzen, wornach die zum

Auswendiglernen bestimmten zgvövss überal] ein Uebergewicht behampten, wiirde,

weun es noch nöthig wäre, einen wesentlichen Beweis darbietem, dass auch jener

Rest, welchen wir ausschliesslich nur aus den Lateinern kennem, ursprünglich

ebenfalls bei Psellus sich gefundem haben muss.

97) Toù ugxgggtotóvov ύττεgttuov zvgo&Jgov τόν quÅqσόφων xögov

14ιχαήλ τοῦ φελλόύ στέγοι πολιτixo) 7rgòς τὸν ρασιλεα χύgov Kovoràv

rivov τόν μονόμαχον πεδί τῆς yQcquucztuxijg. Gedruckt bei Boissonade, Anecd.

graeca IlI, p. 200 ff.

98) Es scheint unnöthig, für diesem allgemein recipirten Begrifr die einzelnen

Belegstellen aufzuhäufen.

XV. Psellus. - 291

ποίος, τόσος), des ávaQpogixóv (τοσούτος, τοιούτος), des ἐπιμεριζό

μεvov (§τεgog, £xársgog, £καστος), des áögtotov (όστις, όττοῖος, ότόσος)

erscheimen "°); ebendaselbst treffen wir auch eine Eintheilung der Con

junctionem, welche zu dem traditionellen Umkreise der Schulgrammatik

gehört und offenbar in späterer Zeit noch entschiedener als schon früher

bei den Stoikern (s. Abschn. VI, Amm. 122 ff.) eine Aufnahme in die

Logik fand '""). Während aber unseres Erachtens allerdings es haupt.

sächlich die grammatischen Anschauungen waren, welche einen Einfluss

auf diesem Zweig der Dialektik ausiùbten , finden wir doch hinwiederum

auch in der • Rhetorik manche Einzelheitem, welche um so eher in die

Dialektik hinübergenommen werden konntem, je mehr von Ambeginn an

die Topik (mit Einschluss der Sophistik) ohnediess dem rhetorischen

Gebiete näher gelegen war, und wenn wir bedenken, dass die Erörte

99) Bekker Anecd. II, p. 636 f. : 'Y7roT£/ τωx ε δέ τφ άνόματι ταῦτα, à

zαι αὐτά είδη πQogayog* j* t gt * xùguoy, ngosnyoQtxóv, £7ri9ετον, τgός τι

£χον, ός πQός τι, ἐχαν, όμωννμον, , gvvojvvuov, φεσιόyvuov, διωγvuov,

?7ταδννμον, ?9yuxóv, £goornu cctvxóv, άδgtotov, άναqogtxóv, ... πεQιληπτι

xóv, £a tuaegi ju£vov, ίί εQvôx tuxóv, πεττδιημενον, yévxóv, είσιxόν, τάχτι

zóv, ági 9μητιχόν, μετουσιαστιχόν, ἀπολελυμενον ..... IIgos myoQuxòv ôé

?ott τὸ xov vjjv οὐσίαν σημαίνον ..... `Ego τηματιχόν δὲ ἐστιν, ό και ττεν

ατιχόν καλεῖται , τὸ κατ* £gait nou v λεγόμενον, οίον τάς, ποίος, τόσος,

A mátxos. 24ögιστον , δὲ ἐστιν τὸ τφ £gστηuστικὰ ἐναντίως, τιθέusvov, oiov

όστις, ότιοῖρς, όπόσος, ότηλέxos.] 24υαφόgtxòv δε ἐστιν, δ xcä öuoiou«

a vxòv xccì òειx tuxòv xccì àvrw7τοσοτιzòv xa) &ίται, τὸ δμοίωσιν σημαίνον,

oiov τοσούτος, τηλιzoῦτος, τοιούτος. Hiezu mag z. B. auch beigezogen werden,

was sich bei Planudes 7ι εg) ovvr(;3&0s (Bachmann, Anecd. graeca II, p. 137.)

erhalten hat: τά άόguot α, τούτο μέν ἀνόματα ταῦτο δέ èziaggijuata, xα90

Àuxijv 7iQoq ogäv äyovv α σννα9Qoiovtxijv τοῦ ττλη9ovs xtxì âgçuoù τούτων,

zτεgì óν όιαλεγόμέ9α, ἐκ τε τῶν ἀναφοQuxóv xaì , τοῦ „άν* j ,,qùv* ovv

6éóuov ή τοῦ „Öij7iov&* αυντά}εται, οῖον τές, όστιςοῦν, .... δ ποιοςοῦν

u. S. W.

100) Ebend. p. 642 f.: Σύνδεσμός ἐστι λέις συνόδουσα διάνοιαν μετά

τ έεως χαι τὸ τῆς ἐgunv&fws x8yrjvòς πλngoÜga. Tóv òè συνδέσμων ......

ανμπλεκτιχοὐ μὲν εἰδιν, όσοι τὴν ἐQunvstav £7r' άτες; èxq&Qouévrjv ovv

êéòvσιν, είσι δε , οῖόε : uév, òé, τ§, xtat, άλλα ..... διαζενχτιχά δε είσιν,

όσοι τ ν μέν qggouv ovvòéovσιν, ἀπὸ δέ πQgyug τος εἰς πgάγμα διαστῶ

αιν, εῖσι δὲ δῖδε* jj, jjrov .... σνναπ τιxoì òé &totv, όσοι ύπασάιν μέν οὐ

ῦηλοῦσι, σημαίνονσι δε άχολουθίαν, είαι δέ οῖδε τ εί, εττεg .... 7τggwgvv

ajituxo} δε είσιν, όσοι μεθ' ύτέgάεως xgì τέιν δηλούμιν, είσι δέ οίδε '

87. st, £n stat eg ..... αίτιοῖοyuxoù ôé siguv, ögov £7r' άποδόσει αὐτόας παQα

λαμράνονται, είσι δέ οίδε '. £va , öqQ«, özτως, ἐνεκα, ούνεκα, ότι, διότι

... ἐπρgnuaiuxoi δε είαν, όσοις ἐτάiggoῦντες εἰῶσαμεν xgijo&at, sioì òè

oíòs* &gt;, xάτα.... gvâÄoyιστιxoù ôé êïóιν, όσοι τgòς τὰς ἐπιφQgάς τε xaì

αυλληιρέις τὸν ἀποδείζεὸν εὐ διάxεινται, εἰαι δέ σῖδε' ägt;, άλλα, άλλὰ

ujv ...... παραπλngωματικοι δε εἰσιν, όσοι, μέτgov ij xóauov, èvéx&v 7tago

λαμβάνονται, είσι δέ οίδε δή, ἀέ,_^^j, aov, τοί..... τινός δέ πQocau8£σαι

xa\ ?vtcvtvoucatuxoùs, oiov ἐμπτης, δμως. Eine Wervollständigung oder weitere

Ausführung dieser Lelire vom den Conjunctionen, welche für die byzantinische

Schul-Logik bezüglich der ovyxwv nyoQevuata sicher von grosser Wichtigkeit war,

suchen wir vergebens bei den übrigen späterem Grammatikern; auch die armenische

Uebersetzung des Dionysius Thrax selbst (s. Mémoires et disserlalions sur les anti

quiles nationales et etrangeres, publiés par la sociele royale des anliquaires de France,

Vol. VI, p. 1 ff.), welche übrigens manche Zusätze enthält, bietet hier Nichts dar.

19*

292 XV. Psellus.

rumg und Lösung einzelner Sophismem mit mehreren Capiteln der Lehre

von den proprietates terminorum verbunden wurde (— ganz abzusehen

davon, ob unsere Wermuthung über die dem Sophistici Elenchi ange

wiesene Stelle, Anm. 91, wirklich berechtigt sei —), so muss es uns

immerhin sehr wahrscheinlich dünken, dass auch die Rhetorik ihrer

seits ihren Beitrag zu -jenem neuen Bestandtheile der Schul-Logik ge

liefert habe. Vor Allem ist es die reiche Saat der τgόποι, welchen

zuweilen eine logische Seite abgewonnem werden konnte, und unter

diesen dürfen wir wenigstens die cógnoug ''') um der ampliatio willen

nicht unerwähnt lassem. Es mag aber auch beachtet werden, dass

Hermogenes, an dessem Technik sich bekanntlich eine Menge von Com

mentatören anschloss, bei der rhetorischen Theorie bezüglich der τρόσ

covc. (worin eine Brücke zur suppositio personalis liegen könnte) neben

anderen Momentem namentlich aüch τά όgiou£va, τὰ πρός τι, τά κατά

gvutìowrjv und τὰ τgognyoQixd erwähnt 10*), sowie dass derselbe ge

legentlich der τεgußo\), welche das Gegentheil der καδαρότης ist,

gleichfalls in dem Begriffe des πQogλαμβάνειν einen Gegenstand berührt,

welcher mit der Lehre von der Supposition verwandt ist '"*). Endlich

noch scheint der Begrift der ἐκδετικά (erponibilia) auf einem Momente

zu beruhen, welches zwischen Grammatik und Rhetorik schwankt oder

vielmehr jener stoischen Verquickumg der Dialektik mit jenen beiden

anderem Disciplinen angehört; denm in solchem Simne trafen wir schon

früher die ἐκδετικά άδιαδματα als eine eigene Species des Urthei

les 104).

All das eben Erwähnte jedoch besteht nur in Einzelheiten, und

101) Longin. de subl. 12. (Rhetores graeci, ed. Spengel, I, p. 260.), Longin.

rhetor. (ebend. p. 301. u. 326.), Anon. rhet. (ebend. p. 440. u. 457.) und sonst

noch häufig.

102) Hermog. de arte rhet. 1. (bei Spengel II, p. 133 f.): Tòv ούν πQog

w37των τ ά μὲν ἐστιν oiv xaì òóvcro 9ca ?$st cáéo 8«t; τά δέ ού, τόπου δὲ

άλλως ἐπ€χει προσωπον- τόν δ' αῦ, ἐάειαζομένων ioyvggrάτην μέν έχει

Júvauv τά όQuouév& xgì xúgia, oiov ö Ifsguxlijs, ô Z1nuoö 9évmς καί

τά τοιαύτα ' ἀεντ€Qccv òè τὰ Ἀgός τι, οίον πάτης, viös, όδύλος, δεσπό

της' τQίτην τά διαρερλημένα, oiöv άσωτοι, μοιχοί, κόλακες' τετάgτην τά

j$uxâ, oiov ystogygt, λχνοι , xg τά όμοις' πόuatnv τὰ κατὰ συμπλοκήν

δύο τggsnyogvöv, oiov véos πλοῦσιος ..... §ztmy τά xtztà gvu7τλοxijv 7rgooj

Tov xaì 7tgdyuatos, oiov μειgάxvov xaìàoT Éóu£vov φεύγέι ποgvstvs* §3

douov τά άπλά πQosmyoQtxâ, oiov στgστηyός, άητωg.

103) Hermog. zi. ίδεόν. I, 11. (p. 316. Speng.): Tfysv αι τοίννν πεgußgλ)

xgτ' ἐννοιαν μέν, όταν ήται ἐόδέν τι τgόςλαußáv/jg tovt(p, τεgi όδ

Àóyg$, gigv. yévos εἰδει .... jj άόgro rov ógrojì£vo'..... ij όλον μεget .......

(p. 318.) i όταν μῦ μιλά λεγη τά πgάγματὰ μηδέ x«9' ἐαντά, άλλὰ μετά

τῶν 7r«g«xgλονδούντων,, oióv τόπον, χόόνον, αὐττας, τgogojTov, xai £r.

yvojums τοῦ προσωπον, άπλῶς τ ε πάύτων τῶν τοιούτων. Aehnlich Aristides

de arte rhet. b. Spengel II, p. 472.

104) S. Abschn. VI, Amm. 115. Mit dem aristotelischen oder theophrastischen

Begriffe der éx980, § im kategorischen Syllogismus (Abschn. IV, Anih. 554. und

Abschm. V, Anm. 50.) haben die 8x9ετιxà dieser späterem Logik keinenfalls etwas

zu schaffen. Hingegen bildet die ἐκδεσις als eine ,,Werdeutlichung** wieder ein

;*;;;- Capitel in der Rhetorik, z. B. Aphthon. Progymn. 5 f. 5. Spengel II,

p. -

δ

XV. Johannes Italus. 293

es wäre thöricht, zu glauben, dass hiemit die Entstehung jener ausge

dehnten und völlig schulmässig formulirten Lehre bezüglich der σημασία

etwa nachgewiesem sei. Zwischen der grammatischen und rhetorischen

Litteratur, welche uns noch zugänglich ist, umd dem Compendium des

Psellus muss eine reiche Entfaltung der Schul-Logik stattgefundem haben,

derem geschichtlicher Werlauf uns bis jetzt — vielleicht auch für immer

— verschlosseri ist 1"°). Indem es jedoch wahrscheinlich ist, dass

die schulmässige Consolidirung dieses neuen Zweiges der Dialektik auf

Einem relativ älterem Kern zurückweise, an welehen als an die ursprüng

liche Grundlage das Spätere amsehoss, so darf ich vielleicht die Ver

muthung aussprechen, dass wir möglicher Weise den Themistius (s.

Abschn. XI, Anm. 92 ff.) für diese logische Behandlungsweise gramma

tisch-rhetorischer Momente verantwortlich machen müsstem; denn der

selbe ist unter den älteren Commentatoren wohl derjenige, welcher am

meisten das Studium und die Praxis der Rhetorik mit der Thätigkeit

eines sogenanntem Philosophen verband, und falls unsere obige Annahme

(Anm. 41 u. 64) richtig ist, dass in der Synopsis des Psellus für die

Kategorien ebensosehr wie für die Topik Themistius der ursprüngliche

Führer war, so scheint derselbe für die Schul-Logik überhaupt eim

gewisses Ansehen genossen zu habem, wornach es jedenfalls sehr er

klärlich wäre, wenn man die Lehre von der σημασία und von den

ovyxccvnyoQevuc,vc gleichfalls aus ihm entnommen hätte; ja wenn das

letztere dieser beiden Worte sich auch bei Averroes findet 10°), so

könnten wir auch diess zu Gunsten unserer Wermuthung benützen, indem

eben Themistius es ist, welchen gerade für die Topik Averroes eim

lässlich benützte. Doch bei dem gänzlichen Mangel aller präciseren

Anknüpfungspunkte ist jede derartige Wermuthung von geringer Bedeu

tung 107).

Neben Psellus aber kann auch noeh sein jüngerer Zeitgenosse und

Nebenbuhler J o h a n n e s I t a lu s (s. Abschn. XI, Anm. 111) erwähnt

werden, dessen Schriften möglicher Weise einen Eiufluss auf das latei

nische Abendland ausgeübt haben könnem. Amma Commena spricht aus

führlich über ihn, deutet aber dabei — was für uns beachtenswerth

105) Dnrch allmälige Benützung und Veröffentlichung alles desjenigen, was

in dieser Beziehung noch handschriftlich in den Bibliotheken vorliegt, könnte viel

leicht einiges Licht in die Sache gebracht werden; denn wenn auch die griechi

schen Litteratur-Erzeugnisse der späteren Jahrhunderte meistens in der That noch

so umbedeutend und jämmerlich sind, so bleibt ja immer noch, die . Möglichkeit

offen, dass aus der Masse dieses Schundes irgend ein Compendium der Grammatik

oder der Rhetorik sich erhalten hätte und irgendwo versteckt wäre, aus welchem

mit grösserer Deutlichkeit die zur Beantwortung unserer Frage diememdem geschicht

lichen Fädem erkannt werden könntem.

106) Averroes ad Arist. Top. l, 2. (b. Aristot. 0pp. latine, Venet. 1552, fol.

Vol. I, f. 256 a.): Prout facit Aristoteles in libro Perihermenias distinguendo res

ratione dictionum, quando illas distinguit in nomen, verbum et dictionem syncateg0

|rematicam etc. Vgl. folg. Abschn., Anm. 309.

107) Fände sich in einer Bibliothek eine Handschrift jenes Commentares, wel

chen Themistius zur aristotelischen Topik verfasste, so müsste meine Wermuthung

sofort sich entweder bestätigem oder sich widerlegem.

294 XV. Johannes Italus.

ist — zugleich an, dass Grammatik und Rhetorik nicht die starke Seite

desselben gewesen seien, sondern er sich mehr auf die reine peripa

tetische Dialektik beschränkte 1"*), woraus wir jedenfalls schliessen

müssen, dass, wenn seine lilterarischen Erzeugmisse vom den Laleinern

benützt wurden, sicher nicht eine Wirkung derselben anzunehmen ist,

welche jener des Psellus gleichkäme. Indem von der ausgedehnten

schriftstellerischen Thätigkeit des ltalus durclaus noch Nichts durch dem

Druck veröffentlicht ist, darf ich wohl erwähnen, dass eine in der

Münchner Staatsbibliothek befindliche Handschrift mehrere logische Schrif

ten desselben enthält '"°). Es zeigen uns dieselben in schliehter an

spruchloser Form den ganz gewöhnlichen Inhalt der Schul-Logik oder

108) Anna Commena, Aleaeias V, 8, p. 257. (ed. Schopen): Oίτος δε ό Ίτα

λός .... ögum τα μέν ἐ. 'IraAtgs xgì èv tj xvxe) ίς ἐq' ixttvòv διετQιιμε

- - - - - 'Exsúeí ôè 'ούτος ό Ίταλὸς, οὐχ οὐδ' άττως, την Κονσταντινούπολιν

xxxt&λαβεν ἀπάσης παιδεδας xtx\ τεχνης λoyuxijç oùx èvδεός ἐyovoav .....

(p. 258.) Oüτος ούν τοῦς ἐνταῦ9α Τάχονταζ ό Ίταλὸς εὐgnxóç xaì àvôgê

αιν όμιλήσας σχολαστιχοῖς .... παιδείας τοίννν λoyvxijg èç èx&tvov μετα

oyóv xaì Myójλ £x&tvq tj J{ελλφ ἐν ύστερφ πσοςωμάλησεν ..... Τούτφ

yöÜv ό Ίταλός πQosoplùijoag £v άπαιδεύτφ j9&t xgì 8aQßaguxj oùx ijô

vtao quÀoooq tas sic βά8ος ἐλθεῖν, διδασκάλων όλως ύηό* £v τφ μαν

8ανειν άνεχόμενος , θρέσονς ἄν μεστὸς και άπονοίας ßêgßaQvxijs ft&vtov

τε xg9v7t&gtêgêîv x«î 7τgò τοῦ μάσεῖν οίόμενος, xaì ngòς αὐτὸν τὸν φελ

Àòv èx agóτης άq ετηQίας άντεί έατο, £u3g9Jvcrs- 6è tj διαλεκτιxj u£9n

μεQuvoùç 9ogößovç èv jtgvöijuotg ovv&àçùóεσιν ἐχτοιεῖτο σοφιστιχάς συνεἰgων

?Qεσχελίας, xccì 7täν εῖ τι τοιούτον πQot. 98)ς και αὐ$ις ύπέχων λόγον

τοιοντότgo7tov ..... (p. 260.) 'Ev9« x«î ` τοῦ φελλοῦ μεταχωgrjgwvtog Bv

ἰαντό{γεν.... σύτὸς φιλοσοφτας άπάσης πQo&ot m διδάσχαλος, ὐπατος τόν

quãoo6qov zgmur: ridcrc, xô tês τε Aquo tot &lixês ßtßÄovg xaì τὰs IIλα

τωνικάς ἐσπουδαίεν' xaì ijv μέν τφ δόζαι τολvuά9£ατατος, δεινός δέ

μάλλον εττεg τις άλλος διεgsùyijogo 8cri tóv άλλων τήν δεινοτάτην πεgu

7ιατητιxijv xù ταύτης πλεού την διαλεκτικήν* τQὸς δὲ τάς άλλας τεχνας

τῶν λόγων οὐ τιάνν τι εὐqvóς είχεν, ἀλλά τεQt t & tìjv yQαμματιxijv £yoj

λενε τεχνην και τού άητοgixoù v€¢r¢gog oùx èyεύσατο, οὐδέ £{;i? ὐ λó

yos τούτφ èq iiguooto x«î éìg xóXo$ άπιζεσío. Hiezu Annae Comn. Supple

menta ed. Th. Fr.Tafel (Tübing. 1832. 4.) p. 1.: Me tà yàg τὸν τιάνυ φελλόν

τὸν ἀς είπ η τις ἀπέσης σοφίας καδηγεμόνει και παντοδας ἰδgtv λογιxijs

7 cadêùαεως Τοῦτος (sc. ό Ίτὰ λός) ἐπῦ ταῖς }4Quotor&λιχαῖς τεχνολοytcri s

μέγας ἐδοζεν είναι, δόεν xaì zváo av quâ opua9ij vsoìatwv εῖς ἐάυτόν ἐπε

ozi docto. -

109) Nemlich Codeae graecus Monacensis 99. fol. enthält zunächst (fol. 279—

386.) 'Iwdvvov σοφωτάταν ύπατον xccì διδασκαλον τόν quÃοσόφων, τοῦ

'IraXoù, ἐκδοσις εἰς διάφορα ζητήuata duà tò xtxi Juc:q ögovg τόύς ταύτα

vagoßczáÀouévovg (ein ähnliches Werk wie die IIccvv oòαπῆ διδασκαλεα des

Psellus), woselbst auch eine grosse Menge logischer Fragen sich erörtert findet;

jedoch muss bemerkt werden, dass dieses Werk wenigstens^ nicht aus erster Hand

von Johannes Italus herstammen kann, denm fol. 314. v. lesen wir: „Ioávyns δ

qt}6ooqos ö 'It gλὸς, ό ju&t egos διδάσκαλος, ούτως ' r.itfav, qnoìv, ö

X4guo tot&λns èTtdy&v u. s. g: Sodamm folgt in der Handschrift (fol. 386—423.)

Toù cxùτοῦ ἐκδοσις εἰς τὸ B, T, A1 τόν To7i uxóy, hierauf (fol. 423—431.)

Toù aùτοῦ πρὸς τὸν ßασιλεα zvg. Atvögövvxov ?gtot ijuavta ^ sgì òιαλεκττ

xijs (ein kurzer Abriss der gesammten Logik), hernach (fol. 431—440.) Toû

aùroù êxδοσις πεgì t ijs τῶν αυλλογισμῶν ύλης xai τῆς ovov do&os αὐτόν,

und endlich noch (fol. 440—447.) Toû ` αὐτοῦ u£9o6oc ἀητοguxiis £xόοδεῖσα

XV. Nicephorus Blemmides. 295

die üblichen Controversen der Commentatorem. Bemerkenswerth ist,

dass Italus bei Besprechung der Syllogistik die oben angeführtem Me

morial-Worte des Psellus anzuführem verschmäht 119); hingegen hätte

nicht bloss allenfalls eine Lücke, welche wir bei Psellus trafen (Anm.

56), aus Italus ergänzt werden können '''), sondern es wäre auch

wenigstens möglich gewesen, aus Letzterem die Kunde davon zu schöpfem,

das Galenus nicht drei, sondern vier Schlussfigurem annahm ''*).

Endlich haben wir noch anzuführem, dass in dem Compendium

des N i c e p h o r u s B le m m id e s (s. Abschn. XI, Anm. 177 ff.), wo

derselbe von den Syllogismen handelt, sich jene nemlichem Memorial

Worte finden, , welehe wir oben (Amm. 47 ff.) in der Synopsis des

Psellus trafen, jedoch mit Ausnahme der letzten fünf Schlussweisen

der ersten Figur, indem bei dieser sich Blemmides auf die Aufzählung

der vier aristotelischen Modi beschränkt 118). Uebrigens ist es selbst

chronologisch nicht wahrscheinlich, dass die Lateimer die Memorial

Worte aus Blemmides geschöpft hätten (denn die litterarische Thätigkeit

desselben dürfte fast in eine etwas spätere Zeit fallen, als jene des

Wilhelm Shyreswood), abgesehen davon, dass bei Psellus diese Dinge,

auf welche von den Lateinern ein übergrosses Gewicht gelegt wurde,

in erwünschter Vollständigkeit vorlagen.

Ueberhaupt concentrirt sich, wie es scheint, der byzantinische Ein

fluss ziemlich ausschliesslich auf Psellus, in dessem Synopsis das latei

nische Abendland wie durch Zufall ein ihm vortrefflich dünkendes Com

pendium erhielt. Und wir können diesen Abschnitt nur mit dem Wunsche

schliessen, dass der gelehrten Forschung dereinst gelingen möge, worauf

wir verzichten musslen, nemlich auch noch jene Fäden machzuweisen,

xcct & συνοιμιν. Einem Nachweis anderweitiger Handschriften, in welchen Werke

des Italus enthalten sind, gibt M. Hase in Notices et Evtraits des manuscrits de la

bibl. impériale, Vol. IX, Abthlg. 2, p. 149 ff.

110) Italus hätte wenigstens häufig genug (in den /1ιάφορα ζητήματα fol.

318 f. und fol. 329 ff., woselbst von dem Syllogismen die Rede ist, sodann wieder

in dem an Andronikus gerichteten Buche fol. 428., und ebenso in der ganzen

Monographie über die Syllogismen) Gelegenheit gehabt, seine kürzerem oder längeren

Erörterungen über die Schlussweisem mit jenem mnemotechnischen Schmucke aus

zustatten, wenn er hiezu geneigt gewesen wäre.

111) Nemlich in jenem an Andronikus gerichtetem Compendium bespricht Ita

lus (fol. 429 f.) jene aus der Analytik entnommenem Momente, welche bei dem La

teinern unter der Bezeichnung de potestalibus syllogismorum vorkommen, . jedoch

allerdings in einer Weise, dass nicht angenommen werden kann, die Lateiner hätten

hier ebenso lediglich nur übersetzt, wie sie mit Psellus verfuhren.

112) In deii Auóqog& &ntjuara fol. 330. y. steht folgende Stelle; T£ 6è

gyijuara τὸν συλλογισμόν ταῦτα : ö TaÂnvὸς óè xc.) féragτον, ἐπι tov τοι ς

£jάσχεν είνει, ἐναντίως τQός τὸν Σταy$igftnv q&göuενός, δς λαμπρό

régov άναφανήναι οίόμενος τόν τὴν λόγικήν τgoeyuάτεέαν ἐ$yovu£vgv

πάλαιῶν αἰς ποggωτάiov εὐ9€wg èxTértòx£. Es kömmt demnach diese Stelle,

welche ich im Jafife 1855 noch nicht kannte, aus der griechischen Litteratur als

zweite zu derjenigen hinzu, welche ich Abschn. IX, Amm. 100. bezüglich der soge

manntem Galenischen Schlussfigur anführen konnte.

113) Nicephori Blemmidae Epitome logica ed. Wegelin (Augsburg 1605, 8),

p. 229 ff. -

296 XV. Nicephorus Blemmides.

welche in den letztem Hauptabschnitt der Synopsis zusammenliefen;

denn vorläufig bleibt uns (abgesehem von Psellus selbst) die wahrhaft

ursprüngliche Herkunfi jenes einem Theiles der lateinischen Logik noch

dunkel, welcher bis zum Sturze des Mittelalters dem Unterschied zwi

schen ,,neuer“ und ,,alter“ Logik begründete und, nachdem er eine

lange und wichtige Rolle gespielt hatte, noch weit hinab seinen Ein

fluss erstreckt.

XVI. ABSCHNITT.

E I N F L U S S D E R A R A B E R.

Sowohl über die geschichtliche Thatsache selbst, dass die Litteratur

der Araber auf das Abendland eine ausgedehnte Einwirkung ausübte,

als auch über die Ereignisse und Zustände, durch welche jene Be

rührung zwischem Orient und 0ccident bedingt war, können wir jede

weitere Erörterumg hier füglich bei Seite lassen, da all Solches theils

allgemein bekannt ist, theils ausserhalb unserer hiesigen Aufgabe liegt.

Hingegem darf wohl schon hier — mit dem Worbehalte der máherem

Erörterung im folgenden Abschnitte — die allgemeine Bemerkung

vorausgeschickt werden, dass der Einfluss, welchen die logischen Lei

stungen der Araber auf das lateinische Abendland seit dem Beginne des

13. Jahrhundertes äusserten, völlig verschieden war vom der Wirkung

der byzantinischen Litteratur; denn während die letztere für die latei

nische Schul-Logik und die Gestaltung der Compendien maassgebend

wurde, brachten die ersteren mehr einen gelehrten Betrieb der Exegese

des aristotelischen Organons in Aufschwung, und mit der hieraus er

wachsenden Litteratur der Controversen stelltem sich nun erklärlicher

Weise wieder die Streitigkeiten über die Geltung der Universalien eim,

jedoch mit dem wesentlichen Untersehiede, dass für diese Erörterungen

jetzt durch die Benützung arabischer Schriften eine weil umfassendere

und tiefer einschneidende Basis dargeboten war.

Während aber die arabische Litteratur in Erklärung des Aristoteles

ebensosehr wie auf anderem Gebieten sich unendlich reichhaltig und

manigfaltig entwickelte, so dass sie nach dem Stadium einer hohen

Blüthe wahrlich gleichsam in ihrem eigenen Fette erstickte, war es nur

ein Bruchtheil derselben, welcher dem lateinischen Abendlande durch

Uebersetzung zugänglich wurde und in solcher Form den genamnten

Einfluss ausübte. Und hiedurch sind wir hier an dem Punkte ange

kommen, wo sich der Titel, welchen ich von vorneherein meiner Arbeit

gab, rechtfertigen muss. Denn indem ich eine „Geschichte der Logik

im Abendlande“ schreiben wollte und will, habe ich aus dem weiten

Umkreise arabischer oder arabisch-jüdischer Logik nur dasjenige beizu

ziehem, was in die damalige Sprache des Abendlandes übertragen wurde.

Alles Uebrige sowie zuletzt auch die richtige historische Würdigung

der in das Lateinische übersetzten arabischen Erzeugnisse muss ich

jenem Gelehrten überlassem, welche diesen Zweig der Kunde des Orientes

298 XVI. Die lateinisch-arabische Logik.

zu ihrer speciellen und dankenswerthen Lebensaufgabe gemacht habem.

Ja selbst die blosse Kenntniss der arabischen Sprache — wenn ich

sie besässe — würde weder ausreichen noch mich dazu berechtigem,

in fremde Wissensgebiete überzugreifen; denn wenn ein hervorragender

Kenner jener Litteratur sagt, eine wahrhaft gemügende Geschichte der

arabischen Philosophie müsse erst noch in Zukunft einmal geschrieben

werden '), so leuchtet dieser Ausspruch darum sofort ein, weil Alles

erst moch von der Ausbeutung handschriftlicher, bisher unvollständig

oder gar nicht benützter, Quellen abhängt; eine derartige Aufgabe aber,

welche wohl mehr als Ein gelehrtes Menschenleben in Anspruch nimmt,

kann Niemand nebenbei neben einem anderweitigem Werke erledigen.

Somit also verzichte ich, ohne darum die einschlägigem Leistungen der

Fachmänner *) ignorirt zu haben, vollständig darauf, die arabische Logik

als arabis che hesprechem oder darstellen zu wollem, und indem ich mir

mur die arabisch-lateinische Logik zum Gegenstande mache, verfahre

ieli eigentlich nach dem „Relata refero“, d. h. während ich wohl ge

ahnt zu haben glaube, dass die Berichte und die Auffassungen der La

leiner häufig auf unkritischem Boden beruhen, habe ieh nur zu be

richten, welcherlei Doctrin als arabische aufgegriffen und entweder

beifällig aufgenommen oder aber auch bekämpft worden sei. Ja auch

jene Uebersetzungen arabischer Werke, welche im 13. Jahrhunderte

amgefertigt wurden, zeigen, soweit sie in vollständigen Drucken oder

vereinzelten Anführungen vorliegen, einem Text, vor welchem wir häufig

schlechthin rathlos dastehen und auf Erreichung eines Verständuisses

verzichten müssen ; aber auch in dieser Beziehung müssen wir be

denken, dass die Lateiner jener Zeit eben auf jenen nemlichem Ueber

setzungem fussten, und wir kommem hiemit auch hierin auf den Stand

punkt zurück, dass wir das Arabische mur in jener Form und jener

Beleuchtung darstellen, in welcher die Lateiner es besassem.

Dürfte nun diese Beschränkung auf die secundäre lateinische Litte

ratur wohl von dem Leser gebilligt werden, so weiss ich hingegen

nicht, ob das Gleiche auch bezüglich einer abermaligen Abgränzung

des hier zu behandelndem Stoffes der Fall sein werde. Nemlich es

wird allerdings unbestritten zugegeben werden müssem, dass all jene

Einflüsse der arabischen Denkweise, welche einer Emanationslehre oder

einem pantheistischen Grundzuge näher liegem und durch jüdische Litte

ratur sich theilweise bis zu Spinoza hinab erstrecken, ausserhalb der

Aufgabe einer Geschichte der Logik stehen. Hingegen mag als zweifel

1) Munck, Dictionnaire des sciences philos. I, p. 180.

2) S. in dem so eben genannten Dictionnaire (Paris. 1844—1852, 6 Bande)

die von Munck verfassten Artikel: Arabes, Kendi, Farabi , Gazali, Ibn-Badja, lbn

Roschd, Ibn-Sina, Juifs, Maimonide. Ferner: Fliigel, Dissert. de arabicis scriptorum

graecorum inlerpretibus. Meissen 1841. 4. Wenrich, De auctorum graecorum ver

sionibus syriacis, arabicis, armeniacis persicisque. Lips. 1842. 8. Schmölders, Do

cumenla philosophiae Arabum. Bonn. 1836. 8. und desselben Essai sur les écoles

philosophiques chez les Arabes. Paris 1842. 8. (Uebrigens scheint das Ansehen,

welches Schmölders theilweise genoss, durch Munck a. a. 0. I, p. 179 f. u. ll,

p. 506 ff. mit guten Gründen wankend gemacht worden zu sein; vgl. auch untem

Anm. 68.) Anderes wird am geeigneten 0rte noch besonders anzuführen sein.

!|

XVI. Die lateinisch-arabische Logik. 299

haft erseheinem, wie es hier mit der Erkenntmisslehre zu haltem sei.

Und in dieser Beziehung mnss ich selbst auf die Gefahr hin, hierüber

Tadel zu erfahrem, meinen Standpunkt dahin aussprechen, dass ich naeh

reiflichster Erwägung aller Gründe und Gegengründe zur Ueberzeugung

gelangte, die Erkenmtnisstheorie hier ausschliessen zu müssen. Die

Araber hatten durch Porphyrius sämmtlich einen neuplatonischen Kern

eingesaugt, zugleich aber warem sie durch Alexander Aphrodisiensis *)

veramlasst, sich mit den Schwierigkeiten zu beschäftigen, welche die

Psychologie des Aristoteles darbot. Und so entstandem jene zahlreichen

Erörterumgen der Araber über den intellectus (voυς), an welchen wir

durchaus nicht rühmen können , dass sie eine glückliche Versöhnung

des Platonismus und Aristotelismus beigebracht hätten; denn der pla

tonisch ontologische Objectivismus wird mil dem aristotelischen subjec

tiven Werwirklichungs-Processe des Denkems nur äusserlich amalgamirt.

Das Ganze läuft auf eine Stufenfolge hinaus, in welcher die aristoteli

sche Unterscheidumg des voÜg παδητικός und voÜg ποιητικός mit pla

tonischer Ideenlehre verquickt wird, und innerhalb der mancherlei

Wandlungen, welche diese Lehre besonders bei Alfarabi, Avempace und

Averroes *) erfuhr, liegt der Grundton der Erkenntnisslehre im Folgen

den : Während im Gebiete des 0bjectivem die ewigen Wesenheiten der

Himmelskörper das Princip der Formen des Seienden enthalten, wirkt

im Menschen der intellectus activus auf den intellectus passivus oder

intellectus materialis, und im letzterem liegem : als eim Potenzielles die

intelligibilia materialia (auch formae intelligibiles genannt), welche eben

durch den intellectus aetivus zur Enteleehie geführt werden; hiezu aber

wirken als Mittelglied die Einbildungskraft und das Gedächtniss, d. h.

die sogenanntem formae spirituales individuales, um in höchster und

letzter Stufe zu den intelligibilia speculativa zu führen, in welehem

der intellectus acquisitus jene res ipsissima besitzt, welche ihre reine

Entelechie in sich selbst hat. Und num versteht es sich von selbst,

dass nicht etwa der Werth oder Unwerth soleher Erörterungen für uns

der Bestimmungsgrund sei, dieselben hier aufzunehmen oder nicht auf

zunehmen; sondern das Entscheidende liegt darim, dass all diese Dinge

hei den Arabern in der That neben der eigentliehen Logik nebenher

laufen und auch bezüglich der Frage. über die Universalien, welche wir

hier zugleich als ante rem und in re und post rem treffen werden,

sich recht gut mit einem gewissen aristotelischen Intellectualismus ver

tragen, mochte jene Stufenfolge von den Einen so oder von Anderen

anders modifieirt werden. Hiezü aber kömmt auch noch, dass, wenn

ich überhaupt jene erkenntniss-theoretischen Fragen hier beiziehen würde,

ich nothwendiger Weise die gesammte folgerichtige Entwicklung der

3) S. Abschn. XI, Anm. 21, woselbst ich gleichfalls nicht die Aufgabe hatte,

die gesammte Psychologie Alexanders zu entwickelm.

4) Der Leser selbst wird es für irrelevant halten, welche Schreibweise der

arabischen Namen hier und im Folgenden gewählt sei; die Geschichte der mittel

alterlichen Logik darf sich vielleicht der im Mittelalter recipirtem barbarisch-latei

nischen Wortformen bediemen , ohne hierdurch das bessere Wissen über die rich

tige Schreibung verleugnen zu wollen.

300 XVI. Die lateinisch-arabische Logik.

selben darstellen müsste; die, tiefste und richtigste Consequenz aber

liegt in dem aus der Schule des Averroes hervorgehenden Monopsy

chismus, welcher, wie jeder Kenner zugeben wird, sowohl an sich

als auch in seiner manigfaltigem Bekämpfung wahrlich mit der Ge

schichte der Logik Nichts mehr zu schaffen hat. Somit lasse „ich hier

diesen ganzen Zweig arabischer Speculation bei Seite und werde in

gleicher Weise auch bei den Lateinern verfahren, d. h. auch dori dem

Inhalt der zahlreichen Schriftem De intellectu oder De intellectu et im

telligibili (welche grösstentheils der Polemik gegen Averroes gewidmet

simd) nicht erörtern. An der Beschränkung auf meine specielle Aufgabe,

d. h. auf die eigentliche Logik, welche ja ohnediess bei den Laleinern

parallel meben andere Zweige der Philosophie tritt, gedenke ich fest

zuhalten. Wenn ich in dieser meiner Resignation mach dem Urtheile

des Lesers einem Irrthum begehe, so habe ich wenigstens nicht unab

sichtlich gefehlt. *

Die Araber, welche nur durch die Vermittlung der Syrer dazu

gelangt warem, sich mit dem Erzeugnissen der griechischen Litteratur zu

beschäftigen °), zeigem an inmerer Unselbstständigkeit des philosophischen

Impulses eine grosse Aehnlichkeit mit dem abendländischen Mittelalter;

auch sie verhielten sich weit mehr receptiv, als productiv, und im

Ganzen kann bei ihnen weniger von einer Weiterführung oder Fort

bildung der antiken Philosophie, als von einer commentirenden Thätig

keit die Rede sein. Aber sie unterschieden sich von der analogen

Richtung des früheren lateinisehen Mittelalters nicht bloss durch eine

grössere Raschheit der Assimilation, sondern vor Allem durch den Um

fang des von ihnem benützten Materiales. Nachdem nemlich bei den

Syrern in frappantester Aehnlichkeit mit der älteren Epoche des christ

lichem Abendlandes gleichfalls der Umkreis der Logik sich auf die Isa

goge des. Porphyrius, die Kategorien und das Buch De interpretatione

beschränkt hatte, und unter den weniger beachteten übrigen Theilen

des Organons besonders die zweite Analytik fast gänzlieh unbekannt

geblieben war"), überflügelten die Araber in Folge der einmal em

pfangenen Anregung alsbald die syrische Litteratur und übersetzten nicht

bloss die sämmtlichen Schriften des Aristoteles, sondern auch die Com

mentare des Porphyrius, des Alexander Aphrodisiensis, des Themistius,

und des Philoponus. Und während nun die Araber erklärlicher Weise

auf die nemlichen Controversen hingeführt waren, welche sich vom

Anfange an den Lateinern aus dem Porphyrius aufgedrängt hatten '),

fandem hier die aufgeworfenen Frageii ünd Bedenken auf Grumd einer

' reicherem Litteratur-Kenntniss eine Erörterung, welche an Intension und

Extension die Leistungen des Abendlandes weit übertraf. Eben hierin

5) Ueber diesem für die allgemeine Geschichte der geistigen Kultur höchst

wichtigen Punkt, dessen nähere Erörterung jedoch mns hier nicht berührt, s. E.

Renan, De philosophia peripatetica apud Syros. Paris. 1852. 8.

6) S. Renan, ebend p. 40 f.

7) Ausser demjenigen, was aus dem Umkreise der lateinisch-arabischem Logik

im Folgenden anzuführen ist, s. hierüber auch Schmölders , Essai s. l. écoles

philos. p. 146 ff.

. XVI. Alkendi. Alfarabi. 301

aber liegt der Grund- davon, dass das Bekanntwerden arabiseher Schriften

im Occidente für die Exegese des 0rganons epochemachend wirkte.

Versuchen wir mum, die Thätigkeit der Araber, soweit dieselbe

für die Logik einen Einfluss auf die lateinische Litteratur ausübte, näher

darzustellen, so zeigt sich naeh wiederholter Erwägung doch noch jenes

Verfahren als das bessere, *dass wir für die Eintheilung dieses Stoffes

nieht die inhaltlichen Hauptgruppen der Logik zu Grunde legem, sondern

lieber dem chronologischem Faden der einzelnen Autorem folgem (denn

die jedenfalls umvermeidlichen Rüekweise und Wiederholungen beschrän

kem sich hierdurch immerhim auf eine kleinere Zahl).

Der älteste unter den arabischem Philosophen, nemlich A l k e n di

(Abu-Jussuf-Jacub-Ben-Isaac-al-Kendi, in der Mitte des 9. Jahrh. blühend),

berührt uns hier am wenigsten; denn die Nachwirkung, welche seine

Ansichten in den Schriften des Alexander Alesius, des Heinrich von

Gent und 'des Johann Fidanza (d. h. Bonaventura) zeigen, liegt auf

dem Gebiete der speculativen Theologie *), und sowie sehon bei den

Arabern Alkendi's Commentare zum 0rganon durch die umfassenderen

Leistumgen Alfarabi's in Vergessenheit gerathen zu sein scheinen 9), so

findem wir auch nur ein einziges Mal bei Albertus Magnus bezüglich

eines logiselen Punktes eine Erwähnung Alkendi's 1").

Hingegen A l fara h i (Abu - Nazar - Mohammed- Ben-Mohammed. Ben

Tarkham - al- Farabi, gest. i. J. 950) war im Allgemeinen der Begründer

jener Auffassungsweise und jener Controversen, welche bezüglich der

aristotelischen Logik durch Avicenna, Algazeli und Averroes weitere

Erörterungen oder Modificatiomen fanden. Er bleibt, wie sich von

selbst versteht, im Ganzen dem aristotelischen Standpunkte getreu, wenn

er auch in manchen Einzelheitem auf Grundlage der griechischen Com

mentatorem zuweilem Bedenken oder selbst abweichende Meinungen

áussert, welch letzteres ihm hinwiederum von späteren Arabern sehr

verühelt wurde ''). Unter seinen Commentarem zum 0rganon (— denn

vom Inhalte der Schrift De intellectu sehe ich, wie gesagt, hier völlig

ab —) hat entschiedem jener zur zweiten Analytik (s. untem Amm. 50)

die ausgedehnteste Wirkung auf die Lateiner des 13. Jahrhundertes

ausgeübt; doch sind wir auch über seine Gesammtauffassung der Logik

sowie über seine Ansicht betreffs der hauptsächlichsten Controversen

8) Auch was Hauréau, Phil. scolast. I, p. 363 ff. aus dem handschriftlich vor

handemen Tractatus de erroribus philosophorum (13. Jahrh.) mittheilt, liegt ausser

halb unserer hiesigen Aufgabe.

9) S. Munck, Dictionn. III, p. 443.

10) S. unten Anm. 30.

11) Ps.-Averr. (warum ich diesem Autor als Pseudo-Averroes bezeichne, s.

untem Anm. 289.) .Quaes. in Prior. Resolut., f. 366. r. A. (icb citire All dieses

mach Arist. 0pp. laline, Venet. 1552): Non est (sc. Aristoteles) debilioris considera

tionis inter homines vel minoris scientiae, quam ille , qui dubitat contra ipsum et

in suo tractatu respondet per id, quod ei videtur, et praecipue quando non est visum

illi, qui eum praecesserit, prout invenimus fecisse Avicennam in omnibus suis libris,

et deterius, quod hic novus fecisset, est deviare a sua disciplina et progredi alio

itinere praeter suam viam, ut conlingit Alpharabio in suo libro Logicae et Avicennae

in scientiis naturalibus et divinis. Vgl. Anm. 49.

302 XVI. Alfarabi.

ziemlich himreichend dureh die häufigem Anführungem bei anderen Autoren

unterrichtet 1*).

Alfarabi gibt der Logik eine Beziehung zur Ethik (vgl. Absehn. XI,

Anm. 121), indem die menschliche Wernunft, mag sie entweder bloss

innerlich in der Seele haften oder auch äusserlich im Wortausdrueke

zu Tag treten, jedenfalls ihre höhere umd umfassende Function in der

Unterseheidung des Gulem und Bösen habe, und hiemit die Wahrheit,

welche entweder in letzten unbeweisbarem Grundsätzen vorliegt oder

durch logische Erforschung erreicht wird, diesem Ziele dienstbar sei ;

hierin auch erbliekt •er, insoweit die Logik auf dem äusserem spraeh

lichen Ausdruck eingehen müsse, einen Unterschied derselben von der

Grammatik, welch letztere übrigens ausserdem auch nur auf die Spraehe

Eines Wolkes sich erstreeken könne, während die Logik dem Sprach

ausdruck der Wernunft aller Völker betreffe 1°). Und während so Alfa

rabi den Streit, ob die Logik ein Theil oder ein Werkzeug der Philo

sophie sei (s. Abschn. IX, Anm. 5 ff.), als umnütz bezeichnet 1*), er

12) Ich muss es allerdings sehr bedauern, dass ich des äusserst seltenen

Buches ,,Alpharabii, vetustissimi Aristotelis interpretis, opera omnia, quae latina

lingua conscripta reperiri potuerunt. Paris. 1638. 8.** (dasselbe befand sich nicht

einmal in Qnatremère's Bibliothek) trotz mancher Bemühungen nicht habhaft werden

konmte.

13) Vincent. Bellov. Spee.. doctr. III, 2, f. 39. r. B. (ed. Venet. 1591. f. Vol.

I): Alpharabius in libro de divisione scientiarum: Logica intendit dare regulas, qui

bus orationis veritatem deprehendimus vel intus vel apud alios vel alii apud nos ;

non tamen ad verificandum omnem orationem logicae regulis indigemus; eorum enim,

quibus ratiocinando utimur, quaedam sunt, quae probatione non egent, in quibus

scilicet nullus error esse potest, ut ,,omne totum est maius sua parte*' (vgl. untem

Anm. 60.); alia vero, quae probatione indigent, quia p0test in eis h0m0 decipi.

Et ea quidem, de quibus fit probatio, duo sunt, scilicet sermo in voce, ratio in

mente; interpretatio vero fit utraque. Unde id, quod verificat sententiam apud se,

est logos fiaca in mente, id autem, quod verificat èam apud alium, est logos eaeterior

cum voce; logos autem, qua verificatur sententia, vocabant antiqui syllogismum,

sive fiaca sit in anima sive eaeterior cum voce. Interpretatio itaque logicae sumpta

est a summa intentionis nominis, quae tripleæ est; logos enim, i. e. ratio, alia est

eaeterior cum voce , ..... alia fiaca in animis , ..... tertia vero est virtus creata in

homine, quae discernit inter bonum et malum et scientias ac partes earum apprehen

dit ...... Quoniam igitur haec scientia dat regulas de logo eaeteriore et interiore,

quibus certificatur, utramque vero tertia logos regit et comprehendit id quod rectius

est, idcirco logica a logos secundum tres huius nominis intentiones derivatur. Quamvis

autem plures scientiae dent regulas de logo eaeteriore, sicut grammatica, haec tamen,

quae dirigit ad illud, quod omnino necessarium est, dignior est hoc nomine. Prae

terea ..... grammatica non dat regulas nisi de dictionibus unius gentis tantum, .....

logica vero non dat regulas nisi secundum qu0d convenerint in dictiones omnium gen

tium. Uebrigens ist dieses die einzige Stelle, in welcher Wincentius v. Beauvais

auf dem Gebiete der Logik ein Excerpt aus Alfarabi mittheilt, währemd er in an

deren Theilen seiner Encyplopädie jenen Autor vielfältig benützt.

14) Albertus Magnus, De praedicab. I, 2, p. 3 A. (0pp. ed. Lugdun. 1651,

fol. Vol. I.) : Hanc autem contentionem (d. h., ob die Logik Theil der Philosophie

sei oder nicht) Avicenna et Alfarabius dicunt esse frivolam et infructuosam. Frivo

lam quidem, quia in conlradicendo sibi inlenlionem ad idem eodem m0d0 dictum non

referunt; dicentes enim, logicam philosophiae partem non esse, realem et contem

plativam philosophiam vocant; contradicentes autem his et dicentes, logicam partem

philosophiae esse, omnem comprehensionem veritatis qualitercunque eæistentis, sive in

se sive in nobis cognoscentibus vel operantibus, vocant philosophiam. Et sic frivole

XVI. Alfarabi. 303

hlickt er — und hierin folgen ihm alle Araber — die wesentliche

Aufgabe der Logik darin, dass mam durch Anwendung derselben ,,von

Bekanntem aus zur Erkenntniss des Umbekannten* gelange, und dass

eben hiezu die Beweisführung (argumentatio) das Werkzeug sei 1°).

lndem aber das gesuchte Unbekannte entweder ein Einfaches (incom

pleawm, d. h. ein Begrill) oder ein Zusammengesetztes (compleaeum,

d. h. eim Urtheil) sein könne, zerfalle die Logik eigentlich in zwei

Theile, nemlich in die Lehre der Begriffsbestimmung und die Lehre

iler Bewahrheitung, wovom jedoch der erstere Theil bei den Griechen

fehle '°). D. h. Alfarabi nahm in Folge jenes bei den Commentatoren

eingebürgerten Motives, dass vom Einfachen zum Zusammengesetzten

aufzusteigen sei (Abschn. XI, Amm. 122), Alles dasjenige, was im 0r

ganon betreffs der incompleaea enthalten ist, nur als umerlässliche Wor

bereitung zur Lehre von der Argumentation, welche sich auf die com

pleaea bezieht, und innerhalb der traditionellen antiken Logik hat ihm

das Urtheil nur als Bestandtheil des Syllogismus und der Begriff nur

als Bestandtheil des Urtheiles eine Bedeutung ; nemlich die Erwägung,

dass die Begriffe in dem Verhältnisse einer Unterordnung zum Urtheile

zusammengefügt werden, führt ihn zunächst zu den Universalien (d. h.

zur Isagoge) und zu den Kategoriem und zur Lehre von der Einthei

lung, um hierauf die Modalitäten der bejahenden und der verneinenden

Aussage zu untersuchen; und da mur in solcher Form (d. h. im Indi

cativ) der Satz die Möglichkeit des Walirseins oder Falschseins enthält,

so wird er nun Gegenstand der Syllogistik, welehe eben darum auf

die zweifache Urtheilsform, memlich auf die kategorische und die hypo

thetische, hingewiesen ist und in entsprechender Weise auch zweierlei

Syllogismen zu entwickeln hat ; indem aber zur Beweisführung zunächst

die Auffimdung der erforderlichen Gesichtspunkte gehöre, ergebe sich

die Nothwendigkeit der Topik (vgl. Abschn. XI, Anm. 128), und inso

ferme hierauf zur Beurtheilung das Gefundene nach Form und Inhalt in

seine feste Grundlage aufgelöst werden müsse, reihe sich die erste

Analytik und soilann die zweite Analytik an ; endlich aber, um bei AII

diesem vor Täuschung gesichert zu sein, folge die Kenntniss der Sophi

contendunt non ad idem suam referentes intentionem. Infructuosa etiam huius con

tentio, . quia de proposita nihil declarat intentione.

15) Albert. M. ebend. I, 4, p. 5 B.: Argumentati0 igitur logici instrumentum

est, logica autem generalis et docens de hoc est ut de subiect0 , per qu0d utens l0

gicus in scienlium venil ignoti per nolum; argumentatio igitur logicae docenlis pro

prium subiectum est. Et haec est trium philosophorum sententia, Avicennae scilicet,

Alfarabii et Algazelis.

16) Albert. M. ebend. I, 5, p. 6 A.: Divisio autem logicae et quae sunt partes

ipsius, ut dicunt Avicenna et Alfarabius, accipienda sunt eæ intentione ipsius ......

Logica intendit docere principia, per quae per id, quod nolum est, deveniri potest

in cognilionem ignoti; est autem aut incomplerum, de quo quaeritur, quid sit, aut

compleacum, de quo quaeritur, an verum vel falsum sit ....... Istae ergo sunt duae

partes logicae; una quidem , ut doceanlur principia, per quae sciatur diffinilio rei

et quiddilas;...... altera vero, ut doceantur principia, qualiter per argumentationem

probetur orationis 'veritas vel falsitas (vgl. Anm. 60.)....... Sed prima harum par

tium vel ab antiquis non tradita est, vel ad nos non pervenit; hanc etiam partem

dicunt Avicenna et Alfarabius ad Arabes n0n pervenisse.

304 XVI. Alfarabi.

*

stik 47). Doch knüpft sich hieram auel, noch die Berücksichtigung eines

dem Beweisverfahren nachfolgendem Momentes; nemlich in ähnlicher

Weise, wie wir solches bei den griechischem Commentatorem trafem

(Abschn. XI, Anm. 122 f.), wird auch hier darauf hingewiesen, dass

die ganze Theorie der Argumentation sich je nach dem Stoffe modi

ficire, indem sie in anderer Weise bei den erdichtetem Begriffen der

Poesie und wieder in anderer Weise in der Rhetorik auftrete, was

seinerseits mit dem Gegensatze zwischen Wahrscheinlichkeit und Noth

wendigkeit zusammenhänge '°). Ja, was diese Bezugnahme auf Rhetorik

und Poetik betrifft, so müssen wir bedenken, dass nur aus eben jenen

Auffassungen der Commentatorem der Umstand sich ergab, dass die

Araber (hesonders Averroes) ihre Erklärung der aristotelischen Rhetorik

und Poetik enge an das 0rganon anknüpften (vgl. Anm. 51). Eine uns

17) Ebend. c. 7, p. 9. B ff.: Sicut autem logicus docens quaerere scientiam

incompleaci docet instrumentum, quo accipiatur notitia illius secundum diffinitionem

et ea, quae ad diffinitionem faciunt, et quae diffinitionem circumstant, et quae diffi

nitionem perficiunt, et quae diffinitionem mutant, — sic docens accipere scientiam

compleaci docet syllogismum, qui est illius proprium instrumentum, et docet alias

species argumentationum et principia syllogismi et ea, quae circumstant ipsum, et

partes et materiam, in qua poni potest forma syllogismi, et aliarum argumentationum

formas, et quae syllogismum immutant. Et ideo ea, de quibus habet tractare logicus,

secundum ista dividuntur et multiplicantur. Eius compleaci, cuius potest accipi scien

tia, non est differentia, quia sola indicativa oratio est, cuius est esse verum vel

falsum; et ideo tantum illius scientia potest accipi..... Sed haec est dupleæ, cate

gorica scilicet et hypothetica, sive, ut Arabes dicunt, enuntiatio et coniunctio, propter

quod duas species docet constituere syllogismorum, ..... quamvis hypotheticus ad

categoricum habeat reduci. Constructio autem syllogismi dupliciter fit, .... ad in

veniendum scilicet et iudicandum. Inventio autem esse non potest nisi per habitu

dinem noti ad ignotum, quae habitudo topica est et in Topicorum scientia docetur.

Judicandi autem scientia per resolutionem inventi est, quod resolvitur aut in forma

lia syllogismi principia aut materialia, quae sunt principia certificantia rem per hoc,

quod sunt causae eius , quod sequilur .... Et duae sunt partes , Priorum scilicet

Analyticorum et Posteriorum Analyticorum ..... Ne autem fiat deceptio circa ea, quae

dicta sunt, inventa est scientia de sophisticis elenchis; adhuc autem ne fiat impe

dimentum eae parte eius, qui quaerit accipere, inventae sunt cautelae tentatoris ..... .

Quia vero syllogismus non scitur, nisi sciatur, eæ quibus et quot et qualibus est et

qualiter coniunctus, ideo habet agere logicus de enuntiatione et partibus et qualita

tibus et compositione enuntiationis ; non autem potest sic eae uno in aliud discurrere

ratio, ..... nisi accipiatur, unum esse ordinatum ad aliud per se vel per accidens ;

ordo autem est prioris et posterioris secundum naturam vel esse, et sic accipitur

universale et particulare per se vel per accidens, et sic invenit modum praedicandi

unum de altero vel negandi. Et quoad ordinem inventa est scientia universalium

et scientia praedicamentorum, et quoad modum edicendi unum de alio inventa est

scientia divisionum ; rationis enim opus est ordinare, componere, colligere et resol

vere ea, quae collecta sunt, quo opere utitur quasi instrumento in accipiendo scien

tiam, quando procedit a noto ad ignotum ..... Hae igitur sunt partes logicae, quae

generaliter habent docere modum accipiendi scientiam de quolibet scibili incompleaco

vel compleaco; et hoc iam ante nos determinavit Alfarabius.

18) Ebend. p. 10 B. (fortgefahren): Hic tamen modus secundum materiam, in

qua ponitur, variatur secundum diversitatem materiae, in qua quaeritur scientia ;

nam in sermocinalibus aliter est in grammatica ; ..... aliter etiam est in poetica,

quae eae fictis et imaginationibus movere intendit .....; et aliter est in rhetoricis,

quae dicendi docent copiam ad persuadendum iudicem ..... . Etenim în realibus scien

tiis aliter est in probabilibus et aliter in necessariis et demonstrativis et aliter in

coniectantibus.

XVl. Alfarabi. 305

anderweitig aus arabisclier Quelle mitgetheilte kärgliche Inhalts-Ueber

sicht der Logik nach der Auffassung des Alfarabi sieht von dem auf

das Wahrscheinliche bezüglichen Theilem (Topik, Sophistik, Rhetorik),

sowie auch von der Isagoge völlig ab, stimmt hingegen im Uebrigen

mit deum so ebem Angeführten überein '°).

Folgen wir nun dieser Gliederung des 0rganons, so müssen wir

zunächst es als unzweifelhaft bezeichnen, dass Alfarabi sich auch mit

dem Inhalte der l s a g o g e beschäftigte, denm bei der bestehenden Mei

nungsverselìiedenlieit, ob diesellye ein „Theil“ der Logik sei, entschied

er sich für Bejahung dieser Frage 3°). Insoferne mit dem quinque voces

der Begriff der voae significativa (φων) σημαντική, s. Abschn. XI,

Anm. 64) in Frage kam, unterschied Alfarabi auf Grundlage der grie

chischen Commentatorem eine fünffache Function der Bezeichnung der

Worte *'). Was aber die bekannte Kernfrage über die Universalien

betrifft, so finden wir bereits hier jene Werbindung des Platonismus

mit dem Aristotelismus, welche bei den Lateinern, durch arabischen

Einfluss eine bedeulsame Quelle neuer Controversen wurde; nemlich

schon Alfarabi erkennt an, dass das Singuläre nicht bloss in der sinn

lichen Wahrnehmung sich finde, songern auch im Denken (intellectus)

erfasst werde, und ebenso ist ihm T das Universelle einerseits für die

sinnliche Sphäre ein den Einzeldingen Beigemischtes und andrerseits

ein Erzeugniss der Denkkraft, welche es aus der Erfassung des gleich

artigen Wielen als dem einheitlichen Grund heraushebt **). Und wenn

19) Bei Schmülders, Docum. phil. arab. p. 24 f.: Ratiocinatio eæ duabus rel)us

eonstat, quarum ulteru est de praemissis, quibus raliocinatio efficitur, altera vero de

figuka, ad quam ratiocinutio componitur; harum rerum doctrinam praecipit liber

24 valva uxóv. Praemissue constant eæ terminis et figuris (das Wort figuris scheint

Schmölders in umgenauer Weise zur Uebersetzung gewählt zu haben, denn wir

erwartem eher formis), quae ultimae sunt orationis partes. Rerum, quas oratio ea

ponit, simplicium decem sunt genera, .... quae et Aristotelis libro De praedicamentis

petenda sunt; praemissarum figurae ea ponuntur in libro IIegi ἐgunvstcrc: prae

missae discendae sunt eæ eius libro De demonstratione (d. h. aus der zweiten Ana

lytik). Hi libri, priusquam logicae opera navatur, legantur oportet.

20) Averr. ad Porph. f. 10. v. A: Non video, hoc introductorium esse neces

sarium pro initio sumendo in hac arte ; nam ..... non est pars huius artis ; Abu

nazar vero videtur velle, quod sit pars eius.

21) Albert. M. De praedicab. I, 5, p. 6 B: Logica .... considerat de voce

significante ad placitum, et quid et qualiter significet , quod antiquiores Peripatetici,

ut dicunt Alfarabius et Algazel in quinque modis distinacerunl. Primo quidem et

principaliter dictio significat id, ad quod prima institutione significare est instituta,

ut homo hominem ..... Secundo modo ...., quod ev consequenti supponitur in ipsa,

sicut domus significut fundamentum et parietem ..... Tertio modo, quando res comi

talur significationem ipsius , sicut si paries est, fundamentum esse significat .....

Quarto modo unum est in intellectu alterius , sicut homo' significat animal ......

Quinto sicut 0pp0sitio significat 0pp0sitionem, ..... sicut disgregatio albi significat

aggregationem nigri.

22) Ebend. Anal. post. I, 1, 3, p. 518 B: Dicit enim Alfarabius: singulare

quoddam in sensu est, quoddam in intellectu ; singulare quidem in sensu est mate

riale accidente proprio et incommutabili determinatum; singulare autem in intellectu

dicit hanc formam ab hoc singulari abstractam , quae est in anima uccidens, quod

vocatur habitus vel dispositio ...... Universale autem in sensu dicit Alfarabius eo,

quod in singulari est miactum et confusum, quo hic homo est homo, ...... universale

P R A N t L, Gesch. II. 20

306 XVI. Alfarabi.

'•

die Frage, ob das Universale in seinem Ansichsein das memliche sei,

wie in seiner Wervielfältigung in der Erscheinung, dahin beantwortet

wurde, dass es weder völlig das nemliehe noch auch völlig verschieden

sei, sondern der Unterschied nur in der Form der Bestimmtheit (deter

minatio) liege *°), so konnte nun ehenso im Sinne eines aristotelischen

Intellectualismus gesagt werden, dass das Universale zugleich in multis .

und de multis sei **); und hiernach ist es nicht auffallend, wenn uns

beriehtet wird, dass bereits Alfarabi jene dreifache Unterscheidung in

„ante rem“, „in re“, „post rem“ ausgesproehem habe, welehe wir untem

(Anm. 177 ff.) aus Avicenna anführen werden *°). In der Erörterung

über die einzelnen fünf Worte hat Alfarahi offenbar dem Grund zu jenen

zahlreichen Zweifeln und Controversen gelegt, welche wir bei anderen

Arabern (besonders bei Avicenna) antreffen, so z. B. was die Defi

nition der Gallung *°), oder was einen Verwandtschafispunkt der

Galtung und des Unterschiedes betrifft 27), oder in der Frage über

eine doppelte , Bedeutung der Species, je nachdem mam in derselben

die Unterordnung unter die Gattung oder das Moment der Specialisirumg

hervorhehe **), oder insbesondere in den Untersuchungen über das

Accidens nicht bloss bezüglich der Feststellung der Wortbedeutung 29),

autem in intellectu dicit id, quod in universalitate eae singulis apprehensis agit

intellectus ea, hoc, quod unam rationem videt in omnibus singulariter apprehensis,

quae sunt unius generis et speciei. Et hanc opinionem videntur approbare Avicenna

et Algazel et quidam alii. -*

23) Ebend. De praedicab. II, 5, p. 20 B: Si autem quaeratur, utrum idem

esse sit, quod universale habet per se acceptum et quod habet determinatum et par

ticulatum , dicendum, quod nec idem omnino nec diversum omnino ; sed idem vel

unum dupliciter; in substantia enim idem est, dupleæ autem ut idem et unum in

determinatum et determinatum. Et haec est solutio trium philosophorum, Avicennae

el Alfarabii et eiusdem Joannis Grammatici apud Arabes nominati.

24) Ebend. II, 5, p. 19 B: Idem probatur per diffinitionem universalis tam eae

Aristotelis verbis quum ea, verbis Avicennae et Alfarabii. Est enim universale unum

de multis et in multis; si autem est in multis, non habet esse separatum ab illis;

et ideo dicunt, quod universale est, quod est aptum esse in multis et in hoc differt

a singulari.

25) Ebend. IX, 3, p. 93 A: Attendendum autem est, quod omnia quinque tri

pliciter considerari possunt ..... (p. 93 B) ut dicunt Avicenna et Alfarabius.

26) Averr. ad Porph. f. 2. r. B: Vera diffinitio generis est, quod eæ duobus

universalibus ipsum sit illud, quod universalius est, per quod debet fieri responsio

ad interrogationem factam de aliqua re, quid sit, ' ut diffinivit ipsum Alfarabius,

vel quod sit id, sub qu0 ordinala est species, ut diffinivit ipsemet paulo ante.

27) Divers. Arabum Quaesita, f. 380. r. B: Speculemur sermonem Alfarabii

dicenlis, quod genus et differentia conveniant in eo, quod ulrumque eorum notificat

essentium et substantiam speciei, nisi quod genus notificet substanliam speciei, in

;? genium alia, differentia vero notificat substanliam speciei, qua determinalur

quò αt?? S. -

28) Albert. M. De praedicab. IV, 2, p. 37 A: Alfarabius et Avicenna duas

hic inducunt quaesliones. Una quidem, quia cum duae sint assignationes, una spe

ciei subalternae, altera speciei specialissimae, ad quam illarum nomen speciei prius

translalum sit ......; altera autem quaestio est, cum duae sint speciei diffinitiones,

secundum quam illarum species est universale unum de quinque universalibus.

29) Ebend. VII, 1, p. 74 A: Avicenna dicit, antiquos, qui de quinque tracla

verunt universalibus, esse diminutos, qui descriptiones accidentis posuerunt, ante

quam dislinguerent, in qua significatione accidens accipitur, secundum quod est

XVI. Alfarabi. 307

send;; auch in kritisehen Zweifeln über die Angaben des Porphy

rius 30).

Was sodamm die Kat eg o ri e n betrifft, so scheinen bei Bespre

chung der Einleitungsworte über die Verhältnisse des Homonymen,

Synonymen u. dgl. die Araber überhaupt sich an Porphyrius (s. Abschn.

XI, Anm. 65) angeschlossem zu habem und hiedureh dazu gelangt zu

sein, die „analogen“ Begriffe als eigene Species zu zählen *'). In dem

wichtigsten Theile aber, nemlich in der Erörterung der Kategorie der

Substanz und ihres Verhältnisses zu den übrigen Kategoriem, waren ja

die Araber durch ihre Kenntniss der gesammtem Schriften des Aristoteles

und insbesondere der Metaphysik wesentlich unterstützt und konnten

daher Erklärungen beibringen, welehe dem tieferen Sinne des Aristote

lismus treu blieben. So hat sclion Alfarabi völlig richtig gegen die

Auffassung polemisirt, dass das ,,ens“ über die Substanz, hinaus als der

oberste Gattungsbegriff zu betrachten sei (Abschn. VI, Anm. 76 ff. u.

Abschn. XII, Anm. 89), weil bei „ens“ michi von einer Auffassumg einer

Gattung innerhalb einer Species, sondern von dem actuellen Dasein

überhaupt die Rede sei **), und ebenso konnte in aristotelischer Weise

(s. Abschn. IV, Anm. 473 ff.) das eigentliche Wesen der Substanz in

jenes begriffliche Was (quid) verlegt werden, welches darin eine ge

wisse Aehnlichkeit mit dem Stoffe besitzt, dass es in individueller Deter

mination erst das Ziel und die Werwirklichung seimer Bildsamkeit er

reicht **), womit sich dann desgleichen eine richtige Auffassung des

unum quinque universalium ...... (p. 74 B.) Restat ergo quaestio, quid sit accidens,

secundum quod est unum quinque universalium, secundum Avicennam et Alfarabium.

- - - - - (p. 75 A.) Tale ergo universale praedicabile de multis per hoc, quod nolio

tolius est sub esse accidenlali huius accidentis, ut dicit Alfurabius, est universale

quinlum, qu0d v0catur accidens ...... Dicit Avicenna, quod accidentale his accidens

vocatur, quand0 uccidens quintum universale dicitur esse.

30) Ebend. VII, 2, p. 76 B: Assignationes accidentis dalae a Porphyrio et al)

aliis Peripatelicis multipliciter dicuntur esse viliosae et reprehensibiles et dicta 'de

accidente, prout universale est, ab Avicenna et Algazele et Alfarabio et Jacob filio

Alchindi, minus veritatis habere et esse multipliciter imperfecta, in quibusdam non

vera et in quibusdam imperfecta et in quibusdam ad rem non pertinenlia.

31) Ebend. l, 5, p. 7 B: Voci significativae ..... accidunt quinque, scilicet

qu&d sit univoca et quaedam diversivoca, quaedam autem mulliv0ca, eliam quaedam

aequivoca, quaedam vero analogu sive proportiona, quae apud Arabes vocatur con

venientia.

32) Ebend. IV, 3, p. 41 A: Si quis aulem instet et dicat, quod subslantia

habet superius; ens enim est ante substantiam per intelleclum, quia omnis substanlia

est ens, sed non omne ens est substantia, ...... ad praesens sufficiat, qu0d cum ens

praedicatur de substanlia vel res vel unum vel aliquid, non praedicalur praedicatione

generis, cum non sit una ratione praedicatum de his, de quibus praedicatur, sed

per prius et poslerius; sed talia praeducanlur praedicatione principii, non generis.

Et h0c probat Avicenna et Alfarabius et Algazel et omnes Arabes sic: Sequitur enim,

si homo est, animal est, et si animal est, corpus vivum est, et si vivum esl, cor

pus est, et si corpus est, subslantia est, propler intellectum generis in specie. Sed

non sequitur, si subslanlia esl, ens est, quia, sive sit aliquod sive non, semper

genus sequilur. ad speciei p0silionem;..... cum autem dicitur ens absolule, non in

telligitur misi ens actu earistens, et ideo non sequitur, si substanlia est, ems est,

quia esse ens accidit omni ei, quod est.

33) Ebend. De praedicam. II, 1, p. 106 A: Principiu uutem substanliae pro

20 *

308 XVI. Alfarabi.

Entblösstseins (privatio, s. Absehn. IV, Anm. 401 ff.) verbinden kommte,

insoferne dasselbe zwar nicht an sich schon als artmachender Unter

schied bezeichnet werden kann, wohl aber in Folge des sprachlichen

negativen Ausdruckes diese Funetion erhält **). Folgerichtig ist es aueh,

wenn bezüglich der Kategorie der Relation, welche am weitesten von

der Naturhestimmtheit entfernt liegt (Abschn. IV, Anm. 313 u. 533),

der bloss subjective Standpunkt des vergleichendem Denkens hervorge

hoben wird °°). Hingegen entsehied Alfarabi die bei den Commenta

torem vielbesprochene Frage, unter welche Kategorie die Bewegung

falle (Abschn. XI, Anm. 150), auf Grundlage jener dortigen Contro

versen dahim, dass sie zu dem Kategoriem der Substanz, des Wo, der

Qualität und der Quantität gehöre *").

Auch in der Lehre vom U r t h e i I e, d. h. dem Buche De interpr.,

werelen wir dem Alfarabi wohl nur als eimen Commentator betrachten

dürfen. So unterwarf er z. B. die Definitionem des Nomen 37) und

des Verbum *°) einer kritisehem Exegese, oder besprael, die Bedeutung

des Prädicates als das Verhältniss einer begrifflichen Inhärenz im Sub

pria sunt id, qu0d est quid et formabile, quod est non materia quidem, sed mate

riae proportionem habens in e0, quod sustinet se formans, el in eo, quod formabile

est; et secundum principium, quod est dans esse habens proportionem ad actum for

mae, qui est determinare ad esse et finire et distinguere, sicut dicunt Aricenna et

Alfarabius. Haec autem , quae dicta sunt, valde notanda sunt , quia solvuntur per

ea multae quaestiones.

34) Ebend. De praedicab. V, 7, p. 66 A: Quamvis enim, sicut dicit Avicenna

et Alfarabius, irrationale et alia similia privative vel negative accepta non dicant

vero nomine differentias, eo quod differentia nonnisi positive polest significari, tamen,

quia propria nomina differentiarum non habemus , unam notam differentiam ponimus,

et aliam per privationem eiusdem significamus, quae est speciei subalternae, quae

ponitur sub genere. -

35) Ebend. De praedicam. IV, 1, p. 141 A: Avicenna et Alfarabius dicunt,

qu0d nulla forma, quae sit ens , est in re, quae non sit absoluta secundum esse,

quod habet in ipsa ; ..... sed comparatio , quae fit rerum ad invicem secundum

formas quae sunt in rebus, fit actu rationis; ..... comparationis ergo forma, quae

est in his , quae sunt ad aliquid, non est res , sed ratio, ut videtur.

36) Levi Gerson , Praedicam. f. 24. v. A : Sunt quoque aliqui, qui putant,

quod agere et pali dicanlur de generibus motus tantum, videlicet de motu, qui est

in substantia et in ubi et qualitate et quantitale, ...... et videtur esse sententia %l

farabii iudicio meo.

37) Divers. Arab. Quaes. f. 381. r. B : Diffinivit Aristoteles nomen in libro :

Perihermenias, quod sit dictio significans impositione abstracta a tempore ....., et

divit Abunazar Alfarabius: omnes eæpositores convenerunt, quod adiectio dicti ,,im

positione** sit superflua , eae quo dictio non significat nisi impositione, et ideo diaee

runt, quod per dictionem hic ille intelleæerit vocem ...... Abunazar vero divit, quod

detulerit illam, quia aliquando vocantur etiam multa, quae canit animal, dictiones

ob esse illorum eæpressionem proæimam expressioni dictionum hominis.

38) Albert. M., Periherm. I, 3, 2, p. 255 A: Haec autem diffinitio verbi ab

Alfarabi0 sic eaeponilur, quod consignificare tempus dicit duo; unum eæ intentione

principali et alterum eae consequenti; eae principali intentione consignificare tempus

dicit , quod non est significare tempus vel significare rem, quae necessario est in

tempore, sed per modum, quo cum tempore, h. e. per modum agere vel moveri .....

Eae consequenti dicitur hoc , quod praesupponit, scilicet quod verbum est voae signi

ficativa ad placitum, quia, ut dicit Avicenna, verbum, quod hoc modo consignificat

cum tempore, non habet eae se, sed a placito imponentis.

XVI. Alfarabi. - ' 309

*

jecte °°), wobei er sowohl auf jene nemliche Schwierigkeit stiess, mit

welcher schon die äfleren Lateiner (s. Abschn. XIV, Amm. 211) sich

bezüglich eines aristotelischen Beispieles beschäftigt hatten 4°), als aueh

auf jenen Abweg hinwies, welcher sich öffnet, sobald das im Urtheile

versteckt Enthalteme sämmtlich ausgesprochen werden wolle *'). An

dere Controverspunkte scheint er hauptsächlich bei Gelegenheit der Syl

logistik erörtert zu haben. -

Insoferne er aber sodann die T o p ik als die Lehre von der in

ventio noch vor den beiden Analytiken behandelte (s. Anm. 17), so mag

es genügen, zu bemerken, dass wir auch bezüglich dieses Zweiges der

Logik durch Citate Anderer Notizen über eine commentirende Thätigkeit

Alfarabi's besitzen 43). -

Was sodann die e r s t e A n a ly ti k . betrifft, so müssen wir zu

nächst ein äusserliches Moment erwähmen, welches zwar allerdings dem

Alfarabi weder allein nocli aueh als Araber berührt, sondern in der

laleinischen Uebertragung arabischer Litteratur überhaupt liegt; wir

findem nemlieh in jenen Uebersetzungem bei Erörterung der Syllogismen

meben der üblichem Terminologie „propositio“ häufig auch das Wort

„praemissa“ angewendet, welches sich in der ganzen vor-arabischen

Litteratur der lateinisehen I.ogik nicht findet **). Der Inhalt hingegen

der ersten Analytik bot, sowie bei den griechischen Commentatorem,

so auch hier nur in wenigerem Punklem eiiie Gelegenheit zu Meinungs

verschiedenheitem dar. Solcher Art nemlich war zunächst die Frage

über das Dictum de omni und Dictum de nullo (Abschn. IV, Anm. 538),

welches Alfarabi in einheitlich gleichmässiger Weise bei allen Urtheils

formen, d. h. sowohl bei den Urtheilen des Stattfindens als auch bei

jenen der Möglichkeit und der Nothwendigkeit, als den Kern der ge

* samintem Syllogistik betrachtet wissen wollte **). Hieran aber schlossen

39) Ehend. De praedicab. VIII, 8, p. 86 B: Dicunt Avicenna et Algazel, quod

haec semper vera est ,,Socrales est homo“ et haec ,,homo est animal'* .... et omnis

illa propositio, in qua praedicatum est de ratione subiecti et clauditur in intellectu

eius. Ebend. De praedicam. VII, 9, p. 184 A: Et hoc manifestum est per Avicen

nam et Algazelem et Alfarabium dicentes, sicut verum est, quod quando praedicatum

concipitur in ratione subiecti, talis propositio vera est sive re eæistente sive non

earistente. -

40) Ps.-Averr. Quaes. in Periherm. f. 361. r. A: Eremplum illius, quae re

rificatur composita et falsificatur divisa, est, prout dicimus ,, Homerus est poeta“,

- - - - - quia res connera non sit opposita rei , cui connectitur, nec in potentia nec in

actu, sicut est oppositio nominis hominis ipsi morluo, et secundum hunc intellectum

sermonis philosophi hoc loco convenerunt omnes eæpositores, prout retulit Avicenna,

et haec ipsa est opinio Abunazar , sicut videtur de suo sermone in libro Elen

chorum. -

41) Albert. M., Periherm. II, 1, 5, p. 276 A: Quodsi de composito componentia

divisim praedicantur, .... deducetur ad nugationem implicitam ...... Si enim sic

dicatur ,,Socrutes est homo“, per hoc quod dico ,,homo“, ponitur el bipes, et bipes

etiam addilur, ergo Socrates est homo bipes bipes ; similiter .... Socrates est homo

homo, et sic in infinitum. Et scias, quod hunc modum sic ponit Alfarabius.

42) Averr. Top. f. 266. r. A mmd f. 298. v. B, sowie Ps.-Arerr. Epitome f. 348.

v. A m. f. 358. v. A (warum „Pseudo-Averroes“, s. untem Anm. 290).

43) Das Wort ,,pruemissa** s. z. B. Anm. 48, 276, 365 u. s. f.

44) Ps.-Averr., Quaes. in Prior. Resol. f. 367. v. A: Credidit Abunazar, prout

310 XVI. Alfarabi.

*.

sich sodamm auch Bedenken über das Verhältniss an, in welchem , das

Urtheil des Stattfindens zu den beiden übrigen Artem stehe, ob die lelz

teren in ersterem bereius versteckt enthaltem seien u. dgl., wobei. auch

die einschlägigen Stellen aus der Lehre vom Urtheile (Absehn. IV,

Amm. 278 f.) in Betracht kamen 4°). Ein, fermerer Gegenstand der Con

troversen, in welchen Alfarabi erwähnt wird, lag in der Umkehrung

der Möglichkeits-Urtheile und der Nolhwendigkeits-Urtheile *"), sowie

in der Entwicklung jener Schlussformem, welche sich aus Combinationen

der drei Arten der Urtheile ergeben *"). Wichtiger jedoch als diese

letzteren bloss exegelischen Bellenken ist die Auffassung Alfarabi's be

züglich jener. Stelle, in welcher Aristoteles von den Woraussetzungs

Schlüssen spricht (Abschn. IV, Anm. 580 ff.), denn erklärlicher Weise

spielte hier die gesammte Theorie des hypothetischen Syllogismus, wie

sich dieselbe seit Theophrastus und Eudemus entwickelt halle, mit

herein. Und so beansprucht demn auch Alfarabi eine gleichmässige'

Geltung der aristotelischen Definition des Syllogismus sowohl für die

kategorisehe als auch für die hypothetische Form desselben, indem in

heidén Formen die Stellung unâ Bedeutung des Untersatzes wechsel

seilig eine völlig proportionale sei; jedoeh hält er dabei die Bestiinmung

als wesentliehe fest, dass die hypothetische Form mur dann wirklich

als Syllogismus zu bezeiehnen sei, wenn der Untersatz (und hiemit

auch die syllogistisehe Werknüpfung) nicht schon an sich selbst bekannt

sei, sondern ersi als nenes Verbindungsglied hinzukomme *°). Wenn

videtur eae eius sermone, quod conditio ipsius ,,dici de omni** communis huic libro

sit, quod A dicatur affirmative vel negative de inesse vel necessario aut, possibili de

omni eo, quod sit B in actu aut p0ssibiliter aut necessario. , Ebend. f. 363. v. A.

Averr. Prior. Resolut. f. 65. v. B: El hoc est, in quo direvit Abunazar menlem

suam contra Aristotelem; ..... non est conditio dicti de omni in omnibus tribus pro

positionibus, h. e. absoluta et necessaria et possibili, una, veluli eæistimavit Abuna

gar. Gleichfalls über das dictum de omni ebend. f. 72. v. B. u. f. 106. r. A.

45) Ps. Averr. a. a. 0. f. 364. r. A: Quae vero propositio sit propositio de

inesse, eæpositores quidem contendunt in hoc. Quidam enim ipsorum dicunt, quod

ille voluerit per ,,de inesse**, quod praedicatum insit subiecto absolute, et quod haec

contineat necessarium et possibile et ens in actu, et hoc finacit Alfarabius, quod esset

opinio Themistii et Ammonii . .... De Alexandro vero finaeit Alfarabius, quod inten

derit per enuntiationem de inesse illam, quae inest in. actu, quae est naturae con

tingentis, qua est universalis tempore sensato, prout dicimus ,,omnis homo nunc est

albus'*, hoc enim non est impossibile ...... Aleaeander vero, prout concepit de eo

Alfarabius, dicit, quod intendat per absolutum ipsum (d. h durch das Uriheil, in

welchem die Modalität nicht ausgedrückt ist) absolutum secundum dictionem et non

secundum signum, sicut dicit ibi Alfarabius: absentia m0di est indicium modi. Vgl.

ebend. f. 362. r. B u. f. 366. r. B. Was hierüber bei Averr. Prior. Resol. f. 68.

v. A u. f. 74. v. B sich findet, gehört zu jenem verzweifelten Stellen, in wel

chen die Uebersetzung schlechthin sinnlos ist. -

46) Ps.-Averr. Quaes. in Prior. Resol. f. 363. r. A (s. Abschn. IV, Anm.

543 ff.).

47) Ebend. f. 365 r. B. u. f. 370. v. B.

48) Ps.-Averr. Quaes. in Prior. Resol., f. 368. r. A : Circa hoc autem est

non parvum dubium, nam iam putatur, quod diffinitio syllogismi simpliciter con

cludat ambos syllogismos simul , h. e. categoricum et conditionalem, quia· sicut in

syllogismo categorico ponuntur duae praemissae et ea, eis infertur alia res necessario,

sic etiam in syllogismo conditionali ponuntur duae praemissae, quarum una est con

XVI. Alfarabi. 311

aber sodann. auch noch berichtet wird, dass Alfarabi manigfache Be

denken über die arislotelische Begründung der Induction (Abschn. IV,

Anm. 642 ff.) geäussert habe *°), so dürfte auch hieraus hervorgehen,

dass derselbe in solch principiellen Fragen, zu welehem auch jene über

die Berechtigung der hypothetisehen Syllogismen gehört, sich durch

dem Standpunkt der Commentatorem (s. Abschn. XI, Anm. 166 und be

züglich der Induction ebend. Anm. 160) zuweilen zu unaristotelischen

Annahmen verleiten liess (vgl. oben Anm. 11). .

Seine einflussreichste Sehrift aber war entschiedem die Bearbeitung

der z weile n A n a I y ti k, auf welche unter dem Titel „De demon

stratione“ häufig verwiesen wird, wenn aueh Einige dieselhe für un

vollendet hielten °"). Den Ankniipfungspunkt der zweiten Analytik an

die erste fand Alfarahi darim, dass nach der Darlegung der Formen des

Schliessens nun auf den Stoff übergegangen werden müsse; indem aber

dieser in dem Urtheilen liege, sei zu erwägen, dass die Urtheile in

fünf Unterschieden — was in ächt arabischer Weise durch Verglei

chung mit dem Golde klar gemacht wird — sich von dem schleclithin

Wahren zum schlechthim Falschen abstufem, und dass alle diejenigen

Urtheile, deren Wahrheit nicht bereits feststeht, sondern erst auf dem

Wege der Disputation gefunden werdem soll, abermals eine Manigfaltig

keit vom dreizehm Alostufungen zeigen, von welchen jedenfalls die fünf

höheren Grade in dem demonstrativen Wissen ihre Verwendung und

Formirumg finden; kurz die Wissenschaft der Beweisführung (s. oben

Anm. 15) müsse ehen auf die verschiedenem Arten der Urtheile, welche

in dem verschiedenen Zweigen des Wissens ausgesprochen werden, als

ditionalis et repetita est categorica. Ac etiam in scientiis iam reperiuntur multa

quaesita, quae ostenduntur per syllogismum conditionalem simpliciter. Et proinde

ait Abunazar, quod proportio partium illorum, qui conteacuntur eæ demonstrationibus

conditionalibus, sit proportio partium illorum, ex quibus contezuntur categorici, et

divit in libro Priorum Analyticorum, quod syllogismi, qui componuntur per locum

inferentiae conneacionis, .... sint conditionales, et ostendit, quod haec loca sint

demonstrativa, .... et sic de reliquis locis, eæ quibus conteaeuntur syllogismi con

ditionales. Totum itaque hoc est, quod dubitatur circa hunc sermonem. Quod vide

tur autem eae intentione Abumazar et Avicennae, est, quod ipsi concedant, quod dif

finitio syllogismi simpliciter contineat ambos syllogismos ......... (f. 369. v. A.)

Quidam syllogismi sunt orationes procedentes processu conditionis et illi sunt in rei

veritale syllogismi conditionules, quorum repetitum et coniunctio est ignota; sequitur

άutem ..... Abunazar, quod non sit syllogismus conditionalis ille, cuius repetitum

sit per se notum et coniunctio per syllogismum. Vgl, Averr. Prior. Resol. f. 83.

v. A.

49) Averr. Prior. Resol. f. 123. v. A: Secundum hoe solvuntur omnes dubita

tiones , quas est assecutus Abumazar.

50) Averr. Poster. Resolut. f. 212 v. A: Quod autem Abunazar non attigerit

locum istum (d. h. Arist. Anal. post. II, 8.), manifestum utique per verba sua in

libro ipsius De demonstrationibus et eae verbis suis in libro Elementorum. (Jedoch

statt Elemenlorum, welches allerdings in dem hierauf folgenden Zeilem abermals

sich findel, scheint nach einem anderem Citate — s. dasselbe oben Amm. 40 —

wohl Elenchorum gelesen werden zu müssen.) Ps.-Averr. Quaes. in Post. Resol., f.

376 v. B: Totum aulem hoc significat, quod liber Abunazar De demonstratione non

dum fuerit completus, nam polius putandum est hoc de Abunazar, quam qu0d sit

putandum, quod latuerint eum hae res. Vgl. ebend. f. 374. v. B. Hiezu den

Schluss der Stelle ans Albertus Magnus in der folg. Anm.

312 XVI. Alfarabi.

auf ihren Stoff eingehem, und darum folge auf die Syllogistik das demon

strative Verfahren ° 1). Insoferne aber hiebei nicht bloss die Urtheile

als Stoff der Schlussform hetrachtet werden, sondern auch hinwiederum

der Inhalt der Urtheile selbst in Frage kömmt, scheint Alfarabi hier

über das eigentliche Wesen der aristotelischen Apodeiktik aus dem

Gesicht verloren zu haben ; denn er fasste die Urtheile nun nicht mehr

bioss nach jener Seite auf, vermöge deren sie in ilirem verschiedemen

Formen auf verschiedene Weise zur Ergründung der Wahrheit benützt

werden, sonderm er zog auch den sachlichen Inhalt derselben bei, in

welchem sie zu den Einzel-Wissenschaften verarbeitet werden, so dass

Manche sogar glaubten, Aristoteles habe den Einen der beiden Gesichts

punkte übersehen; und insoferne die zweite Analytik nicht bloss das

Werfahren des wissenschaftlichen Beweises, sondern hauptsäehlich auch

das Wesen der Definition bespricht, verfuhr Alfarabi allerdings folge

richtig in gleicher Weise auch bezüglich der Definition, indem er neben

einer allgemein formellen Seite derselben eine specielle und auf die ein

zelnem Zweige des Wissens abzielende Function des Definirens hervor

hob ; sonach also zerfiel ihm das bei Aristoteles zweigegliederte Ganze

in vier Gruppen **). Sowie aber Alfarabi in solchem Sinne sogleich

51) Albert. M. Anal. post. I, 1, 2, p. 515 A : Quod autem iste liber immedi

ale sequatur librum priorum secundum, ..... sic probant Avicenna et Algazel et ante

hos Alfarabius. Scientia enim syllogismorum formativa in figura et ordine prima

est inter scientias, quae sunt de syllogismo. Propositiones enim, ea, quibus fit syllo

gismus, ut dicunt, ad syllogismum se habent in quinque ordinibus, ut quinque modis

se habet aurum ad artificiatum, quod fit eae auro; materia enim syllogismi pr0p0

sitiones sunt ...... Sunt quinque ordines in auro, quod quidem primo in ordine

obrizum eacaminalum et depuratum , u. s. f. ..... Similiter propositio habet quinque

ordines; in primo enim ordine est illa, quae est vere credibilis sine dubitatione et

deceptione ....; in secundo ordine est propositio proæima veritati, ita ut difficile

qccidat fallacia opinionis .....; in tertio autem .... opinabilis opinione plurium non

sapientum ..... ; in quarto .... verisimiles, quae cum dolo et simulatione occulta

habent similitudinem verarum ..... ; in quinto ordine est propositio quae scilur esse

falsa ..... Dicamus igitur, quod omnis propositio, quae non est veritatis stabilitae,

sed sumitur ab opponente, in quantum conceditur a respondente, dividitur in tredecim

partes, scilicet primas, quae sunt insensibiles ...., el in sensibiles ..... et eaeperi

nentales .... et in famosas ...., quae conceduntur magis amore boni quam veri .....

et in propositiones mediatas ..... et eæistimativas .... et maacimas ab omnibus con

cessas .... et syllogizatorias ..... et receptibiles sua probabilitate ..... et eus, quae

videntur esse maæimae, non vero sunt ..... et putabiles apud vulgus .... et imita

torias verorum .... et aperte falsas ...... (p. 516 B.) Et eae omnibus talium gene

Irum propositionibus constituuntur argumentationes diversarum facultatum, quae omnes

sunt sub logica in genere accepta, propter quod eliam poetica secundum Aristotelem

sub logica generali continetur (s. oben Anm. 18.); quinque autem species harum pro

positionum, scilicet primae, sensibiles, eæperimentales , famosae et mediatae, con

gruunt demonstrationi in genere acceptae ....... (p. 517 A.) Ev his omnibus patet,

ad quid se eaetendit logica in genere accepta, et quod immediate consequens scientia

ad scientiam de syllogismo simpliciter est scientia demonstrativa. Et haec, quae dicta

sunt, de scientiis Arabum sunt evcerpta, quorum commentum super hunc posteriorum

librum eae sententia Alfarabi Arabis ad nos devenit. Näheres s. untem Anm. 276 ff.

52) Averr., Poster. Resolut. f. 127. r. A: lntentio libri est, speculari de de

monstrationibus atque de definitionibus ..... Demonstrationes namque eae duobus con

sistunt, qu0rum unum , est pr0p0sitiones et hoc est, quod vicem obtinet materiae,

alterum vero est ipsarum compositio et hoc est, quod vicem eæhibet formae ......

XVI. Alfarabi. - 313

die ersten Zeilen des arislotelischen Buches exegetisch erörterte °°), so

bot sich ihm in jener Stelle, in welcher Aristoteles selbst zwischen

apodeiktischem Beweise und Syllogismus unterscheidet (Abschn. IV,

Anm. 651), die Gelegenheit dar, gleichsam eine Erweiterung und Er

gänzung der aristotelischem Lehre beizubringen ; es seien nemlich jene

Erfordernisse, welche dort Aristoteles für das Zustandekommen des

apodeiktischen Wissens aufzählt, nur auf jener Betrachtungsweise be

gründet, nach welcher der Beweis bereits als die potenzielle Entwick

lungsstufe der Definition angesehen werden müsse und hierin allerdings

seine edelste Function besitze (demonstratio nobilissima), denm nach

dieser Seite könne der wirklich apodeiktische Beweis an keine anler

weitigen Bedingungen ausser den von Aristoteles namhaft gemachten

geknüpft werden; hingegen aber enthalte ja der Beweis noch eine

zweite rein syllogistische Seite in sich, nach welcher er nicht Wor

stufe einer Definition sei, sondern lediglieh die zwingende Nothwendig

keit des Schliessens darbiete, und in dieser Beziehung nun sei zu er

wägen, wie der Mittelbegriff, welcher im Syllogismus die wahre Cau

salität repräsentirt (Abschm. IV, Anm. 656—665), in eimer melrfach

gegliederten formalem Stellung zum Oberbegriffe und Unterbegriffe stehe,

indem hiebei in Anschlag kommen müsse, ob in den Pränissen die

Aussage das Verhältniss der Definition oder des Gattungsbegriffes oder

des artmachenden Unterschiedes oder des eigenthiimlieheu Merkmales

oder des zufälligen Merkmales enthalte **). Durch die nähere Aus

Ideo incipit hoc in loco sermonem facere de .... materia ...... Considerat autem in

istis propositionibus numerum ac dispositionem specierum ipsarum, ut eas assequa

mur, quatenus possunt deducere hominem ad veritatem, non considerat autem ipsas,

quatenus sunt una pars entium ...... Differentiae vero ultimae, in quas dividuntur

species demonstrationum eæ parte materiae, sunt differentiae , quae inveniuntur in

demonstratioiiibus, secundum quod ..... sunt utiles ad acquirendam illorum veri

ficationem, non autem differentiae, quae ipsis insunt, secundum quod sunt unum eae

entibus, quemadmodum fecit Abunazar in libro suo. Et propterea quaesiverunt ho

mines nostri temporis circa speculationem de demonstrationibus et eæistimaverunt,

quod illud, quod adduaeit Abunazar hoc in loco, sit res, quam dimisit Aristoteles

hoc in loco ....... In definitionibus non est aliquid procedens modo formae, puta

aliquid commune, neque aliquid procedens modo materiae, ita ut dividatur speculatio

ipsius duas in partes ..... Qui vero eæistimavit, quod in definitionibus invenitur

pars universalis et communis, cuius speculatio praecedat definitiones appropriatas

unicuique arti, is profecto erravit in hoc errore manifesto, quemadmodum existimatur

fecisse Abumazar ...... Non separavit Aristoteles hoc in lil)ro partem appropriatam,

in qua compiletur qualitas faciendi artes, in demonstratione et definitione, quemad

modum fecit Abunazar ...... Et propterea non dividitur speculatio in libro suo qua

tuor in partes, quemadmodum fecit Abunazar.

53) Ebend. f. 128. r. B (s. Abschn. IV, Anm. 88 ).

54) Ps.-Averr. Epitome, f 351. v. A ff.: Sunt ergo conditiones huius speciei de

monstrationis absolute novem conditiones, quarum una est, quod sit vera, secunda

et tertia, quod sit universalis et necessaria, quarta, quod praedicatio sit per se,

quinta, quod eius praemissae sint causa inventionis conclusionis, .... seaeta, quod

praedicatio in eis sit secundum cursum naturalem, septima, quod cum hoc, quod

sunt priores secundum esse ipsa conclusione, sint etiam priores secundum cognitionem,

..... octava, quod praedicatum in eis sit praedicatum prima praedicatione, nona

autem est, quod sint propriae ...... . Hae itaque sunt omnes conditiones, quas Ari

stoteles apposuit, .... et adiecit has conditiones in eis, quia sunt definitiones pro

314 XVI. , Alfarabi.

führung aber dieses Gesichtspunktes gelangte Alfarabi dazu, den demon

strativen Beweis nach der syllogistischen Seite desselben in acht Gat

tungen zu gliedern, welche zusammen dreiunddreissig verschiedene For

men des Schliessens darbietem °°). Wenn aber sodanm der aristotelische

^priae in potentia et universaliter, eae quo sunt nobilissimae et perfectissimae. Quando

vero caperentur acceptione , qua sunt demonstrationes tantum, non apponeretur eis

conditio nisi quod sint res necessaria , quatenus sunt demonstrationes , non res, qua

sunt demonstrationes mobilissimae ; et si intenditur numerare suas species, prout

fecit Abumazar Alfarabius, non adiicietur eis condifio praeter praemissas novem con

ditiones. Re autem ila se habente et ezistente condilione necessaria ....., ea, quo

sunt demonstrationes causarum et inventionis simpliciter, non eæ quo sunt definitiones

in potentia, et termini medii in eis sunt causae, ..... fiunt propria harum specierum,

quod terminus medius in eis sit causa duarum ettremitatum simul .... aut unius

ipsarum tantum ..... Dum observaveris reliquas conditiones et praecipue conditionem,

qua est praedicatum secundum naturalem modum, sunt ergo termini medii definitio

ambarum eaetremitatum aut alterius ipsarum, aut pars earum definitionis aut alterius

ipsarum. Quando autem intuebimur species combinationum demonstrativarum, in qui

bus est proportio mediorum terminorum duabus eaetremitatibus, ..... fiunt combinatio

nes demonstrativae simpliciter octo species relatae in libro Abunazar ....... Nos autem

numerabimus eae istis combinationibus illas, quae possibiles sunt combinari eae his

quinque praedicatis, videlicet ea, genere et differentia et proprio et accidenle et defi

nitione et eae suis convertentibus, in quibus est proportio medii termini ad duas eae

tremitates ...... Et ordinabimus eas secundum ordinem Abunazar Alfarabii .....

(nun folgen ausführlichst jene acht Arten in ihren möglichen Combinationsweisen,

s. dieselben in der folg. Anm.)..... f. 352. v. B: Hae itaque sunt proportiones

demonstrationum simpliciter ad se invicem, et hae sunt suae partes, sicut patet eae

sermone Abunazar. Vgl. Averr. Poster. Resolut. f. 131. v. A.

55) Es mag genügen, dieselben aus dem Berichte eines Gegners Alfarabi's in

aller Kürze vorzuführen, nemlich: Ps.-Averr., Quaes. in Post. Resol., f. 372. v.

A ff.: Oportet, quod numerentur (sc. species demonstrationum) non eae ea parte,

unde finaeit eas numerare ipse Abunazar et deduvit post se homines in confusiones

et labores inutiles et ambiguitates infinitas ; ..... totius autem huius causa fuit re

motio huius viri a speculatione Aristotelis circa has res et deviatio eius ab itinere

ipsius; et idcirco risum est nobis erpediens perscrutari de illis speciebus demon

strationum, quarum meminerat Abumazar in suo libro, quae sint demonstrationes sim

pliciter secundum opinionem Aristotelis et quae illarum non sit demonstratio. Di

cimus itaque, quod prima species primi generis ...... est, quod A sit definitio ipsius

B, et B sit definitio ipsius 0; ........ secunda vero species, quod A sit genus

ipsius B, et B sit genus ipsius C; ..... tertia est, A est differentia ipsius B, et B

differentia ipsius C;..... quarta vero species contraria est primae et est, quod ipsius

A ipsum B sit definitio, et ipsius B sit G definitio;..... quinta, quod in definitione

ipsius A sit genus ipsum B, et in definitione ipsius B sit genus ipsum C;......

serta, quod A sit in definitione B , et B in definitione 0 ...... Secundum vero ge

mus, quod comperimus in suis libris , procedit processu prologi seu petitionis prin

cipii, nam supponit ipsammet conclusionem, prout dicitur, A et B sunt duae defini

tiones ipsius C ...... Tertii vero generis prima species est: A est definitio ipsius

B, et B genus ipsius C;..... secunda, A est definitio ipsius B, et B est differentia

ipsius C;...... tertia, A est definitio ipsius B, et ipsius B definitio est ipsum C;

..... quarta, A est, definitio ipsius B, et pars eius definitionis est genus ipsius

0..... .... Quartum autem genus est, cuius prima species est , quando A est genus

ipsius B, et B est definitio ipsius C;..... secunda, A est genus ipsius B, et B est

differentia ipsius C;..... tertia, A est genus ipsius B, et B est definitio ipsius

C;...... quarta, A. est genus ipsius B, et pars definitionis ipsius B est C;.....

quinta, A est genus ipsius B, et pars definitionis ipsius B est genus ipsius 0.......

Quinti autem generis prima species est, A est differentia ipsius B, et B est genus

ipsius C; .... secunda, A est differentia ipsius B, et definitio ipsius B est ipsum

ê; ...... tertia, A est differentia ipsius B , et pars definitionis ipsius B est ipsum

XVI. Alfarabi. 315

Begriff des xαδ' αὐτό mach einer dreifachen Abstufung des inneren

Nexus zwischen Subject und Prädicat betrachtet wird *"), und im An

schlusse hieran bezüglich des καδδίον der Begrift des „primum prae

dicatum“ dahin festgestellt wird, dass es die wesentliche Gattungs

Bestimmtheit ausspreche °7), so hat dieses die gleiche Tendenz wie

0biges; denn Alfarabi will auch hier die Angaben des Aristoleles nur

auf jene Betrachtungsweise beziehem, wornach die Demonstration in

ihrer höherem und vollkommnerem Function sich zur Definitiom gestaltet,

während dameben noch die Seite der syllogistischen Nothwendigkeit im

praedicatum primum zur Berücksichtigung kommen müsse *°). Auf dem

C;...... et quarta species est huic consimilis ...... Seaeti autem generis prima spe

cies .... est, ipsius A definitio est ipsum B, et B est genus ipsius 0; ...... se

cunda, definitio ipsius A est B, et B est differentia ipsius 0; ....... tertia , definitio

ipsius A est B, et in definitione ipsius B est C; ..... et similiter est quartu species

- - - - - .. Septimi autem generis prima species est, in ipsius A definitione est B, et B

est genus ipsius C;...... secunda, in ipsius A definitione est B, et B est differen

tia ipsius C; .... tertia, in definitione A est B, et definitio ipsius B est 0; ......

quarla, in definitione A est B, et B est in definitione ipsius 0; ...... quinla est,

ut in definitione B est genus ipsius 0 ........ 0ctavi generis prima species est, A

est pars definitionis generis ipsius B, et B est definitio ipsius 0; ....... secunda,

pars definitionis ipsius A est genus ipsius B, et B est genus ipsius 0;...... lerlia,

pars definitionis ipsius A est genus ipsius B, et B est differentia ipsius C; ......

quarta, in definitione ipsius A est genus ipsius B, et definitio ipsius B est 0......

Reliquae vero species, quae putantur, quae ceciderint eæ ipsis generibus , quae nu

meravit Abumazar, comprehenduntur ipsis generibus, et non est visum protrahere longius

sermonem circa ea, quorum meminit hic.

56) Albert. M., Anal. post. I, 2, 6, p. 541 A : Scias autem, quod Alfarabius

super locum istum (s. Abschn. IV, Anm. 132) in commento aliquantulum sequens

Porphyrium et Alexandrum aliter dicit; dicit enim quod tres sunt modi dicendi per

se subiectum de praedicato et praedicatum de subieclo. Et ponit primum modum,

qui potissimus est, quando in natura principii et principiantis est, ut sit in natura

principiati, et iterum cum hoc in natura subiecti est, ut praedicatum sit in eo, sicut

est, in nalura principiati per essentiam, ut principians ipsum sit in ipso, sicut in

natura animalis est, quod sit in homine, et in natura hominis est, ut animal sit

in ipso ...... Secundus autem modus est, quando in nalura et diffinitione praedicati

quidem est , ut dicatur de subiecto, et non est in natura subiecti, ut praedicatum

dicatur de eo, sicut se habent ad invicem corpus et coloratum ...... Terlius autem

modus est, ut sit quidem in natura subiecli, ut praedicalum de eo dicatur, et non

in natura praedicati et ratione, ut ipsa sit in tali subiecto, sicut mors et decollatio

se habent ad invicem ...... Et haec sunt verba Alfarabii sine additione et diminutione

et sine eaepositione, Vgl. Averr. Poster. Resol. f. 137. r. B. u. f. 138. r. B.

57) Averr., Poster. Resolut. f. 138. v. B: Dicitur autem universale (x«86λον,

s. Abschn. IV, Anm. 132.), cum praedicatum inest omni subiecto et per se ..... -

Jam vero contenderunt de praedicato primo in demonstratione. quid ipsum sit. Quod

autem invenitur in libro Abunazaris, est, quod praedicatum primo eæistens in demon

stratione est, quod non praedicatur de genere subiecti. Et sunt qui dicunt, quod

praedicatum primo est, quod non praedicatur de subiecto eae parte, qua inest rei.

Vgl. ebend. f. 141. v. B. Ps.-Averr. Quaes. in Post. Resol. f. 371. v. A : Dicimus

ilaque, qu0d id, quod reperimus circa haec apud Abunazar Alfarabium in libris De

demonslratione, sit, quod iam eaeposuerit praedicatum primum, quod sit illud, quod

non praedicatur de genere sui subiecti, et secundum hoc genus eius est praedicutum

primum, et similiter accidenlia, in quorum definitionibus est genus ipsius subiecti.

Vgl. ebend. f. 375. r. A.

58) Averr., Post. Resolut. f. 141. v. A: Errauit Abunazar, cum declaravit,

quod praedicatorum demonstrativorum alia sunt appropriata et alia sunt non appro

316 XVI. Alfarabi.

gleichen Standpunkte beruht auch, was über die Uebertragung der

demonstrativem Principien in andere Wissenschaften (Abschn. lV, Anm.

661) gesagt wird, indem Alfarabi aueh hier dem saehlichen Stoffe der

einzelmen Wissenschaftem eine neben der Beweisform herlaufende Be

rechtigung zuerkannte °°); und es stimmt hiemit überein, dass er be

züglich der gemeinsamen Axiome (Abschn. IV, Anm. 162), welche hier

in der lateinischen Uebersetzung unter dem eigenthümlichen , Namen

„dignitates“ auftreten, die Auffassung der Commentatorem (Abschn. XI,

Anm. 22 u. 161) theilt und in formaler Lostrennung gewisse umbe

streitbare Sätze, wie z. B. namentlich das principium contradictionis,

als oberste Principien der Demonstration betrachtet ""). Wieles Andere

hinwiederum kann nur als ein Erzeugniss commentirender Thätigkeit

priata et aliqua eae ipsis sunt prima et aliqua non prima; quodsi haec conditio,

quam tradidit Aristoteles, sit propter melius et non conditio necessaria, oportuisset

Abunazarem addere hanc dispositionem, h. e. quod conditionum ..... aliquae sunt

conditiones necessariae, a quibus non effugit demonstratio omnino, et aliquae sunt

conditiones, per quas est demonstratio melior ...... Quodsi est res ita, igitur per

fectio sermonis de conditionibus demonstrativis erit per aggregationem duarum viarum,

h. e. viae Aristotelis et viae Abunazaris, et scietur haec via eæ parte, quae est

bona, et eæ parte, quae est necessaria. Sed Abubecher Elzaigi (d h. Avempace)

in responsione ad hoc divit, quod intentio Aristotelis est alia ab intentione Abuna

zaris, quoniam Aristoteles, cum intentio ipsius sit, quod demonstrationes sunt defi

nitiones in potentia, ideo posuit in ipsis hanc conditionem; Abunazar vero, quoniam

speculatus est de demonstratione eæ parte , quae est demonstratio simpliciter, ideo

divisus est ab Aristotele, ..... et Aristoteles secundum opinionem Abubecheris Elzaigi

adduæit conditiones, per quas fit demonstratio melior et perfectior, et tacuit de ne

cessariis , Abunazar vero e contrario docuit conditiones necessarias et tacuit eas,

per quas efficiuntur demonstrationes meliores. Propter hoc igitur oportet , ut sint

ambae doctrinae deficientes. Haec igitur res latuit multos eæpositores et magnos.

Ebenso ebend. f. 212. v. B.

59) Ebend. f. 150. v. A: Sermo igitur Abunazaris in libro suo De demon

stratione ad finem, cum diaeit de arlibus et declaravit, quomodo communicant scien

tiae et in quo communicant, et eae hoc declaravit, quomodo et quando transferri

possunt demonstrationes de arte in artem et quomodo non possunt, sermo, inquam,

iste non est verus, quoniam intelleacit per translationem illud, de quo dicitur nomen

translalionis , scilicet quod transferatur propositio maior, et hoc, quoniam apparet

ea sermone Abunazaris, quod fateatur, esse quaesitum unum in duabus artibus, et

tamen non fateatur, quod terminus medius est unus; et hoc mirandum est de ser

mone illius. -

60) Albert. M. Anal. post. I, 3, 4, p. 559 A : 0mnes scientiae demonstrativae

communicantes sunt secundum communia principia, h. e. in hoc, quod principiis

communibus utuntur mnæime in usu principiorum communium, quae dicuntur digni

tates, quae, sicut dicit Alfarabius, demonstrationes specialium scientiarum substan

tialiter non ingrediuntur, sed tantum per illa principia confirmantur. Hiemit stimmt

auch überein, was Alfarabi in seinen ,,Fontes quaestionum“ (c. 2, bei Schmölders,

Docum. phil. ar. p. 44.) ausspricht: Ad notiones probandas omnia illa pertinent,

quae sine rebus aliis antea animo conceptis concipi nequeunt; quando e. g. intelligere

volumus, mundum esse factum, nobis primum probetur oportet, mundum esse com

positum ...... Hoc iudicium denique ad ullimum iudicium progrediatur oportet, quod

nullum, sub quod ipsum iterum cadat, iudicium antecedit; haec sunt iudicia primaria

intelleclui manifesta, v. g. ,,duarum enuntiationum contradictorie sibi oppositarum

semper altera est vera, altera falsa“ et ,,totum maius est eius parte** (vgl. oben

Anm. 13). Doctrina has cogitandi vias nos edocens atque hac via et rerum notiones

et probuliones (die gleiche Zweitheilung s. oben Anm. 16.) nobis parans logica

nuncupalur.

XVI. Alfarabi. 317.

Alfarabi's bezeichnet werden 61). Hingegen müssen wir noch um der

Lateimer willen besonders hervorhebem, dass bei jener Stelle, in welcher

Aristoteles bezüglich des definitorischen Wissens das ,,Dass“ und das

„Warum“ hespricht (Abschn. IV, Anm. 688 f.), Alfaral)i gleichfalls das

jenige distinguirend trenmt, was bei Aristoteles innerlieh tiefer verbun

dem gewesen war ; er stellt memlich auf die Eine Seite die ,,demon

stratio quia“, in welcher der Mittelbegriff in keinerlei Weise Causalität

sei, während andrerseits die „demonstratio propter quid“ lediglich dem

Causalnexus entwickle und hiebei sowohl die Ursache des Wesens des

Subjectes als auch die Ursache der Inhärenz des Prädicates im Subjecte

darlege, so dass in dieser Beziehung wieder wie obem (Anm. 54) die

verschiedene formale Stellung des Mittelbegriffes zu den beidem auderem

Begriffen in Betracht kommen müsse; eine dritte Art, in welcher die

beiden Seitem sich vereinigeh, nemlich eine „demonstratio propter quid

et quia simul“, welche bei späteren Arabern noch hinzugefügt wird,

scheint Alfarabi nicht anerkannt zu haben "*). Dass übrigens die Araber

zu dieser ganzem Distinction möglicher Weise durch Galenus veranlassi

wordem waren, s. oben Abschn. IX, Amm. 101.

Was endlich die S o p h i s t i k betriffi, welche Alfarabi in einem

61) Dahin gehört z. B. was die unmittelbaren 0bersätze (Abschn. IV, Anm.

668.) betrifft, s. Averr. Post. Resol. f. 164. v. A, oder die Angaben über das

è nô tê to ù (ebend. Anm. 131, 276, 660.), s. Albert. M. Anal. post. I, 2, 17,

p. 551. , A; über die im Mittelbegriffe liegende Causalität (eb. Anm. 676.), s.

Albert. M. a. a. 0. II, 1, 1, p. 610. A. u. Ps.-Averr. Quaes. in Post. Resol. f. 375. '

v. A; über das Verhältniss zwischem Demonstration und Definition (eb. Anm. 683 f.),

s. Averr. Post. Resol. f. 204. r. A, 206. v. A, Ps.-Averr. a. a. 0. f. 377. r. A,

380. y. B, Albert. M. a. a. 0. II, 2, 5, p. 624. A; über den Aoytxòς συλλο

yισμός (eb. Anm. 688.), s. Averr. a. a. 0. f. 212. v. A; über die Praxis des

Definirens (eb. Anm. 697.), s. Averr. f. 223. v. B u. Ps.-Averr. f. 379. v. A.

62) Divers. Arabum Quaesita, f. 381. v. B ff.: Quia periti speculatores scien

liae logicae iam perplevi sunt circa cognitionem demonstrationum ,,propter quid** et

demonstralionum ,,quia“, et non fuit eis manifestatus ordo, quo discernuntur demon

strationes ,,propter quid** et ,, quia** cum eo, quod tulit Abunazar circa hoc, pro

quo commendandus est. Causa autem suae perpleaeionis circa id fuit id, quod acci

tlit in editione Demonstrationum eæ sermonibus fallentibus corruptis, qui non sunt

de littera Abunazar ..... Et speculabimur id, quod ille retulerat in eius editione.

- - - - - - - Sicque nunc reassumemus pro conformitate sermonis ipsius Abunazar ..... et

dicamus, quod notilia inessendi praedicatum ipsi subiecto, i. e. ,,quia“, sit una

indivisa; scientia vero causae, i. e. ,,propter quid“, dividilur in scientiam causae

essenuli ipsum subiectum et in scientiam causae inessendi praedicatum ipsi subiecto

et in scientiam essendi praedicatum et subiectum simul, prout retulit Abunazar in

libro Elementorum (Elenchorum ? s. Anm. 40. u. 50.); sed ipse non meminit de

scientia causae essendi praedicatum et subiectum simul, et non est aliquis arguens

hoc ....... Medii termini demonslrationum causarum, i. e. ,,propter quid**, aut sunt

definitiones vel partes definitionum duorum eætrem0rum ipsius syllogismi aut alterius

ipsorum, aut habent communitatem cum definitionibus amborum aliquo modo ...... •

Et totum hoc, quod videtur eæ hoc, est sermo Abunazar ad litteram ...... Demon

. stratio ergo ,,quia“ est, cuius medius terminus penitus non est causa ..... Demon

slratio ver0 essendi et causae, i. e. ,,quia“ et „propter quid“ simul, est ipsamet

demonstratio ,,propter quid“, sed dicitur demonstratio ,,propter quid*' tantum una

comparatione ...... Et salis fuit ipsi Abunazar commemoratio demonstrationum „propter

quid“ et demonstrationum ,,quia“, et reliquit commemorationem demonslrationum

,,propter quid** el ,,quia** simul. Vgl. Averr. Post. Resol. f. 161. r. B.

a. -

318 XVI. Avicenna.

besonderen Commentare erörtert zu haben scheint *°), so fimden wir

hier die älteste Quelle jener Zweitheilung des aristotelischem Buches,

welche von den Lateinern recipirt wurde und maehmals auch in allem

älteren Druck-Ausgabem des 0rgarions zur Anwendung kam. Man liess

nemlich beim 16. Capitel (unserer jetzigen Numerirung) ein zweites

Buch der Sophistici Elenchi beginnem, und insoferne dortselbst aller

dings Aristoteles von dem theoretischen Angabem auf praktische Maass

regeln bezüglich sophistisclier Argumentationen übergeht, so hat Alfarabi

hieraus nicht bloss jene Zweitheilung motivirt, sondern auch die An

sicht ausgesprochen, dass das zweite Buch eigentlich als ein Mittelding

zwischen Topik und Sophistik zu betrachtem sei °*). Bei einigen Ein

zelheiten begegnen uns auch hier wieder Hinweisungen auf Alfarabi's

commentirende oder selbst ergänzende Thätigkeit *°). -

Bei Weitem am , ausführlichsten wären •wir über die Leistungen des

A vi c e n n a (Abu-Ali-al-Hosein-Ibn-Abdallah-Ibn-Sina, geb. 980, gest.

1037) unterrichtet, wenn nicht dasjenige, was unter dem Titel „Logica“

mach älterer lateinischer Uebersetzung (wohl hauptsächlich nach jener

des Juden Johannes Avendeath, s. Anm. 163) gedruckt vorliegt °°),

schon sogleieh mit dem Schlusse der Isagoge ahbräche. Jedenfalls ist

diese Sehrift ein Bruchstück jener allumfassenden und breit angelegtem

Encyclopädie Avicenna's ""), und während wir uns aus der Ausführlich

* keit dieses ersten Theiles eine Vorstellung von der einlässlichen Be

handlung des Uebrigen machen können, besitzen wir in demselben

wenigstens jenen Complex von Controversen, welcher, insoferne er die

Isagoge belraf, stets für die Lateiner der einflussreichste war. Für die

übrigem Bestandtheile der Logik sind wir theils auf die Metaphysica

und die sog. Sufficientia Avicenna's oder auf die Berichte Anderer ver

wiesen, theils aber können wir auch den Plan des Ganzen aus zwei

anderweiligen kürzeren Bearbeitungen der Logik entnehmen, deren eine

von Watlier im 17. Jahrh. in das Französische übersetzt wurde "*), und

63) S. Anm. 40, 50. u. 62.

64) Averr. Elench. f. 332. r. A: Quae autem relinquuntur (d. h. nacb dem

15. Cap. d. Soph. El.), sunt duae res, quarum una est, quomodo respondeat re

spondens, secunda autem est, quomodo conlradicalur , ...... et utraque islarum re

rum iuvat sapientes per se, et ideo sermo de istis duabus rebus est, ac si esset

praeter istam artem , sed artis Topicae , aut, sicut diacit Abunazar Alfarabius, est

artis mediae inter Topicam et Sophisticam.

65) So z. B. Ps.-Averr. Epitome, f. 357. r. A (betreffs der petitio principii) oder

Averr. Elench. f. 326. v. A: Nos autem invenimus Abunazar Alfarabium in suo

libro, quod iam addiderit istis locis octavum locum, qui est locus permulationis et

translationis, h. e. quod loco rei accipiatur eius simile aut consequens ipsum aut ei

amm€;rcu?m.

66) Auf dem Titelblatle der in Wenedig 1508 fol. gedruckten Ausgabe steht:

Avicennae perhypalelici philosophi ac medicorum facile primi opera in lucem redacta,

ac nuper quanlum ars miti p0luit per canonicos emendata. Logyca. Sufficientia. De

coelo et mundo. De anima. De animalibus. De intelligentiis. telligentiis. Philosophia prima. Alpharabius de in- . ■

67) S. Munck, Dictionn. phil. III, p. 174.

68) La Logique du fils de Sina, communement uppelle Avicenne, prince des phi

losophes et medecins Arabes, nouvellement traduite d'Arabe en Frangais par P.

Waltier. Paris 1658. 8. , Wenn übrigens Schmülders, Essai s. l, ecoles phil. p. 103.

XVI. Avicenna. 319

die andere metrisch abgefasste, welche sieh als ein äusserst kurzes

Excerpt erweist, von Schmölders mit lateinischer Uebersetzung und

Commentar veröffentlicht wurde °°).

Wenn auch Avicenna's Thätigkeit bei einzelnen , späteren Arabern

eine scharfe und selbst verwerfende Beurtheilung fand '"), so müssen

wir demselben doch zugestehen, dass er mit seiner Ausführlichkeit ein

gewissenhaftes und fast ängstliches Bestreben verbindet, durch lücken

lose und allseitige Entwicklung das Ganze, für welches ihm hauptsäch

lich Alfarabi der Leilstern ist, in sämmtlichen Einzelpunkten so klar

als möglich darzulegem.

An die Spitze tritt, wie es bei den griechischen Commentatoren

üblich gewesen war, die Frage über die Eintheilung der Philosophie,

wobei er dem Aristotelismus in dem Sinne versteht, dass einerseits die

theoretische Philosophie die nicht aus menschlichem Willen hervor

gehenden Dinge lediglich um des Wissens willen erörtert, und andrer

seits die praktische Philosophie das durch menschlichen Willen hervor

gerufene um des richtigen Handelns willen betrachtet, so dass die erstere

(— und hierim liegt ein Gegensatz gegen Alfarabi's Auffassumg, s. Anim.

13 —) in Folge ihrer Unabhängigkeit von praktischen Zwecken eine

höhere Stellumg einnimmt 71). Jene „Dinge“ aber (,,res“, worin für die

Logik der antike Objectivismus überhaupt hervortritt), welche den Gegen

.stand der theoretischen Betrachtung ausmachen, sind entweder unbe

rührt von Weränderung und Bewegung, oder sie verfallen einer Ver

mischung mit der Bewegung; und Letzteres kann entweder darin liegem,

dass die Dinge ausserhalb dieser Wermischbarkeit auch keinerlei Sein

haben, mögen sie ohne diesen Beisatz zugleich auch undenkbar (lie

Naturdinge) oder wenigstens ohne deiiselben denkbar sein (das Mathe

sagt „Les simplifications et les perfectionnements qu'ils (d. h. die arabischen Aristo

teliker) onl apportés dans les différentes parties de la logique, ont élé déjà s0igneu

sement énumérés par Vatlier, traducteur de la logique d'Ibn-Sina“, so muss der

selbe diese Bemerkung niedergeschrieben haben, ohne Wattier's Buch auch nur zu

kennen, denn dasselbe enthält ausser der Uebersetzung Nichts weiteres als etliche

Worterklarungen, geschweige denn eine sorgfältige Aufzählung der Leistungen der

Araber. -

69) Schmülders, Documenta phil. arab. p. 26 ff. -

70) Ps.-Averr., Quaes. in Prior. Resol., f. 369. v. B: Maior pars libri Suffi

cientiae Philosophiae huius viri est conteaeta ea, talibus sermonibus perversis tam in

logicis quam in aliis, et qui vult initiari in his artubus, eæpediet ei, qu0d fugiat

eius libros, nam illi faciunt errare hominem et ea trahunt ipsum a recto polius, quam

ipsum dirigant et ordinent ad veritatem. Hiezu ob. Anm. 11.

71) Logica (in obiger Venetianer Ausgabe) f. 2. r. A: Prima pars Logycae.

Incipit Logyca Avicennae. Capilulum de intrando apud scientias. Dicimus, qu0d in

tentio philosophiae, est.comprehendere veritatem omnium rerum, quantum possibile est

homini comprehendere. Res autem quae sunt, aut habent esse non eæ noslr0 arbi

trio vel opere, aut habent esse et nostro arbitrio et opere. Cognitio autem rerum

primi membri vocatur philosophia speculativa, sed cognitio rerum secundi membri

vocatur philosophia activa. Finis vero philosophiae speculativae non est nisi per

fectio animae, ut scial, tantum, finis vero praclicae non est, ut sciat tanlum, sed

ut sciat, quid debeat agere et agat. Finis ergo speculativae est apprehensio senlen

tiae, quae non est opus, practicae ver0 finis est cognitio sentenliae, quae est in.

opere; unde speculaliva dignior esl comparari scientiae.

320 XVI. Avicemma.

matische), oder darim, dass die Dinge, während sie jene Vermischung

erleiden, daneben ein hievon unal,hängiges Sein besitzen "*). D. h.

während hiemit sieh die Dreitheilung in Theologie, Naturwissensehaft

und Mathematik von selbst ergiebt 7°), ist es die zuletzt erwähnte Seite,

welche auf die Logik führt; nemlich diejenigen Dinge, welche wohl

in die Bewegung verwickelt werden, aber ihr Sein ohne dieselbe habem,

sind eben die intelligiblen Dinge, und so sagt Avicenna ausdrücklich,

dass die Wesenheiten (essentiae), insoferne sie entweder in dem Dingen

oder im Denken (intellectus) simd, in dreifacher Weise betrachtet werden

können, da mam nach Einer Seite das Wesem in seinem Selbst-Seim

unabhängig von jeglicher Beziehung erfassem und nach einer zweiten

Seite dasselbe in der vielheitlichen Einzel-Erscheinung verfolgen und

endlich nach einer dritten Seite es im Denken selbst erörtern könne ;

damn aber in diesem dritten Falle seien all jene Bestimmungen (dispo

sitiones) in Betraeht zu ziehen, welche dem Denken als solchem eigen

thümlich zukommen, und während ausserhalb des Denkens es keine

Allgemeinheit oder Particularität, keine Wesentlichkeit oder Zufällig

keit, kein Einfaches oder Zusammengesetztes u. s. f. gebe, verbinde

sich das, Wesen im Denken mit diesem und allem derartigen Merkmalem,

derem Betrachtung zum Zustandekommen des Wissens umerlässlich nolh

wendig sei **). So erhält bei Avicenna der antike Objectivismus die

72) Ebend.: Res autem quae sunt , quarum esse non est eae voluntate nostra

vel opere secundum primum membrum, dividuntur in duo, in res quae commiscentur

motui, et res quae non commiscentur motui. Res autem, quae commiscentur motui,

dividunlur in duo, aul in res, quae non habent esse nisi quia p0ssibile est, eas

admisceri molui, .... uut in res, quae habent esse absque hoc. Illa autem, quae

non habent esse , nisi quia possibile est, eas admisceri motui, iterum dividuntur in

duo , quia aut sic sunt, quod nec esse nec intelligi possunt absque materia propria,

sicut forma humana aut asinina, aut sic, qu0d p0ssunt intelligi absque materia, sed

non esse, sicut quadratura ..... Res autem, quae commiscentur motui et habent esse

sine illo, sunt sicut identitas et unitas et multitudo et causalitas.

73) f. 2. r. B: Partes ergo scientiae sunt: aut speculatio de concipiendo ea,

quae sunt cum hoc, quod habent in motu esse et eæistentiam et pendent eæ materiis

propriarum specierum, aut speculatio, secundum quod sunt separata ab his in in

tellectu tantum, aut secundum quod sunt separala ab his in esse et intellectu. Prima

autem pars divisionis est scienlia naturalis ; secunda est disciplinalis pura et scien

tia de numero ; .... pars vero tertia est scientia divina.

74) Ebend.: Essentiae vero rerum aut sunt in ipsis rebus aut sunt in intelleclu,

unde habent tres respectus. Unus respectus essenliae est, secundum quod ipsa est

non relata ad aliquod terlium esse nec ad id, quod sequitur eam secundum quod

ipsa est sic; alius respectus est, secundum quod est in his singularibus ; et alius,

secundum quod est in inlelleclu, et tunc sequuntur eam accidenlia, quae sunt propriu

istius sui esse, sicut est suppositio et praedicatio et universalitas et particularitus

in praedicando et essentialitas et accidentalitas in praedicando et celera eorum, quae

postea scies. • In eis autem, quae sunt eætra, non est essentialitas nec accidentalitas

omnino, nec est aliquod compleacum nec incompleatum nec propositio nec argumen

tatio .... ; cum autem volumus considerare ad hoc ut sciamus eas, necesse est eas

colligere in intelleclu, et tunc necessario accidenl illis dispositiones, quae sunl pr0

priae tantum intellectui. Hiemit stimmt überein Metaph. III, 10, f. 83. v. A:

Multae dispositiones, quae comitantur res, cum intelliguntur, non habent esse nisi

postquam habentur in intelleclu ; cum enim res intelliguntur, advenit eis in intellecli

bus aliquid, quod non erat eis eaetra ; fiunt enim universale et essentiale et acciden

tale et fiunt genus et differenlia et fiunt praedicatum et subieclum et aliu huiusmodi.

XVI. Avicenna. 321

specielle Färbung des aristotelischen Intellectualismus. lndem nemlich

das Nichtwissen oder beziehungsweise das Unbekanntsein der Dinge nur

subjectiv im menschlichen Denken liege, so gehe jede jener Bestimmungen,

dureh welche wir von Bekanntem auf Unbekanntes geführt werden (ob.

Anm. 15), nur vom Denken aus auf die Dinge über, und eben hieraus

ergebe. sich die Nothwendigkeit einer eigenem Wissenschaft, welche

diese Demkbestjmmungen zum Gegenstande habe *°). Die ganze Frage

aber, ob danm diese Wissenschafi der Logik Theil oder Werkzeug der

Philosophie sei, bezeichnet Avicenna ebenso wie Alfarabi als umnütz,

da die Beantwortung derselben nur von der Enge oder Weite der Defi

nition der Philosophie abhänge 7°).

Auch in der grundsätzlichen Haupteintheilung der Logik stimmt er

mit Alfarabi (Anm. 16) überein, imdem er auf den Unterschied zwischen

blossem Werstehen eines Wortes und beifälligem Ueberzeugtsein von- der

Wahrheit eines Satzes hinweist 77) und an ersteres die Definition und

derem Nebenarten, sowie an. letzteres die Argumentation in ihrem ver

schiedemen Formen anknüpft 7°), so dass hiemit der Zweck der Logik

Noch deutlicher aber spricht er das Verhältniss der Logik zu den übrigen Zweigen

der Philosophie aus Metaph. I, 2, f. 70. v. A: Subiectum scientiae naturalis est

corpus, n0n in quanlum est ens nec in quanlum est substantia, ..... sed in quantum

est subiectum motui et quieti ...... Subiectum vero scientiae doctrinalis est mensura

sive intellecta absque materia sive intellecta in materia ..... . Subiectum vero logicae,

sicut scisti, sunt intentiones intellectae secundo, quae apponuntur intentionibus primo

intellectis, secundum quod per eas pervenitur de cognito ad incognitum, in quantum

ipsae sunt intellectae et habent esse intelligibile, qu0d esse nullo m0d0 pendet eæ

materia, vel pendet eae materia, sed non c0rp0rea.

75) Logica, f. 2. r. B: Res autem non sunt incognitae nisi quantum ad nos;

disposilio vero et id, quod accidit rebus eae e0, quod invitamur per eas de cognitis

ad incognita, est disposilio et accidens, quod accidit eis in intellectu, quamvis ipsae

habeant esse praeter hoc. Ergo de necessitate opus est scientia ad cognoscendum

illas disp0sitiones, quot sunt et quales sunt et qu0m0d0 c0nsequatur hoc accidens.

76) Ebend.: Sed ...... tunc secundum quem fuerit philosophia tractans et divi

dens et inquirens res, secundum quod habent esse et dividuntur in duo praedicta

esse, scientia haec secundum eum non erit pars philosophiae , sed secundum quod

prodest ad hoc, erit secundum eum instrumentum in philosophia; secundum quem

vero philosophia fuerit tractans de omni inquisitione speculativa et de omni m0d0,

haec scientia secundum eum est pars philosophiae et instrumentum ceterarum partium

philosophiae ..... (f. 2. v. A.) Et inde deceptiones, quae sunt de huiusmodi quae

stione, frustra et superfluae sunt; frustra, quia non est 0pp0sitio in his diclionibus,

unusquisque enim eorum intelligit de philosophia aliud, quam alius; superfluae vero,

quia sollicitudo de huiusmodi non prodest. Hiezu ob. Anm. 14. -

77) f. 2. v. A: Res scitur duobus modis: uno, ut intelligalur tantum ita,

ut , cum nomen habeat, quo appelletur, repraesentetur animo eius intentio, quamvis

non sit ibi veritas nec falsitas, sicut cum dicitur ,,h0m0** aut cum dicitur ,,fac

hoc** ......; altero, ut in intellectu sit credulitas , sicut cum dicitur tibi , quod

omnis albedo sit accidens, ea, quo non habebis intelligere huius dictionis intentionem

tantum, sed etiam credere ita esse; cum vero dubitaveris ita esse vel non esse,

iam intellezisti quod tibi dictum est; non enim dubitas de hoc, quod non intelligis,

nec de eo, quod ignoras; nondum tamen credidisli.

78) Ebend.: Est ergo hic quoddam, quod solet prodesse ad sciendum id, cuius

intelleclus nescitur ..... Unum enim eorum est diffinitio et aliud descriptio et aliud

eaeemplum et aliud quod est signum et aliud est nomen, sicut postea declarabitur,

sed illud in quo conveniunt, non habet nomen commune .... Deinde per illud c0gn0

scitur aliud ad modum credendi illud; qualecunque fuerit, vocatur ratio; ratio (das

P R AN t L, Gesch. II. 21

322 XVI. Avicemina.

darin liege, nach diesen beidem Seitem , ein festes Wissen über- die

grössere oder geringere Vortrefflichkeit der menschliehen Rede bezüglieh

der Auffindumg der Wahrheit zu erwecken, • da , überall der Abweg zur

sehwankemden blossen Wahrscheinlichkeit oder zum directen Irrthume

möglich sei 7°). Und indem Avicenma wohl daram denkt, dass bisweilen

auf bloss natürlichem Wege ohne weitere Technik eine richtige, Defini

tion oder eine glaubhafte Argumentation gefunden werde, zugleich aber

Solehes als lediglichen Zufall bezeichnet, wohingegen bei der Schwäche

der mensehlichen Natur eine Garantie nur in längerer Uebung gefundem

werden könne, und sonach eine förmliche Technik erforderlich sei *"),

so sagt er, die Logik verhalte sich zum inmerem Denken ebenso wie

die Grammatik zur Sprache oder wie Harmonie zum Metrum *'). Eben

hieram aber knüpft sich die Bemerkung, dass jene beifällige Ueber

zeugung nicht durch Einem Gedanken allein, welcher aus Einem Worte

gefasst werden kamm, sich erwecken lasse, sondern in den allermeisten

Fällen mur aus den zusammiengesetzten Gedanken eines Urtheiles her

vorgehe, daher wie bei allem Zusammengesetzten es sich vorerst um

die Kenntniss der einfachen Bestandtheile handle **). Wenn aber hiemit

Eine Mal fehlt ratio im Texte) alia est syllogismus et alia inductio et alia simili

tudo et alia aliud. -

79) f. 2. v. B: Finis autem scientiae logicae est prodesse omnino ad sciendum

haec duo tantum, hoc est, ut homo sciat, qualiter debeat esse dictio dans intellectum,

qui afferat scientiam veritatis essentiae rei, et qualis sit, qui etiam ostendit illam,

quamvis per eum non pervenialur ad veritatem essenliae ipsius, et qualis sit vitiosa,

quae videtur hoc facere et non facit; et etiam ut homo sciat, qualis sit dictio,

quae facit fidem necessariae veritalis ita , quod non possit infirmari, et qualis sit

faciens fidem verisimilitudinis, et qualiter sit eiusmodi, ut putetur esse aliqua duo

rum modorum, cum ipsa non sit ita, sed sit falsa, et qualis sit ita, quod opinari

et flectat animum et sufficiat absque fide certissima, et qualis dictio operans in

anima, ad qu0d operatur fides, scilicet negationem et affirmationem et prohibitionem

et dilatationem et constrictionem, non eae hoc, quod facit fidem, sed eae hoc, quod

facit verisimilitudinem. (Den gleichen Inhalt s. auch b. Wattier, p. 2 ff.)

80) Ebend.: Contingit autem homini, ut aliquando manifestetur ei diffinitio

naturaliter dans, ei inlellectum et ratio faciens fidem, et ea, hoc est res non doctri

nalis nec sic vera, quin aliquando fallat; si autem natura et intellectus sufficiunt

ad hoc sine doctrina, sicut fit in multis, non contingeret in sententiis tanta diversitas

et contradictio, nec unus homo contradiceret sibi ipsi aliquando et aliquando non,

cum procederet secundum intellectum suum ; natura autem humana est insufficiens ad

hoc, quamdiu non acquirit doctrinam, sicut non est sufficiens in multis aliis rationi

bus, quamvis saepe contingeret, ut faciat rectum, sicut recta iaculatio caeci .....

Sed quamvis ita sit inquirens scientiam, cum habuerit eam et evercuerit eam, non

tantum erroris accidet illi, quantum illis qui non habent eam ..... Per exercitia

enim doctrinalia pervenitur ad securitatem errorum. . Albert. M., De praedicab. I, 1,

p. 2. A: Ut enim dicit Avicenna, modus hic (sc. scientiae) omnibus hominibus per

hoc, quod intellectuales sunt quodammodo, per naturam inditus est; sed imperfectus

est, qui in natura est, perficitur autem per artem adhibitam.

81) f. 3. r. A : Comparatio autem huius doctrinae ad intellectum interiorem,

qui vocalur locutio interior, est sicut comparatio grammatici ad manifestam significa

lionem, quae vocatur locutio, et sicut comparatio melodiae ad metrum ..... Hac

autem doctrina eget homo, qui- acquirit scientiam considerando et cogitando, nisi

fuerit homo divinitus inspiratus, cuius comparatio ad considerantes est sicut compa

ratio rustici arabici ad discentes arabicam. … -

82) Ebend.: Impossibile est, animum moveri ab uno solo intellectu ad creden

dum aliquid; hic enim intellectus non est iudicium faciendi fidem essendi rem vel

, i- •

XVI. • Avicemma. 323

auch zugestandem sei, dass die Logik durch dem Zwang einer Noth

wendigkeit auf die Berüeksichtigung , des Wortausdruckes hingeführt

werde **), so dürfe , dennoch weder, wie von Einigen geschehen sei

(— hieraus sehen wir, dass die Araber zu analogen Controversem wie

die Lateiner durch Abälard veramlassi wurden —), die Logik sofori als

Sache des blossen Sprachausdruckes (sermocinalis) angesehen werden,

da ja der Denkact das Entscheidende sei **), noch aber aueh solle man

hinwieder darum, wie Andere thatem, behaupten, dass die Logik die

Sprachausdrücke insoferne betraehte, als dureh dieselbem Gedanken be

zeichnet werden (intellecta significantur); denn jenes Sein, welches

die Dinge allerdings im Denken haben, sei noch als ein doppeltes zu

unterscheiden, indem eimerseits eben bloss die aus der Aussenwelt

aufgefasstem Dinge im Denken gestaltet werden, andrerseits aber Be

stimmtheitem, welehe in der Aussenwelt michi vorliegem, den gedachlen

Dingen durch das Denkem selbst zukommem (Anm. 74), und sowie micht

diess Beides Sache Einer Wissenschafi sein könne, so falle der Logik

nur die letztere dieser beidem Seitem anheim *°).

Nachdem nun Avicenna durch solehe Betraehtungen bei der I s a

non essendi .... Intellectus autem saepe habetur eae uno solo verbo; si autem unum

non sufficit ad intelligendum illud esse vel non esse in essentia sua aut dispositione,

nec faciet fidem de alio ..... Hoc autem, scilicet eae uno verl)0 inlelligere, in paucis

conlingit, et propter hoc in plerisque est diminuti0 el malum. Quod autem in ple

risque dat inlelligere, sunt intellectus c0mp0siti senlentiae ; c0mp0situm autem com

ponitur eæ mullis et inter mulla sunt una; erg0 in omni c0mp0sit0 sunt aliqua una;

vnum autem in omni composito vocatur simpleæ, et quia eius , quod componitur eae

multis, imp0ssibile est sciri naturam ignoratis eius simplicibus, ideo convenientius

est, prius c0gn0scere simplices quam c0mp0sitas.

83) f. 3. r. B: Ad considerationem autem diclionum ducit nos necessitas; logi

cus enim eae hoc, qu0d est logicus, non habet eae hoc prim0 0ccupari circa verba

prima nisi quamtum ad loquendum et agendum; non enim possibile esset, logicum

dicere solo intelleclu ...... Sed quia necessitas ducit nos ad agendum cum verbis

praecipue ......., sequitur, ut verba habeant diversas dispositiones, per quas diffe

rant disp0sitiones intentionum, quae comitanlur esse in anima ita, quod fiant eius

indicia, quae non haberentur nisi per verba, et ideo necessarium est in doctrina

logica, ut una pars eius esset consideratio de dispositionibus verborum.

84) Albert. M., De praedicab. I, 4, p. 5. A: Sunt etiam, qui logicam inter

pretantur idem quod sermocinalem scienliam ..... Quam opinionem impugnat Avicenna

in prim0 logicae suae dicens, quod sermo de se nihil significat; si enim aliquid de

se significaret, semper et apud omnes illud significaret, qu0d falsum est; .... non

ergo significat nisi secundum quod c0nceptus est in intellectu instituentis,

85) Log. f. 3. r. B: Et propter hoc non valet, qu0d ille divit, scilicet quod

logica insliluta est ad considerandum dictionem secundum h0c, qu0d significat in

tellecla, et quod doclrina logicae est loqui de verbis, secundum quod significant in

tellecta ...... Ille autem non deliravit sic, nisi quia non apprehendit certissime

subiectum logicae et modum essendi eius proprium; invenit enim esse, quod habent

res in intelleclu, et ideo posuit, quod considerare esse, quod est eætra, spectat ad

doctrinas physicas, considerare vero esse, quod est in intellectu et quomodo intelli

gitur in eo, spectat ad doctrinam aliam vel partem doctrinae, non distinguens et

nesciens, quod ea, quae sunt in intellectu, aut sunt res formatae in intellectu ap

prehensae ea:trinsecus, aut sunt res accidentes eis, secundum quod sunt in inlellectu,

quae non fuerunt repraesentatae in aliqu0 eactrinsec0; c0gnitio autem horum duorum

spectat (wie Jedermann siebt, ist zu lesen non spectal) ad doctrinam unam, qu0rum

vnum est subiectum doctrinae logicae secundum accidens, quod accidit ei.

21*

324 XVI. Avicenna.

go g e angekommen ist, erörtert er zunächst den Unterschied zwischen

verbundenem (compleaea) und unverbumdemen (incompleaea) Sprachaus

drücken, indem bei ersterem, d. h. dem Urtheilen, der bezeichnende

Gedanke der Bestandtheile selbst eim • Theil des Total-Gedankens des

Ganzen sein müsse *°), bei letzteren aber lediglich das Gegentheil hie

von stattfinde, und sonach ergänzende Bestimmungen, welche von An

deren zur Definition des incomplearum beigebracht wurden, sich als

überflüssig erweisen *"). Die inuere Bedeutsamkeit (intentio) der un

verbumdemen einfachen Worte unterscheidet er nun sofort als eine zwei

fache, je nachdem in derselben entweder kein Hinderniss liege, den

Gedanken auf eine Vielheit von Dingen, welche in ihm zusammentreffen,

zu beziehen, oder je machdem durch die Bedeutung des Wortes eine

solche vielheitliche Beziehung ausgeschlossen sei, und in ersterem Falle,

welcher der häufigere sei, müsse man das Wort, als universale, im

letzteren hingegen als particulare bezeichnen *°), und zwar komme es

hei dieser Definition des Universale nicht darauf am, ob es wirklich

vom thatsächlich vorkommenden Dimgen oder von bloss denkbarem aus

gesagt werde, oder auch ob die Mehrheit selbst nur Sache, derº Denk

barkeit sei (wie z. B. dass es mehrere Sonnen gebe), sondern das Ent

scheidende sei nur, dass die universelle Aussage keine Unmöglichkeit

sei *°). Nach der aus Porphyrius (Abschn. XI, Anm. 39) wiederholtem

86) Ebend.: Capitulum dicendi verbum compleacum et incomplevum et dicendi

universale et particulare et dicendi essentiale et accidentale et id quod respondetur

ad quid et quod non respondetur. Postquam in docendo et discendo necessario indi

gemus verbis, dicemus, quod verbum aut est incomplevum aut compleacum. Com

pleacum autem est, in quo invenitur pars significativa intellectus, quae est pars in

tellectus significati a tota significatione essentiali, sicut est hoc qu0d dicimus „homo

est scriptor“; hoc enim verbum ,,h0m0“ significat unum intellectum, et hoc verbum

,, scriptor** significat alium, quorum unumquodque est pars huius, quod dicimus

,,homo est scriptor** significatione requisita eae verbo. Incompleaeum autem est,

cuius pars non significat partem intellectus totius significatione essentiali, sicut hoc

quod dicimus ,,homo“, quia ,,h0“ et ,,m0** non significant partes intentionis, quam

significat ,,h0m0“.

87) f. 3. v. A: Quod autem invenitur in doctrina antiquorum de descriptione

verborum incompleacorum, hoc est: scilicet quod incompleaca sunt, quorum partes

non significant aliquid; quam descriptionem multi reprehendunt dicentes, debere addi

ei, scilicet incompleva esse, quorum partes non significant aliquid de intellectu totius,

quia contingit aliquando, partes incompleacorum significare aliquos inlellectus, sed non

sunt partes intellectus totius. Ego autem teneo, quod haec reprehensio error fuit,

et qu0d haec additio non fuit necessaria ad supplendum, sed ad ea ponendum.

88) Ebend.: Deinde intentio incompleaci aut talis erit, quod non prohibetur, in

intellectu ea, hoc, quod intelligitur, multa convenire in ea aequaliter, ut unumquod

que eorum dicatur ipsum esse aequaliter, sicut hoc quod dicimus ,,homo** habet in

tentionem in anima , quae comitatur Socratem et Platonem et reliquos uno modo

.......; aut eius intentio est una sic, quod prohibetur, in intellectu multa convenire

in ea, scilicet in eo uno, quod intelligitur de ea, sicut in hoc quod dicimus ,,So

crates“...... Prima autem pars divisionis vocatur universalis, secunda vero parti

cularis, Tu scis autèm, multa esse in verbis ad modum partis primae ...... et haec

est inlentio, de qua id, quod intelligitur in anima, non prohibetur habere compara

tionem similitudinis ad multa.

89) Metaph. V, 1, f. 86. v. A: Universale dicitur tribus modis; dicitur enim

vniversale secundum hoc, qu0d praedicatur in actu de multis, sicut h0m0; et dicitur

vniversale intentio, quam possibile est praedicari de multis, etsi nullum eorum habeat

XVI.. Avicemma. 325

Bemerkung, dass der Logiker auf die tieferen Fragem über das Univer

sale nicht einzugehen brauche °°), folgt nun eine ebenso ausgedehnte

als spitzfindige Erörterung, durch welche die Angaben über die ein

zelnen fünf Universalien vorbereitet werden sollen. , Zunächst wird die

Abgränzung vorausgeschickt, dass es sich hier nicht um die denomina

tive Aussage (welche Dei Adjectiven stattfindet), sondern um dasjenige

handle, was univoce, d. h. nach inmerer Wesensbestimmtheit, ausgesagt

werde *''). Die Wesenheit sonach (essentia) eines jeden Seienden sei

dasjenige, wodurch dasselbe mit Nothwendigkeit ist, was es ist; die

Einheit aber der Wesenheit sei nur bei Uebersinnlichem eine absolute,

d. h. unzusammengesetzte, hingegen bei den sinnfälligen Dingen beruhe

sie auf einer Einigung mehrerer Wesensbestimmungen 9°); während

nemlich in jener Wesens-Einheit die Wahrheit der Einzeldinge beruhe,

seien auch die mehreren Eigenthümlichkeiten zu erwägen, in welchen

die gleichartigem Dinge ebensosehr wie in der Wesenheit selbst zu

sammentreffen, und zwar können diese mehrerem Bestimmtheiten ent

weder derartig sein, dass eben aus ihrer Verbindung die Wesenheit

selbst besteht, oder derartig, dass sie nothwendige Merkmale der , be

reits verbundenen Wesenheit sind, kurz die Universalien sagen entweder

die Quiddität („quidditas“, ein Wort, von welchem allgemeim bekannt

ist, dass es erst durch die Uebersetzung arabischer Litteratur in die

miltelalterliche Latinität eingeführt wurde) oder ein dieselbe Begleiten

des (comitans) aus *°). Nemlich die universellen Worte seien entweder

esse in effectu, sicut intentio domus septangulae; ..... dicitur etiam universale in

tentio, quam nihil prohibet opinari, quin praedicetur de multis, ..... sicut sol et

terra; haec enim eæ hoc, quod intelliguntur sol et terra, non est prohibitum quan

tum ad intellectum, posse intentionem eorum inveniri in multis ...... Possunt autem

haec omnia convenire in hoc, quod universale est id, quod in intellectu non est im

possibile praedicari de multis, et oportet, ut universale logicum et quidquid est simile

ei sit hoc. Vgl. Anm. 150. - -

90) Log. f. 3. v. B: Non cures autem secundum hoc, quod es logicus, qua

liter sit haec comparatio , et an intellectus eae hoc, quod est unus in quo multa

conveniunt, habeat esse in ipsis rebus, quae in ipso conveniunt, vel esse separatum

eaetra ' per se praeter esse, quod habet in uno intellectu; consideratio autem horum

alterius (wohl zu lesen altioris) doctrinae est aut doctrinarum duarum. S. jedoch

untem Amm. 176 ff.

91) Ebend.: Praedicatio autem fit duobus modis, quia aut univoce, sicut hoc

quod dicimus, quod Socrates est homo, „homo“ enim praedicatur de Socrate vere et

univoce ; aut denominative , ut albedo de homine, dicitur enim homo albus et habens

albedinem , nec dicitur esse albedo ..... Nostra autem intentio non est hic nisi de

eo, quod praedicatur univoce. Diess ist principiel] benützt bei Albert. M., De prae

dicam. I, 3, p. 99. A: Ut dicunt Avicenna et Algazel ..... , omne, quod ut univer

sale de multis et de sibi subiectis praedicatur, univoce dicitur. -

92) Log. f. 3. v. B: Enumerabimus ergo partes universalis , secundum quod

comparatur ad particularia univoce et dat eis nomen et diffinitionem ...... Dicemus,

quod omne quod est essentiam habet, qua est id quod est et qua est eius necessitas

et qua est eius esse. Essentia autem uniuscuiusque rei una est; sed quod est unum

absolutum, non est id quod est eae multis intellectibus, eæ quibus coniunctis pro

veniat una essentia (eaeemplum autem huius non invenitur in rebus sensibilibus, debes

ergo nunc credere eius esse); aliquando autem erit unum aliquid non absolutum,

cuius esse et veritas composita est eae rebus et intentionibus, ea, quibus coniunctis

provenit essentia rei, cuius eæemplum est homo.

93) f. 4. r. A: Veritas autem sui esse non est nisi humanitas ; ergo id quod

326 XVI. Avicenna.

die einfache Antwort auf die Frage „was?“, oder sie geben diese Ant.

wort mittelst der Bestimmungen, welche dem einheitlichen. Verbande

der Wesenheit umerlässlich vorausgehen müssen, oder endlich sie emt

haltem jene Eigenthümlichkeiten, welche ausserhalb dieser beidem Mo

mente liegem, und sowie sie im letzten Falle accidentalia heissen, so

* werdem sie im erstem significantia esse und im zweitem essentialia oder

noch besser substantialia genannt **). Die vergleichende Beziehung

aber, welche das substantiale auf die betreffenden Einzeldinge habe,

liege für die Logik darin, dass es eben nur ' als der Wesensgrumd des

Particularen betrachtet werden kann, da durch dessen Aufhebung auch

das Particulare aufgehoben wird °°). Indem aber Letzteres auch von

Einigen so aufgefasst wurde, dass man das Substantiale kurzweg als

constituens bezeichnete und in die Unaufhebbarkeit desselbem den Unter

schied gegenüber dem aecidentale verlegte °°), so erhebt Avicenna hie

gegem Bedenken, da der Begriff des constituens, welcher stets den

eines Anderweitigem in sich involvire, nicht vom eigentlichen Substan

tiale, sondern mur von dem das esse Bezeichnenden gelten könne und

ausserdem bei willkürlicher Identificirung mit dem eigentlichen Substan

-

- *

-

est unumquodque singulare, est eae eius humanitate, sed speciale acquiritur ea, quan

titate et qualitate et ceteris. Et habet etiam alias proprietates praeter humanitatem,

in quibus conveniunt homines .... Sunt verae proprietates hominis communis , sicut

hoc, quod est rationalis seu habens animam rationalem, et sicut hoc, quod est risi

bilis naturaliler. Sed hoc, quod est rationalis, est unum eorum, ea, quibus coniunctis

conflatus est homo ; quod autem risibilis est naturaliter, est quoddam quod , cum

humanitas conflata est eæ his ea, quibus constat , fuit necesse accidere et comitari.

Metaph. V, 6, f. 90. r. B: Praedicabile aliud est praedicabile constituens quiddi

talem subiecti et aliud est praedicubile comitans quidditatem eius, non consti

tuens illud.

94) Log. f. 4. r. A: Jam ergo patet ea, hoc, quod haec est vera essentia rei

et sunt hic proprietates, eae quibusdam quarum et eae aliis constat veritas rei, quae

dam vero (der Text gibt erg0) ea, his sunt accidentia, quae non comitantur in esse

eius. Et verba. universalia, quae significant esse unius rei aut multorum, illa signi

ficant ea, quae respondenlur ad quid, non alio modo; si autem significant ea, quae

necesse est praecedere in esse ad essentiam rei ila, qu0d ea, coniunctione eorum

proveniat esse rei ....., debent vocari verbum essentiale, quia respondentur ad quid;

quod autem significat proprietatem, quae est praeter illa duo, sive sit communitas

sive non, ipsum voces accidentale, et eius intentio vocatur intentio accidentalis ......

Quod putalur , verbum substantiale, convenientius est , ut contineat intentiones consti

tuentes esse rei, et ut verbum significans esse rei non sit substantiale, ut ,,homo“

non est substantiale homini, sed ,,animal** et ,,rationale*' sunt substantialia homini.

95) f. 4. r. B: Hoc autem quod dicimus substantiale, quamvis secundum na

turam locutionis singularis habeat intentionem comparabilem , tamen secundum pla

citum logicorum significat aliam intentionem; et hoc est, quod verbum universale

est, qu0d significat intentionem, cuius comparatio ad singularia talis est, quod cum

putabitur non esse substantia illorum particularium, non habebit esse, non quia

horum substantia particularium debebat primum destrui, ut sic possit putari illa

destrui, sed quia eæ illius destructione sequitur destructio illorum.

96) Ebend.: De discutiendo quod dictum est de substantiali et accidentali, Jam

diaeerunt in distinguendo substantiale ab accidentali, quod substantiale est constituens,

accidentale vero non est constituens. . Sed non discernunt, qualiter est constituens et

qualiter n0n constituens. Diverunt etiam, qu0d substantiale impossibile est putari

destruclum, ut remaneat subiectum, accidentale vero possibile est putari destructum,

ut remaneat subiectum. -

XVI. Avicenna. 327

tiale uns in, den über Letzteres. entstehendem Schwierigkeiten um keimen

Schritl weiter bringe ; und in ähnlicher Weise sei, was die Unaufheb

barkeit des Substantiale betreffe, doch noch erst der Unterschied zwi

schen den wesentlichen Eigenthümlichkeitem (d. h. proprium, z. B. risi

bile bei homo) und den zufälligen Merkmalen zu erwägen, denn erstere

seien in gleicher Weise wie die Substantialia unaufhebbar, woferne nicht

ihr Träger zugleich , mitaufgehoben werden soll, und der wesentliche

Unterschied des Substantiale könne daher nicht in jener Unaufhebbarkeit

liegem ""); auch sei es allerdings richtig, dass bei denkender Betrachtung

der Substantialiem das constituens vom constitutum nicht losgetrennt

werden könne, aber bei den Accidenzen könne eine Lostrennung von

ihrem Träger gleichfalls eine fälschliche sein, sobald nemlich ein Acci

dens ummitlelbar, ohne Mitwirkung eines, anderem Accidens den Träger

ursprünglich begleite, und gerechtfertigt sei es nur dann, ein Accidens

ohne seinen Träger zu denken, wenn dasselbe erst mittelbar durch ein

Anderes mit ihm verbundem ist "*); ja Avicenna dehnt die Distinction

noch weiter aus, indem er von der nothwendig zu denkenden Eigen

97) f. 4. v. A: Potest autem aliquis discutere veritatem et falsitatem in his.

Dicemus ergo, quia hoc quod diacerunt, quod substantiale est constituens, non con

tinet de subslanlialis natura , quod est non significans esse; constituens enim est

continens aliud a se ..... Si aulem volunt constituens intelligere, quod non intelli

gitur eæ significalione sui nominis, sed volunt intelligere idem quod de, substantiali,

contingit eos inducere nomen multivocum, qu0d abstulerunt ab eo, cui primum im

posuerunt, nec signant inlentionem eius, ad qu0d transtulerunt, et erit labor idem

de constituente et de subslanliali, quorum unumquodque tanta egebit eaepositione

quanla et alterum. Contra hoc aulem, quod nituntur de destructione, in opinione

debes meminisse, qu0d praedictum est, scilicet qu0d intenlio universalis hubet pro

prielales, quae sunt prim0 necessariae, quibus postea efficitur, et habet alias pr0

prietates, quae concomitantur et sequunlur eam, cum ipsa intentio fuerit habita,

uihil, autem potest inlelligi esse rem0tis illis proprietatibus ab e0, quae necessariae

sunt ei ad hoc, ut habeat esse ...... Et quandoquidem sic est, tunc proprietates,

quae dicuntur substantiales, eæ intentionibus intelligibilibus debent necessariae in

telligi ad subiectum hoc modo; esse enim non intelligitur in intellectu nisi praecedat

prius eorum intellectus. Accidentia vero alia intelligere non est prius quam intelli

gere ipsum esse, sed sunt concomitanlia et consequentia, quae non sunt constituentia

esse .... ergo esse statuitur sine illis ; postquam autem , statuitur sine illis, tunc

non est longe, quin intelligatur ipsum esse, quamvis non praecesserint ipsa vel non

acciderint intelligi.

L98) Ebend.: Jam autem scis, qu0d h0c intelligere non v0l0 dicere h0c, scilicet

ut cum intelleaceris aliquid et consideraveris in effectu, quod intelligas etiam partes

suorum constituentium in effectu, fortassis enim non considerabis partes in tuo in

tellectu; sed dico, quod si consideraveris constituens et constitulum , n0n erit tibi

possibile removere constitutum a constituente se taliter, ut verum sit c0nstitutum

habere esse in, intellectu non habente esse constituens se; et quumdo quidem ita est,

esse debet impossibile ea removeri ab e0, , im0 debet habere ista sine dubi0. Acci

dentia autem non nego, quin vere slatuantur esse in intellectu, cum non intelligatur

habens illa, sed intellectus removet ista ab e0 falso; h0c autem mon affirm0 de omni

bus accidentibus; accidentium enim quaedam concomitanlur esse principaliler et

manifeste non mediante alio accidente, et tunc impossibile est ea removeri ab esse

remanente esse, ..... sicut hoc, qu0d triangulus est huiusmodi, qu0d aliquod laterum

eius potest protrahi in directum in opinione ....... ;* p0ssibile est autem, qu0d esse

accidentis sit alio mediante, quod si non attendetur, poterit removeri a subiecto,

sicut hoc, quod omnes duo anguli trianguli sunt minores duobus rectis.

328 XVI. Avicemma.

thümlichkeit die nicht-nothwendige in vier Abstufungem unterscheidet °°).

Hieran aber reiht sich nun noch ein anderer Gegenstand der Discussion,

welcher für das Folgende grossem Nutzen habe; nemlich es handelt

sich um die Frage, ob das Universale als significans esse (Anm. 94)

wirklich nach dem gewöhnlichen Sinne das nemliche sei wie dasjenige,

was im Substantiale bezeichnet wird *°°). Hiebei jedoch bleibe es um

erklärlich, warum man dann das Substantiale dennoch micht mit dem

artmachenden Unterschiede identificire ; denn das esse in jener secun

dären Bedeutung, in welcher es das Substantiale ist, werde eben doch

in solchen Wesensbestimmtheitem ausgesprochen, welche von den Logi

kern stets als die in einer Gattung auftretenden Unterschiede bezeichnet

wurden; nach jener Ansicht aber komme das Substantiale in keine Be

ziehung zur Gattung, welche man doch als ein eine Manigfaltigkeit Ent

haltendes bezeichme, sondern indem man das Substantiale auf das blosse

quid beschränke und von dem quale quid lostrenne, wolle man gar

nicht zugeben, dass eine und die nemliche Bestimmtheit als esse auf

trete, insoferne Mehreres in ihr zusammentreffe, und zugleich auch als

quale esse, insoferne jenes Mehrere sich von Anderem unterscheide ;

hingegen klettere man unbekümmert um diese Fragen lediglich von der

Gattung abwärts zu den Arten und dann zu den Unterarten *°*). Das

99) f. 4. v. B: Patet ergo eae hoc, quod proprietatum quaedam est, quam

possibile est negari in actu, et quaedam est, quam possibile est in intellectu negari

habere esse, et quaedam, quam possibile est negari in intellectu absolute, et quae

dam, quam impóssibile (zu lesen possibile) est negari esse aliquo modo, cum sit

accidens, et quaedam, quam impossibile est negari, cum sit substantiale.

100) Ebend.: Id quod significat esse, diverunt esse significativum substantialis

communis quantumcunque fuerit; et non pervenit ad nos de hoc plus discussionis.

Nos ergo perquiramus, an id, quod intelligitur de hoc verbo, secundum sensum vul

garem sit haec intentio annon, et an, quod sciunt minores et consentiunt in eo

tanquam in authentico, significet illud. Cum enim fecerimus hoc, ostendetur nobis

magna utilitas. Idem autem intelligitur secundum sensum vulgarem nunc significan

dum. Significativum enim esse rei est id, quod significat intentionem, qua res est

id quod est; res autem non fit id quod `est, nisi cum omnes suas habet proprietates

substantialiter tam communes quam proprias.

101) f. 5. r. A: Mirum autem est de multis , qui tenent, quod substantiale

et quod significat esse sunt unum, et non ponunt, quod substantiale sit proprium

significativum esse eius, cui est substantiale, scilicet id quod vocabimus postea diffe

rentiam. Hoc autem stultum est. Cognitio autem dispositionis eius, quod significat

esse secundum positionem secundam et sensus maiorum hoc est, scilicet quod inve

nimus animal et sensibile praedicari de homine et equo et bove; deinde invenimus

auctores artis dicentes, quod sensibile et omnino quidquid est huiusmodi eae his,

vocantur differentiae eorum, quae dicuntur genera, et ponuntur substantialia. Et

non ponunt ea esse aliquid illius totius, quod vocatur genus, et omne, quod est

significativum esse et continet multa diversa, ponunt genus ..... Quod enim dicitur

significare quale quid substantiale commune, ponunt diversum ab eo, quod significat

esse substantiale commune. Ergo non tenent congruum esse, ut unum aliquid compa

ratione multorum sit esse et quale esse, ita ut ex eo, quod conveniunt in eo illa

nmulta, sit eorum esse, et in hoc, quod per illud differunt ab aliis multis, sit eorum

quale esse ..... Sed cum inveniunt genus, quaerunt aliud, quod sit differentia, quae

constituat genus, si est quod habet differentiam constitutivam; similiter cum inveniunt

species, quaerunt alia eætra earum essentiam, quae sunt earum differentiae. Si

autem id non esset significativum esse, nisi cum esset genus aut species, tunc, cum

XVI. Avicemina. 329

Richtige hingegen liege in jener obigen Unterscheidumg (Anm. 94), und

es sei nur zu bedenken, dass das significans esse entweder auf eine

Mehrheit von Dingen sich beziehe, welche in ihrem Substantiellen sieh

nieht unterscheiden, wie man z. B. von Sokrates und von Hippokrates

„Mensch** aussagt, oder auf eine Mehrheit, welche inmerhalb ihrer noch

substantielle Unterschiede enthalte, wie z. B. „Thier* vom Pferde und

vom Esel gilt !°°); nemlich im ersteren Falle enthalte das significans

esse das substantielle Wesen des Einzelnen und lasse nur noch acciden

telle Eigenthümlichkeiten offen, im letzterem hingegen sei mit jenem

esse das substantielle Wesem noch lange nieht erschöpft, sondern gerade

die Substantialiem, welehe in den artmachenden Unterschieden liegem,

seien noch im Reste '°°). Bei der Bezeichnung aber (significatio) sei

nicht zu vergessen, dass die primäre immer die wesentliche bleibe 10*),

und so stehe die Bezeichnung der parilitas, d. h. der Wesensgleichheit,

am der Spitze, und andere, wie jene der continentia und der comi

tantia, seien erst abgeleitete 49°). Und was nun die Frage betreffe,

ob nicht das Substantiale zugleieh auf das quid und auf das quale quid

gehen könne, und sonach eine Zweitheilung unhaltbar sei, so löse sich

dieses Bedenken dadurch, dass das quid Eines Dinges zugleich das

quale anderer Dinge involvire, jedoch nie das Substantiale eine acci

dentelle Qualität desjenigen sein könne, dessen Substantiale es eben ist,

est significativum substantialis in quo conveniunt, iudicium eius esset diversum ab

hoc. Sunt autem haec quaedam prohibentia verum esse quod diaeerunt u. s. f.

102) f. 5. r. B: Dicemus, nunc iam ostensum esse, quod verbum incompleacum

-universale aut est substantiale aut accidentale, et quod est substantiale alicui, aut

est aptum significare esse aliquo modo aut non est aptum. Significans autem esse

est aut quod significat esse multorum, quae non differunt substantialiter, aut signi

ficat esse multorum, quorum essentiae differunt substantialiter. Evemplum autem

primi est nomen solis .... aut nomen hominis, quando vocatur homo Socrates et

Hypocras; eaeemplum autem secundi est significatio huius nominis ,, animal“, quum

de equo et asino simul alicui interroganli, quid sunt, respondebitur, quod sunt ani

malia.

103) f. 5. v. A: Differentia autem duorum modorum haec est, quia primus

modus est significans esse collectionis, et tunc uniuscuiusque nomen eam nominis

significat et integre veritatem substantialem, quam habent Socrates et Hypocras, nec

eaccedit eam nec relinquitur ab ea, nisi quod proprium est uniuscuiusque de proprie

tatibus accidenlalibus, sicut iam nosti eae praedictis. De modo vero secundo tu scis,

quod animalitas sola est (zu lesen non est) significativa esse hominis et equi unius

cuiusque per se, eae ea enim sola non est unumquodque eorum id quod est; nec

eaccedunt istam accidentalibus differentiis, sed substantialibus; quidquid autem habent

commune de esse, nomen animalis significat; sensibile vero significat partem totius,

quod complectitur significatio huius nominis ,, animal**; est igitur pars perfectionis

veritatis eorum, in qua conveniunt non integre ; similis est dispositio rationalis com

paratione hominis. -

104) Ebend.: Sensus enim de significatione nominis est, ut nomen sit illius

intentionis, quae est eæ prima impositione, unde etiamsi fuerit alia intentio adiuncta

primae eaetrinsecus, quam percipit intellectus, quando percipit primam, non ideo nomen

erit significativum eius secundum impositionem primam.

105) f. 5. v. B: Si autem volumus hoc totum complecti et acquirere, dicemus,

quod significatio dictionum est tribus modis, quia est significatio parilitatis, ut hoc

quod est animal, significat corpus habens animam sensibilem; et significatio conti

nentiae, ut significatio corporis ab animali ; et significatio comitantiae, ut eae tecti

significatione fundamentum. Alfarabi hatte noch ausführlicher distinguirt, s. Anm. 21.

-

330 XVI. Avicenna.

und ebenso sei auch hinwiederum das quale quid befähigt, nach einer

anderem Seite zugleich ein quid in sich zu schliessen '""). Kurz das

jenige Universale, welehes Substantiale ist, kann nach Seite , des quid

je nach der Grösse des Umfanges als Gatlung oder als Ari auftreten,

aber nach Seite des quale ist es die Differenz, und jenes Universale,

welches Accidentale ist, zerfällt in die eigenthümlichen und in die ge

meinsamen Merkmale ; sämmtliche fünf aber sind nicht in absolutem

unabhängigen Sinne zu verstehen, sondern beziehen sich stels auf einen

bestimmten ihnen angehörigen Umkreis '"").

lndem num Avicenna nach solch ausgedehntem Erörterungen, aus

welchen ich nur das Hauptsächlichste und für die Lateiuer Einflussreiche

hervorgehoben habe, endlich sich an die Besprechung der einzelnen

fünf Universalien machi '"*), hebt er zunächst, was genus belrifft, die

Seite der Wortbedeutung hervor, indem die Auffassung des Gattungs

begriffes ursprünglich von dem Begriffe eines Geschlechtes und auch

vom genealogischen Traditionen im den menschlichen Künstem und Be

schäftigungen ausgegangen und erst hernach auf die logische Bedeutung

im Sinne der Definition des Porphyrius übertragen worden sei 49°).

106) Ebend.: Si quis autem diverit, quod aptum est ad quale quid, ipsum

etiam aptum est ad quid; sensibile enim, quamvis negatur significare esse hominis

et equi et bovis ad modum generis vel speciei, non tamen negatur significare esse

commune audienti et videnti, et tangenti; unde non oportet substantiale dividi in id

quod respondetur ad quid et in id quod respondelur ad quale quid, ita ut alterum

non contineatur in altero; non enim constat, ut quidquid significaverit quid est, non

significet quale quid; unde compellunt concedere, quod diacistis, debere alios dicere.

Respondemus ad illud, quod prima quaestio solvetur, cum scietur, nos non negare,

quod illud , quod significat quid sunt aliquâ, significet quale quid sunt alia, quia

concedimus hoc ; non enim negamus, nisi quia verbi gratia sensibile est significans

esse speciale ..... et per hoc non debet esse conlentio in hoc quod dicimus, qu0d

substantiale non est accidens; nostra enim intenlio est, qu0d non est accidentale ei,

cui est substantiale. Quaestio autem secunda solvilur per hoc, qu0d non intelligimus

significans quale quid aplum tantum ad quale quid absque quid, ita ut eius signifi

catio non sit nisi intentio intrinseca ei in nomine significante esse generale aut spe

ciale, sed intentio constitutiva qua differunt; cum autem dicimus significans quale

quid, intelligimus hanc intentionem.

107) f. 6. r. A: Unde esse substantiale universale aut significut (offenbar aus

gefalIlen im Texte ist esse magis commune et vocatur genus, aut significat) esse

minus commune et vocatur species, aut notat quale esse et vocatur differenlia ; sic

universale accidentale aut est proprium et v0catur proprielas , aut conveniunt in ips0

multa et vocatur accidens commune; hoc autem quod est genus, non est genus in se

nec in comparatione omnium, sed est genus eorum, quae conveniunt in eo; similiter

species non est species in se ipsa nec in comparatione omnium rerum, sed in com

paratione eius, quod est aliquid in ipsa ; praeter hoc etiam differentia non est diffe

fentia nisi comparatione eius, quod dividitur in sua essentia per illam ; similiter

etiam proprietas non est proprietas nisi comparatione eius, cuius naturae accidit

tantum; similiter accidens commune non est accidens nisi comparatione eius, cui acci

dit, et non aliter. (Aehnlich bei Schnylders Doc. p. 29., u. vgl. , untem Anm.

172. *7z-;

108) Ebend.: Nunc ergo loquamur de unoquoque eorum per se, et deinde lo

quemur de eorum communitatibus et differentiis, sicut habet usus, incedentes secundum

viam aliorum.

109) Ebend.: Dicemus, quod verbum significans intentionem generis prius apud

eos secundum primam impositionem significabat aliud et deinde per impositionem se

-*

XVI. - Avicemma. 331

Indem er aberi durchaus von dem Standpumkle der griechischem Commen

talorem (Abschn. XI, Anm. 51 u. 133 ff.) inficirt ist, fühlt er sich ge

drumgen, sofort. vor der mäherem Erörterung des Gattungsbegriffes gleich

hier auf die Lehre von der Definition hinzuweisem (wenn auch mit dem

Vorbehalte einer späterem Auseinandersetzung), und er. wiederholt die

sehulmässige Notiz, , dass bei schlechthim einfachen Wesen die blosse

Namensbezeichnung am Stelle der Definition treten müsse, bei jenen

Wesenheiten aber, welche aus einer Melrheit von Substantialiem ver

flochten sind, die Definition in Angabe des genus und der differentia

bestehe 11°), während die Beschreibung. (Abschn. XI, Anm. 138) sich

nur in den äusserlichen Anzeichen des, Gegenstandes , bewege ''').

Hierauf num folgen Controversen. über dem Gattungsbegriff, indem zuerst

das Bedemken, dass in dem Inhalte eines Gallungsbegriffes wieder andere

Gattungen liegen können, und hiedurch möglicher Weise eine Gallung

von einer ober ihr selbst liegendem Gattung ausgesagt werde, dadurch

seine Erledigung findet, dass eine solche Aussage eine accidentelle sei,

indem der Gatlungsbegriff seinem Wesen mach ebem , ein , collectiver

cundam translatum est ad significandum intentionem, quae apud logicos vocatur genus

(vgl. Abschn. XI, Anm. 40.). Illi autem intentionem, in qua multi conveniebant,

vocabant genus veluti gentem (der Text gibt genus) eorum, ut ,, Caesares“, aut

patriam, ut ,,Aegyptii** ..... Videtur etiam mihi, qu0d officia et artes v0cabantur

genus. Et quoniam haec intentio , quae nunc vocatur apud logicos genus, fuit unum

in intellectu, quod habet comparationem ad multa, quae conveniunt in e0, quia in

lingua sua n0n erat ei nomen, quo appellarentur ea, quae sunt inler se similia,

transtulerunt ad hoc el vocaverunt* genus hoc, scilicet de quo loquuntur dialectici et

describunt dicentes, quod est id, quod praedicatur de pluribus differenlibus specie in

eo quod quid est. Jener Beisatz betreffs der Künste, welcher bei Boethius sich

nicht findet, ist hervorgehoben bei Albert. M. De praedicab. lII, 1, p. 27. B: Est

autem attendendum, qu0d Avicenna in primo libro logicae suae dicit, qu0d isti ambo

modi extenduntur etiam ad artificialia; aliquando enim ..... fabri dicuntur Tubal

cailae a Tubalcaim, qui artem fabrorum invenit.

1 10) f. 6. r. B: Prius autem quam incipiamus eaeponere hanc descriptionem,

involvamus , facile sensum diffinitionis et descriptionis, sed differemus eaepositionem

earum usque ad locum, qu0 0stendemus, quid sit syllogismus demonstrativus (s.

untem Anm. 226 ff.). Dicamus ergo , qu0d primum, quod praedicalur et quaeritur

in diffiniendo hoc est, scilicet ut nomen significet esse rei. Si autem intentio rei

fuerit intentio incompleva non composita eae multis intentionibus, tunc non debet

significari eius substantia nisi n0mine, qu0d tantum significat ipsam substantiam , et

hoc erit nomen eius tanlum nec erit aliquid, qu0 potius significetur esse rei, quam

proprium momen eius ; ...... qu0d ergo est huiusmodi, non habet diffinitionem , sed

habet n0men, quo ostendentur ei eætra et accidentia et comitantia. Si autem intentio

substanliae fuerit composita eae intentionibus, ea, quibus est eius esse ita, quod hae

dent ei esse, quia de substantialibus magis propria sunt ei genus et differentia,

differentiam aulem differentiae et genus generis et quod componitur eæ illis, habet

fmediante alio, quae continentur in genere vel differentia, oportet ideo, ut diffinitio

sit composita. eae genere et differentia; cum autem dederint genus propinquum et diffe

rentiam, quae est p0st ipsum, conficietur eae eis diffinitio, sicut hoc quod dicitur de

diffinitione hominis, quod est animal rationale.

111) Ebend.: In descriptione vero non quaeritur nisi ut componatur oratio ea.

consequentibus rem, quae sunt ei paria, quae habebit quidquid continetur sub ea et

nihil aliud, ita ut significet eam significatione signi; convenientius est autem, ut

prius ordinetur in ea genus aut proæimum, aut longinquum, et deinde apponantur

accidenlia aut proprielales; quod si ita non fuerit, erit tunc descriptio viliosa.

332 XVI. Avicenna.

sei *!*), d. h. das bezüglich des Inhaltes' auftauchende Bedenken wird

sogleich durch jene bei den griechischen Commentatorem allein herr

schende Auffassung (Abschn. XI, Anm. 43) beschwichtigt, wornach die

ganze Lehre vom Begriffe um der Tabula logica willem ausschliesslich

den Umfang im Auge hatte, und so trafen für die Lateiner in dieser

Gorruption der Logik . die Araber nachbarlichst mit der Tradition des

Boethius zusammem. Noch einlässlicher aber beschäftigt sich Avicenna

mit der Frage, ob denn die Definition des genus und jene der species

sich nicht gegenseitig im Kreise drehen, da genus mittelbar durch spe- -

cies und species mittelbar durch genus definirt werde, , was ein unwissen

schaftliches Verfahren sei; über die Lösung aber, welehe von Anderen

auf Grund der Annahme beigebracht wurde, dass genus und species

relative Begriffe seien, welche ebem darum wechselseitig durch sich

selbst erkannt werden müssen, geräth er völlig in Entrüstung, da ab

gesehen von der Werwirrung bezüglich des Begriffes der Relation der

Kernpunkt der Frage (ob nemlich wirklich in jenen beiden Definitionen

Unbekanntes durch Unbekanntes demonstrirt werde) übergangen sei ''*);

denn man müsse doch vor Allem unterscheiden zwischen jenem, eae

quo aliud scitur, und demjenigen, cum quo aliud scitur, indem nur

bei ersterem eine Priorität in der Demonstration bestehe 114). Und so

112) f. 6. v. A: Contingunt autem circa hoc quaestiones multae , quarum una

est, quod si genus habet aliquid, quod sit ei quasi genus et hoc est praedicatum

de multis, tunc genus praedicabitur de genere, quod est supra se. Ad quod respon

demus: quod praedicatur de multis, praedicatur de genere ut genus, sed genus de

eo non ut genus, sed ut accidens; non enim dicitur, quod omni praedicato de multis

accidit genus nisi aliquo respectu , sicut animali accidit generalitas aliqu0 respectu,

scilicel respectu communitatis. - -

113) Ebend.: Item quaeritur de hoc, quod accipimus nomen speciei in diffini

tione generis. Cum enim volueris diffinire speciem, videtur necessario apponendum

nomen generis, sicut postea ostendetur, cum dicitur, quod species est id quod poni

tur sub genere. Sed interroganti videtur esse ignotum; ostendere enim ignotum per

ignotum non est ostendere nec declarare ; omnis autem diffinitio vel descriptio est

declaratio. Ad hoc autem iam responderunt quidam dicentes, quod quia duorum rela

tivorum unum non intelligitur esse nisi comparatione alterius, genus autem et species

relativa sunt, ideo debet unusquisque eorum accipi in descriptione alterius necessario;.

unumquodque enim eorum non est id quod est nisi eae comparatione alterius. Haec

autem descriptio auget dubitationem in aliis, quae sunt praeter genus et speciem, in

quibus est implicatum, quod in genere et specie; augmentum vero implicationis non

est eæplicatio. Indagator etiam dicet tibi: adapta diffinitionem relativorum cum dif

finitione generis et speciei et fac scire, quomodo, cum sint simul incognita, scitur

alterum per alterum. Item in solutione solent considerari propositiones quaestionis

et destrui altera vel utraque ; in hac autem solutione , quam hic inducit, non con

sideravit propositiones; non enim divit, quod genus et species utraque non sunt

incognita apud introducendum, nec divit, cum sciatur alterum eæ altero, quum ipsum

sit ignotum, ,,non est hoc dicere ignotum per ignotum“; hoc enim negare impossibile

erat eum, nec poterit etiam negare, quod docere ignotum per ignotum non est decla

rare, nec diacit, quod eae ordine harum propositionum non provenit, quod quaeritur

eæ eis; quare hic non considergvit propositiones quaestionis nec suum syllogismum

in hoc fecit. Et etiam accidit ei maaeimus error eæ hoc, quod non potuit invenire

differentiam, quae est inter id quod scitur cum aliquo et id eae quo scitur aliud.

114) f. 6. v. B: Id enim eæ quo aliud scitur est id quod per se scitur et fit

pars ostendendi aliud, cui quum adiuncta fuerit alia pars, pervenietur ad cognitionem

alterius , quod iam cognitum fuerat numquam ante illud. Quod autem scitur cum

XVI. Avicenma. 333

raeh löse sich dieses ganze Bedenken dadurch, dass die übliche Defi

nition des genus vollständig richtig sieh verhalte, wenn auch nicht die

species als solche ausdrücklich beigezogen werde, denn die Function

der Form und des artmachenden Unterschiedes, welche im Artbegriffe

zur Erkenntmiss komme, sei kein Correlatives, für den Gattungsbegriff,

und die Definition des letzteren könne daher füglich dahim lautem, dass

derselbe von: Mehrerem, was unter sich substantielle Unterschiede ent

hält, ausgesagt, wird, ohne dass hiemit die Erwähnung des Artbegriffes

nothwendig wäre 11°). Ehen darum aber musste Avicenna in den Gat

tungsbegriff auch die Formfähigkeit und Bestimmbarkeit verlegen, welche

in ihrer Werwirklichung abwärts bis zu jenen Gestaltungen treibt, welehe

nicht mehr Gattungen sein können, und so gilt ihm die Gattung als die

primitive. Gfundlage für Erfassung des Was oder der quidditas, denn

der Galtungsbegriff kann nur dadurch „in eo, quod quid est“ ausgesagt

werden, dass das actuelle und intellectuelle Sein der Gatlung die Mög

lichkeit einer Formbildung durch , substantielle Unterschiede involvirt ''").

Wenn übrigens diese Auffassung durch das traditionelle Beispiel des

aliquo est id quod, cum perfecta fuerit cognitio rei eae conventu ostendentium rem,

simul sicut res etiam scietur ...... Cum autem sciuntur alia eæ aliis , sequitur, ut

cognitio unius sit prior cognitione alterius et non cum cognitione alterius; et ideo

id quod scitur cum aliquo aliud est ab eo ea, quo scitur aliud .... Unde dicimus,

qu0d relativa non diffiniuntur secundum hanc imperitiam, quam inveneral ille, qui

putat per eam solvere huiusmodi quaestionem; sed in diffinilione relalivorum est

quidam modus collationis, per quem removebilur haec perpleacitas, cuius declarationis

alius est locus. -

115) Ebend.: Postquam vero iam ostendimus, illum nihil determinasse, redi

bimus ad id, a quo digressi sumus, dicentes, quod diffinitio generis perfecta est,

licet non accipiatur in eu species secundum hoc quod species est et refertur ad ipsum,

sed secundum hoc quod est essentia. Cum enim intelligitur ea, specie esse et veritas

rei et forma ....., non erit tunc species ad genus; cum enim intelligitur .... diffe

rentia inesse et forma, iam perfecta est diffinitio generis. Cum enim diaceris, , qu0d

genus praedicatum de multis diversis in se ipsis esse et formis et substantialibus

ad interrogationem per quid sunt, iam perfecta est diffinitio generis, et non est ne

cesse, speciem eæ hoc, quod relata est, poni in eius diffinitione, quamvis relatio

aliquo modo haec intelligatur. Sed non est sic , ut propter hoc sit diffinilio, quae

est eorum, quorum unum diffinitur eæ altero, sed relatio, quae est hic, intelligitur

esse haec, quod quum diaceris, quod est praedicatum de multis diversis in esse, iam

posuisti diversa in esse praedicari de ipso, et hoc est, quod innuit de relatione,

quae tibi accidit.

116) Albert. M. Top. I, 2, 4, p. 672. B: Genus enim est primum subiectum in

quolibet, ut dicit Avicenna, formabile et determinabile differenliis , usque quo for

metur in specialissimas, quae differentiis non sunt formabiles, et ideo nullo modo

possunt esse genus ........ Quia vero genus est primum subiectum eius, in qu0 est,

• • - • • ideo oportet, quod in eo quod quid est praedicetur. Ad hoc autem, ut dicunt

Avicenna .et Algazel, tria eæiguntur. Unum quidem , quod genus aclu et inlelleclu

sit, ut quid eius de quo praedicetur .....; secundum aulem, qu0d sic sit per ali

quam potentiam, sed non de necessitate naturae et substantiae, ita quod sic insit

vel ponatur sic inesse, sive sit sic sive non ......;. tertium est, qu0d posito genere

statim potentia ' formali induta ponitur inferius, et in quod formabile est genus.

Ebend. De praedicab. IV, 1, p. 34. B: Avicenna enim dicit, quod genus uniuscuius

que , primum essentiale et informe subiectum est, quod primum dicilur, quia in eo

est prima potentia et prima inchoatio ad esse rei secundum substantiam et quiddi

tatem. w -

334 XVI. • Avicenna.

Porphyrius klar gemacht wurde, so erhoben sieh- hiegegen bei den

Lateinern theilweise theologisehe Bedenken ''").

Mit den spitzfindigsten Distinctionem schlägt sich Avicenna bei Be

sprechung der species herum, welche in der Reihenfolge der fünf Worte

darum den Vortritt vor dem artmachemden Unterschiede bekömmt, weil

in ihr die Wesenheit der Gattung die Grundlage - bilde, auf welcher

erst die Thätigkeit der Form ihre Wirksamkeit beginnen könne 14*).

Den hauptsächlichsten Gegenstand der controvertirenden Erklärung bietet

eine Unterscheidung dar, welehe wir bereits bei Alfarabi (Amm. 28)

wenigstens im Keime vorfanden. Nemlich das Wort, „species“, welches

ursprünglich in gewöhnlichem Sinne zunächst jede Form überhaupt

bezeichnete, sei dann darum, weil das unter eine Gaitung Fallemde ver

schiedene eigenthümliche Wesensformen zeigt, in technisch logischem

Sinne angewendet wordem ; hier aber seien sofort zwei Auffassungen

auseinandergetreten, indem man einerseits in allgemeineren und weiterem

Sinne die Species, in Beziehung zur Gattung bringe und sie als dasjenige

definire, von welehem die Gallung ausgesagt wird, oder andrerseits vim

eigentlicherem Sinne die species specialissima ins Auge fasse als das

jenige, was von mehreren nur numerär verschiedenen Dingen wesent

lich ausgesagt wird ' '°). Welche von beidem Auffassungen, deren keine

weitab hergeholt sei, da beiderseits der Begriff der specialitas sich

leicht einstellen konnte, eime geschichtliche Priorität in Anspruch nehmen

dürfe, lasse sich kaum entscheidem, (loch spreche die Wahrscheinlich

keit für die zweite '*"). Soll aber, nun erörtert werden, in welcher

117) Albert. M. De praedical. IV, 4, p. 42. A: Avicenna el Arabes dicunt, quod

animal rationale est ut genus ad hominem et ad angelos; quod falsum est, quia

angelus nullo modo proprie est animal, sed dicitur animal aliquando propter vivere

secundum intellectum. S. untem Anm. 134

118) Ebend. IV, 1, p. 34. A: Tractaturi de specie tanquam secundo universali

cogimur differre tractatum de differentia et tertio loco inter universalia ponere .....

Cuius tamen aliam rationem dicit esse Avicenna hanc, quia differentia non est, in

qua est genus per essentiam, cum differentia sit actus sive forma simpleæ, in specie

autem per essentiam est genus.

119) Log. f. 7. r. A: Species autem apud graecos dicebatur secundum aliam

intentionem praeter speciem logicam; nomen enim, quod transtulerunt graeci philo

sophi ad intentionem speciei logicae, prius imposuerant secundum primam institutionem

formae uniuscuiusque, et quia postea invenerunt, quod ea quae sunt sub eodem

genere habent formas et esse, quae sunt propria unicuique eorum , ideo vocaverunt

ea eae hoc quod sunt ita species, et sicut nomen generis continebat intentionem vul

garem et logicam, ita nomen speciei absolute continet intentionem vulgarem et logi

cam. Et sic nomen speciei logicae continet secundum logicos duas intentiones, qua

rum una est communior et alia magis propria. Communior autem intenlio haec est,

quam dicunt referri ad genus et diffiniunt dicentes, quod est posita sub genere aut

de qua praedicatur genus substantialiter el alia huiusmodi. Inlentio vero magis

propria est, quam aliquando describunt secundum aliquem respectum dicentes, quod

est species specialissima et haec est, quae significat esse, quod est commune pluri

bus non differentil)us substantialiter ......... Sed inter hos duos actus est differentia,

quum tantum secundum primam intentionem referatur ad genus, sed secundum secun

dam intentionem non referatur ad ipsum; ad hoc enim, ut praedicelur de pluribus

differentibus numero in quid, non est necesse, ut sit aliud quid communius quam

ipsa, quod praedicatur de ipsa. -

120) Ebend.: Deinde certissime nescio, uter eorum modorum secundum logicos

XVI. Avicemma. 335

der heidem Bedeutungen species in der Lehre von den fünf Universalien

zu nehmen sei, so könne die Eintheilumg der letzteren allerdings so

gestellt werdem, dass mur die Eine Bedeutung der Species zulässig ist;

denn theile man die universelle Bezeichnung des esse mach dem Gesichts

punkte, dass das Einzelne entweder der Art nach oder der Zahl nach

versehieden ist, so sei die auf die Gattung bezogene Definition der

Species ohnediess ausgeschlossen, und theile man den ersteren Gesiehts

punkt abermals nach der Möglichkeit einer Zulassung oder Nicht-zti

lassung eines allgemeimeren Gattungs-Prädicates, so liege darim die blosse

Potenz einer Beziehung der eigeutlich strieteren Species auf die Gat

tung '*'); theile man hingegen die Universalien ohne Berücksiehtigung

jener Verhältnisse, in welehen sie durch Vergleichung mit dem Ein

zelnen stehen, so gelange man ausschliesslicl, auf jeme Definition der

Species, welche die relative Bezugnahme auf die Gatlumg enthält '**).

Aber hinwiederum könme ja eine Eintheilung unmöglich alle fraglichem

Gesichtspunkte zugleich berücksichtigem , und so ergebe sich auch hier

erst als eine Folge der Einlheilung die Erwägung, dass die Universalien

fuerit prior; non est enim longe, quod id ad quod primum transtulerunt nomen spe

ciei, sit id quod est supra singularia; et deinde propter hoc, quod accidit ei habere

supra se aliam communiorem, vocaverunt , quod est sub communi huiusmodi, speci

alitatem; nec etiam est longe, quod alia intentio antiquorum sit, scilicet (der Text

gibt sed) quia hanc intentionem comitabatur, ut esset species specialissima, et prop

ter suam relationem restringentem specialitatem tantum absque generalitate posuerunt

digniorem tunc nomine specialitatis, et quia est statim post singularia, vocata est

species. Hoc aulem est quod ego nequeo discernere, quamvis magis foveam, quod

nomen non fuerit prius impositum speciei secundum respectum quo refertur ad genus.

121) f. 7. r. B: Debemus autem scire de specie, quae una est de quinque in

divisione prima, secundum quem istorum modorum est species. Dicamus ergo posse

esse, ut haec quinquemembris divisio fiat taliter, ut includat unum tantum duorum

modorum et non alium. Cum enim dicitur, quod nomen commune substantiale aut

dicitur significare esse aut non, si est significans esse, aul est significans esse com

•mune differentibus (ausgefallem ist: specie, aut est significans esse commune diffe

rentibus) numero non specie, tunc membrum significans esse continebat genus el

speciem, quae est statim post singularia, et eaecludit respectum speciei secundum

intenlionem , quae est in relatione generis secundum membrum primum. ''Et postea

praedicatum de multis differentibus specie in quid dividitur in id, quod est sic de

quo non praedicatur aliquid huiusmodi , et hoc erit quod vocatur genus tantum, et

in id, quod praedicatur de multis, de quo praedicatur aliquid huiusmodi, et secun

dum hunc respectum erit species. Sed haec divisio non attribuit numerum specialitatis

secundum intentionem relatam absolute, sed ostendit nobis potestatem huiusmodi spe

cialitatis secundum hunc respectum, scilicet quod est genus et habet specialitatem,

et ostendit nobis naturam speciei secundum respectum proprium salvam et integram.

122) Ebend.: Et possibile est autem dividi taliter, ut det nobis speciem, quae

est , secundum intentionem communem, et species secundum intentionem propriam sit

in secundo membro ...... Cum autem dividitur universale secundum quod est univer

sale, communicatior consideratio de illo est, ut dividatur divisione, quam habel

comparatione inferiorum suorum, quibus est universale, et tunc removebitur species

secundum intentionem communem et non habebitur postea nisi eae alio respectu, et

tunc species, quae primo percipitur, erit species secundum intentionem propriam. Si

autem mon curaverit de hoc nec de dispositionibus universalium et de accidentibus

eorum, quae sunt inter illa eæ hoc quod sunt universalia, sicut hoc, quod unum est

communius vel magis proprium comparatione alterius et non comparatione singularium,

tunc proveniet tibi species relativa.

336 XVI. Avicenna.

je nach ihrer relativen Allgemeinheit miteinander verglichen werden

können ***); wenn man daher sich auf diesen letzteren Standpunkt

stelle und sage, dass die quidditativem Prädicate nach grösserer oder

geringerer Allgemeinheit sich unterscheidem und hiernach entweder Gat

tung oder Species sind, letzlere aber ilìrerseits entweder abermals als

Gattung anderer Unterarten oder nicht mehr als Gattung auftreten kann,

so sei eine Eintheilung gewonnen, in welcher die relative Definition

der Species enthalten und zugleich die strictere nicht ausgeschlossem

sei '**). Werfe mam sich aber auf die gewöhnliche Eintheilung der

Universalien, wornach in dem von ihnen umfasstem gleichartigen Wielen

entweder Arl-Unterschiede oder mur numeräre Unterschiede bestehem,

und im ersteren Falle entweder das Substantiale sowohl nach Seite

des quid (genus) als auch nach Seite des quale (differentia), oder aber

das Accidentale (accidens) verlreten sein kanm, und ebenso im letzterem

Falle entweder das quid (species) oder das quale (proprium) bezeichnet

sein kann '*°), so gewinne man allerdings die strictere Definition der

Species im Sinne der species specialissima, gerathe aber in Schwierig

keiten betreffs der Differenz und der zu enge gefassten proprietas ;;;

.•

123) Ebend.: Non debet autem quis credere, ut haec quinquemembris divisio

sit includens omne id, in quo dividitur universale; aliquando enim aliquid dividitur

in aliqua, et excluduntur ab e0 alia, quae non includunlur nisi in alia divisione;

animal enim cum dividitur in loquens et in non loquens, .... eaecluditur volatile et

gressibile .... Non debes aulem persistere in dicendo, quod huec divisio quinquemem

bris debeat includere omnem intentionem cuiuscunque universalis et respectum eius,

sed debes scire, quod non ducit nos ad hoc implicitum nisi quia duo membra dis

creta conveniunt in uno nomine, quod est species. Convenientius est autem dicere,

quod cum haec quinque habila fuerint, provenit eae comparatione, quae est inter illa,

aliquid aliud, scilicet dispositio eius, quod est magis proprium inler ea, quae prae

dicantur in quid comparatione magis communis, ita qu0d sit specialitas magis

propria.

124) Ebend.: Si autem voluerit facere divisionem, eae qua detur nobis species

secundum inlenlionem relatam, quae est communior, tunc convenit dici, qu0d nomen

substantiale aut praedicatur in quid aut non; id autem quod praedicatur in quid,

intelligitur commune id, quod convenit responderi ad interrogationem factam de mul

tis, quid sint. Deinde dicemus, quod ea quae praedicantur in quid differant in

communitate et proprietate; quaedam enim eorum sunt communia et quaedam commu

niora; eae praedicabilibus autem in quid id , quod est communius, est , genus minus

communis, et minus commune est species communioris. Inventa autem specie divi

demus aliter dicenles necesse esse , ut aut species fiat genus alii speciei aut non.

Et haec divisio ostendit nobis quinque manifeste, et natura speciei secundum inten

tionem communem continetur in ea; species vero secundum intenlionem secundam

includetur in ea aliquo m0d0 ; sed in divisione prima non fuit ita.

125) f. 7. v. A: Vulgata autem divisio horum quinque affinior est primae divi

sioni; dividitur enim sic: omne nomen. incompleacum aut significat unum aut multa;

significans autem unum est momen singulare ; significans , autem multa aut significat

multa differentia specie aut numero; significans vero multa differentia specie aut est

substantiale aut est accidentale; si aulem est substantiale, aut praedicatur in quid

aut in quale quid; significans autem multa differenlia specie in quid ponitur genus;

significans quale quid est differentia; accidentale vero est accidens commune; deinde

dicitur , quod id, quod significat multa differentia numero, aut praedicatur in quid

et est species, aut praedicatur in quale quid et sic est proprietas.

126) Ebend.: Haec aulem eorum divisio non ingludit speciem secundum inten

tionem relativam nec differentiam secundum quod est differentia ..... Si autem consi

XVI. Avicenna. 337

Jedenfalls aber liege für die Species das Entscheidende darin, dass die

von ihr umfasste Vielheit mur numeräre Unterschiede innerhalb ihrer

selbst zulasse, denn hiedurch unterscheide sich die Species von Gattung

und von Accidens, und man müsse darum die numerären Unterschiede

in strengem Sinne auch nur von dem Numerären verstehen 137); andrer

seits aber unterscheide sich die Species von der Differenz und von

dem eigenthümlichen Merkmale durch dem quidditativen Charakter, und

somit beslehe die strictere Definition zu Recht '*°). Hingegem habe jene

andere weilere Definition ihre Bedenken, sowohl wenn das Verhältniss

der Subordination unter die Gattung zur Hauptsache gemacht wird, da

dann eine Vieldeutigkeit der Subordination möglich bleibt 1*°), als auch

wenn man das Verhältniss der Aussage hervorhebt, da damn die übliche

derarent, quod tu postea scies, non possent reprehendi; sed scies, eos nec conside

rasse nec percepisse, et ideo non possumus eos eaccusare; fortassis autem doctorum

primus (doch wohl Alfarabi?) consideravit; et in hac divisione non distinaverunt

inler proprietatem et differentiam, quam non habet nisi species, et ezcluserunt pro

prietatem , quae est proprietas speciei mediae (s. unten Anm. 151.) et compar eius;

non enim assignaverunt proprietatem secundum quod est proprietas speciei, sed secun

dum quod est proprietas speciei specialissimae, sicut non assignaverunt speciem nisi

specialissimam.

127) Ebend.: Certificemus nunc vulgatas descriptiones speciei dicentes , quod

speciei, secundum quod species non refertur ad genus, perspicitur diffinitio talis,

quod ipsa est quae praedicatur de pluribus numero differentibus in quid; in qua

non convenit cum ea nec genus nec accidens commune ; unumquodque enim eorum

praedicatur de multis differentibus specie, non autem de multis differentibus numero.

Hoc autem quod dicitur de multis differentibus numero debet inlelligi de numero tan

tum. Nisi enim sic intelligatur, eæ hoc, quod praedicatur de multis differentibus

numero, non prohiberetur praedicari de multis differentibus specie; praedicatur enim

de multis differentibus specie aliquando, quod praedicatur de multis differentibus

numero; quare proprielas huius nominis non est speciei, sed tantum eius quod prae

dicatur, nisi sic eaecludatur id, quod praedicatur de mullis differentibus specie, ab

eo, quod inlelligitur de hoc. Et hoc est, per quod differunt a specie genus el acci

dens, aut per quod discernitur, ab ea differre, quae praedicantur de multis differen

tibus specie.

128) f. 7. v. B: Sed non discernitur per hoc species a differentia, quae est

propria speciei, sicut est ralionale ...... Aliqui autem verbosi possunt eæcludere

ab hac diffinitione secundum hunc modum discernendi speciem a differentia. Modus

vero hic est, ut dicatur: eae natura speciei secundum hanc intentionem debet non

praedicari nisi de multis differentibus numero ; sed naturae differentiae non debetur

hoc. Et hic modus est eæceptus. Sed per hoc, quod praedicatur in quid, species

a differentia absolvitur et etiam differt a proprietate, proprietas enim non praedica

tur in quid. Ergo haec descriptio est recte assignata, quae non comitatur nisi in

tentionem, quae dicitur species specialissima.

129) Ebend.: Species vero, secundum quod refertur ad genus, habet duas de

scriptiones, quarum una est haec, qua dicitur, quod est posita sub genere, altera

vero, quod est id de quo praedicatur genus in quid. Debemus autem hoc conside

rare dicentes, quod si ,,posita sub genere“ intelligitur, quod sit magis propria quam

ipsum in praedicatione , ..... si vero intelligatur de eo, quod universale est tantum

et non singulare, ..... si vero intelligatur, quod est propinquius sibi coniunctum in

illo sine medio, ..... si vero intelligatur, quod est sibi coniunctum non in ordine

communitatis tantum, sed in ordine intentionis, .... si vero inlelligatur, quod est in

cuius matura est c0mmume ..... Hoc autem nomen „positum sub genere“ non signi

ficat hanc intenlionem eæpositam tot modis nec secundum impositionem nec secundum

usum ; non enim memini , me aliquo loco librorum auctorum huius artis invenisse,

hoc nomen sic debere inlelligi.

P R A N T l, Gesch. II. 22

338 - XVI. Avicenna.

Formulirung der Definition mangelhaft ist 1°°), — einer dritten un

wissenschaftlichen Definition der Species gar nicht zu gedenken '°').

Auf solcher Grundlage num lenkt Avicenna zur Tabula logica des Por

phyrius ein (s. Abschn. XI, Anm. 41), in welcher zwischen genus ge

neralissimum und species specialissima die Stufenfolge der Mittelglieder

sich bewegt 18*), und er glaubt hiedurch die Werschiedenheit der Auf

fassungen des Artbegriffes in das richtige Licht gestellt zu haben '**).

Die nähere Werdeutlichung der Tabelle des Porphyrius führt ihm auch

hier wieder auf jenen obigen (Amm. 117) für die Lateiner bedenklichem

Punkt 184).

Indem sodann die Erörterung über differentia folgen muss, eröffnet

Avicenna auch diese mit der Frage. über den Sprachgebrauch, welcher

nicht (wie bei genus und species) ursprünglich populär entstanden,

sondern von vorneherein ein Erzeugniss der Logik sei, indem man zu

nächst jedem substantiellen Unterschied mit jenem Worte bezeichnete

130) Ebend.: Descriptio vero secunda haec est, quod species est, de qua prae

dicatur genus eius in quid, aut sic dicitur, quod est id, de qu0 praedicalur genus

eius in quid. Contra tunc, si intelligitur praedicari in quid, quod iam ostendimus,

oportet aliquid addi, quod est, de qu0 et aliud praedicatur genus eius in quid, et

erit hoc proprium speciei .... Si autem ea, hoc, quod intelligitur, inter eam et dif

ferentiam et proprietatem et accidens differentia intelligitur, inter eam et singulare

non est differenlia, nisi contineatur in ea, quod sit universule huiusmodi.

131) f. 8. r. A: Qui autem diffinit dicens, quod species est id, qu0d est: magis

proprium de duobus universalibus praedicabilibus in quid, nescil diffinire speciem.

132) Ebend.: Dicemus autem nunc, quod genus aliud est genus, quod impos

sibile est fieri speciem, quum supra illud non est aliud communius genus, et aliud

est, qu0d secundum alium respectum potest fieri species, quia habet supra se genus

communius quam sit ipsum. Et similiter species, quia alia est species , quam im

possibile est fieri genus, nam non est species minus communis quam ipsa, et alia

est, quae alio respectu potest fieri genus, nam sub ipsa est alia species minus com

munis quam ipsa. 0rdinabitur erg0 genus multis modis, quia aliud est supremum

genus, quod non est species ullo modo ; et genus medium, quod est species et genus,

sub qu0 est species et supra qu0d est aliud genus ; et genus infimum, qu0d est

species el genus, sub qu0 n0n est genus. Similiter et species, quia alia est infima,

sub qua non est species ullo modo, nec est genus aliquo modo; et est species su

prema sub generalissimo genere, et supra eam non est species aliquo modo; et est

species media, quae est, species et genus, sed non unius .est genus et species.

Vulgatum autem exemplum huius est categoria substantiae (d. h. die arbor Por

phyriana).

133) Ebend.: Respectu inferiorum est duobus modis, scilicet in respectu eorum,

qu0d sunt sub ipsa, secundum hoc quod non sunt species, et etiam secundum quod

de illis praedicatur. Respectus vero, quem habet ad id, quod est sub ipsa secundum

praedicalionem , atlribuit ei inlentionem specialitatis non. relalive ad genus, et haec

est inlenlio secunda eius, qu0d dictum est. Alius vero respeclus attribuit ei, quod

est species et non genus el qu0d esl species specialissima, et est species eo modo,

quo diacimus. Intellectus autem eorum trium, quamvis sint comitantes se, sunt

tamen diversi; si autem species dicitur unaquaeque istarum intentionum , dicetur

de his lribus sola participalione nominis, sed diffinitionis ipsarum intellectu erunt

diversae.

134) f. 8. r. B: Illa autem differentia, quam attribuerunt substantiae, perve

niens usque ad hominem, non est recta, quamvis non impediat inlelligi id, quod

intenditur. Corpus enim habens animam, cùm complectitur vegetabilia cum sensibi

libus, non compleclitur angelos nisi sola participalione nominis; ergo corpus habens

animum non erit continens angelos u. s. w.

XVI. Avicenna. - 339

und - hernach eine dreifache Abstufung bemerkte 1°°), insoferne die

Differenz bald im weiteren Sinne 18°), bald in eugerem 137) und bald

in engstem Sinne, d. h. als artmachender Unterschied, betraehtet werden

könne, in welch letzterer Bedeutung die primäre wesentliche Function

der Differenz liege, da das Auftreten der übrigem Differenzen von dem

- Dasein (lieser ersten schlechthin bedingt sei 18*). Hieraus fliesse die

Distinction in trenmbare und untrennbare Differenzen, welch letztere

enlweder die Substanz oder die Merkmale betreffen können, sowie die

Unterscheidung (s. Absehn. XI, Anm. 44) in die bloss alterirende und

in die artmachende essentielle Differenz 189). Insoferne aber die Diffe

renz als eines der fünf Universalien in Betracht komme, müsse daran

festgehalten werden, dass sie von der Species nach Seite einer quali

tativen Bestimmung (in quale quid) der ihr entsprechenden Gattung

ausgesagt wird, wobei zwar jenes qualitative Moment verschiedentlich

gefasst werden könne '*"), aber nie die substantielle Function desselben

135) Ebend.: Differentiae nomen secundum logicos intentionem primam signi

ficat et secundam; hae aulem intentiones non sunt sicut 'intentiones generis et spe

ciei; prima enim posilio generis non fuit nisi a vulgo, translatio ver9 fuit a maio

ribus; sed differenliae nomen primum logici imposuerunt el deinde transtulerunt.

Cuius prima p0siti0 est haec, cum dicitur, quod differentia est, qua differt aliquid

ab aliquo substantialiler; postquam igitur sic fuclum est, debet differentia praedi

cari de tribus secundum prius et poslerius, ita scilicet ut differenlia alia esset com

munis et alia propria et alia magis propriu. Dieses wiederholt Albert. M. De prae

dicab. V, 1, p. 50. A.

136) Ebend.: Communis autem differentia est id, per quod potest aliquid dif

ferre ab aliquo, quod iterum potest differre per illud ab ipso, et per quam aliquid

potest differre a se ipso in duobus temporibus , cuius eaeemplum sunt accidentia

separabilia.

137) Ebend.: Propria vero differentia est id, quod accidentibus est praedicabile

comitans ; cum enim dicitur aliquid differre accidente inseparabili ab e0, qu0d per

ipsum differl, semper erit differenlia propria, ut differenlia hominis ab equ0 hoc,

quod est carnis nilidae.

138) f. 8. v. A: Differentia vero quae vocatur magis propria, est constitutiva

speciei, quae cum adiungitur naturae generis, efficit illud speciem et deinde comi

latur et accidit, quidquid comitatur et accidit; et haec est subslanlialis naturae

generis, quod constituitur in esse speciei, et haec dat esse, et distinguit et designat;

sicut est rationalitas homini, quae differt a ceteris, quue conveniunt cum ea; propria

enim primum concurrit naturae generis et accurrit et perficit, ceterae vero non ad

veniunt naturae communi, nisi postquam advenit haec et adaptat et praeparat ad

omnia, quae accidunt et comitantur; haec enim non adveniunt nec accidunt nisi post

hanc proprietatem, quae est sicut rationalitas homini ..... Debes autem scire certis

sime, quia differentia inter differentiam magis propriam et illas differentias haec est.

139) Ebend.: Unde potest dici, quod differentiarum aliae sunl separabiles aliae

inseparabiles; inseparabilium vero alia est sul)stanlialis et alia est accidentalis. Ilem

potest dici, quod differentiarum alia facit aliud alia alteratum; aliud vero est id,

cuius natura est alia, alteralum vero communius est quam illud ....... Differenlia

ergo, quae est magis propria, est causa essentialis differenliae facientis aliud secun

dum placitum auctorum huius arlis imponentium hoc momen.

140) Ebend.: Nostra autem intentio hic est, considerare hanc differenliam

tantum, quae est una eae quinque, et non alias ; cuis cerla descriptio est haec, quod

est universale simpleae praedicatum de specie in quale quid et secundum essenliam

generis sui. Et hoc etiam, quod praedicatur de specie in quale quid, habet etiam

multas descriptiones divulgatas, sicut hoc quod dicitur, quod differentia est, qua

differt a genere species, et etiam, qua abundat species a genere, et etiam, qua

22*

340 XVI. Avicemma.

zu vergessen sei 14!), sowie andrerseits die Species in ihrer Geltung

als Universale, d. h. in ilirer Aussagbarkeit von Mehrerem, bewahrt

werden müsse 1**), wenn auch die nähere Bestimmung dieses Verhält

nisses theilweise über die Aufgabe der Isagoge hinausgehe ***). Hieram

knüpft sich dann an der Hand des Porphyrius (Abschn. Xl. a. a. 0.) die

Unterscheidumg einer die Gattung theilenden und einer die Arten con--

stituirenden Wirkung der Differenz 144), wobei sich die Erwägung ein

stellt, dass manchen Differenzen nur die erstere dieser beidem ohne die

zweite zugeschrieben werden müsse, da das Entblösstsein (s. oben Anm.

34) nicht als , constituirende Differenz zu betrachten sei ***); irrig hin

differunt quae conveniunt in genere, et, quae praedicatur de pluribus differentibus

specie in quale quid. Ebenso aus Avicenna Albert. M. De praedicab. V, 1, p. 52. A.

141) Ebend.: Debemus autem diligenter considerare has descriptiones et certi

ficare eas. Dicemus ergo, quod cum addiderint unicuique harum descriptionum ali

quid, erit par; hoc autem est, ut dicalur substantialis, et hoc substanliale est id,

per quod differt substantialiter species a genere; proprietas enim, quamvis per eam

species differat, non est talium substantialium.

- 142) f. 8. v. B: Descriptiones vero tres priores, quamvis sint pares cum dif

ferentia, non tamen includunt id quod est in differentia ut genus eius, quo scilicet

completur diffinitio, quamvis sine eo possit haberi significatio substantialis aequalis,

sicut si aliquis diceret, quod homo est rationale mortale ..... Quod autem est quasi

genus differentiae, hoc est universale ; debet ergo addi illi. In descriplione vero iam

nominatur universale, cum dicitur praedicari de multis, praedicari enim de multis

est descriptio universalis, ergo iam attribuitur ei descriptio aliqua, quae est quasi

genus, quamvis non designetur eæ nomine.

143) Ebend.: Hoc autem, quod dicitur de pluribus differentibus specie, habet

tres intellectus: unum , quem non percipit, qui vult legere hunc librum, quem postea

ostendemus in suo loco (s. Amm. 228.); ceteri vero duo prope manifesti sunt,

quorum unus est, ut natura differentiae conlineat praedicatione plures species sine

dubio praeter illam unam speciem, a qua differtur; alius vero est, quod natura

differentiae debet praedicari, quale quid est unumquodque multorum differentium

specie inter se.

144) Ebend.: Deinde differentiae duas habent comparationes, unam ad id,

quod dividunt, sc. genus, et aliam ad id, in quod dividunt ; rationale etenim .....

est divisivum generis et constilulivum speciei; si autem genus fuerit generalissimum,

non habebit differentias nisi divisivas, si vero fuerit sub generalissimo, habebit dif

ferentias divisivas et constitutivas ; et differentiae divisivae constitutivae sunt, quae

dividunt genus eius et constituunt speciem eae eo ..... Divisivae vero sunt, quae

dividunt istud et constituunt speciem sub eo; constitulivae vero generis non sunt

minus communes quam ipsum, sed eius divisivae sunt minus communes quam ipsum

- - - - - - Nulla autem conslitutiva est nisi divisiva; divisivarum autem, secundum quod

videtur, aliqua est non conslituliva ; hoc aulem non est nisi in differentiis negativis

sive privatoriis, quae vere non sunt differentiae. In einer etwas abweichenden Form

berichtet hierüber. Albert. M. De praedicab. V, 6, p. 65 A: Dicendum cum Avicenna,

quod differentia in se tria habet, scilicet quod est simpleae divisiva et per hoc est

differentia; et quod est simpliciter cönstitutiva el hoc habet eo quod est divisiva;

habet et tertio, quod est ad certam speciem determinativa, et hoc non habet eae eo

quod est divisiva nec eae eo quod est constitutiva, sed hoc habet eae hoc, quod est

certa rei specialis natura et forma propria et essentialis.

145) f. 9. r. A: Privativae enim comilantes sunt rerum comparatione intentio

num, quibus carent; irrationale enim non intelligitur nisi respectu rationalis .....

Aliquando autem cogimur, nomen privatorium ponere pro intentione, quam habet res

in sua essentia, cum non fuerit eius nomen; propter hoc autem non oportet, quod

negatio haec sit proprium eius nomen, sed est nomen comitans illam, quod trans

fertur ab eo, cui inditum est, ad hóc ...... Privationes vero, eæ hoc quod sunt

XVI. Avicenna. 341

«

gegen sei es, zu glaubem, dass, wenn zwei Differenzen nacheinander

zur Constituirung eines Wesens wirken müssen, die erstere derselben

bloss eine theilende und hernach die zweite eine constituirende sei 14°),

sondern im Gegentheile bestehe überall eine Gleichzeitigkeit jener beiden

Functionem '*'). lndem aber die Differenz in dieser ihrer artmachenden

Wirksamkeit Wesem erzeuge, welche als solche eine Gradabstufung nicht

zulassen '**), könne ein solches Mehr oder Minder allerdings bei allen

übrigen Differenzen stattfinden, denn sowie bei blossem Qualitäten sich

eine Gradabstufung durch Beimischung der Gegensätze ergebe, so sei

auch bei dem artmachenden Unterschiede die äussere Erscheinung in

hindernde Einflüsse verwickelt, wodurch sich eine Manigfaltigkeit der

Intension der wirkenden Formen ergebe, während die artmachende Form

an sich hievon unberührt und einheitlich bleibe 14°). Endlich was die

privationes, non sunt intentiones constitutivae rerum , sed sunt accidentes et comi

tantes respective , postquùm iam sunt essentiae eorum ; tunc irrationale non est vera

differentia, in qua conveniunt bruta, et quae sit constitutiva eorum. Si autem aliquis

..... voluerit modum, qui habetur verissime, non erant istae differentiae; quomodo

enim essent differentiae, cum non constituant aliquam specierum? Vgl. Anm. 198.

146) Ebend.: De hoc autem, quod quidam putant, quod differentiarum quaedam

sunt conferentes esse, quae dividunlur, et deinde eaespectant, donec alia veniat dif

ferentia et constituat simul, sicut rationale, quod fortasse putatur animal dividere,

sed eaespectat ad constituendam speciem, donec ei adiungatur mortale, haec opinio

falsa est; differentia enim, quae non dividit et provenit eae ea constitulio speciei,

mon est necesse omnino , ut sit constituens speciem specialissimam; interest enim,

an dicamus, quod speciem constituunt, aut dicamus , quod constituunt speciem spe

cialissimam. Hierauf bezieht sich Albert. M. De praedicab. VIII, 8, p. 87 B: Dicit

Avicenna, quod differentiae non eiusdem ordinis conveniunt ad speciei constitutionem,

quarum una est prior et altera posterior, sicut rationale, quod est communius quam

homo, et mortale, quod posterius in eadem rationali natura acceptum est determinans

ad speciem hominis.

147) Log. f. 9. r. A: Animal rationale est, cuius iunctura habet intentionem in

tellectivam, quae est minus quam animal; et non est differentia, sed differentia est

pars eius, sc. rationale, nec est proprium ; ergo sine dubio est species eius ; simi

liter ostenditur, quod sit genus hominis , sicut manifestavit auctor Isagogarum alias

(Porph Isag. 12, s. Abschn. XI,. Anm. 54.); rationale igitur iam constituit speciem,

ad quam erat genus; cum ergo dividit, constituit sine dubio. -

148) Ehend.: Dicemus autem nunc, quod essentia uniuscuiusque rei una est;

oportet ergo, ut essentia rei nec augeatur nec minuatur. -

149) f. 9. r. B: Alias vero differentias, quae adveniunt post essentiam, nihil

prohibet recipere magis et minus, sive sint separabiles .... sive sint inseparabales ....

Et quamvis hominum alius sit subtilior alius vero hebetior, non tamen virtus ratio

nalis recipit magis et minus , licet etiam aliquis esset, qui omnino nihil intelligeret

sicut infans ; hoc enim accidens non esset eius differentia; eius enim differentia est,

quod in sua substantia est virtus, quae, quum nihil prohibuerit, operabitur ratio

males operationes, et haec virtus est una. Hiezu Albert. M. De praedicab. V, 2, p.

54 A: Respondet Avicenna ad primum quidem dicens, quod dupleæ est intensio et

dupleæ est intensionis causa. Una quidem per contrarii maiorem vel minorem ad

miaetionem , ..... sicut est in qualitatibus quae dicuntur sensibiles, ..... verum enim

album est , cuius albedo nihil contrarii habet admiactum ..... Secundus modus est in

his, quae permiaetibilia non sunt, sed causantur a subiectis, in quibus sunt; haec

igitur, quia sunt esse subiecti consequentia, necesse est accidentia esse, ..... et

ideo illis habitudinibus magis et minus eæistentibus necesse est etiam tales formas

intendi , vel remitti, propter quod habilior ad mirandum risibilior est .... Ad hoc

autem, quod de differentiis essentialibus et substantialibus obiicitur, solvit Avicenna

342 - XVI. Avicemma.

Wortform betreffe, in welcher die Differenz ausgedrückt wird, müsse

der gleiche Standpumkt wie bei allem Universalien eingehaltem werden,

d. h. die Differenz müsse von dem unter sie Fallenden als Prädicat,

welches Namen und Begriffsbestimmung enthält, ausgesagt werden können,

und so sei z. B. nicht ,,Vernünftigkeit“, sondern ,,Vernünftig* als con

stituirende Differenz der Speeies „Mensch* zu bezeichnen *°°).

Das proprium oder die proprietas wird gleichfalls zunächst naeh

seiner Wortbedeutung untersucht, wobei Avicenna sowohl den umbe

stimmt allgemeinen Sinn als auch eine allzu enge Abgränzung dieses

Wortes abweist; nemlich für die Lehre von den fünf Universaliem komme

nur jenes eigenthümliche Merkmal in Betracht, welches von den Indi

viduem Einer Species nach Seite der Qualität ausgesagt werde, und

wolle man diess auf diejenigen eigenthümlichem Merkmale beschränken,

welche *allem lndividuem stets gleichmässig zukommen, so müsste dieses

proprium im engstem Simne als sechstes Universale betrachtet werden 1°').

Tritt aber hiemit das eigenthümliche Merkmal mäher an die Differenz

heran '**), so bleibt es auch in einer gewissen Verbimdung mit den

übrigen Merkmalem, welche als begleitende Folgen durch die Substan

sic, quod forma substantialis, a qua sumitur differentia; tripliciter consideratur,

scilicet ut forma esse conferens, et ut differentia, quia una species comparatur ad

aliud alterius speciei, et ut agtionis naturalis sive substantialis principium, u. s. w.

..... (f. 55 A) Declaratum est igitur , quod ..... dicendum est, differenliarum alias

quidem esse separabiles, alias autem inseparabiles.

150) Log. f. 9. r. B: Debes autem scire, quod differentia, quae est una de

quinque, est sicut rationale, quod praedicatur de specie absolute ; rationalitas autem

praedicatur de specie denomihative. Haec quinque sunt unum quoddam, scilicet hoc

nomen ,,universale“, cuius forma nominis in illis omnibus est, ut praedicetur de

omnibus suis singularibus, quae conveniunt in eo, sic ut attribuat ei nomen suum

et diffinitionem suam; rationalitas autem non dat alicui nomen suum vel diffinitionem

suam; hoc autem si vocatur differentia, sit differentia, sed alterius intentionis ab

ea intentione, de qua loquimur. Similiter intellige proprietatem et accidens ; haec

enim quinque debent praedicari ad modum praedicationis generis et speciei secundum

hoc quod est praedicatio. Polemisch erwähnt bei Albert. M. De praedicab. V, 6,

p. 64 B: Dicunt alii, quod cum dicitur, universale est, quod praedicatur de pluribus

sibi subiectis, hoc dictum est, non quod actu praedicetur de multis, sed quod apti

tudinem habet, quod sit in multis ..... Unde cum species subiectum sit, de quo

praedicari habet hoc universale differentia, dicunt, quod aptitudine praedicatur de

pluribus, quamvis aliqua differentia actu non sit nisi in una sola specie. Et hanc

opinionem recitat Avicenna, et est omnino falsa. Vgl. obige Anm. 89.

151) Log. f. 9. r. B: Proprietas autem dicitur secundum logicos duobus modis ;

uno m0d0 , quia dicitur de omni intentione, quae est propria alicui sive absolute

sive comparatione alicuius; alio modo , quia dicitur de aliquo, quod est proprium

alicuius speciei per se et non alteri ; aliquando etiam proprium dicitur, quòd est

speciei omnis et semper. Proprium autem, quod est hic unum de quinque secundum

logic0s, ut puta id quod est medium ipsorum, est quod praedicatur de individuis

unius speciei in quale quid non substantialiter, sive sit commune semper sive non;

quod enim est commune semper, sive sit species specialissima sive media, magis

proprium est quam hoc; si autem hoc esset proprietas, quae esset una de quinque,

tunc maior esset divisio quam in quinque (s. Abschn. XI, Anm 134).

152) f. 9. v. A: Usus autem fuit, proprium accipi id, quod est proprium spe

ciei et dans differentiam. Albert. M. de praedicab. VI, 1, p. 71 B: Cuius eaeemplum

dat Avicenna satis conveniens; ea, hoc enim, quod homo est animal rationale vel

intellectuale per principia homini essentialia, sequitur, quod sit admirativus, .....

est igitur aptus natus ad ridendum , etiamsi actu, non rideat.

XVI. Avicenna. 343

tialität bedingt sind (s. Anm. 97 f.), und es darf sonach in dieser Be

ziehung kein schroffer Gegensatz zwischem proprium und accidens com

mune aufgeslellt werden '°°), sowie die bei Porphyrius (Abschn. XI,

Amm. 46) gegebene Viertheilung des proprium nichi mehr in Anschlag,

kömmt *°*). Bezüglich des Sprachausdruckes kehrt hier die nemliche

Bemerkung wie bei der Species (Amm. 150) wieder, dass nemlich z.

B. nicht ,,risibilitas“, sondern , ,,risibile“ das eigentliche Universale

sei 158). -

In gleicher Weise beruht auf Obigem (Ann. 97 f.) aueh dasjenige,

was über das accidens bemerkt wird '°°), und sowie schon gelegentlich

des proprium die Auctorität des Porphyrius etwas zurückgetreten war,

so steigert sieh diess hier zur directen Polemik. Nemlich wenn acci

dens commune dasjenige ist, was von mehrerem in ihrer Art verschie

denen Dingen qualitativ ausgesagt wird, so sei hiebei nicht sofort eine

Gegensätzlichkeit gegen die Substanz gedacht, denn wenn das accidens

commune zu den fünf Universalien gehören solle, so handle es sich

darum, dass es in gleicher Weise wie die übrigen Universalien aus

sagbar sei, d. h. z. B. in dem Urtheile ,,Sokrates ist weiss“ werde

von Sokrates ausgesagt, dass er ein die Weisse an sich tragendes Ding

sei, eben diese Aussage aber enthalte nicht eimen Gegensatz gegen die

Substanz 1°7). Denn ,,accidens“ sei hier gleichbedeutend mit „acciden

tale“, welch letzteres dem „substantiale“ gegenüberstehe, und sowie

153) Log. f. 9. v. A: Quidam autem voluerunt omnia alia praeter proprium

ponere inter accidentia communia, ita ut non sit nisi unius speciei tantum, sed non

omni aut alicui eius parti, et sit possibile illam partem illud non habere .... Sed

haec dictio est vitiosa non significans rem vel communitatem eius et proprietatem eius

et unitatem eius, sed secundum aliud; nomen enim accidentis communis ponunt op

poni proprio.

154) Ebend.: Acceptio communior facit proprietates dividi in quatuor, scilicet

in proprietatem, quae convenit alicui speciei, sed non soli, ..... et in eam, quae

contingit omni speciei, et in eam, quae convenit soli speciei, sed vel cuique vel non

omni, .... et in eam, quae convenit omni et semper ..... Proprietas autem, quae

dignior est esse una de quinque, est illa quam diavimus.

155) Ebend.: Debes autem scire, quod proprietas quae est una de quinque,

est risibile, non risibilitas, et navigabile, non navigabilitas, et alia huiusmodi, sicut

divimus in differentia ; aliquando tumen concedimus in verbis et accipimus risibili

tatem loco risibilis. Diess ist wiederholt bei Albert. M. De praedicab. VI, 2, p.

73 B. ' *.

156) Albert. M. De praedicam. IV, 1, p. 141 B: Tam Porphyrius quam etiam

Aristoteles et Avicenna dicunt, quod accidens du0bus modis praedicatur;.... quoddam

enim est forma tabsoluta et non per aliquid est accidens, .... et sic quantitas est

accidens et qualitas et huiusmodi; quoddam autem est accidens, non quia sequatur

esse rei perfectum, .... sed eæ aliquo, quod est eaetrinsecus se habens ad rei sub

stantialia.

157) Log. f. 9. v. A: Accidens vero commune est id, quod est praedicabile

de pluribus differentibus specie non substantialiter, ut album, non ut albedo. Non

est autem hoc accidens illud, quod est 0pp0situm substanliae, sicut multi putant;.

ipsum enim non praedicatur de suo subiecto sic, ut sit ipsum, sed denominatur ab

eo nomen; haec autem quinque praedicantur uno m0d0 , sicut iam saepe diacimus;

accidens autem commune, quod est hic, est sicut album et sicut unum et alia huius

modi; dicitur enim ,,Socrates est albus“, i e. Socrates est aliquid et albedo; res

autem habens albedinem est id, quod praedicatur de Socrate praedicatione vera, sed

res habens albedinem non est accidens e0 m0d0, qu0 est oppositum substantiae.

344 XVI. Avicenna.

umgekehrt ein essentiale zuweilen Accidens sein könne (z. B. das essen

tiale des Farbe-Seins überhaupt), ebenso könne ein accidentale zuweilen

Substanz (d. h. allerdings nicht substantiale) sein ; bezüglich dieser

, ganzen Unterscheidung aber habe Porphyrius unbedaehtsam geredet *°°).

Und in der That müssen wir dem Avicenna zugestehen, dass er in

diesen Fragen die Hohlheit der Angaben des Porphyrius (Abschn. XI,

Anm. 44 ff.) sowohl betreffs der Trennung in accidens separabile und

accidens inseparabile !°°), als auch in der ganzen. Einzel-Entwicklung

durchschaute 1°°).

Hiemit schliesst der erste Theil '"'), und es beginnt nun entspre

chend dem Porphyrius (a. a. 0. Anm. 49 ff.) die übliche Erörterung über

die Berührungspunkte und Untersehiede der fünf Universalien unter

sich 1°*), wobei wir beachten müssem, dass die Lateiner ein beson

deres Gewicht auf Avicenna's Berichtigungen und Zusätze legten 1°°);

ja hierim allein liegt auch in der That für uns die Nöthigung, jene Con

troversen, welche für das Abendland einflussreich waren, in möglichster

Kürze anzuführen. Avicenna tadelt zunächst bezüglich des zwischen

158) f. 9. v. B: Accidens autem intelligitur hic pro accidentali, quamvis non

sit accidens secundum veram intentionem; accidentale autem aliud est proprium aliud

commune; accidentale autem est oppositum substantiali et essentiali, accidens vero

opposilum est substantiae. Essentiale vero aliquando est accidens, ut genus acci

dentis, sicut color albedini, aliquando est substantia; accidentale similiter aliquando

est accidens, aliquando est subslantia. Hic autem accidens non intelligitur nisi acci

dentale, quamvis nondum oslendimus dispositionem accidentis , quod est oppositum

substantiae. - Et hoc est, quod primum non consideravit, qui proposuit, assignationem

quinque horum ante logicam. Albert. M. De praedicab. VII, 1, p. 76 B: Anicenna

Porphyrium redarguit, quod omissa determinatione accidentis, cuius intentio nota non

erat, statim processit ad descriptiones ipsius. Hiezu obige Anm. 29.

159) Albert. M. De praedicab. VlI, 2, p. 76 B: Dicit etiam Avicenna, vilium

esse in hoc, quod .... dividunt accidens in accidens separabile et inseparabile, dicen

tes, quod dormire vel sedere est separabile accidens, nigrum vero esse corvo et Aethiopi

inseparabiliter accidit.

160) Log. f. 9. v. B: Deinde accidens commune habet descriptiones divulgatas,

sicut haec, quae dicit, quod accidens est, quod adest et abest praeter subiecti cor

ruptionem, et ..... quod potest idem habere et non habere, et, quod est nec genus

nec species nec differentia nec proprium, semper autem in subiecto subsistens. Con

sideremus ergo has descriptiones divulgatas. Prima autem multis modis vitiosa est

u. s. w. In descriptione autem per negationem tertia .... si addiderint ei, quod est

universale, huiusm0di appropriabitur accidenti communi, .... hic autem non addidit,

nisi quia putavit eae hoc, accidens, quod est hic unum de quinque, esse accidens,

qu0d est oppositum substantiae. Hiezu obige Anm. 30.

161) Ebend.: Eaepleta est pars prima libri collectionis primae, el deo, cui nihil

est simile, sint gratiae infinitae.

162) Ebend.: Cognitio eius, quod dictum est de divisione horum quinque, suf

ficit ad agendum de communitatibus et differentiis , quae sunt inter haec quinque.

Usus autem fuit in libris introductionum agere de his; faciemus ergo, sicut et illi

considerantes diacerunt.

163) Albert. M. De praedicab. IX, 1, p. 91. A: Quamvis in antehabitis iam

determinatum sit id, quod de quinque universalibus tradidit Porphyrius, tamen adhuc

$unt quaedam, quae utile est scire de his, quae eae logicis doctrinis Arabum in

latinum transtulit Avendat Israelita philosophus et maæime , de logica Avicennae.

Primum capitulum huius doctrinae est de comparatione istorum quinqüe inter se, et

haec ad perfectionem doctrinae ponimus.

XVI. Avicenna. 345

Gattung und Differenz bestehenden Berührumgspunktes das von Porphy

rius gewählte Beispiel '"*), sodann findet er Gelegenheit, im Hinblicke

auf die Differenz die quidditative Aussage derartig zu distinguiren, dass

es auch ein praedicari quasi in quid gebe, welehes bei jedem inner

halb der essentiellem Quiddität Enthaltemen stattfinde und somit auch

von der Differenz gelten müsse 1"°); fermer verwahrt er sich einmal

ausdrücklich dagegen, dass die Gattung direct als Stoff und die Diffe

renz als Form bezeichnet werde, da eine solche Auffassumg immerhin

nur gleichnissweise gemeint sein könne '°"). Und sowie er hinwiederum

vom einem Berührungspumkte zwischen Gattumg und proprium bemerkt,

dass derselbe bei Porphyrius an unrechter Stelle besprochen sei '°7),

so. tadelt er auch, dass die Eine jener Werschiedemheiten, welche zwi

schen Differenz und Species bestehen, nur auf Species im engsten Sinne

sich beziehe, sowie dass bei einer anderen ein schiefes Beispiel ge

wäblt sei 1°°); ebenso muss er (vgl. Anm. 159) den Unterschied, wel

chen Porphyrius zwischen Differenz und untrennbarem Merkmale auf

-

164) f. 10. r. A: Genus autem et differentia conveniunt in vulgato; natura

enim generis debet praedicari de speciebus ...... Exemplum autem huius posuerunt

rationale, quod contineat multas species, et tu nosti, quid sit in hoc; quare, sicut

nosti, non bene fecerunt in ponendo hoc eaeemplum rationale; quamvis enim conti

neat plures species, non tamen illae species propinquae sunl illius, sed sunt species

unius speciei, quam constituit rationale, quum adiungitur animali.

165) f. 10. r. B: Modus aulem, secundum quem processimus in ostendendo

id, qu0d est praedicabile in quid et praedicabile in quale quid, ostendet libi, quod

praedicabile in quid non est praedicabile in quale quid ....... Potest autem aliquis

dicere nobis: vos iam saepe aperte divistis, quod differentia aliquando praedicatur

in quid, et praecipue in libro demonstrationis. Contra quem dicemus, quoniam in

terest inter hoc, quod dicimus aliquid praedicari in quid el aliquid praedicari quasi

in quid, sicut interest inter hoc, quod dicimus esse, et hoc, quod dicimus contineri

in esse; praedicabile enim quasi in quid est omne id, quod continetur in intentione

facta de esse, et illud solum non significat esse; praedicabile in quid est id solum,

quod respondetur ad quid; differentia vero continetur in esse et quasi in quid, quo

niam est pars eius, quod respondetur ad quid.

166) f. 10. v. A: Sunt autem hic aliae differentiae , quae nunc differuntur

alias dicendae; quandoquidem genus non est materia nec differentia est forma, sed

est sicut materia eo, quod natura eius in intellectu est recipiens differentiam, cui

quum advenit differentia, fit ipsum aliquid earistens in actu, qualis est dispositio

materiae et formae. Vgl. Anm. 193.

167) f. 10. v. B: Item alia communitas (d. h. generis et proprii) est, quod

nalura generis praedicatur de speciebus sub se contentis aequaliter ...... Haec autem

communitas si designaretur in communitate, quae est inter genus et speciem et dif

ferentiam, melius esset; sed ibi praetermissum ponit hic.

168) f. 11. r. A: Differentia secunda (d. h. differentiae et speciei) est, quod

species non praedicatur nisi de pluribus differentibus numero tantum, differentia vero

plurimum aut frequenter praedicatur de pluribus differentibus specie ; quae discre

pantia est inter differentiam et speciem specialissimam, non inter differentiam et

speciem absolute (dieses wiederholt Alberl. M. De praedicab. VIII, 8, p. 87. A).

Tertia vero discrepantia est, quod differentia est prior specie, et posuit eaeemplum

huius secundum destructionem dicens, quod rationale sublatum removet hominem;

sed non removetur sublato homine , angelus enim rationale ; nec posuit differentiam

et speciem, quae sunt simul, sed accepit differentiam generis hominis et comparavit

homini ; sed si aliquis diceret, quod species est prior differentia, quae est rationale,

esset devius a veritate. -

\.

346 XVI. Avicenna.

stellt, naeh Form und Inhalt bekänpfen 169) und bezüglich des Unter.

schiedes zwischen Differenz und eigenthümlichem Merkmale auf die

Nothwendigkeit hinweisen, dass der Begriff der Differenz genau und

gleichmässig eingehalten werde 17"). Sodann aber folgt die sehr rich

tige Bemerkung (vgl. Abschn. XI, Amm. 53), dass, wenn man überhaupt

die fünf Universaliem in ihrem wechselseitigen Verhältnissen betrachten

wolle, ein weit planmässigeres Verfahren, als jenes des Porphyrius ist,

eingesehlagen werden müsse 171), und nach wiederholter Hinweisung

(vgl. oben Anm. 107) darauf, dass die Universalien wechselseitig in

einem engerem substantiellen Nexus stehen 11*) und gerade hierin sieh

die richtige Auffassung des artmachendem Unterschiedes ergebe 17°),

fügt Avicemma noch eine neue erläuternde Betrachtung hinzu, in welcher

an einzelnen Beispielem gezeigt wird, dass manche Begriffe zwei Univer

salien zugleich (z. B. Gattung und Differenz oder Gattumg und Aecidens

169) f. 11. r. B: Differentia et accidens inseparabile ..... differunt in hoc,

quod differentia semper continet id , cuius est differentia, sed non continetur ab eo.

• • • • • • • 0blitus autem fuit huius quod diaeerat , scilicet quod unum subiectum ali

quando multas habet differentias, quae conveniunt in illo. Nomen autem continendi

est nomen ambiguum, non doctrinale, nec oportet agere de illo; quod autem in

lelligitur de modo continendi, qui attribuitur accidenti et generi, diversum est a

modo, qui negatur ab eis. Erat autem alius modus , quem dicere melius fuerat,

scilicet quod accidens aliquando continetur et aliquando continet; subiectum enim se

cundum aliquid est c0mmunius et secundum aliquid minus commune.

170) f. 11. v. A : Differunt autem (sc. species et proprium) in hoc, quod id,

quod est species alicuius, fit genus alterius, proprium vero non fit proprium alterius.

Haec autem differentia nimis dissoluta est. Primum quidem in praemissis non con

sideravit differentiam, quae est inler speciem, quae est sub genere, et aliud, sed

semper intendit de specie specialissima, nunc autem praetermittit illud et intendit de

specie , quae est sub genere .... Sed si diceret, quod species alicuius aliquando fit

proprium alterius, proprium vero non fit species, conveniens esset differentia, sed

iudicium de specie esset falsum ........ Alia differentia est, quod species est prior

in esse , proprietas vero posterior, et hoc est intelligibile et concedendum; deinde

subiunacit aliam differentiam, scilicet quod species semper est in actu, proprium ali

quando, sed hic est contrarietas.

171) f. 11. v. B: Si enim recte incessisset, debuerat assignare communitates,

quae sunt inter quinque, et deinde quae sunt inter quaterna et quaterna, et deinde

inler terna et terna, et deinde inler bina et bina; similiter debuerat prius assignare

differentias uniuscuiusque ad reliqua quatuor, et deinde duorum ad tria , et deinde

uniuscuiusque ad aliud proprie; et si diligenter ivisset, ut debuit, non esset ibi

communitas vel differentia inter aliqua duo, quas praetermitteret indiffinite et non

assignaret eas inter alia duo, quasi fortasse assignari , ubi praetermisit, convenien

tius esset. -

172) Ebend.: Postquam iam ostendimus haec quinque universalia, debemus scire,

quoniam id, quod eæ illis est genus , non est genus uniuscuiusque rei, sed solius

suae speciei; similiter et differentia non est differentia uniuscuiusque rei, sed secun

dum hoc, qu0d est divisiva unius generis. Debes etiam scire, qu0d unumquodque

istorum potest esse genus vel quasi genus et differentia et species et proprium et

accidens. -

173) Ebend.: Genus autem non est genus differentiae ullo modo, nec differentia

est species generis ; si enim ita esset, tunc differentiae esset alia differentia; diffe

rentia enim est inlentio eaetra naturam generis ; ralionale etenim non est animal

habens rationem, sed quandam habens rationem, quamvis comitetur illud esse ani

mal, animal enim habens rati0nem h0m0 est.

XVI. Avicenna. 347

oder Gattung und eigenthümliches Merkmal u. s. w.) in sich repräsen

tiren können 174).

Hiemit schliesst der zweite Theil 178), und es folgt nun noch eine

Discussion, welche unter Allem die bedeutendste Wichtigkeit für das

lateinische Abendland im sich trägt. Nemlich obwohl Avicenna zu An

fang (Amm. 90) die tieferen Fragen über die Geltung der Universalien

abgelehmt hatte, beruft er sieh nun hier auf den allgemeimen Gebrauch,

wornacli zumeist im Ansehlusse am die Besprechung des Gattungs- und

Art-Begriffes die Frage erörtert wurde, inwieferme die Universalien in

tellectuell und inwieferne matürlich und inwieferne logisch seien '"").

Die Beantwortumg mum, welehe Avicemma gibt, zeigt uns die Durch

führung jenes Intellectualismus, welchen wir bereits bei Alfarabi (Amm.

23 ff.) trafen 177), und welcher von Avicenna schon in dem Angaben

über die Stellung der Logik (s. hes. Anm. 74) zu Grund gelegt war.

Er wähll hier zur näheren Darlegung seiner Ansicht dem Gattungsbegriff

als Beispiel am Stelle aller einzelnen Universalien und beginnt mit der

Bemerkung, dass z. B. „Thier an sich* unabhängig von simnlicher Wahr

nehimung und vom psyehisch-intellectueller Auffassung und ebenso unab

hängig von Universalität und Singularität zu verstehen sei, denn wäre

es an sich universell, so gäbe es kein einzelnes Thier, und wäre es

an sich singulär, so gäbe es mur Eines, und so werde auch im Denken

„Thier** eben nur kurzweg als Thier gedacht, während dieser Begriff

durch Universalität oder Singularität im Denken neue Zusätze erhalte '"*),

174) f. 12. r. A: Debet etiam sciri, quod haec quinque aliquando commiscentur

inter se multis modis. Genus enim cum differentia; ,, apprehendens** enim est quasi

genus differentiae hominis, quae est rationale ...... Aliquando autem commiscetur

genus cum accidente, sicut ,,color“, qui est genus accidentium hominis. Permiaetio

autem generis cum proprietate est, sicut ,,admirans in actu** quod est ut genus

ridentis in actu ...... Differentia etiam aliquando miscetur cum genere, sicut ,, sen

sibile“, quod esl differentia et genus hominis ...... Proprietas aliquando miscetur

cum genere, ,,gressibile** enim est proprietus communis hominis ...... Aliquando

autem miscetur cum accidente communi , ,,visibile** etenim est proprietas colorati.

Accidens autem aliquando miscetur cum genere. ››

175) Ebend.: Completa est secunda pars libri primi, et ei, qui dedit scire,

sint gratiae infinitae.

176) Ebend.: Usus fuit, ut, cum quinque haec distinguerentur, diceretur se

cundum hoc, quod uno respectu sunt naturalia et alio respectu logicalia et alio in

tellectualia , et fortassis etiam diceretur, quod uno respeclu sunt absque multiplici

tate et alio cum multiplicitate ; et fuit usus, ut tractatus de his poneretur continuus

cum tractatu' generis et speciei, quamvis hoc commune sit quinque universalibus.

177) Die in Anm. 23, 24. u. 25. angeführten Stellem aus Albertus Magnus

erhalten hiemit hier, insoweit sie neben dem Alfarabi auch dem Avicenna betreffen,

von selbst ihre Werwendung.

178) f. 12. r. A: Dicemus ergo imitantes priores, quod unumquodque eorum,

quae ponuntur eaeempla pro aliquo istorum quinque, est in se aliquid aliud .....

Ponamus autem in hoc eaeemplum generis dicentes, quod animal est in se quoddam

et idem est, utrum sit sensibile aut sit intellectum in anima, in se autem huius nec

est universale nec est singulare. Si enim esset universale ita, quod animalitas eae

hoc, quod est animalitas, est universalis , oporteret , nullum animal esse singulare,

sed omne animal esset universale; si autem animal eae hoc, quod est animal, esset

singulare, impossibile esset, esse plus quam unum singulare, scilicet ipsum singulare,

cui debetur animalitas, et essel impossibile, aliud significare esse animal. Animal

348 XVI. Avicemma.

denn lediglich im Denkem, nicht aber von Aussem her, werde die Ver

gleichung' einer einheitlichen Form mit dem unter sich ähnlichen Wielen

vollzogen 17°). So sei ,,Thier* ein intelleeluelles Etwas, aber etwas

Anderes wieder sei seine Allgemeinheit, und abermals etwas Anderes

dasjenige, was das allgemeine Thier ist, memlieh die Allgemeinheit sei

der logische Gattungsbegriff, und andrerseits liege die natürliche Gattung

darin, dass ,,Thier* von Natur aus befähigt ist, dass mit ihm jenes

intellectuelle Etwas mach dem Gesichtspunkte der Allgemeinheit vergli

ehen werde 1°°), und somit sei bei dem logischen Gattungsbegriffe trotz

seiner intellectuellen Quelle das intellectuell Erfasste durchaus micht

identisch mit dem an ihm logisch Erfasstem, denm das Denken bethätige

erst die Allgemeinheit in der Denkform — „intellectus agit universalita

tem in formis“ — 1°!); ebenso aber unterscheide sieh die logische

Gattung von der natürlichen, denn während erstere dem unter sie Fal

lenden ihren Namen und ihre Definition aufpräge, verleihe letztere dem

selben nur die naturgemässe Fähigkeit hiezu '**), und man könne somit

allerdings „Thierheit“ (animalitas) einerseits als Gatlungs - Form und

autem in se est quoddam intellectum, quod sit animal, et secundum hoc, quod in

telligitur esse animal, non est nisi animal tantum ; si autem praeter hoc intelligitur

esse universale aut singulare aut aliquid aliud, iam intelligitur praeter hoc quod

dam , scilicet id, quod est animal, quod accidit animalitati. -

179) f. 12. r. B: Non fit singularis, nisi addiderit intellectus aliquid, per

quod fiat singularis .... Non accidit eaetrinsecus, ut sit universale ita, ut sit una

essentia verissime, quae est animal, cui accidit in universalibus eaetrinsecus, ut ipsa

eadem habeat esse in multis, sed in mente accidit huic formae animalitati intellectae,

ut ponatur comparatio ad multa, et ut ipsius unius formae sit comparatio certa ad

multa quae similantur in illa. -

180) Ebend.: Animal in intellectu quoddam est, et eius universalitas sive gene

ralitas aliud quoddam, et hoc, quod est animal generale, aliud quoddam. Et gene

ralitas vocatur genus logicum, de qua intelligitur, quod praedicetur de multis diffe

rentibus specie ad interr0gationem factam per quid ..... . Naturale autem genus est

animal, secundum qu0d est aptum ad hoc, ut ei, qu0d intelligitur, de illo ponatur

comparatio generalitatis.

181) Ebend.: Cum autem generale est in intellectu, hoc est, quod intelligitur

de genere naturali, scilicet compositum ; generalitas autem intellecta per se secundum

hoc, quod' est per se sola in intellectu et est genus intelleclum, ..... est genus lo

gicum; hoc autem genus logicum, quamvis non habeat esse nisi in intellectu, non

tamen oportet, ut id, quod intelligitur eæ hoc quod est intellectuale, sit. id, quod

intelligitur eae hoc quod est logicum; et non est idem , cum ostensa sit diversitas

utriusque respectus. Albert. M. De praedicab. II, 3, p. 15. B: Illud Amicennae dictum,

quod intellectus in formis agit universalitatem. Ebend. c. 6, p. 21. B: Adhuc autem

Averroes et Avicenna dicunt, quod intellectus in formis agit universalitatem (s. Averr.

De anima I, 8). -

182) Ebend.: Item infra genus logicum duo sunt: unum species eius eae hoc

quod est genus , alterum subiecta sua, quibus accidit ..... Ergo ipsum attribuit

unicuique eorum generum determinalorum, quae sunt sub ips0 , diffinitionem suam

et nomen, et unumquodque eorum dicitur esse genus et diffinitur diffinitione generis,

speciebus vero subiectorum eius non attribuit diffinitionem suam nec nomen ; .....

hominem enim non 0p0rtet fieri genus nec nomine nec diffinitione secundum hoc, quod

praedicatur de eo animalitas ..... Et omnino cum dicitur, quod genus naturale dat

ei, quod est sub se , nomen suum et diffinitionem, hoc non est satis verum, nisi

accidenlaliter ; non enim dat ea, hoc, quod est genus naturale, sicut etiam non dedit

ei hoc, quod est genus logicum, quia non dedit nisi naturam , quae est apta esse

genus naturale.

XVI. Avicemna. 349

andrerseits als Denk-Form bezeichnem, aber Gattungsbegriff selbst werde

sie erst durch einem vergleichenden Beisatz, sei es dass derselbe in

Natürlichen oder im Denken liege 1°°). Indem aber alles Seiende nach

Analogie des Kunstwerkes in eine Beziehung zu dem künstlerischen

Urheber gesetzt werde, habe das Seiemde ein Sein vor aller Werviel

fältigung (ante multitudinem) in der Weisheit des Schöpfers, welches

Sein jedoch nicht mehr Gegenstand der Logik (sondern der Metaphysik)

sei, und zweitens sodann werde das Sein des Seiendem innerhalb der

Vielheit der Erscheinung (in multiplicitate) erfasst, worauf drittens nach

dieser Particularität (post multiplicitatem) das Sein als ein im Denkacte

festgehaltemes folgt '**), und in diesem Sinne müsse man nun nicht

bloss den bisher beispielsweise (Anm. 177) gebrauchten Gattungsbegritf,

sondern sämmtliche fünf Universalien verstehen 1°°). In dieser Drei

theilumg aber, welche als solehe auch von dem lateinischen Abendlande

aufgenommen wurde '*"), wirkt das Motiv des Intellectualismus auch

dahim, dass die ontologisehe Auffassumg einer Subordination, in welcher

nach der Tabula logica Individuum und Art und Gattung stehen, in

den Hintergrund tritt, und der Unterschied dieser drei Stufem nicht in

183) f. 12. v. A: Convenientius aulem est, ut animalitas in se aliquando v0

celur forma generalis et aliquando forma intelligibilis; sed ea, hoc, quod est ani

malitus, non est genus ullo modo nec in intellectu nec eaetra inlellectum, quia non

fit genus nisi cum adiungitur ei aliquis respectus aut in inlellectu aut eætra.

184) Ebend.: Sed quia omnium quae sunt comparalio ad deum et ad angelos

est, sicut comparatio artificialium, quae sunt apud nos , ad animam artificem, ideo

id quod est in sapientia creatoris et angelorum et de verilale cogniti et comprehensi

ea rebus naturalibus, habet esse ante multitudinem ; quidquid autem intelligitur de

eis, est aliqua intenlio, et deinde acquirilur esse eis, qu0d est in mulliplicitate, et

cum sunt in mulliplicitate, non sunt unum ullo modo, in sensil)ilibus enim forinsecus

non est aliquid commune nisi tantum discretio et dispositio; deinde iterum habentur

inlelligentiae. apud nos, postquam fuerint in multiplicitate. Hoc aulem, quod sunt

anle multiplicitatem, ..... noster tractatus non sufficit ad hoc, quia ad alium tracta

lum sapientiae pertinet. Metaph. V, 1, f. 87. r. B: Animal ergo acceptum cum acci

denlibus suis est res nuturalis, acceptum ver0 per se est natura , de qua dicitur,

quod esse eius prius est quam esse naturale, sicut simpleæ prius est composito , et

hoc est , cuius esse proprie dicilur divinum esse, quum causa sui esse .... est dei

inlenlio. Ipsum vero esse cum maleria et accidenlibus et ipsum esse hoc individuum,

quamvis sit divina inlentio, allribuitur tamen naturae parliculari. Unde sicut animal

in esse habet plures modos, sic etiam in , intellectu ; in intellectu etenim est forma

animalis al)stracta .... et dicitur ipsum hoc modo forma intelligibilis ; in intellectu

autem forma animalis taliter est, quod in intellectu convenit ea, una et eadem diffi

nitione mullis particularibus, quippe una forma apud intellectum erit relata ad mul

titudinem , et secundum hunc respectum est universale ....... (c. 2, f. 87. v. A)

Manifestum est, quid sit universale in eis, quae sunt, scilicet haec natura, cui acci

dit unus de intellectibus, quem appellamus universale, qui inlellectus non habet esse

per se solum in sensibilibus ullo modo.

185) L0g. f. 12. v. A: Debes autem scire, quia hoc, quod dicimus de genere,

eaeemplum est speciei et differentiae et proprietatis et accidentis , quod deducet te ad

viam comprehendendi, qualiter haec sunt intellectualia et logica et naturalia, et qu0d

eae eis est in multiplicitate et ante multiplicitatem et post multiplicitatem.

186) Albert. M. De praedicab. I, 2, p. 3. B: Horum autem, quae dicta , sunt,

rationem ponit Avicenna dicens, res omnes tripliciter esse accipiendas, scilicet quod

primo accipiantur in essentiae suae principiis, secundo in esse, quod habent in sin

gularibus propriis, tertio autem secundum quod acceptae sunt in intellectu.

350 XVI. Avicenna.

die objectiven Dinge, sondern in die subjective Denkauffassung (respectus)

verlegt wird '*'); ja Avicenna scheint diesen seinen aristolelischen. Stand

punkt, wornach das Universale in multis et de multis ist, auch seinem

platonischen Gegnern gegenüber durch specielle Beweise gerechtfertigt

zu haben 1°°). -

Es bietet ein eigenthümliches Interesse dar, wenn wir aus dieser

Auffassung der Universaliem ersehem, dass die Araber bei ihrer voll

ständigen Kenntniss des Aristoteles auf Erwägungen und Ausdrucks

weisem gerielhen, welche sich sehr hahe mit demjenigen berühren,

was das frühere lateinische Mittelalter auf besehränkterer Grundlage in

einer bunt sich kreuzenden Parteispaltung ausgesprochem hatte ; denn

sowie uns der Ausdruck „quae similantur“ (Amm. 179) an die Indiffe

renz-Lehre (Abschn. XIV, Anm. 132) und das Wort „respectus“ (Anm.

181 u. 187) insbesondere an Adelard von Bath (ebend. Amm. 141)

erinnert, so dürfen wir bei jenem „aptum esse“ (Amm. 182) an Abälard

(ebend. Anm. 286) und bei „natura“ (Anm. 184) an Gilbert (ebend.

Anm. 461) vergleichsweise demken. Aber dass die Araber über solchen

verschiedenem Wendungem nicht jene höhere Eimheit aus dem Auge ver

loren, welche in dem aristotelischen Intellectualismus liegt, und dass

sie trotz alledem den platonischen Realismus des Porphyrius hiemit

amalgamirten , d. h. dass sie den Universalien eine metaphysische Exi

stenz im Geiste Gottes (ante rem) und zugleich eine intellectuelle Existenz

im menschlichem Denken zutheiltem, welch letztere aus der vielheitlichen

Erscheinung (in re) zum Begriffe (post rem) sicli erhebt, darin liegt

der entscheidende Einfluss der Araber auf die Lateiner des 13. Jahr

humdertes. Demn diese dreifache Betrachtungsweise der Universaliem,

187) Log. f. 12. v. B: Ergo individualitas est de dispositionibus, quae acci

dunt naluris subieclis generalilati et specialitali, sicut accidit ei generalitas et spe

cialitas. Differentia autem, quae est inter hominem, qui est species, et individuum

hominis, quod est commune non tanlum nomine sed et praedicalione de multis, haec

est: dicimus enim, quod intellectus de homine, qui est species, est, quod sit animal

rationale; quod autem dicimus de homine individuo, est, quod haec natura accepta

cum accidente, quod accidit ei, coniuncta est alicui maleriae designatae ..... Gene

ralilas ergo et specialilas et individualitas non sunl subiectorum particularium, quo

rum unum sit sub altero, sed sunt respectus, qui contingunt ei. •

188) Albert. M. a. a. 0. II, 3, p. 13. B: Hi qui dicunt, in solis nudis puris

que inlelleclibus posita esse (sc. universalia) septem pro se fortiores inducunt ratio

nes. Dicunt enim, quod Boethius et Aristoteles et Avicenna dicunt, quod omne, quod

separatum in natura est, ideo est, quia unum numero ést; universale aulem, quod

est genus et species, non unum numero est, eo quod universale est unum in multis

et de multis ...... Secundam adducunt rationem; dicunt enim, quod omne , quod

separalum a natura est separatum habens esse eætra intelligenliam, hoc aliquid est.

Et hoc quidem dictum est Aristotelis et Avicennae et probatur per inductionem ......

(p. 14. A) Quinto opponunt dicentes , quae Avicenna divit et Algazel, quod univer

sale, quod est genus vel species, si eætra intellectum est, aut coepit esse aut non

coepit esse; si dicatur, quod non coepit esse, sequitur, quod aeternum sit, quod

esse n0n p0test, cum causum habeat intelligentiae lumen, quod facit et dat omnes

formas; si autem coepit esse, aut coepit esse a se ipso aut ab alio; non autem

coepit esse a se ipso, quia nihil incipit a se .....; si autem ab alio coepit, per

aclum agentis coepit, nihil autem fit per aclum agentis nisi particulare et individuum,

quia omnis actus circa particularia est.

XVI. . Avicemna. 351

aus welcher. ermeuerte Streitigkeitem sich erhebem, haben die Lateiner

aus keiner anderweitigen Quelle, sondern mur aus arahischer Litteratur

geschöpft, und, um von dem überhaupt bormirtem Albertus Magnus ab

zusehen, auch Thomas von Aquin hat in diesen Fragen keimen einzigen

Gedanken selbstständig aus, sich erfasst.

Ueber die Isagoge aber erstreckt sieh der uns überlieferte lalei.

nische Text der Logik Avicemma's nicht himaus, und während wir aus

dem Bisherigen wohl enlnehmen könnem, mit welch ängstlicher Ausführ

lichkeit wahrscheinlich sämmtliche im ganzen Gebiete der Logik anf.

tauchende Fragen behandeft gewesen seiem, sind wir für alles Uehrige

entweder auf gelegenlliche Angaben in Avicenna's Metaphysik oder auf

seeundáre Berichte angewiesem. *.

Was hiemii zunächst die K a te g ori e n betrifft, so *könnte sich

uns allerdings darüber ein Bedemken erhebem, welche Stelle denselben

Avicenna innerhalb der Logik angewiesen habe, da er in Einer Bear

beilung ersl gegen den Schluss des Ganzen die Kategorien mit der

Lehre von der Definition verflicht 4°°). Doch spricht jenes zweite me

trische Compendium (Anm. 69) für die gewöhnlich übliche Ordnung 190),

welche Avicenna auch jedenfalls in seinér commentirenden Thätigkeit

eingehaltem haben muss. Die Begriffe des Synonymen u. dgl. scheint

er ziemlich als Beiwerk der Kategorienlehre betrachtet zu haben, indem

ihm wohl die hauptsäehliche Bedeutung der prädicamentalen Aussage in

einer näheren Beziehung auf den in der Isagoge besprochenen Verwirk

lichungs-Process des Gallungsbegriffes liegem mochte '*''), daher er auch

dem Grundsatz, dass das Prädicat des Prädicates vom Subjecte gelte

(die sog. regula de quocunque, vgl. vor. Abschn. Anm. 32) in umfassen

dem Sinne sowohl für bejahende als auch für verneinemde Urtheile ver

standen wissen wollte '"*). Dass er bezüglich der Kategorie der Sub

stanz die aristotelische 'Auffassung vertrat,. erhellt schon theils aus

0bigem (Amm. 32 f.), wo ihn in dieser Beziehung der Bericht des

Albertus dem Alfarabi gleichstellt, theils besitzen wir hierüber auch

einzelne nähere Notizen. So hat er namentlich den Galtungsbegriff als

eim potenzielles Sein gefasst, aus welchem der artmaehende Unterschied

zur Actualität heraustrete (vgl. Anm. 116 u. 166), bediente sich aber

dabei noch einer feimerem Distinctiom, indem er hiefür liel)er das Wort

„potestas“, als „potentia“, wählen wollte '°°). Und indem ilhm allerdings

189) Bei Vallier (s. obem Anm. 68.), p. 232 ff.

190) Bei Schmölders, Docum. p. 30.

191) Albert. M. De praedicam. I, 3, p. 99. B: Quamvis multivoca sive syno

nyma et diversivoca non sunt de his, quibus praedicabile ordinatur in linea generis,

..... tamen, quia Avicenna et Algazel et Joannes Damascenus in suis praedicamenlis

ponunt ista, et nos ea hic ponemus.

192) Ebend. I, 6, p. 102. A: Quaecunque de e0, quod praedicatur, dicuntur

recto ordine et substantiali, omnia eliam dici de subiecto necesse est ..... (p. 102. B)

Et sicut Avicenna et Algazel dicunt, in negatione est similiter, dummodo negentur ea

de praedicato, quaecunque sunl secundum formam speciei aut generis praedicato

opposita. -

193) Ebend. De praedicab. V, 4, p. 60. B: Et haec est Avicennae determinatio,

sicut colligi p0test in prima philosophia ipsius, propter qu0d dicilur genus p0testate

352 XVI. Avicenna.

die Substanz als das Substrat aller übrigem Bestimmungen galt, welche

in dieser Beziehung danm Accidentien seiem '°*), so konnte er doch

hierüber seinem obigen Begriff des substantiale (Anm. 94 ff.) nicht ver

gessem, sondern er erbliekt in dem bleibenden- Einheitlichen z. B. der

Qualitäten eim Mittleres zwischen Substanz und Nicht-Substanz 1°°), und

ebenso gründet er auf das Substantiale den Umstand, dass die Substanz

als solche keiner Gradabstufung fähig ist '°°). Ebenso musste auch bei

Avicenna (vgl. Anm. 34) die aristotelische Auffassung des Entblösstseins

zur Tage treten, und sowie er die versehiedenen Wortbedeutungen dieses

Begriffes aus Aristoteles (Abschn. IV, Amm. 404) erörtert 1°7), so suchte

er so sehr als möglich eine ldentificirung des Entblösstseins mit dem

artmachenden Unterschiede zu vermeidem '"*). Ganz besonders aber

beschäftigte ihn die durch Andere hervorgerufene Frage, ob die Quan

tität und die Qualität — denn bei den übrigen Kategorien sei diess

selbstverständlich — zu den Accidentien gerechnet werden können 1°°),

habere differentias potius, quam potentia; quia potenlia , ad esse et non esse indiffe

rens est, potestas aulem est potentia stans per actus inchoationem.

194) Ebend. V, 4, p. 58. A: Dicit Avicenfia, qu0d subiectum est ens in se

complelum, quod est 0ccasio alteri, h. e. accidenti eæistenti in e0. Ebenso Anal.

post. I, 4, 11, p. 583. A.

195) Ebend. Top. I, 2, 5, p. 674. B: Cum dicitur ,, album est coloratum dis

gregativum visus“, hoc est quidem substantiale, non est substanlia; dicit enim Avi

cenna, quod subslantiale medium est inter substantiam et non substantiam, et neque

est accidens neque subslantia proprie.

196) Ebend. De praedicam. II, 10, p. 117. B: Substantia non potest suscipere

fmagis et minus, ..... quia, sicut probat Avicenna , si magis susciperet, sequeretur

quod ipsum esse substantiale plus formae substantiali appropinquaret per ipsius for- .

mae adeptionem; quod falsum est, cum nihil medium habeat; inter esse enim et

non esse nihil est medium ; ..... et ideo secundum esse substanliale non potest esse

intensio neque remissio in aliqu0.

197) Metapli. VII, 1, f. 95. v. A: 0portet autem, ut scias, quod privatio dici

tur multis modis. Dicilur enim privalio id, quod debet esse in aliqu0 nec est in

eo, non quod non sit illius modi, ut sit in eo , quamvis sit illius naturae, ut sit

in aliquo. Et dicitur privalio id, cuius natura est esse in genere alicuius rei nec

esl in ipsa re, quia n0n est illius modi, ut sit in ea, sive illud sit genus proæimum

sive longinquum. Et dicitur privatio id, cuius nalura est esse rei n0m absolute,

sed in sua hora, .quae praeteriit, sicut senex; edentulus. Prior ver0 modus nimium

convenit negationi, alii modi differunt ab ea. Et dicitur privatio amissio per violen

tiam. Et dicitur privatio id, per quod amisit res integritatem suam, monoculus

enim non dicitur caecus nec eliam videns absolute ...... Deinde de privatione prae

dicatur negatio, sed non convertitur; privalio vero non praedicatur de conlrario .....

Privatio enim aliquando est in materia, aliquando est comes essentiae. Vgl. Suffic.

I, 2, f. 14. v. B.

198) Albert. M. De praedicab. V, 3, p. 56. B: Avicenna etiam hanc differen

tiam, quam ,,mortale** diacimus , impugnare videtur dicens , quod a privatione non

tantum secundum nomen, sed etiam secundum rem nomen accipit; privatio autem

non est forma ; cum igitur omnis differenlia a forma aliqua sumpta sit, videtur mor

tale differentia non esse. Vgl. Anm. 145. -

199) Metaph. III, 1, f. 78. r. A: Dico igitur, quod in principio logicae iam

cognovisti, quidditatem decem praedicamentorum; et ideo non dubitas, quia id, quod

ea, eis est ad aliquid, in quantum est ad aliquid, est res accidens alicui; simililer

comparationes , quae sunt in ubi et quando et in situ et in agere et pati et in ha

bere ; sunt enim dispósitiones accidentes aliquibus, in quibus sunt, sicut id, quod

est in subiecto. Si quis aùlem diacerit, qu0d agere non est sic, e0 quod esse aclionis

XVI. Avicemna. 353

und gegen jene pythagoreisch- platonischen Annahmen, wornach die

Quantität entweder als continuirliche (in letzter Instanz der Punkt) oder

als discrete (zuletzt die Eins) zu constituirenden Wesensheits-Principiem

gemacht werden wollten *""), setzt er in ausführlicher Begründung

auseinander, dass die Quantität Accidens sei, da die Einheit, welche

der Substanz sicher zukomme, von dersellen weder als Gallung noch

als Differenz, sondern mur als ein sie Begleiténdes ausgesagt werde,

bei Accidentien aber überhaupt mur die Namen-Gleichheit in ihr liege,

und dass sonach jedenfalls die Zahlen als von der Einheit abgeleitete

gleichfalls nur Accidentien seien *"'), sowie in gleicher Weise die

non est in agente, sed in patiente, etsi hoc diacerit et concesserimus, illi tamen non

nocebit ad hoc, quod modo intendimus, scilicet quod actio habet esse in aliquo sicut

in subiecto , quamvis non sit in agente. De praedicamentis igitur, de quibus est *

quaestio, an sint accidentia an non, duo remanent, scilicel praedicamentum quantitatis

et praedicamentum qualitatis.

200) Ebend.: Sed de praedicamento quantitatis multis visum fuit, lineam super

ficiem et mensuram corporalem ponere esse in praedicamenlo substantiae, nec suffecit

eis h0c, sed etiam posuerunt haec esse principia substantiae. Quibusdam vero eae

eis visum est, hoc sentire de quantitatibus discrelis, scilicet numeris, et posuerunt

eas principia substantiarum ....... Sed eæ his , qui tenent subslantialitatem , quanti

talis, illi qui dicunt, quod continuae quantitates sunt substantiae et principia sub

stantiarum, iam diverunt, quod hae sunt dimensiones constituentes substantiam cor

poream ..... et posuerunt punctum eae tribus dignius substanlialitate. Qui vero tenent

sentenliam de numero, posuerunt hunc principium substantiae, ipsum vero posuerunt

compositum eæ unitalibus ita, quod fecerunt unitates principia principiorum; deinde

diverunt, qu0d unitas est natura non pendens in sua essenlia ea, aliqua rerum,

scilicet quia unitas est in omni re, et quod unitas in ipsa re est ipsa quidditas

vpsvus rem.

201) Ebend. c. 2, f. 78. r. B: Dicam igitur, quod unum dicitur ambigue (die

betreffenden Angaben des Aristoteles über das êv s. Abschn. IV, Anm. 451 ff.).....

f. 78. v. B: Dicam iterum, quod, postquam unitas dicitur de rebus, quae sunt

multae numero, et dicitur de re una numero, iam aulem oslendimus divisiones eius,

qu0d est unum numero, procedemus nunc ad aliam partem ; dicam igitur, quod ea,

quae sunt mulla numero, non dicunlur una alio modo nisi propter convenienliam,

quam habent in intentione aliqua; convenienlia enim eorum vel est comparationis vel

est praedicati praeter comparationem vel est in subiecto, praedicatum vero vel est

genus vel species vel differentia vel accidens ..... .. c. 3, f. 79. r. A: Dico igitur,

quod unitas vel dicitur de accidentibus vel dicitur de substantia; cum autem dicitur

de accidentibus , non est substantia , et hoc non est dubium; cum vero dicitur de

substantiis, non dicitur de eis sicut genus nec sicut differenlia ullo modo ; non enim

recipitur in certificalione quidditatis alicuius substantiarum, sed est quoddam comi

tans substantiam; ...... ergo dicitur de eis .... sicut accidens. Unde unum est sub

stantia, unitas vero est inlentio, quae est accidens ....... (f. 79. r. B) Sed unilas

substantialiter est ipsum esse, quod non dividitur, eo quod illud esse constituitur

esse non in subieclo ..... Si autem accidentibus fuerit unitas, profecto eorum unitus

erit praeter unitatem substantiae, et illa unitas dicetur de eis communione nominis.

Igitur conlingit eliam, qu0d eae numeris alii ordinal)unlur eæ unitate accidentium et

alii ordinabuntur eae unitate substantiarum ...... Manifestum est, quod certitudo uni

tatis est intentio accidentis et est de universitate eorum, quae comitantur res ......

(f. 79. v. A) Jam enim ostendimus, quod unilas non est intrans in diffinitione sub

stantiae nec accidentis, sed fortasse est comitans eam ....... Cum igitur certum

fuerit, quod non est separata, cerlificabilur, quia id, quod praedicatur de intenlione

comitante communi nomine derivato a nomine simplicis inlentionis, ipsum est intentio,

quae est unitatis; ipsum vero simplex est accidens. Postquam igitur unitas est acci

dens, tunc numerus, qui accidens est, necessario provenit ea, unitate. -

P R AN T l, Gesch. II. 23

354 - XVI. Avicenna.

Maassverhältnisse der continuirlichen Quantität am den Stoff der Sub

stanzen gebunden seien und nur durch subjective Schätzung, nicht aber

als objective Wesen von demselben getremnt werden können *°°). Und

wenn hinwiederum bezüglich der Qualitäten von Einigen behauptet wurde,

dass sie selbstständige Substanzen seien, welche nicht etwa an den

substantiellem Wesen entstehem und verschwinden, sondern nur mit

ihmen gemischt und wieder von ihnen getrennt werden (wie z. B. Wasser

verdumste), und dass sie in solcher Weise die constituirenden Substanzen

der sinnfälligen Dinge seien *°°), so weist Avicenna die Unrichtigkeit

dieser Annahme durch ihre eigenem Consequenzen nach *"*); und indem

ihm hiedurch feststeht, dass die Qualitäten nur Accidentien sein können;

hebt er noch besonders jene Qualitäten, welche im Gebiete des Quan

202) Ebend. c. 4, f. 79. v. A: Quantitates conlinuae sunt mensurae continuo

fu?ll . . . . . Sed hanc mensuram iam manifestum est esse in materia, et quod ipsa

augmentatur et minuitur substantia permanente eadem, igitur est accidens sine dubio.

Sed est de accidentibus , quae pendent ea, materia et ea re, quae est in materia;

haec enim mensura non separatur a materia nisi aestimatione, nec separatur a

forma, quae est. maleriae, eo quod ipsa est mensura rei, quae recipit dimensiones

huiusmodi.

203) Ebend. c. 1, f. 78. r. A: De qualitate autem quibusdam eae naturalibus

visum est, qu0d non subsistunt in aliquo ullo modo, sed quod color per se est sub

stantia et odor alia subslantia, et quod tunc sunt constituentia substanlias sensibiles;

et plures eæ his, qui tenent sententiam, de occullo intendunt hoc. Ebend. c. 7, f.

81. v. A: Loquamur igitur nunc de qualitatibus; sed qualitates sensibiles et córpo

rales esse, non est dubium ..... Nunc autem non dubilatur de eis nisi an sint acci

dentes an non. Quibusdam enim visum fuit, quod ipsae sint substantiae, quae com

miscentur corporibus et diffunduntur per eas; color itaque per se substantia est et

calor et similiter unumquodquè aliorum. Igitur apud eos qualitates sunt huius digni

tatis, nec sufficit eis, quod hae habent esse, ..... ipsi enim dicunt, qu0d non amni

hilantur istae res, sed paulatim separantur, sicut aqua, qua humectetur pannus et

paulo post non invenitur aqua in panno ipso habente esse secundum modum suum,

tamen 0b hoc non fit aqua accidens, quia aqua substantia est, quae separatur ab

alia substantia, cui coniuncta fuit ....... Dicunt autem alii, quod occultantur.

204) Ebend. c. 7, f. 81. v. B: Dico igitur, quod si haec sunt substantiae,

necessario vel sunt substantiae, quae sunt corpora, vel sunt substantiae, quae non

sunt corpora. Si autem sunt substantiae non corporeae, tunc vel sunt huiusmodi,

quod potest eae eis componi corpus, et hoc est absurdum, quum ea, eo, quod non

partitur in spatia corporea, non potest corpus componi, vel non potest ea eis corpus

componi, sed earum esse non est nisi propter coniunctionem sui cum corporibus et

propter infusionem sui in illa. Primum autem de hoc est, quod hae substantiae ha

bebunt situm, sed omnis substantia habens situm divisibilis est. Secundum est, quod

unaquaeque harum substantiarum necessario eae natura sua vel potest separari a cor

pore, in quo est, vel non potest. Si autem fuerit sic, ul non possit separari, .....

nec habet ipsa de substantialitate nisi nomen tantum. Si autem possunt separari a

suis corporibus, tunc separatio vel talis erit, quod per eam moventur de hoc corpore

ad aliud corpus, ..... et sequetur ea, hoc, quod, cum unum corpus calefacit aliud

corpus, transferat calorem a se in illud, unde infrigidabitur, quod calefaciebat

aliud; ...... si autem .... consideratur posse transferri ad aliud subiectum sic, ut

non ea spolietur ab illo, profecto haec consideratio non est nisi post eæistentiam in

subiecto ....... (f. 82. r. A) Si quis autem posuerit, quod albedo est vere in se

aliquid habens mensuram, tunc habebit duo esse, scilicet quod est albedo et esse,

quod est habens mensuram; si autem albedo eius fuerit alia numero a mensura cor

poris, in quo est, tunc .... spatium intrabit in spatium; sed si ipsa fuerit ipsum

corpus per se, tunc ratio redibit ad id, quod albedo est corpus et habet albedinem

et ita albedo est in albo corpore inseparabiliter. -

3.

XVI. Avicenna. 355

titativen auftreten können, z. B. Gleichheit oder Ungleiehheit u. dgl.,

hervor *"°). Die Kategorie der Relation, deren verschiedene Arten des

Auftretens er angibt, belrachtet er vorerst bezüglich der Frage, ob sie

inmerhalb der beidem Relativa einheitlich sei oder jedes der beidem durch

sie seine eigene Bestimmtheit erhalte, wobei er sich für Letzteres ent

scheidet ; sodann aber hebt er insbesondere an der Relation, wie wir

es schon bei Alfarabi sahen (Anm. 35), die Subjectivität der Denkauf

fassung hervor, da in der Definition des Relativen- selbst bereits die

Rücksichtnahme (respectus) auf ein Anderes enthaltem sei, und auch

dann, wenn noch ein anderweitiges wesentliches Sein des Relativen

angenommen werde, jedenfalls es sich (loch um das Werständniss jener

Rücksichtnahme handle *""); in der concreten Erscheinung aber musste

er, wie sich von selbst versleht, das Relative als zeitlich coexistiremd

anerkennen *"'). Bezüglich der Frage, zu welcher Kategorie die Be

205) Ebend. c. 9, f. 82. v. A: Remansit unum genus qualitatum, et oportet

stabilire suum esse et assignare, quod est qualitas; et hae sunt qualitates, quae

sunt in quantitatibus, scilicet quae sunt in numero, ut paritas et imparitas et cetera

huiusmodi; iam autem notum est esse quorumdam ea, eis, et in arithmetica stabilitum

est esse remanentium; sunt enim accidentes eae e0, quod pendent eæ numero, et sunt

proprietates eius; .... eorum autem quae accidunt mensuris, esse non est adeo notum;

circulus enim et linea curva et sphaera et pyramis et columna talia sunt, quod nul

lius eorum esse manifestum est, et impossibile est geometrae, probare esse eorum.

206) Ebend. c. 10', f. 83. r. B: 0portet loqui de ad aliquid et ostendere,

quomodo debeat certificari quidditas relati et relationis et eorum diffinitio; sed quod

praemisimus in logica, posset sufficere intelligenti. Si autem posueris, relationem

esse, profecto erit accidens, et hoc non est dubium, quia est res, quae non intel

ligitur per se, sed intelligitur semper alicuius ad aliud ...... Relativa vero non pos

sunt comprehendi uno modo; alia enim sunt relativa, quae non egent aliquo eæ his,

quae solent stabilire relationem, sicut deaetrum et sinistrum, in deaetro enim non est

qualitas nec aliquid aliud certum, per quod fiat relatum comparatione, nisi ipsa

deaetrarietas ; et alia sunt relativa, quorum unumquodque opus habet aliquo, per

quod referatur ad aliud, sicut amator et amalum ...... Quod autem remansit de

relatione , hoc est, scilicet ut sciamus , an relatio una numero et subiecto sit inter

duo habens duos respectus, sicut quidam et plures eæ hominibus putaverunt, quod

(zu lesen aut) in relalione unumquodque relativorum habeat proprietatem. Dicam

igitur, quod unumquodque relativorum in se habet intentionem respectu alterius, quae

non est illa intentio, quam habet in se aliud respectu illius ; et hoc est manifestum

in rebus diversis, secundum quod patet per diversitatem nominum z...... (f. 83. v. A)

Quod autem diligenter considerandum est, hoc est, scilicet ut cognoscamus, si relatio

in se habet esse in singularibus vel est aliquid, quod non formatur nisi in intellectu.

...... Ex hominibus autem quidam fuerunt, qui tenuerunt, quod certitudo relativorum

non est nisi in anima, cum intelliguntur res; et alii diacerunt, non, imo relatio est

quoddam, quod est in singularibus ..... Id autem, per quod solvuntur istae duae

viae, hoc est, ut redeamus ad diffiniendum ad aliquid absolute. Dico igitur, quod

ad aliquid est, cuius quidditas dicitur respectu alterius, et quidquid fuerit in signa

tis hoc modo, ut secundum quidditatem suam non dicatur nisi respectu alterius,

illud est ad aliquid. Si autem ad aliquid habuerit aliam quidditatem , tunc restat,

ut determinemus, quod habeat: de intentione intellecta respectu alterius;, illa -enim

intenlio certissime est de intentione intellecta respectu alterius, alterum enim non.

intelligitur nisi respectu alterius causa huius intentionis.

207) Albert. M. De praedicam. IV, 7, p. 149 A: Simul sunt (sc. relativa) na

tura in hoc, quod secundum quod relata sunt, in esse et non esse sicut in ortu et

occasu, ut dicit Avicenna, simul sunt ita, quod posito uno in esse, secundum quod

relativum est, et positum est aliud, secundum quod refertur ad illud.

23 *

356 XVI. Avicenna.

wegung gehöre, äussert sich Avicenna abweichend von Alfarabi (Amm.

36), indem er den Begriff des Ueberganges von Möglichkeit zu Wirk

lichkeit nieht mit jenem der Bewegung verwechselt wissen will und es

sonaeh verneint, dass die Bewegung in der Kategorie der Substanz auf

trete, wohingegen er zu den auch schon bei Alfarahi beigezogenen

Κalegorien der Quantität und der Qualität und des 0rtes auch noch die

Kategorie der Lage hinzufügt *°°), unter welch letztere (nicht unter die

des 0rtes) er die' Bewegung der Himmelskörper subsumirte *°°).

In der Lehre vom U r th e i I e begegnen wir auch bei Avicenna

den üblichen exegetischen Erörterungen über die Definitionen der voae *'')

oder des nomen *11), wobei bemerkt werden mag, dass er bezüglich

des nomen infinitum die sog. Infinitation (d. h. Hinzufügung des non)

bei den allgemeinsten Worten nicht mehr für zulässig hielt, da ober

halb derselben es keine allgemeineren Begriffe gibt *1*). Die Inhärenz

des Prädicates im Subjecte scheint er wie Alfarabi (Anm. 39) gefasst

208) Suffic. lI, 1, f. 23. r. A: Nulla enim categoria est, quae non habeat evi

tum de potentia sua ad suum effectum, aut in sul)stantia, sicut eacitus hominis ad

effectum, postquam fuerit in potentia, aut in qualitate, ..... aut in ad aliquid, .....

, aut in ubi , sicut elevatio sursum in effectu post potentiam , aut in quando, sicut

evitus antiqui ad effectum de potentia, aut in situ, .... similiter in habere, similiter

in agere et pati. Sed intellectus, in quo convenerunt antiqui in usu appellandi m0

tum, non est ille , in qu0 conveniunt omnes isti modi eaeeundi de potentia ad effec

tum, sed ille, qui est motus eæeundi non subito, sed gradatim, et hic n0n convenit

nisi certis categoriis ...... et nos declarabimus postea, quae sunt calegoriae, in

quibus possibile est cadere hunc eacitum ...... (c. 2, f. 24. v. B) Jam dissenserunt

in collatione motus ad categorias ; quidam enim diacerunt, quod motus est praedica

mentum patiendi; alii vero diacerunt, quod hoc nomen motus cadit super maneries

(über dieses Wort s. Abschn. XIV, Anm. 87.), quae sunt in illo sola casuuli par

ticipatione nominis; quidam etenim diacerunt, quod hoc nomen motus est nomen com

mune, sicut verbum esse et accidentis ..... Maneriae vero, quae conlinentur sub

nomine molus, sunt species aut maneriae praedicamentorum, quia de uhi .... est

motus in l0c0 , et de quali ..... est motus alterationis, et de quanto .... est motus

augmenti et diminutionis ; et forlasse aliquis eorum perdurabit in sententia sua ita,

wt dicat, quod ..... est motus in substantia, scilicet generatio et corruptio ......

(f. 25. r. A) Possumus autem declarare falsitatem utriusque sententiae .........

(c. 3, f. 27. r. A) Jam enim eae praemissis patuit, quod motus non cadit nisi in

quatuor praedicamentis, quae sunt quantitas et qualitas et ubi et situs. Jam autem

cognovislis collationem motus ad praedicamenta. …

209) Levi Gerson , Praedicam. f. 30. v. A: Divit Avicenna , quod motus corpo

rum coelestium est in praedicamento situs.

210) Albert. M. Periherm. I, 2, 1, p. 242. A: Propter quod dicit Avicenna,

qu0d voae litterata sine placito instituentis nihil significat penitus ; quia tamen alteri

non facit signum de re nisi sub determinata figura vocis certificativa, ideo oportet

talem vocem esse litteratam, quia nonnisi sub elemenlis litterarum habent figurae

certitudinem, sine qua certitudine non potest esse rei certum signum. .

211) Ebend. 2, 4, p. 247. B: Quod autem dicitur ,,cuius nulla pars est signi

ficafiva separata*', .... haec causa est, ut dicit Avicenna, quia institutio est causa

significationis in nomine, non est autem institutum, ut pars aliquid significet sepa

rata, sed ut totum significet totum, et ideo pars nihil significat.

212) Ebend. 2, 5, p. 251. A: Cum nomen infinitum privet inferiorem formam

finitam et relinquat superiorem infinitam, et hoc nomen ,,ens“ superius nihil habeat,

proprie infinitari n0n p0test; similiter autem est de aliis nominibus ,,unum, res,

uliquid“, ut dicit Avicenna.

XVI. Avicemma. 357

und ebenso betreffs eines controversen aristotelischen Beispiel-Satzes

sich an denselben (Anm. 40) angeschlossen zu haben. Die sog. logi.

sche Qualität der Urtheile besprach er im Hinblicke auf den factischen

Bestand des Ausgesagten in einer Wiertheilung *1°), bei der Quantität

aber kam er zu der gleichen Auffassung, welche wir schon I)ei Abälard

(Abschn. XIV, Anm. 318 u. 327) in allgemeimerer Anwendung , trafen;

nemlich Avicenna bezeichnet die Worte „omnis“ und „nullus“ ent

schieden als hlosse Zeichen (signa) einer Art und Weise des Ausspre

chens, wornach dieselben nur ausdrücken, dass irgend Particulares

universell verstanden sei ?14). Von noch grösserer Wichtigkeit für die

Lateiner war es, dass Avicemma bei der Frage über die Einheit des

Urtheiles die Unterscheidung aufstellte, dass sowohl im hypothetischen

als auch im disjunctivem Urtheile ein einheitlicher Gedanken-Nexus be

stehe, hingegen das copulative Urtheil nicht als Eines, sondern als

blosses Aggregat bezeichnet werden dürfe *'°).

Was den Inhalt der e r s t e n A n alyti k betriffi, so äussert er sich

einmal gelegentlich darüber, dass im Syllogismus nicht die Prämissen

für den Stoff des Schlusssatzes oder letzterer für die Form der ersteren

gehalten werden dürfe, sondern die Prämissen nur der Stoff des ganzen

einheitlichen Syllogismus seien *1°). Sodann aber begegnen wir bei

ihm jemen nemlichen exegetischen Controversen, welehe wir bei Alfarabi

(Anm. 45 f.) trafen , nemlich sowohl über das Verhältniss der Urtheile

des Stattfindens zu den modalen *'") als auch über die Umkehrung der

Möglichkeits: und Nothwendigkeits-Urtheile *'*). Bei Erklärung der be

treffendem aristotelischen Stelle über die hypothetischem Schlüsse gieng

213) Ebend. 5, 1, p. 260. A : Dicit enim Avicenna, quod ista qualuor sic di

versificantur, quia contingit, quod est, enuntiare esse , in affirmativa enuntiatione;

et conlingit, quod est, non esse enuntiare, in eiusdem negativa; et contingit enun

tiare, quod non est, esse, in affirmativa negative opposita ; et contingit enunliare,

quod non est, non esse, in negatione negationi opposita.

214) Ebend. p. 261. A : Hoc enim signum distributivum, qu0d est ,,0mnis“,

non est universale proprie loquendo, sed est signum, per quod slat pr0 particularibus

universaliter universale, cui tale signum est adiunctum ...... et ide0 ,,0mnis“ et

,, nullus** et huiusmodi signa universalia non sunt, sed sunt signa designantia, utrum

universale sit acceptum universaliter vel particulariter secundum sua supposita. Et

haec sunt verba Avicennae.

215) Ebend. 4, 2, p. 258. B: Coniunctione autem unae sunt (sc. enuntiationes),

in quibus consequentia, quam notat coniunctio, facit unitatem, et hoc non est nisi

in conditionali et disiunctiva, ..... et secundum Boethium et Avicennam et Algazelem

istae duae solae coniuncliones faciunt unam coniunctione enuntiationem, et non copu

lativa, quia in copulatis nulla est unilas nisi aggregationis, quae simpliciter est

pluralitas et non unitas.

216) Metaph. VI, 4, f. 93. v. A: Jam autem posuerunt quidgm propositiones

similiter materiam conclusioni. Et est error; immo propositiones sunt materia fiendi

syllogismi, conclusio vero non est forma propositionum, sed quoddam, qu0d conse

quitur eæ illis, quae propositiones efficiunt in anima.

217) Ps.-Averr. Quaes. in Prior. Resol. f. 362. r. A u. 364. r. A. -

218) Ebend. f. 363. r. A: Avicenna dubitat contra philosophum, quando diacit,

quod particularis affirmativa contingens convertatur contingens, et quod necessaria

particularis affirmativa convertatur necessaria u. s. f...... et contradicit su0 sermoni

per materias.

358 XVI. Avicenna.

Avicenna noch viel weiter als Alfarabi (Anm. 48), mit welchem er in

diesem Punkte auch nicht übereinstimmte ; . er warf sich nemlich mit

höchst spitzfindiger Einseitigkeit auf eine Erklärung der Urtheilsform,

wormach er nur das einfache Dictum de omni als kategorisches, hin

gegen die Form „Alles, was B ist, ist A* als ein zusammengesetztes

und hypothetisehes Urtheif betrachtete, sowie entsprechend beim Dictum

de nullo eine disjunctive Urtheilsform sich einstelle, und indem er auf

solche Weise die kategorischen Urtheile in hypothetischer Form aus

drückte, ordnete er dieselben nach den drei Schlussfigurem, wobei er

auch Mischungen aus kategorischen und hypothetischen Prämissen zu

liess, so dass diese unnatürlichen Schlussweisen, welche er ,,combina

tiones“ nannte, sowohl von ihm selbst als aueh von Anderen für eine

bedeutsame meue Ergänzung der aristotelischen Syllogistik gehalten

wurden 219). Wirklich angewendet finden wir diese Neuerung in dem

einen ausführlicheren Compendium Avicenna's **"), während er in dem

kürzeren nur die bei den Commentatoren (Abschn. XI, Anm. 166) üb

lichen hypothetischen Schlüsse aufzählt **'). — In einer völlig verein

zelten Notiz ist uns berichtet, dass Avicenna die logische Bedeutsamkeit

219) Ebend. f. 363. v. B: Dicere enim A de omni B est praemissa una cate

gorica ....... , dicere vero ,,omne quod est B, est A** est praemissa conditionalis et

secundum veritatem composita eæ duabus categoricis ...... Et hinc erravit Avicenna

et opinatus est, qu0d invenianlur alii syllogismi praeter syllogismos categoricos et

praeter conditionales et vocavit illos combinationes et posuit numerum illorum secun

dum numerum categoricorum aut prope categoricos; ille enim consideravit proposi

tiones categoricas et eas eaepressit evpressione conditionalium et c0mp0suit eae illis

orationes ad compositionem trium figurarum et immiscuit etiam categoricas cum his,

scilicet cum conditionalibus et constituit illud compositione quodam modo, quo opi

natus est ipse et omnes, qui eum imitati sunt, quod superaddiderit Aristoteli multas

species syllogismorum. Hos autem syllogismos non invenit noviter Avicenna, cum

illi inveniantur apud quosdam Christianos philosophos, non apud aliquem peripate

ticum (möglicher Weise könnte der unkritische Berichterstatter aus dritter Hand

Einiges über Boethius gehört haben und somit falschlich hier die oben Abschn.

XII, Anm. 155 ff., angeführten Schlussweisef meinen). Ebend. f. 369. v. A :

Avicenna vero consentit huic rei, sed non admittit eaepositionem ipsius Abunazar ......

(B) Constituto autem hoc de propositionibus conditionalibus, videlicet quod quaedam

ipsarum sit simpleae et est illa, cuius vis est vis unius propositionis categoricae, et

quaedam est composita et est, cuius vis est vis syllogismi categorici, propinquum est

intelligere, quod id, quod Avicenna putat, quod hic sit tertia species syllogismorum

non categoricorum nec conditionalium, non sit sermo verus ....... (f. 370. r. B)

Mirum autem est de Avicenna, quod ipse posuerit ambas res, scilicet quod ipse con

fiteatur, quod omnis propositio conditionalis possit reddi categorica et similiter omne

quaesitum conditionale possit reddi categoricum, et iterum ponit, quod sint quidam

syllogismi, qui componuntur eæ congruentia syllogismorum, qui sunt eæ categoricis.

• • • • • Et mora circa hoc est supervacanea, prout fecit Avicenna ..... Devenit in con

fusionem circa boc capitulum, nam induacit in ipsum syllogismos praeter naturam,

h. e. quibus non utitur humana cogitatio naturaliter ..... et similiter hic vir numerat

inter species conditionalium coniunctarum quasdam propositiones praeter naturam,

quas vocat allhaphkias, i. e. conne vas , prout dicitur ,, dum homo est , equus est“,

et ait, quod hae sint verae contingentes ........ et sic etiam numerat inter proposi

tiones contradictorias tales propositiones, prout est oratio dicentis ,,aut homo est

aut vacuum**.

220) Bei Vattier p. 129 ff.

221) Bei Schmülders, Doc. p. 35.

XVl. Avicenna. 359

des bei Aristoteles besprochenen Indiciums (σημεῖον, s. Abschn. IV,

Anm. 649) bestriti 223).

Für den Umkreis der zweite n A n a lyti k besass er sicher eine

umfassende Vorarbeit in der oben erwähnten Schrift Alfarabi's, scheint

sich jedoch derselben gegenüber auch die Freiheit eigener Ueberzeugung

bewahrt zu haben. Während er sich betreffs des Zusammenhanges

der zweiten Analytik mit der ersten (s. Amm. 51), sowie in commen

tirenden Erörterungen über die im Mittelbegriffe liegende Causalität 223)

und über das sog. praedicatum primum ***) an Alfarabi (Anm. 54 u.

57 f.) anschloss und mit demselben (Anm. 60) auch die Auffassung

oberster Principien der Demonstration theilte *°°), stand er in einer

ziemlich principiellen Frage (vgl. Anm. 62) ganz allein, insoferne er die

Gültigkeit der ,,demonstratio quia“ von vorneherein darum hestritt, weil

in derselben der Mittelbegriff nur Accidens des Unterbegriffes sei, und

hiermach ausschliesslich die „demonstratio propter quid“ als alleiniges

demonstratives Verfahren geltem liess **°). In dem Erörterungen über

die Definition selbst, welche er in seinen Compendiem an den Schluss

des Ganzen stellte **"), musste er wieder auf seine Auffassung der

Universalien zurückkommen, und dass er das definitorische Wissem in

aristotelischem Sinne verstand, ersehen wir aus seinen hierauf bezüg

lichem Aeusserungem in der Metaphysik, denn er bekämpft dort die

Annahme, dass die Definition das Product eimer blossen Zusammensetzung

aus Gattungsbegriff und artmachendem Unterschiede sei ***), und ebenso

222) Averr. Poster. Resolut. f. 146. r. B: Negavit Aben Sina hanc speciem de

monstrationum, h. e. signa. - -

223) Averr. a. a. 0. f. 131. v. A. Ps.-Averr. Quaes. in Post. Resol. f. 375. v.

A u. f. 380. r. A.

224) Ps.-Averr. a. a. 0. f. 373. r. B.

225) Albert. M. Top. I, 1, 2, p. 663. B: Fides enim est assensus in ipsum

respondentis, propter qu0d talia principia prima communes animi conceptiones vocan

tur, ut dicit Avicenna, qu0d statim assentit eis animus audientis, propter quod

eliam indemonstrabilia talia dicuntur; haec igitur sunt principia demonstrationis, ev

quibus demonstrativus fit syllogismus. Vgl. bei Schmülders p. 37. und bei Vattier

p. . 19282.6) Averr. Poster. Resolut. f. 158. v. B: Et haec divisio demonstrationum est

res per se nota ; hanc enim posuerunt omnes homines istius artis praeterquam ipse

Aben Sena, qui mentionem fecit de demonstratione eæistentiae et eæistimavit, quod

est demonstralio non vera, et voluit h0c, cum diacit, qu0d posteriora c0mp0sita ea,

rebus prioribus non constant esse essenlialia rebus prioribus, nisi cum c0nstiterit

causa, propter quam constat p0sterius eæ priori. Ps.-Averr. Quaes. in Post. Res. f.

377. v. B: Avicenna non meminit de dem0nstrationibus ,,quia“, et haec est, dum

subiectum ipsarum fuerit c0mp0situm, non simpleae ; nam ipse putavit, qu0d demon

strationis ,,quia“ medii termini sint accidentia min0ris eætremi ..... . (f. 378. r. A)

Sermo aulem Avicennae dicens , quod, cuiuscunque necessitas est 0b aliquam causa

rum, illa necessilas sit illius, dum noverimus illam causam, est pr0p0siti0, quam

nos concedimus ...... Avicenna itaque , eae qu0 implicita est apud ipsum in demon

stratione ,,quia“ scientia per.causam, putavit, qu0d ibi n0n 0ccurrat ei nomen verae

scientiae. Vgl. bei Watlier p. 228. . -

227) Bei Valtier (p. 232 ff.) folgt nur noch die Sophistik nach der Lehre von

der Definition, hingegen bei Schmülders (p. 41.) bildet letztere, nach der Sophistik

folgend, den Schluss.

228) Metaph. V, 5, f. 89, r. B: Potest aliquis dicere, quod diffinilio secundum

360 XVI. Avicenna.

wiederholt er die Angaben des Aristoteles (Abschn. IV, Anm. 496 fr.)

in der Frage über die Theile der begrifflichen Form und die Theile

des Stoffes 229). -

Was endlich die T o pik und S o p h is tik betrifft, so ist zu beaeh

tem , dass Avicenna, obwohl. er bezüglich des wechselseitigen Verhält

nisses zwischen der ersten und der zweitem Analytik mit Alfarabi über

einstimmte (Anm. 223), dennoch zwischen beide das ganze Gebiet der

Dialektik darum einschieben wollte, weil auch in der praktischem Am

wendung des logischen Denkens das demonstrative Verfahren erst nach

dem Dialektischen den Schlussstein bilde *°°). Auch mag etwa noch

erwähnt werden, dass er unter dem Vorbehalte der traditionellen Ge

sichtspunkte der blossen Wahrscheinlichkeit oder beziehungsweise der

Unsittlichkeit der beidem Disciplinem, memlich der Topik und Sophistik,

eine Universalität der Gegenstände, welche in sie beigezogen werden

können, zugesteht 291), sowie dass er ähnlich wie Alfarabi bei einzelnen

hoc, quod consentiunt auctores artis, composita est eae genere et differentia, quorum

unumquodque discretum est ab alio, et utraeque partes sint diffinitionis, diffinitio

autem non est nisi quidditas diffiniti ; ergo intentiones, quae significantur per genus

et differentiam, taliter se habent ad naturam speciei, qualiter ipsa ad diffinitionem,

• • • • • unde cum ita sit, non erit verum, praedicari naturam generis de natura speciei,

quoniam pars eius est. Ad quod dicimus, quia cum nos diffinimus dicentes verbi

gratia ,,homo est animal rationale“, non volumus in hoc, qu0d sit coniunctio eae

animali et-rationali, sed volumus in hoc, quod ipse est animal, quod est rationale;

quasi enim animal in se quoddam est, cuius esse non est determinatum , nisi cum

ipsum animal fuerit rationale. -

229) Ebend. c. 7, f. 90. v. B: Dicemus, quod plerumque in diffinitione sunt

partes diffiniti; cum autem dicimus, quod genus et differentia non sunt duae partes

speciei in quidditate , non est hoc, quasi dicamus , quod species non habet partes;

species enim partes habet, cum fuerit ea, aliquo m0dorum rerum, scilicet vel eae

accidentibus secundum quantitates vel eae substantiis secundum composita. Unde,

secundum quod videtur, partes diffinitionis sunt priores diffinito; contingit autem

alicubi fieri e contrario; cum enim voluerim diffinire portionem circuli, diffiniemus

eam per circulum, et cum voluerim diffinire digitum hominis, diffiniemus per homi

?e???, . . . . . Haec igitur omnia non sunt partes rei secundum quidditatem eius, sed

secundum materiam et subiectum eius. - -

230) Averr. Poster. Resolut. f. 127. v. A : Evistimaverunt autem nonnulli, quod

quemadmodum melius est, ut primo inquiramus de aliquo intelligibili et investigemus

per viam dialectices, postea sequatur inquisitio demonstrativa, ita melius sit in

doctrina, ut incipiamus a libro dialectices post partem communem, deinde sequatur

liber de demonstratione. Sed quod eæistimaverunt, non se habet ita, ...... ut prae

cedat cognitio modorum propositionum probabilium cognitionem modorum propositionum

verarum, quoniam conditiones, quibus propositiones verae ordinantur, sunt aliae a

conditionibus, quibus propositiones probabiles ordinantur, quoniam ordines probabilium

sunt secundum consue{udinem civitatum et populorum (vgl. Anm. 13.), ordines autem

verarum sunt secundum conditionem unam, ut videlicet sint essentiales ;.... et prop

terea consimiliter cognitio ordinum propositionum probabilium non est universalis (s.

Anm. 318.) respectu ordinum propositionum verarum ...... Et ideo erravit Ali Sena

errore manifesto, quod eæistimavit, quod dialectica praecedat artem demonstrationis,

eo quod accidit, propositiones primas intelligibiles esse , etiam probabiles. Dass eine

solche Anordnung des Stoffes schon bei den griechischen Commentatorem in Wor

schlag kam, s. Abschn. XI, Anm. 128.; jedoch dürfen wir auch nicht unerwähnt

lassen, dass Avicenna wenigstens in jenen beidem Compendien, welche uns vor

liegen (bei Vattier und bei Schmölders) sich an die gewöhnliche Reihenfolge hielt.

231) Metaph. I, 2, f. 71. r. A: Haec autem scientia (d. h. prima philosophia)

*.

XVI. Algazeli. 361

Punkten wegen seiner commentirenden Thätigkeit von Anderen erwähnt

wird 232).

Die Leistungen Alfarabi's und Avicenna's scheint A l g a zeli (Abu

Hamed-Mohammed-Ibn-Mohammed-el-Gazali, geb. 1058, gest. 1111) le

diglich nur herübergenommen und benützt zu haben, denn seine Ten

denz lag in einem Skepticismus, welcher als Mittel zum Mysticismus

dienen sollte, und in, diesem Sinne bearbeitete er auch die üblichen

Zweige der theoretischen Philosophie nur als eine Vorstufe seiner „ De

structio philosophorum“*°°). Somit werden wir in demjenigen, was

von Algazeli dem Mittelalter bekannt war und auch uns in lateinischer

Uebersetzung vorliegt *°*), nur eine Wiederholung und Bestätigung der

bisher betrachteten arabischen Auffassumgen findem, und selbst da, wo

scheinbar Neues sich zeigt, dürfen wir wohl nur Ergänzungen jener

Berichte erblicken, welche über Alfarabi oder Avicenna uns theilweise

unvollständig zur Hand sind.

So stimmt Algazeli nicht bloss in der Frage über die Eintheilung

der Wissenschaften vollständig' mit Avicenna (Amm. 71 ff.) überein *°°),

sondern folgt auch seinen Vorgängern in der principiellen Zweitheilung

der Logik (Amm. 16 u. 77); indem nemlich auch er däs ummittelbar

sinnliche Werständniss (imaginatio) auf das : einzelne Wort und ent

spreehend das beifällige Ueberzeugtsein (credulitas) auf die Satz-Wer

bindung bezieht 23") und bei beidem die doppelte Möglichkeit berück

communicat cum topica et sophistica simul in aliquibus. et differt ab eis simul in

aliquibus ..... Communicat enim cum eis in hoc, quod de eo, quod hic inquiritur,

nullus actor singularum scientiarum tractat nisi topicus et sophisticus. Differt vero

ab eis simul in hoc, quod philosophus primus, in quantum est philosophus primus,

non loquitur de quaestionibus singularum scientiarum, isti vero loquuntur. Differt

etiam a topico per se in fortitudine vel potentia eo, quod verbis topici acquirunt

opinionem, non certitudinem, sicut nosti eae magisterio logicae. Differt qtiam a so

phistico in voluntate eo, quod hic quaerit ipsam veritatem, ille vero quaerit putari

sapiens in dictione veritatis, quamvis non sit sapiens. S. Anm. 380.

232) Z. B. Averr. Top. f. 298. v. B und Ps.-Auerr. Epitome f. 357. r. A.

233) S. Munck, Dictionn. II, p. 506 ff., woselbst nicht bloss schlimme Irr

thümer, welche Schmülders (Essai sur l. écol. phil. p. 220.) begieng, machge

wiesem werden, sondern auch die Annahime Heinr. Ritter's, dass Algazeli bei Ab

fassung seiner Logik noch nicht auf seinem spáteren ekstatisch-mystischen Stand

punkte gestandem sei, ihre Berichtignng findet; denn Munck theilt aus dem arabischen

Originale des Makácid (d. h. der Logik) die Eingangs- und die Schluss-Worte

mit, aus welchen hervorgeht, dass Algazeli auch in der Logik nur Referent sein

wolle, um hernach alle theoretische Philosophie zu bekämpfen; dieselben lauten

nach Munck's Uebersetzung: Il m'a donc paru necessaire, avant d'aborder la réfu

tation des philosophes, de composer um traité où j'erposerai les tendances générales

de leurs sciences, savoir de la Logique, de la Physique et de la Metaphysique, sans

pourtant distinguer ce qui est vrai de ce qui est fauae, car mon but est uniquement

de faire connaitre les résultats de leurs paroles, und am Schlusse: Nous commen

cerons après cela, le livre de la ,,Destruction des philosophes“, â fin de montrer clai

rement tout ce que ces doctrines renferment de fauae. Die ,, Destruclio philosopho

rum** selbst jedoch behandelt keine logischen, sondern nur sechzehn metaphysische

und - vier physikalische Fragen.

234) Logica et Philosophia Algazelis Arabis. Venet. 1506. 4. (übersetzt von

Liechtenstein). -

235) De divisione scientiarum als Cap. 1. der ,,Philosophia“.

236) Logica, Cap. 1. (das Buch ist nicht paginirt): Incipit Logica Algazelis

362 XVI. Algazeli.

siehtigt, dass sie entweder an sich selbst schon Klarheit und Gewissheit

enthalten oder erst noeh einer weiteren Begründung bedürfen 237), so

führt ihn der letztere dieser beidem Fälle auf die Nothwendigkeit des

Definirens für das Werständniss umd des Argumentirens für das Ueber

zeugtsein ***), wornach für diese beiden Functionem eine specielle

Wissenschaft, welche allen übrigen vorausgehe, auf Grundlage der Natur

des menschliehen Denkens erforderlich sei 289). Nemlich wenn vom

Bekanntem zum Unbekanntem fortgeschritten werden solle (vgl. Anm. 15

u. 80), und hiebei jedwedes gesuchte Unbekannte aus dem ihm ver

wandten und eigenthümlichen Bekanntem zu erörtern sei, so gebe es

für das Zustandekommen des Wissens zwei Wege, deren Einer zur

Definition und Beschreibung und der andere zu Syllogismus, Induction

und Exemplificatiom führe 349), und für beide werde in der · Logik die

Regelrichtigkeit dargelegt ***), so dass, wenn der Zweck aller Wissen

schaft in Wervollkommnung der Seele und hiemit in ewiger Glückselig

keit liege (vgl. Anm. 13), auch die Logik mittelbar diesem höchsten

Zwecke diene 243). I.

Indem aber unter jenen beiden Aufgaben der Logik die zweite,

de his, quae debent praeponi ad intelligentiam logicae et ad ostendendum utilitates

eius et partes eius. Capitulum primum. Quamvis scientiarum multi sint rami, duae

tamen sunt proprietates, imaginatio et credulitas ; imaginatio est apprehensio rerum,

quas significant singulae dictiones ad intelligendum eas et ad cerlificandum .....;

credulitas vero est sicut quod dicitur ,,mundus cepit** ..... Necesse est autem, omnem

credulitatem praecedant ad minus duae imaginationes.

237) Ebend.: Quod autem imaginatur statim sine inquisitione, est sicut ,,ens**,

,,aliquid“, ,,res“ et similia; quod vero non imaginatur sine inquisitione, est .....

imaginatio rerum, quarum essentiae sunt occultae. Credulitas vero, quae statim

apprehendit sine inquisitione, est velut scientia haec, quod duo sunt plus quam

umtum , ..... et multa alia de sententiis, in quibus retinendis omnes conveniunt sine

praecedente inquisitione, quae comprehenduntur in tredecim speciebus, de quibus

postea loquemur (Amm. 276 ff.); credulitas autem, quae non apprehenditur sine in

* quisitione, est velut haec, quod mundus cepit.

238) Ebend.: Quidquid autem non potest imaginari sine inquisitione, non potest

apprehendi sine diffinitione, et quidquid non potest credi sine inquisitione, non po

test apprehendi sine argumentatione.

239) Ebend.: Manifestum est igitur eae hoc, quod omnis scientia .... non ac

quiritur nisi per aliquam scientiam, quae praecedit, et hoc non tendit ad infinitum,

nam necesse est, ut haec perveniant ad . prima, quae sunt stabilia in natura in

tellectus. -

240) C. 2.: Postquam autem manifestum est, quod ignotum non potest sciri

nisi per notum, et constat, quod per unum aliquid notum non potest sciri quodlibet

ignotum, sed quodlibet ignotum habet aliquid proprium notum sibi conveniens, quod

est via perveniendi ad aliud, .... tunc quod inducit ad cognoscendas scientias ima

ginativas, vocatur diffinitio et descriptio, quod vero inducit ad scientias credulitatis,

dicitur argumentatio, argumentatio autem alia est syllogismus alia induclio alia

eaeemplum.

241) Ebend.: Scientia vero logicae dat regulam, qua discernitur, an diffinitio

et syllogismus sint vitiosa annon ad hoc, ut discernatur scientia vera a non vera.

242) Ebend.: Dicemus, quod omnis utilitas vilis est in comparatione felicitatis

aeternae, quae est felicitas alterius vitae, haec autem felicitas pendet eae perfectione

animae ...... Non est autem via deveniendi in scientiam nisi per logicam ; erg0

utilitas logicae est apprehensio scientiae, utilitas scientiae est acquisitio felicitatis

qetermae.

XVI. Algazeli. - 363

nemlich die Argumentatiom, die hauptsächlichere sei, alle Beweisführung

aber auf einer Zusammensetzung von Urtheilem beruhe, so ergebe sich

die Gliederung der Logik nach dem Motive des Aufsteigens vom Ein

fachen zum Zusammengesetzten *4°). Somit bezeichnet Algazeli als

materia prima der Logik die signific aJio di c t i o n u m, welche er

nach fünffacher Eintheilung (vgl. Anm. 21) in grosser Ausführlichkeit

erörtert, indem er als ersten Gesichtspunkt das von Avicenna (Anm.

105) hierüber Gesagte vorführt ***), sodann die Unterscheidung in ein

fache und zusammengesetzte dictio folgen lässt ?4°), hierauf aber als

dritte die Theilung in das Universale und das Singuläre anreiht, wobei

er bezüglich der Definition des ersteren sich wörtlich am Avicenna an

schliesst***); der vierte Gesichtspunkt beruht auf der grammatischen

Eintheilung der Worte 247), der fünfte aber betriffi die Begriffe des

Synonymen u. dgl.***), auf welche er für die Kategorienlehre wohl

ebenso wenig Gewicht legte wie Avicenna (s. Anm. 191); hingegen

mochte er durch dieselben den Uebergang zur Isagoge angebahnt findem,

insoferne er in gleicher Weise wie Avicenna daran festhielt, dass die

fünf Universalien nur nach inmerer Wesensbestimmtheit, d. h. univoce,

ausgesagt werdem **°).

Jedenfalls liess er als materia secunda hierauf dem lnhalt der

Is a go g e folgen, wobei er wieder an Avicenna nicht bloss in der ver

gleichendem Bezugsetzung der Universaliem auf das Particuläre (vgl. Anm.

107), sondern auch in der principiellem Unterscheidung zwischen essen

tiale und accidentale (Anm. 92 (f.) sich anschloss, jedoch in letzterer

Beziehung einige Momente hervorhob, deren Erörterung bei seinen Wor

gängerm sicher gleichfalls sich gefundem haben muss, wenn auch unsere

243) C. 3. : Partes logicae et ordo earum cognoscuntur eae ostensione suae in

tentionis; intentio vero est diffinire et probare et discernere vitiosa a non vitiosis

sive vera a falsis. Eæ his autem quod est magis necessarium, probatio est, quae

quidem composita est..... Inquisitor scientiae compositi dicitur primum apprehendere

scientiam partium. Unde sequitur, ut primum loquatur de dictionibus et quomodo

significant intellectus, deinde de intellectibus et eorum divisionibus, deinde de enun

tiatione composita, scilicet de praedicato et subiecto et de eius speciebus, ad ultimum

de probatione, quae fit eae duabus enuntialionibus.

244) Ebend.: Materia prima est de significatione dictionum, quae certificatur

quinque divisionibus. Divisio prima est, quod dictiones significant inlellectum tribus

modis. Uno secundum parilitatem .... alio secundum consequentiam .... tertio secun

dum concomitantiam. -

245) Ebend.: Divisio secunda est, quod dictio dividitur in complexum et in

compleacum.

246) Ebend.: Divisio tertia: dictio dividitur in singulare et universale; sin

gulare est, cuius significatio prohibet illud a multis participari;..... universale est,

cuius significatio non prohibet illud a multis participari (auch die Sonne wird wie

bei Avicenna, Anm. 89., als Beispiel eines möglichen Universale angeführt).

247) Ebend.: Divisio quarta est: dictio dividitur in actionem, nomen et con

iunctionem, logici autem actionem verbum vocant ; unumquodque autem nomen et

verbum differunt g coniunctione, eo quod significatio cuiusque eorum plana est per

se, quod non habet per se coniunctio.

248) Ebend.: Divisio quinta est, quod dictiones in esse rationum sunt quinque

modis, sunt enim univoca, multivoca, diversivoca, aequivoca, convenientia.

249) S. die in Anm. 91. angeführte Stelle.

364 XVI. Algazeli.

lückenhaftem Quellen hierüber schweigen; nemlich das essentiale sei

dasjenige, was nothwendig gedaeht werden müsse, während die Existenz

das gleichgültige Zufällige sei, und ferner nehme das Universale eine

Priorität des Gedachtwerdens für sich in Anspruch, sowie auch andrer

seits das Essentielle einen Gegensatz gegen die concrete Position des

Daseins in sich schliesse *°°). Indem sodann die nähere Eintheilung

des essentiale und des accidentale folgt, lässt sich hinwiederum Algazeli

bezüglich des Letzteren durch die wohlbegründeten Bedenken Avicenna's

(Anm. 156 ff.) nicht beirren, sondern hält sich an die Angaben des

Porphyrius *°'), hingegen was das essentiale betrifft, stellt er das bei

Avicenna Entwickelte als zwei Eintheilungs-Gesichtspunkte nebeneinander,

indem er zuerst die relative Abstufung der Gemeinsamkeit, welche in

der Tabula logica liegt (Anm. 132), hervorhebt *°°), und sodann den

Unterschied der Fragen quid und quale (Anm. 101 ff.) zum Eintheilungs

grunde macht***), woram sich ihm ebenso wie bei Avicenna (Anm.

110) die Besprechung der Definition anreiht, bezüglich deren er sogar

250) Ebend.: Materia secunda est de intentione universalium et de diversitate

suarum compositionum vel comparationum inter se et divisionum suarum ....... Di

cimus ergo , quod omnis intentio universalis, cum comparatur ad particulare con

tentum sub eo, vel est essentialis vel accidentalis. Intentio vero non est essentialis

nisi ut conveniant sibi tria. Primum est .... (folgen völlig unverständliche Worte)

...., cum enim intelligis, quid est homo et quid est animal, non potes intelligere

hominem sine intellectu animalis .....; cum intelleaceris, quid est. homo, non est

necesse te intelligere, eum esse .... et manifestabitur tibi, quia esse accidgntale est

omnibus ..... Secundum est, ut possit intelligi, universale necessario esse prius,

posterius verò particulare contentum sub eo vel in esse vel in intellectu; ..... non

potest autem dici? quod necesse est, prius esse risibile, deinde homo; ..... eae hac

autem prioritate non intelligitur ordo temporalis, sed ordo intellectualis, quamvis

sint paria in tempore. Tertium est, quia possibile non est, essentiale esse positi

vum; ..... homo enim essentialiter est animal non propter positionem alicuius; si

enim propter positionem alicuius homo esset animal, tunc possibile esset, imaginari

nos posse, ponere illum hominem et non animal; ..... etenim (der Text gibt et non)

risibile accidentale positivum est, nam potest dici ,,quae res posuit hominem habere

esse. risibile?“, et haec interrogatio vera est, sed non est vera interrogatio, qua

quaeritur ,,quae res posuit hominem esse animal?“ ..... dicemus ergo, quod homo

est homo essentialiter et homo est animal essentialiter.

251) Ebend.: Alia divisio solius accidentalis; accidentale enim dividitur in

communicans separabile et in communicans omnino inseparabile ...... Separabile vero

dividitur in tarde separabile, ut pueritia ...., et in cito separabile, ut rubor ....

Inseparabile vero dividitur in inseparabile in aestimatione non in esse, ut nigredo

aethiopi, et inseparabile in esse, ut paritas quaternario et indivisibilitas puncto ......

Item accidentale dividitur in id, quod est proprium subiecto, .... et in id, quod est

commune multis.

252) Ebend.: ftem essentiale secundum considerationem magis universalis et

minus universalis dividitur in illud, quod .... dicitur genus, et in id, quod ....

dicitur species, et in id, quod est medium .....; id autem, sub quo, non est minus

commune, dicilur species specialissima, et id, super quod non est communius, dicitur

genus generalissimum ..... Substantia ergo genus est generalissimum (folgt die arbor

Porphyriana).

253) Ebend.: Item essentiale secundum aliam considerationem dividitur in id,

quod respondetur ad ,,quid est?'', cum interrogans intendit certificari de essentia

rei, et in id, quod respondetur ad ,,quale quid est?**; primum autem vocatur genus

vel species , secundum differentia.

XVI. Algazeli. 365

gleich hier die üblichen praktischen Regeln zur Wermeidung von Feh

lern einfügt *°*). Sodann schliesst er mit kurzer Nennung der fünf

Universalien diesen Stoff ab *°°); dass er aber dennoeh anderweilig

auch die controversen Erörterungen über die einzelmen Universalien

berücksichtigt haben muss, ersehen wir aus obigen Quellenstellen, wo

or sowohl bezüglich des Gatlungsbegriffés neben Avicemma (Amm. 116)

als auch in dem Fragen über das Accidens neben seinen beiden Wor

gängern (Anm. 30 u. 160) angeführt wird. Was aber die Kernfrage

über die Universalien betriffi, so simd wir, wenn auch das uns erhallene

logische Compendium Algazeli's hierüber schweigt, dennoch darüber

unterrichtet, dass derselbe trotz und neben aller mystischen Tendenz

die Universalien auf Grundlage eines Intellectualismus auffasste ; denm

es ist uns diess nicht bloss durch obige anderweitige Anführungen

(Anm. 22 u. 188), sondern auch durch eine Stelle seiner Metaphysik

bezeugt, in welcher er ähnlich wie Avicenna die Annahme bekämpft,

dass das Universale als Eines im Singulären existire, denn als Univer

sale habe dasselbe nur im Denken seine Existenz *°°).

Wenn uns aber bezüglich der Kate g o r i e n schon bei Avicenna

(Anm. 189) sich ein leises Bedenken aufdrang, wo dieselben in der

Logik einzureihen seien, so findem wir mun. bei Algazeli die beachtens

werthe Erscheinung, dass in dem ganzen Compendium seiner Logik die

Kalegorien nicht mit Einem Worte erwähnt sind, wohl aber ihre Be

sprechung in der 0ntólogie, d. h. in der Metaphysik finden. Und so

dürfen auch wir uns auf die Mittheilung beschränken, dass Algazeli

sowohl mit seinen Vorgängern die Auffassumg des ens theilte (Amm. 32)

254) Ebend.: Diffinitio est id, quod facit imaginari quidditalem rei in ánima

interrogantis .....; diffinitione vero acquiritur veritas essentiae rei, unde nec potest

fieri diffinitio nisi eae differenliis substanlialibus tantum. Descriptio ver0 sequilur,

póstquam aliquando sit apposita una differentia ; sed veritas rei certissime non cog

noscitur nisi multis differenliis ...... Postquam autem facta est cognilio diffinitionis,

faciam te c0gn0scere, quot modis sit error in illa ...... Haec sunt, quae in diffini

tionibus caveri debent.

255) Ebend.: Palet aulem eae praediclis, quod essenliale dividitur in tria, quae

sunt genus, species et differentia ; accidens vero dividitur in duo, proprium accidens

et commune accidens. Manifestum est igitur, quod universule dividilur in quinque,

quae dicuntur incompleta quinque.

256) De divis. entis, c. 7.: Ens dividitur in universale et particulare .....

Primum est quidem intentio, quae dicilur universalis. Suum esse est in inlelligibili

bus, non in singularibus. Quidam vero audientes hoc, quod dicimus, quod omnes

homines unus sunt in humanitate, ...... putaverunt, quod ..... homo universalis sit

aliquid ens unum numero eæistens in singularibus ..... Hic autem primus error est;

...... intellectus enim recipit formam hominis, ..... singuli enim homines non diffe

runt in humanitate ullo modo ..... Id vero, quod concipitur de individuo Petro, est

forma singularis in intellectu ; secundum quod ipsa intelligitur, universalis est eae

hoc, scilicet quod eius comparatio ad omne individuum, quod est et fuit et erit,

unum est ..... Universale igitur, secundum hoc quod est universale , , eaeislit in in

telleclibus, non in singularibus;.... veritas enim humanitatis est in singularibus et

est in inlelligibilibus utrisque ...... Universale non potest habere plura singularia,

nisi unumquodque eorum discernatur ab alio differentia vel accidente; si enim acci

piatur universalitas per se nuda sine aliquo superaddito, quod adiungatur ei, non

potest imaginari in ea numeratio et singularitas.

366 XVI. Algazeli.

-

als auch an Avicenna (Amm. 199 ff.) in der Erörterung der Accidenta

lität der übrigen meun Kategorien sich anschloss *°").

Somit reiht er am die Isagoge unmittelbar als materia tertia der

Logik die Lehre vom U r t h e ile an, wobei er zunächst in der üblichen

Weise von den übrigen Satzartem das indicative, d. h. logische, Urtheil

heraushebt *°°), in welchem er ebenso wie Alfarabi (Anm. 39) das

Verhältniss der Inhärenz des Prädicates besonders beachtet zu haben

scheint. Sodann aber wirft er sich für die nähere Darlegung sogleich

wieder auf das Motiv des Eintheilens, welches überhaupt bei ihm das

überwiegende ist. Zunächst theilt er die Urtheile in kategorische und

hypothetische, welch letztere in das verbumdene (d. h. conditionale) und

in das getrennte (d. h. disjunctive) zerfallen sollen, und zwar bestehe

zwischen sämmtlichen drei Formen eine Analogie (vgl. Anm. 219), in

dem das Verhältniss zwischem Subject und Prädicat demjenigen zwischen

den zwei Gliedern des conditionalem und disjunctivem Urtheiles ent

spreche *°°). Dass auch Algazeli wie Avicenna das copulative Urtheil

ausschied, s. oben Anm. 215. Eine zweite Eintheilung beruhe auf dem

inmerem Gehalte des Prädicates, nemlich jene in bejahende und ver

neinende Urtheile, wobei jedoeh micht bloss bezüglich des kategorischen

das scheinbar negative Urtheil (privativa) positiven Gehaltes zu beachten

sei, welches durch privative Sylben ausgedrückt werde, sondern auch

daram festgehaltem werden müsse, dass bei dem conditionalen und dis

junetiven Urtheile die Negation zur Aufhebung der Werknüpfung diene *°°).

257) Ebend. c. 5.: Necessarium dividere accidentia ..... Primum autem dividi

tur in duo, quoniam quaedam eorum sunt, quorum essentia nullo modo per se potest

intelligi, nisi aliquid aliud eaelrinsecus intelligatur, et quaedam eorum sunt, quae

per se intelligi possunt; et haec dividuntur in duas species, quantitatem scilicet et

qualitatem ........ Ea vero, quae n0n p0ssunt inlelligi nisi respectu aliorum, septem

sunt, scilicet relatio, ubi, quando, situs, habere, agere et pati. Hierauf folgt c. 6.

der Nachweis, dass sämmtliche meum Kategorien, namentlich Quantität und Qualitât,

wirklich Accidentien seien.

258) Log. c. 3.: Materia tertia est de coniunctione incompleatorum et de parti

bus enuntiationis. Intenliones incompleacae cum componuntur, proveniunt eæ eis

nultae species, de quibus omnibus non intendimus nisi de ea sola, quae est enun

tiatio, quae vocatur indicativa vel dictio diffinitiva, et haec est, in qua contingit

veritas vel credulitas vel contradictio vel falsitas.

259) Ebend.: Divisio prima est, quod enuntiativa alia est categorica, .....

alia hypothetica, hypothelica alia coniuncta, ut haec ,,cum sol est super terram,

dies est“, alia hypothetica disiuncta, ut haec ,,aut mundus coepit aut est aeternus“;

..... categorica constat eae duabus partibus, quarum una dicitur subiectum, ....

secunda dicitur praedicatum ..... .; simililer hypothetica coniuncta constat eae duabus

parlibus, quarum unaquaeque est enuntialiva; prima autem pars .... dicitur anle

cedens, ..... pars secunda .... dicitur consequens; ...... disiuncta etiam constat eae

duabus partibus , quurum unaquaeque est enuntiativa , cum ablata fuerit coniunclio

disiunctiva, quae est ,,aut“, partes aulem eius non habent ordinem nisi sola pro

batione.

260) Ebend. : Secunda divisio est, quod enuntiativa dividitur secundum inten

tionem praedicati in affirmativam .... et in negativam ..... Negatio vero hypothetica

coniuncta fit, ut negatio apponatur coniunctioni sic ,,non, cum sol est super terram,

stellae 0ccultantur**; negatio vero disiunctiva fit, ut negetúr coniunctio disiunctiva

sic ,,non est asinus vel masculus vel niger** ...... Errant in categorica et putant,

quod haec ,,Petrus est insipiens“ sit negativa ; est autem affirmativa, eius enim

XVI. Algazeli. . 367

Entsprechend beruhe die Eintheilung nach der Quantität auf dem imneren

Gehalte des Subjectes ; indem aber das singuläre Urtheil keine Anwen

dung finde und von dem unbestimmtem entweder das Gleiche gelte

oder dasselbe als particulares genommen werde, bleiben durch Combi

mation mit der Qualität nur die vier allbekannten Urtheilsformen übrig ;

hingegen seien auch die conditionalem und disjunctiven Urtheile je nach

Kraft und Umfang ihrer Geltung in allgemeine und particulare zu unter

scheiden *"'). Sodann führe noch das zwischen Subject und Prädicat

bestehende Verhältniss zu einer vierten Einlheilung, nemlich zu jener

in Möglichkeits- und Unmöglichkeits-Urtheile, wozu bei engerer Begrän

zung des Begriffes des Möglichem noch als drittes das Nothwendigkeits

Urtheil hinzukomme *"*). Hierauf folgt noch die Erörterung des contra

dictorischem Gegensatzes zweier Urtheile mit Angabe der Bedingungem,

unter welchen ein solcher stattfinden kann *°°), und die Aufzählung

der gewöhnlichen Regeln der Umkehrung *°*); jedoch bei letzterem

beidem ist inconsequenter Weise nur mehr vom dem kategorischen Ur

theile die Rede.

intentio est, significare, eum esse stultum ;.... et haec propositio privativa dicitur,

cum re vera sit affirmativa. -

261) Ebend.: Item alia propositionis divisio, quod secundum intentionem sub

iecti dividitur in singularem .... et in non singularem; non singularis autem divi

ditur in indefinitam et definitam;..... definita est, quae determinatur aliquo signo

universalitatis vel particularilatis; quae est quadrupleæ, scilicet affirmativa univer

salis ..... et affirmativa particularis, .... negativa universalis .... et negativa par

ticularis .... Secundum hoc igitur fiunt propositiones octo cum his quatuor, quae

sequuntur: singularis affirmativa et singularis negativa, indefinita affirmaliva et in

definita negativa; his aulem qualuor non multum utimur in scientiis; indefinitae

vero accipiuntur in sensu particularium, quoniam sine dubio de parte significant.

- - - - - - Hypothetica vero coniuncta dividitur in universalem, ut ,, si semper sol est

super terram, semper est dies“, et particularem, ut ,, si aliquando sol esl super

terram, erit dies**. Disiuncta vero fit universalis, cum dicitur ,,omne corpus aut

movetur aut quiescit**, parlicularis etiam, cum dicitur ,, quidam homo aut est in

navi aut est mersus.**

262) Ebend.: Item propositio secundum intentionem compositionis sive habitu

dinis praedicati ad subiectum dividitur in possibile .... et in impossibile ..... Possi

bile autem duobis modis intelligitur; intelligitur enim possibile, quod non est im

possibile, sub quo comprehenditur etiam necessarium, et secundum hoc res dividilur

in duo, in possibile scilicet et in impossibile; intelligitur etiam possibile id, qu0d

potest esse et non esse, et hic est eius usus proprius; secundum hanc igitur consi

derationem erunt tria genera rerum, scilicet necessarium, p0ssibile et impossibile.

263) Ebend.: Item omnis proposilio videtur habere contradictoriam diversam a

se in affirmatione et negatione; sed si diversa est ab ea veritate vel falsitate, revera

dicilur contradictoria ..... Vera autem contradictio esse non potest nisi adsint ista

seae: quorum primum est, ut subiectum utriusque sit unum sicut voce sic et signi

ficalione ..... ; secundum est, ut praedicalum utriusque sit unum et idem ..... 5

tertium est vero, ubi non differant gn parte et toto, sicut cum dicis ,,oculus Petri

est niger“, intelliges de pupilla ..... ; quartum est, ubi non differant potentia et

effectu ..... ; quintum est, ubi non sint diversae relationes ......; sevta conditio,

ut non discernantur quantitate.

264) Ebend.: 0mnis propositio est convertibilis secundum quod videtur, sed

conversio dividitur in comitantem suae veritatis* et in non comitantem ....... Nega

tiva universalis convertitur in negativam universalem; negativa autem particularis

non convertitur ......; affirmativa universalis convertitur , in alteram particularem

.....; affirmativa autem particularis convertitur in similem sibi.

368 - XVI. Algazeli.

Nun kanm sich als materia quarta die Lehre von der A rgumen

tatio n anreihem, bezüglich deren Algazeli moch einmal an seine princi

pielle Eintheilung der Logik erinnert, zugleich aber eine Unterscheidumg

zwischen Form und Stoff der Argumentation an die Spitze stellt 265).

Der Form nach ist die erste Species der eigentliche Syllogismus, wel

cher sofort in dem kategorischen und dem hypothetischen Schluss ge

theilt wird, woran sich unter Angabe der üblichen Terminologie und

der Dreizahl der Schlussfiguren abermals (vgl. Anm. 259) eine Paralle

lisirung der kategorischen und hypothetischen Urtheilsform anknüpft *°°).

Sodann werden die gewöhnlichen Regeln über die für alle kategorischen

Syllogismen gültigem Bedingungen sówie über die Tragweite. der drei Fi

guren vorausgesckickt*"), um sodann die Entwicklung der sämmtlichen

Modi der letzteren folgen zu lassen, wobei- wir nur zu bemerken haben,

dass Algazeli in der ersten Figur die fünf theophrastischen Schluss

weisen nicht erwähnt, sowie dass er überhaupt von den mathematisch

möglichen sechzehn Combinationen der vier kategorischen Urtheilsformen

ausgeht, und hiernach im Hinblicke auf die für die Schlussfigur geltende

Regel die unzulässigen Combinationem ausscheidet *°°). Während er aber

hierauf die aristotelische Entwicklung jener Modi, welche auf Verbin

dungen der Urtheile des Stattfindens und der Möglichkeit und der Noth

wendigkeit beruhen, gänzlich ignorirt, bildet ihm einen wichtigen Gegen

265) C. 4.: Materia quarta est de coniunctione propositionum ad faciendam

argumentationem, et haec est nostra intentio ..... Consideratio vero haec est circa

duo, quorum unum est forma et alterum est materia. Primum quidem est forma

argumentationis. Supra diacimus autem (s. Anm. 235 ff.), quod scientia aut est

imaginationis aut credulitatis, et quod imaginatione non comprehenditur nisi in diffi

nitione, credulitas vero nonnisi argumentatione. Argumentatio est vel syllogismus

vel ezemplum vel induclio.

266) Ebend.: Syllogismus dividitur in categoricum et hypotheticum ..... . Eac

coniunctione partium utriusque propositionis proveniunt tres partes, quae vocantur

termini ..... Enunliatio aulem , cum fuerit pars syllogismi, vocalur propositio .....

Disp0silio ver0 duarum propositionum vocatur compleacio; qualitas duarum proposi

tionum ad medium vocatur figura. Eae hac ergo propositionum dispositione fiunt tres

figurae ...... Judicium aulem antecedentis et consequentis in hypotheticis coniunctis

simile est iudicio subiecti et praedicati secundum ordinationem eorum in his tribus

figuris. Vgl. Abschn. W, Anm. 56 ff. -

267) Ebend.: Conveniunt etiam in hoc tres figurae, quod in nulla earum con

cluditur aliquid ev duabus negativis nec ea, duabus parlicularibus nec eae minore

negativa et maiore particulari ..... Figura autem prima .... concludit quatuor finitas

..... figura vero secunda nullo modo concludit affirmativam ; tertia figura nullo modo

concludit universalem. -

268) Ebend.: Post hos qualuor (sc. modos primae figurae) sequuntur duodecim

commiactiones, quae non concludunt. Eo qu0d in unaquaque figura possunt fieri sea

decim conneaeiones; minor enim potest esse affirmativa universalis vel parlicularis vel

negativa universalis vel particularis, et sic fignt quatuor, quarum unicuique etiam

possunt adiungi qualuor maiores ..... Cum autem posuerimus, ut minor sit negativa

universalis vel particularis, ..... non concluditur aliquid, et per hoc eæcluduntur

octo conneaciones ..... Et remanebunt duae affirmativae ; affirmativae , vero universali

minori possunt adiungi qualuor maiores; duae illarum non concludunt ..... eo quod

in hac figura posuimus , ut maior sit universalis. Remanent ergo in hac figura seae.

Affirmativae vero particulari minori nunquam adiungitur particularis maior nec affir

fmaliva nec negativa ..... Eaecluduntur ergo de sea, remanentibus aliae duae. Et sic

remanent quatuor tantum.

XVI. Algazeli. 369

stand die Lehre vom hypothetischem Syllogismus, welcher naeh 0bigem

(Amm. 259) in einen conditionalem und einem disjunctiven zerfallen muss.

Bezüglieh , des ersterem gibt er allerdings die gewöhnliche Regel, dass

durch Annahme des Wordersatzes der Nachsatz angenommen und durch

Aufhebung des Nachsatzes der Vordersatz aufgehoben sei, aber er fügt

noch dem höchst läppisehen Einfall hinzu, dass, wenn der Umfang des

Wordersatzes und jener des Nachsatzes einander völlig gleich seiem, auch

umgekehrt gesehlossem werdem könne umd es dann hiemit vier conditio

male Schlussweisen gebe *°°); in ähnlicher Weise denkt er auch bei

dem disjunetiven Schlusse, welcher in der Regel in vier Weisen sich

gestaltet, an die Möglichkeit, dass nichl eine dichotomische Alternative,

sondern eine Mehrgliederung von Fällen im Obersatze vorliege*7°). In

dem er aber hierauf die Entwieklung der Formen der Argumentation

noch vervollständigen will*7!), besprieht er zunächst noch den indirectem

Beweis *7*), sodann die lnduction unter dem üblichen Worbehalte be

treffs ihrer Tragweite *7°), und zuletzt die Exemplification, bei welcher

er völlig in das Gebiet der Rhetorik hinüberstreift, während er Momente,

welche eben dort ihre geeignete Stelle haben, als logische Stützen der

Exemplification betrachtet *7*). In solcher Weise ist hei Algazeli an

269) Ebend.: At modo de syllogismis hypotheticis, quorum duae. sunt species:

hypothelicus coniunctus et disiunclus .... Hypothetici vero coniuncti hoc est eaeemplum

,, si mundus est factus, factorem habet“; haec est propositio, cuius si posueris

antecedens, sequitur consequens; ..... si ver0 posueris negativam consequentis, sequi

tur negatoria antecedentis ...... Ad positionem vero consequentis vel ad destruclionem

antecedentis non fit conclusio nisi in paribus tantum, in quibus consequens non est

communius antecedenle, et tunc possunt concludi quatuor hypotheticae, ut ,,si hoc

est corpus, hoc est compositum, sed est corpus, ergo est compositum“, vel ,,est

compositum, ergo est corpus“, vel ,,non est corpus, ergo non est compositum“, vel

,,non est compositum, ergo non est corpus**. Si vero consequens fuerit communius

antecedenle, ..... tunc ad remotionem communioris removetur minus commune .....»

sed ud remotionem minus communis non removetur magis commune ...... ; sed ad

positionem minus communis ponitur magis commune ..... et non e contrario.

270) Ebend.: Species secunda est de hypothetica disiuncta, ut hic ,,aut mundus

coepit aut mundus est aeternus“, hic concluduntur quatuor hypotheticae hoc modo:

,,sed mundus coepit, ergo non est aeternus“, vel ,,non coepit, ergo est aeternus“,

vel ,,est aeternus, ergo non coepit*', vel ,,non est aeternus, erg0 coepit'' ..... . Hoc

autem non fit nisi in , contruriis immediatis; sed in mediatis, si fuerint tria, ad

positionem unius eorum removentur reliqua duo ..... ; si vero enuntiatio fuerit plu

rium partium, ..... ad positionem unius eorum removentur ceteri.

271) Ebend.: Haec sunt principia syllogismorum. Sed ad complendum hunc

tractatum adiicimus etiam quatuor (zu lesen tria), quae sunt ratiocinatio indirecta

et inductio et ea:emplum. -

272) Ebend.: Ratiocinatio composita ratiocinationis indirectae forma est, probare

propositionem destruendo contrarium, dicendo illud ad inconveniens, scilicet adiungere

illi aliam propositionem manifeste veram et concludere eae eis manifeste falsum.

273) Ebend.: Inductio est oralio , in qua eae multis particularibus infert uni

versale illorum ...... Inductio autem non valet nisi in auctoritatibus logicis non

necessariis, in quibus, quo magis fuerit induclio diligentius composita et plenior,

faciet maiorem fidem.

274) Ebend.: Exemplum est illud , quod doctores legis argumentationem vocant,

scilicet iudicium de uno singulari in aliud propter aliquam similitudinem ...... Post

quam autem dialectici apprehenderunt debilitatem huius argumentationis, adinvenerunt

P R A ntl, Gesch. II. 24

370 XVI. Algazeli.

Stelle einer , getreuem Auffassung der aristotelischen Logik bereits ein

sehr steriler Abhub griechisch-arabischer Schul-Logik getreten, welcher '

allerdings für seine skeptisch-destructive Tendenz eim, geeigueterer Gegen

stand sein mochte, als wenn, er die ächte Lehre des Aristoteles ent

wickelt hätte. - -

Indem, aber hierauf noch der Stoff der Argumentation seine nähere

Erörterung findet, so hat Algazeli hierim , nicht bloss wie. seine Vor

gänger (Anm. 51 u. 223) die Anknüpfumg der zweitem Analytik. an die

erste erblickt*7°), sondern er folgte , hiebei auch völlig dem Alfarabi,

offenbar im der Ueberzeugung, dass die aristotelische Lehre einer we

sentlichen Ergänzung bedürfe (s. Amm. 52), und zwar in einer. Weise,

dass wir je mach Befund unserer Quellen erst durch Algazeli eine

gemauere Eimsicht in jene arabische Zuthat erlangen. Nemlich indem

derselbe Alfarabi's Gleichniss mit dem Golde (Amm. 51) wiederholt,

bringt. er mit jenem , dortigem fünf Abstufungen der Urtheile zunächst

dem Unterschied , zwischen dem demonstrativem, dialektischen, rhetori

schen, sophistischem und poetischen Verfahren (vgl. Absehn. XI, Anm.

122 f.) in Verbindung, und zählt hierauf, jene nemlichen dreizelin Artem

von Urtheilen, welche den , Stoff der Beweisführung , bilden können,

auf *7°), um sodann dieselben höchst ausführlich in Beispielen zu er

läutern — ihre Namen sind: primae, sensibiles, eæperimentales, famosae,

quae naturaliter secum habent probationem, aestimativae, maæimae,

receptibiles, concessae, simulatoriae, maaeimae in apparentia, putabiles,

immutatoriae — *"), worauf noch die Zurückführung derselben auf

aliam viam ...... et in stabiliendo hoc processerunt duabus viis, quarum una dicitur

,,simile et contrarium“..... Alia viu ,,coniectatio“ est.

275) Albert. M. Anal. post. I, 1, 1, p. 514. B: Multa autem sunt propositionum

genera, ut dicit Algazel, in quibus nihil proæimius est syllogism0, quam necessitas

in materia propositionum; et ideo haec scientia (sc. demonstraliva) immediate post

scientiam de syllogism0 est 0rdinanda. -

276) L0g. c. 5.: Materia syllogismi sunt propositiones, quae si fuerint cre

dibiles et verae, erunt conclusiones credibiles et verae ..... Sicut aurum est materia

nummi et rotunditas forma eius, ..... similiter syllogismus est vitiosus aliquando

vitio formae, scilicet cum non fuerit secundum aliquam figuram praemissarum, ali

quando est vitio materiae, quamvis forma sit recta ..... Sed sicut aurum habet

quinque ordines, ..... similiter propositio habet quinque ordines; primum ordinem

habet illa, quae est vera el credibilis sine dubietate sive deceptione, et argumentatio

eae talibus composita dicitur demonstrativa ..... proæima veritati, ut difficile p0ssit

falsitas esse in illa ..., , et argumentatio eae ea vocatur dialectica; tertium habet ea,

quae opinabilis, ..... rhetorica; quartum habet propositio formata ad modum verarum

cum similalione et dolo, ..... et syllogismus, qui. fit eae ea, dicitur deceptivus , et

sophisticus; quintum habet propositio, quae scitur esse falsa ...... 0pus autem,

de his propositionibus, latius disseram. 0mnis igitur propositio, eæ qua componitur

argumenlatio, quae propositio nondum stabilita est ratione, ...... dividitur, in tre

decim partes, scilicet in primas, sensibiles, eæperimentales, famosas, propositionem,

quarum medium terminum el probationem intelligere in promplu est, et in aestimativas,

maacimas, receplibiles, concessas, simulatorias, eas quae videntur maæimae, et pula

biles et immutatorias.

277) Ebend.: Primae sunt, quas per se necesse est naturaliter intelleclui cre

dere, ut haec ,,duo sunt plus, quam unum** ...... Sensibiles sunt, ut haec ,, sol

est lucidus'* ..... Ea perimentales sunt propositiones, quas acquirimus in sensu et

inlellectu, ut haec, quod scimus, quod ignis adurit...... Famosae sunt, sicut quas

XVI. Algazeli. 371

obige fünf Verfahrungsweisen (facultates) folgt, insoferne die ersten

fünf der Demonstration, die 7. und 9. der Dialektik, die 6., 8. und 11.

der Rhetorik, die. 10. und. 12. der Sophistik, und , die 13., der Poetik

zugewiesem werden *"*). - Wenn aber , hierauf unter der Ueberschrift

,,De fallaciis“ sich eine Aufzählung möglicher Fehler der Beweisführung

abreiht, so ist hiedurch ebensowenig der Inhalt der Soph. Elenchi be

rührt, als etwa in das Worhergehende die Topik verflochten wäre, son

dern das Ganze enthält nur in der Angabe von zehn Punkten eine zer

splitterte Wiederholung dessen, was Aristoteles noch in der erstem

Analytik bezüglich der Wahrheit des Erschliessbaren. (Abschn. IV, Anm.

611—614), sowie. über das Erschleichen des Ausgangspunktes (ebend.

•; .

vulgo dicente didicimus, sicut haec, quod Aegyptus est, quamvis nunquam vidimus.

- - - - - Propositiones vero, quae sequuntur, habent probationem suam naturaliter, sunt

illae, quibus , non acquiescit animus nisi per medium terminum ........ 0pinabiles

sunt pr0p0sitiones falsae, quae ita fiace adhaeserunt in animo, ut nemo possit dubi

tare, de his, quae contingunt eæ actione aestimationis in ea, quae sunt praeter

sensibilia ..... Manifestae sunt propositiones, quae non recipiunlur nisi in quantum

sunt manifestae, et putat vulgus et simplices • doctores, esse primas comitantes in

tellectus naturam, ut haec ,,mendacium est turpe'' (demnach ist, was oben aesti

maliva genannt war, hier in opinabilis und manifesta zerlegt) ...... Malvinae

autem differunt secundum maiorem et minorem evidentiam sui et secundum diversi

tates usus et modorum et terrarum et artificum ...... Receptibiles sunt illae, quae

habentur a sanctis hominibus vel a maioribus sapientum ..... . Concessae sunt, quas

concessit adversarius vel sunt manifestae inter ambos tantum ...... Simulatoriae sunt,

quas studet homo assimilare primis vel eæperimentalibus vel maæimis .... Maximae

in apparentia sunt, quas qui audit statim recipit in principio, sed cum diligenter

attendit, audit, non esse recipiendas ..... Putabiles sunt, quae faciunt putare ali

quid, quamvis, animus percipiat, posse esse eius oppositum, sicut ,,qui nocte ambu

lat, malefactor est“ ..... Imaginariae vel transformatoriae vel immutatoriae sunt,

quas scimus esse falsas, sed imprimuntur in animo vel appetenda vel respuenda,

sicut ,,mel videlur esse stercus**.

278) C. 6.: De acceptione propositionum in facultalibus. Quinque primae spe

cies, scilicet primae, sensibiles, eæperimentales, famosae et quae secum habent natu

raliter probationem (der Text gibt propositionem) suam, congruunt argumentationibus

demonstrativis; ulilitas aulem demonstrationis est manifestatio veritatis et acquisitio

certitudinis. Maaeimae vero et concessae aptae sunt argumentationibus dialecticis;

..... utilitas autem dialecticae multipleæ est; prima est, convincere praesumptuosum

et iactantem se scire, quae nescit;..... secunda est, ut cum voluerimus docere illum

aliquam scientiam veram, .... nec sit contentus orulione rhetorica, .... nec tamen

ascendit adhuc ad gradum superiorem veritatis .....; tertia est, quod introducendi

in singulis arlibus .... n0n p0ssunt prius addiscere principia artis .....; quarta est,

quod natura dialecticae argumentationis est, posse concludere duas eætremitates con

tradictionis in quaestione, quod cum fecerit et consideraverit locum erroris, aliquando

manifestabitur ei veritas ..... Putabiles autem et simulatoriae pr0p0sitiones sunt

aptae argumentationi sophisticae, nec prosunt alio modo nisi ut sciantur ad cavendum

eas, .... et aliquando tentamus per eas inlellectum .... et vocabitur argumentatio

tentativa, aliquando vero inducemus eas ad inferendum sibi verecundiam, qui simulat

vulgo se sapientem esse .... et tunc vocabitur argumentatio decepliva ....... Maacimae

vero in apparentia et putabiles (wie sich von selbst versteht, ist hiefür opinabiles

oder aestimativae zu lesen) et receptibiles aptae sunt fieri argumentationis proposi

tiones rhetoricae et legalis ..... ; utilitas autem rhetoricae manifesla est, flectere sci

licet animos ...... Transformatoriae autem sunt propositiones argumentationis poeticae

- - - - - - - Eae his autem omnibus negoliis nihil est opus cognoscere nisi demonstratirum

ad inquirendum et sophisticum ad cavendum; intentio nostra erit admodo loqui de

his duobus.

24*

372 XVI. Algazeli.

Amm. 628), über den Cirkel-Beweis (ebend. Anm. 615), und über die

Stufe des blossen Meinens (ebend. Anm. 634) entwickelt hatte *"°).

Erst nun aber nach dieser ganzen Digression betreffs des Stoffes,

welche offenbar aus Alfarabi entnommen ist, kömmut Algazeli auf die

materia quinta der Logik, d. h. auf die aristotelische zweite An a

lyti k selbst, wobei er vorerst die Frage des ,,0b** betreffs der Exi

stenz selbst oder eines blossen Zustandes, und die Frage des „Was“

mach Seite der Namenserklärung und der Wesens-Definition, und die Frage

des „Wie beschaffen“ bezüglich des artmachenden Unterschiedes, und

die Frage des ,,Warum“ im Sinne des Realgrundes und auch des Er

kenntnissgrundes bespricht*°°), und sodann in seiner Manier des Ab

theilens als zweiten Punkt den Unterschied der „demonstratio quia“

und der „demonstratio quare“ (vgl. Anm. 62 u. 226) erörtert ***); hier

auf folgt als dritter Gesichtspunkt ein Excerpt aus den Angaben des

Aristoteles über das Zustandekommem des apodeiktischen Wissens (s.

Abschn. IV, Anm. 184 ff.) bezüglich der den Einzel-Wissenschaften eigen

thümlichen Gegenstände und desjenigen, was denselben wesentlich zu

kömmt, sowie der wissenschaftlichen Fragen und der obersten Princi

pien, welch letztere auch Algazeli im Sinne mathematischer Axiome

279) C. 7.: De fallaciis. Nunc autem ostendemus species erroris ad cavendum

eas, quae sunt decem. Prima est, quod disputationes saepe fiunt confusae .....,

unde 0p0rtet, .... ut scias, si est syllogismus annon ..... et `cuius figurae et cuius

fm0di ..... Secunda, ut diligenter observes medium terminum ..... Tertia est, ut

diligenler observes, ne inter utrumque terminum, maiorem scilicet et minorem, et

eaetremitates conclusionis sit aliqua diversilas ..... Quarta est, ut observes duos vel

tres terminos et duas eaetremitates conclusionis, ne sit in eis aequivocum ......

Quinta est, ut observes copulationem et nomina ...... Seacta est, ut non recipias

indefinitas ...... Septima est, quia aliquando credes propositionem in syllogismo eo,

quod, quodcunque quaesiveras, eius conlradictorium in intellectu tuo non invenis,

sed hoc non facit necessitatem credendi ..... 0ctava est, ut quaestio non fiat pr0p0

sitio in syllogismo ...... Nona est, ut non probetur aliquid per id, quod non pro

batur nisi per ipsum ...... Decima est, ut fugias propositiones putabiles maarimas

et simulatorias, nec credas nisi primas et sensibiles et alias, quae cum eis sunt.

280) C. 8.: De demonstratione. Materia quinta est de his, quae sequuntur

librum argumentationis de Analecticis (vgl. Abschn. XIII, Anm. 288. u. Abschn. XIV,

Anm. 23.) posterioribus, in qua est utilitas demonstrationis. Haec dividitur in

quatuor species. Prima species est de quaestionibus disciplinabilibus et eorum. parti

bus, scilicet de quatuor quaestionibus, quae versantur in scientiis, quarum prima

est ,,an est*', ..... secunda est ,,quid est“, ..... tertia est ,,quale est*', ..... quarta

est ,,quare est“. Inlerrogatio vero ,,an est** fit duobus modis, uno quo quaeritur,

an res habeat esse, .... secundo, cum quaeritur dispositio rei, ut .... an mundus

coepit. Interrogatio vero ,,quid est** similiter duobus modis fit, uno cum quaeritur

de interpretatione nominis, ..... alio modo quaeritur veritas rei in se; ..... interro

9atio vero ,,quid est** secundum primum modum praecedit interrogationem „an est“.

...... Interrogatio vero ,,quale** quaerit de differentia vel de proprio. Interrogatio

vero ,,quare est** fit duobus modis, uno quaeritur causa esse rei, ...... alio quaeritur

causa scientiae ....... Interrogatio vero „quid est“ et „quale est“ pertinet ad ima

ginationem, sed interrogatio ,,an est“ et ,,quare est** pertinet ad credulitatem.

281) Ebend.: Secunda eius species est de syllogismo demonstrativo; syllogismus

demonslralivus dividitur in eum, quo acquiritur causa esse conclusionis, et in eum,

quo acquirilur fides eius, quod est esse; primus vocatur ,,demonstratio, quare est“,

secundus vocatur ,,demonstratio quia est“..... Demonstratio est de „quare“, quando

nedius terminus causa est inveniendi minorem et. maiorem terminum.

XVI.. Avempace. 873

(vgl. Anm. 60) aufgefasst zu haben scheint***). Endlich als vierter

und letzter Punkt begegnet uns hier die Erörterung über das aristote

lische καδόλον und xαδ' αὐτό, welche bei Alfarabi und Avicenna (vgl.

Anm. 57 u. 224) zu den Untersuehungen über das praedicatum primum

geführt hatte, hier aber in ziemlich sehulmässiger Formulirung und mit

starker Betonung der Bedeutung des Prädicates auftritt ?°°).

So beschränkt sich Algazeli wenigstens in seinem uns zugänglichen

Compendium auf den Umkreis. der Apodeiktik , ohne die Topik oder

Sophistik beizuziehen ; es dürfte aber aueh dieses mit seiner skeptischen

Tendenz übereinstimmen, da er bei Bekämpfung des eigentlich wissen

schaftlichen Verfahrens das dialektische Gebiet der blossen Probahilität

völlig ignorirem konnte. -

Ueber Ave m p a c e (Abu-Bekr - Mohammed - Ben-Jahya- Ibn-Badscha,

gest. 1138) können wir hier nur äusserst Weniges berichten. Seim

Einfluss , auf das Mittelalter liegt hauptsächlich in seinen Bearbeitungen

der physikalischen Schriften des Aristoteles oder mittelbar durch Aver

roes in der Entwicklung der Erkenntnisslehre, welch beiderseitige Thä

tigkeit uns hier nicht berührt. Und wenn derselbe sich aueh mit dem

Umkreise der Logik im engerem Sinne beschäftigte ***), so seheinen

von dergleichen Schriften desselben dem Mittelalter durchaus keine

Uebersetzungen vorgelegen zu sein, und auch wir finden ihm nur ein

paar Mal gelegentlich erwähnt, memlich in der ohen, Anm. 58, ange

führtem Stelle bezüglich jener principiellem Frage über die doppelle

282) Ebend.: Tertia species est de his, in quibus potius continentur scientiae

demonstrativae, et haec sunt quatuor, seilicet subiecta, accidentia essentialia, quae

stiones, principia. Per primum quidem, quod est subiectum, intelligitur, quod omnis

scientia subiectum habet sine dubio, de qu0 tractat ...... , speculator ergo cuiuslibet

scientiae non debet probare in sua scientia suum subiectum ...... Per secundum

autem, quod est accidentia essentialia, intelliguntur proprietates accidentales illi sub

iecto tantum et non alii; ...... necesse est autem in principiis cuiuslibet scienliae

intelligere haec accidentia essentialia cum suis diffinitionibus secundum imaginationem,

sed hoc evistere in suis subiectis non cognoscitur, nisi eæ comprehensione vel com

pleacione totius scientiae ...... Per tertium autem, quod est quaestiones, inquirimus

cohaerentiam ipsorum accidentium essentialium cum suis subiectis; et hoc, quod est,

petitur in omni scientia ; .... secundum vero quod interrogatur de eis in ea, nomi

nantur in ea quaestiones huius , vel illius scientiae, sed secundum quod petuntur,

dicuntur petitiones, secundum ver0 quod concluduntur in demonstrationibus, dicuntur

conclusiones; in quibus omnibus nominatum est, unum, sed variantur nomina ....... -

Ipsa vero principia non probantur in ipsa arte, sed vel sunt prima et vocantur per

se nota, ut h0c, quod dicitur in principio Euclidis, ...... vel non sunt prima, sed

sunt recipienda a magistro.

283) Ebend.: Species quarta est de omnibus conditionibus propositionum de

monstrationis, quae quatuor sunt, scilicet qu0d sunt verae et necessariae et propriae

et essentiales ...... Essentiale enim hic accipitur duobus modis, uno ut praedicatum

intret diffinitionem subiecti, .... secundo ut subiectum intret diffinitionem praedicali.

- • • • • .. Essentiale autem secundum primum m0dum supervacuum est ...... Prior est

cognitio praedicati cognitione subiecti ...... Quisquis enim intelligit triangulum cum

diffinitione sua secundum imaginationem, non inquiret ea, quae praedicantur de eo ;

postea autem potest quaerere, si omnes eius , anguli sunt aequales duobus rectis;

quaerere autem, an sit figura vel non, supervacuum est. -

284) Munck, Dictionn. III, p. 154. berichtet, dass logische Tractate des Avem

pace sich im Escurial befindem. -

374 - XVI. Averroes.

Funetion der Demonstratiom, sodann wieder bei- den Brörterumgen über

praedicatum primum *°°), und einmal in der Sophistik ***), — ledigliehe

Einzelheitem, aus , welchen wir, wie sich von selbst versteht, njchts

Näheres entnehmen können.

Einen gewissen Abschluss aber erhielt die arabische Philosophie

überhaupt, wie bekannt, dureh A v e r r o e s (Abul-Walid-Mohammed

Ibn-Achmed-Ibn-Roschd, gest. 1 198), dessem commentirende Thätigkeit

die sämmtlichen Werke des Aristoteles umfasste **"). Er stand hiebei

allerdings nur , auf dem Boden seiner arabischem Vorgänger, denn er

selbst verstand weder grieehisch noch syrisch, aber mit peniblem, ja

fast bornirtem Fleisse nahm er in stets ' wiederholtem Ueberarbeitingen

den gleichen Gegenstand vor, und so verfasste er auch zu jenem Zweige

der Philosophie, welehen wir hier. zu besprechen habem, nemlich zum

0rganon, dreierlei Commentare, unter welehen die einfachsten blosse

Paraphrasen waren, zu welchen ebendeshalb noch sog. „mittlere“ und

zuletzt sog. „grosse“ Commentare kamen. Indem wir unserer Aufgabe

gemäss von anderen Schriften des Averroes, welehe dem Mittelalter

bekannt waren , absehem, wie naméiitlich von der „Destruetio destruc

tionis“ (gegen Algazeli) und von seiner Darstellung der Erkenntnisslehre

(Epist. de conneae. intellectus abstr. cum homine, worauf der Monopsy

chismus der Averroistem in 0beritaliem wurzelt), müssem wir erwähnem,

dass die Scholastiker sämmtliche drei Artem der Commentare zur zweiten

Analytik, zu den übrigem Büchern des 0rganons aber (mit Einschluss

der Rhetorik und Poetik, vgl. oben Anm. 18) nur die Paraphrasen und

die mittleren Commentare kannten, wozu noch eine „Epitome“ des

Organons und „Quaesita in libros log. Arist.“ kommen *°°); die beiden

letztgenannten Schriften jedoch scheinen sicher mit Unrecht für Werke

des Averroes gehalten worden zu sein, denn sowie die Quaesita durch

formelle Momente einen sehr gegründeten Werdacht erregen *°°), so

liegt die Epitome im Inhalte in Widerspruch mit den ächten Sehriften

des Averroes *°°).

285) Ps.-Arerr. Quaes. in Poster. Resolut. f. 373. r. B (vgl. Anm. 57. u. 224.).

286) Ps.-Averr. Epitome, f. 352. r. B.

287) S. über denselben Munck, Dictionn. III, p. 157 ff. und vor Allem E.

Reman, Averroes et l'Averroisme. Paris 1852. 8.

288) Die dem Mittelalter zugänglichen Schriften des Averroes sind in mehreren

alterem Ausgabem der lateinischen Uebersetzung des Aristoteles gedruckt; ich citire,

wie bemerkt (Amm. 11.), mach der Wenetiamer v. 1552, fol.

289) Es mag allerdings als misslich erscheinem, wenn ich ohne weitere Kennt

niss der arabischen Originale lediglich aus ' den lateinischen Uebersetzungen ein

derartiges Urtheil falle, und ich darf aus diesem Grunde wohl kein grosses Ge

wicht auf jenen Unterschied des Stiles und der Behandlungsweise legen, welcher

zwischen den Quaesita und anderem unzweifelhaftem Schriften des Averroes zu be

stehen scheint, obwohl ich überzeugt bim, dass jeder aufmerksame Leser sofort

den gleichen Eindruck empfangen würde. Hingegen won entscheidenderera Belange

dürfte es sein, dass der Werfasser der Quaesita seinem Tadel gegen Andere in sehr

verallgemeinertem und fast schmähenden Ausdrücken ausspricht, ein Ton , welchen

Averroes bei aller Meinungswerschiedenheit nie einschlägt. Belege hiefür finden

sich in obigen Anm. 11. 55. u. 70. - -

290) Nemlich abgesehen von einer abweichenden Terminologie,* für welche

XVI. Averroes. 375

Die Leistungen des Averroes auf dem hieher' gehörigen Gebietè ent

haltem an sich durchaus Nichts, was ihm • selbst eigenthümlich wäre,

sondern er ist lediglich Gommentator des Aristoteles, dessen riehtiges

und klares Werständniss er dem Leser ohne irgend welche Abweichungem

'zugänglich machen will. Daher wir gera de mach jener Seite hin, in

welcher sein verdienstlicher Einfluss auf das lateinische Abendland liegt,

uns über ihn am kürzestem fassen können und müssem; denm es dürfte *

in der That fast genügen, wenn wir kurzweg im Allgemeinen über ihn

sagem, dass er ein fleissiger und getreuer Erklärer des Aristoteles war,

und es gilt dieses vollständig auch bezüglich der Metaphysik, welehe

die Lateiner gleichzeitig im aristotelischen Texte und in der erläuternden

Darstellung des Averroes erhielten, so dass es eine umnöthige Verdopp

lung wäre, wenn wir bei jenem Erörterungen der Metaphysik, welche

(z. B. betreffs des Werwirklichungs-Processes des Artbegriffes oder der

individuellen Substanz) im die Logik hinüberspielem, die Angabem des

Averroes besonders anführen wollten, da ja- dieselben mur in exegeti

scher Form das Nemliche darbietem, was zugleich aus Aristoteles selbst

zu schöpfen war. Ein äusserliches Moment aber fällt dem Leser der

Commentare des Averroes sofort in die Augem, memlich das fortgesetzte

Bemühen, jedem Stoff zur leichterem Uebersicht in Abtheilungen : und

Unter-Abtheilungen mit ausdrücklicher Numerirung zu gliedern *°4), und

wir können aueh bemerken, dass hierin Averroes einen äusserem Ein

fluss auf die Lectüre der aristotelischen Schriften ausübte, welcher sich

bis in das 16. Jahrhundert erstreckt ?9?).

Indem sich Averroes bezüglich der Frage, wie sich die Logik zu

den übrigen Wissenschaften verhalte, , an eine viellesprochene aristote

lische Stelle (Abschn. IV, Anm. 177) anschliesst, wornach die logische

Disciplinirung des Denkens vorantreten soll *°°), sucht er, wie gesagt,

sicher nicht der Uebersetzer verantwortlich gemacht werden kann (Amm. 346.),

widerstreitet den ausdrücklichen Angaben des Averroes nicht bloss die ganze Ein

theilung des Stoffes (Amm. 348.), sonderm auch im Einzelnen die Beurtheilung der

Isagoge (Aom. 350 f.), sowie insbesondere die der Dialektik angewiesene Stelle

(Anm. 372.). Hiernäch mnss unsere Ueberzeugung auch dahin gehen , dass wir

die von Levi Gerson (f. 7. r. B, s. unten Anm. 413.) erwähnte Summula logicalis

des Averroes in jener Epitome nicht besitzen. Dass aber hinwiederum aueh nicht

die Quaesita und die Epitome Produkte Eines und des nemlichen • Autors sein

• können, zeigt die Vergleichung obiger Anm. 54. u. 55., woselbst uns beide unbe

kannte Werfasser als Berichterstatter über den memlichen Gegenstand dienten.

291) So werden z. B. (f. 15. r. A) die Kategorien im 6 partes, und dann

die Substanz in 14 particulas, die Quantität (f. 17. v. B) in 7, die Relation (f.

20. r. A) in 8, die Qualität (f. 22. v. B) in 11, die Gegensätze (f. 22. r. A) in

11 particulas abgetheilt, und jedesmal geht die vorläufige Aufzählung dieser Ab

theilumgen , dem Delail-Commentare voraus, welcher dann wieder die Numerirung

stets im Auge behält.

292) Nemlich nicht bloss durch Franc. Patricius, Discuss. Peripat. I, f. 98,

ist nns bezeugt, dass die Aristoteliker in Oberitalien jene von Averroes durchge

führten Abtheilungen recipirten, sondern es weist auch die in den älterem Drucken

der aristotelischen Werke (auch , Metaph. u. De anima) übliche Eintheilung in Ca

pitel und Paragraphen auf die nemliche Quelle zurück. *.

293) Albert. M. De praedicab. I, 1, p. 1. B: Et Aristoteles ..... et similiter

Averroes , dicunt, omnis scientiae modum esse ipsam scientiam, quae est et vocatur

376 XVI. Averroes.

das Werständniss des 0rganoms durch seine Commentare zu erleichtern.

Aber schon bei .dem ersten recipirten Theile desselben, memlich bei der

Isagoge des Porphyrius, zeigt er sich uns als jenem strengen und reinem

Aristoteliker, welcher er überall ist; denn er will das Büchlein des

Porphyrius lediglich darum besprechem, weil er hiezu im Hinblicke auf

die einmal bestehende Gewohnheit von wissenschaftlichen Freunden

gedrängt worden war, währemd er selbst die entschiedene Ueberzeugung

hegt, dass die Isagoge gar nicht zum 0rganon gehöre, indem ihr auf

die Definition bezüglicher Inhalt weder unter das demonstrative noch

unter das rhetorisch-topische Werfahren untergebracht werden könne,

sondern nur den Sprach-Ausdruck der fünf Worte betreffe, abgesehen

davon, dass sie überhaupt keiner weiteren Werdeutlichung bedürfe *°*).

Und da somit Averroes gleichsam widerwillig an diesen Theil seines

Commentares geht, so beschränkt er sich auch auf das bei Porphyrius

Angegebene und lässt jede anderweitige oder tiefere Frage bei Seite.

So gibt er sowohl über dem Gattungsbegriff ?°°) als auch bezüglich der

Relativität der Definitionen des Gattungs- und des Art-Begriffes (vgl.

Anm. 113) und über die doppelte Definition des letzteren (Anm. 119)

nur karge Referate, ohne in die dargebotene Polemik einzugehen *°°),

während er allerdings bei Erklärung der Metaphysik sich für die engere

Definition der species specialissima entschied 3°"). Er lenkt daher schnell

auf die Tabula logica des Porphyrius ein *°°), wobei er die Definition

logica, et quod non simul addisci potest scientia et scientiae modus, sed oportet

prius discere modum et deinde per modum iam perfecte apprehensum addiscere ten

tare scientiam.

294) Ad Porph. f. 1. r. A: Propositum huius tractatus est, eaeponere ea, quae

in introductorio ad scientiam logicam libro Porphyrii continentur, propterea quia

iam adolevit consuetudo, ut initium librorum logicalium ab ipso sumatur. Ebend.

am Schlusse f. 10. r. B: Et hic ezpliciunt ea, quae in hoc introductorio continen

tur; instigatus aulem a quibusdam sociis nostris eruditis ac de hoc negotio diligen

tibus de secta Murgitana, quorum deus misereatur, ut ea ea ponerem, ea eæposui;

alias enim ego abstinuissem ab huiusmodi eæpositione propter duo; primum , quidem,

quoniam non video, hoc introductorium esse necessarium pro initio sumendo in hac

arte, nam id, quod in eo dicitur , non potest esse sub ratione illius partis , quae

est communis huuc arti, ut aliqui sunt opinali; nam id, quod in eo dicitur de defi

nitionibus harum rerum, si esset demonstrativi generis, tunc esset pars libri Demon

strationis, et si esset generis probabilis, tunc esset pars libri Topicorum ; sed Por

phyrius fecit mentionem de his rebus, prout sunt eæpositiones eorum, quae significant

illa n01nina; ...... secunda vero causa erat, quia verba huius viri sunt per se

manifesta in hoc introductorio.

295) Ebend. f. 2. r. B.

296) Ebend. f. 3. v. B.

297) Albert. M. De praedicab. V, 6, p. 63. B: Aristoteles in septimo primae

philosophiae et ibidem Averroes in commentario (f. 92. v. A) eaepresse dicunt et

probant, quod ultima differentia cuiuslibet speciei constitutiva convertibilis est cum

ea ita, quod non convenit eam nisi de illa specie praedicari, .... non ergo praedi

catur de pluribus differentibus specie, ut videtur ...... Hoc autem dicit Averroes

dicens, quod omnia intermedia inter genus et ultimam differentiam circumlocutio sunt

pro vimi generis, qua circumlocutione non opus esset, si nomina proæimorum generum

haberemus.

298) Ad Porph. f. 4, r. A, woselbst sowohl die Angaben über ,,ens'* (s.

Anm. 32) als auch (f. 4. r. B) die sog. regula de quocunque (Anm. 192.) siéh

XVI. Averroes. • 377

des Individuums etwas stärker hervorhebt?°°), aber- damn wieder völlig

in der üblichen Weise die Einlheilung der Differenz anwendet 3°°),

wobei ihm jedoch sein ächter Aristotelismus ebensosehr wie den Avi

cenna (Amm. 166) daran hindert, Gattungs- und Art-Begriff direct mit

Stoff und Form , zu identificiren 301). Bezüglich des eigenthümlichen

Merkmales °°°) verfährt er ebenso wie beim Accidens schlechthin nur

referirend °"°), und das Gleiche gilt betreffs der üblichen Zusainmen

stellung der Werwandtschafts- und Unterschieds-Punkte der fünf Univer

salien *°*); ja ganz gelegentlich lässt er ebendort seine principielle Auf

fassung der Universalien durchblicken, insoferne er sich, ohne auf die

Frage näher einzugehen, bei einem einzelnen Punkte gegen die Plato

niker erklärt 308).

Der Commentar zu den Kategorien, welcher sich durchweg nur

als eine eintheilende Paraphrase zeigt, bietet nichts Bemerkenswerthes

dar; höchstens mag erwähnt werden, dass bei Erklärung der Stelle

über „de subiecto“ und „in subiecto“ durch Averroes eine versinmlichende

finden; auch der schon oben (Anm. 117. u. 134.) erwähnte Gegenstand theologi

scher Bedenken fehlt nicht. -

299) Ebend. f. 4. r. B: Hoc autem, quod Porphyrius dicit, est verum de in

dividuis accidentium, nam individua substantiae de nulla praedicantur re secundum

usum naturae, et ideo vera descriptio individuorum est, quod individuum est id,

quod non praedicatur de pluribus , non id quod praedicatur de uno, ut ipse de

scripsit.

300) Ebend. f. 5. v. B: Genus supremum habet differentias dividentes ipsum,

sed non habet differentiam, quae ipsum constituat ..... Species vero ultima habet

differentiam constitutivam , sed non divisivam.

301) Ebend. f. 6. r. A und Albert. M. a. a. 0. V, 4, p. 60. A: Ut dicit Aver

roes in commento primae philosophiae (Metaph. I, 17, f. 7. v. B), genus non est

materia, sed forma generalis et confusa et indistincta et diffusa in materia non

determinata per formam, quam diffusam formam et confusam vocant quidam formae

inchoationem.

302) Ebend. f. 6. v. B. -

303) Ebend. f. 7. r. A: Definiunt insuper ipsum accidens sic : accidens est,

quod potest inesse uni et eidem rei et non inesse, vel : quod non est genus nec

differentia : nec species nec proprium et quod semper sit in subiecto. Prima ergo defi

nitio amplectitur accidens separabile et inseparabile , secunda vero separabile tantum

continet accidens. Eine anderweitige Notiz jedoch s. umten Anm. 413.

304) Ebend. f. 9 f. -

305) Ebend. f. 9. v. B: Et hoc quod dicit Porphyrius, est verum iurta sen

tentiam ponentium ideas, h0c est, si dantur genera et species eætra intellectum.

378 : XVI. Averroes.

Figur üblich wurde °°°), denn in allem Uebrigen finden wir mur die

allgemein recipirten Angabem; selbst bei Besprechumg der Bewegung

lässt Averroes die Frage, unter welche Kategorie dieselbe , falle, bei

Seite liegen *"'). Auch die Erörterung über die vier Arten des Gegen

satzes verweilt in einer blossen Paraphrase, und nur bei anderen Ge

legenheiten spricht er seine Ansicht aus, dass alle Gegensätzlichkeit

ursprünglich auf Anschauungen des örtlichem Abstandes beruhe °"°).

Bezüglich der Lehre vom Urtheile kann hervorgehoben werden,

dass dem Lateinern aus einer anderweitigen Stelle des Averroes die

Eintlieilung der Redetheile in Substantivum, Verbum und syncategoreu

mata (s. Abschn. XIV, Amm. 174, 206, 348 und Abschn. XV, Anm. 9

u. bes. Anm. 106) vorgeführt wurde *"'), sowie dass aus dem Com

mentare zum Buche De interpr. sich eine Bemerkung über das arabische

Verbum einbürgerte *'"). Auch hielt Averroes ebenso wie Avicenna

(Amm. 215) das conditionale Urtheil für ein durch den innerem Nexus

einheitliches, fügte aber, ohne das disjunctive oder das copulative Ur

306) Praedicam. f. 12. v. B, woselbst die betreffenden Lehrsätze folgender

maassen in eine Figur zusammengestellt sind:

Substantia inconsistens Accidens

§- 3

• 2 \.

s. %. o$ $

§. • . VS .Se

se 23, §* *§

<> “& ^» «•

S. %, <s

S* <22, J* .§

s: e vo •-.

s* <* «vo

~e 2> &

& *. §

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§* § 22, $

.;§ <*>

3 § %. se

ę <s

S. § <22, se

es K

se. §. «2. <s

c. NS %»; *

s 3. .•

§ N® 2. 3S

-S $

3. -§

Universale inconsistens - Particulare

307) Ebend. f. 30. r. B.

308) Albert. M. De praedicam. III, 12, p. 138. A: Averroes in duobus locis,

scilicet super physicam (V, 99.) et super primam philosophiam (Melaph. I, 45, f. 12.

v. B) dicit, ad contrariorum diffinitionem ab his, quae in loco sunt contraria, di

stantiam esse transsumptam.

309) Topic. f. 256. r. A : Aristoteles in libro Perihermenias distinguit res ratione

dictionum, quando illas distinguit in nomen, verbum et dictionem syncategorematicam.

D. h. der Gebrauch dieses technischen Ausdruckes fällt auf Rechnung des jüdischen

Uehersetzers Abraham (s. Renan, Averr. et. l'Averroisme , p. 150.), welcher irgend

woher die hiezu erforderliche Kenntniss besessen haben muss; hingegen Mantini

wählt in seiner Uebersetzung das Wort ,,consignificantia“.

310) De interpr. f. 36. r. B: Apud Arabes praesens et futurum tempus confun

duntur; .... in lingua Arabica non datur propria nota temporis praesentis, sed est

communis nota tam praesenti quam futuro.

XVI. Averroes. 379

theil zu erwähnem, die Bemerkung hinzu, dass zwei kategorisehe Ur.

theile durch die syllogistisehe Werknüpfung zu Einem Urtheile werdem 811).

Bei der näherem Erörterung des kategorischen Urtheiles fimden wir die

Bezeichnung ,,duales“ und „ternales“, je nachdem ein Urtheil bloss aus

Substantivum und Verbum oder aus Subject, Prädicat und Copula be

stehe *!*), sowie die Wiederholung einer von Alfarabi (Amm. 41) ge

machten Bemerkung *!*) und abermals (vgl. Anm. 40) die Besprechung

jenes aristotelisehen Beispieles, in welchem der Satz ein nicht existiren

des Subject betrifft 314). Die Bemerkungen über das modale Urtheil

und insbesondere über die Stellung der Negation in demselben gehen

nicht über den Wortlaut des aristotelischen Textes hinaus 31°), und die

Erörterung über die Schwierigkeiten, welche das letzte Capitel des

Buches darbietet (Abschn. IV, Anm. 286 ff.), müssen wir sogar direct

als schwach und ungenügend bezeichnen ° 1°).

Am Eingange der ersten Analytik stellt Averroes bereits jene Zwei

theilumg nach Form und Stoff an die Spitze, welche wir bei Alfarabi

(Anm. 51) und bei Algazeli (Anm. 265) bezüglich des Verhältnisses

beider Analytiken trafen, und es knüpft sich ihm hieram die Unter

scheidung des demonstrativen und des dialektischen Urtheiles *'"), sowie

die Bemerkung, dass das im Syllogismus liegende Motiv der Form im

Vergleiche mit dem Inhalte der Beweisführung das allgemeinere sei***).

Abgesehen von der durch die Uebersetzung dargebotenen Terminologie

„propositio absoluta* für das übliche „propositio de inesse“°'°) ist zu

erwähnem, dass Averroes bei den kategorischen Syllogismen sich gleich

falls (wie Algazeli, Anm. 268) auf den Standpunkt (ler möglichen Com

311) Ebend. f. 37. r. B: Conditionales sunt una eæ coniunctione, quae est

signum conditionis, ut cum dicimus ,, si est supra terram sol, dies est**; ..... prae

dicativae vero orationes sunt quidem una per coniunctionem, quae est terminus me

dius, ut cum dicimus ,,homo est animal et animal est corpus**.

312) Ebend. f. 43. r. B: Vocantur autem illae, quarum praedicatum est ver

bum, duales, quia constant subiecto et praedicato tantum, et illae , quarum prae

dicatum est nomen, dicuntur ternales, quia constant subiecto et verbo copulanle et

praedicato.

313) Ebend. f. 46. v. B: Constat ergo, quod non omne id, quod verificatur

divisim, oporteat ipsum verificari coniunctim.

314) Ebend. f. 47. r. A.

315) Ebend. f. 48. v. B.

316) Ebend. f. 52. r. A.

317) Prior. Resolut. f. 54. r. A: Hae divisiones (d. h. in allg. bej., allg.

vern. u. s. f. Urtheile) sunt propositiones eæ parte formae , h. e. divisiones utiles

ad cognitionem syllogismi simpliciter. Divisiones vero eæ parte materiae sunt, quo

niam ipsius alia est demonstrativa alia dialectica ac reliquae, in quas partitur se

cundum artium sermocinalium materias ...... Ac propositio quidem demonstrativa

et dialectica re a se invicem differunt, .... quod demonstrativa propositio altera est

contradictionis pars et ea quidem vera, dialectica vero esse potest utralibet eæ par

tibus contradictionis ..... Erit itaque propositio syllogistica veluti genus demonstra

livae ac dialecticae.

318) Ebend. f. 56. v. B: 0portet sermonem de syllogismo praecedere sermonem

de demonstratione; syllogismus namque universalior est demonstratione, omnis enim

demonstratio syllogismus et non est omnis syllogismus demonstratio. Vgl. Anm. 333.

319) Ebend. f. 54. v. A ff.

380 XVI. • Averroes.

bimationem der Urtheile stellt, um damn die , syllogistisch untauglichen

auszuscheiden, dabei aber durch ein anderes Verfahren auf • 36 Combi

nationen kömmt **"), sowie dass er völlig richtig und in ächt aristote

lischem Sinne die fünf theophrastischen Schlussweisen der ersten Figur

als unnatürliche abweist **'). Und sowie- er dieselben durchaus saeh

gemäss, mit der sog. Galenischen vierten Schlussfigur in Verbindung

hringt, so müssen wir hier daran erinnern, dass er hetreffs dieser an

geblichen Erfindung des Galenus uns schon oben (Abschn. IX, Anm. 99)

als hauptsächliche Quelle diente, und es bleibt uns mur die Bemerkung

übrig, dass Averroes in sehr vernünftiger Weise und in aristotelischem

Geiste die Berechtigung der vierten Figur überhaupt bestreitet ***). Mit

320) Ebend. f. 56. v. B: Quoniam igitur omnes duae propositiones aut sic se

habent, quod ambae sunt universales aut particulares aut indefinitae, aut una ipsa

rum universalis et altera in parte, aut una ipsarum universalis et altera indefinita,

aut una ipsarum indefinita et altera in parte, et unaquaeque harum trium specierum

bifariam variatur, velut sit universalis maior et particularis minor vel e converso,

et similiter üniversalis cum (der Text gibt non) indefinita ac particularis cum inde

finita, et unaquaeque harum novem specierum ita se habet secundum compositionem,

aut ut ambae simul affirmativae sint aut negativae simul, aut una ipsarum affirma

tiva et altera negativa, et hoc duobus modis, uno quod sit minor negativa et maior

affirmativa, secundo in contrarium huius , eae quo planum, si multiplicatae fuerint

illae quatuor in has novem, efficientur hac in figura (sc. prima) sea, ac triginta con

iugationes, Et Aristoteles eæponit, quae concludat quaeve non concludat. -

321) Ebend. 57. r., B: Is, qui eae binis negativis construitur in hac figura

nihil penitus concludit ..... Si vero minor in ipso eaestiterit negativa, iam eæisli

matur, qu0d concludat negativam in parle, posteaquam propositiones conversae fue

rint; atqui haec species conclusionis non est eae syllogismo, super quem cogitatio

naturaliler radil; nimirum concluderet, si in quartu figura syllogismus naturaliter

construeretur. Ebenso im Folgenden bei den übrigen theophrastischen Schluss

weisen, nemlieh insbesondere betreffs der durch Umkehrung des Schlusssatzes

gewonnenen (f. 58. r. A): Quod vero priores ea cogitaverunt, quod tres modi figurae

istius binas conclusiones colligunt, hoc est modus concludens universalem negativam

concludit eliam converlentem, et concludens particularem affirmativam consimiliter,

et concludens item universulem affirmalivam, quod videlicet isti etiam convertentes

suas concludunt, h. e. affirmativam in parte, hoc, inquam, illi asserunt, quia in

tentionem ignorant Aristotelicam; Aristoteles namque hoc loco intendit connumerare

conclusionum species, quae per se et primo in syllogismis inveniuntur naturalibus,

non autem qui sunt secundum intentionem secundam et non secundum cursum syl

logismi.

322) Ebend. f. 83. r. A: Quod autem non invenialur figura quarta, planum

eæ medio termino, qui accipitur communicare cum ambabus eætremitalibus; quemad

modum si accipiatur C communicare cum B et A, quae sunt eætremitates quaesiti,

ea, necessitate sequetur unum ea, tribus, vel ut subiectum maioris eaetremitatis sit

praedicatum minoris, quemadmodum si A praedicetur de C et 0 de B, et haec figura

prima, aut praedicetur de utrisque simul, et haec figura secunda, aut ipsis subii

ciatur, et haec figura tertia. Si vero accipiatur praedicatum maioris subiici minori,

non conveniet, propterea quod praedicatum maioris praedicatur de minore, quoniam

maior praedicatur in quaesito secundum naturam de minore, et ita erit idem praedi

catum de se ipso, qu0d fieri non potest , si interpretetur terminus medius secundum

quaesitum positum; quod si earponatur secundum participationem, concludet aliud a

quaesito, puta conversum suum, et hoc secundum modum, qui numeratur complicatio

figurae quartae, quam posuit Galenus ; atqui erit syllogismus super alio a quaesito

posito, sed in hoc non cadit cogitatio secundum naturam, neque accipitur in sermone

syllogistico neque demonstrativo neque eæistimativo. Gelegentlich der Erklärung der

XVI. Averroes. 381

der gleiehen Strenge hält er sich aueh , in anderen Fragen gegenüber

seinen Vorgängern an die Angabem des Aristoteles, und so bekämpft er

den Alfarabi (Anm. 44) bezüglich der syllogistischen Bedeutung der

Möglichkeits- und Nothwendigkeits-Urtheile ***), sowie er auch den Be

griff des Möglicheh nur nach aristotelischer Lehre fasst ***); ja in

gleicher Weise verfährt er selbst dem Theophrastus gegenüber, insoferme

derselbe (s. Abschn. V, Anm. 51) bei den aus modalen Urtheilen com

binirten Syllogismem, dem Grundsatz aufgestelli hatte, dass der Schluss

satz der schwächeren Prämisse folge °*°). Und sogar da, wo er be

züglich der aristotelischen Angabem iìber die Woraussetzungsschlüsse

(Abschn. IV, Anm. 580 ff.) sich durch die Commentatoren und den con

stanten Schulgebrauch dazu verleiten liess, in ähnlicher Weise wie

Algazeli (Anm. 269 f.) die conditionalen Schlüsse in zwei Formen und

die disjunctiven in vier Formem anzuführen **"), lenkt er ziemlich be

sonnen auf den aristotelischen Standpunkt zurück, insoferne er den

wesentlichen inneren Unterschied zwischen diesem hypothetischen und

den kategorischen Syllogismen anerkennt, dass in ersteren der Schluss

satz nicht eine eigentliehe Errungenschaft des Schliessens sei, sondern

gerade der 0bersatz zu seiner eigenem Begründung noch eines kategori

schen Schlusses bedürfe *?7). Zu jener aristotelischen Stelle aber

aristotelischem Stelle, welche in der Topik (1, 9.) das problema dialecticum be

trifft, führt Averroes diese Frage über die Zahl der Schlussfigurem als ein Bei

spiel der nützlichen Probleme an (Topic. f. 260. v. A): iuvans logicam est, ut, an

figurae categoricae sint tres aut quatuor, et an definitio acquiratur divisione aut

compositione aut demonstratione..

323) Prior. Resol. f. 65. v. B u. f. 72. v. B.

324) Ebend. f. 68. v. A. -

325) Ebend. f. 65. r. B: Theophrastus vero atque Eudemus eæ antiquis Peri

patelicis et inter posteriores Themistius , qui eos secutus est, eæistimaverunt, quod

modus conclusionis sequatur viliorem eae duobus modis , h. e. ut semper in tali com

plicatione sequatur propositionem absolutam, quoniam absoluta est vilior necessaria.

- - - - - - - Sed in hoc sermone est confusio manifesta ..., quoniam ..... modus con

clusionis sequetur modum proposilionis maioris, secundum quod eæistimavit Ari

stoleles.

326) Ebend. f. 83. r. A: Syllogismorum conditionalium duo sunl genera prima.

Unum est syllogismus coniunctus , is videlicet, qui componitur eae consequentibus et

coaptalur per notas conditionis facienles coniunclionem; ..... istius vero sunt binae

species, una, ut ponatur ipsius antecedens per se et concludatur consequens , .....

altera vero, cum ponitur in ipso oppositum consequenlis et concluditur oppositum

antecedentis ..... Sed genus secundum est conditionalis divisus; hic autem compo

nitur eæ conlradictoriis perfectae contradictionis, et coaptanlur illi notae conditionis

significantes partitionem; ...... huius autem sunt quatuor species, et hoc, quia po

nitur antecedens et concluditur oppositum consequentis, et ponitur consequens et con

cluditur 0pp0situm antecedentis, et ponitur oppositum antecedentis et concluditur

consequens, et ponitur oppositum consequentis et concluditur antecedens.

327) Ebend.: Si perscrutabimur ipsorum dispositionem, planum nobis fiet, quod

quaesitum in ipsis id est, quod monstratur per modum conditionis, sed positum est

illud, quod oportet monstrare per syllogismum praedicativum in conditionali diviso

et coniunclo, p0steaquam fuerit coniunctio et contradictio per se manifesta, et hoc,

quoniam, si fuerit coniunctio in ipsis manifesta per se et positum manifeslum per

se, erit etiam consequens manifestum per se ....... Nec dici potest, quod, quemad

modum sunt pr0p0sitiones in syllogism0 praedicativo per se notae et conclusio ignota,

382 XVI. • • Averroes.

(Abschn. IV, Anm. 588 f.), welche sieh auf die Praxis der Syllogistik

und hiemit auf die Auffindung eines passenden Mittelbegriffes bezieht,

wurde durch Averroes dem iateimischen Mittelalter eine neue veran

schauliehende Figur an die Hand gegeben ***). Eine ebenso sorgfältige

als breite Erklärung widmet er dem zweiten Buche -der ersten Analytik,

hält sich aber dabei durchaus so strenge an Aristoteles — z. B. auch

consimiliter accidat, ut res sit in syllogismo conditionali, h. e. ut sint ambae pr0

positiones per se notae , i. e. conditionalis et p0sita, et sic conclusio ignota, ......

sed propositiones in syllogismo conditionali non requiruntur ad compositionem, ut eae

ipsis sequatur id, quod sequitur. -

328) Ebend. f. 87. r. (wobei ich nur der Kürze wegen , die Bezeichmung der

Schlussmodi wie in Abschn. IV, Anm. 588 f. wähle):

XVI. Averroes. 383

|

|

Figura methodi pro medio in singulis coniugationibus, inveniendo.

Inconsistens in II eae duabus affirm.

!

* |

384 XVI. Averroes.

bezüglich der Induction **°) — dass es völlig unnöthig ist, Einzelnes

besonders anzuführen. -

Ebenso können wir, was die zweite Analytik betrifft, vor Allem

von dem sog. mittleren Commentare °°°) Umgang nehmen, indem der

selbe als ein Mittelding zwischen Paraphrase und Commentar allerdings

das Ganze recht klar und mit guter Betonung des Hauptsächlichen dar

legt, aber nirgend Eigenthümliches bietet. Auch der sog. grosse Com

mentar hält sich überwiegend an den Text, und während in demselben

wohl zuweilem Themistius, seltener aber Alexander Aphrodisiensis er

wähnt ist, fimden wir auffallender Weise nur sehr selten andere Schrif

tem des Aristoteles zur Erklärung beigezogen **'). Somit ist es nur

Weniges, was wir hervorlebem miissen. Zunächst begegnet uns, was

das Verhältniss der zweiten zur erslem Analytik betriffi, auch hier

wieder die bei allem Arabern übliche Auffassumg, dass es sich um den

Unterschied von Form und Stoff der Schlüsse handle ***), und indem

Averroes dem unmittelbarem Anschluss der zweiten Analytik an die erste

dadureh begründet, dass danm auf das allgemeinere und wesentlichere

Element der Form der Inhalt ohne lästige Wiederholungen folgen

könne *°°), bekämpft er ausdrücklich die Ansicht Avicenna's, welcher

zwischen beide Analytiken das Gebiet der Dialektik einschallete ***).

Und sowie er gegen obige Auffassung Alfarabi's (Anm. 52) polemisirt *°°),

so verfährt er el)enso bei allem jemen Controversen über die im Mittel

begriffe liegende Causalität **"), über καθ' αὐτὸ und xo 8óìov 337),

über praedicatum primum ***), indem er überall jede Abweichung vom

329) Ebend. f. 124. r. B.

330) f. 240—255.

331) So z. B. ist nicht einmal bei Erörterung der Stelle über die vier Prin

cipien (f. 217.) die Metaphysik citirt.

332) Poster. Resolut. f. 127. r. A: Intentio libri est, speculari de demonstra

tionibus atque de definitionibus. De demonstrationibus vero tractat quoad ea, quae

vicem eæhibent materiae ipsarum et haec in summa sunt propositiones verae, demon

straliones namque eae duobus constant, quorum unum est propositiones et hoc est,

quod vicem obtinet materiae, alterum vero est ipsarum composilio et hoc est, quod

vicem eaehibet formae, quae cum iam monstrata fuit in libro syllogismi, ideo incipit

hoc in loco sermonem facere de eo, quod supererat ea cognitione syllogismi demon

strativi, h. e. de materia, eae qua componitur, et propterea vocavit ambos libros

tumaco m0mame.

333) Ebend.: 0rdo autem ipsius est post librum de syllogismo procul dubio

tribus de causis, quarum una est, quoniam universale notius est particulari et opor

let praecedere in ordine doctrinae magis notum, quemadmodum oportet etiam in de

duclione quaesiti procedere ...... Causa autem secunda est, quoniam speculatio essen

tialis est, cum speculamur de aliquo universali, secundum quod inest subiecto uni

versali, non autem subiecto particulari ..... Causa autem tertia est, quia sic non

contingit iteratio in doctrina, propterea quod, qui facit doctrinam per hunc modum,

monslrare poterit per se eae propositionibus veris seorsim et probabilibus seorsim et

reliquis etiam speciebus proposiiionum.

334) Die Stelle ist oben, Anm. 230., angeführt.

335) Poster. Resol. f. 127. r. A. -

336) Ebend. f. 131. v. B.

337) f. 137. r. B.

338) f. 138. v. B u. f. 141. v. A.

XVI. Pseudo-Averroes. 385

aristotelischen Texte, welche bei Alfarabi oder bei Avicenna zu Tag

kam, zurückweist. Ebenso strenge hält er an der ächten aristoteli

schen Lehre bei Erklärung der Stelle (Abschn. IV, Anm. 655 f.), welche

die syllogistische Nothwendigkeit betrifft °°°), bei der Frage über das

Beweisen der Principien in einer Wissenschaft **®), bei der vielbe

sprochenen Stelle (Abschn. IV, Anm. 162), aus welcher man das prin

* cipium identitatis herausgelesen hatle ***), bei der „demonstratio quia“

und der „demonstratio propter quid“ ***), und insbesondere bei den

Erörterungen über das Verhältniss zwischen Demonstration und Defini

tion 848).

Endlich der Commentar zur Topik ist gleichfalls nur als eine ein

theilende und numerirende Exegese des aristotelischem Textes zu be

zeichnen, und das einzig Bemerkenswerthe dürfte sein, dass hiebei sich

Averroes häufig auf den uns verlorenen Commentar des Themistius

(Abschn. XI, Anm. 96) stützte 84*). Ehenso bleibt die Erörterung der

Soph. Elenchi, welche auch er nach dem Worgange Alfarabi's (Anm. 64)

in zwei Bücher theilte 34°), innerhalb der bloss exegetischen Aufgabe.

Lassen wir hiernach zunächst jene Epitom e folgen, welche von

den Lateinern für eine Schrift des Averroes gehalten wurde (s. Anm.

290), so kann man über dieselbe im Allgemeinen kein ungünstiges

Urtheil fällen, denn der Werfasser versteht es, in einer klarem und über

sichtlichen Darstellung, welche zuweilén nur durch den Uebersetzer

verdorben zu sein scheint, den Hauptiphalt des 0rganons (mit Einschluss

der Rhetorik und Poetik) zu entwickelm. Manche Eigenthümlichkeiten

aber dieses Buches machen es nothwendig, dasselbe etwas näher zu

betrachten. Die Aufgabe der Logik, welche die Geltung einer Hilfs

wissenschaft habe (s. unten Anm. 380), wird in der bei den Arabern

üblichen Weise, aber mit neuer Terminologie, darein gelegt, dass sie

die Regeln über formatio und verificatio, d. h. über Definition und Ar

gumentation, zusammenstelle °*°). Und indem für diese beiden Zweige

339) f. 143. r. A.

340) f. 151. r. A.

341) f. 154. v. B.

342) f. 159. r. A.

343) f. 199 ff.

344) Z. B. Top. f. 266. r. A u. B, f. 274. v. B, f. 275. v. A, f. 291. r. A,

u. s. f.

345) f. 332. r. A.

346) Epitome, f. 341. r. A: Intentio in hoc sermone est, colligere sermones

necessarios in hac arte logicae ad cognitionem regularum partium formationis et veri

ficationis, quae fiunt in tota arte logicae (diese Terminologie ,,formatio** und ,,veri

ficatio**, für welche wir bisher stets ,,definitio** und ,,demonstratio** trafem, scheint

der späteren arabisch-jüdischen Litteratur anzugehörem; s. untem Anm. 419.)........

Dicamus itaque, quod, eae quo fuerunt omnes quaestiones, quarum cognitio appetitur

in omnibus artibus speculativis, duarum specierum est, videlicet formatio et verifi

catio; et fuit formalio id, quod est intellectus rei per id, quod constituit substan

tiam suam, vel per id, quod eæistimatur, quod constituat substantiam suam, et erit

id, de quo quaeritur ut plurimum dictione ,,quid*'; et verificatio est intellectus rei

per id, quod dicitur ipsius dispositio quaedam, et est id, de quo quaeritur ut plu

rimum dictione ,,utrum** .... et cum dictione ,,an**.

PRAn t l, Gesch. II. 25

386 XVI. Pseudo-Averroes.

ein doppeites Moment in Betracht komme, deren *einés " die Richtung

bezeichne (dirigens), während das andere (agens) die Verwirklichung

mit sich bringe 847), so ergibt sich zunächst eine Viertheilung des

Stoffes, insoferne in der Wortbezeichnung (significatio dictionum) die

Richtung und in der Isagoge nebst den Kategorien die Bethätigung der

Definition liege, sowie entsprechend das Urtheil mit seiner Gegensätz

lichkeit des Wahr- und Falsch-Seins die Richtung umd der Syllogismus

die Bethätigung der Argumentation enthalte, und erst mach dieser- vier.

fachen Erwägung folge die Betrachtung desjenigen, wodurch die' ein

zelnen Definitionem und Argumentationen je nach ihrem topischen oder

apodeiktischen oder rhetorischen oder sophistischen oder poetischen

Charakter bestimmt seien ***). - -

Der erste die blosse significatio als solche betreffende Abschnitt

bespricht die Begriffe des Synonymen u. dgl. in grösster Vollständigkeit,

indem nicht bloss neben. den üblichen auch das disparatum, das trans

latum, das accommodatum, erwähnt werden, sondern unter der Bezeich

mumg commune et speciale auch die fünf Universalien ihre * formelle Be

rücksichtigung finden ***). -

Die materielle Geltung aber der Universalien, welche- von Averroes

als unnöthiges Beiwerk des 0rganons bezeichnet wordem waren (Anm.

294), bildet den ersten Theil des Absehnittes, welcher. sich auf das

agens der Definition hezieht, und auf eine Begriffsbestiinmung des Uni

versale und des Singulare, welche genau mit jener des Avieenna (Amm.

88) übereinstimmt *°°), folgt die nähere Angabe der fünf Worte, wobei

z. B. erwähnt werden mag,* dass jene bestrittene. Relativität der Defini

tionem des Gattungs- und Art-Begriffes. (Anm. 113 u. 296) hier ohne

347) Ebend.: Ei oportuit, quod praecedat quamlibet istarum disciplinarum (der

Text gibt discipulo) duae partes notitiae, aut agens aut dirigens. Dirigens quidem

ad formationem est, quae significatur per dictionem separatam; agens vero est ev

rebus, quibus sibi constat res, et illae sunt partes definitionum et definitiones. Veri

ficutionis vero dirigens est detentio veritatis apud quaestionem duarum partium oppo

sitionis; sed agens ipsam est syllogismus. - .**

348) Ebend.: Sicque dividehmus perscrutationem huius artis, necessario. ad has

quatuor partes. Et incipiemus a tractatu significationis diclionum in universali;

deinde procedemus ad sermonem de rebus simplicibus (ausgefallen ist et, compositis)

agentibus formationem. Ullerius, procedemus ad sermonem de rebus, quibus, opposita

sunt opposita adeo, qu0d veritas transeat in unam earum ; postea loquemur de .syl

logism0 et speciebus eius simpliciter. Rursus progrediemur ad id, quo proprie ter

*minantur singulae formationes et verificationes simpliciter, et illa est disciplina

propria, quae fit in singulis quinque , artium, dico demonstrativam et topicam et

ceteras.

349) Ebend. f. 341. r. B: Sermo de significatione dictionum. Nomina quae

dam sunt aequivoca; ..... et eorum sunt nomina synonyma, ...... univoca, ......

disparata, ..... translata, ..... accommodata, ..... et eorum sunt, quae diountur se

cundum commune et speciale, ...... et eorum sunt nomina denominativa. Vgl. Anm. 91.

350), f. 341. v. A: Sermo de rebus agentibus formationem. Et res- incompleacae

vel sunt universales vel particulares. Et universale est res , cui possibile est eae

substantia formationis eius in intellectu solo, quod praedicetur de pluribus, quam

de una re ....... Verumtamen singulare est id, quod impossibile est ea, substantia.

formationis eius, quod praedicetur de plus quam singulari uno.

.XVI. Pseudo-Averroes. 387

allen Argwohn zu Grunde gelegt wird *°!). - Der zweite Theil dieses

Absehnittes enthält (im Gegensatze gegem die Einfachheit der Univer

salien)- bereits Zusammengesetztes, aber nicht dasjenige, welches im

Urtheile eine wahre oder falsche Verbindung darbietet, sondern jenes

Zusammengesetzte, welches in den verschiedenem Formen der Definition

ausgesprochen werde, indem dieselbe entweder als eigentliche Definitiom

das gesammte substantielle Sein eines Gegenstandes darlege oder als

Beschreibung demselben nur aus einzelnem Wesensbestimmungen erkläre,

otler endlich keimes von beidem thue, sondern nur eim Accidentelles am

άem Gegenstande heraushebe 352). Nur ein Behelf aber zur Definition

seien die Kategorien, deren Kenntniss an sich nicht zur Logik gehöre

(vgl. Algazeli, Anm. 257), und nachdem der Werfasser in einer an Avi

cenna (Anm. 93) erinnernden Weise den Unterschied zwischen dem

quidditativen Sein und dem einzelnen Wesensbestimmungen sowohl für

das Universale als auch für das Singuläre als gültig bezeichnet und

somit die Kategoriem an den Begriff des Universale knüpft, um dieselben

dann in üblicher Weise kurz zu erörtern *°°), schliesst er diesen Ab

schnitt mit der Bemerkung ab, dass die Kategorien zugleich eine logische

und eine reale Bedeutung habem, jedoch nach der ersterem, in welcher

sie Erzeugnisse der denkenden Seele sind, eim Moment enthalten, wel

ehes gemeinschaftlich sowohl der Definition als auch der Argumentation

angehöre ***).

351) Ebend.: Et universalia incompleaca sunt quinque: genus, species, diffe

rentia, proprium et accidens. Genus quidem et species dicitur utrumque eorum in

ordine ad alterutrum u. s. w. ..... Accidens est .... duarum specierum, separabile

et inseparabile n. s. f. -

352). f. 342. r. A: Sermo de rebus compositis. Res quidem compositae eae istis

incomplearis sunt duarum specierum. Una est, cuius compositio est compositio enun

tiationis, et ipsa est, cuius viae est, quod verificetur et falsificetur, et sermo iste

est ev appropriatis (über diesem Ausdruck vgl. Anm. 52.) sermonibus veris. Et

species secunda compositionis est compositio conditionis et copulationis , et ipsa est

c0mp0silio, quae non verificatur neque falsificatur, sed utimur ea in formatione. Et

est trium specierum, videlicet definitio et descriptio et sermo, qui non est definitio

neque descriptio. Sicque definitio est sermo, cuius compositio est conditionis et copu

lationis ad intellectionem definiti per res substantiales, quibus est sui consistentia, et

ipsa componitur eæ genere et differentia. Et descriptio est sermo, cuius compositio

est conditionis et declarationis declaranlis rem, super quam significat, non per omne

id, quod constituit substantiam sui ..... Et sermo, qui non est definitio neque de

scriptio, componitur eae specie et accidente, sicut est dictum nostrum de Socrate,

quod ipse sit homo albus.

353) Ebend.: Et quoniam decem praedicamenta adiuvant formationem, decet,

quod loquamur et reminiscamur de eis quidquam, licet non sit notitia eorum neces

saria isti intentioni, quam intendimus. f. 342. r. B: Et universalia sunt duarum

specierum: praedicatum, quod praedicat de eis praedicatione naturali substantiam

suam et quidditatem suam ...... Et alia species notificat de subiectis aliquibus.....

res eæeuntes a quidditate eorum ...... Et singularia etiam sunt duarum specierum:

singulare, quod praedicatur de aliqu0 omnin0 praedicatione secundum viam naturalem

et ipsum est singulare substanliae ; et singulare, quod non notificat in praedicatione

aliquid de aliquo quidditatis suae, sed rem eæeuntem a quidditate sua, et ipsum est

singulare accidentis ...... Et genera istorum universalium suprema ipsa sunt, quae

vocantur praedicamenta, et secundum quod numeraverunt ea antiqui, sunt decem:

substantiae, et novem accidentium.

354) f. 343. r. A: Sermo de rebus communibus formationi et verificationi sim

25*

388 XVI. Pseudo-Averroes.

Der dritte Abschnitt, dessen Gegenstand das dirigens- der Beweis

führung, nemlich das der Gegensätzlichkeit des Wahren und Falschen

fähige Uriheil ist *°°), bewegt sich überwiegend in dem fortgesetzten

Gesichtspunkte des Eintheilens; nemlich vorerst werden die Urtheile

wie bei Averroes (Anm. 312) unter Wiederholung. einer dortigem Be

merkung über das arabische Verbum (Anm. 310) in binaria und ter

naria eingetheilt *°°), worauf die Unterscheidung nach der Qualität in

bejahende (simplices), verneinende (remotivae) und privative (vgl. Anm.

260) folgt *°7), um hierauf die Eintheilung nach der Modalität (mit der

Terminologie „inventiva* für „de inesse“) anzureihen *°°), und all diese

sich kreuzenden Eintheilungen abermals durch den Gesichtspunkt der

Quantität zu durchkreuzen, wobei beachtet werden mag, dass auch hier

(vgl. Anm. 214) die Bestimmungen der Quantität als, ,,signa* bezeichnet

werden *°°). Sodann folgt die Erörterung der Gegensätzlichkeit, je mach

dem die Urtheile singulär, conträr, contradictorisch, subconträr oder

unbestimmt sind °°°), und es wird die Untersuchung hierüber sowohl

pliciter. Ista itaque sunt genera magis universalia rebus sensatis, et species istorum

et genera eorum sunl subiecta in scientiis. Sed islud est duobus modis distinctis,

quia .... eae e0, quod contingunt eis in intelleclu secunda, quorum inventio est certe

in intellectu, solum erunt logicalia, quia ars logicae certe tribuet regulas de istis

generibus ab inlellectis ......, et ista omnia sunt res inlellectae, quarum invenlio

n0n est eætra animam .... Verumtamen dum accipiuntur eae e0, quod sunt intellecta

rerum sensalarum eaclra animam, \ erunt realia, vel mathematica vel alia, ab islis.

Et hic perficiam sermonem de rebus communibus formalioni et verificationi simpliciter

et procedemus ad id, quod limitat proprie verificationem, -

355) f. 343. r. B: De dirigentibus ad verificationem. Formae autem, quae

limitant verificationem, sunt duorum generum: genus verificationis quaestionis et

distinctionis ipsius in duo opposita adeo, quod detineatur veritas alterius illorum ;

el genus secundum est verificationis sermonis compositi agentis verificationem, et est,

qu0d nominatur syllogismus. Et incipiemus in genere primo, quia ipsum est primum,

quod verificabitur ante omnem rem in quaestione et est notitia praesupposita verifica

tioni; deinde procedemus ad verificandum per syllogismum.

356) Ebend.: Enuntiationum quaedam est binaria et quaedam est trinaria ;

binaria autem est, cuius praedicatum (der Text gibt praeteritum) est verbum, et

ista est trium specierum, vel quod fuerit eius verbum praeteritum vel futurum vel

praesens, sed non invenitur in lingua Arabum impositio significans super significalum

praesens; ternaria autem est, cuius praedicatum est nomen.

357) Ebend.: Et utrarumque istarum, et binariarum et trinariarum, quaedam

sunt simplices, ..... et earum sunt remotivae, quarum praedicatum est nomen vel

verbum imperfectum, sicut si diacerimus ,,Socrates non est sanus“, ..... et quaedam

sunt privativae, ..... privatio autem universaliter est, quod deficiat habitus, cuius

c0nsuetudo est. -

358) f. 343. v. A: Et cuiuslibet speciei istarum enuntiationum .... quaedam sunt

non habentes modum et quaedam halentes modum ...... Et modi primi sunt tres:

Possibile .... et necessarium ..... et inventiva.

359) Ebend.: Et unaquaeque istarum enuntiationum vel erit habens signum vel

non habens signum, et sunt enuntiationes, quarum subiecta sunt res universales, et

signa sunt quatuor: ,,0mne“ et ,,Nullum“, ,,Aliquod“ et ,,Non aliquod** et ipsum

est in gradu dicti noslri ,,Non omne“.

360) Ebend.: 0mnes autem species enunlialionum, quarum consuetudo est,

quod opponantur, aliquando sunt oppositae secundum affirmationem et negationem

4deo, quod secernant veritatem et falsitatem, et aliquandó non sunt oppositâe secun

dum affirmalionem et negationem ...... 0rationum âutem 0pp0sita*um sunt quinque

XVI. Pseudo-Averroes. 389

bezüglich der modalen Arten 8°1) als auch nach der Qualität der Ur

theile in Verbindung mit der Modalität derselben geführt 862). -

Indem sodann als vierter Gegensland, nemlich als agens der Argu

mentation, der Syllogismus sich anreiht *°°), kann bemerkt werdem,

dass der Werfasser ebenso wie Averroes (Anm. 320) 36 mögliche Com

binationem der Urtheile annimmt *°*) und auch in der Polemik gegen

die vierte Galenische Schlussfigur sich an denselben (Anm. 322) an

schliesst, ja noch ein tieferes Motiv hinzufügt, indem er hervorhebt,

dass die feste Bestimmtheit des Mittelbegriffes bezüglich des. im Syllo

gismus beabsichtigten Beweises das Entscheidemde sei *°°). Jene Syllo

gismen, welche auf Verbindung der Urtheile des Stattfindens mit modalen

beruhen, bleiben hier ebenso wie bei Algazeli (Anm. 269) weg, hin

gegen eine ausführliche Erörterung finden auch hier die hypothetischen

Schlüsse, derem Vorhandensein hereits in der aristotelischen Definition

des Syllogismus liege *°°); und mit der üblichen Zweitheilung in con

ditionale und disjunctive finden wir hier, was die ersterem betrifft, eine

Wiederholung der Theorie Algazeli's (a. a. 0.), womit sich jedoch auch

eine Berücksichtigung der logischen Qualität des Wordersatzes und Nach

satzes verbindet, so dass hiedurch die Zahl der conditionalen Schlüsse

auf 24 steigt °°"); in ähnlicher Weise wird , bei den disjunctiven auf

species ; quaedam sunt singulares ..... et quaedam sunt contrariae ...... et quaedam

sunt contradictoriae ..... et quaedam sunt subcontrariae ..... et quaedam sunt, cum

quibus non coniungitur signum omnino .... et ipsae sunt indefinitae.

• 361) f. 343. v. B: Et eæpedit, considerare, qualiter secernant species istarum

oppositarum veritatem et falsitatem in omnibus tribus materiis, quae sunt possibilis

et inventi et necessarii.

362) Ebend.: Quoniam autem enuntiationes simplices et remotivae et privativae

sunt etiam oppositae, postquam simplices significant super dispositionem et habitum

et remotivae et privativae super privationem, iam convenit, quod comparetur inter

eas et inter oppositionem affirmativae et negativae et consideretur, an ipsarum discretio

veritatis et falsitatis sit secundum unum eaeemplum nec ne. Natürlich wird letztere

Frage verneinend entschiedem, und zwar in einer höchst ausführlichen Darlegung

(f. 344. r.), welche bei jeder Species des Gegensatzes wieder die drei Arten der

Modalität berücksichtigt.

363) f. 344. w. A — 346. r. B.

364) f. 345. r. A.

365) Ebend.: Nisi eveniret necessitas conclusionis, quando accepta fuerit illa

habitudo, quae est inter duas praemissas ad quaesitum indeterminatum, et qualiter

cunque contigerit, sufficeret huic, quod sit una earum, quaecunque fuerit, affirma

tina, qualiscunque fuerit secundum quantitatem suam, et altera universalis , qualis

cunque fuerit secundum qualitatem suam. Verumtamen dum accipietur ista habitudo,

quae est inter duas praemissas in respectu ad quaesitum determinatum, quod est in

ientum in hoc libro, maior necessario erit universalis et minor affirmativa ; et ideo

reliquit Aristoteles figuram quartam, quam posuit Galenus.

366) f. 346. v. A: Quoniam autem iam acceptum est in definitione syllogismi,

quod ipse sit oratio, in qua positae sunt res plus quam una, et fuit modus posi

iionis dupleæ, quorum unus est modus praedicationis et alter est modus conditionis,

iam utique decet, qu0d sermonem transferamus in h0c ...... Syllogismi quidem c0n

ditionales dividuntur secundum partes dictionum conditionis in coniunctum et dis

iunctum. -

367) Ebend.: Quoniam consequentia quaedam sunt perfecta consecutione .....

et quaedam sunt, quae non sunt ' perfecta consecutione, ..... illa , quidem, quae

390 XVI. Pseudo-Averroes.

die vier Arten des Gegensatzes hingewiesen- und auch eine Dreitheilung

der Disjunction aufgestellt, je nachdem dieselbe bloss dichotomisch oder

in begränzter oder unbegränzler Zahl der möglichen Mittelstufem poly

tomisch ist *°°). Von dem übrigen lnhalte der ersten Analytik wird

nur noch die deductio ad absurdum °°°) und die Werflechtung mehrerer

Syllogismen zu Einer Beweisführung erwähnt °"°), hingegen die Lehre

von der Induction, sowie von der logischen Geltung des Beispieles und

des Indiciums ausdrücklich abgewiesen *"!).

Soll aber nun dasjenige, was die übrigen Araber dem Stoff der

Argumentation genannt hatten, folgen, so stelli sich der Verfasser auf

den Standpunkt, dass es sich nach Erörterung des Bisherigen noch um

die praktische Werwirklichung handle, und da in dieser Beziehung für

die unvollkommnerem Stufen der Wissenschaften die Argumentations

Weise der Topik ebenso zweckdienlich sei, wie für die vollkommnem

das apodeiktische Werfahren, so stellt er im Gegensatze gegen Averroes

(Anm. 334) mit aller Entschiedenheit die Topik zwischen die erste und

zweite Analytik ***), und entwickelt hiemit sofort jene Topen, welche

componuntur eæ duabus imperfectis (der Text gibt perfectis) concludentibus, sunt

duarum specierum, quarum una est repetens antecedens per se et concludens conse

quems per se, ...... in secunda autem specie repetitur oppositum consequentis et con

cluditur oppositum antecedentis ..... (f. 346. v. B) Verumtamen species, quae com

ponuntur eæ c0mp0sitis, quae sunt perfectae conseculionis, sunt quatuor omnes species

concludentes ...... Quoniam coniunclionis quaedam est coniunctio affirmationis cum

affirmatione, ..... et quaedam negationis cum affirmatione, .... et quaedam affir

malionis cum negatione, .... et quaedam negationis cum negatione, ....... dum *yul

tiplicabuntur per divisionem primam seae species, erunt species concludentes viginti

quatuor.

368) f. 347. r. A: Syllogismi quidem conditionales disiuncti sunt, qui c0mp0

nuntur eae contradictoriis, el contradictoria sunt, quae impossibile est quod coniun

gantur simul in un0 subieclo et ea, una parte et in uno tempore; sicque in summa

species oppositorum in eis sunt affirmatio et negatio, privatio et habitus, et contraria

et relativa. Istarum autem quatuor specierum quaedam sunt perfectae contradictionis

et quaedam sunt imperfectae ..... Et istarum quaedam sunt, quae opponuntur duobus

solum, ...... et illa est secunda species, in- qua componuntur contraria, inter quae

est medium determinati numeri, ...... qui vero componuntur eæ oppositis, quae sunt

imperfectae contradictionis, est species tertia ipsius speciei syllogismi; illi ut pluri

num componuntur eæ contrariis, inter quae est medium indeterminati numeri.

369) f. 347. r. B (s. Abschn. IV, Anm. 623.).

370) f. 347. v. A (Abschn. IV, Amm. 586 f.).

371) f. 348. r. A: Sed sermo de inductione et eaeemplo et signo est eæ his,

quae propria sunt unicuique arti et unicuique verificationi.

372) Ebend : Et dicemus , quoniam normae eæhibitae in hac arte sunt duarum

specierum, species agens et species notificans; sicque iam praecessit sermo de rebus,

quibus sciuntur species syllogismorum et modi eorum; iam itaque convenit, quod

loquamur de normis, quibus poterunt fieri syllogismi, quia iam semita scientiae for

mae rei est alia a scientia operationis eius ........ (f. 348. r. B). Et propter hanc

eandem rem non faciemus mentionem de his sermonibus nisi de illis, quorum consue

tudo est, ut veniant in usum demonstratiqnis ...... Normarum vero, quibus fiunt

syllogismi topici, certe opus est apud perscrutationem artium, quae nondum sunt

perfectae; sed ad illas , quae perfectae sunt, iam non est opus eis nisi eae parte

illius, quod melius est. Verumtamen alia intentio, qua visum est nobis, quod refe

ramus istas normas, est, ea, quo demonstratio est ea, quae est praestantissima

rerum, quas intendimus, sicque visi sumus nobis, ne abbreviemus in normis suis res

XVI. .. Pseudo-Averroes. 391

sich auf die Definition und auf die Gegensätze beziehen 37*). Erst hier

auf geht er mit der Bemerkung, dass dieses Letztere gemeinschaftlich

der Definition und der Argumentation diene, auf dem Inhalt der zweiten

Analytik und auf die dortigen Begriffe des Allgemeinem und Nothwen

digen über *"*). Eigenthümlich ist ihm die Eintheilung des demonstra

tiven Verfahrens in drei Arten, deren erste den ol)jectiven Realgrund

und zugleich den subjectiven Erkenntnissgrund enthalte, während eine

zweite nur den ersterem und eine dritte nur den letzteren Causal-Zu

sammenhang darbiete, wobei es sich von selbst versteht, dass bezüglich

der ersten Art alles Gewicht auf den Mittelbegriff fällt *7°); bei dem

zweitem Verfahrem, welches nur auf den objectivem Realgrund geht,

drängt sich eine Verwahrung gegen das „post hoc, ergo propter hoc“

auf, und in dieser Beziehung ' werden vier Modalitäten des Zusammen

hanges zwischen Früherem und Späterem unterschieden, wovon nur die

Eine vollständig syllogislisch genügt, in welcher eine Umkehrbarkeit der

Abfolge stattfindet *7°); die dritte jener Arten gehört dem Gebiete an,

welches Aristoteles (Alschm. IV, Anm. 272 ff. u. 546) als das ,,Meisten

theils“ bezeichnet hatte *77). Nachdem hierauf die Erörterung des defi

necessarias ad atlingendum ipsam, immo cum eis meminerimus de rebus, quibus erit

comprehensio melior et nobilior, et non est dubium, quod optimum in cognitione de

monstrationis sit, quod secernamus ipsam et meditemur super operationem eius. Haec

ergo est utilitas, quam intendimus in hac parte l0gueae, et manifesta est ex his,

quae divimus , intentio sua et ordo suus et proportio sua, et hoc est, quia haec

est pars sermonis syllogismorum, et quae conveniat, quod legatur post cognitionem

syllogismi et specierum eius et suorum modorum et ante librum Demonstrationis.

373) f. 348. v. A — 350. v. B, nemlich f. 349. r. B De locis compositionis,

f. 349. v. A De locis definitionis, f. 350. r. A De locis oppositorum.

374) f. 350. v. B: Postquam autem iam locuti sumus de rebus communibus

speciebus formationis et verificationis, dicemus itaque ea, quae propria sunt unicui

que illarum, et incipiemus a verificatione vera et formatione perfecta. De demon

stratione. Dicimus, quod demonstratio universaliter sit syllogismus compositus eae

duabus praemissis veris universalibus necessariis per se.

375) f. 351. r. B: 0portet, quod dividatur syllogismus demonstrativus in, tres

species .....; prima itaque , species scitur per demonstrationem simpliciter et est de

monstratio causae et inventionis simul, et secunda scitur per demonstrationem causae,

et tertia per demonstrationem inventionis et signi. Inchoabimus itaque primo a de

monstratione causae ei inventionis, quia ipsa est nobilissima harum specierum. Et

dicimus, quod oportet necessario in hac specie syllogismi cum h0c, qu0d est utilis

scientiis veris, qu0d tradat cum hoc causam adeo, qu0d medius terminus in eu sit

causa duarum rerum simul, i. e. c0gnitionis rei et causae rei.

376) f. 352. v. B: Species vero demonstrationis causae sunt quaedam specierum

demonstrationis essendi et causae simul, et illarum conditiones sunt istae eaedem

conditiones et sua proprietas est haec proprietas, sed differentia inter eas est, qu0

niam in hac esse est notum apud nos per primam notitiam aut per syllogismum,

sed per illam quaeritur notitia causae tantum ..... ... Quoniam autem nom contingit

ostendere per quodvis posterius, quod contigerit, quodlibet prius, qu0d contigerit,

convenit, eaeponere hoc quadam eæplicatione. Dicimus itaque, quod prius et posterius

sunt secundum quatuor partes, quarum una est, qu0d eae essendo utrumlibet eorum

sequatur alterutrum, et haec sunt, quae sunt praedicatione convertibilia; ...... se

cunda autem pars est, quod prius sequatur ad esse ipsum posterius et non conver

tatur;...... tertia pars est, quod séquatur posterius ad esse prius et non sequatur

prius ad esse posterius ; ...... quarta pars est, quod non sequatur ad esse unum

eorum *alterulrum.

377) f. 353. r. B: Demonstratio vero evidentiae pro maiori parte eveniet in hac

,

392 XVI. Spätere Araber.

nitorischen Wissens ***) und der Praxis des Definirens *7°) gefolgt ist,

reiht sich an einer hier unerwarteten Stelle durch Anknüpfung an die

Theorie über das Zustandekommen der Wissenschaften eine Notiz über

die Eimtheilung der Wissensehaft an, wobei neben den praktischen und

den theoretischen Disciplinem die Logik den Beruf erhält, das Denken

zur Erforschung jener anderen beiden Wissensgebiete zu unterstützen,

und zugleich jene obige Bemerkung aus Avicenna (Anm. 231) sich

wiederholt, dass Metaphysik und Topik und Sophistik in der Allgemein

heit des Gegenstandes zusammentreffen, während sie sich nach dem

ihnen eigenthümlichen Aufgaben unterscheiden *°°).

Hernach folgt die Erwähnung des rhetorischen Verfahrens der

Argumentation ***), woran sich die Sophistik knüpft ***), bezüglich

deren erwähnt werden kann, dass eine von Alfarabi (Anm. 65) einge

führte Ergänzung , welehe die „translatio“ zum Gegenstande hat, hier

als vollständig recipirt ausführlich besprochen wird *°°).

Endlich nach der Hinweisung darauf, dass nun Wahrheit und Täu

schung bezüglieh der Definition und Argumentation hinreichend erörtert

seien, folgt noch eine Darlegung des topisehen Beweisverfahrens ***),

und eine Inhalts-Uebersicht der Rhetorik 38°) sowie der Poetik 38°) bildet

den Schluss des Ganzen.

Sehr kurz hingegen dürfen wir uns über die dem Averroes zuge

schriebenen Q u a e s i t a fassen, und insoferne wir von der Unächtheit

derselben überzeugt sind (s. Anm. 289), stehen sie uns jenem ,,Diver

materia in accidentibus, quae esse sequitur rem consecutione pro maiore parte, ut

verbi gratia, quando homini patienti torturam oris accidit apopleacia.

378) f. 353. r. B: Formationum autem perfectissima est, quae intelligitur per

definitionem, et definitio tandem est, cuius compositio est compositio clausulae con

ditionis et meacus eæplicans significatum definiti per res essentiales.

379) f. 353. v. B: 0rdo vero partium definitionum in compositione est, quod

praeponamus universale et id, cuius modus est modus materiae, et postponamus

particulare et id, cuius modus est modus formae.

380) f. 354. r. B: Artes .... dividuntur in tres partes, scilicet in artes, quarum

finis est solum operatio, ..... et in artes, quarum finis est solum scientia, .....

et in artes adiuvantes istas, quae sunt artes, quae dirigunt intellectum ad perscru

talionem harum duarum artium, et est ars logicae aut ei proportionalis ....... Quae

dam sunt artes universales et illae sunt trium partium, ars primae philosophiae,

ars topica, et ars sophistica ...... Modus vero considerandi in prima philosophia

est intellectio entis secundum dispositionem, qua est secundum esse ...... Artis vero

topicae considerationis de ente eæemplum est consideratio vulgati, quo quaeritur rei

confirmatio aut ipsius confutatio ........ Ars vero sophislica habet sua principia,

quae sunt ea, de quibus aestimatur, qu0d sint vera, cum non sunt vera, et de

quibus aestimatur, quod sint divulgata, cum non sunt divulgata.

381) f. 355. r. A.

382) f. 355. v. A.

383) f. 357. v. A: Translatio vero et permutatio est, quod translatio. sem

per sit ad id, quod potest capi vice rei et putatur, quod sit ipsa res, et fallit,

u. S. W.

384) f. 357. v. B: Postquam autem iam locuti sumus de rebus, eae quibus

cognoscitur verificatio vera et formatio perfecta, et postea locuti sumus de rebus,

quae fallunt in eis, loquemur itaque de verificationibus topicis.

385) f. 358. v. B. -

386) f. 360. v. B.

XVI. Spätere Araber. ,• 1.' 393

sorum Arabum Quaesita“887) völlig gleich, welche ebenfalls den Latei

nern kund geworden waren. Beide gehören der controvertirendem Exe

gese des 0rganons an, und indem wir auch hier micht die Absicht

haben können, in die Litteratur - Geschichte der späteren arabischen

Epoche einzugreifen, müssen wir uns hei der Bemerkung begnügen,

dass durch jene verschiedemen Quaesita, welche uns obem häufig als

Quelle gedient hatten, das lateinische Abendland manche einlässlichere

Besprechungen jener hauptsächlichen Controversen empfieng, welche uns

bereits bisher fast bei allen arabischen Logikern begegnet waren. So

handelt es sich um die Definitionem des Gattungs- und Art-Begriffes ***)

oder um das Werhältniss der Namenserklärung zur Definition °°°), sowie

in der Lehre vom Urtheile um jene schon von Anderem (Amm. 40 f. u.

313 f.) besprochenen Schwierigkeiten bei Häufung der Prädicate und

bei Urtheilen über nicht-existirende Subjecte 890), oder um die Stellung

derº Negation bei Möglichkeits- oder Nothwendigkeits-Urtheilem °°'). Aus

dem Umkreise der ersten Analytik begegnen wir hier wieder den Fragen

über das Verhältniss der Urtheile des Stattfindens zu den modalem °°°),

über die Umkehrung 398), über die aus Urtheilem versehiedemer Moda

lität gemischten Syllogismen 3°*), und über die Berechtigung der hypo

thetischen Schlüsse *°°). In der zweiten Analytik war es hauptsächlich

die Controverse über Alfarabi's (Anm. 51 ff.) Auffassung des demonstra

tiven Werfahrens 3°°), woram sich dann die Erörterung über praedicatum

primum °°") und über die syllogistische Nothwendigkeit anschliessen

musste *°°), und ebendahin gehörte selbstverständlicher Weise die Frage

über die im Mittelbegriffe liegende Causalität*°°). Ausser dem Grund

satze (Anm. 340), dass die Principien einer Wissenschaft nicht in eine

andere zu übertragem sind 409), war ein gebotenes Thema von Contro

887) f. 380 ff.

388) Divers. Ar. Quaes. f. 380. r. A.

389) Ebend. f. 381. r. B.

390) Ps.-Averr. Quaes. f. 361. r. A.

391) Div. Ar. Quaes. f. 383. r. A.

392) Ps.-Averr. Quaes. f. 362. r. A. n.

393) Ebend. f. 363. r. A.

394) Ebend. f. 363. v. A, f. 364. r. A, f. 370. v. B. Divers. Ar. Quaes. f.

381. w. A. «*

395) Ps.-Averr. Quaes. f. 368. r. A.

396) Ebend. f. 371 ff. Div. Ar. Quaes. f. 382. v. B.

397) Ps.-Averr. Quaes. f. 380. r. A.

398) Ebend. f. 375. r. A.

399) Ebend. f. 375. v. A. Div. Ar. Quaes. f. 383. r. B. Albert. M. Soph. El.

I, 1, 1, p. 840. A: Dicit enim Isaac, quod ratio est virtus collectiva faciens coire

causam in causatum, secundum qu0d causa sumitur in communi pro causa conse

quentiae et non pro causa consequentis, sicut causa est, quae causat decursum syllo

gisticum per dici de omni et dici de nullo; sic enim logica est scientia de ratione

argumentativa. Ebend. De praedicab. I, 1, p. 1. B: Et hic modus (sc. scientiae)

est per actum rationis, qui ratiocinatio sive argumentatio est, de cognitione cogniti

procedens in scientiam eius, quod erat incognitum (s. Anm. 15.), secundum quod

Isaac in libro de diffinitionibus rationem. diffiniens dicit, quod ratio est animae in

tellectudlis virtus faciens currere causam in causatum.

400) Ps.-Averr. Quaes. f. 376. r. A.

394 XVI. Moses 'Maimonides. Levi Gerson.

versen der Unterschied der „demonstratio quia“, und der „demonstratio

propter quid“*"'), sowie das Verhältniss zwischen Demonstration und

Definition *"*) und die , näheren Bestimmungen über , die Definition

selbst 408). -

Auch das fast berüchtigte Bueh De causis, welches jedemfalls auf

arabische Litteratur , als seine letzte Quelle zurückweist (s. d. folg.

Abschn.), konnte in der logischen Controverse über- die Universalien als

Auetorität für eine bestimmte Parteistellung benützt werden *°*). •

Die Leistungen der Araber und namentlich des Averroes wurden,

wie bekannt, hauptsächlich in Spanien durch die J u d e n dem abend

ländischen Betriebe der Philosophie vermittelt *°°). Sowie aber dieselben

überhaupt in völliger Abhängigkeit , von ihren arabischen. Vorgängern

litterarisch thätig waren, so- ist es auch auf dem speciellen Gebiete der

Logik nur : Weniges, was wir hier über sie berichten müssem. *

Wenn auch M o s e s M ai m o m i des (geb. 1135, gest. 1204), wel

cher fälschlich für einen Schüler des Averroes oder des Avempace ge

halten wurde *"°), auf jüdisehe und christliehe Theologie einen ziemlich

bedeutenden Einfluss ausübie, so ist seine hieher gehörige Schrift

„Vocabularium logicae* *"") in der That kaum erwähnenswerth, da sie

lediglich ein Excerpt der gewöhnlichsten Schuldoctrin enthält *°°).

Einigermaassen bedeutender ist L e vi- B en • G er s o n (genannt Ma

gister Leon, in der Mitte des 14. Jahrh. blühend), dessen Commentare

zur Isagoge, zu den Kategorien, und zu De interpr. bereits von den

ihm gleichzeitigen Lateinern benützt wurden 49°). Er folgt. bei seiner

Exegese allerdings Satz für Satz, und. Zeile für Zeile dem Averroes,

ohne jedoch die Auffassung desselben stets zu seiner eigenen zu machen.

Mit Entschiedenheit vertritt er die Ansicht, dass die Logik Nichts wei

401) Ebend. f. 377. w. B. Div. Ar. Quaes. f. 381. v. B. •

402) Ps.-Averr. Quaes. f. 377. r. A u. f. 379. v. A.

403) Ebend. f. 378. r. B u. v. A. •

404) Albert. M. De praedicab. II, 3, p. 14. A: Etiam per hoc confirmant hoc,

quod dicunt, quod in Libro de causis multipliciter probatum est, quod res in causa

non est nisi per modum et virtutem effecti per causam ....... Effectus autem indivi

duus et singularis est; ergo forma, sive substantialis sive accidentalis, in effectu

procedens ab inlelligentia* individua est et singularis. Universale autem nec indivi

duum nec singulare est; universale ergo in effectu naturae eætra intelligentiam pro

cedens non est; in solis ergo et nudis purisque intellectibus positum est.

405) Ueber. diese Werdienste der Judem s. Renun, Averr. et I'Averroisme, p.

148 ff. und Munck, Ductionn. III, p. 362 f. Munck's Artikel ,,Juifs** hat B. Beer

unter dem Titel ,,Philosophie und philos. Schriftsteller der Judem etc.“ - Lpzg.

1852. 8. besonders herausgegeben. - -

406) S. über ihn Munck, Diclionn., IV, p. 21 ff.

407) Gedruckt Venet. 1550. 4. ,

408) Auch wenn z. B. Albert. M. De praedicam. III, 1, p. 122. A sagt: Inter

praedicabilia, quae sunt de natura accidentium substantiae, primum occurrit praedi

cabile, quod est quantitas, eo quod hoc immediate sequitur, ut dicit Rabbi Moyses,

so lohnte es sich nicht der Mühe, sich hiefür eigens auf Moses zu berufen (vgl.

Amm. 205). - -

409) S. über ihm Munck a. a. 0. III, p. 364. Gedruckt sind die genanntem

Commentare zusammen mit jemem des Averroes in, den Ausgaben des Aristoteles

(Anm. 11. u. 288). .! .* . . . . -

XVI., ; Levi Gersom. 395

teres als blosses Werkzeug der. Wissenschaften sei *'"), und er bietet

den Lateinern die vom denselben reichlich befolgte gute Lehre dar, dass

der Logiker von aller übrigen Wissenschaft sich fern , halten könne, so

dass , auch diejenigen sich hierauf berufen durften , , welche, den Streit

über die Universalien für die Logik bei Seite liessen *''). Bezüglich

der Aufnahme der Isagoge in das 0rganon bestreitet er direct obige

(Amm. 294) Ansieht des Averroes und schliesst sich an die übliche

Weise der Commentatoren an *!*); die Erörterung der gewöhnlichen

Controversen über die fünf Universalien bielet ausser einem Citate aus

Averroes Nichts hemerkenswerthes. dat * 1°). Die drei zunächst nach

der Isagoge folgenden Bücher, nemlich Kategorien, Lehre vom Urtheile

und erste Analytik, bezeichnete er ebenso wie der Verfasser der Epi

tome (Anm. 348) als Erörterungen, welche allen fünf nachfolgenden

Werfahrungsweisen gemeinschaftlich seien, so dass das den letzteren

Eigenthiimliche den zweiten Haupttheil der Logik bilden muss *'*).

Bei den Kategorien selbst, welche er ausschliesslich nur in realistischem

Sinne verstanden wissen will 41°), beschäftigt ihn unter Anderem haupt

sächlich die Eintheilung in Substanz und neun Accidentien, sowie die

Frage über die Priorität der Quantität vor der Qualität **"); auch mag

410) Ad Porph. f. 1. r. B: Dicamus itaque , quod haec ars dirigit intellectum,

ut diiudicet inter verum et falsum, .... et sic hanc artem non esse scientiam, sed

organum ad scientias, est perspicuum.

411) Ebend. f. 1. v. A: Haec ars est principium ad omnes scientias, el ideo

non oportet professorem huius scienliae habere notitiam de aliis scientiis, et idcirco

non debet considerare in hoc libro de his nominibus nisi quatenus sunt logicalia;

nam circa esse ipsorum, universalium variae eaestant 0piniones apud sapienles.

412) Ebend.: Sed apud nos est quidem necessarium, ut sumatur initium ab

ipso (sc. introductorio) in hac arte, quoniam, cum initium huius artis sit de signi

ficatione simplicis locutionis et dentur in ea quaedam nomina, quae univoce dicuntur,

..... hac ratione nomina - entium possunt reduci in eaciguum numerum ...... Adde .

etiam, quod quicunque aliquem librum ediderit, profecto debet praeponere universalia

particularibus.

413) Nemlich gelegentlich der verschiedenen Definitionem des Accidens sagt

Levi (f. 7. r. B): Tertia definitio est, quae dicit, quod non est genus neque species

neque differentia neque proprium et semper eæistit in subiecto, et haec definitio est

data in arte topica vel dialectica, ut dirit Averroes in summula sua logicali; et re

vera est descriptio et non definitio. Jedemfalls suchen wir diese Notiz in der Epi

tome (s. Anm. 290.) vergeblich.

414) Ad Praedicam. f. 12. v. A: Aristoteles praeposuit in hac arte logica tres

libros, qui sunt communes quinque artibus (s. Anm. 275.), quarum sententias decla

ravit in reliquis quinque libris, et illi tres libri, qui sunt communes cunctis artibus,

sunt liber Praedicamentorum et Perihermenias et Priorum.

415) Ebend. f. 13. v. B: Aristoteles ...... vult tractare de his (sc. categoriis)

in hoc loco, quatenus ezistunt eætra animam, non quatenus significant affirmationem

vel negationem, quae est in anima.

416) Ebend.: Hic tamen posset , quis dubitare, cur Aristoteles non divisit entia

in duo genera suprema tantum, nempe in substantiam et accidens, cum videatur

accidens univoce dici de omnibus praedicamentis accidentis; ad quod dicendum est,

• • • • • quod hoc nomen ens dicitur secuiidum prius et posterius de cunctis praedica

mentis, nam per prius dicitur de subslantia et per posterius de eorum ordine, ut si

diaceris, quantitatem esse primum accidens, quod recipiat ipsum corpus et per ipsam

recipiat qualitatem ...... Dignum praeterea investigatione videtur, quodnam acciden

tium sit prius in substantia, utrum scilicet quantitas vel qualitas ..... Sed veritas

396 XVI. Levi Gerson.

noch erwähiit werdem, lass er ähnlich wie Gilbertus Porretanus (Absehn.

XIV, Anm. 491) die Kategorie des facere durch alle übrigen Kategoriem

hindurchführt* 17) und sehr ausführlich über quando, ubi und situs

spricht ***). Bei Erklärung des Buches De interpr., woselbst er ge

legentlich die übliche arabische Eintheilung der Logik in der Termino

logie „formatio“ und „verificatio“ (vgl. Anm. 346) vorbringt *1°), be

zeichnet auch er (vgl. Anm. 260 u. 357) das privative Urtheil als eine

eigene Species **°), schliesst sich aber, sowie er die das arabische

Verbum betreffende Bemerkung (Anm. 310 u. 356) erklärlieher Weise

auch für das Hebräische wiederholt ***), in allem Einzelnen völlig an

Averroes an.

Somit liegen nun sämmtliche Ingredienzien jenes logischen Betriebes

vor ums, welcher mit dem Eintritte des 13. Jahrhundertes im Abend

lande beginnt, umd der erste Abschnitt des folgendem Bandes wird dar

legen müssen, wie die boethianische Tradition des früheren Mittelalters

und die erwachende Leclüre sämmtlicher Schriften des Aristoteles und

die Aufnahme byzantinischer Litteratur und die Kenntniss der Leistungen

der Araber manigfach mebeneinander treten oder sich vermischen, und

hiedurch eine neue Epoehe, und zwar die üppigste und extensivste,

für die mittelalterliche Logik eintritt.

huius negotii est, quod qualitas individua est prior in ipso subiecto ipsa quantitate

propria, ..... sed absolute et simpliciter loquendo quantitas ipsa absoluta est prior

in ipso subiecto qualitate absoluta.

417) Ebend. f. 24. v. A.

418) Ebend. f. 25 f.

419) De interpr. f. 35. v. A: Scientia vel habetur per eonceptum simplicem et

nominatur apud Arabes formatio, vel per nolitiam complezorum et nominatur apud

Arabes verificatio; simpleae igitur conceptus est notitia rei per dictionem simplicem

significatae, i. e. quidditatis unius rei etc.

420) Ebend. f. 36. r. A.

421) Ebend. f. 36. v. A.

R E G I S T E R.

A, E, I, 0 275.

Abälard 160 ff. -

Abbo v. 0rleans 51.

abstractio 209, 248.

Abumazar 301 ff.

accidentale 326, 343.

Adalbero 58.

Adam v. Petit-Pont 104, 211 f.

Adelard v. Bath 140 f. -

adiacenter 130.

adiacentia 179.

aequipollentia 197, 268.

agens 386. -

Alamus v. Lille 258 f.

Alberich 229.

Albericus v. Casino 76.

Alcuin 14 ff.

Alexander Aphrodisiensis 299.

Alfarabi 301 ff.

Algazeli 361 ff.

Alkemdi 301.

ampliatio 288.

Anna Comnema 263, 293.

Anonymus De gener. et specieb. 143 ff.

De intellectibus 205.

De interpret. 204.

De unit. et uno 228.

Sangall. De part. loicae 63 f.

De syllog. 64 ff.

sec. XI, 59 f.

Anselmus v. Canterbury 85 ff.

Antepraedicamenta 76, 169, 273.

anliqui 229.

und moderni 116.

appellatio 288.

Araber 297 ff.

Aristoteles, neue Uebersetzungen des

106 ff. -

Arnulph v. Laon 77.

Avempace 373.

Averroes 374 ff.

Avicenna 318 ff.

Bartholomäus 230.

Berengarius 72 ff. -

Bernhard W. Chartres 125 f.

v. Clairvaux 111.

Bernward v. Hildesheim 51.

Burgundio v. Pisa 106.

Byzantiner 261 ff.

catasyllogismus 257.

Collegium Constantinopolitanum 263.

colligere 140 ff., 219.

combinationes 358.

conceptio 205.

conceptus communis 26.

conformitas 220, 250.

consimilitudo 179.

Constantin der Karthager 83.

contingens u. possibile 198.

copula 196, 266.

copulatives Urtheil 357, 366.

Cornificius 231 f.

credulitas 361.

Damiani 68.

David v. Hirschau 230.

Definition 134 ff., 192.

demonstratio nobilissima 313.

quia u. propter quid 317,

359, 372, 394.

Differenz s. Porphyrius.

dignitates 316.

Dionysius Thrax : 290.

dirigens 386.

disjunctive Schlüsse 369, 381.

disparatum 386.

distributio 289.

398 Register.

dividentia 197.

dividuum 221.

Drogo v. Troyes 107.

dualis 379. .

eloquentia 235 ff.

peripatetica 168.

ens 307.

Eric v. Auxerre 41 f.

Esels-Beweis 210.

essentiale 364 f.

eæponibilia 289.

facultates 371.

fallaciae 371.

Farabi 301 ff.

forma substantialis 217.

formae nativae 218.

formatio 396.

Formelbücher 71.

Franco v. Lüttich 67.

Fredegisus 17 f.

Fulbert v. Chartres 59.

Galenische Schlussfigur 295, 380, 389.

Garmumd 123. - - , •

Gattungsbegriff s. Universaliem. • • , , ,

Gaumilo 86. • • • .

Gauslenus v. Soissons 142. * * *

Gazali 361 ff. - -

Gerbert 53 ff.

Gersom 394. -

Gilbertus Porretanus 215 ff.

Gislbert v. Rheims 53. , • • *

Gunzo Italus 49 f. . , *

Honorius v. Autum 97. .

Hrabanus Maurus 19 ff.

Hugo' v. St. Victor 111.

Huguccio 125. -

ù7τέ9εσις 280 ff. - -

hypothetische Schlüsse 310, 358, 381.

u. disjunct. Schlüsse 369,

381, 389. v .

Jacobus v. Wenedig 99.

Ibn-Badscha , 373.

—Roschd 374 ff.

-Sina 318 ff. - - -

identitas 220. : -. . . .

Jepa (?) 43 f. * •*. •

imaginatio 361. . * ' , '•' ',

indifferentia 243. •* • . ; *

Indifferenz-Lehre 138 f. *, *

individualiler 129 f.

inesse 189.

informare . 129,

Intellectualismus, 205, 347 f., 365.

intellectus 182 ff. -

b. d. Arabern 299.

eonceptus, 182. -

coniungens et dividens 208,248.

Johannes v. Gorz. 49.

Italis 293 f. . . . .

v. Salesbury 232 ff. „,, , . .

Johannes Scotus Erigena 20 ff. -

Serlo 230.

Joscellinus v. Soissons 142.

Irnerius 71.

Isidorus Hispalensis 10 ff.

Juden 394.

Jurisprudenz 69.

Kategorien 152, 188, 223, 307, 351, 365.

Kendi 301.

Lamfrancus 70 ff.

Levi Ben Gerson 394 ff.

Logik, alte u. neue 116.

maneries 124, 356.

Mamerius 230.

Mapes 230.

materialiter imposita 156.

materiatum 145, 177.

Memorial-Worte 272, 275.

m0dalis 157.

moderna via 262.

moderni 82, 195, 241.

u. antiqui 116.

monstra 251. • I • • • . \

Nicephorus Blemmides 295. ' ;

Nominalismus 122. , -

u. Realismus 35 ff., 118.

nominaliter 30.

notio 251.

Notker Labeo 61 ff.

0thlo v. Regensburg 68.

0tto v. Cambrai 82 f.

v. Clugny 45. -

v. Freising 105, 227.

Papias 69.

parilitas 329.

Parteispaltung betr. d. Universalien 118 ff.

perihermeniae 12. -

Petrus Hispanus 264 ff.

Lombardus 110.

v. Poitiers 213 f.

Platomiker 125.

Poppo 48. -

Porphyrius, Isagoge des 7 f., 117 ff., 324,

330 ff.

p0ssibile und contingens 198.

post hoc, ergo propter hoc 391.

Postpraedicamenta 169, 274.

potentia u. potestas 351.

praedicabilia 272.

praedicamentalis 243.

praedicari 181 ff.

in quid 147.

quasi in quid 345.

praedicatum primum 315.

praemissa 309.

privatio 352.

propositio absoluta 379.

proprium s. Universalien.

Psellus. 264 ff. . . ;

Pseudo-Abàlard 204 ff.

Register. 399

Pseudo-Averroes 385 ff.

-Boethius De trin. 20, 108 f.

De unit. et uno 228.

-Eric 43 f.

-Hrabanus 37 ff.

Quaesita Arabum 392.

quiddilas 325.

Raimbert v. Lille 82 f.

rationale 13, 55.

Realismus 128 f.

u. Nominalismus 35 ff , 118.

Rechtswissenschaft 69.

Reginaldus 230.

regula de quocunque 273, 351.

Reinhard v. Würzburg 49.

Remigius v. Auxerre 41.

res- de re non praedicatur 175, 252.

Rhabanus Maurus 19 ff.

Rhetorik 292.

Robert Amiclas 230.

v. Melun 214.

W. Paris 77.

Pulleyn 213.

Roscellinus 77 ff., 122 f.

Salomonis Glossarium 47.

Sanct Gallem 46 f., 61 ff.

Scotus Erigena 20 ff.

onucroto. 279 ff.

Sensualismus 123.

sermo 66, 174 ff., 236.

sermocinalis 112, 323.

Sertorius 230.

seae principia 223 ff.

significatio 279 ff.

dictionum 363.

significatum 123.

Simeon 3.

Sophist. Elenchi 318.

species s. Universalien.

status 137 f.

substantiale 326 ff.

sumptum 184.

suppositio 280 ff.

Syllogismen, Lehre von dem 158, 199 ff.,

256, 275 f., 310 ff., 357 ff.,

368 ff., 380 ff.

hypothetische 203, 310, 358,

381 u. disjunct. 361, 389.

syllogismi imperfecti 199.

Sylvester II. 53 ff.

syncategoreumata 148, 191, 256, 266,

279, 289, 378.

Syrer 300.

terminorum proprietates 279 ff.

ternalis 379.

Theilbegriff 135, 193.

Themistius 293, 385.

Theologie 72 ff., 108.

theophrastische Schlussmodi 380.

Topik 159, 200 f.

universale intelligitur, singulare sentitur 29.

Universalien, Streit über die 118 f.

ante rem, in re, post rem

306, 349 f.

in re 249.

Urtheil 148, 154, 182, 195, 308, 356,

366, 379. -

verbaliter 30.

verificatio 396.

via moderna 262.

vocalis 31.

voces signativae 60.

vocis flatus 79. .

vocum imposilio 166, 181.

Walter Mapes 230.

v. Mortaigne 137 f.

Walther v. St. Victor 221.

v. Speier 52.

Wilhelm v. Champeaux 128 fr.

v. Conches 127 f.

v. Hirschau 83.

v. Shyreswood 264 ff.

Williram v. Soissons 229.

Wolfgang v. Regensburg 51.

Druck von C. P. Melzer in Leipzig.