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GESCHICHTE

DER

LOGIK

ABENDLANDE.

VON

Dr. CARL PRANTL,

PROFEssOR AN DER UNIVERsITÄT UND MtTGLtED DER AKADEMIE ZC MÜNCHEN.

DRITTER BAND.

LEIPZIG,

V E R L A U VON S. HIRZEL.

1867.

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VORWORT.

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Seit dem Erseheinen des zweiten Bandes ist wohl eine längere Zeit,

als mir selbst und vielleicht auch dem Publicuni lieb war, verflossen, bis

nunmehr allerdings noch nicht • der Schluss des Ganzen, sondern nur die

gegenwärlige Fortsetzung hervortreten konnte. Die Entschuldigung, auf

welche ich hiefür Anspruch machen möchte , wird der billig denkende

Leser darin finden, da'ss eine derarlige Arbeit bei der erdrückenden Masse

des Materiales unmöglich rasch fortschreiten kann, wenn sie nicht in sol

cher Weise gerathen soll, dass über , kurz oder laflg ein anderer Forscher

sich wieder _ die pemliche Aufgabe stecken müsste. Nothwendig musste

ich das Ziel im Auge haben, die ganze Untersuchung, deren Schwierig-

• keit hauptsächlich in der fast unglaublichen Menge ihrer Gegenstände liegt,

möglichst zu einem wissenschaftlichen Abschlusse zu bringen, soweit

wenigstens unsere gegenwärlig erreichbare Kenntniss dieses ganzen Litteraturzweiges

diess verstattet.

Ohne den Vorwurf der Unbescheidenheit befürchten zu müssen, darf

ich wohl sagen, dass ich eine Entdeckungsreise in bisher fast unbekannte

Gegenden der Litteratur unternommen habe; und dass keine dergleichen

Bedenken, wie sie bei manchen Reise-Berichten betreffs der Wahrheit des

Erzählten auftauchen können, etwa auch hier Platz greifen möchten, dafür

glaube ich mit ängstlicher Gewissenhafligkeit durch den sicher nirgends

fehlenden Quellen -Nachweis gesorgt zu haben.

Aber sowie ich Grund zu der Meinung habe, dass mir aus dem

Umkreise des gedruckten Materiales wohl nichts Wesentliches entgangen

sein dürfte, ebensosehr kann durch dasjenige, was. gegenwärlig noch in

Handschriften verborgen liegt, nicht nur manche wünschenswerthe Berei

IV Vorwort.

cherung oder Ergänzung meiner Forschung sich ergeben, sondern mög

licher Weise auch das eine oder andere Ergehniss derselben umgestossen

werden. Dass ich die gelehrten Genossen meiner Studien hiemit nur

bitten kann, nach diesen beiden Seiten sich zu bethäligen, versteht sich

von selbst. Herr S. Barach hat aus Wiener Handschriften eine ergän

zende Bestäligung zu meinem zweiten Bande veröffentlicht; die Bibliotheken

Frankreichs und Englands würden ohne Zweifel noch viele Veranlassung zu

Demjenigen darbieten, was mir Mfn Interesse der geschichtlichen Wahrheit

als wünschenswert!) und erforderlich erscheint. Blosse Behauptungen aber,

wie sie z. B. ein französischer Gelehrter gegen einen principiellen Punkt

meiner Untersuchungen :gekehrt 'hati'(s.. S. 18X"'dieÄen !nid»t dazu, die

Wissenschaft in solch schwierigen Fragen zu fördern. '.,,: i ,|, , •• .

l Dass ich mit der Fortsetzung ' und schliessliehen Erledigung des Ge-

'sammt-Umkreises meines Themas unablässig beschäfligt bin, bedarf keiner

weitern Beteuerung. Ich habe mir1 einmal diese Lebensaufgabe gestellt

und kann nur hoffen , dass mich die Kraft zur Vollendung des Ganzen

nicht verlassen möge.1 .•:.!. .;i m: . •': ' '. M.l . l ,:••

München, im Decembe'r 1066i

C. Prantl.

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T, ";! ! ÜBERSICHT DES tNHALTES; ,' '.!!,..."-l ;.

Seile

XVII. Abschnitt. Erstes Auftreten des byzantini

schen, aristotelischen und arabischen

StoffeStini lateinischen Abendlande . . . ' l — 144

Wiedererwachen des Altertbumes in Bezug auf Phitosophie 1. , ; . .;,

Uebersetzungen aristolelischer und arabischer Schriften 3. Alte

und neue;Logik 4. Antoli, Johannes Basingstokes, Heinrich von . - l yty

Brabant 5. David von Dinant und Amalric von .Ben, Balduin (i.

Das 'Buch De causis 8. Die Mächt des neuen Stoffes 9.

Die byzanlinische Logik des Pseltus; ihr ällester ioteinischer

Bearbeiler Withelm Sbyreswood 10. Die ioteinischen Memorial-

Verse 13. Die Lehre von proprietales lerminorum 17. Die sgncalegoreumata

19. Lambert von Auxerre als zweiler Vertreter ' •

dieser Logik 25. Petrus Hispanns nur Uebersetzer 34. Druck-'

ausgaben seiner Summutae 35. Inhalt derselben 41. Proprietales

lerminorum: supposilio 51, amplialio, restriclio 56, appeliolio 57, '

restrielio 58, distribulio 60. Exponibilia 67. Lücketa in der Ge-!, ' ""'

schichte der Logik 74. '•'' ''''•'' ' ' ''''1

Die aristolelisch-arabische Logik 74. Alexander Alesiusj Wit- '

heim jon Auvergne 75. Vincenz v. Beauvais 77 ; die Universa

lien 79, die Kalegorien und deren Ergänzung aus Gitbertus'"'

Porretanus 81, beim Urtheite spätere Interpoiolionen 82; Syl-'!, !"

logislik 84. Robert Capito von Lincoln 85.

Albertus1 Magnus, umfassender Stoff- Lieferant und unverstän

diger Cömpitalör 89; Sleltung der Logik 91 ; widerspruchsvolle" Ml1

Aeusserungen über die Universalien 93; die Einheit der Wesens-"' ' ' !i

form und das Princip der Individualion 97; die Isagoge lOOj"""

die Kalegorien und Gitbertus Porretanos 102; das'Urthell' 103;

die Analyliken 105; die Topik und Sophistik 10l Thomas1 Tort': !" '

Aquino, abhängig von Albert 107; gleichfalls Widersprüche in

Auffassung der Universalien 109; Princip der IndividUäliön'llS;

De enle et essenlia, Kalegorien, Urtheit 116; zweite Analylik; •"-' !

Sophislik 118. Pseudo-thomas 118. Bonäventura 119. Roger "'•

Baco 120; seine angebliche Werthschätzung der Erfahrung 123J :l--

Myslik in der Universalienfrage "125." ''''•'''• 'i11 ' ":•' '':"-l "

vi Uebersicht des Inhaltes.

Allmälige Erweiterungen der byzanlinischen Logik durch den

fortgesetzten Schulbetrieb (die Autoren nicht näher bekannt) 129;

zunächst beim hypathelischen und modalen Urtheite 130; so

dann bei den proprietales lerminorum 132; hauptsächlich aber

Entstehung der Lehre von den Consequenliae 137; leise Spuren

der späteren Obligatoria 143.

XVIII. Abschnitt. Raimundus Lullus 145—177

Isolirle Steltung desselben 145. Seine zahlreichen Schriflen 146.

Geringschätzung der gewöhnlichen Logik 149; dennoch Bearbei

tungen derselben anf byzanlinischer Grundioge 150. Seine Ars

maijna 155; ob dieselbe auf kabbalislischer Quelle beruhe 155.

Das Alphabelum 157; die Figurae 158; die principia und regutae

162; die Tabuio generalis 163; die weiteren Manipuiotionen 166; / !l f '

die applicalio 169; die Technik der Anwendung der, grossep , j

Kunst 171; die Encyclopädie der Wissenschaften 172, Die, ...,

Nova logica als Mlttelding zwischen der gewöhnlichen Logik

und der Ars magna 175; Ein catalonisches CÖmpendiüm 176. " ,

XIX. Abschnitt. Allmälige Formulirung verschie

dener Partei-Ansichten ...... . . '. ,r' ,178—420

Wirkung der gesammteu neuen Stoff- Zufuhr 178. Schul

unlerricht; Heinrich von Andly 180. Die bunle Parleispaltung;., i . ,,

welche weder, durch „Nominalismus und Realismus" noch,iduflch .,,•!!

„Thomismus und Scolismus" . ausgedrückt . werden kann 181.

Die arabische Drei-Steltung der Universalien antf ren,, in n, . ,, |.

fost rem bei sämmtlichen Autoren 182. Kein Piotonismus, nur

die Auctorili,l aristolelisch -arabischer Slellen und des byzan

linischen lerminus 183. ; ^,, i i .. ,

Der erste Anstoss der Streiligkeilen im principium individualionis,

Stephan Tempier 184, und gleichzeilig in der unitas

formae, Robert Kitwardby 185. Johannes Peccam 188. Withelm,

Lamarre 189. Heinrich Göthals von Gent,, ein Musler der Un,-; n ..[

kiorhelt 190. Vertheidiger des Thomas: Aegidius von Lcssin',s

195, Bernhard von Tritia, Gattfried von Fontaines 196; ;das,'.: : .i

Defensarium fratris Tbomae des Jobannes Parisiensis 200. Thor

mas Docking, Olivier Brito, Jacabus de Ravanis, Konrad von. ,.,

Halberstadt 201. .. ., 1 -, ;i:,:,. . '.. : •' ,-.'. :.. ,•

Duns Scatus; sejne .Schriften 202.,; Steltung und Aufgabe der i,,,.,

Logik 203. Conceptualismus 206. Die Universalien in den Dingen ,! ,..

and formell im Denken 207; intenlio prima und secunda 208;, , .; ,

die species intelligibitis 210; modm signifiaandi-215. Das Princip,, .. ,.,.,(

der Individualion, haecceitas, enlitas posiliva 217. Formalitalen, ,.

Identität und Nicht-Idenlität 220. Pluralitas formarum 221;,; »n- ,

lensio et remissio formae 223. Isagoige 223; Kategorien, Uithei|., :,,,,,

224; Aufnahme byzanlinischen Stoffes 225; Krilik der gewöhB-, ,, .. :|

liehen Lehre über die Umkehrung, der Ürtheite 228; iSyliogis- •;.. ,'i

Uebersicht des Inhaltes.

rm,s mlt Beiziehung byzanlinischer Tradilion 230; zweile Ana-' -

lylik, Sophislik 232. ü ••"

Sleigerung der Parlei -Unlerschiede 232. Dominikaner und

Franziskaner 233. Zunächst Gradabstufungen eines Uebergcwichtes

der scolislischen Lehre. Siger von Brabant im Anfange

seines Auftrelens Scatist 234; Richard von Middleton gegen ei

nige Annahmen des Scolus und jedenfalls gegen Uebertreibungen

des Scolismus polemisirend 235; Petrus von Auvergnc mit scolislischen

Ergänzungen zum Thomismus 238; Alexander von ''

Alessandria in engerem Anschlusse an Scatus 240, sowie in

gleicher Denkweise wahrscheinlich auch Gerhard von Bologna '

und Radalph Brito 241. Dann hingegen manigfalliges Ueberwiegen

des Thomismus: Petrus von Abano 243; mehrere uns!

unbekannte Autoren, deren Schriften später für Erzengnisse des

Thomas selbst gehalten wurden 244 ; ein solcher Pseudo-Thomas ' •

auch der Verfasser einer Summa lolius logicae, nicht unwichlig ' ;

betreffs der Syllogislik 250; Aegidius Romanus manche scolislische

Elemente beimischend 257, besonders in der species in- ; '

lelligibitis 260, im Princip der Individualion 262 , und in • der ""

unitas formae 263.

Fortsetzungen dieser Richtungen in abermaligen Varialionen: i1

Herveus Natalis, zwischen Thomas und Scolus slehend in'der-' ""

Frage über intenlio 264, sowie über die Uaiversalien 267; hin^1 •

gegen etwas näher dem Thomismus im Princip der Individualion -

und in der unitas formae 269. Johannes Von Jandun in einiger : '

Hinneigung zu Halb-Scolisten 273.; 'Johannes von Neapel 274.

Anguslinus Triumphüs vou Ancona, betreffs der inleulin Anhänger

des Thomismus 274. AntonWs Andreas Vorkämpfer des Scolis- ••'

mus, jedoch mlt einigen thomisliscben Modificalionen 278. • ''•• :•'•'

Hierauf mehrere Autoren, deren jeder einzelne füi» sich gleich-'-"

sam eine Parlei repräsenlirt : Ffanctecus Mayron, wohl scolisiisch, •"

aber mit einer .nur darch die allgemeine Zeitströmung gehemmten1'.'

Richtung zum P1atonismus 283, zugleich der erste mltleioller- "

liehe Vertreler des Princips' -der Idenlität und des Widerspruches • : \

287, und Bearbeiter, der formalitales 288. Durand von Pourcain,. '

polemisch gegen Scatus und gegen" Thomas seine eigenen 'Wege ""

gehend in Auffassung des ens ralionis und des abstrahirenden

Denkens 292, sowie dem Scolus sich nähernd im Princip der

Individualion 295. Waller Burleigh, der Vertreter einer ganz

eigenthümlichen Gleichberechligung des aristatelischen Conceptualismus

und des realislischen Piotonismns 297. Armand von

Beauvoir, einen ähnlichen Dualismus, besonders betreffs der intentio,

auf thomislischer Grundioge durchführend 306. Petrus

Patudanus, in den Universalien Halbthomist, im Princip der In

dividualion Scolist, in der unitas formae Thomist 311. Johannes

Graliadei von Ascoli, ein bis zur realislischen Uebertreibung des

Scolismus fortschreilender Halbthomist 313. Johannes Bacontborp,

halbthomistischer Objeclivismus 318. Petrus Aureolus,

viii Uebersicht des Inhaltes.

durch Polemik gegen Thomas und gegen Scolus auf einen ver

mitlelnden Standpunkt geführt 319; seine Betonung der vox expressiva

conceptus 319, sein Conceptualismus und doch Bekäm

pfung der species inteliigibitis 320, scolislisches Princip der

Individnalion und thomislische m,itas formae 326.

Withelm Occam, bisher durch theologisirende Geschichtschrei

bung entstellt 327 ; seine Schriflen 329. Die Logik eine prak

lische Discipliu 330 ; dabei aristolelischer Empirismus 332.

Letzler Grund der actus intelligendi 335; psychische Gebitde :i

(fictum, idotum, simuioerum) den Objecten schlechthin adäquat •i

336. Eben hindurch aber ein Schwanken zwischen Subjeklivismus

und Objeclivismus 337. Der actus inlelligendi ein inneres Urlheit : . ,

339; Verhältniss des Wortausdruckes zum inneren Vorgange 340. •: - ,

Impositia .prima und secunda, sowie inlentio prima und secunda

341. Die Universalien 343; nicht „Nominalisl", sondern „Ter- .,..

minist" 344. Abstrahirende Thäligkeit 346, ausgedrückt im ieiv,i. ,1 . ,.

minus 347; hiemit Uebergewicht des Urlheites 349. Krilik der .1 ,1

Ansichlen Anderer über die Universalien 349, besonders des

Scatus 354. ,: In der eigenen Auffassung betreffs der objecliven

Geltung der Universalien abermals ein Schwanken 358. Das

Princip .der Indivjdualion 359. Die unilas formae 361. , ..••!•. .'l

Occam'fl.Cpmpendium der Logik 361.. Die Lehre vom lerminus , ..;,:!

362. Die Unjversalieu 365, Definilion und Beschreibung 366; .. .1 t

anderweilige Zusätze 368. ; Die , Kategorien, 369 [, ursprüngliche

Dreizahl derselben 3,72. ;, Die Lehre:, von, der ..supposilio 373.

Das Urthe.it auf, by/.-",liuischcr .Grundlage 379; Eintbeitungen

desselben 3.8.0,, .'die .Negalion 381 ; die Wahrheit der Urtheite 382;

das modale Ufthejl 3S5/,,, die, exponiblen Urtheite 386; die Um- ',;,

kehrung der Krtheile, 392, besonders der modalen 394; da»,.

hypathelische Unheit 3%. Die , Argumentalion 397; der ka*- , ill

tcgoriseho Syllogismus 397,; .die,, modalen Schlüsse 401;; die.j .,,,,-

exponibleni:SieWü»se 408. . Die zweite Analylik 409;. die Defii,

nilion 41ft,| Die;Lehr,e von Consequentiae 411, wobei die Aequi-,,n .,;)

pollenz und,, Entgegensetzung der Urtheite 415. Die Topik 418, ! •,:,.,

die Induction, 418. Obligatoria und Insotubitia (spätere Intern, n .\ '_

poiolionen),419. Die Sophisük 420. :„.,. ,,,,,,.. ,r,-,,, .. .-,m, ,,.,

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XVII. ABSCHNITT.

ERSTES AUFTRETEN DES RYZANTINISCHEN, ARISTOTELISCHEN UND

ARARISCHEN STOFFES IM LATEINISCHEN ARENDLANDE.

Hatten die beiden vorhergehenden Abschnitte die Aufgabe, zwei

Gruppen der Litteratur zu schildern , welche vom 1 3. Jahrhunderte an

den Verlauf der Logik dauernd beeinflussten, — nemlich das byzanli

nische Compendium des Psellus und die das Organon betreffenden Lei

stungen der Araber —, so kann nun der geschichtliche Faden wieder

da anknüpfen, wo wir ihn am Schlusse des XIV. Abschnittes verliessen,

d. h. an der Grünzscheide des 12. und des 13. Jahrhunderts. Nur muss

selbstverständlicher Weise die allbekannte Thatsache hinzugenommen wer

den, dass gleichzeilig mit den byzanlinischen und arabischen Erzeugnissen

auch die sämmtlichen uns zugänglichen Schriften des Aristoteles und eiii

grosser Theil der Commentatoren desselben dem Mittelalter kund wurden,

so dass hiemit für die Logik all dasjenige , was ich im IV. und im IX .

Abschnitte ausführlich darzustellen versuchte, nunmehr einen belangreichen

Theil der dreifachen neuen Stoff-Zufuhr ausmachte.

Aber eben bezüglich dieses letzteren Quellenkreises drängt sich eine

Bemerkung auf, welche nicht bei Seite gelassen werden kann, selbst auf

die Gefahr hin, dass es fast als lächerlich erscheinen mag, Dinge beson

ders hervorzuheben, welche ohnediess Jedermann weiss. Sowie jedoch

häufig gerade die bekanntesten Thatsachen nicht in ihrer ganzen Trag

weite erfasst werden, so kann auch wohl nicht oft genug hervorgehoben

werden, dass das sogenannte Wicdererwachen des Alterthums für Philo

sophie, Mathemalik und Naturwissenschaften grösstentheils bereits im 13.

Jahrhunderte eben durch das Bekanntwerden des Aristoteles und der ara

bischen Littcratur stattfand. Und wenn auch die Geschichte der Logik

am betreffenden Orte es wahrlich nicht unterschätzen wird, dass von der

Zeit der eigentlichen Renaissance an ein frischerer naturalislischer Hauch

weht und allmälig gar viel scholaslischer Plunder über Bord fällt, so ist

doch andrerseits zu bedenken, dass, — um hier von Mathemalik, Chemie

und Medicin völlig abzusehen —, schon seit dem letzten Drittel des 13.

Jahrhunderts die ganze damalige gebildete Welt durch aristotelische Denk

weise geschult wurde und hiedurch hundertfällige Keime wirklicher Phi

losophie einsog.

Welch ein Unterschied gegen die früheren Jahrhunderte liegt schon

darin, dass es nunmehr nicht bloss ausschliesslich Logik gab, sondern

daneben mit gleichem Anspruche auf Beachtung jetzt auch Metaphysik,

Physik, Ethik und Polilik hintraten! Allerdings war all dieses eben nur

PRANTL, Gesch. III. t

2 XVII. Die Zufuhr neuen Stoffes.

Aristotelismus, und zwar ein bloss äusserlich aufgedrungener Aristotelismus,

welcher daher auch nicht in seiner Tiefe verstanden, ja häufigst

missverstanden und corrumpirt wurde; aher die unwillkürliche Erweite

rung des speculaliven Gesichtskreises , welche aus der Beschäfligung mit

den aristotelischen Schriften floss, ist für die Geschichte der „Philosophie"

jedenfalls von höherem Werthe, als all jener auguslinisch-christliche Platonismus,

welcher vorher cursirt hatte. Und sicher wäre beim Wieder

erwachen des Alterthumes in der wuchligen Masse des durch Neuheit

reizenden Stoffes der speculalive Sinn ertrunken oder hätte einer boden

losen platonischen Myslik den Platz geräumt, wenn nicht mit so grosser

Zähigkeit zwei Jahrhunderte hindurch die Disciplinirung des Denkens sich

durch aristotelische Lectüre festgewurzelt hätte.

So müssen wir es allerdings als einen Fortschritt begrüssen, dass aristo

telischer und aristotelisch-arabischer Stoff zugeführt wurde ; aber es ist da

mit noch beileibe nicht gesagt, dass es in dieser zweiten liälfle desMitlelalters

etwa irgend einen „Philosophen" gegeben habe. Denn eine gänzliche Abhän

gigkeit von der äusserlichcn Stofl'-Zufuhr ist und bleibt noch auf Jahrhun

derte hin der eigentliche Grundton, und zwischen den zahlreichen Autoren,

welche ja sämmllich ohne Ausnahme nur von fremdem Fette zehren , ist

einzig darin ein Unterschied bemerkbar, dass die Einen schwachköpfig,

wie z. B. Albertus Magnus und Thomas von Aquin , in gedankenloser

Auctoritäts-Sucht die verschiedenarligsten Stücke des fremden Gutes zu

sammenraffen, hingegen Andere, wie z. B. Duns Scotus, Occam und Marsilius,

wenigstens scharfsinniger den dargebotenen Stoff beim Worte zu

nehmen und folgerichlig auszubeuten verstehen. Dass aber, abgesehen

von solchen Gradabstufungen, Alle nur am Gängelbande des zugeführten

Materiales wandelten, erhellt schlagend schon aus dem Umstande, dass

es in dieser zweiten Hälfte des Mittelalters keinen einzigen reinen Platoniker

gibt (das Zeugniss eines Zeitgenossen hiefür s. unten An m. 571),

während uns noch im 12. Jahrb. mancher entschiedene Platonismus be

gegnet war. So mächlig, ja erdrückend, wirkte jetzt die Auctorrtät des

mit Einem Schlage eröffneten aristotelischen Stoffes, dass es erst der

Auctorität einer abermaligen Stoff- Zufuhr bedurfte, um zur Zeit der

Renaissance durch die florenlinische Akademie den Platonismus neu an

zufachen.

Insofern aber neben dem aristotelischen und arabischen Quellenkreise

auch der byzanlinische Stoff in seinen Wirkungen zu verfolgen ist, so

wird man wohl glauben, derselbe gehöre bloss der Litteratur der Schul-

Biicher an und habe mit dem arabischen Aristotelismus und den aus ihm

erwachsenden Controversen Nichts zu schaffen; ja durch dasjenige, was

vorläufig im gegenwärligen Abschnitte vorgeführt werden wird , könnte

diese Annahme sogar eine Bestärkung zu fmden scheinen. Aber das

später Folgende wird zeigen, dass, — was bisher Niemand wusste oder

auch nur ahnte —, jener byzanlinische Unsinn sich lief in die logische

Parteispaltung und somit in die sogenannte Philosophie jeuer Zeit ver

zweigte, und dass (seit Occam und seinen Anhängern) die Kenntnis«

des byzanlinischen Materiales der einzige Schlüssel sei, durch welchen

die oft beklagte Unverständlichkeit mancher Schriften und einzelner Stellen

allein gelöst werden kann.

XVII. Die Uebersetzungen. 3

Doch ich will nicht weiter vorgreifen, sondern in Fortsetzung mei

nes bisherigen Verfahrens sofort beginnen , Alles Einzelne dadurch ge

schichtlich darzustellen, dass ich es auf die Quellen zurückführe, aus

welchen es stammt.

Was nun hiemit zunächst jene äusserliche Seite der Vermittlung

betrifft, welche in blosser Uebertragung des dreifachen neuen Materiales

besteht, so wird bei dem Compendium des Psellus sich uns diese Frage

unmittelbar mit der Darstellung des Inhaltes verbinden müssen. Hingegen

bezüglich der arabischen Litteratur und der aristotelischen Werke wird es

hier genügen, nur wenige unerlässliche Bemerkungen vorauszuschicken;

denn sowie die Thäligkeit, welche im 13. Jahrhunderte sich um das

arabisch -lateinische oder griechisch - lateinische Organon des Aristoteles

drehte, überwiegend nur eine commenlirende war, so besteht auch unsere

Aufgabe hauptsächlich darin, auf Grundlage der notorischen Thatsache,

dass die aristotelischen und die arabischen Schriften manigfach übersetzt

wurden, den inhaltlichen Folgen und Ergehnissen dieses erweiterten Ge

sichtskreises nachzuspüren; auch erscheint es ausserdem als unthunlich,

die Untersuchungen , welche Jourdain in seinem bekannten Werke über

die einzelnen Uebersetzer angestellt hat 1), hier etwa auszuschreiben. Somit

mag nur in Kürze daran erinnert werden, dass die betreffenden Leistungen

der Araber für das Ende des 12. oder den Anfang des 13. Jahrhunderts

den Lateinern bereits durch Gundisalvi und seinen Gehülfen J o h a n n e s

Avendeath (s. vorig. Abschn. Anm. 66) übermittelt waren, welche in

der Mitte des 12. Jahrh. Uebersetzungen angeferligt hatten2), sowie dass

der Gesammt-Complex der Werke des Aristoteles ougefähr seit 1220 — 1225

in lateinischer Ucbertragung zuganglich war 3), wobei, wie Jedermann weiss,

sich Friedrich II. durch einllussreichste Förderung der aristotelischen

Litteratur die grössten Verdienste erwarb 4).

Allerdings jedoch bleibt gerade, was das Organon betrifft, noch manche

Frage übrig; denn die Annahme, dass man ohnediess für diesen Theil

der aristotelischen Philosophie die Uebertragung des Boethius besessen

habe, und somit einerseits die Anferligung neuer Uebersetzungen über

flüssig gewesen sei und andrerseits die litterarische Untersuchung über

diesen Punkt kürzer hinweggehen könne, mussten wir schon längst oben,

Abschn. XIV, Anm. 2— 34, auf eine sehr wesentliche Beschränkung zurück

führen, indem die boethianische Uebersetzung der Hauptsehriften des Organons,

d. h. der beiden Analyliken und der Topik nebst Soph. El., vor

dem 12. Jahrhunderte gänzlich unbekannt gewesen war, hingegen seit

dem ersten Drittel jenes Jahrhunderts diese Bücher theils in dem Gewande

des Boethius und theils in manigfachen neuen Uebersetzungen zugänglich

wurden. Die nemliche Sachlage, welche zur Zeit des Johannes v. Salesbury

1) Am. Jonrdain, Recherches criliques mr V&ge et Porigine des traduclions iolines

d'Aristole. 2. Aufl. (v. Chartes Jourdain). Paris 1843.

2) Ebend. p. 107 ff. Wenn aber Jonrdain meinte, Gundisalvi habe ein selbst

ständiges Werk über Logik verfasst, so scheint diess aus den von ihm angeführlen

Worten (p. 113 u. p. 451) nicht mlt Sicherhelt geschlossen werden zu können.

Uebrigens vgl. auch die oben (Abschn. XVI, Anm. 2) angeführlen Arbeilen Munck's.

3) Jourdain, p. 212.

4) Näheres über den oft gedruckten Brief Friedrich's H. s. ebend. p. 152 ff.

l*

4 XVII. Die Uebersetzungen.

bestand, kehrt aucb im 13. Jahrb. wieder, d. h. wir treffen neben Be

nützung des gesammten boethianischen Textes auch die Herstellung neuer

Uebertragungen des Organons, nur kömmt bezüglich der letzteren der

neue Umstand hinzu, dass nun sowohl aus dem Griechischen als auch aus

dem Arabischen übersetzt wurde. Dass noch zu Anfang des 13. Jahrb.

in der nemlichen Weise wie in der zweiten Hälfte des 12. zwei Theile

des aristotelischen Organons unterschieden wurden, erhellt augenfällig aus

den Statuten der Pariser Universität v. J. 1215, welche der päpstliche

Legat Robert v. Counjon in Erneuerung früherer Beslimmungen (v. J. 1209)

erliess; denn wenn daselbst ausdrücklich von einer „alten" und einer

„neuen" Logik des Aristoteles die Rede ist 5) , so erscheint es für jenen

Zeitpunkt schlechterdings als unmöglich, an etwas Anderes zu denken, als

einerseits an die von Alters her ununterbrochen cursirenden Bücher und

andrerseits an jene ongefähr seit Abälard allmälig bekannt gewordenen

übrigen Theile des Organons, mochten dieselben nun aus Handschriften

' der Werke des Boethius hervorgezogen oder durch neue Uebersetzungen

dargeboten worden sein, — kurz die beiden Analyliken nebst Topik und

Soph. El. waren eben damals im Vergleiche mit der älteren Tradilion

noch das neue Material, und die Ausscheidung ist die nemliche, welche

wir bereits oben, Abschn. XIV, Anm. 26 u. 56, trafen (vgl. unten Anm.

103 u. Abschn. XIX, Anm. 93 ff.). Sonach wird neben dem allgemeinen

Einflusse, welchen die arabisch-lateinischen Uebersetzungen auf den Gesammt-

Complex der aristotelischen Logik ausübten, noch ein besonderes Augen

merk auf die letztgenannten Bücher des Organons zu richten sein.

In dieser Beziehung nun ist zu erwähnen , dass wir allerdings um

das Jahr 1232 eine neue Uebersetzung des Organons treffen, welche ein

gewisser An toli anferligte und an Friedrich II. übersandte6). Doch fand

hinwiederum auch die boethianische Uebersetzung ihre Verwendung, denn

wie wir schon oben (Abschn. XIV, Anm. 23 f.) sahen, dass dieselbe we

nigstens in Frankreich (nicht aber in Italien) ans Licht gezogen wurde,

so ist sie auch in der That von Albertus Magnus bei seiner Bearbeitung

des ganzen Organons zu Grunde gelegt, wie der aufmerksame Leser dieser

Paraphrasen (— denn nur commenlirende Paraphrasen sind es, was Al

bertus lieferte —) bei jedem Schritte erkennen muss, ohne hiezu

eines späteren ausdrücklichen Zeugnisses zu bedürfen "). Aber zugleich

spricht der nemliche Albertus in der zweiten Analylik nicht bloss wieder

holt von einer (auf Alfarabi beruhenden) „Arabien transtalio" 8), sondern

i er vergleicht auch ausdrücklich die boethianische Uehersetzung mit einer

5) Buioeus, Hist. univ. Paris. III, p. 82: Et quod legant libros Aristolelis de

dialectica tam veleri quam nova in scholis ordinarie et non ad cursum; legant eliam

in scholis ordinarie duos Priscianos vel allerum ad minus. Non legant in festivis

diebus nisi phitosophos el rhetoricas et quadrivalia et barbarismum et ethicam, ss

piocet, et quartum topicorum. Non legantur libri Aristolelis de metaphgsica et naturali

phitosophia nec summa de eisdem aut de doctrina magistri David de Dinant aul Almarici

haerelici aut Maurilii Hispani (s. Anm. 17).

6) Jourdain, p. 164 f.

7, S. dasselbe am Schlusse der Anm. 14.

8) Anal. post. I, l, 3, p. 519 b (Opp. ed. Jammg, Lugd, 1651, Vol. I.). Ebend.

2, 13, p. 543 a. Ebend. 5, 8, p. 603 a. Ebend. II, 2, 3, p. 620 b u. 5, 624 b u.

7, p. 627 b.

XVII. Die Uebersetzungen. 5

griechisch-lateinischen , welche „Johannes" angeferligt habe 9) ; und wir

fürchten nicht zu irren, wenn wir in Letzterem den Johannes Basingestokes

erblicken, welcher ein Zeitgenosse und Freund des Robert

Capito (s. über diesen letzteren unten Anm. 334 ff.) war und um d. J.

1240 blühte 10). Einen weiteren Beleg dafür, dass betreffs der Analyliken

die boethianische Uebersetzung in Umlauf kam 11), bietet neben dem so

eben genannten Robert Capito selbst (s. hierüber Anm. 338 f.), ja auch

der Commentar des Thomas v. Aquin dar, denn auch dieser fusst auf

keiner anderen Uebertragung 12); aber daneben wiederholt sich der nemliehe

Umstand wie bei Albertus, indem auch Thomas gelegentlich auf eine

anderweilige griechisch-lateinische Uebersetzung hinweist13), wobei wir

jedoch keinenlälls an jene Uebersetzung der aristotelischen Werke denken

dürfen, welche allerdings auf den Wunsch des Thomas, aber erst in den

letzten Lebensjahren desselben, nemlich i. J. 1271, von Heinrich von

B r ab an t angeferligt wurde 14). Hingegen ist wohl anzunehmen, dass

seit der Anregung, welche Friedrich II. gegeben hatte, fortwährend an

verschiedenen Orlen durch Manche, von welchen wir nicht einmal die

Namen kennen, neue Ueberlragungen zu Tage gefördert werden konnten 1 5).

Auch erstreckte sich, wie wir beslimmt wissen, dieses Bestreben in Bälde

sogar auf einige Commentatoren des Organons, denn schon i. J. 1266

finden wir griechisch-lateinische Uebersetzungen des Simplicius ad Ar.

Categ. und des Ammonius ad libr. de interpr. neben einer jedenfalls

noch früher in Umlauf gekommenen arabisch-lateinischen des Themistius

ad Anal. post. 10). Jedenfalls jedoch werden wir unten, soweit es nöthig

9) Ebend. I, 4, 9, p. 519 b: liude quidam libri habent sie: (es handelt sich

um die Stelle b. Arist. An. post. l, 19, p. 82 a 10; bei Bocth. Opp. p. 535) Et

haec litlera melior est, et est transtalio Joannis a Graeco facta sicut transtalio Boelii.

Ebend. H, 2, 5, p. 624 b : Arabien transtalio non habet „monlis" (s. Arist. An. post.

II, 7, p. 92 b 22; Rocth. p. 548), sed dicit Huius enim est exposilio commenti

Arabici, et in hanc magis consenlit Roelii transtalio et eliam transtalio Joannis.

10) Nähere Nachweise über denselben und insbesondere über seinen Aufenthalt

in Griecheniond s. b. Jourdain p. 62 f.

11) Auch Jourdain beneblet (p 166), er selbst habe in den Handschriflen der

Pariser Bibliolhek nur die Ucbcrsetzung des Boethius gefunden.

12) Einzelne Abweichungen in dem beigedruckten Texte der „vetus transtalio"

können nur als handschriftliche Varianlen bezeichnet werden.

13) Anal. post. I, leclio 6, § c (f. 20 v. ed. Rom.): Littera sie exponilur (d. h.

Arist. An. post. t, 2, p. 72 a 32; Boeth. p. 523) . In graeco ptanius habetur sie

etc. Uebrigens hat Thomas v. Aqu. auch bei dem Buche De interpr. andere Texte

neben dem boethianischen benützt, s. dortselbst t, leclio 13, § c (f. 11 r.), n.

II, lect. 2, § d (f. 16 r.).

14) Aventin. Ann. Boior. VII, 9 (Lips. 1710, p. 673): Anno Chrisli 1271 Haenricus

Brabantinus dominicanus rogatu D. Thomae e graeco in talinam linguam de

verbo ad verbum trans fert omnes litrros Aristolelis. Usus est Albertus veteri transiotione,

quam Bocthianam vocant. Die Commentare des Thomas hingegen fallen

schon ongefähr um d. J. 1265 (s. Jourdain, p. 395).

15) Dass aber auch der bekannte Murbeka (um 1270) ausser den übrigen

Werken des Aristateles das Organon übersetzt habe, scheint J. G. Schneider (Arist.

liist. an. Vol. I, p. CXL1I. u. Arist. PoW. Vol. I, p. XXV f.) irrthümlich angenommen

zu haben. Eine anderweilige Verwechstung des Murbeka mlt dem so eben genannlen

Heinrich v. Brabant hat Jourdain (p. 66) beseiligt.

16) S. Jourdain, p. 73 f. n. p. 166. Was den Themislius betrifft, s. unlen

Anm. 336.

6 XVII. David von Dinant. Amalric von Ben.

ist, zuweilen auf die Frage zurückkommen, ol) die boethianische oder eine

anderweilige Uebersetzung benützt worden sei.

Ein Ereigniss aber, welches bezüglich des Studiums und der Auf

nahme aristotelischer Philosophie im Anfange des 13. Jahrh. von einiger

Wichligkeit war, dürfen wir nicht ganz unerwähnt lassen, wenn auch

schliesslich nur zu dem Zwecke , um zu bemerken , dass die Geschichte

der Logik von demselben nicht berührt wurde. Wenn nemlich (nicht

ohne Zusammenhang mit der Bekämpfung der Albigenser) seit d. J. 1209

mehrmals die Kirche ein Verbot gegen gewisse Abzweigungen der aristo

telischen Litteratur ergehen liess, und sich hiemit jene fanalischen Maass

regeln verbanden, welche gegen David von Dinant und gegen Amalric

von Ben getroffen wurden, so hat sich durch genauere Forschungen zur

Genüge herausgestellt, nach welcher Seite hin jene Beschränkungen ge

richtet gewesen seien 17). Und sowie die pantheislischen Anschauungen

der beiden genannten „Ketzer" au sich mit der Entwicklung der Logik

Nichts zu schaffen haben, sondern der Ontologie oder der sog. Metaphysik

angehören, so bleibt für unseren hiesigen Zweck nur jene Beziehung übrig,

in welcher näher oder entfernter die Eins-Lehre des David und des Amalric

mit der Auffassung der Universalien stand. Indem aber der theologische

Hass die Vernichtung der Schriften jener beiden Männer in erwünschtester

Vollständigkeit zu bewerkstelligen verstand, sind wir über dieselben nur

auf wenige orthodox - polemische Berichte beschränkt, welche überdiess

hauptsächlich bloss das theologische Gebiet betreffen; und selbst bei den

etlichen kargen Hindeutungen , welche uns zu Gebote stehen , bleibt die

Möglichkeit, dass wir von Albertus Magnus und Thomas v. Aquiu ange

logen sind. Soweit es demnach als beglaubigt gelten mag, dass David

v. Dinant mit syncrelislischer Benützung anliker Ausspriiche einen durch

gängigen Pantheismus kundgab18), und dass er zur Begründung dieses

17) Sowohl über die oben (Anm. 5) angeführle Stelle als auch über die übrigen

einschlägigen Quellen-Berichte s. das Nähere b. Jourdain, p. 187 ff., sowie eine

richlige Darsleltung der ganzen Angelegenheit b. Haure'au, De io phit. seniost. t,

p. 391 ff., woselbst auch (p. 405) in treffender Weise das gegen Scatus Erigena

gerichlete kirchliche Verdammungs- Urlheit beigezogen ist. Ansserdeni vgl. auch

J. H. Kroentein, De genuina Amatrici a Bena Davidis de Dinanto doctrina. Giessen

1842. u. v. dems. in d. „Thcol. Studien u. Kriliken" 1847.

18) Albert. M., Phgs. t, tract. H, c. 10, p. 23 b (Opp. ed. Jammg, Vol. II): Has

aulem opiniones sie expionat Alexander in quodam lit,ello, ubi omnia unum esse,

quod est maleria, probare inlendit, et David de Dinanto in libro Alomorum (zu lesen

Tomomm, s. d. folg. Anm.). Ebend. Summ, theol. Pars II, tract. l, quaest. 4, c. 3,

p. 62 f. (Vol. XVIII): Deinde quaeritur de erroribus Epicureorum ct maxime de anliquo

errore Anaximenis, qui nuper per quendam David de Dinanto renovatus est, qui

d,xil, deum et maleriam primam esse idem, inducens super hoc anliquum Anaximenem,

qui dixit, omnia esse unum (bei der kopflosen Abschreiber-Thäligkeit des Al

bertus ist es nicht zu verwundern, wenn derselbe bald einen Alexander bald die

Epikureer und bald den Anaximenes als anlike Gewährsmänner jener Ansicht be

zeichnet, während natürlich ein Viertes das Richlige ist, d. h. nur Parmenides ge

meint sein kann, s. d. folg. Anm.) Ad hoc eliam inducit versus quosdam, qui

seripli leguntur in lemplo Paliodio ; dicit eliam, quod refert Plutarehus, quod

vetustissimi philosophorum inlerpretali fuerunt, ittud fuisse dictum de deo, qui peplo

tcctus est Terlio pro sc inducil versus Orphei, in quibus , ut dicit, deum uni

versum esse affirmat Quarto pro se inducil , quod longo tempore post Lucanus

eosdem versus operi suo inseruit Quinta inducit pro se Senecam sie dicentem etc.

XVII. David von Dinant. Amalric von Ben. 7

Standpunktes die Allgemeinheit des Stoffes und die Allgemeinheit des

Geisligen als das Form-fähige (formabile) bezeichnete, aus welchem das

Einzelne hervorgehe, und zugleich in diese Formfähigkeit nach beiden

Seiten den Begriff des potenziellen Stofflichen verlegte, so dass schliesslich

hierin jenes beiderseilige Allgemeinste zusammentreffe, da ja bei An

nahme eines dualislischen Principes zuletzt ein (gemeinschaftlicher) potenzieller

Stoff des (beiderseiligen) potenziellen Stoffes sich ergebe 19), so

ist ersichtlich , dass David die äusserste metaphysische Consequenz des

logischen Realismus /og und somit nur Dasjenige rund und voll aussprach,

was bereits bei Wilhelm von Champeaux deutlich genug im Keime vorlag

(s. Abschu. MV, Anm. 106 f. u. 283). Auch Amalric von Ben scheint

von einem gleichen extravaganten Realismus ausgegangen zu sein, denn

wenn auch berichtet wird, er habe den pantheislischen Gottesbegriff nicht

wie David als materielles, sondern als formales Princip verstanden 20), so

ging doch auch bei ihm die Molivirung darauf hinaus , dass Gott jenes

oberste Universale sei, in welchem alles Einzelne zur Idenlität zusammen

laufe21). Vielleicht auch hätte es dieser damalige Pantheismus zu einer

19) Ebend. Summ. theol. Pars I, Tract. IV, Quaest. 20, p. 76 (Vol. XVII): Alex

ander in quodam libello, quem fecit de principio incorporeae et corporeae substantiae,

quem secutus est David de Dinanto in libro, quem scripsit de Tomis, h. e. de Divisionit,

us (hiernach wählte David sogar fast die nemliche Uebcrschrift wie Scatus

Erigena bei seinem Werke De divisione naturae ; s. Haure'au a. a. O. p. 414), dicit,

deum esse principium maleriale omnium. Quod probat sie: quia nogs, h. e. substanlia

nu'ntalis, primum formabite est in omnem substantiam incorpoream, primum aulem

formabite in res alicuius generis primum maleriale est ad itla, nogs ergo primum prin

cipium est ad omnes incorporeas substantias. Maleria aulem possibitis ad tres dimensiones

primum formabite est in omnes corporales substanlias ; ergo est primum maleriale

ad itios. Quaero ergo, si nogs et maleria prima differunt annon. Si differunt, sub aliquo

communi, a quo itio differenlia egreditur, differunt; et itlud commune per differenlias

formabite est in utrumque ; quod aulem formabite est in plura, maleria est vel ad minus

principium maleriale Si ergo dicatur una maleria esse maleriae primae et nogs, erit

primae maleriae maleria et kac ibit in infinitum; relinquitur ergo, quod nogs et maleria

prima sunt idem. Simititer deus et maleria prima et nogs differunt aul non u. s. f.

Thomas Aqu., Summa c. gent. t, 17, f. 18 r a (Opp. ed. Rom. 1570. Vol. IX): In

hoc aulem insania David de Dinanto confunditur, qui ausus est dicere, deum esse

idem quod prima maleria, ex hec, quod si non essent idem, operleret differre ea

aliquibus di/ferenliis, et sie non essent simplicia, nam in eo quod per differentiam

ab alio differt, ipsa differenlia composilionem facit. Hoc aulem processit ex ignoranlia,

qua nescivit, quid intcr differentiam et diversitalem inlersit. Ebend. Senlent. II, Dist. 17,

quaest. l, art. l, f. 53 a (Vol. VI, 2): Quorundam anliquorum pbitosophorum error

fuit, quod dcus esset de essentia omnium rerum, ul parmenides dixit; el ittos

eliam antiquos phitosophos seculi sunt quidam moderni, ul David de Dinanto, Divisit

enim res in partes tres, in corpora, animas et substantias aelernas separatas; et

primum indivisibite, ex quo conslituuntur corpora, dixit glen, primum aulem indivisibite,

ex quo conslituuntur animae, dixit nogm vel mentem, primum aulem indivisi

bite in substantiis aelernis dixit deum; el baec tria esse unum et idem, ex quo iterum

consequitur, esse omnia per essentiam unum.

20) Thom. Aqu., Summ, theol. Pars I, Tract. I, quaest. 3, art. 8, f. 16 r a

(Vol. X): Quidam enim posuemnt, quod dcus essel anima mundi Alii aulem

tlixerunt, deum esse principium formale omnium rerum, et haec dicitur flasse opinio

Almananorum (zu lesen Almaricianorum). Sed lertius error fuit David de Dinanto,

'tui stullissime posuit, deum esse materiam primam.

21) Marlin. Volon., Chron. d. h. Supputaliones (ed. tiasit. 1559 fol.) p. 209 ff.:

Damnavit eliam (sc. Innocentius lertius) Almaricum quendam Carnolensem (um sua

doctrina, sicul habetur in deeretali „Damnamus". Qui Almaricus asserit, ideas, quae

8 XVII. Balduin. Liber de causis.

näheren logischen Formulirung, — gleichsam bereits zu einem Spinozismus

—, gebracht, wenn nicht die Orthodoxie unterdrückend entgegen

gestanden wäre. Wenigstens finden wir einen gewissen Balduin als

Schüler des David angeführt, welcher (soweit der unlautere Bericht über

ihn überhaupt einen Sinn haben kann) sich auf den Begriff des Ein

fachen gestützt zu haben und hiemit der ganz vernünfligen Ansicht ge

wesen zu sein seheint, dass es nicht zwei oder drei Absolute, sondern

eben nur Eines geben könne 22).

Insofern aber David von Dinant sich auf ältere griechische Aussprüche

berief (s. A n m. 18), welche grösstentheils nur durch Vermittlung der

Araber zu seiner Kenntniss gekommen sein konnten, so liegt uns hierin

die Brücke zu dem Buche „De causis", welches wegen seiner ara

bischen Herkunft wohl schon oben in Kürze erwähnt wurde (vor. Abschn.,

Anm. 404), aber nun hier darum in Frage kommt, weil es als ein Bestandtheil

der neuerwachenden Gesammt - Philosophie des Aristoteles galt

und wirkte23). Das Einzige jedoch, was aus dem Inhalte dieses Buches

hieher gehört, ist gleichfalls die Anschauung eines extremen Realismus,

denn die platonisch-arabische Myslik, welche dort bezüglich des Gottes

begriffes und der Welt - Intelligenz ausgesprochen wird , liegt auf einehi

anderweiligen Gebiete. Insoweit nemlich der unbekannte Verfasser über

haupt ein logisches Moliv verfolgte, stand er lediglich auf der platonischen

Tabula logica des Porphyrius, wornach die Stufenfolge vom höchsten

Allgemeinsten bis zum niedersten Einzelnsten durch die Wirkung des art

machenden Unterschiedes (— diversificari —) hergestellt wird 24). So soll

dann der intelligible Gehalt des Einzelnen nicht an sich selbst schon als

ein Vielfälliges , sondern als Causalität der Vervielfälligung gedacht und

diese Causalität schliesslich auf die Eine höchste Intelligenz zurückgeführt

sunt in menle divina, ereme et ereari (auch diess erinnert an Scatus Erigena) ;

dixit eliam, quod ideo finis omnium dicitur deus, quod omnia reversura sunt

in eum, ut in deo incommutabititer quiescant, el unum tndividuum alque incommutabite

in eo permanebunt; et sicut allerius naturae non est Abraham, allerius Isaac,

sed unius ac eiusdem, sie dixit omnia esse unum et omnia esse deum; dixit enim,

deum esse essenliam omnium ereaturarum et esse omnium.

22) Albert. M., Summ, lbeol. a. a. O. (Anm. 18): Disciputus aulem eius (d. h.

des David) quidam Ralduinus nomine , contra n,e ipsum disputans talem .... induxil

ralionem, quod, quaecunquc sunt et nullo modo dilferunt, sunt eadem ; deus et maleria

prima et nogs sunt et nullo differunt; ergo sunt cadem Quod aulem nullo

modo differant, sie nilebatur probare: quaecunque nuliom differenliam habent, nullo

modo differunt; simplicia aulem prima nuliom differenliam habent, quia si differentiam

haberent, composita essent; deus, hgle, nogs, simplicia prima sunt; ergo

nultam habent differenliam; ergo nullo modo differunt, el sie per consequens eadem

sunt; et hoc est propositum cius.

23) Näheres über das Buch De causis überhaupt (abgesehen von einigen Be

merkungen bei Jourdain, a. a. O. p. 183 ff., 195, 445 ff.) s. bei Haneberg in d.

Sitzungsberichten d. Münchner Akad. 1863, Bd. I, p. 361 ff.

24) De Caus., Propos. 4 (Arist. Opp. tat. Venet. 1552. Vol. VII, f. 115 r):

Omne quod sequitur causam primam, est intelligenlia completa in ullima polenlia el

reliquis bonitalibus , el formac intelligibites in ipso sunt ioliores et vehemenlius uni

versales Et quia diversifii'atur inlelligentia, fit in eo forma intelligibitis diversa;

et sicut ex forma una propter hoc, quod diversificatur in mundo inferiori, proveniunt

individua infinita in mullitudine , simutler ex esse causalo primo proplerea, quod

diversificatu,, apparent formae inlelligibites infinitae.

XVII. Liber de causis. Die Macht des neuen Stoffes. 9

werden; und die Gradabstufung, welche zwischen den höheren und den

niedrigeren Universalien besteht, muss zuletzt in einer pantheislischen

Einheit verschwinden, indem (— was cinigermaassen an die Status-Lehre

erinnert, s. Abschn. XIV, Anm. 129 f. —) jenes Nemliche, was weiter

abwärts in parliculärer Weise exislirt, zugleich nach Oben in universeller

Weise bestehe 25). Die Frage aber, wie hiebei neben der Ewigkeit der

intelligihlen Universalien die Zeitlichkeit des concreten Seienden sich er

kläre, wird nothwendiger Weise durch die myslische Annahme eines

Mitteldinges abgethan , welches seiner Substanz nach das Ewige enthalte,

in seiner Thäligkeit aber in die Zeit falle26). Von selbst versteht es sich,

dass der Verfasser des Buches den Begriff der Intelligenz oder des Intelligiblen

durchweg nur in objeclivem, realislischem Sinne nehmen konnte

und daher die Universalien ausserhalb der Einzeln-Dinge in das reine gött

liche Denken verlegen musste (s. vor. Abschn. Anm. 404).

Gerade aber das Buch „De causis", welches Thomas v. Aquin selbst

zum Gegenstande seiner commenlirenden Thiiligkeit machte, dient uns als

Beleg dafür, dass die erwähnten kirchlichen Verbote und Maassregeln mit

der Logik als solcher Nichts zu schaffen hatten. Jene Zeit war in sich

selbst so unklar und unreif, dass man gewisse Consequenzen , welche

innerlich längst nothwendig sich hätten ergeben müssen , erst dann be

merkte , wenn sie mit dürren Worten deutlich ausgesprochen wurden,

lud der Kampf oder Verlilgungs-Fanalismus richtete sich dann glücklicher

Weise auch nur gegen solche beslimmt hervorgetretene Consequenzen,

während man die Basis derselben ruhig gewähren Hess und selbst in

ungenialem Fleisse reichlichst einsog. Die Unfähigkeit, einen Gedanken

bis an sein Ende folgerichlig hinauszudenken, kann sicher nicht deut

licher hervortreten , als wenn man wie Albertus Magnus oder Thomas v.

Aquin und hundert Andere zugleich Aristoteliker und zugleich trinitätsgläubig

sein zu können vermeinte. Aber weil die Macht der Tradilion,

— das alleinige geislige Moliv für das Mittelalter —, nach beiden Seiten

25) Ebend. Prop. 8 (f. 115 v): Bonitates, quac descendunt super inlelligenliam

a causa prima, sunt inlelligibites in ea, et simititer res corporeae sensibites sunt in

inlelligenlia intelligibites ; quod est , quoniam res, quae sunt in inlelligenlia , non

sunt impressiones ipsae, imo sunt (ansae impressionam. Prop. 9 (f. 116 r): Intelligentia

est princeps rerum, quae sunt sub ea, et relinens eas et regens eas,

sicut natura regit res, quac sunt sub ea, per virtulem intelligenliae, quia simititer

intelligenlia regit naturam per virtulem divinam. Dann Prop. 10 (f. 116 r): Omnis

inlelligenlia plena est formis; verumtamen ex inlelligenliis sunt, quae conlinent

formas ptus universales , et ex eis sunt , quue conlinent formas minus universales.

Ouod est, quoniam formae, quae sunt in intelligentiis secundis inferioribus per modum

parlieuiorem , sunt in inlelligenliis primis per modum universalem, et formae , quae

sunt in inlelligentiis primis per modum universalem , sunt in inlelligenliis secundis

per modum parlieuiorem.

26) Ebend. Prop. 30 (f. 118 v): Et non est possibite, ul substanlias sempllernas,

quae sunt supra lempus, sequantur substantiue ereatae in lempore nisi medianlibm

substantiis lemporalibus sempitemis in lempore; et istae quidem substantiac

non sunt factae mediae, nisi quia ipsae communicant substantiis sublimioribus in

l!ermanentia et communicant substantiis lemporalibui abscissis in lempore per generalionem.

Prop. 31 (f. 119 r): Inler rem, cuius substantia el actio sunt in momento

aelernitalis, et inler rem, cuius substantia et actio sunt in momento lemporis, existens

est medium, et est ittud, cuius substantia est ex momento aelernitalis et operalio

ex momento lemporis

10 XVII. nie Macht des neuen Stoffes. . Wilhelm Shyresvvood.

vorlag und wirkte , so klebte man auch naiv genug die beiden Quellen

aufeinander, und sowie die an sich consequente Opposilion gegen die

anlike Logik bei den christlichen Theologen von Anfang an nie völlig

hatte durehdringen können, so war nun beim Beginne des 13. Jahrhun

derts die arabisch- und griechisch-lateinische Tradition des Aristotelismus

so überwälligend eingetreten, dass man weit eher das christliche Dogma

in aristotelische Formen goss, als dass man sich principiell den anliken

Anschauungen verschlossen hätte. Und vor Allem musste hiebei gerade

die Logik, deren Zusammenhang mit der Philosophie man ja bereits seit

Boethius ausser Augen verloren hatte, nicht nur nicht als gefährlich, son

dern vollends als unentbehrlich betrachtet werden. Nur mochten wohl

Anfangs strengere Zeloten darüber wachen , dass in den Vorträgen über

Logik nichts Theologisches beigemischt werde, noch auch umgekehrt27).

Indem somit ff.'r den Betrieb der Logik keinerlei Störung durch

jene Verbote eintrat, sondern im Gegentheile aus dem neu zugeführten

Materiale nur eine Steigerung erwachsen konnte, wäre bezüglich der

geschichtlichen Darstellung noch immerhin die Frage offen, in welcher

Reihenfolge die Wirkungen des neuen Materiales hier vorzuführen seien,

insoferne dieselben ja sämmtlich in den nemlichen Jahrzehnten sich gel

tend machten. Zweckdienlicher scheint in dieser Beziehung zu sein,

dass wir vorerst die Uebertragung der byzanlinischen Logik näher be

trachten und erst hernach den gleichzeiligen Einlluss der aristotelischen

und der arabischen Studien erörtern; denn hei solcher Anordnung des

geschichtlichen Stoffes wird es möglich sein , einerseits eine allzugrosse

Zersplitterung zu vermeiden, und andrerseits es anschaulich zu machen,

wie die Parteispaltung sich auch durch die Logik des Petrus Hispanus

modiflcirte.

Den Einen Quellenkreis somit bildete für die Logik seit dem 13.

Jahrhunderte jener byzanlinische Stoff, welchen Psellus darbot. Und

sowie es sehr zu beachten ist, dass auch von den Alchimisten jener

Zeit anderweilige Schriften des Psellus benützt wurden28), so hatte

auch die Logik desselben schon viel früher und in weit reicherem

Maasse, als man bis jetzt auch nur ahnen konnte, ihre Verbreitung im

Abendlande gefunden.

Die älteste lateinische Bearbeitung des Compendiums des Psellus,

welche mir bekannt ist, wurde durch Wilhelm Shyreswood (gest.

1249) veranstaltet21'). Aber sowie mir die Existenz seiner noch unge-

27) D'Argentre, Colt. iudiciorum de noe. error.- (Paris. 1728 fol.) I, p. 158 f.

theitt aus handschriftlicher Quelle das Verdict mit, welches l. J. 1247 gegen einen

gewissen Johannes de Rrescain (?) gefällt wurde, „ne puritas studii, quae haclenus

Parisiis viguit, ex praesumplione quorundam, qui theologica logicis inserentes non

intelligunt neque quae loqmmtur neque de quibus affirmant, errorum sordit,us maculetur;

quandoquidem logici lbeologicc et theolofli phitosophice in suis disputalionibus

procedenles contra pracceptum legis sortes • dominicae haereditalis miscere et

confundere non formidant."

28) S. Kapp, Gesch. der Chemie, II, S. 156. Man schrieb ja damals diesem

jüngeren Pseltus auch die Schrift fleyl M&iav äwäftsmr zu , welche jetzt nicht

mit Unrecht für ein Werk des älleren (im 9. Jahrh.) gehallen wird.

29) Er war in Durham geboren, studirle in Oxford, lehrle hierauf in Paris

und starb als Kanzler in Lincoln. S. Oudin, De seriptl, ecel. III, p. 116 H'. Roger

XVII. Wilhelm Shyreswood. 11

druckten Schrift nur durch eine gelegentliche Noliz 30) kund wurde, muss

ich hier wie überall die Möglichkeit offen lassen, dass durch Ausbeutung

der Bibliotheken meine Forschung noch gar manche Ergänzung oder Be

richligung erfahren kann und somit vielleicht dereinst eine noch ältere

Wirkung des Psellus im lateinischen Abendlande nachgewiesen wird.

Wenigstens ist es eine eigenthümliche Thatsache . dass die in der Syllogislik

üblichen Memorialworte (— ihr griechisches Original s. oben Abschn.

XV, Anm. 46 ff. —), welche man bisher stets dem Petrus Hispanus zu

geschrieben hatte , und ebenso einige Memorial-Verse bereits bei Willi.

Shyreswood sich finden; und da man ihn doch wieder unmöglich für

den Erfinder derselben halten kann (— denn dagegen streitet seine Aus

drucksweise bei Anführung derselben, s. unten z. R. Anm. 40 u. 44,

auch Anm. 112 —), so bleibt nur die Annahme übrig, dass sicher schon

ein paar Jahrzebente früher das Compendium des Psellus in den abend

ländischen Schulen im Umlaufe gewesen sein muss , wobei dann jene

technischen Worte irgendwie ausgedacht wurden und in allgemeine Uebung

kamen (s. bes. unten Anm. 52 u. 91 ff.). Indem mir daher der bisher

noch nicht bekannte Wilhelm Shyreswood nur als der relaliv älteste Re

präsentant einer verbreiteten Schul-Litteratur gelten kann, glaube ich aller

dings von meinem Grundsatze , wornach ich mich auf Gedrucktes be

schränke, eine Ausnahme machen zu müssen; jedoch kann es dabei nicht

meine Absicht sein, hier gleichsam eine Ausgabe der ganzen Schrift Wilhelm's

aus der von mir benützten Pariser Handschrift31) zu veranstalten,

sondern ich beschränke mich, zumal da ja die folgenden Jahrhunderte

sich doch nur ausschliesslich an Petrus Hispanus hielten, auf den wesent

lichen Gang des Inhaltes und einige Haupt-Stellen , um dem Leser die

Einsicht in diesen wahrhaften Vorläufer des Petrus Hispanus zu ermög

lichen (vgl. Abschn. XV, Anm. 5). Ebenso werde ich es bei Lambert

v. Auxerre und einigen anderen handschriftlichen Mittheilungen halten.

Wilhelm Shyreswood jedoch bietet nicht, wie Petrus Hispanus, eine

durchgängig wörtliche Uehersetzung des Psellus dar, sondern folgt dem

selben nur im Ganzen den Sinn getreu wiedergebend. So ersetzt er

sogleich die Anfangszeilen des griechischen Originales (Abschn. XV, Anm. 6)

durch eine etwas längere Einleitung, in welcher er an die Doctrin der

Araber sich anlehnend die Syllogislik als die wesentliche Aufgabe der

Logik und die Einsicht in die einfachsten Bestandtheile des Schlusses als

Vorbedingung bezeichnet, um somit bei der Erörterung über Wort (vox)

und Schall (sonus) anzulangen 32). Und indem nun die Eintheilung dieser

Baco schätzle ihn sehr hoch; er sagt von ihm Op. lerlium (s. unlen Anm. 556),

c. 2, p. 14: Guitielmus de Shgrwode tange sapienlior Alberto, nam in pbitosopbia

commnni nullus maior sst eo.

30) Bei Haureav, De io phit. scolast. I, p. 466. (Was übrigens dortselbst

über Withelm Shyreswood gesagt ist, wird nunmehr durch die Einsicht, dass der

selbe nur die Synopsis des PseTtus verarbeilele, sehr moditicirt.)

31) Cod. Sorbonn. 1797.

32) Die Einleitung lautet: Cum duo sunt tantum rerum principia, sciticet natura

et Uliimi, duo erunt rerum genera. Quaedam enim sunt res, quarum principium cst

natura, et de his est universis scientia communiler dicta, et quaedam, quarum principium

est anima (vgl. Abschn. XVI, Anm. 71); et hae sunt duplices. Cum enim

anima sine virMibus et scientils sit ca,'ca, quasdam lacit operaliones, per quas de

12 XVII. Wilhelm Shyreswood.

Begriffe in gleichem Sinne wie hei Psellus (wenn auch in kürzerem oder

verschiedenem Wortlaute, vgl. Abschn. XV, Anm. 7 f.) auf die Lehre vom

Urtheile, d. h. zunächst auf nomen und verbum führt33), und ebenso

der Begriff der sgncategoreumata (ebend. Anm. 9) auftritt34), bietet die

Aufzählung der Arten des Satzes (der Infiniliv- und der Frage-Satz kom

men hier neu hinzu, vgl. ebend. Anm. 10) die Gelegenheit, Bemerkungen

aus Boethius und Aristoteles hinzuzufügen 35). Nach einem eigenthüm

lichen Gesichtspunkte, welcher uns an Arabisches erinnern könnte, construirt

Wilhelm die hierauf folgende Eintheilung des Crtheiles (ebend. A.

11 f.), wobei er sogar die Berechligung der „Copula" als eines dritten

veniat ad virtutes, el de his est ethica; quasdam autem facit operaliones, per quas

devenial in scientiam, el de his est sermocinalis scientia (vgl. ebend. Anm. 84); haec

aulem tres habet parles: grammalicam, quae docet recle loqui, el rheloricam, quae

docel ornale loqui, et logicam, quae docet vere loqui (vgl. ebend. Anm. 18). Haec

aulem est de sgllogismo principaliler (ebend. Anm. 15, 79, 243 u. hier unlen Anm.

41 u. 48 : diese Betonung der Syllogislik hätte Withelm allerdings auch aus Boethius,

s. Abschn. XII, Anm. 84, entnehmen können, jedoch weist ja auch jenes Andere

auf die Araber hin), ad cuius cognitionem netesse est cognosecre proposilionem , et

quia omnis proposilio est ex lern,inis, neecssaria est termini cognilio. Quia ergo

proposilio et enuntialio idem sunt secundum rem, licet di/ferant in eo, quod enunlialio

significal absotule, proposilio aulem significal aliquid in comparalione ad aliud, ideo

prius de enunlialione agendum; prius est enim aliquid cognoscere in se, quam in

comparalione ad aliud. Ex nonline aulem proposilionis palet, quod significat in

comparalione ad aliud; est enim proposilio positio pro alio sive pro conctusione conctudenda;

unde si in se consideratur, est enunlialio; si aulem consideratur ut esl

in sgllogismo, sie est proposilio. Cum igitur agendum sit de enunlialionc, prius

agendum est de suis partibus, quae sunt nomen et verbum. Et dicuntur hae parles

enunlialionis , quia primum ex his fit enuntialio et ex nullis aliis; quamvis enim ex

pronomine et verbo vel parlicipio el verbo fial enuntialio, tamen haec est per naturam

nominis, quam pronomen et parlicipium habent; unde inquantum naturam nominis

participant, sub nomine comprehenduntur. Prius aulem ugendum est de nominc quam

de verbo, quia al principalior pars quam verbum. ldeo ab eo inchoandum est; et

quia omnc nomen est vox el omnis vox est sonus, ideo a sono tanquam a principio

inchoandum est. D. h. trolz der principiellen Verwandlschafl mit der arabischen

Gruppirung des Stoffes (noch ein paar anderweilige Hindeulungen auf Arabisches

s. unlen Anm. 52 u. 65) wird nun doch die Reihenfolge des Pseltus eingehallen,

wornach das Urlheit vor der Isagoge und vor den Kategorien erörlert wird.

33) Est aulem sonus proprium sensibite et dividendus sie: sonus alius vox alius

non vox Vox aliu significaliva alianon significaliva Vox significaliva quaedam

signif,eat naturaliter quaedam ad ptacitum Vox significalira ad piocitum

aut est complexa, ut oralio, aul incomplexa, ut dictio. Incomplexa quaedam signi

fical cum lempore quaedam sine tempore. Est aulem nomen etc.

34) Verbum est etc Sciendum aulem est , quod logica duas tantum ponit

partes oralionis, sciticel nomen et verbum; celeras aulem parles appeliol sincalegoreumata.

35) Oralionum alia perfecta alia imperfecta Perfecta vero ullerius dividenda ;

quaedam enim est indicaliva quaedam imperaliva seu deprecaliva quaedam

optaliva, ut ulinam legerem, quacdam coniunctiva, ul cum legam, quaedam infinitiva,

ul Soeralem legere, quaedam interrogaliva Sed intcr hos modos omnes soio in

dicaliva significal verum et falsum, el ideo haec soio est enuntialio. Vicit enim

Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 111), quod proposilio est oralio verum vel falsum

siqnificans, el non facil ibi differentiam inler projiositionem et enuntialionem ; Aristo

leles aulem (s. Abschn. IV, Anm. 191) sie diffi,nt: „enuntialio est oralio significans

aliquid de atiquo vel aliquid ab aliquo", el intelligit per hoc quod dicit „de aliquo"

inhaerentiam praedicali in subiecto, el per hoc quod dicit „ub aliquo" intelligit remolionem

eiusdem a subiccto.

XVII. Wilhelm Shyreswood. 13

Bestandtheiles ausdrücklich bestrcitet, im Uebrigen aber die Doctrin des

Psellus wiederholt36), an welcher er sich hinwiederum betreffs der Ge

gensätze (ebend. A. 13) enge anschüesst 3 7) , wobei jedoch das Capitel

über materia der Urtheile (ebd. A. 14) stark abgekürzt wird 38). Die

Lehre von der Umkehrung aber (ebd. A. 1 5) fehlt hier, indem sie in der

Syllogislik (s. unten Anm. 49) zum Vorschein kommt, wohingegen die An

gaben über das hypothelische Urtheil (Ahschn. XV, A. 16 f.) in getreuem

Auszuge vorgeführt werden 39). Die Aequipollenz sodann (ebd. A. 18)

wird selbst in grösserer Ausführlichkeit als bei Psellus dargelegt und am

Schlusse der Inhalt der Regeln in folgenden Memorial-Versen ausgedrückt:

Aequivalent Omnis, Nullus non, Non aliquis non;

Nultus, Non aliquis, Omnis non, aequiparantur ;

Quidam, Non nultus, Non omnis non, sociantur;

Quidam non, Non nultus non, Non omnis, adhaerent.

oder all dieses zusammen durch den Vers („vel hoc versn"}:

Prne contradic. Post cnntrar, Prae Postque suballer 40).

Auch die hierauf folgende Lehre von den modalen Urtheilen (s. ebend.

Anm. 19 ff.) leitet er zunächst durch eine selbstständige Bemerkung ein,

in welcher wieder als Hauptzweck die Syllogislik erscheint 4 1), und wäh-

36) Cognita enuntialione per suam dilfinitionem et secundum se restat cognoscere

eam per divisionem et in suis parlibus. Partes aulem dupliciler sunt, sciticel aut

inlegrales aul subicctivae (einige Aehnlichkeit hiemlt hat die Eintheituug bei Algazeli,

s. Abschn. XVI, Anm. 259 ff.). Partes inlegrales sunt, ex quibus constituitur lolum

secundum inlegritalem et de his nunquam praedicatur totum ; partes subiectivae sunt,

ex quibus conslituitur tolum in sua communitale et de his praedicatur tolum. harles

ergo inlegrales enuntialionis sunt subiectum et praedicatum; et dicunt quidam,

quod est et lertia pars, quae sciticel est copuio; sed non est ita; cum enim sit verl'mn,

significat id quod de alio dicitur et sie est praedicatum Dividitur aulem

enuntialio in partes subieclivas penes naturam subiceli vel praedicali sie : enuntialio

alia una alia plures l lem dieiditur penes substanliam enunliatonis sie: enunlialio

alia calegorica alia hgpolhelica et dicitur calegorica a calegorizo, ms,

quod est praedico, eas, eo quod talis perficitur per praedicatum; hgpothelica

dicitur ab hgpo quod est sub et thesis posilio; quasi suppositica Dividitur aulem

enuntialio secundum qualitalem in affirmalivam et negalivam Dividitur aulem

enunlialio calegorica secundum quanlitalem sie: alia est universalis, alia parlicuioris,

alia indefinita, alia singuioris. (Der Memorial -Vers aber, welcher bei Lambert v.

Auxerre sich fmdet, s. A. 108, ist hier nur am Rande der Handschrift, eingetragen.)

37) Auch die übliche Figur entspricht genau jener bei Pseltus.

38) Nolandum est, quod enuntialionum triplex est maleria, sciticel naturalis, conlingens,

et remota u. s. f.

39) Quoniam aulem, quae hucusque dicta sunt, ad calegoricam perlinent enunlialionem,

restat nunc agere de bgriolhelica, u. s. f. So wird die Unordnung des

Texles des Pseltus (Abschn. XV, Anm. 16) hier gleicbsam noch bekräfligt.

40) Eingeleilet wird dieses Cap. durch die Worte: Dictum est.superius, quod

dicitur iudicari enuntialio universalis vel parlicuions a nota signi addili suo subiecto

Restat, quae appositio negalionis qualem facit virtulem in signo. Abge

schlossen wird das Ganze durch: Sciendum ergo, quod quodlibet signum aequipollel

suo contradictorio cum negalionc praeposita, simitiler quodlibet signum aequipollet

suo suballerno cum negalione praeposita et postposita, simitiler omne signum univer

sale aequipollet suo contrario cum negalione postposita. Et omnia iam dicta possunt

relineri in his versibus (folgen obige Verse, welche nun wohl keiner weileren Er

klärung bedürfen).

41) Cum intentio sit de enunlialione propler sgllogismum, consideranda est sub

differenliis, in quibus differenliam facil in sgllogismo, quales sunt hae : affmnalivum,

14 XVH. Wilhelm Shyreswood.

rend er wie Psellus unter den sechs modalen Beslimmungen (verum,

falsum, possibile, impossibile, contingens, necessarium) die ersten beiden

als gleichgüllig ausscheidet 42}, nimmt er von der ebendaselbst (s. ebd. A.

20) aufgestellten Unterscheidung zwischen substanlivischer und adverbialer

Sprachform Gelegenheit, das Ganze ausführlicher, als Psellus gethan (ebd.

A. 21 f.), zu entwickeln43); zuletzt aber schliesst er die dortige Er

örterung über Gegensätzlichkeit oder Subalternalion der modalen Urtheile

mit den Versen ab44):

Su libi linea subeontraria prima secundac ;

Tertius est quarto semper contrarius ordo;

Tertius est primo contradictorius ordo;

Pugnat cum quarto contradicendo secundus:

Prima subest quartae vice parlicuiori habens se;

Hac habet ad seriem se lege secunda sequentem.

d. h. diese Verse beziehen sich auf die bei Psellus (ebd. A. 23 f.) ange

gebene versinnlichende Figur, welche hier an den Schluss dieses ganzen

Abschnittes gestellt ist, aber bei gleichem Inhalte eine abstractere Form

zeigt45).

negalivum, universale, parlicuiore, modale, de inesse, et aliae huiusmodi; differt enim

sgllogismus a sgllogismo per has differentias. Consideremus igitur enuntialionem per

hanc differentiam : al,a de inesse, alia modalis. Est igitur de inesse, quae simpliciler

significal inhaerentiam praedicali cum subiecto, i. e. non determinando qualiler inbaereat;

modalis aulem est quae delerminal inhaerentiam p,aedicali cum subiecto, i. e.

quae dicit, qualiler praedicatum inhaereat subiecto.

42) Modi aulem sunt sex, sc. verum, falsum, possibite, impossibite, contingens,

necessarium; sed quia duo primi non faciunt proposilionem modalem differenlem ab

enunlialione de inesse, ideo omittantur; idem enim est dicere „Soerales curril" et

„Soeralem currere est verum", sicut „Soeralem currere est falsum'' et „Soerales

non curril".

43) D. h. auch Withelm unterscheidet zwischen modus advertiialis und modus

nominalts, nemlich: modus adverbialis est ,,Soerales currit contingenter" ; modi

aulem nominales sie reniunt in sermonem, ul si dicam „Soerulem currere est conlingens",

et dicit Aristoleles (s. Abschn. IV, Aum. 282), quod sicut in itlis de inesse,

....sie in Iiis de modo esse vel non esse substaulia. Aher er führt dann diese

beiden Arten auch wirklich für die Angaben über Qualität, Quantitat und Aequipollenz

der modalen Urtheite durch.

44) Et possunt haec relineri per hos versus.

45) Nemlich statt der concreten Beispiele ist hier folgende Form gewählt:

IV III

Non possibite est non esse Non possibite est esse

Non conlingens est non esse contrariae ^on ci""t"0eBS es' esse

Impossibite est non esse Impossibile est esse

Necessarium est esse 'Necessarium est non esse

l II

Possibite est esse Possibite est non esse

Contingens est esse , . Contingens e»t non esse

Non impossibite est esse umint i HMi ^^ impossibite est non esse

Non necessarium est non esse Non necessarium est esse

XVII. Wilhelm Shyreswood. 15

Hierauf folgt der Inhalt der Isagoge, wobei sich Wilhelm sowohl

in der Begriffsbeslimmung des praedicaMle als auch in allem Uebrigen

völlig an Psellus (ebd. A. 26 f.) excerpireiid anschliesst 4 6) und zuletzt

die arbor Porphgriana vorführt.

Hingegen die Lehre von den Kategorien (ebd. A. 29—41) ist hier

gänzlich übergangen, worin wir wohl nicht mit Unrecht gleichfalls wieder

(vgl. obige Amn. 32 u. 36) arabischen Einfluss erblicken dürften 47).

Somit folgt nun die Lehre vom Syllogismus48), wobei Wilhelm

zunächst aus Psellus (Abschn. XV, A. 43) die Definilion des Schlusses an

gibt, hieran aber sogleich die aristotelische Unterscheidung zwischen vollkommneii

und unvollkommnen Syllogismen anknüpft imd von letzteren in

einer merkwürdigen Wendung den Uebergaug zur Lehre von der Um

kehrung der Urtheile fmdet, wobei er im Ganzen wieder dem Psellus

(ebend. A. 15) folgt, jedoch auch in einem einzelnen Punkte auf eine

Controverse hinweist49). Sodann aber gibt er die einzelnen Scblussfiguren

und Schlussweisen an, in jeder Beziehung den Text des Psellus

(ebd. A. 44 ff.) wiedergebend 50). Unmittelbar aber nach dem letzten

Modus der dritten Figur wird die Stellung des Mittelbegriffcs in den drei

Figuren durch den Memorial-Vers

Sub Prae prima, bis Prae secunda, lertia bis Sub

ausgedrückt51), sowie die sämmtlichen Modi der drei Schlussfiguren uns

hier in der lateinischen Logik zum ersten Male in folgenden Memorial-

Worten und -Versen begegnen :

Barbara, Cetarent, Dar«, Ferio, Raralipton,

<'etanles, Dabilis, Fapesmo, Frisesomorum,

46) Inlendentes de praedscabiti primo ridruunis, quid sit praedicabite, deinde

quomodo dividatur. Sicut ergo praedicalum est, quod de alio dicitur, ita praedica

bite, quod est de alio dicibite. Praedicabite aulem dicitur communiler et proprie

Proprie praedicabite solum est commune, commune aulem et universale idem

suttt Universale aulem sie diffinitur: universale est, quod est dicibite de pturibus,

ad differenliam individui. Dividitur aulem sie: universale aliud genus, aliud

species a. s. w.

47) S. was oben bei Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 189) und insbesondere was

bei Algazeli (ebend. Anm. 257) bemerkt wurde.

48) Victuri de sgllogismo, de quo est principalis intenlio logicae (s. ob. Anm.

32 u. 41), jirimn dicamus eius diffinilionem, deinde quol modis possit fieri.

49) Sgllogismus alius perfectus alius imperfectus (vgl. auch Boethius, Abschn.

XII, Aam. 135). Imperfectus indiget ul reducatur ad perfectum; hoc aulem fit

per conversionem ; ideo necesse est cognoscere eam (allerdings hatle ja auch Aristo

teles, freitich in anderer Weise, die Umkebnmg mlt der Syllogislik verflochten, s.

Abschn. lV, Anm. 539 ff.) Conversio aulem triplex: per se, per accidens, per

contrapositionem llem particuioris affirmaliva sccundum aliquos non converlitur

per contrapositionem, ul st subiectum sit praedicabite de omni enle et de omni non

ente, ul, si tale sit liaec dielio „inlelligibite", non sequitur „aliquod inlelligibite est

homo, ergo aliquis non bomo est non intelligibitis."

50) fledeamus ad principale et videamus, quol modis polest fieri sgllogismus,

Figura est Terminus est a. s. w. Nur verknüpft er die Angaben über Dictum

de omni und Dictum de nullo, welche bei Pseltus früher slehen, erst mit der ersten

Schtusgfigur

51) Diversita, aulem figurarum relinetur hoc versu: Sub Prae u. s. f. Dass

hiebei die Sylben Sub und Prae als Abkürzungen für subiectum und praedicatum

stehen, ist von selbst ersichtlich.

t6 XVII. Wilhelm Shyreswood.

Cesare, Campestres, Feslino, Baroco, Darapli,

Feiopton, Disamis, Dalisi, Bocardo, Femon52).

Zum Abschlusse der Syllogislik werden noch die gewöhnlichen auf

die drei Figuren bezüglichen Regeln (vgl. ebd. A. 44) vorgeführt53);

nemlich die aus modalen Urtheilen besiehenden Syllogismen (ebd. A. 54)

sowie die hypothelischen Schlüsse (ebd. A. 55) sind hier wie auch bei

Lambert von Auxerre und Petrus Hispanus gänzlich übergangen 54).

Was sodann die T o p i k betrifft , so wendet sich Wilhelm mit

Uebergehung der bei Psellus vorfindlichen Einleitung (s. ebd. A. 57 f.)

nach einigen kurzen Bemerkungen über die verschiedenen Arten des

Schliessens, wodurch er einen eigenthümlichen Anschluss der Topik

an die Syllogislik gewinnt, sehr rasch zur Defmilion des Topus 5>5),

52) Modi aulem et eorum reductiones relinentur bis versibus : Barbara u. s. f.

Der Schlüssel jedoch dieser Memorial-Worle wird nur unvollständig gegeben; nem

lich allerdings fügt Withelm hinzu : In his versibus A significat propositionem uni

versalem affirmalivam, E universalem negalivam, f particuiorem affirmalivam, 0 par

licutarem negalivam (dieses trafen wir auch schon bei Pseltus, Abschn. XV, Anm.

46 ff.); S conversionem per se, r conversionem per accidens, M transposilionem praemissarum

(dass das Wort „praemissa" auf Uebersetzungen arabischer Schriflen

hinweist, s. Abschn. XVI, Anm. 43); B et R cmn sunt in cadem dictione, significant

reduclionem per impossibite (Letzleres abweichend von den späleren Laleinern).

Aber es fehlt hiebei die Angabe, warum die vier Anfangsbuchstaben der Worte

Barbara, Ceiorent, Darli, Ferio je in den folgenden übrigen Worten wiederkehren

(dass diess mlt der Kcduclion der übrigen Modi auf die vier ersten zusammenhängt,

ist erst bei Lambert v. Auxerre und Petrus Hispanus ausdrücklich bemerkt, s. unten

Anm. 120 u. 187), und ebenso fehlt die Hinwdsung darauf, dass zur Bitdung der

übrigen Kunstworte auch indifferente Buchstaben verwendet werden (vgl. hingegen

ebend.). Um so sicherer aber dürfen wir annehmen, dass all diese Kunstvvorte

schon vor Withelm in der Schule üblich waren, und eben nur die Molivirung der

selben hier in abgekürzler Form vorgebracht wird. Jedenfalls aber sind die vier

erslen Worte (Barbara, Ceiorent, Darii, Ferio) bei den Lateinern im Unlerschiede

von den griechischen Originalen nur in dem Bestreben gewählt worden, einen Hexa

meler zu gewinnen, worauf dann lediglich um die Manipuiolion der Reduclion

mnemolechnisch auszudrücken die übrigen fünfzehn Namen sich gleichsam von selbst

ergaben. Uebrigens sleht nach dem Angeführten noch Folgendes: Duo primi versus

deserviunt primae figurae, quatuor aulem dictiones lertii versus st'cundae figurae,

et omnes aliae dictiones lerliae figurae. Ex praedictis palet, quod in quatuor

modos primae figurae reducuntur omnes alii, was sodann noch mlt Beispielen be

legt wird.

53) Nota eliam, quod ex duabus negalivis non sequitur aliquid nee ex duabus

particuioribus ; in prima aulem non sequitur direcle maiore exislenle particuiori vel

minore negalive; in secunda aulem non sequitur aliquid ex affirmalivis; in lerlia

aulem non sequitur aliquid minore exislenle negalive.

54) Unmittelbar nach dem so eben Angeführten steht: Kl haec de sgllogismo

sufficiant.

55) Ad plenam sgllogismi cognilionem non sotum exigitur cognitio eins secundum

diffinitionem, sed eliam secundum divisionem; et sunt quaedam cius divisiones, quae

docendae sunt, ubi agitur de sgllogismo communiler, sicut bae: sgllogismus alius

perfectus alius imperfectus, alius affirmalivus, alius negalivus, et aliae huiusmodi.

Quaedam vero separalim docendae sunt, sicut est ista: sgllogismus alius demonstra

livas, alius dialecticus, alius sophisticus. Et est demonstralivus, qui est ex necessariis

et ex eausis conelusionis cerlissimis faciens scienliam; dialeclicus vero est ex

probabilibus fociens opinionem; sophislicus aulem ex apparenter probabitibus ut ex

probabitibus apparenler sgllogizans ad gloriam vel ad victoriam. De ecleris omittentes

de dialeclico intendimus. Quia ergo dialecticus est ex probabitibus, probabititalem

aulem habet ex locis, proplerea de his est delerminandum Locus est u. s. f.

XVII. Wilhelm Shyrcswood. 17

und bespricht hierauf dem Texte des Psellus folgend die einzelnen

Topen 56).

Hierauf nun reiht Wilhelm eine ziemlich selbstständige Bearbeitung

jenes ausgedehnten Abschnittes an, welchen Psellus (ebd. A. 66—96) den

„proprietates terminorum" gewidmet hatte 57). Gleich zu Anfang wird

bemerkt, dass es sich hier um significatio, suppositio, copulatio, appellatio

handle, durch deren Kenntniss das nähere Verständniss des logischen

l'rtheiles gefördert werde 58), und nachdem die Definilion dieser Begriffe

in eigenthümlicher Unterscheidung eines actuellen und eines habituellen

Auftretens angegeben ist69), werden dieselben beziehungsweise mit den

declinirbaren und conjugirbaren Redetheilen in Verbindung gebracht, wobei

deutlich hervorgeht, dass nur die significatio sich auch auf die undeclinirbaren

Worte erstrecke, daher auch vorläufig von derselben Umgang

genommen wird 60).

Indem somit die suppositio folgt, wird dieselbe in einer Weise eingetheilt,

welche von Psellus (vgl. ebd. A. 69—73) etwas abweicht, nemlich

was dort (nach der Uebersetzungs - Terminologie des Petrus Hispanus)

naluralis und aceidentalis als Unterabtheilung der communis gewesen

war, wird hier als materialis und formalis zur Haupteintheilung gemacht,

neben welcher die Unterscheidung in communis und discreta coordinirt

herläuft ; die formalis aber wird dann (wie bei Psellus die accidentalis)

56) Die Reihenfolge der Topen weicht nur bei den loci extrinseci von Pseltus

ab, indem hier (vgl. Abschn. XV, Anm. 62) dieselben geordnet sind: ab auctoritale,

a siiiKli, a maiore, a minore, a proportione, ab opposilis (a disparalis ist hier weg

geiossen), a iruussuu,.l,livni'. Vgl. unten bei Lambert, Anm. 123.

57) Insofern jedoch der Inhalt der einzelnen Regeln im Ganzen der gleiche

ist und derselbe füglich am Resten seine Darsteltung bei dem geschichtlich einfluss

reichsten Autor, d. h. bei Petrus Hispanns, fmden wird, beschränke ich mich hier

hauptsächlich auf die Angabe der Reihenfolge und überiosse es dem Leser, die

folgenden Proben des Textes mit Petrus Hispanus im Einzelnen zu vergleichen.

58) Quatuor sunl proprietales lermini, quas ad praesens inlendimus diversiftcare ;

iK,»in,! enim cognitio valebit ad cognilionem lermini et sie ad cognitionem enunlialionis

et proposilionis. Et sunt hae proprietales: significalio, supposilio, coputalio,

appeliolio.

59) Est igitur significalio praesentalio alicuius formae ad inlellectum, supposilio

aulem est ordinalio alicuius intellectus sub alio, et est coputalio ordinalio alicuius

intellectus supra alium. Et nolandum, quod supposilio et coputalio dicuntur aut

secundum actum aut secundum habitum, et sunt istae diffiniliones earum secundum

quod sunt in actu, Secunäum aulem quod sunt in habitu, dicitur suppositio signi

ficalio alicuius ut subsislentis , quod enim tale est, natum est ordinari sub alio; et

dicitur copuiolio significalio alicuius ul adiacenlis, et quod tale est, natum est ordi

nari supra aliud; appeliolio aulem est praesens comenienlia lermini, i. c. proprietas,

secundum quam significatum lermini polest dici de aliquo medianle hoc verbo „est".

60) Ex his palet, quod signi/icalio est in omni parle sine dictione oralionis,

supposilio aulem in nomine substanlivo tantum vel pronomine vel dictione substanliva

(haec enim significat rem ut subsislentem et ordinabitem sub alio), copuiolio aulem

in omnibus adieclivis et participiis et verbis, appeliolio aulem in omnibus substanlivis

et adieclivis et parlicipiis et non in pronominibus (quia non signi/icant formam

aliquam, sed soiom substanliam) nec in verbis (quia verbum non significat aliquid,

quod apponitur per verbum substantivum, quia sie esset esse ipsum). Nulio aulem

istarum trium est in parlibus indeelinabitibus, quia nulio pars indeelinabitis signifieal

substanliam vel aliquid in substantia. De significalione aulem omiltamus et de

lribus aliis consideremus.

P«ANTi, Gesch. III. 2

18 XVII. Wilhelm Shyreswood.

in simplex und personalis u. s. w. eingetheilt, wobei jedoch die Unter

abtheilung der confusa wieder einige Abweichungen zeigt61). Die suppositio

relativorum fehlt hier62).

Völlig parallel hiemit wird sodann die copulatio (vgl. ebd. A. 83 u. 85)

in Eintheilung und Beispielen erörtert 63) , wobei zu beachten ist , dass

dieser Abschnitt bei Petrus Hispanus fehlt.

61) Et primo de supposilione videamus eius divisionem. Est igitur supposilio

quaedam malerialis, quaedam formalis. Et dicitur malerialis, quae ipsa diclio

supponit vel pro ipsa voce absotuta vel pro ipsa diclione composita ex voce el significalione,

ut cum dicam „homo est dissitabum", „homo est nomen". Formalis aulem

est, quae dictio supponit signi/icatum, el sie dividitur: alia simplex alia personalis.

Et est simplex, quae dictio supponit significatum pro significato, ul „homo est species";

personalis autem, quae supponit signi/icatum pro re, quae subest, ut „homo curril"

Ilem et alia divisio supposilionis formalis, secundum quam quaedam est communis el

quaedam disereta; communis, quae fit per lerminum communem, ut „homo currit";

disereta, quae fit per lerminum diseretum, ut „Soerales curril vel iste" Ilem

personalis dividitur sie: quaedam est delerminata et quaedam confusa ; confusa sie:

quaedam confusa tantum, quaedam confusa et distribuliva; confusa et distribuliva

quaedam mobitis, quaedam immobitis u. s. f.; d. h. es folgt nun die Erörterung

ähnlicher Bedenken wie bei Pseltus.

62) Dass die Supposilio reiolivorum den Anfang jener grossen Gruppe des

Texles bitdet, welche wir vom Compendium des Pseltus vermissen, s. Abschn. XV,

Anm. 84. Somit dient uns von hier an nur der Text des Petrus Hispanus zur

Vergleichung; denn wir müssen an der Ueberzeugung festhalten (s. ebd. Anm. 5

u. 86 ff. u. 93), dass Petrus Hispanus eine wörtliche Ueberselzung des griechischen

Originales gab, wohingegen Andere (wie eben Withelm Shyreswood und Lambert

von Auxerre) dasselbe selbstständiger bearbeileten. Wenn aber Herr M. Timrol in

der Revue Arehtiologique, 1864, p. 267—281 eben dieses Resultat meiner Forschung

umzustossen versucht, so hat er nach seiner Weise unleugbar die Sache sich recht

leicht gemacht (nur die Berufung auf den Arlikel „Pierre d'Espagne" in der Hist.

IM. de io France, — s. unten Anm. 135 —, hätte er sich füglich ganz ersparen

können). Herr Thurat witl nemlich die Ansicht vertheidigen, dass das Compendium

des Pseltus eine Uebersetzung des von Petrus Hispanus selbstständig verfassten

Werkes sel. Aber wenn unter den von ihm vorgebrachlen Gründen derjenige noch

der slichhalligsle ist, dass „supposilio" aus dem bei Priscianus vorkommenden Ge

brauche des Wortes „suppositum" habe entslehen können, so steht es mit der ganzen

Beweisführung sehr schlimm (denn z. B. damit, dass „confusus" schon bei Cicero,

pro Sest., vorkommt, wird wohl Hr. Thurat selbst nicht giouben etwas gesagt zu

haben), indem Alles, was z. B. über „substanlivum, adiectivum, modus significandi"

u. s. f. vorgebracht wird, eben lediglich für mich spricht. Oder ist Hrn. Thurot

der ziemlich reiche Schatz grammalischer Terminologie, welchen ich im XI. Ab

schnitle gelegentlich der Commentatoren anführen und benützen musste (z. B.

ovO,cääris, Inouat,odris , TQÖTtOS , artfsttviixöv u. s. f.) etwa ganz entgangen?

Alle diese Dinge ohne Ausnahme entstanden auf dem Boden der spät-griechischen

Cultur, und so ionge nicht das Unmögliche geschieht, d. h. so ionge man mir nicht

nachweist, dass und wie die Begriffe reiolio, appeliolio, amplialio, distribulio, restriclio,

exponibitia in ihrer technisch-logischen Bedeutung wirklich im ioteinischen

Abendionde sich gestalleten, bleibt das Resultat meiner Forschung unverrückt stehen

(von einzelnen Beweisen, wie z. B. unten Anm. 220, gar nicht zu reden). Hr. Thurat

hätte vielleicht besser getban, vorerst dasjenige, was ich Abschn. XV, Anm. 86 — 104

gesagt habe, aufmerksam zu lesen ; denn auf die Annahme eines Wunders, dass drei

fast gleichzeilige Autoren des ioleinischen Abendiondes etwa durch göttliche Ein

gebung auf jenes nemliche Gebiet der proprietales lerminorum geführt worden seien,

wird sich hoffentlich auch Hr. Thurat nicht einiossen. Wer überhaupt die supposilio,

amplialio u. s. f. besprach, konnte schlechterdings nur aus einer nicht-ioteinischen

Quelle schöpfen. Wo aber diese letztere in ihrer eigentlichen Ursprünglichkeit zu

suchen sei, habe ich gleichfalls ebendort Anm. 106 f. gesagt.

63) Hf copuiolione aulem dicendmt, quod haec dictio alia malerialis alia forXVII.

Wilhelm Shyreswood. 19

Der letzte jener Begriffe, nemlich die appellatio (vgl. ebd. A. 90), wird

hier in anderer (und zwar an sich besserer) Weise besprochen, als in

dem Compendium des Petrus Hispanus der Fall ist; nemlich wenn dort

die amplialio und die reslrictio als getrennte Capitel nachfolgen, so sind

hier diese beiden Begriffe und die darauf bezüglichen Regeln sogleich in

die Darstellung der appellalio verflochten 64).

Unmittelbar hierauf folgt der Inhalt der Sophist. Elenchi, welche

in dem uns erhaltenen Texte des Psellus fehlen (s. ebd. Anm. 65 u. 91),

und es scheint wenigstens, dass Wilhelm in einer gewissen principiellen

Auffassung all das Bisherige, was die Verhältnisse des Subjects- und des

Prädicats-Begriffes betrifft, als eine Vorbedingung oder Einleitung zur Sophistik

betrachtete. Zu beachten aber ist, dass auch er ebenso wie Lambert

v. Auxerre (Anm. 124) und Petrus Hispanus (Anm. 197) nur die

erste Hälfte des aristotelischen Buches (d. h. nur bis Cap. 15) berück

sichligt 65).

In gleicher selbstständiger Behandlungsweise wird nun hernach all

Dasjenige vorgeführt, was bei Petrus Hispanus von der Distributio an folgt,

und zwar wird hier in einer Weise, welche gar nicht unrichlig ist (s. ebd.

A. 92), jenes Ganze durch die Titelüberschrift „Sgncategoreumata'f

malis; formalis (dieses Wort feblt in d. Hdschrft) alia communis alia disereta, el

haec alia simplex alia personalis u. s. f. genau die nemliche Eintheitung wie bei

supposilio.

64) Restat inde de appeilalione , cuius iam habetur diffinitio (s. ob. Anm. 59),

ex qua palet eins differenlia ad supposilionem . . . . el ad copuiolionem Terminus

ex parle subiecli supponit et ex parle praedicali appeliot. Et sciendum, quod secundum

utramque diffinilionem ex parle subiecli supponit, ex parle aulem praedicali supponit

secundum habitualem suam diffinilionem. Sciendum eliam, quod lerminus ex parle

subiecli appeliol suas r es, sed non secundum quod est subiectum; ex parle autem

fmeikali appeliot eliam secundum quod est praedicatum ; secundum aulem quod praedkatum

comparatur ad subiectum suum per aliquam suarum rerum, et secundum hoc

appeliot Datur haec reguio: Terminus communis non restrictus habens sufficienlia

appeltatorum supponens verbo de praesenli non habenli vim ampliandi supponit

terminum pro his quae sunt Hoc membrum „habens sufficientia appeliotorum"

apponitur, quia si non habet, polest supponere pro non ente, et intellige, quod suffi

cientia appeltatorum in tribus consislil ad minimum, unde si non sunt tol appeliota,

polest terminus supponere pro non ente, ut si sunt tantum duo homines, hoc est

falsum „omnis homo esl" Reguio: Terminus communis supponens verbo de praelerito

supponil tam pro praesentibus quam pro praelerilis, el supponens verbo de

futuro supponit tam pro praesentibus quam pro futuris Hoc aulem membrum

„non habenli vim ampliandi" apponitur, quia si sit verbum ampliandi, polest sub

iectum supponere pro non enle, ut „homo ioudatur" hoc est verum pro Caesare, el

i'st verbum amplians, cuius res polest inesse non existenli. Sed verbum restringit

supposilionem lermini; ergo aut per suam significaltonem aut per consignificalionem ;

si per significalionem, ergo tribus hominibus currentibus hoc est verum „omnis homo

curril", quod falsum est; si per consignificalionem, non erit per aliam quam per

consignificationem lemporis; ergo omne verbum praesenlis restringit ad praesentis

o. s. w.

65) Mlt der Ueberschrift „De faliociis" folgt: Ut dicit Aristoleles in primo

slenchorum (dass aurh diese Abiheitung des aristatelischen Buches auf arabische

ütleratur zurückweise, s. Abschn. XVI, Anm. 64 u. 345), quatuor sunt genera

disputalionum , sc. doctrinales sive demonstralivac , dgalecticae el lemptalivae

et sophisticae Methae aulem sunt quinque: redargulio, falsum, inopinabite,

nugalio, soloecismus u. s. w, wie bei Petrus Hispanus, nur das Ganze sehr ab

gekürzt.

2*

20 XVII. Wilhelm Shyreswood.

bezeichnet66). Somit tritt auch zunächst eine Einleitung voraus, welche

nicht ohne Zusammenhang mit Obigem (Anm. 58— 60) den Begriff und

die logische Bedeutung der Syncategoreumata entwickelt 0 '). Und es folgt

hierauf die specielle Besprechung der einzelnen hier beizuziehenden Worte,

wobei jedesmal (wie bei Petrus Hispanus) an die Angabe beslimmter Regeln sich

die Lösung betreffender Sophismen anknüpft. Auf solche Weise werden in fol

gender Anordnung erörtert: zunächst diejenigen, welche im Urlheile auf Seite

des Subjectes stehen, und zwar vorerst die „distribuliven" Worte, sowohl die

bejahenden o»m»j68), toius69), infinitus""1), qualistibel und quantustibel1 1),

66) Wo unmitlelbar nach dem Schlusse der Soph. Et. sich der nun folgende

Text anschliesst, sleht am Bande der Handschrift: Sincalegoreumata magistn\Guitelmi

de Shireshode.

67) Quia ad cognilionem alicuius oporlet cognoscere suas parles, ideo ut plene

cognoscatur enuntialio, oporlet eins parles cognoscere. Parles aulem eius sunt duplices:

principales et secundariae. Parles principales sunt nomen substanlivum et

verbum; hai'c enim necessaria sunt ad hoc, ut cognoscatur enunlialio. Parles secun

dariae sunt nomen adiectivum et aitverbium et coniunctiones et praeposiliones ; haec

enim non sunt necessaria ad esse enuulialionis. Parlium aulem secundariarum quaedam

sunt determinaliones parlium principalium ralione suarum renm, et haec non

sunt »gncalegoreumata, ut cum dico „homo albus"; hoc „albus" enim significat, quod

aliqua res eius, quod est homo, sit alba. Quaedam aulem sunt determinaliones

parlium principalium, inquantum sunt subiecta vel praedicata, ut cum dico „omnis

homo curril"; hoc „omnis" enim, quod est signum universale, non significat, quod

aliqua res eius, quod est homo, sil universalis, sed quod homo sil quoddam univer

sale subiectum. Haec dicuntur sgncalegoreumata, de quibus tractendum est, quia

faciunt plurimam difficultalem in sermone. Dicitur ergo hoc nomen sgncalegoreuma

a sgn, quod est con, et calegoreuma, quod est significalivum vel praedicalivum, quasi

„conpraedicalivum"; semper enim cum aliquo iungitur in sermone. Sed quaeritur,

cum quaedam sint delerminaliones subiecli, quare omnia delerminentur a praedicato.

Dicendum, quod praedicatum est pars compleliva enuntialionis, omne aulem sgnca

legoreuma atlingit aliquo modo subiectum et praedicatum, et proplerea a praedicato

tanquam a complemento et digniori denominantur sgncalegoreumata (die älteren

Quellenslellen über den Begriff der Sgncalegoreumata s. Abschn. XV, Anm. 9, u.

Abschn. XIV, Anm. 174 n. 206).

68) Primo autem tractandum de his, quae sunt ex parle subiecli, ut de signis

et de quibusdam aliis, et primo de hac dictionc „omnis" Sciendum, quod

„omnis" significal universalitalem • sed quandoque signi/leat eam, ul ipsa est rei

dispositio, et non est sgncategoreuma, et sie aequipollet ei, quod est lotum vel perfectum,

ul cum dicitur „mundus est omne"; quandoque significat eam, ut est dispo

sifio subiecli, inquantum subiectum est, et est sgncalegoreuma, ut cum dico „omnis

homo curril", u. s. f. in grössler Ausführlichkeit. Zuletzt : Dictum est sufficienter

de hac diclione „omnis", nec oporlel aliquid dicere de his diclionibus „quitibet,

quisquc", quae eiusdem polestalis fere sunt cum hac diclione „omnis", secundum

quod distribuunt pro parlibus secundum numerum, et de hac diclione „quicunque"

vel „quiscunque", quae eiusdem poleslalis sunt cum itlis.

69) Sed nunc agendum de hac diclione „totum", de qua sciendum, quod quando

que dicit lolalitalem alicuius, secundum quod res est, et aequipollet ei, quod est

inlegrum, et est calegoreuma; quandoque dicit tolalitalem ralione praedicali et est

sgncalegoreuma u. s. f.

70) Eodem modo est haec diclio „infinita" sgncalegoreuma et calegoreuma

n. s. f.

71) Praeler signa praedicta sunt alia copuiotorum distribuliva et sunt huiusmodi

signa „qualistibet, quantumlibel" et similia wobei z. B. zur Vergleichung

mit Petrus Hispanus (s. unten Anm. 253) folgendes Sophisma angeführt werden

mag: Hie solvitur hoc sophisma: Sunt tres qualitales: albedo, grammalica, musica;

et Soerales habet primam et currit, Pioto habet secundam et currit, Cicero lerliam

XVII. Wilhelm Shyreswood. 21

uterque1'2), als auch die verneinenden nullus13) und neuter1*), sodann das

,,exceplive" Wort praeter15), und ausserdem noch die „exclusiven" Worte

solus 76) und tamen11). Hierauf folgen jene, welche zur Urtheilsverel

eurrit, et Virgitius habet omnes et non currit ; inde sie: Qualelibet currit. Probalio:

album currit, grammalicum currit, musicum currit, et non sunt ptures ; ergo

qualelibet currit; sed quidquid est qualelibet, est Virgitius; ergo Virgitius currit;

quod falsum est. Sotulio u. s. w.

72) Est adhuc unum signum affirmalivum suppositorum distribulivum, sciticet

„uterque" u. s. f. (sehr kurz abgehandelt).

73) Sequitur de signis negalivis, et primo de hoc dicendum „nultus", de qua

sciendum, quod quandoque dividit pro parlibus secundum speciem, quandoque pro

parlibus secundum numerum u. s. f. (eine Menge Sophismen).

74) Est adhuc quoddam signum negalivum, quod lerminum negat de duobus,

scilicel ,,neutrum" u. s. f.

75) Quia iam dictum est sufficienler de signis distribulivis, dicendum de hac

diclione „praeler" excepliva, tum quod exceplio saepe vull cadere super aliquam

dirisionem et ad eam continuari, tum quia oppositum habet ad ipsam, quod palel

quia haec diclio „omnis" dicit totam mullitudinem, et haec diclio „praeler" oppo

situm a tolalitale subtrahendo aliquam parlem. Possit tamen aliqua ralione prius

tractari de exctusivis, sed non annuendum. Sciendum, quod haec diclio „praeler"

quandoque lenetur addilive, nt cum dicitur „sex viri sunt hie praeler magistrum

unum", quandoque exceplive, et hoc dupliciler, quandoque diminulive, quandoque

instanlive; diminulive, quando ab aliquo tolo siquifical secundum rem fieri diminulionem,

ut hie „Soerales habet undecim digitos praeler unum"; instantive, quando

excipit parlem a tolo ralione praedicali, ul hie „omnis homo praeler Socralem curril";

significat enim, quod Soerales excipiatur ab hoc tolo „omnis homo" non secundum

rem, sed ralione praedicali, et sie proplerea est sgncalegoreuma u. s. f. (mit einer

Menge Sophismen).

76) Postquam dütum est de signis et de diclionibus exceplivis , convenienler

dicendum est de hac diclione „sotus", tum quia proprie cadit cirea subiectum sicut

eliam signa, tum eliam propler opposilionem, quam habet cum hac diclione „omnis";

„omnis" enim semper dicit unum cum alio, ,, sotus" unum non cum alio. Et quaeritur

primum, an haec diclio „sotus'' sit sgncalegoreuma vel non, et videtur quod

non, quia si dicatur „Soerales incedit superbus", hoc „superbus" significat, qualiler

sit Socrales incedendo, et sie cum dicit qualitalem Soeralis, quae est res praedicabitis,

non est sgncalegoreuma, sie si dicatur „Soerales comedit sotus", significat,

qualiler se habeat in comedendo, et sie cum dicat modum Soeralis et reiolionem, quae

est res praedicabitis, non est sgncalegoreuma Et hoc palel aliter, quia „sotus"

significat „non cum alio" el sie dicit separalionem, et haec est reiolio et res praeduabilis.

Et dicitur, quod, cum signi/icat separalionem ab aliis secundum rem, tunc

est calegoreuma ; cum aulem significat separalionem alicuius ab aliquo in participando

praedicatum, tunc est sgncalegoreuma, ul hie „sotus Soerales currit''; signi

fical enim, quod alii non participant praedicatum. Polest adhuc quaeri, quare melius

additur termino singuiori sive disereto, quam communi Praelerea quaeritur, an

haec „sotus Soerales currit" sit una vel plures; el videtur, quod ptures ; et

dicitur, quod non Praelerea quaeritur, an sit semper affirmaliva Ad hoc

quaeritur, quare haec diclio „solus" dicitur magis exctusiva, quam inctusiva; cum

enim dicitur „sotus Soerales curril", ineluditur Soerales subiectum cursui, alii aulem

exctuduntur ; et dicitur, quod hoc est, quia inctusio non est ex virtule huius diclionis

„sotus", sed ex virtule suae praeiacenlis, exctusio aulem est aliorum el ex

virtute huius dictionis. Ilem videtur, quod haec dictio „sotus" quandoque exctudit

generallter quandoque specialiler, v. g. „sotus Soerales currit" primo modo sensus

est „nullum aliud a Soerale currit", ut exeludatur generaliler omne alind a Soerale,

secundo modo significat specialiter, quod nultum aliud a Soerale currit in eodem genere

u. s. f. (wieder mehrere Sophismen).

77) Consequenler dicendum est de hac diclione „tamen", de qua sciendum est,

quod secundum eius primam significalionem non est sgncalegoreuma, sed dicit certam

mensuram alicuius actus, sicul hae „multum, parvum" dicunt incertam mensuram, et

22 XVII. Wilhelm Shyreswood.

kniipfung zwischen Subject und Prädicat gehören, nemlich estls) und

non79). Hernach diejenigen, welche dem Prädicate näher stehen, nemlich

die „exponiblen" Worte necessario und contingenter so), incipit und

de«'ml81). Zuletzt kommen noch jene Worte in Betracht, welche ein

est adverbium quanlitalis sicul itta; cum aulem haec ralio mensurae contrahitur ad

ralionem subiecli ralione praedicali vel ad ralionem praedicali ralione subiecli,

sie esl diclio exctusiva u. s. f. ebenso.

78) Cum iam dictum vel delerminatum sit de dictionibus sgncalegoreulicis perlinenlibus

ad subiectum, dupliciler possumus procedere, aul sciticet ,lelerminando de

his, quae perlinent ad composilionem, aut de Ins quae pertinent ad praedicatum. Et

primo modo procedenles delerminemus de hoc verbo „esl", non quia sit sgncalego

reuma, sed quia a mullis putatur esse sgncalegoreuma. Et Mi nituntur hinc dicto

Aristolelis (s. Abschn. IV, Anm. 201 f.), quod „est" significal quandam compositionem,

quam sine compositis non est intelligere; eredunt enim, quod hoc „consignificare" sit

„simul significare", et sie sotum sit consigni/icalivum et praedicalivum sicul sgncale

goreuma. Sed contra verbum est nolalio eius, quod dicitur de alio, hoc aulem est

praedicatum; ergo omne verbum est nolalio vel signum praedicali; ergo hoc verbum

„esl" est signum praedicali et non sotum composilionis praedicali cum subiesto. Sed

dicent forle, quod „esl" non est verbum, sed radix omnium verborum. Sed contra

ex solo nomine et verbo fit propositio, ergo ipsum „esl" est verbum. Dicitur ergo

consigni/icare non quia cum alia diclione significet et ingrediatur oralionem, sed quia

cum principali suo signifiealo composilionem significat, ob hoc aulem non est sgnca

legoreuma. Sed videtur adhuc, quod quando „esl" est tertiam adiacens, non sit iltud

praedicatum, sed sotum composilio Ubi „esl" no« est lerlium adiacens, dicitur

sotum esse actuale; sed nW est lerlium adiacens et est praedicalio superioris de in

feriore, lenetur aequivoce n. s. f.

79) Sequitur de hac dielione „non" ef videtur, quod debeat esse verbum, quia

significal divisionem, et hoc, ut videtur, opponitur composilioni denolatae per hoc

verbum „esl", et sie debet esse verbum sicul et ipsum, contraria enim eiusdem sunt

generis. Et dicitur, quod haec ralio peccat dupliciter Sciendum eliam, quoa

quandoque sislit in uno lermino et tunc facit iufinitalionem, quandoque fertur ad compositionem

nnius cum alio et hoc dupliciler, aut faciendo negalionem in genere aul

extra genus u. s. f. (folgen wieder mehrere Sophismen).

80) Sequitur de his diclionibus „necessario, contingenler", el sciendum, quod

haec dictio „necessario" polest esse calegoreuma vel sgncalegoreuma; si calegoreuma,

sie est delerminalio praedicali; si sgncalegoreuma, tunc composilionis; et simititer

„contingens" u. s. f. ebenso.

81) Sequitur de his diclionibus „incipit, desinil", et sciendum, quod uno modo

sunt sgncalegoreumata, alio modo calegoreumata, v. g. haec dictio „incipil" significal

inceplionem alicuius actus in subiecto aut ralione suae rei aul inquantum est

praedicabite, et primo modo habet vim calegoreumatis, secundo modo sgncalegoreumalis

Sed videtur, quod nullo modo sit sgncalegoreuma, sciticet quod praedi

catur, est modus indicalivus, sed non est alius indicalivus quam hoc verbum

„incipil", ergo ipsum praedicatur, ergo non est sgncalegoreuma, quia nullum sgnca

legoreuma est subiectum vel praedicatum, sed magis subiecli vel praedicali disposilio.

Ad quod dicendum, quod dupliciter est dicere aliquid praedicatum esse, aul secundum

formam sermonis et modum construendi aut secundum rem; primo modo praedicatur

sof»s indicalivus, secundo modo bene praedicatur infinilivus, ut si diceretur

„Soerales videt hominem nunc primo", et sie si „videre" secundum rem praedicatur

et si „incipit'' dicitur modo secundum quod praedicatur, sie habet vim sgncalegoreu- •

malis aliquo modo Consequenter quaerendum de exposilionibus istarum diclionum.

Et dicunt quidam, quod quandoque dicunt exislenliam in lermino, quandoque viam

ad lerminum, ut si diceretur „Soerales incipit esse albus", primo modo significat,

Soeralem esse in principio albedinis, secundo modo, quod sit in molu et via ad albedinem;

el eliam quandoque coniunguntur cum permanentibus, quandoque cum successivis

; et sunt permanentia, quorum partes sunt simut, cuiusmodi est album; successiva,

quorum parles non sunt simut, suiusmodi est currere Sed confra sif, qnod

„Soerales incipit esse sanus el desinit esse aeger", tunc instms inceplionis et instans

XVII. Wilhelm Shyreswood. 23

gewisses Verhältniss zwischen zwei Subjecten oder zwischen zwei Prädicaten

oder zwischen zwei Urtheilen ausdrücken , d. h. die „Conjunclionen"

82), und zwar die „conseculiven" «83); nm'84) und guin85), hierauf

desitionis aut erunt idem, et tunc in Mo et sanus el aeger, aut erunt diversa, et tunc

invenietur lempus, in quo non erit sanus nec aeger. Proplerea dicendum, quod omnis

permutalio aut in rem successivam aut in permanenlem n. s. f. ebenso.

82) Determinalis dielionibus, quarum officia perlinent ad subiectum et eliam ad

praedicatum ralione composilionis, et eliam de his, quae licet uno modo sint determinaliones

praedicatorum, alio tamen modo sunt praedicata, sequitur de dielionibus

pertinenlibus ad unum subiectum ralione allerius vel ad unum praedicatum respectu

allerius vel ad unam composilionem ralione allerius. Huiusmodi aulem sunt coniuncliones.

Est aulem coniunclio pars oralionis indeelinabilis coniuncliva aliarum

partium oralionis; et dico ,,parlium", quia licet coniungat oraliones, hoc tamen non

est «ist inquantum itioe sunt partes oralionis compositae. Cum ergo praeposilio sit

etiam coniuncliva parlium oralionis, quaerenda est di/ferenlia inier haec. Ad quod

dicendum, quod praeposilio habitudinem dicil unius ad aliud, coniunctio

autem coniungit aliqua, quorum neutrum ad aliud habet habitudinem.

83) Cum autem multae sint species coniunctionum , sotum de conseculivis et

copuiolivis el disiunclivis nunc inlendimus, et primo de conseculivis et inler haec

pnmo de hac dictione „si", de qua divimus, quod consequentiam significat. Et

tunc quaeritur differentia inier haec „sequitur vel ordinatur" el hanc diclionem „ss".

Ad hoc dicendum, quod haec diclio „si" notal consequentiam, secundum quod exercetur

ab anima proferentis „Si" dicit aliquam rem sub conditione ad aliam,

„sequitur" autem non. Item quaeritur, quare non additur consequenti, cum dicat

consequentiam. Dicendum, quod non dicit aliud sequi proprie, sed ad aliud, sc. ad

anlecedens facit consequentiam et ideo antecedenti coniungitur Nunc quaerendum

est, quac sit composilio in conditionali, cirea quam sit veritas el falsitas. Et dicunt

quidam, hanc esse cirea composilionem eius, quod est, sc. ralione huius verbi „sequitur"

subinlellecli. Sed contra vox est signum inlellectus , ergo „st Soerales

currit, Soerales movetur" quantum ad principalem intellectum est proposilio, ergo in

principali eius inlellectu est'veritas el falsitas Sciendum tamen, quod haec,

dieltu „s«'' quandoque respicit lotum consequens, quandoque verbum consequenlis ;

primo modo facit condilionalem, secundo modo calegoricam de conditionali praedicalo.

(nun folgen Sophismen) llem quandoque nolat consequenliam simpliciler,

quandoque ut nunc rebus se habentibus , quandoque dicit aliquid sequi ad aliud

necessario , quandoque nutal consequentiam naturalem, quandoque non naturalem;

naturalem, ut quando notal consequens sequi ad anlecedens ralione alicuius habitudinis

unius ad aliud; non naturalem, quando nolat consequens sequi ad anlecedens

non ralione habitudinis unius ad aliud, sed sotum propler impossibititalem anlecedentis

vel necessitalem consequenlis ; primo modo notat ordinem rerum secundum rem,

secundo modo notat ordinem rerum secundum sermonem. Item quandoque in non

naturali ralione cuiustibel lemporis , quandoque ralione praesenlis vel

futuri lemporis n. s. (. wieder Sophismen. Uebrigens vgl. Anm. 617.

84) Sequitur de hac diclione „nisi", de qua sciendum, quod nolat consequen

liam ad anlecedens negatum, componitur enim ex si et non. Et quaeritur, quare

magis sit coniunclio quam adverbium. Ralio huius est, quod conseculio cadil super

negalionem el est complementum suae significalionis Est aulem videre, quod

quandoque lenetur exceplive, quandoque conseculive. Cum conseculive lenetur, tunc

hae eaedem possunt assignificari distinctiones de ea, quae de hac dictione „si" n. s. f.

wieder Sophismen.

85) Sequitur de hac dictione „quin", de qua sciendum, quod est diclio conseculiva

notans consequentiam alicuius ad anlecedens negatum; habet enim negalionem

in se, ul hie „non currit, quin mouealur" est sensus „si non movetnr, non curril".

Et est sophisma: Tu non poles vere negare, le non esse asinum. Probalio. Tu non

poles negare vere necessarium; sed hoc est necessarium; ergo non poles vere negare

hoc; deinde ergo non poles vere negare, quod non sis asinus; ergo non poles vere

negare, quin sis asinus; ergo tu es asinus (folgt die Lösung).

24 XVII. Wilhelm Shyreswood.

das „copulalive" et86), und schliesslich die „disjuncliven" vel 87), aw8*),

ne89) und sive 90). Zeigt nun dieses Arrangement der Syncategoreumata

im Vergleiche mit dem Texte des Petrus Hispanus und somit auch

sicher mit jenem verlorenen Texte des Psellus entschieden einen selbst

ständigen Charakter der hiebei gewählten Gesichtspunkte, und fmden wir

ausserdem hier in den Conjunclionen einen Bestandtheil dieser logischen

Theorie, welcher bei Petrus Hispanus ursprünglich nicht beigezogen war

(s. hingegen die späteren Inteipolalionen in Abschn. XX), so bietet sich

uns noch eine andere höchst bedeutsame Wahrnehmung dar. Nemlich

Wilhelm äussert sich wiederholt ausdrücklich derarlig, dass wir einen

bereits damals verbreiteten Betrieb jenes Abschnittes der Logik, welcher

die Syncategoreumata betrifft, voraussetzen müssen. Es wurde ja zufolge

seiner Angaben nicht bloss die Reihenfolge der Capitel bald so bald an

ders eingerichtet91), sondern auch an die einzelnen Syncategoreumata

selbst knüpften sich Controversen , indem z. B. Einige das Wort „esl"

wirklich als ein Syncategoreuma betrachteten 92) , oder bei „incipü" die

Frage aufgeworfen wurde , ob dasselbe das bereits eingetretene erste

Stadium des begonnenen Zustandes oder nur den Uebergang in das erste

Stadium bedeute 93), sowie hinwiederum bei „si" sich der Zweifel erhob,

ob es sich auf den dinglich objecliven oder nur auf den sprachlichen

Zusammenhang beziehe 94).

Somit gewinnen wir nun (vgl. ob. Anm. 52) die begründete Ein

sicht, dass auch Wilhelm Shyreswood nicht der Erste war, welcher das

Compendium des Psellus in das lateinische Abendland übertrag, sondern

dass er nur als ein uns zufällig zugänglicher Repräsentant einer verbrei-

86) Sequitur de coniunclionibus copniolivis, cuiusmodi est hoc ipsum „et" ,

quod significat simul esse Dicenitum, quod simul esse, quod dicitur per hoc

ipsum „el", est duorum praedicatorum in uno subiecto vel duorum subiectorum in

uno praedicato u. s. f. Sophismen.

87) Sequitur de hac diclione „vel", quae est disiuncliva coniunctio Et dicendum,

quod coniungit voces in unum sermonem, res aulem disiungit quod ea,

inler quae disiungit, simul esse non possunt, cum dicit, allerum esse verum, allerum

esse falsum u. s. f. ebenso in grosser Ausführlichkeit.

88) Sequitur de hac diclione „an", quae significat dubitalionem, et inlelligendum

est sie, quod cum dubitamus de duobus, an sit consenliendum quaerimus,

et talia duo coniungi medianle „an" Quaeritur aulem. quae sit differenlia

inler „an" el „vel". Quae talis est, quod qui seit, an Soerates cmrat, seit determinale

alleram parlem; sed qui seit, Soeratem currere vel non currere, non seit delerminale

allerum. Et proplerea „an" dicitur elecliua coniunctio, quia dicit eleclionem

allerius parlis delerminale u. 3. f. Sophismen.

89) Sequitur de hac diclione „ne", quae aliquando ponitur inlerrogalive, ut

„curritne Soerales", et ponitur pro „an", quandoque ponitur prohibilive ; el hoc dicitur

quandoque sie, ul per ipsam exereeatur prohibilio, quandoque aulem, ut ipsum prohibitum

ordinetur cum aliquo praecedenli; exemplum primi „ne curras", exemptum

secundi „volo, ne curras". Et sie de ipso est dubitalio in hoc sophismale.' Tu vis,

ne libi coneludatur, et caves, ne libi coneludatur ; ergo idem vis el caves u. s. f.

(die Lösung).

90) Sequitur de hac diclione „sive", de qua sciendum, quod ipsa signi/icat disiunclionem

cum condilione u. s. w. Sophismen.

91) S. d. Stelle in Anm. 75 u. 78.

92) S. Anm. 78.

933)) S. Anm. 81.

944)) S. Anm. 83.

XVII. Wilhelm Shyreswood. Lambert von Auxerre. 25

teten Richtung gelten kann (vgl. sogleich unten Anm. 97), indem wir

mit Gewissheit schliessen , dass schon im zweiten und dritten Jahrzehent

des 13. Jahrhunderts jenes byzanlinische Original bei den Lateinern eine

einflussreiche -Aufnahme gefunden haben muss (vgl. Abschn. XV, Anm. l ff.).

Und wir finden es, — um von Vincenz von Beauvais abzusehen, bei welchem

anderweilige begründete Bedenken eintreten (s. unten Anm. 319—326) —,

nun keinenfalls unerklärlich, wenn Albertus Magnus in einem Punkte,

welcher nur aus der byzanlinischen Logik geschöpft werden konnte, eine

wörtliche Uebereinslimmung mit Wilh. Shyreswood zeigt (s. Anm. 470 f.).

Demnach kann es auch nicht mehr auffallend sein, wenn wir noch einen

zweiten Vertreter dieser Logik an Lambert von Auxerre (um die

Mitte des 13. Jahrh.) treffen, welcher als jüngerer Zeitgenosse des Wilhelm

Shyreswood, sowie als älterer des Petrus Hispanus zu bezeichnen ist 95).

Auch er hat in seinem uns nur handschriftlich erhaltenen Werke „Summa

logicae" 96) die Synopsis des Psellus zu Grunde gelegt, dieselbe aber mit

ziemlich reichlichem Studium des Boethius und theilweise selbst der Araber

selbstständig verarbeitet. VorTHer ausgedehnten Einleitung, welche Lambert

vorausschickt, ist uns sogleich die erste Zeile wichlig97), in welcher auf

die den „neuen"' Zuhörern dargebotenen „Summulae" hingewiesen wird ;

denn wir werden nicht irren , wenn wir hierin eben wieder jene Thatsache

erblicken , dass durch die Verbreitung der Schrift des Psellus die

Anferligung derarliger Summulae eine ganz allgemeine wurde. Die ein

zelnen Punkte der Einleitung bespricht Lambert in Form der arabischen

Quaesita, d. h. stets Fragen aufwerfend und dieselben beantwortend 98),

und in solcher Weise erledigt er zunächst in sichtlichem Anschlusse an

Alfarabi (Abschn. XVI, Anm. 13 u. 18) die Eintheilung der sieben freien

Künste "), sowie die bevorzugte Stellung der „Logik" innerhalb des Tri-

95) Die wenigen bekannlen Nolizen über ihn s. bei Lebeuf, Me'moires concern.

PMst. eccl. et cn. d'Auxene, II, p. 493 f. Qilelif, Seriptt. Ord. Praedic. I, p. 906.

96) Auch was den Lambert betrifft, wurde ich (wie bei With. Shyreswood)

nur durch Haureau, De io phit. scol. II, p. 240 auf die Pariser Handschrift Cod.

Sorbonn. 1797 hingewiesen. Die zweite von Haureau genannle Handschrift (nach

der Numerirung des gedruckten Cataloges Cod. Reg. 7392) habe ich nicht benützt;

und nur auf diese wohl kann sich Haure'au's Angabe beziehen: „L'auleur commence

par une analgse raisonne'e de P Introduction , puis it passe ä l Inlerprttalion, aux

Analgliques, aux Arguments, aux Topiques, et finit par les Cate'gories." Auffallend

jedoch bleibt mir dabei, dass Haure'au dennoch jenes nemliche Proömium anführt,

welches in Cod. Sorb. 1797 zu Anfang der Summa steht, welche eine hievon ganz

verschiedene Reihenfolge (nemlich eben jene des Pseltus) zeigt.

97) Ut novi artium auditores plenius inlelligant ea, quac in Summulis edoecntur,

valde ulilis est cognitio dicendorum.

98) S. die nemliche Methode z. B. auch bei Avicenna, Abschn. XVI, Anm.

106 u. 113.

99) In primis quaeritur, quare artista dicitur audire de arlibus et non de arte.

Ad hoc dicendum est, quod seplem sunt arles liberales, quarum tres vocantur triviuo,,

quae sunt grammalica, logica, rhetorica. Et dicuntur trivium quasi tres viae ad

a a um, sc. in sermonem. Omnes mim triviales sunt de sermone, sed differenter: quia

grammalica cirea sermonem- considerat congruum et incongruum, ut congruum eligat

et incongruum fugiat; logica vero cirea sermonem considerat verum et falsum, uf

verum eligat et falsum fugiat; sed rhetorica cirea sermonem considerat ornatum et

inornatum, ut ornatum eligat et inornatum fugiat. Aliae quatuor vocantur quadri-

,n',n a. s. w.

26 XVII. Lambert von Auxerre.

viumsluo), wofür er noch ein verstärkendes Moliv in den Angaben des

Boethius (Abschn. XII, Anm. 76) findet101). Unmittelbar hieran reiht er

in fast wörtlicher Uebersetzung der ersten Zeilen des Psellus (Abschn. XV,

Anm. 6) die Definilion und Etymologie der „Dialeklik"102), springt jedoch

hievon bezüglich des Unterschiedes zwischen „Logik" und „Dialeklik"

wieder auf Boethius (Abschn. XII, Anm. 82) über, und giebt hiebei ge

legentlich die für uns wichlige Noliz, dass „vetus logica" aus dem Buche

über die Kategorien und jenem de interpr., hingegen „nova logica" aus

den beiden Analyliken, der Topik und Soph. El. bestehe103), wodurch

wir sowohl einen Beleg für Obiges (Anm. 5) als auch einen festen An

haltspunkt für Späteres gewinnen. Ferner unterscheidet • er an der

„Dialeklik" eine wissenschaftliche (— scientia —) und eine praclische

(— ars —) Seite104), wobei er entschieden eine häufig angeführte Stelle

Isidor's (s. Abschn. XIII, Anm. 26) im Auge hat; schlicsslich aber wird

100) Ilem guaeritur, quid sit logica. Logica est scientia discemendi verum a

falso per argumentalionem. Dicitur aulem logica a logos, quod est sermo, et gcos,

quod est scienlia, quasi scienlia de-sermone. Sed cum sint tres scientiae de sermone,

ut dictum est, et ita quaelibet polest dici logica, quaeritur, quare apprvprietur ittud

unum logicae polius, quam grammalicae vel rheloricae. Ad hoc dicendum est , quod

aliquolies , quod est commune mullorum, uni appropriatur propter excellentiam vel

dignitalem, ut si dicatnr „apostotus dicil", hoc inlelligitur de Paulo, quia

dignior est aliis et excellenlior. Quod palet per eins diffinitionem talem: logica est

ars artium , scienlia scienliarum, qua aperta omnes aperiuntur et qua ctausa omnes

aliae ciouduntur, sine qua nulio, cum qua quaelibet.

101) Alia ralione dici polest, quod est dignior aliis, quia aliae modum procedendi,

quem habent, sutmmt a logica; modus enim scienlificus, i. e. modus procedendi

in scientiis , est diffinire, dividere et colligere sive conferre, i. e. probare et

improbare; soio logica hoc facit Huius signum est, quod Boethius dividit

logicam in principio Topicorum suorum in arlem inveniendi et in arlem iudicandi.

102) Ilem qvaeritur, quid sil dgaleclica. Dgalectica est ars artium ad principia

amnium methodorum viam habens ; soio enim dgalectica probabititer disputat de principiis

omnium arlium. Et sciendum, quod est metliodus ars brevis et facitis et semitae

proporlionatur ; nam sicul semita ducit ad eundem terminum, ad quem iota via, sed

brevius et expeditius, sie ad cognilionem eiusdem ducunt ars et methodus, sed facitius

methodus, quam ars. Dicitur aulem dgalectica a dga, quod est duo, et lexis, quod

est ralio, vel logos, quod est sermo, quasi ralio vel sermo duorum, sc. opponentis et

contradicentis in disputalione.

103) Tunc quaeritur, quae sit differenlia intcr logicam et dgalecticam. Ad hoc

dicendum, quod logica, secundum quod est ars et secundum quod est scienlia, secmior

est ad dgaleclicam. Logica enim scienlia est de omni sgllogismo docens, dgaleclica

de sgllogismo dgaleclico sotum vel apparenli dgaleclico Undc logica traditur in

omnibus libris logicae, qui sunt sex, sc. liber Praedicamentorum, liber Pergermenias ,

jlui nunc dicuntur vetus logica, liber Priorum, Posleriorum, Thopicorum et Etenchorum,

qui quatuor dicuntur nova logica; dgalectica vero lraditur in libro Thopicorum

et Etenchorum sotum.

104) Et sciendum, quod scienlia et ars differunt; scienlia enim id, quod dicit,

nominal absotule, ars vero dicit reiolionem ad opus ; unde dgalectica dicitur scientia,

secundum quod docet sgllogismum dgaleclicum constituere ex suis principiis, dicitur

aulem ars, secundum quod ulitur sgllogismo dgaleclico ad aliquam controversiam lerminandam

Quod polest videri in simiti: marleltus polest esse subiectum in arte

labriti et mstrumentum; subiectum dicitur marleltus, quando cum conslituit faber ex

suis principiis, dicitur aulem instrumentum, quando itlo marlello facto ulitur ad alia

fabricanda u. s. w.

XVII. Lambert von Auxerre. 27

die wesentliche Aufgabe der gesammten „Logik" in die Lehre vom

Schlusse verlegt 105).

Hierauf aber geht Lambert sofort mit der Frage , warum die Logik

mit dem Begriffe des Schalles (sonus) beginne , auf die Synopsis des

Psellus über106), und entwickelt so die Lehre vomUrtheile vollständig

an der Hand des Psellus, indem er den gleichen Sinn bald wörtlich, bald

mit verändertem Wortlaute, bald mit kleineren oder grösseren Erwei

terungen wiedergibt l07). Indem in solcher Weise über nomen, verbum

und oratio gehandelt wird, treffen wir bei letzterer bezüglich ihrer Eintheilung

nach Substanz, Qualität und Quanlität (s. Abschn. XV, Anm. 12)

hier zum ersten Male den Memorial- Vers :

Quae ea vel hgp, Qualis ne vel äff, u Quanta pur in sin108).

Es folgt hierauf (s. ebend. Anm. 1 3 f.) die Lehre vom wechselseiligen

Verhältnisse der üblichen vier Urtheilsformen 109), sodann (ebend. A. 15)

in grosser Ausführlichkeit die Lehre von der Umkehrung110) und hernach

mit Uebergehung des bei Psellus an eine falsche Stelle gekommenen

Capitels über das hypothelische Urtheil 1 1 1) sogleich die Lehre von der

105) Notandtm vero, quod tola intentio logici est, ut habeal sgllogismum

perfectum, unde omnia, de quibus logicus delerminat, ralione sgllogismi delerminat.

Bei Lambert kann diess sowohl auf Boethius als auch auf den Arabern beruhen;

anders ist es bei Withelm Shyreswood, s. oben Anm. 32, woselbst die beidersei

ligen Quellen.

106) llem quaeritur, quare logicus incipit a sono et non ab aliquo, quod sit

ante sonum. Ad hoc dicendum, quod logicus est artifex sermocinalis, et quia de

consideralione arlificis sermocinalis nihit est, quod sit ante sonum, ideo a sono incipit

tanquam ab alliori. Sonus sie diffinitur: Sonus est quidquid proprie et per se

et de se per auditum percipitur a. s. w.

107) Z. B. was vox significaliva (Abschn. XV, Anm. 7) betrifft, sagt Lambert:

Voces imponuntur ad signi/icandas res secundum rerum proprietales el eliam secundum

ralionem, ut homo dicitur, quia est factus de humo, et iopis quasi taedens pedem,

et sie de aliis. Vox signijicaliva ad ptacitum idem est quod sermo. Sermonum

alius complexus et alius incomplexus ; sermo incomplexus est, qui plura in se non

compleclitur ut dirtio. Est aulem dictio seenndum Roethium (Abschn. XII,

Anm. 109) unius vocabuli nuncupalio, quae idem est, quod lerminus, in quem resolvitur

proposilio Grammalicus principaliler intendit de diclione, quantum ad

significatum generale, et ideo non supponit diclionem logicus a grammalico, sed de

ea delerminat; aliter aulem erit de litleris et sgltabis, quia aliter non consideral

logicus littcras et sgltabas, quam grammalicus. Dictionum alia nomen alia verbum;

hie possis quaerere ....... quare sotum delerminal logicus de nomine et verbo

Quia secundum Boethium (s. ebend. Anm. 111) sotae parles oralionis sunt putandae

Prius dicendum est de nomine quam de verbo, eo quod subiecta ante actum, nomen

aulem significat subiectum, verbum aulem actum. Nomen est u. s. w.

108) D, h. auf die Frage „Quae?" wird geantworlet mlt ca[legorica] oder

hgp[olhelica] , auf die Frage „Qualis?" mit ne[jof»i)a] oder aff [irmaliva] , auf die

Frage „Quanta?" mit u[niversalis] oder pur[licuioris] oder in[definita] oder sin[guioris].

S. Anm. 153.

109) Die gewöhnliche Figur jedoch fehlt hier.

110) Dicto de proposilionibus parlicipanlibus utroque lermino ad eundem ordinem

dicendum est de proposilionibus parlicipanlibus utroque lermino ad ordinis commutalionem;

ordinis enim commutalio idem est quod conversio; est aulem conversio principium

reducendi sgllogismos imperfectos ad perfectos Conversio aulem est

triplex, sc. simplex, per accidens, et per contrapositionem u. 8. w.

111) S. Abschn. XV, Anm. 16 ff.

28 XVII. Lamhert von Auxerre.

Aequipollenz (ebend. A. 18) mit Beiziehung der ersten vier hei Wilhelm

Shyreswood (oben Anm. 40) aufgeführten Memorial- Verse 112); endlich

die Lehre von den modalen Urtheilen (Absehn. XV, A. 19 If.) gleichfalls

mit obigen (Anm. 44) Versen geschmückt113).

Dem hierauf folgenden Inhalte der Isagoge schickt Lambert eine

eigenthümliche Einleitung voraus , in welcher aber die Parteifrage über

die Geltung der Universalien nicht mit einem Worte berührt ist114);

auch ist er in der Besprechung der einzelnen quinque voces weit aus-

112) nif! a de proposilionibus coniiertenlibus dicendum est de aequipollentibus

Am Schlusse bievon : Sciendum, quod in aequipollenliis ponuntur quatuor

versus (so weist auch diese Ausdrucksweise auf eine allgemeine Receplion der

Memorial-Verse hin , vgl. ob. Anm. 40 u. 44), quorum primus dicit aequipallenliam

huius signi „omnis", sccundus huius signi „nultus'', lertius huius signi „aliquis", et

quartus huius signi „aliquis non". Pnnms versus est isle:

Aequipollent Omnis, Nultus non, Non aliquis non;

Secundus versus est iste:

Non aliquis, Nullus, Omnis non, se comitantur;

Tertius versus est iste:

Non nultus, Non omnis non, Aliquis, comitantur;

Quartus versus est isle:

Non omnis, Non nullus non, referunt Aliquis non.

Idem inlelligendum est de islis signis „ulerque, neuler, aller" u. s. f. (Die kleine

Abweichung des Wortioules der Verse von jenen bei With. Shyreswood zeigt die

Vergleichung von selbst.)

113) Xeiriulun,. quod proposilionum quaedam sunt de inesse et quaedam modales

u. s. w. Die Verse slimmen wörtlichst mlt obigen überein ; die versinnlichende

Figur aber (ob. Anm. 45) fehlt hier.

114) Sequitur de praedicabitibus. Sciendum aulem, quomodo diffiniuntur praedicabite

et praedicatum et \,raedicamentum. Praedicamentum aulem nihit aliud est,

quam ordinalio praedicabitium in linea praedicabiti secundum sub et supra et a iolere

et in linea recta, unde itio tola ordinalio, quae est intcr genus generalissimum

et speciem specialissimam et genera suballerna et differentias coliolerales, vocatur

unum praedicamentum , sicut palet in arbore Porphgrii in traetatu Praedicabitium.

Sunt aulem decem praedicamenta Dicitur aulem praedicatum id, quod refertur

ad subiectum in proposilione, quae sunt quatuor: diffinitio, accidens, genus et proprium.

Praedicabite idem est quod dicibite, et polest dividi praedicabite, nam aliud

est universale aliud est singviore Et est singuiore, quod de uno solo praedicatur,

ut Suerales et Ptato. Sed contra dicit Aristoleles in libn Praedicamentnrum (s. Absehn.

IV, Anm. 476), quod per subiecta nulta est praedicalio, et vocal prima subiecta individua,

unde vult innuere, quod individuum de nullo praedicatur. Propter quod

dicendum est, quod ,.praedicari" differenler dicitur, proprie et commumler. Et est

proprie praedicari de aliquo dici , quod est poslerius , et de tali praedicalione

intelligit Aristoleles, et sie sotum praedicatur universale. Praedicari vero communiler

idem est quod dici ita, quod non fiat vis in hac proposilione, secundum quod dicit

, Boethius (s. Absehn. XII, Anm. 124), quod nulio propositio est verior itta, in qua

idem de se praedicatur, i. e. sie polest praedicari tndividuum et sie inlelligil hie.

Universale aulem idem est quod aptum natum dici de pturibus (so Pseltus, s. Absehn.

XV, Anm. 26) Ad cuius evidenliam nolandum est, quod est quidem universale,

quod mulliplicatur in ptura supposita actu et simul , ul homo , quia actu et simul

ptures homines sunt; aliud universale est, quod non mulliplicatur in ptura supposita

actu et simut, sed successive, ul phoenix Aliud est universale, quod neque simul

neque successive mulliplicatur in plura supposita, ut sol et tuna, quia una est tuna

et unus est sol, quae semper durabunt. (All dieses Letzlere erinnert uns an Avicenna,

s. Absehn. XVI, Anm. 88 f.) Et sie palet, quod non omne universale dicitur

de pturibus; tamen quoniam est de se, i. e. de natura formae universalis, aptum

natum est dici de pturibus. Praedicabitia vero sunt: genus, species u. s. f.

XVII. Lambert von Auxerre. 29

führlicher als Psellus , jedoch ohne dass wir irgend Bemerkenswerthes

daraus hervorzuheben hätten.

Auch .hei der sich anschliessenden Erörterung über die Katego

rien ist der Text des Psellus häutig durch eingefugte Fragen und deren

Lösung erweitert115); zu beachten aber ist, dass bereits Lambert bei

den sechs letzten Kategorien, welche Psellus (Abschn. XV, A. 35) theils

kärglich theils gar nicht besprochen hatte , und deren vier letzte daher

auch bei Petrus Hispanus ursprünglich fehlten (s. unten Anm. 173), die

nöthige Ergänzung aus Gilbertus Porretanus vornimmt116). Auch die

sog. Postprädicamente werden mit einer eigenthömlichen Bemerkung ein

geleitet m).

Desgleichen werden sodann der Syllogistik allgemeine Gesichts

punkte vorausgeschickt, welche theils aus Boethius entnommen sind 118), l

theils deutlich auf arabische Litteratur hinweisen119). Aber keinen dieser

115) Z. B. nach den Angaben über aequivoca u. dgl. fügt er hinzu: Ad evidentiam

praedictorum quaeritur, quare in principio praedicamentorum ponantur istae

diffinitiones et ad quid valeant. Ad hoc dicendum, quod .... decem praedicamenta

possunt comparari ad suum superius , sc. ad hoc quod est ens , et sie in hoc quod

est ens aequivocantur Secundo quaeritur, quare in pturali diffiniuntur

Terlio quaeritur, quare diffiniuntur per „diei" et non per „esse" u. s. f.

116) Nemlich bei aclio. passio, quando, übi, situs, habitus werden slets mlt

den Worlen „quod sie diffinitur ab auctore sex principiorum" die Angaben Gitberts

(Abschn. XIV, Anm. 488 ff.) angeführt. Vgl. unten Anm. 308.

117) Post itta vero, quae dicta sunt, dicatur de postpraedicametdis. Sed primo

videtur, quod postpraedicamenta debeant dici antepraedicamenta, quia dictum est supra,

quod antepraedicamenta ad cognilionem praedicamentorum valent et ideo praeponuntur

praedicamentis ; sed et postpraedicamenta valent ad praedicamenta; ergo qua ralione

itio dicuntur antepraedicamenta, eadem ralione, ut videtur, ista debent dici anleprae

dicamenta. Ad hoc dicendum, quod anlepraedicamenta et postpraedicamenta valent

ad cognilionem praedicamentorum, sed diverse, quod anlepraedicamenta valent ad

cognilionem praedicamentorum in se , prout omnia ipsa ad aliquid superius comparantur,

sc. ad id quod est ens ; sed postpraedicamenta valent ad cognilionem

quorundam, quae in praedicamenlis sunt, sicul ad cognilionem contrarietatum et proprietatum

ipsorum, quod palet de quolibet praedicamento u. s. w. (Letzleres ist eben

die Behandtungsweise Gitbert's.)

118) Sequitur de sgllogismo, et quia sgllogismus est species argumentalionis et

in diffinilione argumentalionis ponitur argumentum, ideo videndum, quid sit argumentum

et quid argumentalio et quol argumentalionis sint species et quae. Argumentum

aulem secundum Boethium in Topicis suis (s. Abschn. XII, Anm. A65) est ralio rei

dubiae fidem faciens , ad cuius evidenliam notandum est , quod ralio dicitur quatuor ~

modis n. s. w., d. h. er wiederholt aus Boethius (s. ebend. Anm. 82) die Eintheitung

des argumentum in necessarium, probabite und l;o(,bisticun,.

119) Sciendum est aulem, quod sgllogismi quaedam suu l principia generalia,

quaedam aulem specialia. Magis aulem generalia sunt, quae in omni sgllogismo reperiuntur,

et horum quaedam sunt malerialia, quaedam formalia. Malerialia sunt

lermini et propositiones , sed /ermini, sunt maleria remola, proposiliones sunt maleria

propinqua Duo aulem sunt principia sgllogismi formalia , sc. figura et modus,

el respondet figura maleriae remolae sgllogismi, modus vero respondet maleriae propinquae

(die ursprüngliche Quelle hievon s. bei Alfarabi, Abschn. XVI, Anm. 51 f.,

vgl. auch bei Algazali, ebend. Anm. 265, und bei Averroes, ebd. Anm. 317)

Principia aulem sgllogismi magis specialia, quae specialiler in aliquibus sgllogismis

reperiuntur, et horum quaedam sunt perficienlia sgllogismos perfectos, quaedam vero

perficienlia sgllogismos .imperfectos. Principia perficienlia sgllogismos perfectos sunt

duo, sc. dictum de omni et dictum de nullo; principia perficienlia sgllogismos imperfectos

duo sunt, sc. conversio et reduclio per impossibite.

30 XVII. Lambert von Auxerre.

beiderseiligen Grundsätze benützt Lambert irgend folgerichlig, sondern

springt hierauf sofort auf den Text des Psellus über, welchen er bezüg

lich der drei Schlussfiguren und ihrer Modi getreu wiedergibt, zuletzl

die nemlichen Memorial-Verse anführend, welche wir hei Wilhelm Shyreswood

trafen120). Von Wichligkeit aber ist uns, dass er eine ausdrück

liche und ausführliche Polemik gegen die Berechligung einer vierten

(d. h. der sog. Galenischen) Schlussfigur übt121), wenn es auch eigenthümlich

ist, dass er gerade nur in diesem Punkte dem Aristotelismus

des Averroes (Abschn. XVI, Anm. 322) folgt, während er durch andere

Bemerkungen desselben (s. z. B. ebend. Anm, 321 betreffs der letzten

fünf Modi der ersten Figur) sich gegenüber dem Psellus durchaus nicht

beirren lässt. Die Syllogismen aus modalen Urtheilen sowie die hypo

thelischen fehlen auch hier 122).

Hierauf folgt als „dialeklische Argumentalion" die Topik mit Zugrundlegung

des Textes des Psellus123), und unmittelbar hernach die

Sophistik 124), welche er hiemit an einer anderen Stelle, als Wilhelm

Shyreswood (ob. Anm. 65), ergänzend einreiht; aber sowie diese Anord-

120) Nolandi sunt isli versus (s. dieselben oben Anm. 52) worauf in

gleichen Worlen wie bei Shyreswood die Angabe folgt, wie die Verse sich auf die

drei Figuren vertheiten, sodann aber: Et sciendum, quod si in aliqua diclione inveniantur

ptures sgltahae quam tres , nihit designant , sed sotum apponuntur propler

metrum. Ilem sciendum, quod per vocalem primac sgliobae datur inlelligi maior proposilio,

per vocalem secundae minor, per vocalem lerliae conelusio. Hierauf mit den

selben Worten wie bei Petrus Hispanus (s. unlen Anm. 187) die Bedeutung der

vier Vocale und der als Fingerzeig der Beduclion dienenden Anfangsbuchstaben

B, C, D, F. Sodann: Proposilio ilio, quae dicitur inlelligi per vocalem, quam se

quitur S, converlitur simpliciler; si vero sequitur P, converlitur per accidens; si sit

M, est transposilio in praemissis (— somit auch hier das auf den Arabern beruhende

Wort „praemissa", s. Anm. 52); in qua ponitur C, debel reduci per impossibite.

121) llem possit aliquis dicere, cum sit una figura, in qua medius praedicatur

in ul'i'mtuc praemissarum, alia, in qua subiicilur in utraque, et alia, in qua subiicitur

in una et praedicatur in allera, ideo videtur, quod debeat esse quarta figura, in

qua medius praedicetur in maiori et subiiciatur in minori. Ad hoc dicendum , quod

tantum sunt tres figurae sgllogismi; cuius ralio est, quia medium in sgllogismo ant

habet modum generalissimum vel primi in ordine praedicabitium , et sie est secunda

figura, in qua medium supraponitur extremitalibus ; aul hnbet modum specialissimum

vel ullimi in ordinalione praedicabitium, et sie est lertia figura, in qua medium

subiicitur extremis; aut habet modum medii in ordinalione praedicabitium, eo quod

supponitur alii extremitali et alii supraponitur, et tunc est prima figura. Alia figura

esse non polest, in qua medium praedicatur de maiore extremitale et subiiciatur

minori extremitali; nam secundum itiom disposilionem medii opertcret sumere maiorem

falsam, si sumeretur universalis, vel oporteret sumere parlicuiorem , et tunc non

sequeretur conctusio, nam si dicatur „Omne animal est homo, omnis homo est risibite,

ergo omne risibitc est animal", maior erit falsa, qua sumpta particuioriler non

sequitur conctusio.

122) Vgl. oben Anm. 54 n. unlen Anm. 190.

123) Habito superius de argumentalione sgllogislica, prout est dialectica et per

locum dialeclicum confirmatur, nunc de locis dialecticis dicendum est. In der Reihen

folge der Topen slimmt Lambert bei den loci extrinseci fast völlig mit jener Ab

weichung bei Withelm Shyreswood (Anm. 56) überein, nur ist hier der Topus a

simiti nach jenem a minori gestellt.

124) Dicto de locis dialeclicis dicendum est de lecis sophisticis u. s. w.

Der Inhalt aber erstreckt sich auch hier nur auf die erste Hälfle des aristatelischen

Buches (Vgl. oben Anm. 65 und unlen Anm. 197).

XVII. Lambert von Auxerre. 3l

nung, ebenso slimmt auch der Text der Soph. El. fast wörtlich mit jenem

des Petrus Hispanus überein.

Den Schluss aber bildet auch hier die Erörterung über terminorum

proprietates, wobei auch Lambert (wie Wilhelm Shyreswood)

sich gegenüber dem byzanlinischen Originale eine Selbständigkeit in An

ordnung der einzelnen Abschnitte bewahrt, jedoch in Behandlung des

Einzelnen dem Petrus Hispanus weit näher steht. Er bezeichnet als Ge

genstand dieses Theiles der Logik : suppositio , appellalio , reslrictio,

distributio, relatio, und äussert sich dabei, was das Verhältniss der

significatio zur suppositio betrifft (s. Abschn. XV, Anm. 66) ziemlich aus

führlich und selbstständig125). Die suppositio, welche er (wie alle übri

gen derarligen Begriffe) vorerst nach verschiedenen Wortbedeutungen

zerlegt 120), theilt er sodann (vgl. ebd. Anm. 67 f.) principiell in suppo

sitio proprie dicta und in vopulalio, womit die grammalischen Formen

der Worte in Verbindung kommen127); die Eintheilung der Supposilion

slimmt, abgesehen von kleinen Abweichungen, mit jener bei Psellus völlig

überein128). Hernach aber lässt Lambert die appellalio folgen129), und

erst hernach die reslrictio und die amplialio, welch beide er parallel

miteinander verflochten behandelt 130) ; sodann reiht er die distribulio

125) Quia logica consideral lerminum, ideo conveniens est, ut delerminel de

lermino ipso... I.. itultae aulem sunt proprietales lermini, sc. suppositio, appeliolio,

restrictio, distribulio et reiolio Sed quia signifiealio est sicut perfeclio lermini

et proprietales lermini super significalione fundantur, ideo in principio ad eviden

liam sequenlium videndum est, quid sit lermini significalio Significalio est inlellectus

rei, ad quem vox imponitur Differt autem signifiealio a supposilione

in hoc, quod prior est signi/icalio, et quod significalio sotum extenditur ad

rem, ad quam significandam imponitur lerminus, sed suppositio non sotum extenditur

ad rem, quae per lerminum significatur, sed polest extendi ad supposita conlenta

sub itio re u. s. f.

126) Supposilio quatuor modis dicitur: substantiva designalio acceplio

proposilionis , ordinalio partium , acceplio lermini pro se sive pro re sun

vel pro aliquo supposito conlento sub re vel pro aliquibus supposilis conlentis sub

re sua. Et ideo quarto modo est hie inlenlio u. s. f.

127) Supposilio communiler dicta dividitur in supposilionem proprie dictam et

copuiolionem Et est suppositio proprie dicta acceplio lermini rem fixam et per

se stanlem repraesentantis Copuiolio est acceplio lermini rem dependenlem repraesentantis

Dictionum quaedam supponunt tantum ut nomina substantiva, quaedam

copuiont tantum ut nomina adiectiva, quaedam vero supponunt et copuiont ut

ea, quae sunt adiectiva re, substanliva vero voce, ut „armiger, dux" u. s. f.

128) Suppositio polest sie dividi: alia est naturalis et alia accidentalis

Accidentalium alia est simplex alia personalis Personalium alia disereta alia

communis Communium alia delerminata alia confusa Confusarum alia vehemens

mobitis alia exitis mobilis u. s. f.

129) Appeliolio dicitur quatuor modis: propria nominalio , proprietas

nominum , acseplio lermini pro supposito sub suo significato , acceplio ler

mini pro supposito vel pro supposilis actu exislenlibus Quarto modo est principalis

inlentio u. s. f. (eine Menge von Quäslionen und Sophismen).

130) Sequitur de restrictione et amplialione Restriclio est minoralio ambitus

lermini communis, secundum quam pro paucioribus supposilis lenetur lerminus com

munis, quam exigat sua actualis suppositio Amplialio est exlensio ambitus ler

mini communis, secundum quam pro pluribus suppositis lenetur lerminus communis,

quam exigal actualis sua supposilio a. s. f. (Dass With. Shyreswood die restrictio

und amplialio nicht bloss unter sich , sondern auch mlt der appeltalio verflocht,

(s. oben Anm. 64.)

32 XVII. Lambert von Auxerre. Petrus Hispanus.

an131) und zuletzt noch die relatio m). Aber trotzdem ist der Inhalt

dieser genannten einzelnen Capitel dem Sinne nach (wenn auch nicht dem

Wortlaute nach) enge an das für uns verlorne griechische Original ange

schlossen, d. h. Alles finden wir bei Petrus Hispanus wieder. Hingegen

was bei Letzterem zu den Exponibilia gehört und was bei Wilhelm

Shyreswood den Inhalt der Sgncategoreumala bildete (ob. Anm. 66 ff.),

hat Lambert sämmtlich hinweggelassen 133).

Das Bisherige wird nun sicher den genügenden Nachweis enthalten,

dass die byzanlinische Logik des Psellus bereits vor und auch neben der

Thäligkeit des Petrus Hispanus bei den abendländischen Lateinern einen

ausgedehnten Wirkungskreis gefunden habe. Und sowie die mitgetheilten

Belegstellen beurkunden, dass man jenes neu eintretende Material (nament

lich den Abschnitt über die proprietates terminorum) immerhin mit einer

gewissen individuellen Freiheit verarbeitete134), so ist nun auch die Frage

über den Petrus Hispanus selbst so ziemlich aufgeklärt; denn wir er

kennen , dass er unter mehreren gleicharligen Schriftstellern , obwohl bei

weitem der einflussreichste, doch das wenigste individuelle Verdienst hat,

indem er eine neue Quelle, welche schon einige Zeit vorher eröffnet

worden war und zu Verschiedenarligem augeregt hatte, lediglich objecliv

abschreibend reproducirte 135). Kurz es hat sich uns nun quellenmässig

bewährt, was schon oben gelegentlich des Psellus (Abschn. XV, Anm. 87 ff.)

gesagt wurde. Aber sowie ich dieses ganze neue Resultat nur aus hand

schriftlichen Quellen gewinnen konnte, so stellt sich uns zur vollen Er

gänzung der geschichtlichen Forschung die Nothwendigkeit recht lebhaft

vor Augen, dass veröffentlicht werde, was irgend Wichliges noch in Hand

schriften verborgen liegt. Bedenken wir, dass zwischen Petrus Hispanus

und der Praxis der Buchdruckerkunst ein Zeitraum von zweihundert Jahren

liegt, und dass zur Zeit der ersten zahlreichen Drucke logischer Compendien

Petrus Hispanus bereits längst eine fast ausschliessliche Auctorität

errungen hatte, so bleibt wahrlich noch ein weiter Spielraum für logische

Schriftsteller offen, welche im 13. Jahrhunderte oder zu Anfang des 14.

131) Distribulio est unius in diversa divisio u. s. f.

132) Reiolio est respectiva habitudo vel ante iotae rei recordalio

H,'lnl ii•"l n H! sunt alia reioliva substanliae alia reiolira accidenlium Reiolivorum

substanliae aliud est reiolivum gdemplitalis, ul „qui", aliud est reiolivum diversitalis,

ut „alius" u. s. w.

133) Möglich wäre wohl, dass dem Lambert nur eine unvollständige Uebersetzung

des Pseltus zu Gebol stand ; jedoch nach seiner ganzen Arl und Weise

dürften wir eher annehmen, dass er absichtlich jene ganze Gruppe bei Seite Hess.

134) Ich habe in dieser Beziehung absichtlich im Vorigen mehrfache Proben

des Quellen- Textes gegeben, denn derjenige Leser, welcher die Sache genau nimmt,

kann hiernach durch einlässliche Vergleichung von selbst ersehen, wie manigfallig

das gleiche Thema variirt wurde.

135) Es ist z. B. baarer Unsinn, wenn Hist. litt, de io France, XIX, p. 326,

gesagt wird, Petrus Hispanus habe bei dnr damaligen Unverstand lichkeit des Ari

stoleles eben einen leicht zugänglichen Auszug aus dem Organon angeferligt (konnte

er denn etwa auch die fünf theopbraslischen Schtussmodi aus Aristoleles excerpiren,

oder wo fand er denn bei Aristateles die proprietales letminorum oder die sgncalegoreumata?

.!). Doch die Verfasser der Hist. litt, de io France zeigen ja überhaupt

so häuflg die löbliche Gewohnhelt, über Dinge zu schreiben, welche sie höchst

flüchlig oder auch gar nicht gelesen haben.

XVII. Petrus Hispanus. 33

nicht völlig im Schlepptau des Petrus Hispanüs sich bewegten, sondern

eben nach Art eines Wilhelm Shyreswood oder eines Lambert von Auxerre

den byzanlinischen Stoff selbstständiger bearbeiteten oder auch, was nicht

sehr schwer war, selbst bereicherten. So ist es nicht bloss möglich, son

dern selbst sehr wahrscheinlich, dass, was den verschiedenarlig gestalteten

Inhalt der Sgncategoreumata bildet oder was wir später unten bezüglich

der Obligatoria, Insolubilia und Consequentiae anführen können, wenig

stens im Keime ursprünglich schon damals, d. h. in den ersten Jahrzehenten

der Wirkung byzanlinischer Logik, aus dem Compendium des

Psellus sich entwickelte136).

Wenden wir uns hiemit zu demjenigen Autor, durch welchen die

Synopsis des Psellus eine dritthalohundertjährige Herrschaft erlangte, nemlich

zu Petrus Hispanus (geb. um 1226, gest. als Papst Johann XXI.

i. J. 1277), so berühren uns hier seine biographischen Verhältnisse ebenso

wenig als seine medicinischen oder theologischen Schriften 137). Insoferne

hingegen die Frage nicht ganz zu umgehen ist, ob jener Petrus Hispanus,

von welchem die berühmt gewordenen „Summulae" herrühren , wirklich

der nachmalige Papst Johann XXI. sei, so muss bemerkt werden, dass

allerdings die Dominicaner für sich die Ehre in Anspruch nahmen, den

vielgepriesenen Autor zu ihren Ordensmitgliedern zu zählen138); jedoch

abgesehen von den Bedenken, welche an sich jene häufig geübte littera

rische Eitelkeit und Rivalität der Orden darbietet, und selbst abgesehen

von einem kleinen chronologischen Zweifel I39), könnte sich vielleicht jene

Angabe der Dominicaner auf eine für dieselben unverfängliche Weise da

durch erklären, dass ein späterer Petrus Hispanus aus dem 14. Jahrb.,

falls derselbe wirklich Dominicaner war, die Veranlassung zur Verwechs-

136) Sowie ich daher schon im 2. Bande wiederholt auf neue Eröffnung hand

schriftlicher Quellen hingewiesen habe, so kömmt es mir überhaupt nie in den Sinn,

meine wahrlich aufreibende Forschung irgend für eine abgeschlossene zu hallen.

Ich besorge allerdings nicht, aus demjenigen, was gedruckt vorhanden ist und auch

mir in reichem Maasse zu Gebol steht, wesentliche Widerlegungen erfahren zu

müssen, aber ich wünsche aufrichligst, dass meine Resultale durch handschriftliche

Publicalionen ergänzt und berichligt werden. Die fraglichen Punkte, um welche es

sich handeln kann, und vielleicht auch die Richtung der Beantwortung gioube ich

mehrfach hervorgehoben zu haben. In Paris, in London, in Oxford (vielleicht weniger

im Escurial) muss sich gewiss noch Manches finden.

137) ioh. Tob. Köhler, Vollständ. Nachricht v. Pabst Johann XXI. n. s. w.

Götlingen 1760. 4. gibt eine reichhallige Zusammensleltung, welche allerdings an

der geschmacklosen Darsleltungsform jener Zeit leidet und zumal erklärlicher Weise

betreffs der Logik auf mangelbaflem Wissen beruht.

138) Autoren, welche diese Ansicht vertreten, sind angeführt bei Nie. Antonius,

BM. Hisp. vetus, Lib. VIII, Cap. 5, §. 162 (hrsggb. v. Perez Bager, Madrid 1788.

fol. Vol. II, p. 76); vgl. auch Quelif, Seriplt. Ord. Praedic. I, p. 485 f. Namentlich

warf man sich auf eine Angabe des ioh. Marieta (De los santos de Espana. Lib. XXI,

Cap. 57) und des Joh. Lopez, Hist. gen. III, p. 297, wornach unser Petrus Hispanus

iu dem navarresischen Dominicaner-Kloster Stelio gelebt haben und begraben sein

soll. Was übrigens die Summutae selbst betrifft, zeigen auch Antonius und Quelif

die gleiche Unwissenhelt wie alle Anderen, und von solcher Beschaffenheit war dann,

was die Verfasser der Hist. litt. de io France abzuschreiben fanden.

139) Da das genannte Klosler Slelio nicht vor d. J. 1260 gegründet wurde.

S. Quelif a. a. O.

PRANTL, Gesch. III. 3

34 XVII. Petrus Hispanus.

lung darbot 140). Erscheint uns daher, solange nicht irgendwie entschie

dene neue Gegenbeweise aufgefunden sind, die gewöhnliche Annahme 141)

immerhin als zulässig, so ist für den geschichtlichen Verlauf jedenfalls

das Wichligste, dass auch selbst jener angebliche Dominicaner Petrus

Hispanus in den Anfang der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. verlegt wird,

und andrerseits, dass der Verfasser der Summulae sicher in Bälde als

idenlisch mit einem Papste galt (— mag er nun wirklich die Tiara ge

tragen haben oder nicht —); denn aus letzterem Umstande ist es ent

schieden zu erklären, dass in der Schultradilion gerade sein Compendium

viele andere verdrängte und sich einer einmüthigen Auctorität erfreute.

Jedenfalls ist unter den ähnlichen Erzeugnissen jener Zeit das Com

pendium des Petrus Hispanus das geistloseste, insoferne es ohne irgend

einen einzigen eigenen Gedanken nur den Grundtext der neu eingeführten

byzanlinischen Logik wiederholt. Ob der Verfasser selbst des Griechischen

mächlig war, um den Psellus zu übersetzen, oder ob er nur als Ab

schreiber einer bereits vorhandenen getreuen Uebersetzung sich seinen

„weltgeschichtlichen" Einfluss errungen habe, lässt sich nicht entscheiden ;

der „Schweiss des Angesichtes" kann in keinem der beiden Fälle gross

gewesen sein. Jedoch eben um des Einflusses willen, welchen Petrus

Hispanus auf sehr lange Zeit ausübte, müssen wir seine Summula aus

führlicher darstellen, können uns jedoch hiebei in jenem Theile, dessen

griechisches Original uns vorliegt, durch Verweisung auf das im XV. Ab

schnitte Gesagte kürzer fassen (den Anmerkungen es überlassend, zur

Vergleichung der Uebersetzung mit dem Originale zu dienen), und müssen

nur im zweiten Haupt-Theile dasjenige, was ausschliesslich in lateinischer

Form erhalten ist, einlässlicher erörtern (s. Abschn. XV, Anm. 86).

Es findet sich eine ausserordentlich grosse Masse von gedruckten

Ausgaben des Petrus Hispanus aus jenen Jahrzehenten , in welchen der

selbe noch nach Erfmdung der Buchdruckerkunst an allen Orten in un

getrübtem Ansehen stand. Sie enthalten sümmtlich im Ganzen und Grossen

den nemlichen Text142), und wenn wir die unsägliche Mühe nicht scheuen,

aus den Schätzen grösserer Bibliotheken die erreichbaren Exemplare sorg-

140) Nemlich Nie. Antmius (a. a. O. p. 76) führt aus Petrus Cirvelo's Commentar

zum Petr. Hispanus (— In Summuios Petri Hispani a se drnuo correctas ac

bonae solidaeque doctrinae documenlis ittustratas praeciorissimus commentarms. Salmanlica.

1535, ein Buch, dessen ich nicht habhaft werden konnte — ) mehrere

Nolizen an, welche einen Petrus Hispanus iunior betreffen (namentlich habe derselbe

die Summuios des Aelleren in abgekürzter und gleichsam geläuterler Form bearbei

tet), und weist dabei auf einen Dominicaner Petrus Hispanus hin (p. 77), welcher

l. J. 1396 in kirchlicher Beziehung zu einer hervorragenden Steltung gelangte.

141) Vertreter derselben sind genannt bei Antonius a. a. O. p. 75. Uebrigens

wird erklärlicher Weise in derarligen Fragen kaum irgend Gewisshelt zu er

reichen sein.

142) Zur leichteren Orienlirung des Lesers möge dienen, dass die Logik des

Petrus Hispanus in folgende Hauptabschnitle („tractatus") zerfällt:

I. Lehre vom Urtheite

II. Die quinque voces

III. Die Kalegorien

IV. Syllogislik

V. Topik

XVII. Petrus Hispanus. 35

fällig zu vergleichen143), so fmden wir nicht nur, welch bodenloses Ge

rede es sei, wenn man stets von „mehreren" oder „zahlreichen" die

VI. Sophist. Etenchi

VII. Terminorun, proprietales, nemlich

1. Supposilio, und zwar

a) an sich

b) reiolivorum

2. Amplialio

3. Appeliolio

4. Restrictio

5. Distribulio

6. Exponibilia.

143) Mir standen, was den Text betrifft, folgende achtundvierzig Ausgaben

(tbeits mit theits ohne Commentar) zu Gebat:

I. fünf Leipziger Drucke:

A) Textus summuiorum Petri Hispani per tractatus et capituio divisus cumque

singulorum tractatuum summariis figuraliler resolulis cuitibel studioso

mullum profuturis etc. Am Schlusse : Lgptsk per Melehiorem Loller

1499. fol.

B) Textus seplem tractatuum Petri Hispani per tractatus et capituio distinctus,

in quibus succincle breviterque inquiruntur, quae in libris logicalibus

Aristolelis diffusius tractantur. Am Schl.: Per virum Melehior Loller opidanum

Liptzensis [sie]. 1506. 4.

C) Ebenso. Am Schl.: Liptzk per Melehiorem Loller. 1509. 4.

I») Ebenso. 1510. 4.

E) Ebenso. Am Schl.: Ex officina Melehiaris [sie] Loltheri. 1516. 4.

Diese filnf sind sämmtlich unler sich idenlisch und weichen nur durch ver

einzelle Druckfehler von einander ab; sie geben den Text der genannlen (vor.

Anm.) Tractate , halten aber in den Kapilel-Ueberschriflen slets die Parallele

mit dem aristolelischen Organon ein; nur A gibt nach den einzelnen Tractalen

eintbeitende Uebersichlen.

II. Ein Incunabel-Druck ohne Ort u. ohne Jahr:

F) Traetatus magistri Petri Hispani. Am Schi.: Finiunt summuioe Petri Hispani

bene emendatae et correctae. 4.

Durchgängig idenlisch mlt den Leipzigern; nur fehlt der letzle Abschnitt, d. h.

Exponibitia, und ausserdem sind die Unterabtheitungen des 7. tractatus in den

Ueberscbriflen als selbstständige Tractate fortioufend numerirt, nemlich 8 de

reiolivis, 9 de amplialione u. s. f., wornach das Ganze aus 12 tractatus besleht.

(In beiden Eigenthümlichkeiten slimmen die unten anzuführenden Drucke 8— O

mit diesem überein, bloss in der Art der Numerirung aber auch die Drucke

H— L, ®—K, I).

III. fünf in Deutschland erschienene Drucke mit dem Commentar des Versor (die

Venelianer Drucke s. unlen y—»), nemlich:

U) Dicta Versoris super seplem tractatus Magistri i'etri Hispani cum lextu.

Am Schl.: Anno domini 1487 (wahrscheinlich in Köln), fol.

H) Ebenso. A. Schl.

I) Ebenso. A. Schl.

R) Ebenso. A. Schl.

A. domini 1488 (wahrschl. in Köln), fol.

Coloniae per Henr. Quenlell. 1489. 4.

Per Anthonium Koberger t) Nurnbergae. 1495. 4.

L) Ebenso. A. Schl, nur: Finit fcliciler (wahrschl. in Köln 1497). fol.

Sämmtliche fünf unter sich völlig idenlisch, geben den Text in gänzlicher Uebereinslimmung

mit den Leipziger Drucken. Nur fehlt hier, sowie auch in ntl-ß,

t—X, das letzle Capilel des 4. Tractales (De polest, sgll); auch sind in

H I M. L ebenso wie in F die Unlerabtbeitungen drs 7. Tractales eigens

numerirt, wornach Irolz der Angabe auf dem Tltelbiotle doch 13 tractatus

erscheinen.

IV. acht Kölner Drucke mit thomistischem Commentare des Lambertus de Monte:

M) Copuiota omnium tractatuum Petri Hgspani, eliam Sincathegoreumatum et

parvonim logicalium cum lextu, secundum doctrinam divi Thomae Aqui-

,

3*

36 XVII. Petrus Hispanus.

Dialeklik betreffenden Schriften des Petrus Hispanus sprach (so die in

Anm. 135 u. 137 f. genannten Autoren); denn Alles, was uns unter ver-

- iuxta processum magistrorum Coloniae in bursa monlis regentium.

Impressa per Liiskgrehen. Am Schl.: Coloniae. 1480. 4. Worauf mit

neuer Paginirung, aber ohne neues Titelbiott, der 7. tractatus und das

an ihn sich Anreihende folgt, woselbst am Schlusse: Juxta processum

magistrorum Coloniae regentium in bursa magislri Lamberli de Monle,

artium ac s. theol. professoris eximii Coloniae anno nonagesimo

supra mitlesimum qualerque cenlesimum; jedoch sind beide Theite mit

den nemlicheu äusserst alten Lotlern gedruckt, und sonach „nonagesimo"

wahrscheinlich Druckfehler für octagesimo.

N) Ebenso; nur fehlt der Name des Druckers. In beiden Abtheitungen am

Schl.: Coloniae. 1489. fol.

O) Copuiota omnium tractatuum Petri Hgspani, parvorum logicalium, elium

sgncathegoreumatum, cum lextu. denuo ditigenlissime correcta secundum

doctrinam a s. w. wie so eben regentium. A. Schl.: Coloniae. 1490. 4.

Hierauf mit neuem Titelbiotte und neuer Paginirung: Copuiota super omnes

tractatus parvorum logicalium Petri Hispani mm lextu eorundem puleherrime

imerto. denuo ditigentissime correcta. Am Schl. : Coloniae. 1490.

Dann abermals mlt neuem Titel u. neuer Paginirung: Tractatus sincathegoreumatum

Petri Hgspani cum puleherrimis sophismalibus, qui noviler

correctus cum ditigentia volentit,us in logicis subliliter specuiori est multum

ulilis. (A. Schl. Nichts.)

P) Textus et coputata omnium tractatuum Petri Hispani, eliam parvorum lo

gicalium et tractatus sgncathegorematum, quem aliqui octavum vocant, cum

quibusdam aliis sagaciler adiunclis. iterum alque iterum ditigenlissime

correcta secundum doctrinam irrefragabitem divi Thomae Aquinalis ac iuxta

frequens exereitium magistrorum Coloniae infra sedecim domos in bursa

Monlis regentium, in hunc unum librum congesta. Am Schl.: Coloniae.

1493. 4. Hierauf mit neuem Titel u. neuer Pagina: Copuiota super omnes

tractatus parvorum logicalium Petri Hispani ac super tres tractatus Modernorum

lextui puleherrime annolata in argumenlis et replicis denuo

ditigentissime correcta iuxta inviotatum processum magistrorum Coloniae

bursam Monlis regentium. (A. Schl. Nichts.)

Q) Wörtlich ebenso. Coloniae. 1494. 4.

R) Copuiota cammentaria lextui omnium tractatuum Petri Hgspani, eliam

parvorum logicalium et trium modernorum, perquam solerter inserta. iterum

alque iterum emendata et' ditigentissime correcta secundum irrefragabitem

et fundalissimam doctrinam divi Thomae Aquinalis peripalelicorum interprelis

veracissimi. ac iuxta frequens exereilium magistrorum Coloniensis

ggmnasii in bursa Monlis regentium, qui tanti doctoris sancti sectatores

existunt sincerissimi propagatoresque fidelissimi. Am Schl.: Coloniae per

henricum Quentelt. 1496. 4. Hierauf mit neuem Titelbiott: Copuiota om

nium tractatuum parvorum logicalium Petri Hgspani tribus adieclis moder

norum tractalibus in suis commentariis lextui puleherrime annolalis. in

argumenlis et replicis denuo ditigentiisime correcta iuxta invioiotum pro

cessum magistrorum Coloniae bursam Monlis regentium ac inviclissimam

doctrinam sancli Thomae uberrime propaganlium. A. Schl.: (ohne Nennung

des Lambertus de Monte) Coloniae per Henricum Quentelt. 1496. 4.

(Alles unpaginirt;)

8) Copuiota pro elucidalione sex tractatuum Petri Hgspani, eliam parvorum

logicalium eiusdem et trium modernorum, lextui perquam solerter inserta

u. s. f. wie in R. A. Schl.: Coloniae per Henr. Quentell. 1503. 4. Hierauf

mit neuem Titel u. neuer Paginirung: Copuiota tractatuum parvorum logi

calium u. s. f. wie in R. A. Schl.: Coloniae per Henr. Quentell. 1503.

T) Wörtlich ebenso. 1507. 4.

Diese acht Drucke, in welchen ansser den Sgncalegoreumata drei neue Tractale

(nemlich De obligatoriis, De insotubitibus, De consequenliis, s. über dieselben

XVII. Petrus Hispanus. 37

schiedenen Titeln und mit verschiedenarligen Commentaren durchwohen

erhalten ist, zeigt sich als Ein und das nemliche Werk. Aher ausserdem

bei den späleren Inlerpoiolionen in Abschn. XX) beigefügt sind, slimmen unter

sich im Wortioule völlig überein; nur unlerscheiden sie sich dadurch, dass

der Abschnitt über die Sgncalegoreumata in M und lV vor jene drei neuen

Tractale , hingegen in O, P, Q nach denselben gestellt ist, aber in R, 8, T

gänzlich fehlt. Der Text des P. Hispanus ist mit Ausnahme unbedeulender

Abweichungen idenlisch mit jenem der Leipziger Ausgaben.

V. Drei Kölner Drucke mit alberlislischem Commentare des Harderwyck:

B) Copuiota Petri Hgspani secundum processum bursae Laurentii. Am Schl. :

Commentum per magistrum Gerardum de Harderwgck s. theot. licent.

1488. Hierauf mit neuem Tilelbiott: Copuiota super omnes tractatus

parvorum logicalium Petri Hgspani et nonnullos Modernorum secundum

viam Alberlistarum. A. Schi.: Commentum u. s. f, wie so eben. 1488. fol.

V) Commentaria in summuios Petri Hispani albertocentonas conlinenlia

secundum processum bursae iourentianae Colon. ad unguem casligata et e

mendis quibus scalebant erepta.... Impressum Coloniae apud Lijskirehen.

Am Schl.: per acalissimum in artibus liberalibus magistrum et s. theot.

licenliatum magistrum Gerardum Harderuiicksensem. 1492. fol. Hierauf

mit neuem Titelbiott : Commentariiin omnes tractatus parvorum logicalium

Petri Bispani iunctis nonnullis Modernorum processum bursae iourenlianae

in universitate Coloniensi continentes incipiunt feliciler. Am Schl.: per

aculissimum u. s. f. wie so eben. 1493. fol.

W) Copuiota summuiorum Petri Hispani secundum processum bursae Laurentii

iuxta menlem venerabitis domini Alberli Magni feliciler incipiunt. A. Schl.:

Commentarii in omnes tractatus Petri Hispani et nonnullos Modernorum

ex divi Alberli Magni commentariis per Gerardum Hardersoiccensem

Impressum in officina — Henrici Quentelt. 1 504. 4.

In sämmtlichen dreien ist noch ein Excerpt der zweiten Analylik eingefügt,

und zwar in l', woselbst die Soph. Et. fehlen, nach der Topik, in V u. W

aber nach der Syllogislik, d. h. nach dem 4. Tractate, wornach sich in W

sogar die Numerirung des 5. n. 6. Tractates um eine Ziffer erhöht. Was die

Purva logicalia, welche in selbstständige Abschnitle zertheitt sind, betrifft, so

siud auch hier (wie in M — T) nach der Distribulio die drei neuen Tractate

Obligatoria, Insf,tubitia, Consequenliae eingereiht, in W aber fehlt der letzte

Tractat, d. h. Exponibitia. Die Sgncalegoreumata sind nicht mlt aufgenommen.

Der Text ist wohl im Ganzen jener der Leipziger Drucke, streift aber in ei

nigen wenigen Abweichungen bereits an den Reutlinger Druck (3* u. ®).

VI. Ein Venrlianer Druck mit scolislischem Commentare des Dorbellus:

\) Logica magistri Nicotai de Orbellis una cum lextu Petri Hgspani. Am Schl.:

Veneliis per Lazarum de Soardis. 1516. 4.

Der Text zeigt im 1. Tractate einige Abweichungen von dem Leipziger, dürfle

aber vielleicht, insoferne man von einer entschiedenen Inlerpoiolion bei den

modalen Urtheiten absehen würde, überhaupt auf die ursprünglich älteste Recension

zurückweisen (s. d. folg. Anm.).

VII. fünf Veuelianer Drucke, wovon vier mit Commentar des Versor (vgl. oben G—L)

und einer mit jenem des Johannes de Monle:

T) Textus sive liber summutarum logicae magistri Petri Hispani cum Versoris

Parisiensis docioris perspicacissimi inlerposita expositionc. in calee quoque

harum eiusdem Petri Hispani Parvorum logicalium nuperrime inventus

libeltus ulili serie adnexus. Am Schl.: per arlem Hermanni Lichlenslein

Coloniensis Veneliis. 1488. fol.

Z) Versoris exposilio in summuios logicae Petri Hispani cum lextu eiusdem.

Eiusdem Petri Hispani libeltus parvorum logicalium nuper inventus. A.Schl.:

Veneliis per Phitippum Pincium Mantuanum. 1508. fol.

9l) Petri Hispani summuioe logicales cum Versorii Parisiensis ciorissima exposilione.

Parvorum ilem logicalium eidem Petro Ilispano adseriptum opus

38 XVII. Petrus Hispanus.

entdecken wir auch, wie dieser einheitliche Text in Einzelnheiten die

manigfachsten handschriftlichen Varialionen darbietet, wie Auslassungen

Quae omnia innumeris paene erroribus undique scalenlia maxima

sunt ditigenlia castigata. Veneliis apud Juntas. 1500. fol.

SS) Petri Hispani summuioe logicales oum Versorii u. s. w. wie in tt

Quae omnia a Marliano Rola infinilis fere erroribus maxima sunl diti

genlia castigata. Veneliis apud Sansovinum. 1572. 4.

©) Kummutac Joannis de Msnle super Petrum Hispanum. A. Schi.: Explicit

commentum valde nolabite ad menlem doctoris sublilis super logicM summulis

— Petri Hispani ab eximio arlium et saerarum lillerarum doctore

Parisiensi execll. magistro Johanne de Monle Parisiis olgm editum per—

magistrum Petrum de Cruce portum galicum maxima cum ditigenlia casligatum.

Veneliis. 1500. 4.

In diesen fünf Drucken, unler welchen, was den Text betrifft, 1' Z 91 © fast

absotut idenlisch sind , und nur SB in den Beispielsätzen und Memorialversen

kleine Abweichungen zeigt, ist der 7. Tractat in selbstständige, aber unler sich

eigens numerirle Tractate zertheitt, deren jeder als ein tractatus parvorum logicalium

bezeichnet ist, und ausserdem kömmt als ein Petra Hispano adseriptum

opus (nicht als 8. Tractat) der Abschnltt über die Sgncalegoreumata hinzu; nur

in <£ schliesst sich nach den Exponibitia an Slelle des Textes der Sgncaleg.

sofort der blosse Commentar derselben an. Der Text der sieben Tractate ist

in seiner ursprünglichen Grundioge idenlisch mlt obigem \, enthält aber dabei

bereits manigfache Umsleltungen und besonders Interpoiolionen, deren einzelne

selbst mlt dem Reutlinger Drucke (9t ®) übereinslimmen.

VIII. zwei Lyoner und Ein Pariser Druck mit Commentar des Georgius Bruxellensis

nnd des Thomas Bricat und Ein Venelianer mlt Commentar des Johannes de

Magistris :

S!) Exposilio Georgii super summulis magistri Petri Hispani. Am Schlusse

des vorletzlen Abschnittes ist in Versen der Name des Druckers und

des Druckortes sowie die Jahreszahl ausgedrückt: Adam Treschel Lugduni.

1489. 4.

<5) Inlerpretalio Georgii in summuios magistri Petri Hispani una cum mgstri

Thomae Bricol quaeslionibus, lextu quoque impositionvm [sie] de novo

readdito ditigenlissime in margine quotata, ut eliam incipienlibus contenta

paleant ad primos intuitus. In vico Sancti Jacobi. Maisire Durand Sertier.

Am Schl.: Joannes Morand Parisiorum in academia. 1497. 4.

?f) Inlerpretalio Georgii Bruxellensis in summuios magistri Petri Hgspani una

cum magistri Thomae Bricot quaestionibus de novo in cuiusvis fine tractatus

additis. lextu quoque supposilionum de novo readdito . . . (wie so eben)

...intuitus, summa cura ac ditigenlia de novo emendata, nec non figurarum

rudimenta, quae nunquam prius fuerant inserta. Am Schl.: Lugduni

per Joannem de io pioce. 1515. 4.

©) Summuioe magistri Johannis de magistris. A. Schl.: Veneliis. 1490. 4.

Im Texle des P. Hispanus slimmen X und & unler sich ebenso absotut überein,

wie <5 und % unter sich (nur ist % bei den modalen Urtheiten an versinnlichenden

Figuren reicher als <£) ; sämmtliche vier aber beruhen gleichfalls

ursprünglich auf obigem X, zeigen jedoch namentlich im 1. Tractale manig

fache Spuren einer Interpoiolion, und zwar ist diess hei 1$ u. © in geringerem

Grade der Fall als bei <£ u. S, welch leizlere beide auch in den übrigen

Tractalen viele kleine Abweichungen darbielen. Der 7. Tractat ist wie bei

obigem F in selbstständige fortioufend numerirle Tractate getheitt, so dass

demnach 12. de distribulione gezählt wird ; der letzte jedoch, d. h. Exponibitia,

ist ohne Hinzufügung der Nummer angereiht.

IX. drei Drucke mlt scolislischem Commentare des Tartaretus :

J?») Exposilio magistri Petri Tartareli super summuios Petri Hispani cum allegalionibus

passuum Scolt docturis sublitissimi. A. Schl. Nichts, fol. (sicher

ist diese Ausgabe in Freiburg l. Breisgau auf Koslen des Landgrafen Friedrich

v. Thüringen per baccal. Wolfgangum Stockt Monacensem l. J. 1504 gedruckt).

XVII. Petrus Hispanus. 39

und Interpolalionen allmälig Platz griffen, und wie namentlich die Memo

rial-Verse in den verschiedenen Schulen sich veränderten oder vermehrten.

3) Exposilio mgstri Petri Tnrtareli in summuios Petri Hispani una cum passibus

Scoli emendata summaque accuralione Basiteae impressa. Additus

est tractatus Insotubitium eiusdem et Obligatoriorum mgstri Marlini

Molenfelt ex Livonia. Am Schl. Nichts, fol. (sicher l. J. 1514.)

K) Petri Tatareli Parisiensis, Jo. Duns Scolt doctoris sublilissimi sectaloris

fidelissimi, in Summuios Petri Hispani exactae explicaliones u. s. f. Vencliis

1591. 8.

Alle drei unler sich schlechthin idenlisch slimmen im Wesentlichen im Texle

mit obigem $! überein (auch in Numcrirung der Uulerabtheitungen des 7. Tractates)

; nur sind am Schlusse des letzlen Tractates, d. h. der Exponibitia, die

letzten Capilel umgeslellt, und die Erklärung derselben verläuft sofort in den

Commentar (nicht in den Text) der Insotubitia und Obligatoria (die Consequenliae

hingegen fehlen hier, vgl. hingegen obige M—W).

X. sechs Drucke unler der Bezeichnung „Duodecim tractatus", und zwar

n) ein Basler:

Ä) Tractatus duodecim Petri Hgspani. A. Schl.: Basiteae per Michaelem Furtcr.

1511. 4.

ß) zwei Strassburger:

UM) Tractatus duodecim Petri Hgspani. A. Schl.: Impressae [sie] Argenlinae.

1511. 4.

9l) Ebenso. A. Schl.: Argenlinae per Joannem Knob. 1514. 4.

y) drei Kölner:

O) Tractatus duodecim Petri Hispani. A. Schl.: Coloniae industria Henric,

Quentet. 1499. 4.

V) Ebenso. A. Schl.: In officina honesli quondam Henrici Quentel. 1504. 4.

SS.) Ebenso. A. Schi, nur 1513. 4.

Diese sechs Drucke, obwohl aus verschiedenen Officinen, sind unler sich ab

sotut idenlisch. Sie iossen den letzlen Abschnitt, d. h. Exponibitia, hinweg

und numeriren wie F (s. dortselbst) die Unlerabteitungen des 7. Tractates

forlioufend, woraus die Zwölfzahl sich von selbst ergibt. Was den Text be

trifft, zeigen sie eine eigenthümliche Vcrmengung der bisher erwähnten Recensionen,

nemlich in den ersten vier Tractaten weichen sie in Umsteltungen und

Interpoiolionen manigfach von den Leipzigern ab, hierin zuweiten mit den

Drucken X— S1, ja selbst mit 9l iZ, übereinslimmend ; hingegen vom 5. Tractate

an sind sie mit den Leipzigern völlig gleichioulend. Uebrigens erhellt aus

O *, verglichen mit R 8 T, dass selbst Ein und der nemliche Drucker,

nemlich Quenlel in Köln, gleichzeilig zweierlei Texte publicirte.

XI. ein Reutlinger und ein Druck ohne Ort u. Jahr:

M) Textus omnium summuiorum Pe. Hg. [sie]. A. Schl.: Impressione Johaanis

Otmar in Reutlingae [sie]. 1486. fol.

®) Textus omnium summutarum Petri Hgspani. A. Schi. Nichts. 4. (ohne

Cotumnen-Tltel.)

Beide unler sich ganz idenlisch zeigen in Aenderung einzelner Worte oder

besonders der Beispielsätze , sowie in Vermehrung der Memorialverse und

sonsligen Zusätzen die zahlreichsten Inlerpoiolionen; aber während diese Ab

weichungen noch am stärksten im 7. Tractale auftreten, ist der letzte Abschnltt

desselben, d. h. Exponibitia, wieder völlig idenlisch mit dem Leipziger Texte.

Hingegen ist hier wieder als tractatus octavus derAhschnitt über die Sgncalegoreumata

beigefügt.

XII. ein Incunabel-Druck ohne Ort u. Jahr:

I) Textus seplem tractatuum summuiorum magistri Petri Hispani. A. Schl.:

Finis tredecim tractatuum magistri Petri Hgspani. 4. (mit Cotumnen-

Tltel).

Ein merkwürdiges Mitlelding, indem der Text der erslen drei Tractate wört

lich idenlisch mit dem Reutliuger Drucke (M iZ) ist, vom 4. Tractale an aber

ebenso wörtlich mlt den Leipzigern übereinslimmt. Der 7. Tractat ist, wenn

40 . XVII. Petrus Hispanus.

Da aber für all dergleichen Einzeln-Aenderungen, welche sich bemerklich

machen, ein Zeitraum von zwei Jahrhunderten als Entstehungszeit vorliegt

(vgl. oben Anm. 136), so können wir unmöglich mehr nach einzelnen

chronologischen Gruppen eine Ausscheidung treffen , sondern müssen uns

dabei begnügen , nur in den frappanteren Fällen auf eine relaliv spätere

Entstehungszeit hinzudeuten. Kurz es verhält sich, — wenn der Ver

gleich erlaubt ist —, mit der Summula des Petrus Hispanus wahrhaft

ähnlich wie mit den homerischen Gesängen. Der Grundstock des Textes

bleibt der gleiche, aber im Munde oder in der Niederschreibung der Tra

dilion ändert sich manches Einzelne. Und namentlich finden wir auch

hier die analoge Erscheinung, dass einzelne Städte ihre eigene Textes-

Recension besassen, welche sie innerhalb ihrer Schulen mit grosser Rein

heit bewahrten, so dass durch Aufmerksamkeit auf die Druckorte manche

liefer liegende Fäden einer Verwandtschaft oder einer Unähnlichkeit d"es

Textes zu Tag treten 144).

auch ohne specielle Numerirung , in sieben selbstsländige tractatuli getheitt,

daher sich die Zahl tredecim (am Schlusse) rechtferligt.

XIII. drei Drucke, welche nur für die ersten sechs Tractate hieher gehören :

tt) Compendiarius parvorum logicalium liber conlinens perulites Petri Hispani

tractatus priores sex et ciorissimi phitosophi Marsitii dialectices documenta

cum utilissimis commentariis per virum praeciorum Cbunradum Pschtacher

Viennae Pannoniae collegam ggmnasil. A. Schl.: Viennae, 1512. 4.

S5) Parvorum logicalium liber succincto epitomalis sompendio conlinens per-

, • uMes argulissimi dialeclici Petri Hispani tractatus priores sex u. s. f.

wie so eben Conradum Pschiocher Additae peruliles in Posler.

Anal, quaesliones Additum quoque compendiarium ad Obligalitmes

et Insotubilia introductorium. A. Schl. : Viennae. 1516. 4.

38) Joannis Ectii theologi in summuios Petri Hispani extemporaria et sucäncta,

sed succosa expionalio pro superioris Germaniae schoiosticis. Am

Schl.: August. Vindcl. 1516. fol.

Der Text der ersten sechs Tractale ist in allen dreien unter sich idenlisch

und Mimn,l mit einer kleinen Ausnahme (hei den modalen Urtheiten) mit obi

gem X völlig üherein. An Stelle des 7. Tractates tritt in U u. 35 der Text

des Marsitius ab Inghen, in SB aber eine abgekürzle jüngere Ueberarbeitung

desselben.

XIV. endlich nur für die ersten vier Tractale gehört hieher :

X) Aculissimi artium interprelis magistri Johannis maioris in Petri Hgspani

summuios commentaria. Lugduni. Am Schl.: 1505. fol.

Der Text steht in Mille zwischen den Leipzigern und obigen sechs Drucken

S— O , indem er zuweiten, besonders im 1. Tractat, mit letzteren wörllich

übereinstimmt.

In deo bekannten bibliographischen Werken Panzer's und Hain's finden sich noch

viele andere Drucke der Summuioe angeführt, und es ist zu erwähnen, dass dort

auch Neapel, Maitand, Rnuen, Antwerpen, Zwoll, Devenler, und selbst Krakan als

Druckorte erscheinen. Doch habe ich mich überzeugt, dass ohne genaue Unler

suchung des Inhalles der einzelnen Drucke alle bloss bibliographischen Angaben

nicht völlig verlässig sind. In einigen noch unten anzuführenden Drucken der ver

schiedenen Commentare fehlt der Text entweder gänzlich oder ist nur je durch

die erslen Zeiten der Capitel angedeulet.

144) Einen Beleg dafür, dass einzelne Städte eine ihnen eigentbümliche Recension

des Textes besassen, gibt der schon oben (Abschn. XV, Anm. 89) aus

Pseltus angeführte Beispielsatz. Denn während bei Ueberselzimg dorliger Slelle nur

in den Ausgaben A— L, l', V, I die Namen der streitenden Städte „Leodicenses,

Tongerenses, Mechelinemes, Lovanienses" iouten, finden wir hingegen „Parisienses,

Rolhomagenscs, Turoneuses, Pictuviehses" in den Ausgaben X, S—ft, It—3B, und

XVII. Petrus Hispanus. 4t

Der einflussreiche Inhalt des Compendiums ist demnach folgender145).

Von der Definilion der Dialeklik (vgl. Abschn. XV, Anm. 6) wird sogleich

auf sonus und vox übergegangen146), wobei dann die Werkzeuge der

von (ebd. A. 7) in das Dislichon

Instruments novem sunt : guttur, lingua, paiotum,

Quatuor et dentcs et duo iobra simul u7)

oder in die zwei Hexameter

Instrumenta decem sunt : guttur, lingua, paiotum,

Quallior et dentcs, pariler duo iobia, pulmo us)

gebracht werden. Nach" den Angaben (ebd. A. 8 f.) über Nomen und

Verbum14a) sowie über die Sgncategoreumata150) folgt die übliche Eininsoferne

der ganze Betrieb dieser Logik wohl sicher von Paris ausgieng, dürften

diese letzleren Drucke auf den ursprünglich ällesten Text zurückweisen ; aber be

reits wieder eine Variante hievon ist es, wenn in den Drucken ft u. ®> sich „Parisienses,

Rolhomagenses, Lixurienses, Quadomasenses" fmdet; und ebenso variiren

jene belgischen Ortsnamen, indem in den Ausgaben S — ß dieselben „Leodicenses ,

Lovanienses, Traieclenses, Legdenses" und hinwiederum hiefür „Leodicenses, Astorizenses,

Cemolenses" in den Drucken T— <£, ja in W sogar „Burgundiones, Francigenae,

Leodicenses, Tungerensa" sleht; endlich die Drucke M—T haben „Colonienses,

Bonnenses, Claenses, Gebenses". Vgl. folg. Abschn., Anm. 69.

145) Da bei Weltem die meislen der erwähnten Ausgaben entweder ganz unpaginirt

oder mlt den unbehülflichen ioleinischen Ziffern paginirt sind, cilire ich

nach der Capitel-Eintheitung der Drucke A—E und füge zur allfallsigen Controlle

in Kiommern die Pagina des jüngslen, allerdings inlerpolirlen, Druckes 95 hinzu.

146) I, Prooem. (f. 2 A): Dgaleclica est ars arlium, scienlia scientiarum, ad

omnium methodorum principia via/m habens. Soio enim dgaleclica probabitiler disputat

de principiis omnium aliarum scientiarum (dieser Satz fehlt in unserem Texte des

Psellns; er ist wohl aus der gewöhnlichen boethianischen Tradilion aufgenommen,

s. Abschn. XII, Anm. 82). Et idco in aequisilione scientiarum dgaleclica debet esse

prior. Dicitur aulem dgaleclica a „dt!a", quod est duo, et „tojos" sermo vel „lexis"

ralio, quasi duorum sermo vel ralio, scüicet opponenlis et respondenlis in disputalione.

Sed quia disputalio non polest haben nisi mediante sermone nec sermo nisi mediante

voce nec vox nisi mediante sono , omnis enim vox est sonus, ideo a sono tanquam

a priori inchoandum est.

147) I, l, l (f. 4 B): Sonus est quid quid proprie et per se ab auditu pe,'cipitur

; dico aulem proprie et per se, quia licet homo vel campana audiatur, hoc non

est nisi per sonum eins. Sonorum alius vox alius non vox. Sonus vox idem est

quod ipsa vox. Unde vox est sonus ab ore animalis proiotus naturalibus instrumenlis

formatus. Naturalia aulem instrumenta, quibus vox formatur, sunt haec: gultur,

lingua, paiotum, quatuor dentcs et duo iobia (9t Z 1 fügen hinzu: pulmo et simitia) ;

unde (folgt obiges Dislichon). Sonus non vox est, qui generatur ex collisione

duorum corporum inanimatorum, ut fragor arborum, strepitus pedum. Vocum alia

significaliva alia non significaliva Vocum significalivarum alia ad piocitum alia

naturaliter Vox significaliva ad piocitum est, quae ad votuntalem primi inslituentis

aliquid repraesentat, ut „Aomo". Vocum significalivarum ad piocitum alia

complexa, ut oralio, alia incomplexa, ut nomen vel verbum.

148) So nur in S), hingegen Tf Z 9l © haben :

Instrumenta novem [sie] sunt: guttur, lingua, paiotum,

Quatuor et denles, pulmo, el duo iobia simul.

149) I, l, 2 (f. 9 A).

150) Ebend. (f. 10 B): Et sciendum, quod dialeclicus (£! u. ®—O geben

hiefür stets ,,fooieus") sofum ponit duas parles oralionis, sciticet nomen et verbum,

reliquas aulem amnes appeliol sgncathegoremalicas, i. e. consignificolivas.

42 XVII. Petrus Hispanus.

theilung der Arten des Satzes (ebd. A. 10), wobei hier die Gebet-Form

(deprecativa) neu hinzukömmt151).

Die Erörterung des logischen Urtheiles bietet zunächst (ebd. A. 11)

die für alle Folgezeit entscheidende Dreigliederung in „Subject, Prädicat,

Copula" dar 152) und entwickelt hierauf nach den drei Fragen „Quae,

qualis, quanta" die übliche Eintheilung der Urtheile (ebd. A. 12), wobei

jener nemliche Memorial- Vers , welchen wir schon oben bei Lambert von

Auxerre trafen, hinzugefügt wird153). Sodann folgen (vgl. ebd. A. 13) die

Begriffsbeslimmungen des Conträren, Contradictorischen, Subalternen, Subconträren154)

und nach der Noliz über den dreifachen Stoff (maleria) der

Urtheile (— nemlich naturalis , contingens, rerfsota, s. ebd. A. 14 —)

die nöthigen Regeln (leges) über jene vier Verhältnisse155). Hierauf reiht

151) I, l, 3 (f. 11 B): Oralio est vox significaliva ad piocitum, cuius parles

separale aliquid significant Oralionum alia perfecta alia imperfecta Oralionum

perfectarum alia indicaliva, ut „homo curril", alia imperaliva, ut „Petre fac

ignem", alia optaliva, ul „ulinam bonus essem elericus", alia coniuncliva, ul „cum

veneris ad me, dabo libi equum", alia deprecaliva, ut „miserere mei deus" (nur9l®X

iossen diese Satzart hinweg). Harum aulem oralionum soio indicaliva oralio dicitur

esse proposilio.

152) I, 2, l (f. 14 A): Proposilio est oralio verum vel falsum significans indicando,

ut „homo curril". Propositionum alia calegorica alia hgpolhetica. Proposilio

calegorica est, quae habet subiectum, praedieatum et copuiom tanquam principales

parles sui, ut „homo curril"; in hac enim proposilione „homo" est subiectum et

„curril" praedieatum, et quod coniungit unum cum allero, dicitur esse copuio, ut

palet in resolvendo, ut „homo currit" i.e. „homo est currens"; ibi hoc nomen „homo"

est subiectum et „currens" praedieatum et hoc verbum „esl" dicitur esse copuio, quia

coniungit unum cum allero.

153) I, 2, 2 (f. 15 A): Proposilionum calegoricarum alia universalis alia parlicutaris

alia indefinita alia singuioris. Proposilio universalis est, in qua subiicitur

lerminus communis signo univenali delerminatus ; lerminus communis est, qui

aptus natus est praedicari de pturibus ; signa unnersalia sunt haec: omnis,

nultus , nihit , quitibet, quicunque (.4 —T und 1T—© fügen noch aller oder

allerutcr bei), neuler'et simitia. (f. 16 A) Proposilio particuioris est itio, in qua

subiicitur lerminus communis signo parlicuiori delerminatus ; signa particuioria

sunt haec: aliquis, quidam, aller (fehlt in A—W und in Jl—SB), reliquus, el

simitia. Propositio indefinita est itio, in qua sulnicitur lerminus communis nullo

signo delerminatus (f. 17 A) Proposilio singuioris est itio, in qua subiicitur

lerminus singuioris sive diseretus, vel in qua subiicitur lerminus communis cum pronomine

demonstralive primae speciei ; lerminus singuioris vel diseretus (A — L,

l!—W, W — 3$ haben nur singuioris, sowie M— T nur diseretus) est, qui aptus

natus est praedicari de uno solo (f. 18 A) Ilem proposilionum calegoricarum

alia affirmaliva alia negaliva (f. 19 A) Divisa proposilione tripliciter sciendum

est, quod triplex est quaesitivum, per quod quaerimus de ipsa propositione, scilicet:

quae, qualis el quanta. „Quae" quaeril de substanlia proposilionis , unde ad inlerrogalionem

factam per „quae" respondendum est „calegorica" vel „hgpolhelica".

„Qualis" quaerit de qualitale proposilionis, unde ad interrogalionem factam per

„qualis" respondendum est „affirmaliva" vel „negaliva". „Quanta" quaerit de quanlitale

proposilionis, unde ad inlerrogalionem factam per „quanta" respondendum est

„universalis" vel „particuioris" vel „indefinita" vel „singuioris". Hierauf obiger

Vers, s. Anm. 108.

154) t, 2, 3 (f. 20 A): Ilem proposilionum calegoricarum aliae parlicipant

utroque lermino, aliae vero allero lermino, aliae vero nullo lermino

(f. 21 A) Ilem propositionum parlicipanlium utroque lermino secundum eundem ordinem

aliae sunt contrariae aliae subeontrariae aliae contradictoriae aliae suballernae. Auch

die übliche Figur (vgl. Abschn. XV, Anm. 13) fehlt nicht (f. 23 A).

155) Ebend. (f. 23 A): Propositionum triplex est maleria, sciticet naturalis,

XVII. Petrus Hispanus. 43

sich die Lehre von der dreifachen Umkehrung der Urtheile (conversio

simplex, per accidens, per contrapositionem ; vgl. ebend. Anm. 15) an,

welche zuletzt in folgende Memorial-Verse zusammengefasst wird:

Feci simpliciler converlitur, Eva per accid,

Asto per contra, sie fit conversio tola.

Asserit A, negat E, sunt universaliter ambae ;

Asserit l, negat 0, sunt parlicuioriler ambae t5').

Dass die nun folgenden zwei Capitel hei Psellus (und somit auch bei

Petrus Hispanus) in die umgekehrte Reihenfolge geriethen, wurde schon

oben (ebd. Anm. 16) bemerkt157). Indem somit vorerst das hypothelische

Urtheil an die Reihe kommt, werden die drei Arten desselben (conditionalis,

copulaiiva, disiunctiva, s. ebd. A. 17) und die formalen Regeln

über deren Wahrheit und Falschheit vorgeführt158). Die hierauf nach

hinkende Lehre von der Aequipollenz des kategorischen Urtheiles enthält

die vier schulmässigen Regeln (s. ebd. Anm. 18) und schliesst wie bei

et remnta. Naturalis est, in qua praedicatum est de esse subiecti vel

propritan eius, ut homo est animat, homo est risibitis. Contingens est, in qua prae

dicatum polest adesse vel abesse subiecto pracler eius corruplionem , ut homo est

albus, homo non est albus. Remota est, in qua praedicatum nullo modo polest convenire

mm subiecto (9l ® X fügen hinzu respectu huius verbi „sum"), ut homo est

asinus, leo est vacca. Lex et natura contrariarum talis est u. s. w.

156) I, 2, 4 (f. 27 B): Ilem propositionum parlicipanlium utroque lermino ordine

e converso triplex est conversio ..... (f. 28 B) Conversio simplex est, quando

u. s. f. .... et hoc modo converlitur universalts negaliva in se et parlicutaris affirmaliva

in se ...... (f. 29 B) Conversio per accidens est, quando u. s. f. .... et hoc

modo converlitur universalis affirmaliva in parlicutarem affirmulivam el universalis

negaliva in parlicuiorem negalivam ...... (f. 30 B) Conversio per contraposilionem

est, quando u. s. f..... et hoc modo convertitur universalis affirmaliva in se et par

licuioris negaliva in se. Hiernach erklären sich auch die Memorialworte in obigen

Versen , denn da die conversio per accidens sogar auch auf das allgemein vernei

nende Urtheit und ebenso die conversio per contrapositionem auch auf das allgemein

bejahende ausgedehnt ist (vgl. Ahschn. XII, Anm. 129 f.), so sind in den drei

Worten ,,/eci", „Eva", „Asto" stets die beiden Vocale in ihrer mnemonischen

Bedeutung zu nehmen. Einen anderen Vers , welcher sicher späleren Ursprunges,

aber in den Drucken A—W, ¥—© den obigen beigefügt ist, s. unten bei den

übrigen Inlerpoiolionen (Abschn. XX).

157) Auch unler sämmtlichen Commentatoren des Petrus Hisp. hat nur der

einzige Johannes Major das Richlige bemerkt, und somit ist nur in dem Drucke X

die Aequipollenz vor dem hypathelischen Urtheite eingereiht. Dass Raimundus

Lultus tratz seinem Anschlusse an das byzanlinische Malerial die richlige Reihen

folge herstellle, s. folg. Abschn., Anm. 46.

158) I, 3, l (f. 32 A): Proposilio hgpothelica est, quae habet duas proposiliones

calegoricas coniunctas tanquam principales partes sui ....... Proposilionum

hgpolhelicarum tres sunt species ...... Condilionalis est, in qua coniunguntur duae

proposiliones calegoricae mediante hac coniunclione „si" ....... Copuioliva est Ma,

in qua coniunguntur duae propositiones calegoricae mediante coniunclione ,,ef" ......

Üisiunctiva est itio, in qua coniunguntur duae propositiones calegoricae per hanc

coniunctionem „vel" ....... Ad veritalem condilionalis requiritur, quod antecedens

non polest esse verum sine consequenle ...... ; ad falsitalem conditionalis sufficit,

quod antecedens polest esse verum sine consequenle ....... Ad veritalem coputalivae

requiritur, utramque partem esse veram ...... ; ad falsitalem eius sufßcit, alleram

partem esse falsam ....... Ad veritalem disiunclivae requiritur, unam parlem essi'

veram ..... ; ad falsitalem eins requiritur, utramquc parlem esse falsam. In den

Drucken M—T, Y—I sind die letzleren drei Regeln sofort je an die einzelnen

drei Definilionen geknüpft; in 1t n. B ist das disjunclive Urtheit ausgefallen. Eine

spätere Erweiterung s. unten Anm. 583.

44 XVII. Petrus Hispanus.

Wilhelm Shyreswood (obige Anm. 40) und bei Lambert v. Auxerre (ob.

Anm. 112) mit Memorial-Versen, von welchen der fünfte hier sich gleich

bleibt, die ersten vier hingegen lauten:

Non omnis, Quidam non. Omnis non quasi Nullus.

Non nultus, Quidam; sed Nultus non valet Omnis.

Non aliquis, Nultus. Non quidam non valet Omnis.

Non aller, Neuler. Neuler non praestat Ulerque1s9).

Die Lehre von der Modalität der Urtheile (— modus —, vgl. Abschn.

XV, Anm. 19) hebt unter den Adverbien, welche gleichsam als Adjecliva

des Verbums gelten sollen, zunächst folgende sechs als logisch wichlig

hervor : necessario , contingenter , possibiliter , impossibiliter , vero,

/atao160), scheidet aber (vgl. ebd. Anm. 20) nach einer grammalischen

Bemerkung und nach Feststellung des Grundsatzes, dass im modalen Ur

theile (propositio modalis) das Verbum das Subject und der Modus das

Prädicat sei, sofort wieder die beiden Adverbien vero und falso als

gleichgüllig aus161). Die vier übrigbleibenden Formen werden nun (ebd.

Anm. 21) je nach Vorhandensein oder Stellung der Negalion, wobei sich

sechzehn Urtheile ergeben162), bezüglich der Verhältnisse des Conträren,

Contradictorischen , Subconträren , Subalternen (ebd. Anm. 22) näher be

sprochen 163), und diess Letztere wird in einer Figur (ebd. Anm. 23

159) I, 3, 2 (f. 36 A): Sequitur de aequipollenliis , de quibus tales dantur

reguioe. Prima reguio est, quod si alicui signo universali vel parlicuiori praeponatur

negalio, aequipollet suo contradictorio Secunda reguio talis est, quod si alicui

signo universali postpon,ttur negalio, aequipollet suo contrario Terlia reguio

est, quod si alieui signo universali vel parlicuiori praeponatur et postponatur negalio,

aequipollet suo suballerno Ex istis tribus regulis sequitur quarta reguio,

quae talis est : quando duo signa universalia negaliva ponantur in eadem loculione

ila, quod unum in subiecto et aliud in praedicalo ponatur, tunc primum aequipollet

suo contrario per secundam reguiom et secundum suo contradictorio per primam reguiom.

Hierauf folgen obige Verse, deren erste vier nur in U V W fehlen; jener

fünfte (oben Anm. 40) ist in X, ®—ß, U—3E den übrigen vieren vorangeslellt.

160) I, 4, l (f. 38 A): Modus est adiacens rei delerminalio et habet fieri per

adieclivum. Sed duplex est adicctivum; est enim adicctivum quoddam nominis, ut

albus, niger; et quoddam est adiectivum verbi, ut adverbium, quia secundum Priscianum

(s. Abschu. XV, Anm. 19) adverbium est verbi adiectivum. Et ideo duplex est

modus Ilem adverbiorum quaedam delerminant verbum ralione compositionis, ut

haec sex: necessario, conlingenler, possibitiler, impossibititer, vero et falso; alia

delerminant verbum ralione rei verbi Sed omissis omnibus aliis solum de his,

quae composilionem delerminant, est dicendum.

161) Ebd. (f. 39 A) : Et sciendum, quod isli sex modi quandoque sumuntur nominaliler,

ut possibite, impossibite et quandoque sumuntur adverbialiler, ut possibititer,

impossibitiler I, 4,2 (f. 40 A): Proposilio modalis est, quae modifieatur aliquo

istorum sex modorum Et sciendum, quod in propositionibus modalibus verbum debet

subiici, modus aulem praedicari. Omnes aliae proposiliones dicuntur de inesse llioe

aulem proposiliones, quae modificantur his duobus modis, vero et /ofso, relinquuntur,

quia eodem modo sumitur opposilio et aequipollenlia in eis sicul in itlis de inesse.

162) I, 4, 3 (fol. 41 B): Et sciendum, quod unusquisque istorum quatuor mo

dorum facit quatuor proposiliones modales et sie sunt sedecim proposiliones

Si sumatur sine negalione, facit primam Si sumatur enm negalione posita ad

verbum, facit secundam Si sumatur cum negalione posita ad modum, facit lerliam

Si sumatur cum duplici negalione, una posita ad modum et alia posita ad

verbum, facit quartam.

163) Ebd. (f. 42 B) : Warum aulem proposilionum aequipollenliae sive consequenliae

quatuor regulis cognoscuntur:

XVII. Petrus Hispanus. 45

u. 25) veranschaulicht, welche zu den Kunstworten Purpurea, lliace,

Amabimus, Edentuli führt164). Sodann noch folgt (mit Hinweglassung

Prima reguio est talis: Cuieunque dicto affirmato attribuitur possibite, eidem

attribuitur contingens et ab eodem removetur impossibite, et ab eius contradictorio

opposito removetur necesse.

Secunda reguio: Cuieunque dicto negato attribuitur possibite, eidem altribuitur

eonlingens, et ab eodem removetur impossibile, et ab eius contradictorio opposito

removetur necesse.

Terlia reguio: A quoeunque dicto affirmalo removetur possibite, ab eodem re

movetur eonlingens ; eidem attribuitur impossibite et eius contradictorio opposito

attribuitur necesse.

Quarta reguio: A quoeunque dicto negato removetur possibite, ab eodem remo

vetur contingens; eidem attribuitur impossibite et eius contradictorio opposito al

tribuitur necesse.

Die Drucke &, 1j, £—ß, 3E setzen die aus der Figur (s. folg. Anm.) zu entneh

menden vier Worte Amabimus, Edentuli, lliace, Purpurea je vor die vier Regeln.

164) Ebend. (f. 42 B):

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Pur-pu -re- a A- ma-bi - mus

46 XVII. Petrus Hispanus.

des contingens, vgl. ebd. Anm. 24) die Aequipollenz der modalen Ur

theile165), worauf die Modalität recapitulirend mit jenen nemlichen Versen

wie bei Wilhelm Shyreswood (obige Anm. 44) und bei Lambert (ob.

Anm. 113) geschlossen wird168).

Aus dem Inhalte der I s a g o g e, welcher ja auch bei Psellus (Abschn.

XV, Anm. 26 ff.) nur der gewöhnlich tradilionelle ist, mag hervorgehoben

werden, dass zwischen praedicabile (— so heissen nemlich die quinque

voces —) und universale nur insoferne unterschieden wird, als ersteres

im Sprachausdrucke und letzteres in der Objeclivität liege167). Bei Be

sprechung der einzelnen fünf Worte ist die Figur der arbor Porphgriana

zwischen species und differentia eingereiht168).

Als Einleitung zu den Kategorien dienen jene zusammenhangs

losen Erörterungen (vgl. ebend. Anm. 29 ff.) über die sog. Anteprädicamente,

d. h. zuerst über die Begriffe univocum, aequivocum, denominativum

169), hierauf über die als höchst wichlig geltenden neun

(beziehungsweise acht) Arten des inesse, welche darum in die Verse

Insunt: pars, lotum, species, genus, et calor igni,

Rex in regno, res in fine, locoque locatum

Uebrigens ist diese Figur nicht stets an dieser Stelle eingereiht. In J?> —Sf, M I

steht sie nach dem Inhalte der folg. Anm. 165, in U—X ganz am Schlusse (nach

Anm. 166), in 9l ist ihr noch jene Figur, welche wir bei Withelm Shyreswood

(ob. ^nm. 45) trafen, vorausgeschickt, in M— T ist sie bloss in den Commentar

verflochten, endlich in <S> u. @ fehlt sie gänzlich.

165) Ebend.: Omnes aulem ilioe proposiliones, quae sunt in prima linea, aequipollent

et convertuntur inler se per primam reguiom; quae in secunda, per secundam;

quae in lertia, per lertiam; quae in quarta, per quartam. (f. 43 B) Ilem aequipollentiae

propositionum modalium possunt poni per has reguios. Omnes propositiones

de possibiti et impossibiti aequipollent verbo simitiler se habenle et modo dissimililer;

omnes proposiliones de possibiti et de necesse aequipollent verbo et modo

dissimuiter se habentibus ; omnes proposiliones de impossibiti et necesse aequi

pollent verbo dissimititer se habenle et modo simitiler Et sciendum, quod praedicta

reguio non facit menlionem de conlingenti, eo quod conlingens convertitur cum

possibili.

166) t, 4, 4 (f. 45 A) : Propositionum modalium aliae sunt contrariae aliae subcontrariae

aliae contradictoriae aliae suballernae. Hierauf folgen die Memorialverse,

welche nach Obigem (Anm. 44) in Anbetracht der vorslehenden Figur keine nähere

Erklärung bedürfen. Manigfache Erweiterungen der Lehre von den modalen Urtheiten

s. unten Anm. 585 ff.

167) H, l (f. 46 B): Praedicabite quandoque sumitur proprie et sie dicitur prae

dicabite, quod de pluribus praedicatur; quandoque sumitur communiter et sie dicitur

praedicabite, quod de uno solo praedicatur sive de pturibus, Onde praedicabite

proprie sumptum idem est quod universale; sed differunt in hoc, quod praedicabite

diffinitur per dici de, universale vero per esse in. Est enim praedicabite, quod

aptum natum est dici de pturibus; universale aulem, quod aptum natum est esse in

mullis. Es versteht sich von selbst, dass diese ptumpe Verqnickung des Aristatelismus

und des Piotonismus beim Universalien-Slrelte eine Rolle spielte.

168) In der Mehrzahl der Ausgaben, nemlich in A—X, <B, y, 8—X, I, ist

die Figur durch den Vers eingeleitet:

/slo libi piona faeit arbor Porphgriana.

169) HI, l, l (f. 68 B): Ad cognoscendum praedicamenta quaedam sunt necessaria

praemitlenda, sine quorum cognilione nequaquam polest haberi cognilio praedicamentorum.

Et idco dislinguimus cum Aristolele triplicem modum praedicandi.

Eorum quae praedicantur, quaedam sunt univoea, quaedam aequivoca, quaedam denominaliva

u. s. w.

XVII. Petrus Hispanus. 47

gebracht wurden170), sodann die Erklärung des de subiecto (mit

einseiliger Betonung der blossen Quanlität) und in subiecto 1 7 1) , und

zuletzt die sog. regula de quocunque1'"1). Von den Kategorien selbst

(vgl. ebend. Anm. 33 ff.) werden nur Substanz, Quanlität, Relalion,

Qualität ausführlich , Thun und Leiden aber sehr kurz erörtert , die

vier übrigen fehlen ursprünglich 173). Den Schluss bilden die soge

nannten Postprädicamente (vgl. ebd. Anm. 36 ff.) d. h. die Lehre von

den vier Arten der Gegensätze174), dann die verschiedenen Bedeu

tungen des Wortes prius115), des Wortes «mui176), die sechs Arten

170) III, l, 2 (f. 73 A): Eorum quac dicuntur, quaedam dicuntur cum complexione

quaedam sine complexione. Sed priusquam allerum membrum huius

divisionis subdividatur, dislinguendi sunt octo (dass es aber doch eigentlich nenn sind,

zeigt sich sogleich; übrigens ist octo in M—T, X—©, J?— » weggeiossen) modi

„essend» in", qui necessarii sunt ad sequenlem divisionem cognoscendam et ad ea quae

poslea dicuntur. Nun folgen die neun Arten: primus ut pars inlegralis in tolo ;

secundus . . . . ut lolum inlegrale in suis partibus; lerlius .... ut species in genere;

quartus . . . . ut genus in specie (diese letzteren beiden hatlen bei Pseltus gefehlt, s.

Äbschn. XV, Anm. 30); tjuiutus ut forma in maleria, wobei es aber heisst:

et iste quidem modus subdividitur, quia quaedam est forma substantialis, quae

dam est forma accidentalis , et prima harum dicitur propric inesse sicut forma

in maleria, allera dicitur esse in alio sicut accidens in subiecto (somit ist die

sechste Art, nemlich accidens in subiecto, hier nur als Unlerart der fünflen be

trachtet); sextus in sua causa efficienle (ist in M—X ausgefallen); seplimus....

in suo fine; octavus ....in suo continente. In dem hierauf folgenden Verse sind

allerdings, wie man sieht, nur die acht Hauptarten untergebracht. (Uebrigens fehlt

in SB diese ganze Erörterung des inesse).

171) Ebend. (f. 75 A): Eorum quae sunt, quaedam dicuntur de subiecto, in

subiecto vero nullo sunt Dici de subiecto, prout hie sumitur, est superius dici

de inferiore, et esse in subiecto sumitur hie, secundum quod accidens est in

subiecto Alia vero neque de subiecto dicuntur neque in subiecto sunt.... Alia

dicuntur de subiecto et in subiecto sunt Alia vero in subiecto sunt et de sub

iecto nullo dicuntur. Die versinnlichende Figur (vgl. Äbschn. XV, Anm. 31) hiezu

nahmen erst die Späleren in ihre Commentare zum Petrus Hispanus auf.

172) III, l, 3 (f. 77 A): Quando allerum de allero praedicatur ut de sub

iecto, quaecunque de eo , quod praedicatur, dicuntur, omnia de subiecto dicun

tur Diversorum generum et non suballernalim positorum diversae sunt species

et differenliae. Pseltus hatte drei Regeln gegeben (s. ebd. Anm. 32) ; die dritte

fehlt hier.

173) III, 2, 1 — 10 (f. 78 A — 109 A). Betreffs der Ergänzung der letzten sechs

oder vier Kategorien s. oben Anm. 116 u. unten Anm. 308.

174)111, 3, l (f. 1 09 A): Dicitur aulem allerum allen opponi quadrupliciter.

Oppositorum enim quaedam sunt reioliva, quaedam sunt privaliva, alia

sunt contrario, alia sunt contradictoria. Betreffs aber der näheren Erörterung

fällt der reiolive Gegensatz weg, indem auf die Kategorie der Beiolion verwiesen

wird (Quae aulem sint reiolive opposita, dictum est prius in capitulo de reiolione).

Der contradictorische Gegensatz ist in Z— © etwas ausführlicher besprochen, hin

gegen in X Tf, ®—8, £ ganz ausgefallen.

175) III, 3, 2 (f. 112 A): Prius dicitur quadrupliciler : .... secundum lempus

a quo non converlitur subsistendi consequentia, ut unum est prius duobus

secundum ordinem quod melius est Praeler hos quatuor modos iam dictos

est unus aller modus prioritalis; eorum enim, quae convertuntur secundum essendi

consequenliam, ....ittud, quod est causa allerius, est prius natura.

176) III, 3, 3 (f. 113 B): Simnl dicitur tribus modis: ....quorum oeneralio est

eodem lempore quae convertuntur et neutrum est causa allerius, sicul quaelibet

reioliva quae aequalitur condividunt genus.

48 XVII. Petrus Hispanus.

des moln*177), und endlich nachhinkend die Bedeutungen des Wortes

habere 178).

Die hierauf folgende Syllogistik enthält einleitungsweise zunächst

(vgl. ebd. Anm. 42 ff.) die Definilionen der propositio, des lerminus, des

,lit-iun, de omni und dictum de nurto179), sowie jene des sgllogismus,

wobei wir den auch im weiteren Verlaufe durchgeführten Gebrauch des

Wortes praemissa bemerken mögen, und hierauf die Erörterung der drei

Termini180), sodann in die Definilionen der ßgura und des modus ver

flochten die Angabe der drei Figuren nebst den zu ihrer Charakterisirung

dienenden Versen

Prima prius subiicit medium, post praedical ipsum,

Allera bis dicit, lerlia bis subiicit ipsum l81),

und ausserdem die bekannten auf sämmtliche Schlussweisen sich er

streckenden Regeln (s. Abschn. XV, Anm. 44), welche hier ebenfalls in

kürzerer metrischer Form am Schlusse wiederholt werden , uemlich in

den Versen

Parlibus ex puris sequitur nit sive negalis;

Si qua praeit parlis, sequitur conctusio partis ;

Si qua negata praeit, conctusio sitque negata;

Lex generalis erit: medium conctudere nesciC82).

Sodann folgt noch die Angabe, was directe und was indirecte schliessen

heisse183), und zudem jene Regeln, welche für die drei einzelnen Figuren

die Bedingung der Schlussfähigkeit enthalten 184). Hierauf aber werden

die sämmtlichen neunzehn Schlussmodi nebst Beispielen vorgeführt (wobei

demnach, — s. ebend. Anm. 45 —, die fünf theophraslischen Modi zur

177) III, 3, 4 (f. 114 B): Matus sex sunt species, sciticet generalio, corruplio,

augmentalio, diminulio, et secundum locum mutalio u. s. w.

178) III, 3, 5 (f. 115 B): Habere dicitur mullis modis: habere aliquam

qualitalem habere quanlitalem et magnitudinem . . . . . habere quae cirea corpus

sunt adiacenlia, ul vestimentum habere membrum habere sicul continens

conlentum habere possessionem habere uxorem forte el alii modi apparebunt

in eo quod haben, sed qui consueverunt dici, paene omnes enumerali sunt.

179) IV, l (f. 117 A).

180) IV, 2 (f. 119 A). Dass aber „praemissa" auch schon bei Withelm Shyreswood

und Lamberl v. Auxerre vorkömmt und auf Uebersetzungen arabischer

Producte zurückweist, s. oben Anm. 52 u. 120.

181) IV, 3 (f. 121 A). Die Drucke U—W, 8— G, X machen den zweiten

VlTs durch Wegiossung des ipsum zu einem Pentameter. Aber M—T fügen als

dritten noch jenen hinzu , welchen wir schon bei Withelm Shyreswood trafen

(Anm. 51); ja X, !&, <B —J,, 9t, ®, K — W geben ausschliesslich nur diesen letz

leren mit Wegiossang der beiden anderen.

182) Ebend. (f. 122 A). Uebrigens fehlen diese Verse in den so eben er

wähnten Ausgaben X, <&>, &—», M, ®, U—9».

183) IV, 4 (f. 123 B): Directe quidem conctudere e*1 maiorem extremitalem

praedicare de minore in conctusione; indirecte conctudere est minorem extremitatem

praedicare de maiore in conctusionc.

184) Ebd.: Nola duo.v reguios, quarum prima tantum convenit primae figurae

quoad quatuor primos modos el terliae (in M—T, X—», & — S, SB steht falsch

secundae) quoad omnes; secunda eliam con,'enit tantum primae /igurae quoad quatuor

primos modos el secundae (ebendaselbst steht ebenso lertiae) figurae quoad omnes.

Prima reguio est: minore exislenle negaliva nibit sequitur. Secunda reguta est: maiore

exislenle parlicuiori nihit sequitur.

XVII. Petrus Hispanus. 49

ersten Figur gehören, die dritte Figur aber nur sechs Schlussweisen ent

hält) ; jene Kunstworte Barbara, Celarent u. s. f., welche uns schon bei

Wilhelm Shyreswood und Lambert von Auxerre (Anm. 52 u. 120) be

gegneten, sind schon vorläufig in den Text je vor den betreffenden ein

zelnen Modi eingereiht 1s5). Sogleich aber dann folgen nach den üblichen

Bemerkungen (Abschn. XV, Anm. 53) über die syllogislische Tragweite

der drei Figuren186) eben jene nemlichen Verse (ob. Anm. 52) nebst

ausführlicher Erklärung ihrer ganzen Nomenclalur187), welch letzterer noch

mnemonisch nachgeholfen wird durch die Verse

Simpliciter verli vult S, P vero per acci,

M vult transponi, C per impossibite duci;

Serval maiorem varialque secunda minorem,

Terlia maiorem variat servalque minorem 18s).

Endlich reihen sich noch Bemerkungen über die nicht schlussfähigen Combinalionen

von Urtheilen und beziehungsweise über inventio terminorum

an189). Was aber bei Psellus über die modalen sowie über die hypo-

185) IV, 4—6. Die einzelnen Schtussweisen selbst s. im byzanlinischen Ori

ginale Abschn. XV, Anm. 47 ff. Die Drucke A —W, I fügen am Schlusse der

ersten Figur die zwei ersten der unten (Anm. 188) folgenden Verse ein, und 9l ®

die zwei letzlen derselben am Schlusse der zweiten Figur.

186) IV, 7 (f. 136 A): Prima figura conctudit omnia genera proposilionum, scilicet

universalem, particutarem, affirmalivam et negalivam. Secunda figura conctudit

parlicutarem nepalivam et universalem negalivam. Terlia conctudit particuiorem affirmalivam

et negalivam.

187) Eherul. : In his quatuor versibus praediclis sunt novem decem dicliones

novem decem modis deservienles ita, quod per primam diclionem inlelligitur primus

modus primae figurae u. s. w. Unde primi duo versus deserviunt omnibus modis

primae fiyurae, lerlius vero versus praeler ullimam eius diclionem deservit modis

secundae figurae, ullima vero diclio lertii versus cum aliis dictionibus quarli

versus deservit modis lerliae figurae. Sciendum, quod per has vocales, sciticet A E

I 0, intelliguntur quatuor genera proposilionum, n. s. w Et in qualibel diclione

sunt tres sgltabae, et aliud residuum est superfluum, nisi M, ul poslea palebit. Et

per primam ittarum sgliobarum intelligitur maior proposilio, u. s. w Et sciendum,

quod quatuor dicliones primi versus incipiunt ab his consonanlibus B C D F, et

omnes aliae dictiones sequentes, et per hoc inlelligendum est, quod omnes, quae in

cipiunt per diclionem inchoatam a B, debent reduci ad primum modum primae figurae,

et omnes, quae incipiunt per diclionem inchoatam a C, ad secundum, et per D ad

tertium, et per F ad quartum. Ilem ubicunque ponitur S, in Ma diclione significat,

quod proposilio inlellecta per vocalem immediale praecedentem debel converti simpliciler;

et proposilio inlellecta per vocalem immediale praecedenlem istam litleram P

debel converli per accidens : et ubicunque ponitur M, debel fieri transposilio in praemissis

• et ubicunque ponitur C, significatur, quod modus inlellectus per istam

diclionem, in qua ponitur, debet reduci per impossibite. Diese ganze Erörlerung ist

in K— St, wo sie schon am Anfange der erslen Figur steht, sehr abgekürzt; in X

aber fehlt dieses ganze Capitel.

188) In W ® fehlen hier die letzten zwei Verse (s. Anm. 185); hingegen

¥— © fügen noch die zwei letzlen der oben, Anm. 156, angeführlen Verse hinzu.

189) IV, 8 (f. 136 B): Sed quia Aristoleles in Prioribus (An. pr. I, 28, s. Abschn.

IV, Anm. 591) ostendit , coniugaliones , in quibus non sequitur conctusio ex praemissis,

esse inuliles, per invenlionem lerminorum, in quibus non lenel huiusmodi

coniugalio, ideo ulilis est invenlio talium lerminorum. Ubicunque fiat inulilis con

iugalio . . . . , accipiendi sunt duo lermini, sciticet duae species, cum suo genere . ...,

vel duo lermini, quorum aller de allero praedicatur sive comerlibititer sive non cum

extraneo utriusque, vel accipiendi sunt duo lermini, quorum aller de altero

PBANTL, Gesch. III. 4

50 XVII. Petrus Hispanus.

thelischen Syllogismen gesagt war (s. Abschii. XV, Anm. 54 f.), ist hier

hinweggelassen 190).

Die nun folgende Topik beginnt unter Weglassung der Einleitung

über inventio propositionum1®1) , sogleich mit den verschiedenen Bedeu

tungen des Wortes rata'o192), um hierauf argumentum, argumentatio,

inductio, enthgmema, exemplum zu erklären193) und von da auf den

locus dialecticus und dessen Eintheilung überzugehen194). Die einzelnen

Topen sind, wie sich von selbst versteht, in der oben (Abschn. XV, Anm.

60 ff.) angeführten Reihenfolge behandelt195).

Es schliesst sich hierauf die Sophistik an, welche sicher gleich

falls aus dem für uns verlorenen byzanlinischen Originale übertragen

ist196), mag in letzterem der Inhalt der Soph. Elenchi an dieser oder

an einer anderen Stelle gestanden haben (s. Abschn. XV, Anm. 65 u. bes.

Anm. 91). Auch muss dieser Abschnitt, wie Anderes bei Psellus, als

eine schulmässig commenlirende Paraphrase des aristotelischen Buches be

zeichnet werden, von welchem jedoch nur die erste Hälfte benutzt worden

zu sein scheint; wenigstens enthält das Ganze auch hier ebenso, wie bei

Wilhelm Shyreswood (Anm. 65) und Lambert von Auxerre (Anm. 124),

nur die ersten fünfzehn Capitel der aristotelischen Soph. Elenchi 197).

Nun aber folgt jene ausgedehnte und einflussreiche Erörterung De

terminorum proprietatibus, durch welche (hauptsächlich vermöge

der Auctorität des Petrus Hispanus) den nächsten Jahrhunderten eine erpraedicatur

sive converlibititer she non mm superiore ad utrumque Per hanc

enim regutam, cuicunque jener« applicetur, sive substantiae sive quanlitali sive alicui

aliorum, inveniuntur lermini, per quos inulilis coniugalio demon strabitur non lenere.

Uebrigens ist in £ auch dieses ganze Capitel (vgl. vorige Anm. 187) weggeiossen.

190) Hingegen eine anderweilige Inlerpoiolion, nemlich bezüglich der polestas

sgllogismorum, s. Abschn. XX.

191) Vgl. Abschn. XV, Anm. 57.

192) V, l (f. 1 38 B): Ralio dicitur mullis modis. Primo modo idem est quod

definitio vel descriplio Secundo modo est quaedam virtus animae. Terlia modo

idem est quod oralio ostendens aliquid Alio modo idem est quod forma maleriae....

Alio modo idem est quod essentia commnnis praedicabitis de pluribus

Alio modo idem est quod n,edmm inferens ronctusionem. (Vgl. ebend. Anm. 58.)

193) V, 2 (f. 139 B). Aber namentlich die Lehre vom enthgmema ist aus Ari

stoleles beträchtlich ergänzt.

194) V, 3 (f. 144 A).

195) V, 4-7.

196) Ein schiogender Beweis hiefür ist z. B., dass Alexander Apbrodisiensis

cilirt wird (VI, 2, f. 179 A: Sciendum aulem, ut vult Alexander in commento super

librum elencfiorum u. s. w.).

197) Mehr nur um der Terminologie witlen mögen die Haupt -Momenle des

Inhaltes hiemit genannt we,den. Zuerst (VI, 1) die vier Arten der disputalio, nemlich

doctrinalis, dialeclica, lentaliva, »ophistica, und die fünf Ziele (metae) der

Sophislik: redargulio, falsum, inopinabite, soloecismus, nugalio. Dann (VI, 2) die

Eintheitung der futilacia, und somit hierauf faliodae in diclione, nemlich (VI, 3, 1)

aequivucalio ; (VI, 3, 2) amphibologia ; (VI, 3, 3) faliocia compositionis ; (VI, 3, 4)

divisionis; (VI, 3, 5) accentus; (VJ, 3, 6) figurae dictionis ; sodann extra diclionem,

nemlich (VI, 4, l) accidenlis; (VI, 4, 2) secundum quid ad simpliciter ; (VI, 4, 3)

ignorantia elenchi; (VI, 4, 4) pelilio prineipii ; (VI, 4, 5) consequenlis mit seinen

Unlerarlen ad insufficienle inductione und a communiter accidenlibus ; (VI, 4, 6) se

cundum non causam ut causam; (VI, 4, 7) pturium inlerrogaliomim ; zuletzt (VI, 5)

die Reduclion der Trugschlüsse auf ignorantia elenchi.

XVII. Petrus Hispanus. 51

kleckliche Masse byzanlinischen Unsinnes zugeführt wurde198). Es han

delt sich vorerst um den Begriff der signi/icalio 1"), deren Gliederung

auf den Unterschied zwischen substantivatio und adieciivatio 200), und

hienüt auf supposüio („Annahme eines substanlivischen Begriffes statt

eines anderen") und auf copulalio führt201).

Die suppositio nun wird eingetheilt in communis und discreta,

deren erstere in naturalis und accidentalis zerfällt202); die verwickelte

Eintheilung der accidentalis in simplex und personalis 2o3) setzt sich in

der Unterabtheilung der letzteren, nemlich der personalis, in delerminata

und confusa fort204). Die abermalige Unterscheidung der confusa, je

198) Ich kann, wie schon gesagt, bei jener erslen Hälfle, welche uns auch

bei Pseltus erhalten ist, nicht die ganze bereits oben (Abschn. XV, Anm. 66—80)

gegebene Entwicktung hier wiederholen, sondern [beschränke mich auf eine kurze

Inhaltsangabe und theite auch in den Anmerkungen nur hervorragende Slellen des

ioteinischen Texles mit (denn zum Beweise, dass Pelrus Hispanus nur wörtlich

übersetzle, wird diess genügen; der speciellore Inhalt der Doctrin selbst aber ist

aus dem in Abschn. XV Gesaglen hinreichend ersichtlich). Anders muss ich aller

dings in der zweiten Hälfle verfahren.

199) VII, l, l, l (f. 207 A): Eorum quae dicuntur, quaedam dicuntur cum complexione,

— quaedam sine complexione Terminus, ul hie sumitur, est vox

significans universale rel particuiore, ut homo vel Soerales et sie de aliis (dieser

ganze Satz fehlt bei Pseltus). Terminorum autem incomplexorum unusquisque aut

substantiam significal u. s. w. Significalio, ut ibi sumitur, est rei per vocem secundum

piocitum repraesentalio (vgl. Abschn. XV, Anm. 66).

200) Ebend. (f. 208 A): Et significare aliquid adiective vel substanlive sunt

modi n,rum, quia adieciivalio et substantivalio sunt compoles modi el differentiae

rerum, quae significantur, el non significalionis (so richlig nur @ 'S, die übrigen

Drucke haben bald signi/icaliones, bald significant, bald sogar significantur). Nomina

vero substanliva dicuntur supponere, sed nomina adiectiva el verba dicuntur coputare

(vgl. ebd. Anm. 67).

201) VII, l, l, 2 (f. 209 A): Suppositio est aeceplio iermini substanlivi pro

aliquo Significalio prior est suppositione, el differunt in hoc, quia significalio

esl vocis, suppositio vero est lermini iam composili ex voce ct significalione

Ilem significalio est signi ad signatum, supposilio vero est supponentis ad suppositum,

ergo suppositio non est significalio. Copuiolio est acceplio lermini adicclivi

pro aliquo (ebd. Anm. 68).

202) VII, l, l, 3 (f. 210 A): Supposilionum alia communis alia disereta.

Ilem suppositionum communium alia naturalis alia accidentalis. Supposilio

naturalis est acceplio lermini communis pro omnibus Ins, pro quibus aptus natus est

participari, ul iste lerminus „homo" per se sumptus (zu diesem per se bitdet sonach

die unlen folgende suppositio reiolivorum den entsprechenden Gegensatz; s. unlen

Anm. 212 ff.) Accidentalis suppositio est acceplio lermini communis pro omnibus,

pro quibus exigil suum adiunctum (vgl. Abschn. XV, Anm. 69).

203) Ebend. (f. 2 1 1 A) : Accidentalium suppositionum alia simplex alia per

sonalis. Suppositio accidentulis simplex est acceplio lermini communis pro re universali

significata per ipsum lerminum Ilem suppositionum simplicium alia est

lermini communis in subiccto positi, alia positi in praedicalo propositionis universalis

affirmalivae, ul „omnis homo est animal" alia posifi post dictionem

exceplivam; in omnibus istis (d. h. bei dieser dritlen Art) el simitibus fil processus

a suppositione simplici ad suppositionem personalem. Quod aulem lerminus

in praedicalo positus simplicem habet suppositionem, palet, quia u. s. w. (vgl. ebend.

Anm. 70).

204) Ebend. (f. 211 B): Personalis suppositio est acceplio lermini communis pro

suis inferioribus Ilem personalium suppositionum alia est dclerminata alia con

fusa. Delerminata supposilio est aeceplio lermini communis indefinitc sumpli vel cum

signo particuiori (vgl. ebd. Anm. 71).

4*

52 XVII. Petrus Hispanus.

nachdem sie das Subjeet oder einen der beiden anderen Bestandtheile

des Urtheiles (Copula oder Prädicat) betrifft205), fübrt vorläufig zu der

Angabe, dass im ersteren Falle entweder mobiliter oder distributive, im

letzteren Falle aber immobititer supponirt werde , welch letzteres jedoch

seine Bedenken habe206), deren Lösung hinwiederum dahin lautet, dass

ein allgemeiner Prädicatshegriff überhaupt keiner confusa supposüio un

terliege 207) , — eine Lösung, welche nun noch darauf gestützt wird,

dass beim Prädicatsbegrifl'e das latum stets als Gattungsbegriff zu ver

stehen sei, während es für die verworrene Supposilion in quanlitalivem

Sinne genommen werden müsse 208) , wozu noch komme, dass beim Gat

tungsbegriffe stets die vom Niederen zum Höheren aufsteigende Betrach

tung obwalte209). Die richlige Erwägung aber, dass die Supposilion

überhaupt nicht gleichmässig beim Subjccte und beim Prädicate gelte,

schliesse eben den prädicaliven Gattungsbegriff von der confusa supposüio

aus210). Und indem das Gleiche auch von der Copula gelte, reducire

sich die verworrene Supposilion nun in Wahrheit lediglich auf das durch

die Quantitätsbeslimmung („alle") hiezu befähigte Subject 2 1 1). Vgl. übri

gens auch unten Anm. 596 f.

205) Ebend. (f. 213 A): Confusa supposilio est acceplio lermini communis pro

pturibus mediante signo universelt Ilem confusarum suppositionum ulia est

confusa necessitale signi vel moili et alia necessitale rei u. s. w. vgl. ebend.

Anm. 72.

206) Ebend.: Unde isle lerminus „Aomo" (d. h. in dem Satze „omnis homo

est anin,af") debet supponere confuse mobitiler et distribulive (hierin liegt der An

knüpfungspunkt für die unten folgende Distribulion, s. Anm. 238) ; sed confuse et

distribulive lenetur, quando lenetur pro omni homine ; mobititer rero, quia licet fieri

descensum sub eo pro quolibel suo supposilo Sed isle lerminus ,,animal" dicitur

confundi immobititer, quia non licel fieri descensum sub eo sicut hie „homo est

dignissima ereaturarum, ergo hie homo" Licet videatur oppositum esse, eo quod

superius dictum est (Anm. 203), quod in has propositione „omnis homo est animal"

iste lerminus in praedicalo positus simplicem habet supposilionem, et hie dicitur, quod

habet confusam (vgl. Abschn. XV, Anm. 73).

207) Ebend. (f. 213 B): Sed ego eredo (s. ebend. Anm. 74), impossibite esse,

lerminum communem in praedicato positum habere supposilionem simplicem et confundi

mobititer vet immobititer signo universali exislenle in subiecto affirmalive

u. s. w. ' »

208) Ebend. (f. 214 A): Item lolum universale, quod est genus, et lolum in

quantitale ex opposito se habent ; sed tolum in quanlitale est duplex; quoddam enim

est lotum in quanlitale completum, ul ubicunque conftmditur lerminus communis mo

bitiler , aliud est totum in quanlitale incompletum el diminutum, ut ubicunque

confünditur lerminus communis immobitiler Ergo si impossibite est, tolum in

quantitale esse genus, erit impossibite, lerminum communem in praedicato positum

confundi mobititer vel immobititer, ut dicebatur (vgl. ebd. Anm. 76).

209) Ebend.: Item comparalio itio, secundum quam inferiora reducuntur ad

superiora, opposita est eomparalioni, secundum quam superiora reducuntur ad infe

riora. Sed secundum primam sumitur commune in ralione rommunis, sed secundum

secundam sumitur commune mulliplicatum sive confusum (vgl. ebd. Anm. 77).

210) Ebend.: Kl haec quatuor argumenta sunt concedenda (s. ebend. Anm. 78 f.).

Causa aulem, propler quam movebantur isti, qui fuerunt huiusmodi opinionis, facitis

est ad solvendum u. s. w hoc genus „animal" nullo modo confünditur mobi

liter vel immobititer.

211) Ebend. (f. 214 B): Simititer dico, quod boc, verbum „esf" non confunditur

mobititer rel immobititer Et propler hoc destruimus quandam dirisionem factam

(Anm. 205), seiltcet: confusarum proposilionum alia est confusa necessitale rei, alia

XVII. Petrus Hispanns. 53

Indem nun jener grössere Rest, welcher in unserem Texte des

Psellus verloren gegangen ist, sich anreiht, folgt zunächst die suppositio

relativorum, welche, wie wir sahen, Wilhelm Shyreswood weg

gelassen (Anm. 62), und Lambert von Auxerre ans Ende gestellt halle

(Anm. 132). Dass aber die Nothwendigkeit dieser Gruppe schon im

Obigen (Anm. 202) angedeutet war, wurde bereits auch früher ausge

sprochen (Absehn. XV, Anm. 82).

Die Relaliva, welche hier nicht nach dem Standpunkte der Kate

gorienlehre, sondern im Sinne der Grammalik als Erinnerungszeichen

vorhergegangener Worte zu erörtern seien212), werden vor Allem in

Relativa der Substanz (z. B. qui, Ute) und Relaliva der Accidenz

(z. B. talis, quantus) eingetheilt, deren erstere sogleich wieder unter

schieden werden , je nachdem sie eine Gleichheit (identitas, wie z. B.

qui oder idem) oder eine Verschiedenheit (wie z. B. alius) ausdrücken 213).

Und was nun zunächst die Relaliva der Idenlität betrifTt, so werden als

eine eigene Classe derselben die Reciproca (sui, sibi, se und suus) aus

geschieden, welche die Modalität des Leidens mit der Aclivität des Subjectes

verknüpfen214); sodann aber wird angegeben, in welcher Weise

die Relaliva der Idenlität für ein vorhergegangenes Wort supponirt wer

den, und wie in ihnen ein Behelf der Deutlichkeit liege, was an einem

tradilionellen Beispiele (von den beiden Ajax) sich zeige215); und indem

est confusa necessitale modi sive signi. Dicimus enim, quod omnis confusio fit necessitale

signi vel modi (Abschn. XV, Anm. 80). N

212) VII, l, 2, l (f. 215 B): Reiolivum est duplex: uno modo reiolivum est,

cuius esse est ad aliud se habere, et sie reiolivum est unum de decem praedicamenlis

; aliud est reiolivum, quod est anle iotae rei recordalivum, quia, ut vult

Priscianus in maiore suo votumine, reiolio est ante iotae rei recordalio (Inst. gr.

XII, 16, woselbst jedoch die entsprechenden Worle iouten: „reiolio est cognilionis

anle iotae repraesentalio" ; diese Abweichung aber kann dadurch ihre Erklärung

finden, dass das Citat vorerst durch mehrere griechische Hände gegangen war, ehe

es durch Petrus Hispanus wieder ioleinisch übersetzt wurde; dass auch Pseltus

selbst sich auf Priscianus berief, s. Abschn. XV, Anm. 19) Omissis aulem reiolivis

secundum primum modum de reiolivis secundo modo hie inlendimus.

213) Ebend. : Retalivorum aulem quaedam sunt reioliva substanliae, ut „qui",

„itle" et simitia; quaedam vero sunt reioliva accidenlis, ut „talis, „qualis", „tantus",

„quantus'.. Reiolivum aulem substanliae est, quod refert eandem rem in numero cum

suo anlecedente. Ilem reiolivorum substantiae quaedam sunt reioliva diversitalis, ut

„ofsus", et est ittud, quod refert eandem rem in numero et supponit pro alia, ut

„Soerales currit et alius disputal"; quaedam vero identitalis, ut „qui", „if/e",

„idem", quod refert et supponit pro eodem in numero, pro quo supponit suum

antecedens, ul „Soerales currit, qui disputal" Reiolivorum substanliae identitalis

quaedam sunt nomina, ut „quis", „quidam" ; quaedam sunt pronomina, ut „itle",

„idem". Das Wort „idenlitas" als Uebersetzung von Tstvröilts dürfle gleichfalls

auf eine Kenntniss arabisch-ioleinischer Litteratur zurückweisen (vgl. Anm. 52 u. 65).

214) Ebend. (f. 217 A): Ilem reiolivorum pronominum idenlitalis quaedam sunt

reciproca, ut „sui, sibi, se" cum suo possessivo „suus, sua, suum"; alia vero non

reciproca, ul „itle", „idem". Reiolivum aulem reciprocum dicitur non quod sit paliens,

sed quia ponil modum palientis supra substanliam agenlem Unde reci

procum sie polest definiri: ....quod significat substanliam agenlem sub modo palienlii;

vel sie: . ...quod sui ipsius est passivum Ilem si quaeratur, quare hoc pronomen

„sui, sibi, se" caret nominalivo, dicendum est, quod solulio palet ex praemissis,

quia nominalivus dicit modum agentis.

215) Ebend.: Reioliva identitalis referunt eandem rem sub eodem suo anlecedenle

et semper supponunt pro cadem re in numero; et ex hoc palet, quod maior

54 XVII. Petrus Hispamis.

hiebei die Frage auftaucht, aufweiche Form eines Sophisma's (s. Anm. 197)

eine durch ein Relalivum eintretende Täuschung (z. B. „Jener Mensch

sieht einen Esel, welcher vernünflig ist") zu reduciren sei, fällt der Ent

scheid dahin aus, dass es eine fallacia composüionis sei216). Hierauf

folgt nun zwar eine kurze Angabe über die Relaliva der Verschiedenheit,

insoferne bei denselben der Umfang der Begriffe eine Rolle spiele217),

aber sofort springt die Erörterung in unordentlicher Reihenfolge wieder

auf die Relaliva der Idenlität zurück, und es wird die „Regel", dass die

mit einem solchen Relalivum beginnenden Sätze kein contradictorisches

Gegentheil haben, gegen Einwürfe geschützt, da in denselben eine Nega

lion nur zum Verbum des Relaliv-Satzes selbst gehöre und sich nicht auf

jenes Wort beziehe , welches durch das Relalivum wiederaufgenommen

ist218). Auch noch eine zweite Regel betreffs der Tragweite der Rela

liva der Idenlität hinkt nach, aus welcher abermals die abweichende Gel

tung der obigen (Anm. 214) Reciproca erhellt219).

esl certitudo per reiolivum identitalis, quam per juum antecedens loco retalivi positum;

hur enim palet per Priscianum dicentem in maiore votumine (XVII, 56),

,/ (W. nun dicitur „Aiax venit ad Troiam, et Aiax forliler pugnavit", dubium est,

an de eodem Aiace dicatur an de diversis, sed cum dicitur „Aiax venit ad Troiam

et idem fortiter pugnavit", de eodem stalim inlelligitur.

216) Ebend. : Solei autem dubitari cirea reioliva idenlitalis, utrum deceplio facta

ex diversa reiolione fiat secundum aequivocalionem vel secundum amphibologiam vel

secundum aliquam aliam faliociam, ul, dicendo „homo riitet asinum, qui est ralionalis"

Secundum aliquos solet ibi assignari aequivocalio ; sed contrarium arguitur;

hoc enim nomen „qui" u. s. w. (sehr ausführlich) Concedimus, quod deceplio

facta ex diversa reiolione non est secundum aequivocalionem Ilem quod ibi non

sit amphibologia, probatur Ilem ubicunque est deceplio ex eo, quod aliqua dtctio

polest refeni ad diversa, est composilio vel divisio, et hoc idem concedimus.

217) VII, l, 2, 2 (f. 219 A): Sequitur de reiolivis diversitalis. Retalivum diversitalis

est, quod supponit pro alio ab eo, quod refert Talis datur reguio:

Si reiolivum diversitalis addatur superiori, fit inferius, et si addatur inferiori, fit

superius, verbi gralia in hac proposilione „aliud ab animali" hoc reiolivum

diversitalis „aliud", cum additur animnli, quod est superius ad hominem, facit ipsum

inferius, et in hac „aliud ab homine" additur inferiori, sciticet homini, et ergo facit

ipsum superius, et ergo „aliud ab animali'' est inferius ad „aliud ab homine".

218) Ebend.: De reiolivis idenlitalis datur reguta ab anliquis (letzleres Worl

kann im Originale des Pseltus sich natürlich nur auf Autoren ungefähr aus der

Zeit der Commentatoren bezogen haben; vielleicht, wenn wir richlig vermuthelen,

auf Thcmislius, s. Abschn. XV, Anm. 105 ff., vgl. auch hier unlen Anm. 241 u.

247): \ntln proposilio inchoata a retalivis idenlitalis habet contradictoriam. Et assignant

causam, quia, cum dicitur „omnis homo currit, et itle disputal", hoc reio

livum „itle" habet respectum ad hoc antecedens „homo" propler dependenliam suae

retalionis; sed quando negalio advenit proposilioni inchoatae a retalivo sie „itle non

disputal", tune negalio negat verbum, quod sequitur, et non negat respectum reio

lionis Sed contra hoc obiicitur : Quidquid conlingit affirmare, conlinget et negare

de quolibet supposito; ilem quaelibet proposilio sive enuntialio, quae est una,

habet contradictorium ; ....ilem dicit Aristoleles in primo Periermenias (s. Abschn. IV,

Anm. 191), quod uni affirmalioni una negalio est opposita Ad raliones eorum

respondemus, quod in proposilione inchoata a reioliva tantummodo sumitur contradictorium

per comparalionem reiolivi ad verbum, cui subiicitur, et non per comparalionem

reiolivi ad antecedens.

219) Ebend.: De retalive idenlitalis non reciproco talis datur reguta: Omne

reiolivum idenlitalis non reciprocum habet eandem supposilianem, quam habet suum

anlecedens, ul cum dicitur „omnis homo currit, et itle est Soerales", hoc reio

livum „itle" supponit pro omni homine Dico aulem „non reciprocum",

XVII. Petrus Hispanus. 55

Zuletzt folgt hiemit in Kürze die zweite Gattung, nemlich die Relativa

der Accidenz, welche im Gegensatze gegen die vorigen als

attribulive Worte sich nicht auf eine einzelne Substanz, sondern auf qua

litaliv gleicharlige Gruppen beziehen und daher nur in solchem Sinne

supponirt werden. Von denselben wird nur die Eintheilung angegeben,

indem auch sie zunächst in Relaliva der Idenlität und Rclaliva der Ver

schiedenheit zerfallen, erstere aber wieder in qualitalive und quanlitalive

(diese abermals nach conlinuirlicher und discreter Quanlität) getheilt

werden , woran sich noch bezüglich aller der syntaklische Unterschied

anreiht, je nachdem sie demonstraliv oder antwortend (redditiva) ge

braucht werden 220).

Sollten wir aber nun nach Obigem (Anm. 201) erwarten, dass sich

jetzt die Erörterung der copulatio anreihen müsse, so fmden wir uns

getäuscht, indem bei Petrus Hispanus dieser Gegenstand gänzlich fehlt,

während ihn Wilhelm Shyreswood ausführlich besprach und auch Lambert

von Auxerre nicht völlig ausser Acht liess221).

Hingegen folgen in eigenthümlicher Zerrissenheit oder Unordnung

die Abschnitte über amplialio, appellatio, restrictio; wenn nemlich in

selbstständiger und weit besserer Weise (vgl. auch Abschn. XV, Anm. 90)

Wilhelm Shyreswood die amplialio und die restrictio in die appellatio

verflochten (ob. Anm. 64), Lambert v. Auxerre aber die appellalio voraus

geschickt und dann die ampliatio und die reslrictio in wechselseilig correspondirender

Darstellung entwickelt hatte (Anm. 129 f.), so wird

hier völlig unmolivirt die appellalio in Mitte der beiden anderen hinein

geschoben 222).

quia cum dicitur „omnis homo videt se", non est sensus „omnis homo videt omnem

hominem".

220) VII, l, 2, 3 (f. 220 B) : Habito de reioliva substanliae dicendum est de

reiolivo accidenlis. Retalivum aulem accidentis est, quod refert eandem rem per modum

denominalionis, ut „tale", „quale" Retalivum substanliae refert idem in

numero , retalivum vero accidenlis refert idem in specie , ut „Soerales est albus, et

talis est Piolo" Reiolivorum aulem accidenlis alt ml est reiolivum idenlitalis, ul

„talis", aliud vero diversitalis, ut „aller (hiedurch könnle zurechtgewiesen werden,

wer etwa noch zweifeln wollte, ob auch diese ganze zweile Gruppe wirklich aus

einem griechischen Originale übersetzt sei; denn sofort erhellt, dass hier i'itm,f

in der stupidesten Weise mlt „aller" übersetzt ist) Ilem reiolivorum accidenlis

idenlitalis aliud est qualitalis, ut „qualis", aliud quantitalis, nt „quantus" (dieser

Satz fehlt in allen Drucken mit Ausnahme von 9t Z, und auch die zahlreichen

Commentatoren verspürten den Abgang desselben durchaus nicht). Ilem reiolivorum

identitalis quanlitalis aliud est retalivum quantitalis continuae, ut „tantus", aliud

vero quanlitalis diseretae, ul „tol", „quol". Ilem reiolivorum numerorum quaedam

sunt nomina, ut „tolidem" (diess wird also zu einem nomen geslempelt ; natürlich

stand bei Pseltus rodovioi), quaedam sunt adverbia, ut „toliens". Sciendum, quod

,,talis, tantus, loliens, tolidem" possunt dici redditiva et demonstraliva ; si ad

praesentes referantur, demonstraliva , ut cum dicimus demonstrando Ilereulem „talis

fuit Piolo" .... si aulem non referuntur ad praesentes, .... tunc sunt redditiva, quia

reddunt interrogalione praecedentc, ut „qualis est Piolo, talis est Soerates".

221) S. oben Anm. 63 u. 127; vgl. Abschn. XV, Anm. 83 u. 85.

222) Da jedoch Petrus Hispanus nur mechanisch übersetzle (oder vielleicht

sogar bloss als Abschreiber einer bereits vorliegenden Uebersetzung fungirte), so

dürfen wir sicher annehmen, dass diese unorganische Reihenfolge auch schon im

Texte des Psellus sich fand.

56 XVII. Petrus Hispauus.

Es werden nemlich ampliatio und restrictio zunächst kurzweg

als Unterarten der obigen (Anm. 204) persönlichen Suppusilion bezeichnet,

so dass sich hiemit in diesen Capiteln eigentlich noch immer der Faden

der Supposilion fortspinnt, da hier nur eine zweite parallel-laufende Eintheilung

der persönlichen Supposilion zu der obigen hinzutritt 223). Und

diese Auffassung spricht sich auch in den Definilionen der ampliatio

und der reslrictio aus, indem erstere nur als eine erweiterte, und letz

tere nur als eine verengte Supposilion eines Gemeinbcgriffes (lerminus

communis} bezeichnet wird , allerdings mit dem wesentlichen Zusatze,

dass Einzelnbegriffe weder zur Amplialion noch zur Restriclion befähigt

sind224). Aber in der weiter folgenden Erörterung ist kein Faden eines

inneren Zusammenhanges mehr fühlbar.

Denn es folgt nun in dürrster Form eine Eintheilung der ampiiatio,

da dieselbe im Verbum oder im Substanliv oder in einem Parlicipium

oder in einem Adverbium liegen könne (— wobei barer Blödsinn vor

gebracht wird —), und ausserdem ein wichliger Unterschied darin be

stehe , dass die Amplialion sich entweder auf die supponirten Begriffe

oder auf die durch das Verbum ausgedrückte Zeit beziehe 225). Da

aber bei den Beispielen, welche für diese Eintheilung gewählt sind, das

Verbum „polest" eine grosse Rolle spielt, so knüpft sich hieran eine

wahrlich läppische Besprechung und Lösung des sophislisch gewonnenen

Satzes „Das Unmögliche ist möglich" 226). Hierauf folgt noch für die

223) VII, 2 (f. 222 B) : Personalis supposilio est acceplio termini communis pro

suis inferioribus, cuius alia est delerminata alia confusa, ul prius patuit (ob. Am«.

204). ll,'m personalis supposilionis alia est restricta alia ampliata, et ita ampiialio

et restrictio habent fieri cirea supposilionem.

224) Ebend. : Restriclio est coaretalio lermini communis a maiori supposilione

ad minorem, ul cum dicitur „homo albus currit", hoc adiectivum „albus" restringit

hominem ad supponendum tantum pro albis. Ampiialio est extensio lermini communis

a m nun i supposilione ad maiorem, ul cum dicitur „homo polest esse antichristus"

(dass der Begriff des Anlichrists auch bei den griechischen Kirchenvätern eine Rolle

spielte, isl bekannt), iste lerminus „homo" non sotum supponit pro his qui sunt,

sed eliam pro his qui erunt, unde ampliatur ad futuros. Dico aulem „lermini comnmnis",

quia lerminus singuioris, ul Soerales, non ampliatur neque restringitur.

225) Ebend. (f. 223 B) : Amplialionum alia fit per verbum, ul per hoc verbum

„polest", ul „homo polest esse anlichristus"; alia per nomen, ul „hominem esse anlichristum,

est possibiteu ; alia per participium, ut „homo polens est esse animal";

alia per adverbium, ut „homo necessario est animal", „homo" enim non sotum am

pliatur pro praesenti lempore , sed eliam pro futuro. Et ideo sequitur alia divisio

amplialionis, sciticet alia fit respectu suppositorum, ul „homo polest esse anlichristus",

alia fit respectu lemporum, ut „homo necessario est animal".

226) Ebend. (f. 224 B) : Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Impossi

bite polest esse verum". Quod sit verum, pmbatur, quia ittud, quod est vel erit

impossibite, polest esse verum, sciticet antichristum non fuisse, post lempus suum est

impossibite, et modo polest esse possibite et verum; ergo impossibile polest esse

verum (d. h. „Das Nichlerschienensein des Anlichrists ist einerseits, — falls er einmal

wirklich erschienen ist —, etwas Unmögliches, und andrerseits, — so ionge er

noch nicht erschienen ist — , etwas Mögliches; also ist Etwas, was einerseits un

möglich ist, zugleich andrerseits möglich; also ist Unmögliches möglich." Mit solch

ausserstem Blödsinne aber müssen wir uns zu des Lesers und unserem eigenen

Ueberdrusse leider noch öfters beschäfligen. Dass übrigens diese Caricatur eines

Snpbismu's aus der stoischen SchuI-Logik seinen Weg in die Synopsis des Pseltus

gefunden habe, erhellt aus jener ursprünglicheren Form, in welcher wir es oben,

XVII. Petrus Hispanus. 57

erwähnten zwei Fälle je eine „Regel", nemlich dass die Amplialion, welche

sich auf die supponirten Begriffe bezieht, für den ganzen Umfang der

selben gelte (gleichfalls mit ausschliesslicher Benützung des „polest"), und

dass die auf die Zeit (vgl. unten Anm. 598 ff.) bezügliche Ampliation

sämmtliche drei Zeiten umfasse 22 7). Dass übrigens mit dieser Theorie

der amplialio die späteren sog. Obligatoria in einem Zusammenhange

stehen, s. unten Abschn. XX.

Und nun folgt plötzlich die appellatio, ohne dass irgend ersicht

lich wäre, wie dieselbe hieher komme. Sie wird als „Annahme eines Be

griffes für ein wirklich exislirendes Object" defmirt und soll in dieser

ausschliesslichen Beziehung auf das concret Wirkliche sich von der significatio

(Anm. 199) und auch von der suppositio unterscheiden, da letztere

beide sowohl hei Existirendem als auch bei Nichtexislirendem stattfinden

können 22s). Blickt somit hierin wieder eine Spur eines allgemeineren

Zusammenhanges dieser logischen Momente hindurch, so bietet auch die

Eintheilung der appellalio Aehnlicb.es dar, indem dieselbe entweder bei

einem Gemeinbegriffe oder bei einem Einzelnbegriffe auftrete, und im

letzteren Falle mit der significalio und supposüio zusammentreffe, im

ersteren Falle aber der Gemeinbegriff entweder nach Art der simplex

supposüio (Anm. 203) in ungetheilter Gemeinsamkeit oder nach Art der

personalis suppositio (Anm. 204) in Momenten seines Umfangcs betrachtet

• werden könne 229). Aber während diese Erörterung der appellatio leicht

Abschn. VI, Anm. 166, anzuführen hatten). Contra: Quidquid polest esse verum, est

possibite; sed impossibite polest esse verum (A. h. diess ist die obige sophislisch

erwiesene Thesis) ; ergo impossibite est possibile, in terlio modo primae figurae (diess

ist sogar formell falsch, weit in „Darii" der Schtusssatz porlicuior ist); sed conctusio

est falsa; ergo aliqua praemissarum; non maior ; ergo minor; sed haec est

prima; ergo prima est falsa. Solulio: prima simpliciter est falsa, haec sciticet „im

possibite polest esse verum", el sophisma peccal penes faliociam accidenlis u. s. w.

Vgl. auch unten Anm. 357.

227) Ebend.: De amplialione, quae fit ralione suppositorum, talis datur reguta:

Terminus communis supponens verbo habenli mm ampliandi a se vel ab alio amplialür

ad ea, quae possunt esse sub forma lermini supponenlis, ut „homo polest

esse animal", hie iste lerminus „homo" non sotum- supponit pro praesenlibus , sed

eliam ampliatur ad omnes qui erunt; dico aulem „a se", quia hoc verbum „polesl"

de se habet vim ampliandi; dico aulem „ab alio", quia hoc parlicipium „polens" et

boc nomen „possibite" dant virtutem ampliandi verbo, cui adiunguntur De amplialione

aulem, quae fit ralione lemporis , talis datur reguio: Terminus communis

supponens vel apponens verbo habenli vim ampliandi quoad tempus supponit pro his,

qui sunt, qui erunt, vel qui fuerunt, ul „homo necessario est animal".

228) VII, 3 (f. 226 A): Appeliolio est acceplio lermini pro re exislente; dico

aulem pro re exislenle, quia lerminus significans non ens non appeliot, ut Caesar vel

chimaera. Differt aulem appeliolio a significalione et supposilione , quia appeliolio

est tantum de re exislenle, sed supposilio et significalio sunt tam pro re exislenle

quam pro re non exislenle.

229) Ebend.: Appeliolionum aulem alia est lermini communis, ul „homo", alia

est lermini disereli vel singuioris, ul „Soerales". Terminus singuioris idem significat,

supponit et appeliot. (f. 227 A) Ilem appeltalionum lermini communis alia est ler

mini communis pro re in communi, ul quando lerminus communis simplicem habet

supposilionem, ul cum dicitur „homo est species", et tunc lerminus idem sup

ponit, significat el appeliot Alia aulem est appeliolio lermini communis pro

suis inferioribus, ul quando lerminus communis personalem habet suppositionem, ut

cum dicitur „homo currit", tunc „homo" significat hominem in communi et supponit

pro parlicuioribus hominibus et appeliot particuiores homines tantum exislenles.

,

58 XVII. Petrus Hispanus.

in sirenger Parallele mit der Supposilion noch weit hätte fortgesponnen

werden können, bricht sie hiemit ebenso unerwartet ab, als sie unmolivirt

eingefügt worden war. Vgl. aber unten Anm. 601.

Somit wird nun zur restrictio zurückgekehrt, welche entweder

durch ein Nomen oder durch ein Verbum oder durch ein Parlicipium

oder durch einen Relalivsatz (implicatio) bewirkt werden soll230). Ueber

die erste derselben, au welcher wieder drei Fälle unterschieden werden,

indem das Nomen entweder eine Unterart des restringirten Begriffes oder

einen artmachenden Unterschied oder ein zufälliges Merkmal desselben

enthalten kann231), werden die „Regeln" gegeben, dass der restringirende

Begriff nicht eine Selbstaufhebung des restringirten (wie z. B. bei mortuus

der Fall wäre) noch eine Amplialion (wie z. B. bei potens) enthalten

darf, sowie dass das restringirende Wort selbst wieder durch das restringirte

verengt wird, ferner dass die Hinzufügung des Wortes „Alle"

zum restringirten Begriffe an der Restriclion Nichts ändert, endlich dass

ein restringirender Begriff, welcher im Prädicate steht, auf das Subject

keinen Einfluss hat, jedoch mit Ausnahme der sog. consignificatio, welche

bei Substanliven im grammalischen Genus liegt232). Hierauf wird be

züglich der durch einen Relalivsatz entstehenden Restriclion zunächst die

Tragweite derselben angegeben und dann die „Regel" aufgestellt, dass

bei Hinzufügung des Wortes „Alle" sehr genau zu unterscheiden sei, ob

dasselbe vor oder nach dem Relalivsatze stehe 233). Mit Uebergehung

230) VIF, 4, l (f. 228 A): Restriclio est coaretalio lermini communis a maiore

supposilione ad minorem, ul dictum est prius (ob. Anm. 224). Restriclionum anlem

alia fit per nomen, ul „homo albus", isle lerminus „homo" non supponit pro nigris

nequc pro medio colore coloralis, sed restringitur ad albos; alia fit per verbum, ut

„homo curril", isle lerminus „homo" supponit pro praesenlibus tantum; alia fit per

parlicipium, ul cum dicitur „homo currens disputal" ; alia fit per implicalionem,

ul cum dicitur „homo qui est albus currit", haec implicalio „qui est albus''

restringit hominem ad albos.

231) Ebend.: Restrictionum factarum per nomen alia fit per inferius superiori

appositum, ul „animal homo currit" ; alia fil per differentiam advenientem generi,

quae est essentialis, cum sit conslituliva, ut „animal ralionale currit" ; ulia fit

per adieclivum accidenlis, ut „homo albus".

232) Ebend. (f. 229 A): De restriaione facta per nomen communiter sumptum

tales dantur reguioe: Omne nomen non diminuens nec habens vim ampliandi adiunctum

ex eadem parle lermino magis communi restringit ipsum ad supponendum

pro his , ad quae exigit sua significalio Dico aulem ,,non diminuens" ad removendum

nomina diminueulia ralionem adiuncli, ul „mortuus" ; dico aulem „non

habens vim ampliandi'' ad removendas dietiones amplialivas, ut „polem" Et

sciendum, quod minus commune semper restriugit magis commune, ut cum dicitur

„homo albus curril", sie „homo" coaretat album ad albedinem existentem in

hominibus Ilem de lermino restricto talis datur reguio: Ss signum universale

adveniat lermino restricto, non distribuit ipsum nisi pro his, ad quae restringitur

Ilem de restriclione datur talis reguio: Nihit positum a parte praedicali polest restringere

lerminum communem positum a parle subiecli quoad principalem significalionem,

ut „homo est albus" , quia si restringeretnr ad albos, sensus

esset „homo albus est albus" Dico aulem „quoad principalem significalionem" ,

quia praedicatum restringit subiectum quoad consignificalionem, quae est genus , ul

cum dicitur „cggmts est albus", iste lerminus „cggnus" restringitur ad mares el non

ad mulieres.

233) Ebend. (f. 230 A): Ilem de restriclione facta per implicalionem talis datur

reguio: Omnis implicalio immediale coniunsta lermino communi restringil ipsum sicul

suum adieclivum Ilem de eadem restriclione talis datur reguio : Quoliescunque

XVII. Petrus Hispanus. 59

des eine Restriclion bewirkenden Parlicipiums wird dann noch sehr aus

führlich über die im Verbum liegende Restriclion gehandelt. Nemlich es

treten vorerst die „Regeln" auf, dass das Verbum vor Allem keine Selbstaufhebung

der Rehauptung (wie diess z. B. bei dem Zusatze „opinabiliter"

der Fall wäre) und auch keine amplialive Geltung (wie z. H. bei patesl)

enthalten dürfe, sodann aber mit Vorbehalt dieser Bedingung das Präsens

eines Verbums eine vollgüllige Restriclion bewirke, hingegen das Präteritum

nur für Vergangenheit und Gegenwart , sowie das Futurum nur für

Gegenwart und Zukunft restringire, kurz dass beim Verbum die restriclive

Kraft in seiner consignificalio, d. h. im grammalischen Tempus, liege 234).

An letzteres aber knüpft sich die Besprechung des läppischen Sophismas

„Alle lebenden Wesen waren in der Arche Noah's , Julius Cäsar aber

war ein lebendes Wesen und doch nicht in der Arche Noah's", wobei

gegenüber den Ansichten Anderer, welche auf die Unterscheidung zwi

schen Individuum und Gattung sich warfen, im Hinblicke auf obige Regeln

die Lösung dahin geht, dass es eben der Trugschluss einer sog. imperfecta

enumeratio sei 235). Ferner aber wird auch noch die Frage ersignum

universale el implicalio ponuntur in eadem loculione, duplex est oralio, eo

quod signum polest praecedere implicalionem et sie distribuit terminum communem

pro quolibet supposito ; ilem implicalio polest prius advenire et restringere lerminum

communem, et tunc signum poslea advrniens non distribuit ipsum nisi pro

his, ad quae restringitur.

234) Ebend. (f. 231 A): Sequitur de restrictione facta per verbum, de qua

ptures dantur regvioe, quarum prima talis est: Terminus communis supponens vel

apponens verbo praesentis lempons simpliciler sumplo non habenti mm ampliandi nec

ex se nec ex alio restringitur ad supponendum pro his, qui sunt sub forma termini

communis supponentis. Dico aulem „lerminus communis", quia lern,inus diseretus

neque restringitur neque ampliatur (s. Anm. 224) ; dico aulem „verbo praesentis lemporis"

ad removendum alia verba aliorum lemporum, quia lerminus communis aliam

habet supposilionem mm eis; dico aulem „simpliciter sumplo" ad removendum verba

sumpta cum particulis diminuentibus, ul est „opinabite" ; dico aulem „non habenti

vim ampliandi" ad removenda verba amplialiva, ul „polest"; dico aulem „neque ex

se neque ex alio" ad removendum verba habenlia vim ampliandi, quia cum dicitur

„tlolH(! est polens", licel hoc verbum „est" non amplial ex se, ampliat tamen per hoc

parlicipium „polens" (diesen lelzleren Satz geben nur die Drucke M ® in der rich

ligen Form) Ilem alia datur reguio : Terminus communis supponens vel apponens

verbo de praelerito simpliciler sumplo non habenti vim ampliandi nec ex se nec ex

alio restringitur ad supponendum pro his, quae sunt vel fuerunt sub forma lermini

supponentis Item alia datur reguio: Terminus communis supponens vel appo

nens verbo de futuro eliam supponit pro his, quae sunt vel erunt sub forma lermini

supponentis Ex praedictis palet, quod verbum restringitur quoad consignificalionem,

quae est tempus, et non quoad significalionem principalem.

235) VII, 4, 2 (f. 232 B) : Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Omne

animal fuit in area Noae". Probatur : bomo fuit in area Noae, equus fuit in area

Noae, el sie de aliis, ergo omne animal fuit in area Noae. Contra: Omne animal

fuit in area Noae, sed Caesar fuit animat, ergo Caesar fuit in area Noae. Quod est

falsum, ergo aliqua praemissarum est falsa; non minor ; ergo maior. Quod aulem

prima sit falsa, palet per regutam. ... (d. h. die vorletzte Regel der vorigen Anm.);

ilem alia est reguio (die vorletzle in Anm. 232) Sotulio: Quidam dicunt,

quod liaec „omne animal fuit in area Noae" est duplex, eo quod polest fieri distribulio

pro singulis generum vel pro generibus singulorum, el primo modo est falsa,

secundo modo est vera Sed huic sotulioni non aequiesco, quia species animalis

non fuit per se in arca Noae, sed tantum individuum; unde dico, quod proposilio

est falsa, el concedo omnes raliones adductas ad hoc (d. h. die genannten

60 XVII. Petrus Hispanus.

örtert, ob die Restriclion in gleicher Weise beim bejahenden und beim

verneinenden Urtheile wirke, und während Einige der Ansicht seien, dass

sie ungleich wirke (weil, wenn man die Negalion gleichfalls auf Exislirendes

restringire , der Satz „die Rose ist nicht" den widerspruchsvollen

Sinn „die Rose, welche ist, ist nicht" bekomme), wird die Annahme

einer Gleichmässigkeit aller Restriclion hauptsächlich im Hinblicke auf die

erwähnte consignificatio des Verbums begründet, und auch darauf hin

gewiesen, dass die Gemein-Regriffe in den logischen Urtheileu (abgesehen

von ihrer objecliven Existenz) in die Form der Aussagbarkcit (enuntia-

Mlüas) eingehen 236). Endlich folgt noch die Noliz, dass manche Re

striclion lediglich usuell sich von selbst verstehe, wie man z. R. bei

„Nichts" nicht an einen absolut luftleeren Raum denke, sowie dass transi

live Verba von selbst eine restriclive Reziehung auf ein Object in sich

enthalten, daher das Sophisma „Sokrales ernährt sich selbst, er selbst

aber ist ein Mensch , also ernährt er einen Menschen" sich hiedurch

löse 237).

Hierauf reiht sich die distributio an, welche als „die durch ein

Zeichen der Allgemeinheit entstehende Vervielfälligung eines Gemein-

Regriffes" definirt wird ; und wenn wir hiebei sowohl durch den Inhalt

dieser Defmilion als auch durch einen erklärenden Zusatz an die obige

confusa suppositio erinnert werden238), so hätte es auch wirklich eine

gewisse Rerechligung in sich, wenn wir sagen wollten, dass die ganze

zwei Regeln), et probalio peccat sccundum consequens ab insufficienti induclione (s.

Anm. 197).

236) VII, 4, 3 (f. 234 A): Solet eliam quaeri, utrum simitiler lermini restringantur

in propositione affirmaliva et negaliva. Dicont aliqui, quod non, quia esse

restringit ad existens et non esse ad non existens ; ilem videtur, quod omnis

negaliva, in qua esse negatur, simpliciler est falsa, si simitiler restringantur lermini

in proposilione negaliva et affirmaliva, quia in hac proposilione „rosa esl" iste terminus

„rosa" restringitur ad exislens, et, si in hac „rosa non esl" simitiler restringatur

ad exislens, tunc sensus est „rosa, quae est, non esl"; et hacc est falsa

Sed probatur, quod simitiler restringuntur : quia, si in hac propositione „homo est"

isle lerminus „homo" restringitur ad exislens et in hac „nullus homo esl" ad non

exislens, ergo utraque est vera Ilem reguio est... (s. den Schtuss der Anm.

234). Et hacc argumenta concedimus. Ad ittud, quod primo obiicitur, est dicendum,

quod esse non restringit ad exislens et non esse non restringit ad non exislens,

sed quoad consignificalionem, quae est lempus, unde non restringit ad supposita

existentia, sed praesentia Ad aliud dicendum est, quod duplex est forma ter

mini communis; quaedam est, quae salvatur in rebus existentibus tantum, aliti

est, quae salvatur tam in rebus existentibus quam non exislenlibus, ul enuntiabititas,

quae est forma enuntiabitis, unde islius propositionis „rosa non esl;t non est

sensus „rosa, quae est, non est", sed est sensus „rosa aliler sumpta, quam in praesenti,

non est".

237) Ebend. (f. 234 B) : Solei aulem poni, quod quaedam restriclio fit ab usu,

ut cum dicitur „nihit est in area", quamvis plena sit aerc, quia isle lerminus „nihil"

supponit ab usu pro rebus solidis So/et eliam poni, quod quaedam restriclio

fit per lransilionem verbi, ul cum dicitur „Soerales pascit hominem", iste lerminus '

„homo" supponit pro alio a-Soerale virtule transitionis verbi ; unde dicunt

quod non sequitur „Soerales pascit se ipsum et ipse est homo, ergo pascit homincm",

quod est faliocia accidenlis.

238) VII, 5, l (f. 236 A) : Distribulio est mulliplicalio lermini communis per

signum universale facta, ut cum dicitur „omnis homo", isle lerminus „homo" distribuitur

sive confunditur (vgl. oben Anm. 205 u. 211, sowie unten Anm. 246 u. 250)

pro quolibet suo inferiori Terminus singuioris non polest distribui.

XVII. Petrus Hispanus. 61

folgende Lehre von der Distribulion nur eine nähere Ausführung der

verworrenen Supposilion sei. Somit bleibt uns bei dem vielen Blödsinne,

welchen wir nun sogleich im Einzelnen zu berichten haben , wenigstens

der kleine Trost , dass auch hier wieder irgend ein Faden eines inneren

Zusammenhanges erscheint, wenn auch die Art und Weise, in welcher

Wilhelm Shyreswood bei dieser Gruppe den byzanlinischen Stoff arrangirt

hatte (Anm. 66 ff.), an Klarheit und Präcision 'entschieden den Vorzug

verdient. — Es werden die „Zeichen der Allgemeinheit" zunächst eingetheilt

in solche, welche die Substanz, und in solche, welche die Accidenlien

betreffen, wobei die ersteren sich abermals spalten, indem die

einen zu einer Distribulion der Theile des Umfanges (partes subiectivae,

wie z. B. bei „alle"), und die anderen zu einer Distribulion der Bestandtheile

(partes integrales, wie z. B. bei „ganz") führen können; bei den

jenigen aber, welche sich auf die Umfangs- Theile beziehen, sei wieder

zu unterscheiden,, je nachdem sie auf einem Pluralis (z. B. omnis) oder

auf einem Dualis (z. B. uterque) beruhen 239).

Die Einzcln-Erörlerung beginnt mit „omnis", dessen colleclive Be

deutung („zusammen" bei Zahlen) nicht in Betracht komme. Die distri

bulive Bedeutung aber führt vor Allem zu der Frage, ob omnis überhaupt

Etwas bedeute, wobei die Gründe und Gegengründe darin ihre Lösung

finden , dass omnis zwar nicht ein Allgemeines , wohl aber eine allge

meine Weise, d. h. „universaliter", bedeute, eine Entscheidung, welche

gegen einen einfälligen vom kategorischen Syllogismus hergenommenen

Einwand wieder dadurch gestützt wird, dass omnis im Obersatze eines

Schlusses ja nicht den faclischen Bestand des Subjectes, sondern eben

den Subjectsbegriff eines Urtheiles nach seinem Verhältnisse zum Prädicatsbegriffe

betreffe240). Hieran aber reiht sich die noch wunderlichere

239) Ebcnd. (f. 237 A): Signorum unirersalium alia sunt distritn,liva substanliae,

ut „omnis, nultus", alia sunt distribuliva accidentium, ut „qualis , quantus".

Signum aulem distribulivum substanliae distribuit res sc habentcs per modum cius

quod quid est; signum distribulivum accidentis est, quod distribuit res se habenles

per modum aeridenlis fiem signorum distributtiorum substantiae alia

sunt distribuliva partium integralium, ul „lolus", alia sunt distribuliva parlium subiectivarum,

ul „omnis, nultus". Item signorum distribulivorum parlium subiectivarum

alia sunt distribuliva duorum, ut „vler, neuler", alia sunt distribuliva pturium, ul

„omnis, nultus" et simitia.

240) Ebend. (f. 237 B) : Herum aulem signorum primo dicendum est de hoc

signo „omnis". Sciendum, quod „omnis" in pturali numero dupliciler sumitur; uno

modo colleclive ul „omnes apostoli dei sunt duodecim", unde non sequitur „ergo isli

(d. h. z.B. Petrus und Jacobus) . . . . sunt duodccim". . . . ; aliö modo sumitur distri

bulive, ul „omnes homines naturaliter scire desideronl" (bekanntlich die Anfangs

worte der aristolelischen Metaphysik). Et tunc quaeritur, quid significet hoc signum

,,omnj»". Et videlur, quod nihit significet, quia omnis ms aul est universalis aul

partieuioris, sed ,.omnis" non significal rem universalem vel particuiorem Ilem

,. omnis" neque est praedicabite de uno neque de pturibus, ergo nihit significat.

Sed contra: si „omnis" nihit siguificet, propler apposilionem vel remolionem eius

non causaretur veritas vel falsitas in oralione, »ed haec est vera „animal est homo",

ergo et haec „omne animal est homo", quod est falsum Solulio: ad dubium

dieitur, quod „omnis" non significal universale, sed universaliler, quia facit lerminum

eommunem suum stare pro omnibus suis inferioribus, et sie „omnis" signi

fical aliquam rem (hiezu Anm. 602). Sed duplex est res, quia quaedam res est

subiicibitis vel praedisabitis, alia est, quae est disposilio rei subiicibitis vel prae

62 XVII. Petrus Hispanus.

Frage, ob (im Hinblicke auf eine aristotelische Stelle) omnis sich stets

wenigstens auf drei Objecte beziehen müsse, da wir doch auch über

Dinge, welche nur Ein Mal exisliren (z. B. Sonne oder Phönix, vgl.

Abschn. XI, Anm. 67, u. Abschn. XII, Anm. 87) Urtheile aussprechen;

und es wird zunächst der Entscheid dahin gegeben , dass in den Fällen

der letzteren Art omnis sich wirklich nur auf Eines beziehe241); aber

auch die entgegenstehenden Einwände seien zu widerlegen, indem einer

seits omnis in der That die im Begriffe der Vollendung liegende Dreizahl

in sich enthalte, und andrerseits wohl zu unterscheiden sei, ob omnis im

Plural oder im Singular gebraucht werde, indem im letzteren Falle, z. B.

bei dem Satze „omnis phoenix est" durchaus nicht an nicht-exislirende

andere Phönixe, sondern eben nur an den Einen gedacht werde242).

dicabitis, et talem rem significal hoc signum „omnis" Obiicitur aulem, quod

„omnis" non significct disposilionem rei subiicihitis, quia in sgilogismo medium Hebet

reilerari cum suis dispositionibus in minore propositione, ergo deberemns sgllogizare

sie „Omnis homo est animal, Soerales est omnis homo, ergo Soerales est onimal"

Sotulio : subiectum duo dicit, sciticel iltud, quod est subiectum, et subiectum,

inquantum est subiectum; et secundum hoc est duplex disposilio subiecli, quia quaedam

est disposilio itlius rei, quae est subiectum, ut „Mus, niger", et istae debent

reilerari cum medio; alia est disposilio subiecli, inquantum subiectum, videlicet in

ordinalione ad praedicotum, ut „omnis, nultus", et talis disposilio non debet reilerari

cum medio ( dass jedoch in Letzterem die sog. syncategoreumalische Geltung

gewisser Satztheite liege, s. unlen Anm. 264, 267. u. vgl. auch Abschn. XIX,

Anm. 120).

241) VII, 5, 2 (f. 238 B) : Consequenler quaeritur, utrum „omnis" exigal lrin

appeliota. Et videtur, quod sie, quia omnis perfectio est in tribus, ut Iiabetur in

primo Coeli (Arist. de coelo l, 1), et sie omne perfectum est in tribus, sed „omne"

et „perfectum" idem sunt, ut habetur ibidem, ergo „omne" est in tribus, ergo „omnis"

vull habere tria appetiota; ad idem dicit Aristoleles in eodem loco, quod de duobus

viris non dicimus „omnes", sed de tribus viris, ergo „omnis" vull habere tria ap

peliota. (So befinden wir uns mit dieser ganzen Erörlerung vollständig in dem ge

wöhnlichen Fahrwasser der griechischen Commentatoren , und wohl mag auch hier

— vgl. ob. Anm. 218 u. Abschn. XV, Anm. 105 ff. — die Vermuthung gerechtfer

ligt sein, dass eben Themislius es war, auf welchem Pseltus hauptsächlich fusste,

denn Themislius verweitt in seiner uns nur ioteinisch erhaltenen Paraphrase zu

Arist. de Coelo, Venet. 1574, fol. l b, mit sichllicher Vorliehe bei jenen Worlen des

Aristateles). Sed contra: In qualibet demonstralione sunt propositiones universales,

sed demonstraliones fiunt de sole et de tuna, sed sol non habet nisi unicum

suppositum u. s. w. (d. h. es folgen noch mehrere Wendungen dieses nemlichen

Einwandes). Concedimus dicendo, praedictas propositiones esse veras, et quod „omnis"

non semper exigit tria appeliota, sed quando adiungitur lermino communi habenti

ptura supposita, tunc exigit plura appeliota, quando vero adiungitur lermino habenti

sotum unum suppositum, tunc exigit sotum unum appeliotum.

242) Ebend. (f. 239 A): Ad ittud, quod primo obiiciebatur, quod omnis perfeclio

est in tribus, dicitur, quod verum est et baec tria sunt, sciticet substantia rei, virtus

eins, operalio eius • et haec tria tangit Aristoleles sub brevibus verbis, cum dicit

„natura apta nata sie facit" (de Coelo l, 4 odir II, 8 oder de part. an. t, 1)

Simitiler hoc signum „omnis" habet substantiam signi universali, et virtulem, quae

est distribuere , et operalionem eius, quando distribuit Ad secundum dicendum

est, quod „omnis" in pturali ralione mullitudinis factae facit distribulionem per

diversas malerias et vult habere tria appeltata, sed „omnis" in singuiori numero,

ex quo recipit speciem secundum se et non maleriam individuorum, exigit essenliam

aptam natam in praedicari de pturibus, et ideo exigil tria appeliota aul unum

sotum Quidam tamen dicunt, quod „omnis" vull habere tria appeliota ad minus,

el dant talem ralionem: Quoliescunque signum universale additur termino communi

XVII. Petrus Hispanus. 63

Hierauf nun folgt die Besprechung und Lösung dreier Sophismen, in

welchen „omnis" eine Rolle spielt: nemlich erstens „Jeder Mensch ist

ein Mensch, und was etwas Anderes ist, ist kein Mensch ; also was etwas

Anderes als Sokrates ist, ist kein Mensch"243); sodann „Alle Menschen

und noch andere Menschen exisliren", woran sich eine allgemeine Regel

über die fallacia accidentis anknüpft244); endlich noch „Jeder Mensch

ist jeder Mensch"245), — Sophismen, welche sämmtlich würdig sind,

ursprünglich der stoischen Logik angehört zu haben.

Nun kömmt „nullus" an die Reihe, jedoch in sehr kurzer Erör

terung , indem nur eine „Regel" angegeben wird , wornach nullus mit

der obigen confusa supposüio zusammenhängt, und hieran sich die

Lösung des Sophismas ,, Kein Mensch ist jeder Mensch" knüpft240).

non habents sufficientiam appeliotorum, recurrit ad non ens, ul cum dicitur „omnis

phoenix esl", recurrit ad non existentes phoenices Hoc aulem polest mullipliciter

improbari, quia supponunt, quod „omnis" semper vult haberv tria appeliota,

quod superius oslensum est esse falsum llem ad idem alia reguio talis

est : (d. h. es folgt die ersle der drei Regeln in Anm. 234) Ergo cum dicitur

„omnis phoenix", si „phoenix" restringitur ad supponendum pro phoenice tantum,

qui est, non distribuit ipsum nisi pro unico supposito.

243) VII, 5, 3 (f. 240 B) : Secundum praedicta quaeritur de hoc sophismale

„Omnis homo est homo el quodlibel differens ab Mo est non homo". Probalio: Haec

est una coputaliva, cuius utraque pars est vera, ergo ipsa est vera (dass im byzan

linischen Originale diese Regel nur der stoischen SchuI-Logik entnommen war, s.

Abscha. VI, Anm. 155. u. Abschn. VIII, Anm. 49). Improbalio: Omnis homo est

homo et quodlibel di/ferens ab eo est non homo; Soerales est homo; ergo quodlibel

differens a Soeratc est non homo. Quod est falsum, quia haec est una coputaliva,

cuius allera pars est falsa; ergo ipsa est tola falsa (ebenso ebend.). Sotulio: Prima

simpliciler est vera, et improbalio peccol penes faliociam consequentis u. s. w. (Die

stoische Quelle dieses Sophismas s. Abschn. VI, Anm. 213.)

244) Ebend. (f. 241 A): Ilem quaeritur de hoc sophismale „Omnis homo et

alius homo sunl". Probalio: Soerales el alius homo sunt, Vioto el alius homo sunt,

et sie de aliis, ergo omnis homo et alius homo sunt. Improbalio: „Alius" est reiolivum

diversitalis substantiae (vgl. ob. Anm. 213 u. 217), ergo supponit pro diverso

ab homine, sed non est alius homo ab omni homine ; ergo prima est falsa. Sotulio :

Prima est simpliciter falsa et probalio peccut sccundum faliociam figurae dictionis a

plmibus delerminalis suppositionibus ad unam delerminutam llem probalio peccal

secundum faliociam accidentis Unde talis dafür reguio: Quoliescunque aliquid

sequitur, sive convenim sive non, si aliquid convenial uni, quod non convenil allen,

et per illtut, cui convenit, inferatur de eo, cui non convenit, semper est faliocia ac

cidentis, D. g homo est species, ergo substantia est species u. s. f.

245) Ebend. : Dicto de hoc sophismale restat dicere de isto „Omnis homo est

omnis homo". Probalio: Soerales est Soerales, Piolo est Pioto, et sie de aliis, ergo

omnis homo est omnis homo; et, ul vull Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 124 u. 129;

dass Psellus auch anderweilig den Boethius cilirl, s. Abschn. XV, Anra. 15 u. 28),

nulio proposilio est verior itio, in qua idem praedicatur de se ipso, sed sie est hie.

Improbalio: Sua contradictoria est vera, sciticet itio „quidam homo non est

omnis homo"; ergo ipsa est falsa Solulio: Prima est simpliciter falsa, et pro

balio peccat secundum consequens ab insuff,ciente enumeralionc u. s. f.

246; VII, 5, 4 (f. 242 A): Sequitur de hoc signo „imf/as", quod significat, quoniam

universaliler negalive, unde significat idem sicut hoc signum „omnis" cum negalione

postposita, el ideo „omnis non" el „nultus" aequipollent. De hoc signo

„nultus" datur talis reguio: Quoliescunque hoc signum „nultus" immediale adiungitur

termino communi, confundit ipsum mobitsler (s. ob. Anm. 206 n. 238) el distribulive,

et simitiler lerminum communem sibi adiunctum mediale, ut „nultus homo est asinus",

unde polest fieri descensus sub subiecto Cirea praedicta quaeritur de hoc

64 XVII. Petrus Hispanus.

Aehnlich ergeht es hierauf mit „nihil", wobei zur Lösung des Sophismas

„Wer Nichts sieht, sieht Etwas" auch verschiedene (höchst

einfällige) Ansichten Anderer beigezogen werden, und zuletzt eine „Regel"

für jene Fälle folgt, in welcher eine Negalion mit der Distribulion zu

sammentrifft247).

Hierauf sind von den distribuliven Zeichen der ümfangs ' Theile (s.

Anm. 239) noch diejenigen zu besprechen , welche auf eine Zweizahl

gehen. Und zwar wird zuerst, was „uterque" betrifft, der sophislische

Fall erörtert: „A sagt die Wahrheit, B sagt die Wahrheit, zugleich

aber sagen A und B Unwahres; sagen also beide die Wahrheit oder

nicht?"248) In Bezug auf „neuter" sodann stellt sich das Sophisma ein:

„Wenn du keines der beiden Augen hast, kannst du sehen" 249).

sophismale „Nullus bomo est omnis homo". Probatur sie: Soerales non est omnis

homo, Piolo non est omnis homo, et sie de aliis Contra: Ibi praedicatur oppositum

de opposito, ergo esl falsa. Sotulio: Prima est vera, et ad improbalionem

respondetur per interemplionem , quia ibi non praedicatur oppositum de opposito, sed

removetur „omnis homo" ab homine sumpto pro quolibet supposito, et hoc est verum.

(Es weist dieses Sophisma auf den sog. Ovns zurück, s. Abschn. VI, Anm. 213.)

247) VII, 5, 5 (I. 243 A) : Sequitur de hoc signo „nihit'', quod significal idem

quod „nullus", sed inctudit in se lerminum recipientem suam distribulionem, quia

nihit est signum universale cum negalione , et res est lerminus recipiens eius distribulionem.

Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Nihit ridm, est aliquid

videns". Probatur sie: Non rem hanc videns est aliquid videns, quia non videns Soeralem

est videns Ptatonem ; non itiom rem videns est aliquid videns, et sie de aliis ;

ergo nihit videns est aliquid videns Contra: Ibi praedicatur oppositum de opposito,

ergo loculio est falsa. Quidam dislinguunt, .... quod haec dictio „nihit" polest

esse accusalivi casus vel polest esse nominalivi casus ; sed hoc non solvit,

quia in utroque sensu est falsa. Sed alii distinguunt, .quod negalio in hoc

termino „nihit'' polest negare participium ....vel polest negare hoc verbum „esf" ;

sed hoc non solvit, quia in utroque sensu est falsa Sotulio : Dicendum est,

quod prima est simplieiler falsa, et probalio peccal penes faliociam figurae dictionis

a pturibus delerminali* ad unum determinatum vel peccat secundum faltaciam

accidenlis Anliqui (über dieses Wort s. oben Anm. 218) posuerunt, praemissas

esse duplices propler talem reguiom, quam dabant: Quoliescunque negalio et distribulio

inctuduntur in uno lermino, ad quodcunque refertur n,mm, et reliquum. (Die

ursprüngliche Quelle des Sophismas ist sicher der sog. 'EyxexaJLV/jfjfros, s. Abschn.

VI, Anm. 210.)

248) VII, 5, 6 (f. 244 B) : Sequitur de signis distribulivis duorum, et talia sunt

„neuler" et ,,ulerque", et differunt a praedictis, quia distribuunt sotum pro

duobus per demoustralionem Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Ab

utroque istorum enuntiatum est verum , posito quod Soerales dical , deum esse, Ptalo

vero dicat, hominem esse animat, et ambo dicant simut, hominem esse asinum". Pro

balio : A Soerale enunliatum est verum, a Piolone enunlialum est verum , ergo ab

utroque istorum enuntiatum est verum. Contra: Ab utroque enunliatum est verum,

sed nihit enunliatum est ab utroque istorum, nisi hominem esse asinum, quod est

falsum. Sotulio: Prima est vera et improbalio (alle Ausgaben haben probalio, und

auch die Commentatoren bemerken dra Fehler nicht) peccat secundum faliociam

accidentis Quidam tamen dicunt, quod prima est simplieiler falsa , et

probalio peccal secundum faliociam figurac dielionis Sed prima sotulio melior

est et sublitior. (Auch hiefür liegt die erste Quelle im sog. ^irtUeviav, s. Abschn.

VI, Anm. 205.)

249) Ebend. (f. 245 A) : Sequitur de hoc signo „neuler", quod significat idem

quod „ulerque" eum negalione sibi proposita Quaeritur de hoc sophismale

„Neutrum ocutum habrndo tu poles videre". Probalio: Dextrum ocutum non habende

tu poles videre, sinistrum ocutum non habendo tu poles videre, ergo prima est vera.

Contra: Neutrum ocutum habende tu poles videre, ergo dum neutrum ocutum hohes,

XVII. Petrus Hispanus. 65

Nun aber wird, obwohl das Verhältniss der Negalion zur Distribulion

schon vorher (Schluss der Anm. 247) berührt worden war, noch speciell die

Frage besprochen, ob die Negalion überhaupt die Fähigkeit habe, zu einer

verworrenen Supposilion, d. h. aber eben zu einer Distribulion, verwendet

zu werden, und eine zweiseilige Erwägung der Frage führt zur Ver

neinung derselben 250). Ausserdem noch wird hier die Erwähnung einer

dislribulio aptitudinis und einer dislribulio accommoda eingeflickt251).

Und nun erst folgt der noch übrige Rest der die Substanz be

treffenden Distribuliv-Zeichen , nemlich das Wort „totus", welches zur

Distribulion der Bestandtheile dienlich ist (Anm. 239); jedoch auch hier

dreht sich die Erörterung lediglich um das Sophisma „Der ganze Sokrates

ist kleiner als Sokrates", wobei übrigens sogar die völlig unrichlige Be

merkung hinzugefügt wird, dass bei qualitaliven Beslimmungen kein der

arliger Fehlschluss betreffs des „Ganzen" entstehe 252).

tu poles videre, quod falsum est Sntutio: Prima est falsa, et probalio peccat

secundum faliociam accidenlis u. s. w. (Dieses Sophisma geht durch die Stoa

hindurch bis auf die Megariker zurück, s. Abschn. VI, Anm. 210. u. Abschn. II,

Anm. 91.)

250) VII, 5, 7 (f. 246 A) : Habito de signis distribulivis parlium subieclivarum

consequenter quaeritur, utrum negalio habeal vim distribulionis sive confundendi (die

nemliche Gleichsteltung wie oben Anm. 238). Et videtur, quod sie, quia Aristoleles

in primo Perihermenias dicit (Abschn. IV, Anm. 202), quod itioe contradicunt „homo

est iustus" et „non homo est iustus"; ergo allem est universalis, ergo ille lerminus

„homo" distribuitur, sed non est ibi aliquid, a quo distribuatur, nisi negalio

Contra: Si negalio habeat vim confundendi, ergo sieu f ista est incongrua „omnis

Soerales currit", simititer haec „non Soerales curril", quod est falsum llem

ubicunquc est distribulio, ibi est lerminus communis sumptus umversaliler, sed

signum universale significat „quoniam universaliter" tantummodo (s. ob. Anm. 240),

negalio vero non; ergo negalio non habet vim distribuendi, quod concedimus dicenles,

quod negalio non confundit, sed negat hoc, quod post se invenit Sotulio aulem

palet ad hoc, quod obiicitur, quia, quod haec est universalis „non homo est iustus'',

hoc non est propler naturam distnbulionis existentis in negalione, sed hoc est, quia

negatur homo in communi a. s. f.

251) Ebend. : Ilem solet poni quaedam distribulio aplitudinis, ut „omnis homo

limel in man'', i. e. aptus natus est lin,ere in man. Ilem solet poni distribulio

accommoda, ul „coetum legit omnia praeter se ipsum" et „deus ereavil omnia alia a

se." Sed ista duo genera distribulionis non sunt itu propria sicut alia.

252) VII, 5, 8 (f. 247 A) : Sequitur de hoc signo „tolus", quod est distribulivum

partium integralium, ut hie „totus Soerales est albus"; est enim sensus „Soerales

secundum quamlibel sui partem est albus", ad quam sequitur „quaelibet pars

Sueralis est alba" Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Tolus Soerales

est minor Soerale". Probalio: Quaelibel pars Soeralis esl minor Soerale ; ergo Soerales

secundum quamlibel sui partem est minor Soerale; ergo lolus Soerales est minor

Soerale. Contra: Tolus Soerales est minor Soerale; ergo Soerales est minor Soerale.

Solulio: Prima est vera, et improbalio (auch hier haben alle Ausgaben probalio)

peccal secundum faliociam accidentis Eliam probalio peccat secundum quid ad

simplicitcr llem in quibusdam sequitur „tolus Soerales, ergo Soerales", — in

•lnitn,-'-dHm non. Quaeritur, in quibus est et in quibus non. Dicendum est, quod

sunt quaedam aecidentia, quae indifferenler conveniunt parti et loli, ul „albus" ,

el in talibus bene sequitur ; alia sunt accidenlia, quae conveniunt partibus et

non loli, cl e converso toli et non partibus, ut „minoritas, parvitas", el in talibus

non sequitur. (Die sophislische Anwendung des Theitbegriffes bereits bei den Megarikern,

s. Abschn. H, Anm. 98; das Richlige hingegen belrefls des Beispieles von

„albus" s. ebend. Anm. 70).

PRANTL, Gesch. III. 5

66 XVII. Petrus Hispanus.

Indem somit noch diejenigen distribuliven Zeichen ihre nähere Be

sprechung fmden müssen, welche sich auf die Accidenlien beziehen (Anm.

239), so tritt zunächst der Einwand entgegen, dass eine derarlige Distri

bulion überflüssig sei, weil ja die Accidenlien nur durch Vervielfälligung

ihrer Träger, d. h. der Substanzen, distribuliv vervielfälligt werden; hin

gegen aber wird bemerkt, dass es sich bei dieser accidentellen Verviel

fälligung nicht um die Substanz, sondern eben um Art-Formen derselben

handle. Und somit wird sofort das Distribulivum „qualistibet" in einem

einfälligen Sophisma erörtert, welches darauf hinausläuft, dass die Beschafleuheit

des Wissenden zuweilen auch das Bewusstsein des Wissens

involviren könne 253). Soll hiedurch das Accidens qualitaliver Beslimmt

heit erledigt sein, so geräth die Distribulion quanlitaliver Accidenlien

noch kärglicher; denn „quantuscunque" wird wohl genannt, aber hievon

sogleich auf „quoliescunque" übergesprungen und nur für dieses das

Sophisma „So oft du in Paris warst , warst du ein Mensch" näher be

sprochen 254). Zuletzt aber folgt noch (wohl im Anschlusse an die quan

litaliven Beslimmungen, jedoch ohne alle Andeutung eines solchen Zu

sammenhanges) eine Erörterung über „infinitum", welche zuerst an der

Hand aristotelischer Stellen die verschiedenen Bedeutungen des Unbegränzten

und die Definilion desselben feststellt, hierauf aber die distri

bulive Geltung des Wortes „infinitum" an dem Satze nachweist: „Was

253) VII, 5,9 (f. 248 B): Sequitur de distribulivis accidentium, inler quae primo

dicendum est de signis distribulivis qualitalis, ul „qualelibel", cuius particuiore

est „aliqualibet''. Sed tunc obilcitur, quod, si accidens mulliplicctur mulliplicuto

subiecto, ergo signa distribuliva accidentium superfiuant. Ad hoc dicendum est,

quod duplex est multtplicalio accidentie, quia quaedam est secundum numerum, et

haec f,t per siguum distribulivum substantiae, alia est mulliplicalio secundum

speciem, et baec fit per signa distribuliva arcidentis, ut „qualelibel curril" Cirea

praedicta quaeritur de hoc sophismatc „Quodlibet qualelibel de quolibel tali seit,

ipsun, esse tale, quale ipsum est : posito, quod Soerales scial grummalicam el logicam

et rheloricam, el Piolo el Cicero simitiler, el sciant, sc habere eas, el sint alii lres

homines, quorum unus scial logicam, aller gramwalicam, et alius rhetoricam, el isli

nesciant, se habere eas, et de uliis nihit sciant, el alii sciant de se et de istis, el

non sint plures homines nequc piures qualitales". Probalio Contra Sotulio:

Prima est vera, el improbalio peccal secundum foliociam consequenlis, quia

qualelibet supponit tantum pro tribus u. s. f. (Die stoische Schul-Logik konnte für

Sophismen, welche das Wissen betreffen, bis auf die Sophisten zurückgreifen; s.

Abschn. t, Anm. 61 ff.)

254) VII, 5, 10 (f. 249 B): Sequitur de signis distribulivis quanlitalis ; el sunt

it|n, quae distribuunt res se habenles per modum quantitalis, ul „quoliescunque",

„quantusennque". Et secundum hoc quaeritur de hoc sophismale „Quoliescunque fuisli

Parisiis (statt Parisius, wie bekanntlich dieser Orlscasus in allen Handschriften

und älteren Drucken stels geschrieben ist, steht hier in einigen Ausgaben parasitus),

lolies fuisli homo", Probalio: Una vice fuisti Parisiis el itio vice fuisti homo, alia

vice fuisti Parisiis el itio vice fuisti homo, el sie de aliis ; ergo u. s. f. Improbalio:

sed bis fuisli Parisiis, ergo bis fuisti homo, quod falsum est Sotulio :

Prima est falsa; ad probalionem aulem respondendum est per interemplionem, quia

secunda pars copuiolivae est falsa, sciticel „itio vice fuisti homo", quia adhuc nulta

vice fuisti homo, eo quod nondum vita fuit delerminata Et nota, quod „bis"

non importal inlerruplionem lemporis, sed tantum actus itlius, cui adiungitur

S« aulem formaretur sie paralqgismus „Quandocunque fuisti Parisiis u. s. f.", primo

est vera, et improbalio peccat secundum faliociam figurae dictionis, .... quia „quandocunque"

est in praedicameulo „quandv", el „bis" in praedicamento quanlitalis.

XVII. Petrus Hispanus. 67

eine beliebige Quanlität übersteigt, ist begrünzt"; und wenn schon bei

dieser Distribulion , welche als distribulio interscalaris bezeichnet wird,

der Satz „Das Unbegränzte ist begränzt" das Hauptmoliv bildete, so unter

liegt nun letzterer als ein Sophisma dem üblichen Verfahren der Controverse

und Lösung, wobei zu bemerken ist, dass nach den Ansichten

Einiger der Unterschied zwischen relaliv Unbegränztem und absolut Unbegränztem,

nach Anderen aber die Verschiedenheit eines substanlivischen

oder eines syncategoreumatischen Gebrauches des Wortes „infinüum"

beigezogen wurde •!55).

Endlich mit dem letzten Abschnitte, d. h. mit den Exponibilia,

welche als das Einzige aus Petrus Hispanus sich auch in die spätere

Logik forterbten (die sog. exponiblen Schlüsse), treten wir bereits in das

Gebiet der „Sgncalegoreumata" ein, welche, wie wir oben (Anm. 66 ff.)

sahen, bei Wilhelm Shyreswood allerdings auch den ganzen Abschnitt

über die Distribulion in sich umfasstcn, hier hingegen auf die „exponi

blen" Worte beschränkt sind (was den Begriff Gvyxcftrtyö^rtfna bei Psellus

betrifft, s. Abschn. XV, Anm. 9 u. 106, noch ältere Stellen s. Abschn.

XIII, Anm. 174, 206, 348). Es wird nemlich das exponible Urtheil sofort

als dasjenige definirt, welches in Folge eines syncategoreumalischen Aus

druckes undeutlich ist und einer Auseinandersetzung bedarf, woran sich

zugleich die aufzählende Eintheilung der Syncategoreumata anknüpft, in

dem dieselben entweder Exclusiv- oder Excepliv- oder Reduplicaliv-Zeichen

seien oder Anfang und Aufhören oder Endlosigkeit oder ein Ueberschreiten

oder eine Unterscheidung oder eine specielle Weise der Distribulion be

zeichnen können250). Jedoch ist hiebei sehr wohl zu beachten, dass

255) VII, 5, 11 (f. 250 B) : Sequitm de infinito, quod quinque modis dicitur.

Primo modo , quod non polest pertransiri, ut vox dicitur invisibitis Alio

modo...., quod habet transitum imperfectum, eo quod nondum est dclerminatum . . . .

Tertio modo . .. secundum apposilionem, ut numerus augmentabilis est in infinitum

Quarto modo — secundum divisionem, ul continuum Alio modo dicitur infinilum

utroque modo, sciticet per apposilionem et divisionem, ul lempus Quoad has tres

ullimas significaliones definitur sie infinitum: infinitum est, cuius quanlitalem accipientibus

semper est alitluid extra smnere (im byzanlinischen Originale waren

natürlich alle diese Beslimmungen über das infinitum aus Arist. phgs. ausc. Ht, 4—8

entnommen). Solet aulem poni, quod infinitum quandoque sumitur pro lermino comm,

m,, et tunc ista propositio „infinita sunt finita" aequipollel huic „aliqua infinita

sunt finita"; quandoquc sumitur pro signo distribulivo, et tunc itio aequipollel huic

„quoad distribulionem quolibet ptura sunt finita". Et probatur sie: Uno ptura sunt

finita, duobus ptura sunt finita, tribus ptura sunt finita, et sie de aliis, ergo quolibel

ptura sunt finita; et sie dicitur facere interscaiorem distribulionem vel inlerruptam

vel discontinuam Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Infinita

sunt finita". Probalio: Duo sunt finita, tria sunt finita, el sie in infinitum; ergo

infinita sunt finita. Improbalio: Ibi praedicatur oppositum de opposito, ergo loculio

est impossibitis. Solulio: Quidam dislinguunt, eo quod infinitum est aequivocum ad

„infinitum quoad nos" el ad „infinitum simpliciler", unde si sumatur infinitum quoad

»os, prima polest esse vera , st aulem sumatur infinitum simpliciter, est simpliciter

falsa Alii aulem dislinguunt, eo quod „infinitum" polest esse terminus

communis, et sie prima est falsa, rel polest esse diclio sgncalegoreumalica (s. d.

folg. Anm. 257 und unten Anm. 264) tmportans in se distribulionem, el sie ponunt

eam esse veram. Sed neutra istarum sotulionum valet, quia adhuc remanel probalio

et improbalio Unde dicendum est, quod prima simpliciler est falsa, el

probalio peccal secundum quid ad simpliciter.

256) VII, 6, l (f. 252 B) : Propositio exponibitis est proposilio habens sensum

5*

68 XVII. Petrus Hispanus.

nicht bloss am Schlusse des Abschnittes über die Distribulion (s. vorige

Anm. 255) schon eine Hindeutung auf die Syncategoreumata vorlag, son

dern auch hinwiederum hier in der Aufzählung der exponiblen Worte

einige mitbeigezogen sind , welche bereits in der Lehre von der Distri

bulion ihre Besprechung gefunden hatten 257). Und wenn es immerhin

möglich ist, dass auch schon in der Synopsis des Psellus mehrere Punkte

an zwei verschiedenen Stellen vorkamen, so kann andrerseits auch die

Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass jene letzten Capitel der

Exponibilia, in welchen sich die Distribulion mit der Exponibilität ver

schmilzt, bereits einer überarbeitenden Thäligkeit der Lateiner zuzuschrei

ben seien. Ja man könnte sogar darauf hinweisen , dass in einigen

Drucken der Summulae des Petrus Hispanus der ganze Abschnitt über

die ExponiMlia fehlt258). Jedoch scheint mir jedenfalls der Hauptkern

(nemlich Cap. l—5 u. 7) von Petrus Hispanus aus Psellus wörtlich ent

nommen zu sein, und somit schliesse ich hier — um die Sache nicht zu

sehr zu zerreissen — auch das Uebrige nicht aus. Um so entschiedener

aber weise ich dann jenen ganzen Abschnitt, welcher die Ueberschrift

„Sgncalegoreumata" trägt und auch die bereits bei Wilhelm Shyreswood

(Anm. 82 ff.) vorkommende Erörterung der Conjunctionen enthält, den

späteren Interpolalionen zu, zumal da seine Aechtheit selbst schon im 15.

Jahrh. bezweifelt wurde und er sonach auch in sehr wenigen Drucken

erscheint, wobei ausserdem die ganze Form der Darstellung deutlich genug

die Kennzeichen späterer Ueberarbeitung an sich trägt259).

Der Inhalt nun der Exponibilia ist folgender. Zuerst wird über

die „exclusiven" Zeichen, wie z. B. tantum, gehandelt, deren Exposilion

verschiedenen Zwecken dienen könne und auch durch das Vorhandensein

oder Nichtvorhandensein einer Negalion in Bezug auf die „praeiacens"

(d. h. den ohne Exclusiv-Parlikel gesprochenen Satz) bedingt werde. Aber

an Stelle einer näheren Untersuchung dieser Momente folgen nur fünf

„Regeln", welche ich der Kürze halber (den weitschweifigen Wortlaut

den Anmerkungen überlassend) in folgender Form anführen kann: Nach

1) und 2) ist der Satz „Nur A ist B" eben gleichgeltend mit „A ist B,

und nichts Anderes als A ist B"; nach 3) kann aus „Nur A ist B" ge

folgert werden „Alles B ist A"; nach 4) gilt der Satz „Es ist nicht so,

obscurum exposilione indigentem propler aliquod sgncalegorema in ea positum implicile

vel explicile in aliqua dictione Quae faciunt propositionem exjwnibitem,

sunt in mulliplici di/ferentia, quia quaedam sunt signa exctusiva, ul „tantum, solum"....,

quaedam excepliva, ut „nisi, praeler", quaedam reduplicaliva, ut „inquantum,

secundum i:fuuif", quaedam important iuceplionem vel desilionem, ul

„incipil" et „desinil", quaedam important privalionem finis, ut „inftnitum", quaedam

important excessum, ul romparalivi et superiolivi gradus, quaedam vero important

dislinclionem, ut „differt, aliud ab" , quaedam important specialem modum

distribulionis, ut „lotus, qualelibel" . . . . Unde propler itio propositio redditur obscura

sieque indigel exposilione. Hiezu unten Anm. 604 f.

257) Nemlich infinitus trafen wir so eben vorher Anm. 255, ferner alius

schon oben bei den Reioliven der Verschiedenhelt, s. Anm. 213 u. 217, sodann

lotus und qualisiibet in der Distribulion, s. Anm. 252 f.

258) Er fehlt in F, W, S—O; in S!—© ist er ausserhalb der üblichen fort

ioufenden Numerirung hinzugefügt; s. Anm. 143.

259) S. unten Abschn. XX. bei den späleren Inlerpoiolionen.

XVII. Petrus Hispanus. 69

dass nur A B sei" soviel als „Entweder ist kein A B, oder etwas An

deres als A ist B"; nach 5) ist der Satz „Nur A ist nicht B" gleichgel

tend mit „A ist nicht B, und Alles, was etwas Anderes als A ist, ist

B" 280). S. unten Anm. 606.

Ebenso liegt hierauf bei den „excepliven" Zeichen, z. B. „praeter",

das Ganze in vier Regeln, deren 1) die quanlitalive Geltung, und 2) die

suppositorische Tragweite excepliver Sätze betrifft; nach 3) wird der Satz

„Alles A, mit Ausnahme von B, ist C" exponirt durch „Alles A, welches

etwas Anderes als B ist, ist C, und ferner B ist A, und ferner B ist

nicht C"; nach 4) ist die Exposilion des Satzes „Kein A, mit Ausnahme

von B, ist C" gegeben durch „Kein A, welches etwas Anderes als B

ist, ist C, und ferner B ist A, und ferner alles B ist C"261). S. unten

Anm. 607.

260) VII, 6, 2 (f. 253 B): Signa exctusiva sunt itio, quae ex significalione

sua exelusionem important, ut sunt istae dieliones „tantum, sotum, dumtaxal"

et simitia. Haec anlem signa quandoque exponuntur gralia alietalis, quandoque vero

gralia pturalitalis (was unter Letzlerem gemeint sei, erhellt auch aus dem Fol

genden nicht), quandoque ponuntur in oralione sine negalione praecedenle vel consequenle,

quandoque vero cum negalione. De islis aulem tales dantur reguioe. Prima

est: Proposilio exctusiva sine negalione exponitur per copuiolivam affirmalivam, cuius

prima pars est praeiacens (dieser Begriff bleibt später recipirt) exctusivae et secunda

pars est negaliva importans negalionem praedicali de omnibus aliis a subiecto, ut

„tantum homo est risibitis", i. e. „homo est risibitis, et nihil aliud ab homine est

risibite" Secunda reguio: Proposilio exctusiva huius generis infert copuiolivam

compositam ex ditabus exponenlibus et quamlibet earum seorsim, et non e converso,

ut „tantum homo currit", ergo „Aomo currit, et nihil aliud ab homine curril". Terlia

reguio: Ab exelusiva affirmaliva ad universalem de lerminis transposilis est bona

consequentia, si fiat exctusio gralia alietalis, et non contra, ut bene sequitur „tantum

animal est homo", ergo „omnis homo est anomal" et non e contra. Quarta reguio:

Exctusiva contradictoria prioris (A. h. wo die Negalion den ganzen Satz verneint)

exponitur per disiunctivam affirmalivam de parlibus contradicentibus priori exctusivae

(dem in der zweilen Regel gegebenen copnioliven Urtheite), ut „non tantum homo

curril" i. e. „nultus homo currit vel aliud ab homine curril" Quinta reguio:

Exctusiva, in qua ponitur soio negalio sequens exelusionem, exp»nitur per copu

iolivam affirmalivam, cuius prima pars est negaliva praeiacens, secunda est affirmaliva,

in qua praedicatum affirmalivae enunliatur de quolibet alio a subiecto, ut

„tantum accidens non est substantia" i. e. „accidens non est substanlia , et omne

aliud ab accidenle est substantia''. Et per hoc palet, qualiter eius contradictoria sit

exponenda.

261) VII, 6, 3 (f. 255 B): Sequitur de signis exceplivis. Dicuntur aulem excepliua,

quae significant exceplionem alicuius conlenli sub aliquo distribulo, ut „praeler,

praelerquam" De quibus tales dantur regutae. Prima: Omnis exceplio fit a tolo

in quanlitale, seu a lermino sumpto sub signo universali , ut „omnis homo praeler

Soeratem curril''. Secunda reguio: Diclio excepliva non impedita facit, lerminum

communem, supra quem cadit, immediale supponere simpliciter, ut „omne animal

praeler hominem est irralionale"', ibi „Aomo" supponit simpliciler. Terlia reguio:

Universalis affirmaliva excepliva exponitur copuiolive per tres exponenles calegoricas,

quarum prima affirmat universale praedicatum de subiecto sumpto cum „aliud ab",

secunda affirmat lerminum, a quo fit exceplio, lerlia est negaliva, in qua praedica

tum negatur de lermino excepto, ut „omne animal praeler hominem est irralionale"

exponitur sie „omne animal aliud ab homine est irralionale, et homo est animat, et

homo non est irralionalis". Quarta regata: Universalis negaliva excepliva exponitur

coputalive per tres exponenles, in quarum prima praedicatum negatur de subiecto

sumpto cum „aliud ab", in secundo affirmatur subiectum de lermino, qui excipitur,

in lerlia affirmatur universale praedicatum de lermino excepto, ut „nullum animal

70 XVII. Petrus Hispanus.

In gleicher Weise erscheinen bei den „reduplicaliven" Zeichen, z. B.

inquantum oder secundum quod, ebenfalls nur vier Regeln. Nach l ) spricht

ein Reduplicativ-Satz stets einen gewissen Causal-Zusammenhang uns; nach

2) bezieht sich das reduplicalive Zeichen immer auf das Prädicat, legt

aber den Causalnexus nicht in das Prädicat, sondern in das Subject.

Nach 3) wird der Satz „A, sofern es B ist, ist C" exponirt durch „A

ist C, und A ist B, und alles B ist C, und weil Etwas B ist, ist es

auch C"; nach 4) wird der Satz „Kein A, insoweit es B ist, ist C" eiponirt

durch „Kein A ist C , und alles A ist B , und kein B ist G, und

weil Etwas B ist, ist es nicht C" 262). Vgl. unten Anm. 608 f.

Sodann sind es die Worte „incipit" und „desinit", welche gleich

falls als exponible betrachtet werden, und im Hinblicke auf die Unter

scheidung, dass Anfang und Ende eines Factums entweder plötzlich mit

Einem Male oder stufenweise allmälig eintreten kann, formuliren sich die

Regeln, dass 1) der Satz „A beginnt" (im ersteren Falle) exponirt wird

durch „A ist jetzt, und vorher war es nicht", sodann 2) der Satz „A

beginnt, B zu sein" (im letzteren Falle) seine Exposilion in „A ist jetzt

nicht B, und hernach wird es B sein" findet; entsprechend wird 3) der

Satz „A hört auf, B zu sein" (im ersteren Falle) exponirt durch „A ist

jetzt B, und hernach wird es nicht B sein", und 4) der Satz „A hört

auf, B zu sein" (im letzteren Falle) durch „A ist jetzt nicht B, und vor

her war es B" 283). Vgl. unten Anm. 600.

praeler hominem est risibite" exponitur sie „nultum animal aliud ab hominc est risibite,

et homo est animat, et omnis homo est risibitis".

262) VII, 6, 4 (f. 256 B): Sequitur de reduplicalivis dictionibus. Dicuntur aulem

reduplicalivac, quae important ralionem, secundum quam aliquid alleri altribuitur,

nt „inquantum, secundum quod, ea ralione gua" et simitia. De quibus tales dantur

regutac. Prima est, quod diclio reduplicaliva praesupponit, aliquod praedicatum inesse

alicui subiecto, et denolat, ittud, supra quod cadit, immediale esse causa«» itlius

inbaerenliae . Secunda reguio est, quod diclio reduplicaliva semper refertur ad prae

dicatum et nunquam reduplical ipsum. Terlia reguio est, quod proposilio reduplicaliva

affirmaliva exponitur per quatuor exponenles, quarum prima affirmal praedicatum

principale de subiecto, secunda affirmat reduplicalivam de subiecto, lertia affirmal

praedicatum principale de reduplicalo universaliter, quarta est una causalis, in cuius

aulecedenle ponitur diclio , supra quam cadit reduplicalio de aliquo transcendente, et

in consequenle praedicatum principale affirmatur de reiolivo itlius transcendentis, ul

hie „homo, inquantum ralionalis est, est flebitis" i. e. „homo est flebitis, et homo est

ralionalis, et omne ralionale est flebite, et quia aliquid est ralionale, ipsum est fle

bite". Quarta reguio est, quod proposilio reduplicaliva , in qua ponitur negalio post

dictionem reduplicalivam, exponitur copuiolive per quatuor exponentes, quarum prima

negat praedicatum de subiecto principali, secunda affirmat reduplicatum de eodem,

lerlia negal universaliter praedicatum principale de reduplicato, quarta est una causalis,

in cuius anlecedcnte praedicatum reduplicatum de suo transcendente affirmatur,

ei. in consequente negatur praedicatum de reiolive itlius transcendentis, ut hie „nultus

homo, inquantum ralionalis est, est rudtbitis" i. e. „nullus homo est rudibitis , et

omnis homo est ralionalis, et nultum ralionale est ruditnle, et quia aliquid est ralio

nale, ipsum non est rudibite". Ex isto palet per legem contradictoriarum, qualiter

sint exponendae contradictoriae ipsarum.

263) VII, 6, 5 (f. 258 A): Sequitur de „incipil" et „desinit" Quatuor

dantur reguioe. Prima est: Proposiliones de „incipit" in rebus, quarum esse tolum

simul aequiritur, exponuntur per unam copuiolivam, cuius prima pars est affirma

liva de pruesenli, -sccunda negaliva de praelerito, ut „homo incipil" i. e. „homo nunc

est, et immediale ante hoc non fuit". Secunda reguio: Propositiones de „incipil" in

XVII. Petrus Hispanus. 71

Nun aber folgt, wie bemerkt, wieder „infinitum", welches schon

oben bei der Distribulion besprochen worden war; hier jedoch lenkt die

Erörterung auf den syncategoreumalischen Gebrauch dieses Wortes ein,

welcher dann vorliege, wenn es sich um das Verhältniss des Subjectes

zum Prädicate handle. Und für diesen Fall werden zwei Regeln gegeben,

deren erste dahin lautet, dass hei „infinitum" eine suppositio confusa

immobilis (s. Anm. 206) stattfinde , die zweite aber die Exposilion fest

stellt, indem der Satz „Unbeslimmt viele A sind B" exponirt werde durch

„Einige A sind B, jedoch sind ihrer wenigstens drei". Eine dritte Regel

dagegen betrifft den nicht - syncategoreumalischen Gebrauch, bei welchem

der Satz „A ist unbeslimmt gross" durch „A ist ein Quantum, und seine

Quanlität ist unbeslimmt" exponirt wird 264).

Hierauf wird die Comparaliv- und Superlaliv-Form als ein exponibler

Ausdruck in vier Regeln besprochen ; nemlich nach 1) ist z. B. der Satz

„A ist grösser als B" zu exponiren durch „A ist gross, und B ist gross,

und A ist dem B an Grösse überlegen". Der Superlaliv hingegen, welcher

rebus, quarum esse aequiritur successive, exponuntur per uHU-H! copuiolivam, cuius

prima pars est negaliva de praesenli, secunda est affirmaliva de futuro, ul „Soerales

incipit esse albus" i. e. „Soerales nunc non est albus, et immediale post hoc erit

albus". Terlia reguio: Propositimes de „desinil" rerum, quarum esse tolum simul

deperditur, exponuntur per unam copuiolivam, cuius prima pars est affirmaliva de

praesenti, secunda est negaliva de futuro, ut „Soerales desinil esse homo" i. e.

„Soerales nunc est homo, et immediale post hoc non erit homo''. Quarta reguio:

Proposiliones de „desinit'' rerum, quarum esse deperditur successive, exponuntur copuiolive

per unam negalivam de praesenli et alleram affirmalivam de praelerilo, ut

„Soerates desinit esse albus" i. c. „Soerales nunc non est albus, et immediale ante

hoc fuit albus". Ex istis palet, quomodo contradictoriae istarum sint exponendae.

264) VII, 6, 6 (f. 259 B): Sequitur de infinito, cuius quaedam solent assignari

dislincliones. (Nun folgen zunächst, wenn auch in veränderlem Wortioute, jene

ärmlichen fünf Bedeutungen des infinitum, welche wir schon oben Anm. 255

trafen.) Infmitum capitur uno modo calegoremalice, prout est lerminus communis.

et sie significal quantitalem rd subicctae vel praedicatae , alio modo sumitur

sgncalegoremalice, non prout dicit quantitalem rei subiectae vel praedicatae, sed qualiler

se habet subiectum in ordine ad praedicatum, et sie non est lerminus communis,

sed est dispositio subiecti i't signum distribulivum. Et de his tales dantur reguioe.

Prima est: Infinitum sgncalegoremalice sumptum positum in subiecto facit lerminum

communem sequenlem pro se stare confuse tantum, ul „infiniti homines currunt", ibi

„homines" supponit confuse, non tamen mobitiler. Secunda reguio est : Propositio de

infinito sgncalegoremalice capto exponitur per unam copuiolivam, cuius prima pars

affirmat praedicatum de subiecto sumpto sub aliqua quantitale continua vel disereta,

et secunda negat praedicatum inesse tali subiecto secundum delerminatam quanlitalem,

ut „infinili homines currunt" sie exponitur „aliqui homines currunt, et non tol, quin

ptures duobus vel tribus". Terlia reguio: Propositio de infinito capto calegoremalice

sive significalive exponitur per unam copuiolivam, cuius prima pars affirmat quan

litalem de subiecto, et secunda negat lerminum itlius quanlitalis, ut „linea est infinita"

i. e. „linea est quanta, et non habet lerminum suae quanlitalis". Et hoc est,

st infinitum est in praedicato. Sed si sit in subiecto, prima affirmal praedicatum de

subiecto quanto, et secunda negat lerminum itlius quanlitalis, ut „aliquod corpus

infinitum est album" i. e. „aliquod corpus quantum est album, et idem corpus non

habet lerminum suae quanlitalis". Uebrigens unterschied ja auch schon Withelm

Shyreswood zwischen einem calegoreumälischen und syncalegoreumalischen Ge

brauche, und zwar nicht bloss hei infinitus (Anm. 70) und tolus (Anm. 69), son

dern auch bei incipit und desinit (Anm. 81) , sowie bei mehreren anderen Worten

(Anm. 75 ff.).

72 XVII. Petrus Hispanus.

nach 2) eine Distribulion enthält und nach 3) ein wirkliches Stattfmden

der Eigenschaft hei den verglichenen Dingen voraussetzt, soll nach 4) zu

der Exposilion führen , dass z. B. der Satz „A ist das grösste aller B"

den Sinn habe „A ist gross, und alle B sind gross, und kein B ist

grösser als A" 265).

Sodann folgen die Begriffe „differt, aliud", obwohl dieselben (we

nigstens der letztere) gleichfalls bereits oben (Anm. 213 u. 217) vorge

kommen waren. Die hier folgenden Regeln betreffen zuerst die thatsäch-

' liehe Grundlage und die distribulive Funclion jener Worte, und dann die

Exposilion, da der Satz „A ist etwas Anderes als B" sich auflöse in „A

ist, und B ist, und A ist nicht B", hingegen der Satz „A ist nichts An

deres als B" exponirt werde durch „Entweder ist A nicht, oder B ist

nicht, oder A ist B" 268).

Endlich kömmt noch „lotus" an die Reihe, an welchem, während

wir es ebenfalls schon oben (Anm. 252) trafen , hier die syncategoreumalische

Geltung erörtert wird ; und zwar handle es sich dabei sowohl

um eine Distribulion als auch um die Exposilion, bei welch letzterer hier

nun wieder obiges (a. a. 0.) Sophisma „der ganze Sokrates ist kleiner

als Sokrates" erscheint. Auch knüpfen sich hieran noch Bemerkungen

über „quantustibet" und „qualistibet" (Anm. 253 f.), insoferne bei

265) VII, 6, 7 (f. 261 A) : Sequitur de comparalivis et superiolivis, de quibus

tales dantur reguioe. Prima est: Proposilio habens comparalivum proprie captum,

et non abusice, exponitur affirmalive per tres exponenles, quarum prima affirmal

pnsilirum de re excedenle, secunda affirmat eundem de re excessa, lertia affirmat

excessum de re excedenle respectu rei excessae, ut „Soerales est albior asino" i. e.

„Soerales est albus, et asinus est albus, et Soerales est magis albus quam asinus"

vel negando aequalitalem „asinus non est aeque albus sicut Soerales". Secunda

reguio: Supertalivus distribuit communem lerminum sequenlem, qui signifieat rem

excessam, ut „leo est fortissimus animalium", ibi „animalium"' distnbuitur. Terlia

reguio (in einigen Ausgaben Secunda reguio de superioliVo) : Supertalivus proprie

lentus denolat, rem excessam convenire rei excedenti, et palet, quia haec est imprnpria

„leo est forlissimus lgncum", quia forlitudo de lgnce non verificatur (natür

lich wäre die gleiche Regel auch für den Comparativ anzuführen). Quarta (in

jenen Ausgaben dann Terlia) reguio : Propositio de supertalivo proprie caplo exponitur

copuiolive per tres exponenles, quarum prima affirmat posilivum de re excedenle,

secunda affirmat idem de re excessa, lertia negat unirersaliler excessum de re ex

cessa respectu rei excedentis, ut „rosa est puleherrima florum" i. e. „rosa est pulehra,

et omnis flos est puleher, et nultus flos est pulehrior rosa'' Sed si non ponatur

ibi genitivus, debet omitli secunda exponens, ul „Soerales est forlissimus" i. e.

„Soerales est forlis, et nullus homo est fortior itlo". Et contradictoriae istarum

semper babent exponi per disiunclivas de parlil'us contradicenlibus.

266) VII, 6, 8 (f. 262 A): Sequitur de „differt, aliud ab", de quibus tales

dantur reguioe. Prima est, quod . . .. conveniunt tantum enti, quia ut dicitur decimo

Metaphgsicoram (r. 3, p. 1054 b 20), nec non ens enli j,ec ens non enti idem vel

äiversum est. Secunda reguio: Abiolivus rectus ab islis dictionibus mediante „att

vel „ab" distribuilur, si sit distribuibitis Terlia reguio: Proposilio affirmaliva

de „differt" exponitur copuiolive per tres exponenles, in quarum prima affirmatur hoc

verbum „estu de eo, quod differt, in secunda affirmatur idem de eo, a quo differt,

lerlia negat unum itlorum de alio, ut „homo differt ab asino" i. e. „homo esl , et

asinus est, et homo non est asinus". Quarta reguio: Propositio negaliva de „differt"

debet exponi per unam disiunclivam de partibus contradicenlibus , ut „Sorrales

von dtffert ab asino" i. e. „Soerales non est, vel asinus non est, vel Soerales est

asinus".

XVII. Petrus Hispanus. 73

denselben keine eigentliche Exposilion, sondern nur eine Distribulion

stattfinde267).

Solcher Art also ist der Inhalt der einflussreichen Summulae des

Petrus Hispanus. Es ist , wie wir sahen , eine Logik , in welcher (wenn

auch nach einem zufälligen und wahrlich nicht philosophischen Molive)

das Urtheil als erster Abschnitt dem Begriffe vorangeht, in welcher der

kategorische Syllogismus in drei Figuren (mit den theophraslischen Schlussmodis

der ersten Figur) entwickelt wird, hingegen die hypothelischen und

die modalen Syllogismen fehlen, in welcher ferner eine erkleckliche An

zahl von Memorialversen auftritt, und endlich in welcher die peinlich

ausführliche Lehre von den proprietales lerminorum eine erschreckende

Fülle byzanlinischen Unsinnes enthält. Bedauernswert!] erscheint uns der

Leser, welcher all dasjenige, was von Anm. 202 an vorzuführen war,

durchstudiren oder wenigstens durchblättern soll; aber es darf sich wohl

hieran die Bitte knüpfen, dass einiges Mitleid von dem Leser auch wieder

auf den Geschichtschreiber der Logik zurückfliessen möge, welcher jenes

verstandlose und häufig läppische Treiben 268) nicht bloss bei Petrus

Hispanus in seiner ganzen Ausdehnung geniessen , sondern auch in hun

dertfachen Varialionen verfolgen und bis in das 16. Jahrhundert hinab

nachweisen musste269). In jener sinnlosen Verquickung grammalischer

und logischer Momente, welche durch die ganze Lehre von suppositio,

ampliatio, appellatio, restrictio, distributio, exponibilia sich hindurch

zieht, erblicken wir allerdings sogleich den verpestenden Einfluss des von

Anbeginn blödsinnigen Stoicismus 270) , welcher mittelst dieser byzanlini

schen Logik drei Jahrhunderte hindurch das abendländische Mittelalter

267) VII, 6, 9 (f. 262 B) : Sequitur de hoc signo „Mus" Polest capi

tribus modis: uno modo communi pro omni eo, quod habet partes ; secundo modo

magis proprie pro itlo, quod ex omnibus suis partibus est perfectum ; et islis

duobus modis ,,lotus" lenetur calegoremaliec. Terlio modo capitur sgncalegoremalice,

prout inctudit signum distribulivum (s. den Schtuss der Anm. 264), et sie non

dicit, quale subicctum sit, sed qualiter se habeat in ordine ad praedicatum. Et hoc

modo reddit propositionem exponibitem, de quo dantur tales reguioe. Prima est, quod

„totus" distribmt lerminum, mi adiungitur, pro qualibet parle inlegrali Secunda

est, quod proposilio affirmaliva de tolo exponitur per unam calegoricam transmutato

„lotus" in „secundum quamlibet sui partem", ut „totus Soerales est minor Soerale"

praetcrea nolandum, quod haec signa „quantumlibet , qualelibel" non

faciunt proprie proposilionem exponit,item, sed faciunt distribulionem, non absotutam,

sed contrahunt speciem ad aliquod delerminatum genus praedicamentale, ut „quantumlibet"

distribuit pro quanlitale conlinua et sie dicuntur mentaliler complexa ....

El de exponibitibus dicta sufficiant.

268) Es muss unumgänglich dem Leser überlassen bleiben, die zahlreichen

Halbheilen und Inconsequenzen, sowie die entsetzliche Verknöchen,ng dieser byzan

linischen Doctrin sich ans dem Angeführlen selbst zu entnehmen , denn auch falls

es an sich der Mühe vverth gewesen wäre, konnle ich unmöglich den Umfang der

Darsleltung dadurch noch mehr anschwellen iossen, dass ich bei jeder Zeite den

Unsinn als Unsinn aufgedeckt hätle.

269) Der weitere Veriouf wird uns ja noch ionge genug an die Litteratur der

Summutae fesseln, welche, wie sich zeigen wird, als „usus modernorum" neben die

aristolelische Logik tritt.

270) Ausser demjenigen, was schon oben, Ahchn. VI, Anm. 110— 116 und

123—131, bemerkt wurde, s. hierüber nun auch Sleinthat, Gesch. d. Sprachwissensch.

b. d. Griechen u. Römern, Berl. 1862, S. 300 ff.

74 XVII. Petrus Hispanus.

beschäfligt. Aber die einzelnen Entwicklungsperioden der stoischen Logik,

welche scbliesslich zu solchem Gipfelpunkt des Unsinnes führten, können

wir, wie schon Abschn. XV, Anm. 97 ff. gesagt wurde, nicht mehr nach

weisen. Denn wenn sich auch einzelne Sophismen auf eine ursprüngliche

stoische Quelle zurückführen lassen271), oder wenn wir auch gramma

lische Anschauungen und Terminologien, welche hier vorkommen, bei

Priscianus wiederkehren sehen272), so sind diess nur versprengte Bau

steine Eines grammalisch-logischen Gebäudes, welches in seiner ursprüng

lichen Gestalt sich bis jetzt unserer geschichtlichen Kenntniss entzieht.

Indem aber die schon oben (Abschn. XV, Anm. 1 06 f.) ausgesprochene

Vermuthung, dass wohl in verlornen Schriften des Themislius die Quelle

jener byzanlinischen Logik liegen dürfte, nunmehr auch bei dem bloss

lateinisch erhaltenen Reste der Synopsis sich zuweilen uns wieder auf

drängte (Anm. 218, 241, 247, 255), so weise ich hiemit absichtlich

wiederholt auf diese wesentliche Lücke der Geschichte der Logik hin

und kann nur wünschen , dass aus irgend einer Bibliothek handschrift

liches Material zu Tag gefördert werde, durch welches dieser Punkt seine

Aufklärung finden könnte.

Soll aber nun jener Einfluss der aristotelisch-arabischen Litteratur,

welcher völlig gleichzeilig neben der Herübernahme des Psellus seine

Wirkung begann, in nähere Betrachtung gezogen werden, so begegnen

uns vorerst einige Erscheinungen von ziemlich untergeordneter Art. Denn

offenbar war man Anfangs von dem neuen zugeführten Stoffe förmlich

verblüfft, und sowie man daher gleichsam wieder von vorne anfing, so

hatte man weder Zeit und Musse, um etwa an die Controversen der Abälard'schen

Periode anzuknüpfen und von da fortzubauen, noch auch war

man befähigt, im ersten Anlaufe die reiche Fülle der neuen Quellen zu

sichten und überhaupt zu verarbeiten. Erklärlich daher ist es, dass wir

bei den ersten Autoren, welche den neu erwachten Aristoteles und die

Araber benützten, nur unmolivirle Ansichten treffen, welche auf dem Ge

biete der gewöhnlichen Parteifragen sich nicht einmal zu einer Polemik

erheben, sondern nur an den einen oder anderen aristotelischen oder

arabischen Ausspruch als Auctorität sich anlehnen. Selbstverständlicher

Weise aber war es auch hiebei wieder ein platonisch-christlicher Realismus,

welcher als der Grundton aller orthodoxen Logik (— was hingegen

„ketzerische" Logik sei, s. schon oben Abschn. XIII, Anm. 319 —) sich

sogleich unmittelbar einstellen musste; nur konnte man sich jetzt zur

Unterstützung dieser Auffassung mit Vorliebe auf jene Sätze der aristote-

271) S. obeu Anm. 226, 243, 246, 247, 248, 249, 252, 253.

272) So treffen wir erklärlicher Weise vor Allem die sgncalegoremata bei

Priscian. II, 15 (Vol. I, p. 54 ed. Berts), ferner auch eine leise Spur der appeliolio

II, 18 (p. 55), desgleichen Spuren bezüglich der reioliva XII, 4 (Vol. l,

p. 579) u. XVII, 73 (Vol. II, p. 150). Aber diess können nur versprengle Resle

einer älleren Formalion sein , in welcher sich Grammalik und Logik überhaupt

berührt hatten, und wir dürfen nicht übersehen, dass gerade von den Hauptbe

griffen der byzanlinischen Logik , nemlich von suppositio , amplialio, restriclio,

distribulio, exctusiva, excepliva, reduplicaliva, exponibitia, sich auch bei Priscianus

keine Spur findet.

XVII. Alexander Alesius. Wilhelm v. Auvergnc. 75

tischen Psychologie werfen, welche zur arabischen Lehre vom intellectus

agens verwendet oder missbraucht worden waren 273).

So zeigt uns schon Alexander Alesius (gest. 1245), welchen

wir fast völlig der Geschichte der Theologie überlassen könnten 271),

einen nicht weiter durchgebildeten Realismus, welchen er unter An

knüpfung an dogmalische Autoritäten (besonders an Augiislinus) auch auf

die dem Aristoteles entlehnten psychologischen Fragen überträgt. In sei

nen einzelnen realislischen Ausdrücken aber ist die Einwirkung arabischer

Lehre stets unverkennbar, sei es dass er z. B. die abstrahirende und

einigende Funclion des auf das Einfache gerichteten Denkens beschreibt275),

oder hervorhebt, welch verschiedene Stellung die Universalien im Denken

und in der Objeclivität haben276), oder sei es dass er eine realislische

Wendung der Araber in das Rohere und Plumpere steigert277).

Nicht besser verhält es sich mit Wilhelm von Auvergne (gest.

1249), welcher in seinem grösseren Werke De universo 278) durchaus

nicht ein logisches Interesse verfolgt279), sondern nur theologische Er

örterungen, und zwar hauptsächlich über das Universum spirituale,

d. h. das Geistcrreich , zum Zwecke hat280), sowie auch sein Buch De

am'mo281) einer ähnlichen Tendenz folgt. So ist ihm auch die Frage

über die Existenz der Universalien keine logische, sondern sie hat für

273) S. oben Abschn. XVI, Anm. 3 f. Dass ich aber von der Geschichle der

Logik als solcher grundsätzlich die psychologischen und erkenntniss-theorelischen

Lebren ausschliesse , habe ich ebendaselbst unler Angabe meiner Gründe bereits

gesagt.

274) Den unter dem Namen des Alex. Alesius gedrucklen (Venet. 1572) Commentar

zur Metaphysik können wir hier nicht in Betracht zlehen, indem derselbe,

wie auch schon Andere richlig bemerklen (s. Hist. lM. de io France, XVIII, p.

323), nicht vor Duns Scolus geschrieben sein kann. S. hingegen unlen Abschn.

XIX, Anm. 248 ff., den Verfasser dieses Commentares , nemlich den Alexander ab

Alexandria.

275) Summa univ. theolog. (Lugd. 1516 fol.), Pars II, Quaest. 69, membr. 2:

Unusquisque inlellectus est cirea formas inlelligibites sine complexione consideratas

(den Begriff der incomplexa bei Alfarabi und Avicenna s. vor. Abschn., Anm. 16

u. 88) Cognilio ittarum formarum intelligibitium, quac veniunt ad intellectum

per abstractionem a phantasmale sensibiti (s. Alfarabi, ebd. Anm. 22). Quaest. 69,

membr. 3, arlic. 3 : Inlellectus abstrahens formas inleitigitnles et uniens eas (s. Avicenna,

ebend. Anm. 92).

276) Ebend. Quaest. 59, membr. 2, art. 2: Secundum inlellectum fit abstraclio

speciei a maleria vel subiecto, secundum naturam vero non (s. Alfarabi, ebd.

Anm. 22).

277) Ebend. art. l : Forma, quae solum est esse materiae in perficiendo tolum,

perficit omnes parles maleriae et consimiti ralione, ut est dicere „quaelibet pars

ignis est ignis" (die Veraniossung hiezu s. bei Alfarabi, ebd. Anm. 33; Avicenna und

Arerroes hatten anders gedacht, s. ebd. Anm. 166 u. 301).

278) Guitelmi Alverni episcopi Parisiensis Opera omnia etc. Aureliae et Ambiani

1674. fol. Vol. I, p. 593—1074. Nähere Nachweise, dass Withelm den ganzen

Aristoleles und die Araber kannte und benützle, s. bei A. Jourdain, Recherehes erit.

2. Aufl. (1843) S. 288 ff.

279) Von keiner Bedeutung ist es, dass er gelegentlich einmal (I, 3, c. 24,

p. 795) die Ansicht des Avicenna über die Wahrhelt der Urtheite (s. vor. Abschn.

ADOt. 39 f.) ausschreibt.

280) Wie in einem zoologischen Garten kann man bei ihm das Leben und

Treiben der Engel, Erzengel, gefallenen Engel, Dämonen u. dgl. studiren.

281) Vol. II, Supplem. p. 65-228.

76 XVII. Wilhelm v. Auvergne.

ihn nur Werth im Hinblicke auf die Kundgebungen aus dem Jenseits.

Während es ihm aber hiernach als selbstverständlich gelten muss, dass

die Universalien objecliv reelle Wesen sind , zeigt er sich uns als einen

Dualisten der plumpesten Art; denn völlig parallel stellt er (nach dem

alten Satze „universale intelligitur, singulare sentitur") die „Eindrücke"

der sinnlichen und der intelligiblen Welt nebeneinander, und gleichmässig

für die beiderlei Wesen beruhigt er sich bei dem Auctoritätsglauben,

dass sie eben objecliv so seien, wie sie subjecliv empfunden werden282).

Daher polemisirt er sogar, sich an Araber anlehnend, gegen Plato, welcher

die Sinnenwelt in ein bloss abbildliches und hiemit unwahres Sein auf

pflückte 283), und schliesslich legt er sich den Platonismus, um zugleich

auch dem Aristotelismus dienen zu können, dahin aus, dass die Ideen

lehre nicht die Arthegriffe (species) betreffe, welche ja vollständig in den

Einzelndingen (totaliter in individuis) exisliren und in solcher Weise die

wesentlichen Prädicate der Individuen sind (de singularibus), sondern

dass die platonischen Ideen jene ausserhalb liegenden Formen (formae

exteriores) seien, welche im Geiste des Schöpfers sich befinden, — kurz

wir treffen hier zum ersten Male jene arabische Dislinclion aufgenommen,

wornach die Universalien ante rem (d. h. jene formae exteriores) und in

re (in individuis) und auch post rem (de singularibus) bestehen284),

282) De nniv. II, l, c. 14, p. 821 : Non minus eredendum est inlellectui de

inlelligibitibus, quam sensui de sensibitibus ; quia igitur leslimonium seu leslificalio

sensus cogit nos ponere mundum sensibitium et ipsum sensibilem, cogere nos

debet inlellectus multo fortius mundum intelligibitium , hie aulem est mundus universalium

sive specierum Intellectus igitur nostri, h. e. intellecliones, quibus

sumus inlelligenles, non sunt in effectu, nisi passiones seu simititudines inlelligibilium

impressae ab eisdem inlellectui nostro; agere aulem vel imprimere non polest, quod

non est; necesse igitur est, inlelligibitia esse Quare necesse est, formas communes,

sc. genera et species et alia huiusmodi convenienlia esse, et non solummodo

esse, sed eliam esse sicut intelliguntur ; quemadmodum sensibitia et particuioria ne

cesse est esse, non sotum simpliciter, sed eliam esse ea sicut senliuntur. Noch

naiver, aber kürzer: De anima, Cap. 7, pars 4, p. 207: Cum virtus sensilna non

indigeat nisi rebus sensibitibus propter ittas apprehendendas , quomodo virtus inlellecliva

non erit contenta rebus inlelligibitibus ad apprehensionem earum?

283) De univ. II, l, c. 34, p. 835: Verum Piolo ultra, quam operleret et veritas

exigeret , exlendit huiusmodi simititudines , . ... quoniam nominaliones ereaturarum

omnes per simititudinem fiant et nulio earum per veritalem; unde nec veram lerram

nec verum ignem nec veram aquam aul verum aerem in mundo sensibiti esse palenler

asseruit (Tim. p. 51 B) Consequens igitur est, nihit esse omnino in mundo isto

sensibiti secusdum veritalem ipsumque mundum simitiler nihit esse in veritale.

284) Ebend. c. 35, p. 836: Aut inlellexit Piolo species (dum dixit, mundum

specierum exempior esse mundi islius sensibitis), quas dicimus praedicari de pluribus

differenlibus numero in eo quod quid est fdiess die allbekannle tradilionelle Defi

nilion), auf inlellexit rerum simititudines sive ideas sive imagines rerum exempiores.

Quodsi iuxta priorem intenlionem, huiusmodi species lolum est esse individuorum

; quia igitur totum esse individuorum omnium in ipsis individuis est et

non etrtra , manifestum est , huiusmodi species in individuis suis sire singuioribus

tolaliter esse et non extra Manifestum igitur est per haec, Piolonem non inlellexisse

hoc, quod dixit de mundo arehetgpo, de speciebus, quae de individuis vel

singuioribus in co quod quid praedicantur ; itios enim esse necesse est et in singu

taribus suis et cum singutaribus; ubt enim Soerales est, necesse est esse hominem,

et ubi homo est, necesse est esse aliquem hominem. De ideis igitur sive formis exlerioribus,

quae in menle ereatoris aelernaliler sunt, inlellexit sermones suos (s. AI

XVII. Wilhelm v. Auvergne. Vincenz v. Beauvais. 77

und erklärlicher Weise können sich hieran auf gleicher Quelle fussend

noch andere gelegentliche Bemerkungen über den Arthegriff anschliessen285).

Das Komischste aber ist, dass Wilhelm, während er das Denken als einen

„Spiegel" des Intelligiblen bezeichnet 286), doch wieder die Entstehung

der Allgemeinbegriffe aus einer Kurzsichligkeit (brevitas) des Denkens

erklärt, vermöge deren dasselbe die Dinge nur wie von Weitem (wie

eine entfernte Statue) und daher nur „unbeslimmt im Allgemeinen" be

trachten könne287), — ein Widerspruch, zu welchem als ergötzliches

drittes Glied kömmt, dass er hinwiederum im Anschlusse an Araber die

menschlichen Worte als die wahrhaft adäquaten essenliellen Bezeichnungen

des Einzelnen betrachtet288).

Dass Vincenz von Beauvais (gest. 1264) nur Compilator war,

ist allbekannt, und irgend Selbstständigkeit in principiellen Fragen wird

man bei solchem Charakter seiner Schriftstellerei von vorneherein nicht

erwarten. Aber wenn er uns wenigstens als Zeuge des Zustandes dienen

soll, in welchem die Logik um d. J. 1250 sich befand, so kömmt noch

ein anderer Umstand in Betracht. Es ist nemlich, — was bis jetzt nicht

beachtet wurde —, das ganze Speculum maius vielfach interpolirt 289),

und zwar wurden offenbar successive in den Handschriften Ergänzungen

farabi, vor. Abschn., Anm. 24, und Avicenna, Anm. 184, woselbst sogar gleichfalls

die Beiziebung dämonischer Mächle, u. ebd. Anm. 188).

285) Ebend. II, 2, c. 12, p. 855: Species ul species nec est actu aliquod indimduorum,

nec aliud ab aliquo eorum, immo polenlia est unumquodque, et ralio eius

seu diffinitio totaliter est in. unoquoque itlorum (s. bei d. Arabern vor. Abschn.,

Anm. 23) Species non dicitur lotaliter, i. e. non secundum omnem sui parlem

de aliquo individuorum, licel dicatur totaliler de unoquoque secundum ralioncm suam;

et inlelligo totalilulem istam, quae est ex parlibus ralionis seu diffinitionis, et hae

partes sunt genus et differeuliae ; alio modo partes speciei individua sunt, quoniam

ipsam speciem, cum de eis praedicatur, sibi invicem quodammodo parliuntur (s. Avicenna,

ebd. Anm. 127 f.).

286) Ebend. II, l, c. 8, p. 816: Intellectus omnis natus est esse specutum inlelligibite,

cum natus sit recipere in se deseriplionem universitalis intelligibitium ;

manifestum aulem est, quod cum istam deseriplionem receperit, erit velut exemplum

universi et vetut liber loliu's deseriplionis ipsius.

287) Ebend. c. 15, p. 822: Virtus intellecliva nostra nihit dctrahit, nihit tollit

vel minuit omnino de signis sensibitibus, sed magis ei detrahitur, quoniam non attingit

ipsa signa huiusmodi tolaliter Sed est, quemadmodum dicam libi, si quis imaginem

Soeralis sculpat, manifestum est, quod a tange eam intuenti non imago

Soeralis expresse, sed imago bominis indelerminale sive indefinile, h. e. in universali,

appareret Hoc modo scito se habere virtulem intelleclivam ad signa parlicuioria

sensibitium, et hanc esse intentionem spolialionis ac denudalionis, sc. brevitalem

inlellectus, per quam allingere non polest conditiones particutares.

288) Ebend. c. 36, p. 837: Manifestum igitur est, mundum istum corporeum

verum mundum esse el verum habere esse, non simitttuifinarium tantum, quia

nomina partium mundi istius non sunt nomina simititudinum neque denominaliones

aul agnominaliones impositae ab accidenlibus, sed sunt nomina veri nominis el verae

nominalionis, nominantia, quae sunt vere el essentialiter ; el propler hoc essentialia

nomina sunt imposita rebus ad nominandum eas, quod vere alque essentialiler sunt,

sicul sot, tuna, lerra, vel aliorum huiusmodi unumquodque (s. Avicenna, vor. Abschn.,

Anm. 94).

289) Nur bezüglich des Specutum morale hat man bisher die Beobachtung ge

macht, dass es spälere Einschiebsel enthält (s. z. B. auch Jourdain, Rech. erit.

p. 308). Uebrigens ist es, — abgesehen von deutlichen Nachweisen, wie wir solche

sogleich geben werden —, auch sehr erklärlich, dass bei einem im Gebrauche

78 XVII. Vincenz von Beauvais.

eingetragen , so dass man gleichsam chronologisch Schichten der Inter

polalionen unterscheiden kann 290). Nur mit einem gewissen Vorbehalte

demnach können wir auf den die Logik betreffenden Abschnitt, nemlich

auf das 4. (oder 3.) Buch des Speculum doctrinale291), näher eingehen;

denn wenn , wie sich alsbald zeigen wird , Einzelnes unmöglich von

Vincenz geschrieben sein kann , so bleibt auch bei manchen anderen

Stellen die Möglichkeit der Aechthcit neben jener der Unächtheit bestehen.

Der Verfasser beginnt seine Darstellung mit einer Definilion der

Logik , welche in Inhalt und Form ihren arabischen Ursprung deutlich

zeigt292), und knüpft hieran Excerpte aus Isidorus (s. Abschn. XIII,

Anm. 27), sowie aus Alfarabi (s. vor. Abschn., Anm. 13), worauf er in

arabischer Denkweise die Bücher des aristotelischen Organons mit Einschluss

der Rhetorik und Poelik gruppirt293), um nach ein paar Citaten

aus Auguslinus (s. Abschn. XII, Anm. 18) und abermals aus Isidorus (s.

a. a. 0.) wieder auf die arabische Theorie über incomplexum und com

plexum und insbesondere über Form und Stoff der Argumentalion ein

zugehen, insoferne hiernach die Araber das Verhältniss der ersten Ana

lytik zu den folgenden Theilen des Organons beslimmten 294). Nachdem

verbleibenden encyclopädischen Werke die Abschreiber jeweitig ihre eigene Weis

heit verwertheten.

290) Ueberhaupt würde es sich sehr lohnen, für den Umkreis des ganzen

Specutum maius die Quellen, aus welchen es geschöpft ist, genau zu erforschen

(Schlosset -'s bekanntes Buch über V. v. B. konnle hierin Nichts bielen; Alogs Vogel

in einem Festprogramme der Universität Freiburg, 1843, gibt ausser bibliographi

schen Nolizen nur eine Inhalts-Uebersicht ; Bourgeat, Etudes sur Vinc. de lieamais,

Paris 1856, wollte wohl lediglich zur Erbauung frommer Seelen schreiben); ja

auch all jene Stellen, in welchen die Quelle nicht genannt ist und welche durch

die Bezeichnung „Auctor" (oder, wie in den Druck ausgaben steht, „Actor") sich als

eigene Zuthaten des Compiiotors ankündigen, beruhen immer doch wieder auf irgend

einem tradilionellen Materiale, und eine genaue Prüfung würde, wie ich mich über

zeugle, z. B. auch in den naturwissenschaftlichen Abschnitten zu dem nemlichen

Resultale, d. h. zur Einsicht in eine successive Interpoiolion des Texles, führen.

291) Es ist nemlich in den zwei ältesten Ausgaben des Specutum doctrinale

(Argentor. 1473. fol. u. Nürnberg. 1486. fol.), welche mlt Recht als die krilisch

brauchbareren gellen, der „Prologus" als 1. Buch nnmerirt, wodurch der die Logik

betreffende Abschnitt zum 4. Buche wird , während er in den späteren Ausgaben

als 3. Buch erscheint. Abgesehen von dieser Differenz genügt es, das Einzelne

nach den in allen Ausgaben gleichbleibenden Capitel-Nummern zu ciliren.

292) Cap. l : Logica scienlia onlinandi proposiliwes enuntialivas secundum figuras

logicas ad eliciendas conctusioues, quibus pervenitur ad cognilionem dictorum et ad

iudicandum de itlis, utrum vera sint an falsa (wörtlich dasselbe steht auch Lib. II

[oder l], cap. 21). Vgl. Alfarabi, vor. Abschn., Anm. 15; Avicenna, ebd. Anm. 74;

Algazeli, ebd. Anm. 241.

293) C. 3: Etementa rero, quibus seientia verificatur, quinque sunt, sc. denionstraliva,

topica, sophislica, rhelorica, poelica u. s. w. S. vor. Abschn., Anm.

17 f., 51, 276.

294) C. 4: Omne dieibite aliud est inromplexum aiiud complexum (s. ebend.

Anm. 16) Complexum aliud est inordinatw» sive sbsotutum, ei de hoc est liber

Perihermenias, aliud ordinatum ; et hoc dupliciler, vel ad omnem maleriam indifferens,

et hoc in libro Priorum, vel ad alittuam maleriam delerminatam contractum; et hoc

tripliciter, vel ad necessariam, et hoc in libro Posteriorum, vel ad probabitem, et hoc

in libro Topicorum, vel ad sophisticam, et hoc in libro Etenchorum (s. ebrnd. Anm.

52, u. besonders b. Algazeli, Anm. 276). Hingegen wieder eine andere Gliederung

des Organoa s. Anm. 310.

XVII. Vincenz von Beauvais. 79

er hierauf noch die Eintheilung des Organons nach Boethius (s. Abschn.

XII, Anm. 82) vorgeführt, geht er an der Hand desselben auf den un

entbehrlichsten ersten Theil (s. ebend. Anm. 85), d. h. auf die Isagoge,

über und macht sich dann sogleich an die Frage über die Universalien.

Man könnte sagen, er ziehe sich dabei gut aus der Schlinge, indem er

gar bequem zwischen Metaphysik als der realen Disciplin und Logik als

der „sermocinalen" dislinguirt 295); aber während dann eigentlich jede

weitere Discussion ohnediess überflüssig wäre , ist andrerseits dasjenige,

was er vorbringt, doch gar zu kläglich. Vorerst setzt er die üblichen

drei Fragen betreffs der Universalien in Beziehung zu einer bei den

Arabern geläufigen Dreitheilung der Wissenschaften 296); hierauf aber führt

er wirklich allen Ernstes als Beweis der objectiven Existenz der Univer

salien die subjeclive Auffassung derselben an , wozu ihm noch ein paar

Auctoritäts-Stellen sich darbieten , fügt aber zugleich auch Gegengründe

an, welche theils auf platonischem Spiritualismus, theils (— um mich

sogleich thomislisch auszudrücken —) auf dem Principe der Individuation,

theils auf Bedenken bezüglich der Causalität beruhen297). In Wider

legung aber dieser Einwände bewegt er sich grundsätzlich in den An

schauungen des Gilbertus Porretanus (z. B. „communis natura, similitudo

specialis"), auf welchen er sich auch bei Bekämpfung des dritten Gegen

grundes ausdrücklich beruft, während den Platonikern eine mit Wilhelm

von Auvergne wörtlich übereinslimmende Wendung und den Vertretern

der Individualion eine arabisch gefärbte Auffassung der Wesens-Einheit

295) C. 7: Diversimode tamen universale pertinet ad consideralionem metapbgsici

et logici; metapbgsici quidem gralia sui esse, huius enim est, considerare de

entc , quod diriililur in universale et particuiore; logici vero, inquantum est dicitrile

vel praedicabite. Hiezu C. 12: Universalia res sunt et apud metaphgsicum sunt

altera di/ferenlia entis ; prout vero consideratur universale a logico, condilio est vocis

signatae rei ordinatiitis in genere, quia logicus non accipit rem nisi proul significalicum.

Dicendum ergo, quod oportet, ipsa universalia, prout veniunt in usum logici,

esse per nomina praesentata, cum sit sermocinalis artifex ; et sie cum quaeritur, an

sint res an nomina, dicendum, quod res per nomina designatae res sunt ralionis, el

talis res significata per nomen subiicitur vel praedicatur.

296) C. 7: Utrum universalia subsistenlia sint, an in solis nudis ac puris inlelleclibus

posita Utrum corporea sint, an ineorporea Utrum separata

sini a sensibitibus, an in sensibitibus posita His aulem tribus quaeslionibus

tangitur triplex esse, quod habet universale secundum triplicem sui consideralionem.

Per primam enim tangitur esse eius quoad metaphgsicum , cuius esl consideralio de

enle ; per secundam esse eins quoad mathemalicum, cuius est corpus et quamlibet

quantitalem considerare; per lertiam vero quoad phgsicum, cuius est sensibitia

cognoscere (s. Avicenna, vor. Abschn., Anm. 73 f.).

297) C. 8: Quod aulem universalia sunt, mullipliciter probari polest. Primum

quidem, quoniam aliler nulio esset eorum scienlia, dicit enim Aristoleles in Posterioribus

(l, 2, 71 b 25, s. Abschn. IV, Anm. 651), quod non entis non est scienlia.

Praelerea , quaniam ens dividitur in universale et parliculare. Ilem Aristoleles in

praefato libro (s. ebend. Anm. 672) dicit, quod ens universale verius est, quam

particuiore Sunt igitur in rerum natura, quod concedimus. Sed contra haec

obiicitur, quod idem videtur esse sotum in intellectu, uam dicit ipse Piolo, quod

genus et species ideae erant in menle divina Item quidquid est, ideo est, quia

unum numero el singuiore est; universalia aulem non sie, quia sie essent hoc ali

quid (diess kann ein späterer Zusatz eines Thomisten sein) Ilem nec exivit in

esse per erealionem, quia tunc esset hoc aliquid, nec per generalionem , quia tunc

essel corruplibite.

80 XVII. Vincenz von Beauvais.

gegenübergestellt wird 298). Noch leichter wird auf Grundlage des ein

mal vorgefassten rohen Dualismus die Unkörperlichkeit der Uni versauen

erwiesen, wenn auch mit dem tröstlichen Zugeständnisse, dass dieselben

in den Individuen eben „eingekörpert" werden 299), so dass hiernach die

Differenz zwischen Plato und Aristoteles ihre wahrlich bequemste Lösung

dahin finden kann, dass kurzweg Beide Recht haben, indem die Univer

salien (wie bei Gilbert) zugleich einerseits in mullis und andrerseits

praeter multa sind, jedenfalls aber, was den Wesensgehalt betrifft, die

Totalität des Einzelnen conslituiren 300). Endlich die eigentliche Kern

frage über Zulässigkeit einer nominalislischen Auffassung ist ja bereits

durch obige Scheidung der Disciplinen erledigt oder vielmehr todtgeschlagen

36l), wenn auch an einer anderen Stelle (Anm. 311) eine fast

entschieden nominalislische Aeusserung sich findet. Nach der Angabe

verschiedener Gründe für die Fünfzahl der Universalien 302) werden so-

298) C. 9: Ad primum respondeo, quod universalia non sotum in inlellectu sunt,

sed et in re; num homines iudie,ituam quandam inler se naturam communem parlicipant,

quae est humanitas, per quam unumquodque dicitur homo, et itio a quolibet

eorum participata dicitur universale et est simititudo specialis ipsorum (s. bei Gitbertus

Porretanus, Abschn. XIV, Anm. 474) ; ab ipso tamen intellectu accipttur praeler

individua, sicut in linea, quamvis non possit esse praeler maleriam, non tamen falsus

est intellectus, qui capit eam sine maleria Piolo vero non loquebatur de universali

secundum id quod est, sed de simititudinc universalis, quae eral in mente

divina (vgl. oben Anm. 284) Ad aliud dicitur, quod universale est unum

numero, non numerositale maleriae sicut singuiore, sed numerositale essenliae, una

enim numero est essenlia communis hominis (vgl. vor. Abschn., Anm. 92)

Ad aliud dicendum, quod universale egreditur in esse per generalionem, non tamen

primo, sed ex consequenti, quia generato Soerale generatur ex consequenli homo; et

hoc habetur in Sex principils (s. Abschn. XIV, Aum. 487).

299) C. 10: Probatur, quod universalia non sunt corporea, quoniam omne corporeum

est compositum et eorruplibite et sensibile, universale vero simplex est et

incorruplibite et intelliaibite Obiicitur, quia corpus est species quantitalis,

species aulem universale est llem incorporeum de corporeo praedicari non

polest Dicendum, quod universalia secundum se sunt incorporea, per sua tamen

incorporantur individua, et corpus quidem, pruut est species quantitalis, non est corporeum,

sed incorporeum, quoniam est universale.

300) C. 11: Dissensio eral inler Aristolelem et Halonem Sotulio: polest

die«, quod Ptato considerabat simititudinem universalis, Aristoleles considerabat esse

eins Duplex est causa, per quam universale contrahit suum esse; habet enim

causam malerialem ipsa singuioria, unde dicitur in Sex principiis (Abschn. XIV, a.

a. O.), quod omnis communitas a singuioritale procedit; quantum ad istam causam

non est universale unum praeler mulla, sed unum in mullis; habet eliam cau

sam efficienlem, sc. intellectum abstraho,lem communc a particuionbus (s. ebend.,

Anm. 464); quantum igitur ad istam causam est unum extra omnia Si

vero quaeritur, nimm hoc universale homo sit in quolibel homine secundum se tolum

an secundum partem, dicendum est, quod secundum se totum, i. e. secundum quamlibet

sui partem diffinilivam , non aulem secundum quamlibet sui partem subiectivam

(vgl. Avicenna, vor. Abschn., Anm. 103 u. 116).

301) C. 12: Quod aulem sint res, tam dictum est superius (oben Anm. 297)

Ilem universale idem est apud omne s, nomen aulem non Obiicitur: univer

sale dicibite est et praedicabite, res aulem non praedicatur Dicendum, quod

u. s. f., d. h. es folgen die oben, Anm. 295, angeführlen Worte.

302) Ebend.: Quaeritur, quare quinque sunt universalia nec ptura nrc pauciora

Dicendum: uno modo sie iuxta modos praedicandi Aliter sie: in

naturali composito exigitur maleria et forma et unio istorum duorum Aliter

quoque sie: universale est conditio rei ordinabitis in genere u. s. f. (Es kann diess

XVII. Vincenz von ßeauvais. 81

dann die einzelnen quinque voces in einem ziemlich kurzen Excerpte be

sprochen; bemerkt mag dabei werden, dass der Verfasser in der Auf

fassung des „ens" (A. h. dass es nicht oberster Gattungsbegriff sei) sich

an die Araber anschliesst 303), sowie dass er bei Erörterung der Differe'nz

sichtlich dem Avicenna folgt 304).

Zur Lehre von den Kategorien entnimmt er zunächst den Anfang

aus Isidorus und Alcuin 305), um dann die vier ersten Kategorien, — und

zwar in der Reihenfolge: Substanz, Quanlität, Relalion, Qualität (!) —,

ganz nach Boethius zu besprechen 306); mitten aber in die Erörterung

der Qualität schaltet er Angaben über die Vieldeuligkeit des Wortes

„forma" ein, um wieder auf die Ansieht Gilbert's überzulenken 307).

Aus diesem Letzteren folgt hierauf auch fast vollständig die Lehre von

den sechs letzten Kategorien mit Einschluss des Capitels über magis et

minus, d. h. eben beinahe das ganze Buch De sex principiis30*e); und

wenn auch bereits ein Vertreter der byzanlinisch-lateinischen Logik, nemlich

Lambert v. Auxerre (ob. Anm. 116), das Gleiche that, so dürfte hier

doch nur eine spätere Interpolalion vorliegen, da die Sex principia erst

seit Albertus Magnus allgemein in das Organon recipirt waren. Am

Schlusse der Kategorien folgt noch ein Excerpt aus den sog. -Postprädicamenten

309).

Die Lehre vom Urtheile beginnt wieder mit den Angaben des Isi

dorus (Abschn. XIII, Anm. 33 ff.), welchem auch die Unterscheidung

zwischen ars und scientia entnommen ist; an diese aber knüpft sich

unter der eigenthümlichen Bemerkung, dass auch in dem Buche De interpr.

von sechs „principiis" gehandelt werde , wieder eine neue Gliederung

des Organons (vgl. ob. Anm. 293 ff.), wornach in einer sehr ähnlichen

Weise, wie wir Solches schon bei Lamhert von Auxerre (ob. Anm. 104)

trafen, ars nur in der Topik, scientia aber in den übrigen Büchern ent

halten sei 310). Gelegentlich aber des Begriffes der interprelatio finden

sehr wohl ursprünglich auf einer Zusammensteltung desjenigen beruhen, was Avi

cenna bei den einzelnen fünf Worten erörlert hatle; s. vor. Abschn., Anm.

108—174.)

303) C. 13: Non est aulem ens commune omnium genus (s. ebend. Anm. 32).

304) C. 14, woselbst die verschiedenen Defiiiitionen der Differenz zusammen

geslellt sind; vgl. ebend. Anm. 135 ff.

305) C. 15. S. Abschn. XIII, Anm. 32; aus Alcuin (ebend. Anm. 57) ist der

Beispiel-Satz entnommen.

306) C. 16 -21.

307) C. 20: Forma est composilioni conlingens u. s. f., s. Abschn. XIV,

Anm. 486.

308) C. 22—28. S. ebend. Anm. 489-510.

309) C. 29 über Oppositum, C. 30 über Prius, Sin»uf, Matus.

310) C. 31: In his itaque Perihermeniis de sex principiis tractat, sc. de

nhmine et de verbo, de oralione, de enunlialione, de affiirmalione, de negalione, de

eontradiclione Dialectica dupliciler consideratur : uno modo ut ars (s. Abschn.

XIII, Anm. 26, vgl. Abschn. XIV, Anm. 445), et sie de Omnibus est et sie non est

alicuius generis dcterminali et traditur sie in libro Topiconim; alio modo ut est

scientia et traditur in libro Priorum, et sie logica est de sgllogismo. Igitur in libro

Praedicamentorum agit de maleria remota sgllogismi, sc. de terminis, in libro aulem

Peri hermenias de maleria propinqua sgllogismi, sc. de essenlialibus ; in libro aulem

Priorum de sgllogismo plenarie, in libro primo Topicorum et in librd Posleriorum et

PBANTL, Gesch. III. 6

82 XVII. Vincenz von Beauvais.

wir hinwiederum eine Uebereinslimmung mit jenen nominalislischen Ara

bern, welche sogar A vicenna bekämpfte311), so dass hiebei allerdings die

metaphysische Betrachtung der Universalien ausser Ansatz bleibt und nur

die „sermocinale" Logik (Anm. 295) auftritt, woferne nicht diese ganze

Stelle nur ein Zusatz eines späteren Nominalisten ist. Es beginnt ja hiemit

in unserem Texte des Speculum überhaupt eine Gruppe, bei welcher

wir den Boden unter den Füssen verlieren. Schon die Reihenfolge, in

welcher hier der Inhalt der Lehre vom Urtheile sich bewegt, ist aben

teuerlich genug, denn nach den üblichen Erörterungen über Nomen,

Verbum, über Eintheilung und Einheit der Urtheile folgt die Angabe, was

lerminus sei und aus welchen Bestandtheilen die Urtheile gebildet seien,

woran sich aber dann eine längere Episode aus der byzanlinischen Logik

betreffs der proprielates terminorum anreiht, um erst hernach aus der

nemlichen Quelle die Lehre über Conträr, Contradictorisch u. s. f., über

Conversion und Aequipollenz und über die modalen Urtheile folgen zu

lassen312). Noch bedenklicher aber gestaltet sich die Sache, wenn wir

die einzelnen Stücke dieses eigenthümlichen Mosaiks näher besehen. Aller

dings völlig unverfänglich ist es, dass die Nolizen über Nomen u. s. f.

dem Isidorus und dem Aristoteles, d. h. dem Boethius, entnommen sind 313),

sowie dass für die allgemeinen Beslimmungen über enuntialio und deren

Einheitlichkeit und insbesondere betreffs des hypothelischen Urtheiles gleich

falls Boethius als Quelle dient314). Hingegen was sollen wir von jenen

Parlien denken, welche aus der byzanlinischen Logik stammen? Nemlich

schon die Eintheilung der oratio slimmt wörtlich mit Demjenigen überein,

was wir oben (Anm. 35) bereits bei Wilhelm Shyreswood trafen315), und

ebenso die Gruppirung der Urtheile nach den drei Fragen (quae, qualis,

quanta) mit Petrus Hispanus (Anm. 153), noch dazu unter Anführung

eines zuerst bei Lambert v. Auxerre (Anm. 108) erscheinenden Verses 3 16);

ferner sind gleichfalls aus Petrus Hispanus entnommen die Angaben über

Conträr, Contradictorisch u. s. f. (ob. Anm. 154 f.), über Umkehrung und

Aequipollenz des kategorischen Urtheiles (Anm. 156 u. 159), jedoch ohne

die sämmi liehen Memorialverse, sodann noch die ganze Lehre von den

Etenchorum de parlibus, i. c. de speciebus ipsius sgllogismi. Doch diese ganze

Stelle hat wohl schwerlich den Vincenz selbst zum Autor.

311) C. 32: Vox aulem significat et significatur, significal enim inlellectum et

rem, significatur aulem a litleris ; res aulem significatur et non significal i intellectus

vero significatur et non significat, proprie loquendo, significatur enim per vocem, non

aulem proprie significat rem, sed est simititudo rei, unde dicit Aristoleles (s. Abschn.

IV, Anm. 108), quod inlellectus simititudo rei est (den Ausdruck „intellecta

significantur" in solcher Auffassung s. vor. Abschn., Anm. 85). Auch knüpft sich

hieran eine bei den Arabern übliche Aufzähtung der Stufen und Arlen des inlellectus

(s. ebend. Anm. 4).

312) So drängt sich schon hiednrch wohl die Vermuthung auf, dass durch

die Erwähnung des Begriffes „lerminus" das spälere grössere Einschiebsel über

supposilio u. s. f. veraniosst wurde.

313) C. 33. s. Abschn. XIII, Anm. 34. u. Abschn. XII, Anm. 109 ff.

314) C. 34. s. Abschn. XII, a. a. O. u. bes. Anm. 112 u. 140.

315) C. 33: Oralionum alia indicaliva, alia imperaliva, alia deprecaliva, alia

optaliva, alia coniunctiva, alia infiniliva.

316) C. 34: Per „quae" quaeritur de propria qualitale sive de essenlia proposilionis

u. s. t.

XVII. Vincenz von Beauvais. 83

modalen Urtheilen (Anm. 160—164), gleichfalls mit Weglassung der Figur

und der Kunstworte 317). Und ausserdem ist zwischen diese Capitel noch

anderweiliger byzanlinischer Stoff eingeschoben, indem an den aristotelischboethianisclien

Begriff des terminus zunächst die Scheidung von Subject,

Prädicat und Copula mit Worten des Petrus Hispanus (Anm. 152) ange

knüpft wird und sogar die Erwähnung der Sgncategoreumala auf Wilh.

Shyreswood (Anm. 34) und Petrus Hispanus (Anm. 150) hinweist318).

Auch folgt hierauf unmittelbar mit der Bemerkung, dass die „condüiones

terminorum" (— sonst war üblich „proprietales terminorum" —) in den

drei Funclionen des supponere, appellare, copulare als Unterarten des

significare liegen 3 1 9) , ein Auszug aus der Lehre von der supposüio,

von der appellalio, und, mit dieser theil weise verflochten, von der reslrictio;

ja auch Einzelnes aus der dislribulio ist in dieses ganze Excerpt

hier und da beigezogen; hingegen die zu erwartende copulalio fehlt auch

hier, so gut wie bei Petrus Hispanus, s. oben Anm. 221. Finden wir

somit, dass ein ansehnliches Stück' jener neuen Logik hier in das encyclopädische

Werk aufgenommen sei , so möchte es nun wohl scheinen,

dass , nachdem ich eine reichere Verbreitung der byzanlinischen Logik

bereits für die Mitte des 13. Jahrhunderts nachgewiesen habe, gerade

ich am meisten geneigt sein müsste, eine solche Receplion dem Sammelfleisse

des Vincenz zuzuschreiben; und in der That steht chronologisch

auch gar Nichts im Wege. Aber dennoch finde ich dabei viele Bedenken.

Wenn es schon auffallen muss, dass das über supposüio, appellatio,

restrictio Gesagte auf eine Combinalion verschiedener Quellen und jeden

falls, was die Benützung des Petrus Hispanus betrifft, auf eine arrangirende

Auswahl hinweist 32ü) , so steigert sich dieses Verhältniss dahin,

dass wir stellenweise eine weit jüngere Formalion der Lehre von suppo

süio wiedererkennen321); ferner linden wir bei der aus P. Hispanus

entnommenen Aequipollenz eine Aenderung und Vermehrung der Memorial

verse, welche selbst in den interpolirten Texten des P. Hispanus nicht

317) C. 38 unier der Ueberschrifl „communicantia proposilionum" (üblich war

sonst „participanlia") die Verhältnisse des Conträren u. s. f.; C. 39 Umkehrung

n. Aequipollenz; C. 40 die Modalltät d. Urtheite, u. C. 41 die Contrarietät u. s. (.

der modalen Urtheite.

318) C. 35: Praedicaliva proposilio Huius enim principales parles sunt

subiectum el praedicatum et copuio, secundariae vero sunt sgncalegoreumata, i. e.

dietiones consignificalivae , celera namque calegoreumata sunt , ul mon,ere

et verbum.

319) C. 36: Condiliones aulem lerminorum sive parlium principalium calegoricae

propositimis sunt supponere, appeliore, copuiore, quorum genus est signi

ficare u. s. w.

320) Wer C. 36 n. 37 (— es lohnt sich nicht der Mühe, dieselben hier ganz

abzuschreiben —) genau mlt den Quellen vergleicht, wird fmden, dass zunächst die

einleitenden Bemerkungen auf Withelm Shyreswood (Anm. 58) und im Wortioute

noch näher auf Lambert v. Anxrrre (Anm. 125 u. 127) zurückweisen, dass sodann

die Eintheitung der supposilio dem Petrus Hispanus (Anm. 202 fl'.) folgt, hieran

aber Regeln und Sophismen aus desselben Lehre von der distribulio (Anm. 244,

dann 246, hierauf 245) angeschlossen werden, dass hierauf aus gleicher Quelle

kurz die appeltalio (Anm. 228) und dann die restriäio erörlert wird, wobei der

Inhalt obiger Anm. 234 wieder durch wörtliche Aufnahme eines Absatzes aus der

distribulio (Anm. 242) unterbrochen wird.

321) C. 36: Dicitur pro reguio in supposilionibus u. s. f., s. unten Anm. 597.

6*

84 XVII. Vincenz von Beauvais.

erscheint322), ein Umstand, welcher weiter unten in der Syllogislik

wiederkehrt323); ausserdem begegnen wir hier jener Noliz, dass es sechs

Arten des hypothelischen Urtheiles gebe, welche erst einer allmäligen

Erweiterung der byzanlinischen Logik angehört324), und endlich ebenso

einer späteren Unterscheidung der Wortbedeutung der modi 325). Steht

aber hiedurch fest, dass der Text des Speculum jedenfalls durch spätere

Einschiebsel erweitert wurde, so finden wir keine sichere Gränze, warum

nicht auch Dasjenige , was in chronologischer Beziehung allerdings auch

dem Vincenz selbst zugänglich gewesen wäre, von einem Späteren einge

schoben sein könne. Ja in der Erwägung , dass die Autoren der Logik

damals erst allmälig sich daran gewöhnten . zugleich auf den aristoteli

schen und auch aul den byzanlinischen Stoff zu blicken (s. z. B. unten

Anm. 357, 470 f., 541 ff.), und dass eine Gleichstellung oder vollends

eine innige Verschmelzung der beiderseiligen Tradilion erst durch Scotus

angebahnt und durch Occam vollendet wurde , möchte ich zu dem posi

liven Resultate gelangen, dass auch bei Vincenz die mosaikarlige Combina"

lion beider Logiken nur eine scheinbare sein kann, indem Alles, was

dem Petrus Hispanus oder dem Wilhelm Shyreswood und dem Lambert

v. Auxerre entnommen ist, als Zuthat eines späteren Syncrelisten zu be

trachten sein dürfte 326).

Höchst planlos ist auch die Anordnung Desjenigen, was hierauf nach

der Lehre vom Urtheile folgt. Es wird nemlich vorerst plötzlich auf des

s Boethius Buch de diff. top. übergegangen und dasselbe kurz excerpirt 327),

dann reiht sich aus Isidorus der Abschnitt über die Gegensätze an 32s),

um sogleich hierauf aus derselben Quelle eine Noliz über die Syllogismen

folgen zu lassen, woran dann jene Memorialverse, welche wir bereits seit

Wilh. Shyreswood trafen (Barbara, Celarent u. s. f.) , und ausserdem,

wie bemerkt (Anm. 323), auch noch zwei neue Verse geknüpft werden

konnten329). Hierauf folgt noch ein ausgedehntes Excerpt, welches mit

"dem Anfange der aristotelischen Topik beginnt, dann (nach der Uebersetzung

des Boethius) die ersten sieben Capitel des ersten Buches und

den Anfang des zweiten Buches der zweiten Analylik in abgekürzter

Form vorführt 330) und in gleicher Weise sodann (obwohl die Topik

, gerade vorher schon aus Boethius entnommen worden war) die ganze

322) C. 39 am Schlusse. Ich führe aber diese Verse als nicht hieher gehörig

erst unten bei den späteren Inlerpoiolionen in Abschn. XX an.

323) C. 50. S. ebend.

324) C. 34: Sciendum, quod sex sunt species hgpothelicae: conditionalis, coputaliva,

disiunctiva, lemporalis, localis, causalis. S. unlen Anm. 583.

325) C. 42. S. gleichfalls bei den Inlerpoiolionen.

326) Wie sich von selbst versleht, gitt mir dipss auch von jener Slelle, welche

in den hernach folgenden Capiteln vorkommt; s. sogleich Anm. 329.

327) C. 43 —46 über quaeslio, argumentum, argumentalio, maxima propositio

_n. dgl. s. Ahschn. XII, Anm. 82, 137, 165 f., 168; hierauf C. 47 die Topen des

Themislius, u. C. 48 die ciceronischen, s. ebd. Anm. 184.

328) C. 49. S. Abschn. XIII, Anm. 40.

329) C. 50. Auch die hypathelischen Schlüsse bat Isidorns dar, s. ebend.

Anm. 38.

330) C. 51 — 55. Dass dabei die Uebersetzung des Boethius zu Grund gelegt

__ sei, bezeugt z. B., dass An. post. 1,7 (s. die Stelle Abschn. IV, Anm. 140) ä^

' mit „dignitales" übersetzt ist.

XVII. Robert Capito. 85

Topik und Soph. El. behandelt331), wobei jedoch sonderbarer Weise

zwischen das 7. und 8. Buch der Topik noch ein Auszug aus Hoelh. de

divisione eingeschaltet ist332).

Während wir hierauf den Humbert von Romans (gest. 1254) hier

gänzlich mit Slillschweigen übergehen können333), begegnet uns in

Robert Capito, auch Grosse teste oder (von seinem Bischofssitze)

Lincolniensis genannt (gest. 1253), ein Autor von etwas grösserer

Bedeutsamkeit. Sein Commentar zur zweiten Analylik 334) zeigt ihn uns

als einen logisch gut geschulten Kenner des Aristoteles , unter dessen

Werken er auch die Physik commenlirte, sowie er überhaupt mit grosser

Vorliebe die mathemalischen Disciplinen (besonders auch die euklidische

Oplik) betrieben haben muss 335). Die arabischen Erklärer haben für die

Logik nur ganz im Allgemeinen einen Einfluss auf ihn; hingegen hat er

den Commentar des Themislius, auf welchen er öfters ausführlich eingeht,

fleissig benützt 336). Er selbst hält sich, mit Ausnahme einiger Digressionen,

strenge an den aristotelischen Text, welchen er unter steter Her

vorhebung des Zusammenhanges Satz für Satz erläutert , wobei sein

Hauptbestreben dahin geht, die „condusiones" des Aristoteles, d. h. die

wissenschaftlichen Haupt - Sätze , hervorzuheben , ja sie zu numeriren und

insbesondere syllogislisch zu formuliren 337). Zu beachten ist, dass Robert,

was den Text betrifft, sich an die Ucbersetzung des Boethius hält, wäh

rend er zugleich ausdrücklich einmal von mehreren verschiedenen Uebersetzungen

spricht 338) ; auch fmden sich zuweilen einzelne Worte, in deren

Wahl er von Boethius abweicht339); im Commentare selbst erscheinen

331) C. 56—61 enthallen so das I. Buch der Topik, C. 62 f. das II., C. 64

das III., C. 65 das IV., C. 66 f. das V., C. 68—74 das VI., C. 75-77 das VII.,

C. 83—89 das VIII.; endlich C. 90—98 enthalten die Hauptsache der Soph. Et.

332) C. 78—82. S. Abschn. XII, Anm. 96—102.

333) Die theologische Litteratur mag ihn immerhin als einen der bedeutendsten

Dominikaner bezeichnen; für uns hingegen ist er werthlos, indem er in seiner

Schrift De eruditione praedicalorum (gedruckt in Bibt. Max, Patr. Vol. XXV) nur den

Standpunkt der frühesten Kirchenväler (Abschn. XIII, Anm. 8—18) zeigt. Während

er bei „scientia praedicaloris" (I, 8, p. 433) nicht mit einem Worle logische Bit

dung erwähnt, kömmt er wohl gelegentlich der artes liberales (II, l, 65, p. 488)

darauf zu sprechen, veriongt aber von der Logik nur defensio fidei, ,ntelligenliu

seripturae und honos ecclesiae, die Warnung hinzufügend, dass der Logik nicht nimia

morositas, diteclio, curiositas zugewendet werde.

334) Commentaria Roberli Linconiensis in libros posteriorum Aristolelis cum lextu

serialim tnserto. Seriptum Guallerii Burtei super eosdem libros posteriorum. Veneliis,

1497. fol. (Die Ausgabe ist nicht paginirt, die Capitel-Eintheitung des aristolelischen

Texles weicht von der sonst üblichen, welche auch in der boethianischen Uebersetzung

erscheint, ah.)

335) Er verweitt am liebslen bei Beispielen, welche der Geometrie angehören,

cilirt mehrmals den Euklides, einmal auch (L. l, c. 17, d. h. c. 27) den Ptolemäus.

336) Den Themislins kennt er nicht etwa bloss mitlelbar durch die Araber,

sondern er hatle sicher eine ioleinische Uebersetzung desselben vor sich ; vgl. oben

Anm. 16.

337) So hebt er aus dem 1. Buche 32 conclusiones hervor.

338) t, 10 (d. h. c. 11, p. 77 a 10; die Worte des Aristoleles s. Abschn. IV,

Anm. 166) : iitlera aulem aliarum transtalionum et senlentia Themistil neutri praeiliclarum

senlenliarum videtur concordari.

339) So ist z. B. l, 14 (d. h. c. 15, p. 79 a 33, s. die Slelle Abschn. IV,

Anm. 668) ärdfitui nicht wie bei Boethius mit indivisibitiler, sondern mit indivi

86 XVII. Robert Capito.

einige Ausdrücke, welche von den Arabern herstammen 340), nie hingegen

wendet er die Kunstworte der byzanlinischen Logik an, obwohl es an

Gelegenheit hiezu nicht gefehlt hätte341).

Insoweit nun Robert's Thäligkeit bloss commenlirend ist, können wir

nicht näher auf dieselbe im Einzelnen eingehen; wohl hingegen handelt

es sich für uns um seine principiellen Gesichtspunkte 342). Er folgt,

während er dem Aristoteles sich hingeben zu können glaubt, jenem ara

bischen Realismus , welcher sich auch mit auguslinisch christlichen An

schauungen vereinbaren liess. Wir begegnen bei ihm nicht bloss jener

ethischen Wendung, welche schon Alfarabi (vor. Abschn., Anm. 13) der

Logik gab343), sondern auch die Auffassung, dass der intellectuelle

Gehalt (forma) der Dinge theils der Physik, theils der Mathemalik, theils

der Metaphysik anheimfalle, ist den Arabern entlehnt344). Aber mit

dualiler übersetzt, ebenso in der bekannten anlipiotonischen Stelle (c. 15, d. h.

c. 22, s. Abschn. Hl, Anm. 66) TepfTiffiUnr« nicht mlt monstra, sondern mit pro-

' digia; auch c. 17 (d. h. c. 24) ist taoax»its, welches Boethius als isosceles stehen

liess , durch aequilibiae gegeben. Dass übrigens die Uebersetzung des Boethius

nicht etwa bloss in den Druckausgaben eingefügt wurde, zeigt der Commentar Robert's

selbst, indem er eben den boethianischen Wortiout interprelirt.

340) Z. B. ansser dem häufigen „quidditas" (s. vor. Abschn. Anm. 93) auch

der Ausdruck „facultales" (s. ebd. Anm. 278), welchen Bobert (t, 11, d. h. c. 12,

zu p. 77 b 27) von den neben der Logik einhergehenden Disciplinen gebraucht.

Wenn «f,WiUftr« mit dignitales übersetzt ist, so kann bei ihm diess sowohl von

Boethius als auch von den Arabern (s. ebd. Anm. 60) entnommen sein.

341) In der Erklärung all jener Slellen, welche den wissenschaftlichen Werth

der Schtussfiguren betreffen (Abschn. IV, Anm. 667—678), hätle der Kürze halber

die byzanlinische Terminologie ihre Anwendung fmden können.

342) Es genügt in dieser Beziehung nicht, wenn man, wie Iiourtau (De io

phit. scol. I, p. 461 ff.) gethan, aus einzelnen Slellen nur den extremen Realismus

Roberl's nachweist; es muss auch gezeigt werden, wie derselbe trolzdem dem Ari

stoleles, welchen er ja inlerprelirt, folgen witl.

343) In dem seltenen Drucke Ruberti [sie] Linconiensis bonarum arlium oplimi

inlerprelis opuscuio dignissima nunc primum in tucem edita et accuralissime emendata.

Veneliis 1514. fol. fmden sich 19 kleine Tractate, an deren Aechtheit ich eben

nicht zweifeln möchle. Während die Mehrzahl derselben der Physik angehört,

können für uns hier in Betracht kommen: De artibus liberalibus , De veritale proposilionis,

De unica forma omnium, De veritale. In dem erslen derselben nun sagt

Robert (f. 2 r A): Opera nostrae polestalis aul mentis affectu et eiusdem adspectu

aut corporum molibus et eorundem affectibus omnia consistimt. Adspectus vero primo

adspicit, secundo adspecta sive incognita verificat , et cum verificata fuerint apud

menlem , inhial affectus ad amplexandum convenientia Adspectum grammalica

recte informal ; recle informatum quale sit, logica sine errore diiudical ; iudicatum

quale sit, ut moderale (ausgefallen appetal vel) fugiat affectus, rhetorica persuadet.

Officium namque grammalicae est, recle inlelligere et recle inlellecta recte pronunliando

apud allerum recle formare. Officium vero logicae est, quod formatum est

in inlellectu, secundum triparlitam ralionem sui quale sit iudicare et disculere. Rhe

torica vero quod maxime intendil, est affectum movere. Hierauf geht er sogleich

auf corporum molus über und mündet von den vier übrigen ortes merkwürdiger

Weise in Alchymie aus.

344) Summa m octo phgsicorum Arist. (gedruckt in einigen Venelianer Ausgaben

des Commentares des Thomas zur Physik; so z. B. in jener v. 1586, p. 276 ff.),

woselbst gleich zu Anfang: Est aulem forma triplex. Una est, quae secundum esse

et consideralionem est in maleria, et est, de qua considerat pbitosophus naturalis.

Secunda est, de qua considerat mathemalicus, quae nbstrahitur a molu et a maleria

non secundum esse, sed secundum consideralionem Terlia est ilin, de qua

XVII. Robert Capito. 87

einer Anschauung, welche uns an einen David von Dinant oder Amalric

von Ben erinnern müsste, wenn sie sich nicht durch eine grosse dogma

lische Auctorität zu decken versuchte, fasst er das allgemein Ideelle so

äusserst realislisch, dass er Gott als die Form aller Dinge bezeichnet345),

und es darf uns nicht wundern, wenn Auguslin's lux interior derarlig

zum realislischen Molive gemacht wird346), dass die Erkenntniss der

Universalien auf einer Erleuchtung (irradialio) beruhen soll 347). Die

ewigen platonischen Ideen sind ihm somit Principien des Seins und des

Erkennens als die bleibenden Formen im Gebiete des Zusammengesetzten,

in welchem die Kurzsichligkeit (vgl. oben Anm. 287) des schwachen Intellectus

nur secundäre Folgen der Universalien als blosse Principien des

Erkennens (nicht auch des Seins) erfassen kann 348). Indem aber diess

Letztere eben in der körperlichen Verdunklung unseres Geistes be

ruht, vermöge deren wir auf Induclion und Abstraclion angewiesen

considerat metaphgsicus, quae abstrahitur a maleria et a molu secundum esse et secundum

consideralionem, cuiusmodi sunt inlelligentiae el aliae substantiae separatae.

S. bei Avicenna, vor. Abschn., Anm. 72 f.

345) In dem Tractale De unica forma omnium (vor. Anm. 343), welcher jetzt

in weit besserem Texte vorliegt in : Roberli Grosscleste Epistotae ed. bg H. R. Luard.

London 1861. 8. (d. h. Rerum Britann. medii aevi seriptores, Vol. XXV.), woselbst

p. IC u. p. l : Respondeo, me senlire hoc verum esse, sc. quod deus est forma et

forma omnium; el cum sit forma, necessario est forma prima, quia anle ipsum

nihit Si aulem quaeras, quid me moveat, respondeo : „magna magni Augustini

auctoritas" n. s. w.

346) Im Tractate De veritale (f. 9 r A) : Cum lucidioris essenliae est res, quam

sua simititudo vel exempior, ciorior et aperlior oculo mentis sano est rei in se ipso,

cognilio, quam in sua simititudine vel exempiori. Ac per hoc cum divina essenlia

sit lii.i'- lucidissima, omnis cognilio per simititudines est per se ipsam obscurior; in

ralionibus enim aelernis ereaturarum in mente divina tucidissima, quae sunt ereaturarum

exempior tucidissimum , omnis ereaturarum cognilio cerlior et purior et

manifeslior est.

347) Comment. in Poster. Arist. I, 17 (d. h. zu c. 24, s. d. Slelle Abschn. IV,

Anm. 672: Est tux spiritualis, quae superfunditur rebus inlelligibitibus, el oculus

menlis se habet ad res intelligibites, sicut se habet sol corporalis ad res visibites.

Res igitur intelligibites magis receplibites ab acie menlis, quae simitiler est irradialio

spiritualis, perfectius penctrantur. Ebend. 19 (d. h. zu c. 33, s. Abschn. IV,

Anm. 48) : Est visus mentalis apprehensivus inlelligibitium el est /unten , quod

superfusum visui et visibiti facit visionem in actu.

348) Ebend. I, 7 (d. h. zu c. 8, s. Abschn. IV, Anm. 660) : Universalia sunt

principia cognoscendi et apud inlellectum purum et separatum a phantasmalibus possibite

est contempiori lucem primam, quae est causa prima, et sunt principia cogno

scendi raliones rerum inereatas exislenles ab aelerno in causa prima. Cogniliones

enim rerum causandarum, quae fuerunt in causa prima aelernaliler, sunt raliones

rerum causandarum et causae formales exemptares et ipsae sunt ereatrices, et hae

sunt, quas vocavit Ptato ideas el mundum arehetgpum, et hae sunt secundum ipsum

genera et species et principia tam essendi quam cognoscendi Hae igitur ideae

ereatae sunt principia cognoscendi apud intellectum ab eis irradiatum, et apud talem

intellectum sunt genera et species, et manifestum est, quod haec universalia sint incorruplibitia

Ipsa forma non est genus vel species, sed secundum quod ipsa

forma est sicul lolius compositi el secundum quod ipsa est principium cognoscendi

totum compositum, sie est genus vel species et principium essendi et praedicabite in

quid Inlellectus aulem debitis, qui non polest ascendere ad cognitionem horum

verorum generum, cognoscit res in accidenlibus solis consequentibus essenlias veras

rerum, et apud itlum sunt accidenlia consequenlia genera el species el sunt principia

sotum cognoscendi el non essendi.

88 XVII. Robert Capito.

sind 349), so kann man ja recht wohl für das irdische Jammerthal Aristoteliker

und zugleich für die himmlische Wonne Platonikcr sein , und es

kömmt nur aufs Handumdrehen an, dass die Universalien ante rem und

sogleich auch in re oder post rem sind 350). So spricht dann der

ekstalisch christliche Platoniker als Erklärer des Aristoteles von der

Macht der Sinneswahrnehmung351) und von der logisch-nominalistischen

Bedeutung der Universalien352), sowie er hinwiederum dem aristotelischen

Begriff'e der quiddilas seine platonische Kehrseite verleiht 353). Etwa an

Klarheit in Principienfragen übertrifft er sonach den Wilhelm von Auvergne

(s. oben Amn. 284 ff.) wahrlich nicht; dass aber auch Andere hierin

'picht besser waren, wird uns der weitere Verlauf zeigen. Robert's

Verdienst für seine Zeit liegt , wie bemerkt , in seiner fleissigen Exegese

des Einzelnen, wobei er jedoch weniger, als man erwarten sollte, arabi

sches Material verwendet; denn ausscr einer Bemerkung über den art-

349) Ebend. I, 14 (d. h. zu c. 18, s. Abschn. IV, Anm. 72): Deficienle induclione

accepta a singuioribus deficiel apud inlellectum cognitio universalts eorundem

singutarium Dico tamen, quod possibite est, quamlibet scienliam esse absque

sensus adminiculo ; in menle enim divina sunt omnes scientiae ab aeterno nos

namque non novimus singuioritalem huius „humanitalis" nisi per hoc, quod admiscemus

cam accidenlibus, ipsa vero novit eius singuioritalem in puritale essenliae

Simitiler pars suprema animae humanae, quae vocatur intelligentia , .«/ nun

esset mole corporis obnubitata, ipsa per irradialionem acceptam a tumine superiori

huberet completam _ scientiam absque sensus adminiculo Verumtamen non novit

ralio, esse actu universale, nisi postquam a mullis singuioribus hanc fecerit abstractionem,

et occurrit ei unum et idem in mullis singutaribus reperfam.

350) Ebend. I, 18 (d. h. zu c. 31, s. Abschn. IV, Anm. 81): Si aulem inlelligamus

universalia per modum Aristolelis formas repertas in quidditalibus particuiorium,

a quibus sunt res parlicuiores id quod sunt, tunc universale esse ubique

nihit aliud est, quam universale esse in quolibet suorum parlicuiorium, nisi

forle dicamus, quod universale ubique est, quia inlellectus est locus universalium

et per modum spiritualem ibi est, übi est itlud, quod intelligitur Si aulem

universalia sunt ideae in mente divina, tunc universalia ubique sunt per modum, quia

causa prima ubique est Quomodo aulem causa prima ubique sit, allioris

est negolii et non est nostrae pussibititalis expionare; verumtamen quod ita

sit, scimus.

351) Ebend. II, 6 (d. h. zu c. 19, Abschn. IV, Anm. 75) : Ex sensu igitur fit

memoria, ex memoria mulliplicata experimentum, et ex experimento universale, quod

est praeler particuioria non quasi separatum a particuioribus, sed est idem in illis,

artis sciticet et scienliae principium.

352) Nicht bloss, dass er die aristolelische Ansicht bezüglich des „unum de

mullis" (Abschn. IV, Anm. 137) mit völlig aristolelischen Worten umschreibt (I, 9),

sondern er gioubt sich sogar mlt jener entschieden anlipiotonischen Stelle (s. oben

Anm. 339) zurechtfinden zu können, indem er (I, 15) sagt: Formae separatae a

subicclis, quas posuit Pioto genera et species et praedicabitia, sunt prodigia, quae

fnrmat error inlellectus, quia licet sint ideae et raliones rerum inereatae ab

aelerno in mente divina, ipsae ideae nihit perlinent ad raliocinalionem, in qua praedicatur

aliquid de uliquo. Ipsae itaque ideae in se prodigia non srint , sed cum

inlellectus rult facere eas praedicabites de rebus, a quibus sunt divisae et separatae

in hac ordinalione, prodigia sunt; demonstraliones enim et raliocinaliones liani de

simpiiciter praedicabitibus.

353) Summa phgsic. (s. oben Anm. 344) p. 278: Quidditas in rebus compositis

est maleria et forma, el est aliud a forma, quae est allera pars composili, quia in

talibus quidditas inctudit lolum, sc. maleriam et formam; in rebus aulem simplicibus,

sicut in substanliis separalis, idem est forma et quidditas, quia in talibus non est

compositio maleriae cum forma, sed esse cum essenlia.

XV11. Robert Capito. Albertus Magnus. 89

machenden Unterschied 354) und ausser einer Erörterung über deßnüio

formalis und definüio materialis ist gerade bei manchen wesentlichen

Punkten kein arabischer Einfluss bemerklich355). Hingegen muss, wenn

auch als vereinzeltes Moment, doch erwähnt werden, dass er anderswo

gelegentlich eine Kenntniss der byzanlinischen Logik zeigt, indem er einen

Punkt, welcher der dorligen Lehre von der ampiialio (s. ob. Anm. 226)

angehört, etwas ausführlicher bespricht356); und insoferne er einmal auf

dieses Gebiet sich eingelassen hat, dürfte es auch nicht auffallend sein,

wenn wir in ihm den Verfasser einer Schrift über die Sgncalegoreumata

träfen 357).

Auch Albertus Magnus (geb. 1193, gest. 1280) war ein unklarer

Kopf und nicht befähigt, irgend eine grundsätzliche Auffassung hinaus

zudenken, soweit dieselbe reicht. Sein grosses Verdienst, welches ver

neinen zu wollen thöricht wäre, liegt in seiner unermesslichen Belesenheit,

durch welche er für seine" Mitwelt und nächste Nachwelt der bedeu

tendste Stoff-Lieferant wurde; aber Verstand oder etwa gar philosophische

Begabung besass er wohl nicht in höherem Grade , als die ganze grosse

Masse aller Mittelmässigen , ja, wie sich alsbald zeigen soll, sogar in ge

ringerem Grade358). Er ist nur Compilator, und Alles, durchweg Alles,

was er schreibt, ist fremdes Gut; ja auch seine bisweilen ins Endlose

gehenden Dislinclionen, welche man gerne an ihm rühmt, sind nicht sein

Erzeugniss; die Auswahl, welche er zwischen verschiedenen Ansichten

trifft , beruht nicht auf einheitlich festgehaltenen Grundsätzen , sondern

auf dem momentanen Drucke, welchen Auctoritäten auf ihn ausüben,

354) Comm. in Posler. Arist. I, 4 (s. Abschn. IV, Anm. 132): Est differenlia

causa formalis speciei et genus est causa speciei sicut forma malerialis vel sicul

maleria formalis. S. vor. Abschn., Anm. 166.

355) Ebend. II, 3 (d. h. zu c. 11, s. Abschn. IV, Anm. 693 f.): Ubi demonstratur

diffinitum de sua diffinilione, non demonstratur nisi de sua diffinilionc maleriali,

et medium proximum, quo ostenditur diffinitum de sua diffinilione maleriali,

est causa et diffinilio formalis diffiniti, et si egeat oslendi itio diffinitio formalis de

diffinilione maleriali, demonstrabitur per medium, quod est diffinilio malerialis respectu

diffinitionis formalis, et idem medium est diffinitio formalis respectu diffinilionis ma

terialis. S. vor. Abschn. Anm. 52. Hingegen finden wir bei ihm weder die principielle

Auffassung der Araber betreffs der maleria sgllogismorum (ebend. Anm. 51,

223, 275), noch die Ansichlen über praedicatum primum (ebend. Anm. 54 ff., 224),

noch auch jene Unterscheidungen einer demonstralio quia und einer dnmonstralio

propler quid (ebend. Anm. 62, 226, 281, 342).

356) Im Tractate De veritale propositionis (s. Anm. 343) f. 5 v B : Rem, quae

partim est vel fuit et parlim futura est, non necesse est ante complementum sui esse

totaliler vel fuisse . Est igitur veritas sermonis vel opinionis de futuro praesens

asserlio exislenliae rei in futuro, existentia vero rel futurae nondum est, sed

polerit non esse, et ita veritas de futuro secundum quid sui tam est et habet necessitalem,

secundum quid sui nondum est et habet conlingenliam Quaelibet

talium proposilionum „Anlichristus erit, Anlichristus est futurus" est vera non necessariu,

sed conlingens u. s. w. Vgl. unlen Anm. 470 f.

357) Es dürfte wenigslens gegen die hierauf bezügliche Vermuthung, welche

ich unten Anm. 558 aussprechen muss, nichts Erhebliches einzuwenden sein.

358) Wenn in Bezug auf bekannte Anekdolen über die erste Jugend und das

Grcisenalter des Albertus seine Feinde, die Franziskaner, von ihm saglen „Ex asino

phitusvphus factus et ex phitosopho osmus", so trafen sie hiemit, wenn auch in

derbslem Ausdrucke, doch etwas Richliges.

90 XVII. Albertus Magmis.

daher man sich auch nicht wundern darf, wenn man ihn häufig auf

Widersprüchen ertappt 359).

Albert hat in seinem ausführlichen Commentare zum ganzen Organon,

sowie in den für uns hier einschlügigen Parlien der Psychologie und der

Metaphysik im reichsten Maasse die Uebersetzungen arabischer Quellen benützt

und hiedurch das Material jener Controversen dargeboten, welche alsbald

nicht bloss über die Universalien, sondern insbesondere auch über das principium

individualionis geführt wurden (dass durch letztere Frage der

Universalien-Streit eine Zeit lang fast in den Hintergrund gedrängt wurde,

wird der weitere Verlauf bald zeigen). Sowie aber von Selbstständigkeit

der Auffassung bei ihm überhaupt kaum eine Spur zu fmden ist, so zeigt

schon die erste Frage, die wir an ihn richten müssen, dass er nicht ein

mal über die Geltung und Stellung der Logik eine feste Ansicht hatte.

Die Philosophie überhaupt theilt er mit Avicenna, welchem er selbst

wörtlich folgt, in theoretische und praklische 360), deren ersterer auch

er gleichfalls den wesentlichen Vorzug vor letzterer zugesteht361). Indem

359) Es wird wohl dereinst in Folge geschichtlicher Studien die in den Wer

ken über Geschichle der Phitosophie noch übliche Ausdrucksweise verschwinden,

dass Albertus Magnus (oder auch Thomas von_ Aquin) diess oder jenes „sage",

oder es so oder so „auffasse", oder diese oder jene „Begründung" gebe ; denn er

seihst sagl Nichts, fasst Nichts auf, begründet Nichts, sondern immer sind es seine

Quelleh^':welche 'Solches thun, und die einzig richlige Ausdrucksweise ist „hier

schreibt er Diesen ab und dort excerpirt er Jenen". Dieses Urlheit, welches Vielen

herb'klingen mag, aber eben geschichtlich wahr ist, gitt auch von den Natur

wissenschaften, und wenn z. B. Meger's treffliche Geschichle der Batanik die grösste

Ueberschätzung des Albertus Magnus enthält, so läge das einzige Heitmittel hiegegen

in Erforschung der Quellen, denn schliesslich beruht alle Pfionzenkunde des

Albertus (und z. B. auch seine oft angeführlen Bemerkungen über die Edelsteine)

auf izriechisch-arabischer Litteratur. Die Geschichte der Logik kann hierin einen

über sie selbst hinausreichenden Fingerzeig geben, während sie eine wahrlich nicht

mühelose Probe der richligen Behandtung darzubielen gioubt. Die Geschichte der

Naturwissenschaften wird bei Bormans (Bullet, de PAcad. Relgique, Vol. XIX, 1852)

wenigslens einen dankenswerthen Anfang anerkennen (F. A. Pouchet, Hist. des sciences

naturelles au mogen-dge ou Albert le Grand et son tpoque. Paris 1853. ist weit

davon entfernt, unsere Anforderung auch nur zu ahnen). — J. Sighart, Alb. M.,

sein Leben u. s. Wissenschaft (Regensburg 1857) ist wissenschaftlich ganz un

brauchbar.

360) De praedicab. I, 2 (Opp. ed. Jammg, Lugd. 1651. Vol. I) p. 2: Ea, quae

sunt, dicuntur esse aul ab opere nostro , sive a votuntale sive eliam ab inlellectu

scientiam quaerenle, aul a natura generaliler dicta, quae ab opere nostro causari

non polest (diese Zweitheitung des Avicenna s. vor. Abschn., Anm. 71). Et cum ea,

quae a natura sunt, nostrae sint causa scicntiae el non nos sumus causa ipsorum,

de talibus apud nos non est nisi scienlia conlemptaliva, quae tumine intelligenliae

perficitur. Eorum aulem, quorum nos sumus causa per voluntalem, non polest

esse apud nos seieulia specutaliva, sed tantum praclica. Eadem vero (der Text gibt

enim) sunt in quolibel scibiti principia et causae et elementa cognosccndi, quae sunt

principia asendi Simitiler igitur alicuius phitosophiae erit inlentio, comprehendere

veritalem eins, quod in 'nobis est secundum ralionem, quod ralionis

ductu via est in omnem cognitionem omnium Erit igitur de intenlione phitoso

phiae eliam logica scienlia, quae est ralionalis. Die Steltung selbst, welche die

Logik im Gebiete der Wissenschaften einnehme, ist hier noch unbeslimmt offen

geiossen.

361) De animolll; IV, 4, (Vol. III) p. 175 A: Conlemptalivus inlellectus hnbens

in se finem perfectior et nobitior est practico. S. vor. Abschn. a. a. O. Aber die

gegentheitige Auffassung s. unlen Anm. 369.

XVII. Albertus Magnus. 91

er aber nach dem gleichen Vorbilde die theorelische Philosophie (welche

in Mathemalik, Physik und Metaphysik zerfällt) als „realis" bezeichnet362),

so stellt er ebenso neben dieselbe, — abgesehen von der moralis —,

das Gebiet der „scientiae sermocinales", welche als blosse Wegweisung,

vom Bekannten auf Unbekanntes zu gelangen, gar keine wirklichen

Wissenschaften (non verae scientiae) und eigentlich auch kein Theil der

Philosophie, sondern, da in ihnen nur die „intentiones secundae" der

Dinge, nicht aber die Dinge selbst, betrachtet werden, nur „modi scientiarum"

oder „modi philosophiae" seien363), so dass dieser modus je

nach dem Inhalte der drei Haupt-Zweige, — nemlich der realis, moralis,

sermocinalis — , selbst wieder sich verschieden modificire 364). Und

wenn wir nun noch aus wiederholten Versicherungen, dass die Logik

als blosses methodisches Verfahren kein selbstständiger Theil der Philo

sophie sei 365), die Ansicht Albert's erfasst zu haben glauben, so staunen

wir wohl billig, wenn wir gerade in seinen die Logik selbst einleitenden

Bemerkungen das directe Gegentheil hievon lesen. Aber allerdings hätten

wir bei einem Schriftsteller, wie Albert war, uns das Erstaunen füglich

362) Phgs. 1; I, t, (Vol. II) p. l B: Tres sunt parles essenliales phitosophiae

realis, quae non causatur in nobis ab opere nostro, sicul causatur scientia moralis,

sed polius ipsa causatur ab opere naturae in nobis; quae partes sunt: naturalis, et

metaphgsica, et mathemalica Inle r vero parles itios prima quidem est universalis

de enle secundum quod ens, quod non concipitur cum motu et maleria sensibili

u. s. f. ganz nach Avicenna, s. ebend. Anm. 72 f. (insbesondere den dorligen

Begriff „res"). Ebenso Meiaph. VI; 1,2. Uebrigens wirkt dieser Gebrauch des

Wortes ,,realis", zumal da er auch bei Duns Scatus erscheint (s. Abschn. XIX,

Anm. 87) und somit gleichmässig von Thomisten und Scolislen acceplirt wurde,

sehr weit hinab bis in die spälere Bedeutung des Ausdruckes „Realislen".

363) Metaph. 1; I, l, (Vol. III) p. 3 A: Istae igitur sunt tres scientiae specutalivae

(d. h. Physik, Mathemalik, Metaphysik), et non sunt ptures Scienliae

lopicae non considerant ens et parlem enlis aliquam, sed intcntiones secundas (auch

dieser Ausdruck stammt aus Avicenna's Metaphysik , s. ebend. Anm. 74 a. Schl.)

cirea res per sermonem positas, per quas viae habentur veniendi de nolo ad ignolum

(dass dieses die allgemeine arabische Ansicht war, s. ebend. Anm. 15 u. 75) secundum

sgllogismum referentem et probantem; et ideo polius sunt modi phitosophiae

specuiolivae, quam aliqua pars essenlialis phitosophiae theoricae. Morales aulem

omnes non sunt contempiondi gralia, sed ut boni fiamus. Hiezu De anima l ;

I, 2, p. 2 B: Sunt quaedam scienliae, quas non quaerimus propler se, sed ut nobis

adminiculentur ad alia, sicuf scienliam topicorum problematum et scienliam de instrumento

scienliarum , qui est sgllogismus, et universaliter scientias sermocinales; et

itioe non sunt verae scienliae, sed modi scienliarum omnium, sicut in principio librorum

logicae dixisse nos meminimus. Dass bei letzteren Worten der Compiiotor

selbst nicht mehr wussle, was er anderwärts zusammengestöppelt habe, zeigt so

gleich unten Anm. 366 f.

364) De praedicab. I, 7, p. 10 B: Partes logicae generaliter habent docere modum

accipiendi scientiam Hie tamen modus .... variatur secundum diversitalem

maleriae, in qua quaeritur scientia. Nam in sermocinalibus aliter est in grammalica,

aliter eliam est in poelica, et aliter est in rhetoricis Aliter eliam

in ioudabitibus et ethicis In realibus scientiis aliter est in probabitibus et aliter

in necessariis et aliter in coniectantibus.

365) Phgs. I; I, l, p. 3 A: Logicus procedil ex communibus, quae inveniuntur

in mullis et non sunt essenlialia itlis (s. Avicenna, a. a. O. Anm. 74), et

ideo logica dicitur inquisiliva ad omnium methodorum principia viam habens. Ebend.

II, 1, p. 12 B: Logica eil alia a parte phitosophiae essentiali, quia logica polius

doect modum sciendi. quam scienliam, quae sit pars essenlialis phitosophiae. Metaph.

III; III, 6, p. 107 B: Dialectica non est aliqua pars essenlialis phitosophiae.

92 XVII. Albertus Magnus.

ersparen können ; denn wenn nun dort immerhin noch im Anschlusse an

Araber die Logik als specielle Wissenschaft, vergleichbar jener Kunst,

welche in der Schmiede den Hammer verferligt, bezeichnet wird366),

und ihr sogar ausdrücklich die Stellung eines selbstständigen Theiles der

Philosophie zukommt367), so münden ja diese Bemerkungen glücklich in

den Hafen einer anderen Auctorität, nemlich des Boethius, ein, welchem

die Logik zugleich als Theil und als Werkzeug der Philosophie galt (s.

Abschn. XII, Anm. 76), und an dessen Eintheilung m inventio und

iudicium wieder eine Stelle des Averroes angeknüpft werden konnte368).

Ja bei solcher Schriftstellern durfte Albert auch jener obigen (Anm. 361)

Bevorzugung des theorelischen Gebietes wieder das Gegentheil gegenüber

stellen und (wie andere Araber, als Avicenna, gethan hatten) die Logik

den praklischen Zwecken unterordnen 36!l). Sogleich hierauf aber acceplirt

er die durchgängig arabische Ansicht, dass der Gegenstand der Logik

die argumentalio sei, deren Begriff jedoch nicht in allzu enger Fassung

mit sgllogismus idenliflcirt werden dürfe , und natürlich ist bei solcher

Aufgabe die Logik, welche den Augenblick vorher als Theil der Philo

sophie gelten sollte, wieder zum instrumentum herabgesunken370). Eine

366) De praedicab. t, l, p. l A: Quidam enim antiquorum logicam nuliom esse

scientiam contenderunt dicentes, non passe esse scienliam id, quod est omnis scienliae

sive doctrinae modus (s. Abschn. XI, Anm. 120) p. l B: Sed non salis consideraverunt,

quod est quoddam commune, quod est in omni scientia; et hoc

est, quod per invesligalionem ralionis ex cognito devenitur ad cognitionem incognili.

(dann folgt ein Citat aus Avicenna, s. vor. Abschn., Anm. 80) p. 2 A:

Polet igitur, quod logica una est specialium scienliarum, sicut in fabriti, in qua

specialis est ars fabricandi malleum; investigalio enim sive ralio investigans

ignotum per notum speciale quoddam est. Hiezu vor. Abschn., Anm. 15.

367) Ebend. c. 2, p. 2 B: Hanc aulem scienliam, quae modus est omnis phi

losophiae, quidam nuliom parlem esse phitosopbiae conlendunt dicenles, non nisi tres

esse parles pbitosophiae, sc. phgsicam, mathemalicam sive disciplinabitem, et metaphgsicam

sive di,iinum (vgl. oben Anm. 362) Addunt eliam, quod nullius

rei modus cum re, cuius modus est, venit in generis sui divisionem Hanc

aulem opinionem alii quidam impugnantes dicunt, phitosophiae generalis esse intenlionem,

omnem omnium entium comprebendere veritalem (Nun folgt die oben,

Anm. 360, angeführle Slelle) (p. 3 A) Adhuc aulem huius stgnum dicuut, quod

upud peripalelicos phitosopbia in tres parles prima divisione divisa est, sc. in phgsieam

ethicam ralionalem (Es folgt nun die im vor. Abschn., Anm.

14, angeführte Slelle) Est igitur logica una parlium phitosophiae generaliler

dictae Horum aulem, quae dicta sunt, ralionem posuit Avicenna dicens, res

omnes tripliciler esse accipiendas (s. ebend. Anm. 74).

368) Ebend. c. 3, p. 3 B: Necessaria et ulilis est logica Est enim, ul dicit

llwtbins (Abschn. XII, Anm. 76), ralio disserendi, quae in duas distribuitur

parles, sc. scienliam inveniendi et scienliam iudicandi (p. 4 A) Etiam

Aristoleles dicit, quod modus sciendi ante scienliam quamlibet discendus est (s. vor.

Abschn., Anm. 293).

369) Ebend. p. 4 B: linlis est ad felicitalem haec scientia, sine qua non atlinnit,'

f felicitalis actus a. s. f. (s. ebend. Anm. 13 u. bes. Anm. 242).

370) Ebend. c. 4, p. 4 B : Quidam dixerunt, quod logica tola est de sgllogismo

et parlibus sgllogismi, delerminantes commune subiectum logicae secundum id, quod

est subiectum principale. JVon enim (p. 5 A) sotum docetur, quid sgllogismus

et qualiter et ex quibus sit, sed hie eliam docetur, quid argumentalio et quae partes

et species eins. Hierauf folgt betreffs der scientia sermocinalis die schon oben,

vor. Abschn., Anm. 84, angeführle Slelle , dann bezüglich der argumentalio die

Aeusserung ebend. Anm. 15, vgl. auch ebd. Anm. 78 f. Sodann p. 5 B: Utuntur

XVIt. Albertus Magnils. 93

Blumenlese arabischer Lehren über die Eintheilung der Logik (nach

incomplexum und complexum), über vox significaliva, über Universalität

und Parlicularität der Wortbedeutung (auch mit Einschluss der Denkbar

keit, dass es mehrere Sonnen geben könne), über die Verflechtung (collectio)

mehrerer VVesens-Beslimmtheiten in Einem Wesen, und über die Begriffe

des univocum, multivocum u. s. f. (mit Einschluss des „analogon"),

bildet die weitere Fortsetzung dieser Einleitung in die Logik371). Da

aber bezüglich jener Haupt-Eintheilung der Logik, wornach sie in Defi

nilion (— incomplexa —) und Argumentalion (— complexa —•) zerfalle,

die Araber geglaubt hatten, dass der erstere Zweig in der Ueberlieferung

nicht vorliege (vor. Abschn., Anm. 16), so gibt nun Albert zunächst eine,

offenbar aus Algazeli entnommene, Ergänzung dieser Lücke372), hierauf

aber schliesst er sich betreffs der Unterabtheilung des zweiten Haupt-

Zweiges vollständig an Alfarabi an373).

Indem wir nun allerdings von einem derarligen Autor auch bezüg

lich des Einzelnen keine grossen Erwartungen hegen dürfen 374), müssen

wir uns zunächst zur Isagoge wenden. Albert beginnt mit einer De

finilion des Universalen (quod aptum est, esse in pluribus), welche er

bei Alfarabi vorfand, aber wendet zugleich dieselbe in die mehr nominalislisch

klingende Auffassung (quod praedicatur de multis) des Avicenna

hinüber375), und nachdem ihm Boethius eine Bemerkung über den Nutzen

tamen sermone omnes sermocinales scientiae, sc. grammalica, poelica, rhetorica, el

quae vocatur logica (vgl. ebend. Anm. 18 f.) Sotus aulem logicus sermone ulitur,

proul est pars instrumenti, per quod sotum fides fit de incognito. Hiezu die

ebend. Anm. 399 angeführle Slelle.

371) Ebend. c. 5, p. 6 A vorerst die ebend. Aum. 16 u. 21 angeführlen Stellen,

dann (p. 6 B): Complexio aulem et incomplexiu (über diese arabische Unlerschei

dung s. auch Periherm. I; l, l, p. 237) non accidunt rei secundum quod res est,

nec eliam voci secundum quod est vox, sed accidunt voci secundum quod refertur ad

intellectum simplicem vel compositum, vgl. ebend. Anm. 85. Dann (p. 7 A) mlt wenig

veränderlen Worten ans Avicenna ebend. Anm. 86, 88 (woran der Spruch des Boethius

„universale intelligitur, singuiore sentilur", s. Abschn. XII, Anm. 91, geknüpft

wird), hierauf ebenso ebendorther Anm. 89, 93 und dann 31.

372) Ebend. c. 6, p. 8 A: Si quis quaerit scire incomplexum, .... non polest

invenire nntilium eius eist per diffinitionem Huius aulem principia el reguioe

sunt quinque el quini]ue corrupliones. Primum quidem, quod omnia posita in diffinitione

sint substantialia Secundum est, .... quod ullima differentia sit cum

diffinito converlibitis Tertium, quod prius positum in diffinitione se habeat ad

sequens sicul polentia propinqua ad actum Quartum est, quod diffiniens primum

sit per se nolum Quintum aulem, quod diffinilio dicat lotum esse diffinili

(p. 8 B) Peccata ipsius sunt quinque his opposita u. s. f. Vgl. vor. Abschn., Anm.

110 u. bes. 254.

373) S. die ganze bei Alfarabi, ebend. Anm. 17, angeführle Slelle.

374) Wenn Heim. Ritler (Gesch. d. Phit. VIII, S. 187) dem Albert das Ver

dienst zuschreibt, dass „im 13. Jahrb. die aristatelische Phitosophie besser erkannt

wurde , als noch in unserm Jahrhundert" (— dass die Schleiermacherianer den

Aristoleles nicht verslehen, ist freitich leider nur allzu wahr —), so wird sich

zeigen, wie solch oberflächliches Gerede durch genauere Forschung zu Schanden

wird. Albert hat den Aristatelismus nicht nur nicht erkannt, sondern geradezu corrumpirt,

und er ist hierin der Lehrer seines Schülers Thomas gewesen.

375) l>e praedicab. II, l, p. 11 A: Universale aulem est, quod, cum sil in uno,

aptum natum est in.se in pturibus (s. vor. Abschn. Anm. 24), el per hoc quod

in mullis per aplitudinem est, praedicabite est de itlis. Et sie universale est, quod

de sua aplitudine est in mullis el de mullis (s. ebend. Anm. 89).

94 XVII. Albertus Magnus.

der Isagoge an die Hand gegeben376), lässt er vorläufig durchblicken,

dass er keinenfalls Nominalist, aber auch (wie uns Solches in ähnlicher

Weise bei Wilhelm von Auvergne begegnete , s. oben Anm. 283) kein

eigentlicher Platoniker sei377). Suchen wir aber von ihm zu erfahren,

welche Geltung den Universalien beizulegen sei, so finden wir natürlich

durchweg den llauptkern der arabischen Doctrin, d. h. die Nebeneinander

stellung der Universalien ante rem, in re und post rem (s. vor. Abschn.

Anm. 24 f. u. bes. Anm. 179 ff.); aber im Einzelnen verfährt Albert so

gedankenlos, dass er nicht bloss in den verschiedenen Stellen, an welchen

er auf diesen Punkt zu sprechen kommt, sondern sogar in Einem Athemzuge

sich widerspricht. So lesen wir, dass die Universalien 1) an sich

als die einfachen Naturen exisliren, welche den Dingen Begriff und Namen

verleihen, 2) in den Dingen selbst vervielfälligt und verkörpert vorliegen,

3) aber im Denken sich fmden, und zwar a) in der obersten Intelligenz

Gottes und 6) im abstrahlenden „intellectus , qui agit universalüater

»"378); unmittelbar hierauf aber heisst es: die Universalien sind

1) ante rem die substanliellen Principien , 2) in re verleihen sie als be

fähigt, in Vielem zu sein, aber ja nicht als vervielfälligt, den Dingen Be

griff und Namen, und 3) post rem sind sie als Erzeugnisse der Abstraclion

blosse Accidenlien in der denkenden Seele370). Und während

letztere Dreitheilung, — noch dazu als eine „platonische" —, auch

anderwärts mit der Bemerkung erscheint, dass die Differenz zwischen

376) Ebend. p. 12 A: Est aulem necessarium et ulite ad diffinitionum assignalionem

eliam ad divisionum scienliam. S. Ahschn. XII, Anm. 85.

377) Ebend. c. 2, p. 12 B: Sunt tamen dicentes, quod in solis intelleclibus

sunt itio quoad nos, quae utrum sint et quomodo esse habeant, solus seit inlellectus.

Et tale esse in inlellectu universalia habere, dixerunt illi, qui vocabantur nominales,

qui communitalem, ad quam particuioria , de quibus dicuntur ipsa universalia, referuntur,

tontum in intellectu esse dicebant (natürlich hat er hiebe! der Tradilion

zu Folge den Roscellinus im Auge) Sunf aulem adhuc, qui dicunt, uni

versalia nonnisi ideale habere esse, secundum quod universalia sunt, et non esse res

coniunctas materiae, sed implere omnem maleriam suam imaginibus parlicuiorium.

378) Ebend. c. 3, p. 15 B: Universale triplirem habet consideralionem, s«, se

cundum quod in se ipso est natura simplex et invariabitis, et secundum quod refertur

ad intelligentiam, et secundum quod est in isto vel Mo. Primo quidem modo simplex

est natura, quae dal esse et ralionem et nomen (s. vor. Abschn. Anm. 182)

Per hoc aulem quod est in isto vel itlo, multa accidunt ei, quod est parlicuiotum

et individuatum, mulliplicabite vel mulliplicatum, incorporafum Per hoc

aulem quod est in intellectu, dupliciter consideratur, sc. aul secundum reiolionem ad

intellectum intelligentiae primae cognoscenlis et causantis ipsum, coius radius quidam

est; aul secundum reiolionem ad intellectum per abstractionem cognoscentem ipsum,

quod talis intellectus, secundum quod abstrahit ipsum, agil in ipso universalitalem

(s. ebend. Anm. 181).

379) Ebend. : Anle rem sunt formae secundum se acceptae principia rerum

exislenles (s. ebd. Anm. 95 u. 101). In re sive cum re ipsa sunt formae existenles

in ipsis dantes iis nomen et ralionem per id, quod sunt aptae esse in mullis et uni

versales, non tamen secundum quod sunt in itlis particularisatae el individuatae

el ad singutaritalem ductae. Sunt eliam formae post rem, quae sunt formae per

abstraclionem intellectus ab individuanlibus separatae, in quibus intellectus agit universalitalem.

Et primae quidem substanlialia rerum principia sunt; secundae aulem

rerum substantiae; lerliae aulem accidenlia el qualitales, quae nolae rerum in an i UM

acceptae vocantur el dispositiones vel habitus (s. ebd. Anm. 22 u. 85).

XVII. Albertus Magnus. 95

Plato und Aristoteles in den Universalien „in re" beruhe 3so), eröffnet

sich hinwiederum durch Beiziehung der Individuen eine Viergliederung,

indem die Universalien 1) ante rem als Causalitäten wirken, und 2) cum

re auftreten, wo sie o) als Formen das Denken und die Namengebung

bedingen, und fr) in re bestehen, indem sie entweder a) als potentiell

vervielfälligbar die eigentlichen Universalien sind, oder /3) actuell zu singulären

Individuen werden 38 1). Die Verwirrung aber steigert sich noch,

indem ja wieder die Universalien 1) verschieden von der Materie sind,

und zwar a) als an sich seiend, und V) als mittheilbar, was entweder

«) potenziell in den Dingen oder ß) actuell im Denken der Fall ist;

sodann aber 2) innerhalb der Materie, und zwar a) als Zweck und

6) als Quiddität, in welch letzterer das Gemeinsame durch Ahstraction

actuell in das Denken tritt382). Ferner kommt hiezu noch Folgendes:

Die Universalien sind 1) ante rem, und zwar a) der Zeit nach in Gottes

380) Phgs. I; I, 6, p. 8 B : Esl enim, ul Pioto alt, triplex universale, sc. ante

rem acceptum, el in re ipsa acceptum, et post rem ah ipsa re abstractum. Anle rem

aulem universale est causa universalis omnia causata praehabens polcntia rerum in

se ipsa. Universale aulem in re est natura communis secundum se accepta in parlicutari.

Sed universale a re acceptum per abstraelionem est intentio formae et simplex

cmceptus mentis, qui de re per abstrahenlem inlellectum habetur. De anima I;

I, 4, p. 5 B: Pioto posuit in omni re triplex esse universale. Unum quidem ante

rem, quod eral causa rei formalis secundum esse praecedens, quia separatum ipsum

esse posuit. Secundum in re, quod eral forma adhaerens ei una in mullis et de

mullis, et hoc unum dixit Pioto in essentia esse unum et in esse naturae et formae

in omnibus, Aristoleles aulem in ralione dixil unum, et in essentia et esse ptura.

Terlium aulem dixit esse post rem, quod est intentio (s. ebd. Anm. 74) universalis

in anima. S. auch Mctapb. III; III, 10, p. 111 B.

381) Metaph. VII; V, l, p. 286 A : Triplex est universale. Ante rem, et haec

est causa praehabens Aliud aulem est, quod est natura quidem prius re ipsa,

sed lempore est cum ipsa, et haec est natura rei formalis ; cum enim dico

„Aonio", duo importantur per nomen, sc. quo imponitur nomen, el cui. Et quo imponitur

ipsum nomen, est, quod primo formal el movel inlellectum, et per hoc

devenitur ad hoc, cuius est itio forma, et haec est substantia, cui nomen imponitur

Si consideratur secundum esse, quo est in parlicutari, hoc est duobus

modis. Hoc enim polest considerari secundum polentiam et aplitudinem, qua secun

dum esse mulliplicabite est in parlicuioria, et sie est universale; aut consideratur,

secundum quod est actu in illis, el sie est singutare suppositum sub communi na

tura demonstratum; et hoc modo est lertio modo dictum universale el sie praedicatur

de omni eo, de quo praedicatur. Aehnlich De nat. el orig. an. i, 2, (Vol. V)

p. 186 B.

382) De inlellectu et inlellig. I, 2, (Vol. V) p. 247 B: Utrum universale sit in.

solo inlellectu, an ctiam in re extra Dicimus, essenliam uniuscuiusque rei

dupliciler esse considerandam. Uno modo, prout est natura diversa a natura maleriae

sine eius in quo est Alio modo, prout est in maleriu sive in eo, in quo est individuata

Kl primo quidem modo adhuc dupliciler consideratur. Uno quidem

modo, prout est essenlia quaedam absotuta in se ipsa; alio modo, ul ei convenil

communicabititas secundum apliludinem, et sie proprie vocatur universale ;

omnis enim essenlia communicabitis mullis universale est, eliamsi actu nunquam dat

esse nisi uni, ul sol Per hanc igitur aplitudinem universale est in re extra,

sed secundum actum existendi in mullis non est nisi in inlellectu (also was in vor.

Anm. polenziell genannt war, heisst hier actuell, und umgekehrt) Proul aulem

tam parlicipatur ab eo , in quo est, adhuc duplicem habet consideralionem. Unam

quidem, prout est finis generalionis vel compositionis substanliae Secundo aulem

modo, prout ipsa est lotum esse rei et sie vocatur quidditas Hoc ergo ullimo

considerata forma praedicatur de re, cuius est forma, et sie separata per mlellectum

96 XVII. Albertus Magnus.

Intelligenz, und 6) dem Wesen nach als Formen, 2) in re als mittheilbar,

3) post rem durch Abstraelion , und 4) ratione universalüatis, insofcrne

die Gemeinsamkeit einigend (uniens) wirkt383*).

Ist schon hieraus klar, dass der unverständige Compilator uns alles

Mögliche zugleich darbietet, was nur immer aus den Arabern aufzuraffen

war, so warten unser erst noch die ärgsten Widersprüche. Indem wir

nemlich in dem Bisherigen trotz aller Verwirrung immerhin im Ganzen

den Intellectualismus Avicenna's erblicken dürfen3831"), führt uns Albert

an dem Punkte, in welchem wir ihn am meisten als einen Copisten der

arabischen Aristoteliker beim Worte zu nehmen gedächten, direct in das

Fahrwasser arabisch-neuplatonischer Myslik. Indem er nemlich die Frage

erörtert, ob das Universale im sinnlich Einzelnen oder ausserhalb dessel

ben sei, benützt er zunächst die arabische Ansicht betreffs „in mullis"

und „de nadtis", sowie insbesondere Avicenna's Unterscheidung zwischen

natürlicher Gattung und logischem Gattungsbegriff384), und bezeichnet

das Universale als die Wesensform, welche einerseits z. B. „humanilas"

und andrerseits z. B. „homo" ist385). Und da nun dieses Form-Wesen

(natura formalis) durch seine Fähigkeit in Vielem zu sein, zur substan

liellen Eigenschaft (qualitas subslantialis , — Alles nach arabischem

Vorbilde —) des Einzelnen werde, sei eben das Universale durchaus

est universale in inlellectu, el ideo aplitudo suae communicabititalis reducitur ad

actum in inlellectu separanle ipsum ab individuanlibus.

383a) Metaph. V; VI, 5, p. 221 B: Anle rem aulem dicitur universale dupliciler.

Cum enim omnia sint in inlellectu primae causac sicut in formali et primo

tuminc, hoc igitur modo aeceptum universale habet quoddam esse speciale, quod

est esse causae inlellectualis Alia aulem modo dicunt universale anle rem non

tempere, sed substanlia et ralione, et haec est forma aut causa formalis accepta

constituens esse rei; hoc aulem cum indifferens sit in omnibus , quae sunt

eiusdem speciei, sie indivisum habet unam ad omnia vel multa retalionem

Universale aulem quod dicunt esse in re, est eadem forma parlicipata a mullis actu

vel polentia, et haec quidem dicitur universalis, eo quod de se semper est communicabitis

et propagabitis in multa ex uno Universale aulem quod est post rem,

i'st Jorma in esse abstraclionis Esse aulem universalis in ralione universalitalis

(s. vor. Absclm. Anm. 183) est sie accipiendum: in universali quidem aliud est

id, quod est ipsum universale, el aliud est universalitas sive universitas ipsius, sicut

in hoc universali „homo" aliud est ipsa natura, quae homo est, et aliud est communitas

ipsius sive communio (s. ebend. Anm. 93), quia universale nec est

unum nec est multa. Universalitas aulem ipsius, quae magis proprie dicitur universitas,

est ex respectu sui ad supposita, quae respicit itio sicut uniens palet,

quod in ralione huius universitalis aliud habst esse , quam sit esse eius anle rem

vel in re vel post rem aeceptum.

383 b) S. hierüber auch die so eben erschienene Schrift Haneberg's, Zur Erkenntnisstehre

von Ihn Sina und Albertus Magnus. (Abhdlgn. il. bay. Akad. d. Wiss.)

München. 1866.

384) De praedicab. II, 5, p. 19 A: Restat nunc de dißcitlima quaeslione disserere,

ntrum universalia sint separata a sensibitibus, an in sensibitibus et singuioribus

posita. Hierauf folgen die ebend. Anm. 24 u. 23 angeführlen Stellen , sowie eine

Erklärung, welche dem Sinne nach mit dorliger Anm. 180 übereinslimmt.

385) Ebend. c. 8, p. 24 A: Universale est forma et est forma lolius. Sed

forma tolius dupliciler designatur in nomine. Designatur enim ut forma tantum,

sicut „humanitas".... et ideo non praedicatur de eo, cuius est forma Designatur

eliam ul forma lolius lotum esse dicens, cuius est forma, sicut „homo"

dicil esse formale. S. ebd. Anm. 93. Uebrigens ist dieses die Quelle der alsbald

eintrelenden Controverse über u,"las formae oder pturalitas formarum.

XVII. Albertus Magnus. 97

nicht eine für sich getrennte Substanz386), denn nur in der Mittheilbarkeit

(communicaMlilas) liege die Beziehung des Universale auf das Ein

zelne, so dass (wie z. B. bei der Sonne) von der actuellen Vielheit des

Einzelnen abgesehen werden müsse387). Für die Verwirklichung aber

des Einzelnen selbst sei die Materie als Princip zu betrachten (— principium

individuationis —, nach Avicenna) , und die aristotelische Auf

fassung sei die richlige388), während Plato einerseits durch die Los

trennung der Universalen von ihrer materiellen Individualisirung sich im

Irrthume befinde389), und andrerseits doch wieder dieselben durch

mathemalische Formen verkörpere , so dass er gerade in den Principienfragen

jedenfalls dem Aristoteles nachstehe390). Ja die Auctorität des

aristotelischen Begriffes „Gvvokov" (s. Abschn. IV, Anm. 461 u. 471 ff.)

packt den Albert so heflig, dass er ausruft, es gebe abgesehen von dieser

innigen Verbindung des Stoffes und der Form gar kein Universale, als

nur das in der denkenden Seele erfasste 39t), und er kann somit jene

386) Metaph. VII; V, l, p. 286 B: Universale sie dictum (d. h. als mulliplicabile,

s. ob. Anm. 381) est esse substanliale, quod semper est in alio, nec esse polest,

quaudo in alio non est; et hoc modo non est substanlia, sed substanliale quoddam

esse (s. vor. Abschn., Anm. 95 u. 101), quod accidit substanliae per hoc, quod uni

versale secundo modo dictum (d. h. als singuiore suppositum) est qualitas substanlialis

et substanlia existens C. 2: Quod aulem impossibite sit, quorumlibet

substantiam esse de numero universaliler dictorum, videtur mullis ralionibus ......

(p. 288 B) Ex omnibus igitur inductis manifestum est, universale secundum esse universalis

substantiam dislinctam et per se exislenlem non esse.

387) Ebend. V ; VI, 6, p. 222 A : Communicabilitas igitur causa est, quod comparatur

(sc. universale) pturibus p. 222 B: Sufficit universali, quod ipsum

de se ambial multa, sive itio sint sive non sint, dummodo sint, de polenlia sui ambitus,

sicut palet in forma solis. S. ebend. Anm. 89.

388) Ebend. III; III, 10, p. HOB: Cut« mim maleria soio principium sit in

dividualionis (s. ebd. Anm. 22 u. bes. 184) et nihit sit singuiore nisi maleria vel per

maleriam, si nihit est forma praeler maleriam (nemlich nach der hier bekämpflen

Ansicht der Atomiker), nihit erit in re nisi singuiore c. 11, p. 112 B:

Secundum igitur intellectum Aristolelis dicimus, omnes formas polenlia esse in maleria

et per molum educi de ipsa (s. Abschn. IV, Anm. 468—505). Hierin sodann liegt

die Quelle der zweilen einftussreichen Controverse (vgl. Anm. 385) , nemlich der

jenigen, welche über die Individualion geführt wurde.

389) Ebend. VII; V, 5, p. 292 A: Si forma simplex sit singuioris , ista nunquam

polest esse universalis ; et hoc modo dicunt de ideis, quod quaelibet est sin

guioris separata, non allendenles, quod omnis forma de se communicabitis est,

et quod eliam nomen individui a formis communicabitibus imponitur, sed principium

individualionis in ipso est maleria. Ebend. XI; I, 7, p. 353 B: Nolilia maleriae est

ittud, quod in re sentitur et subiicitur quantilali et situi et sensibitibus, et dicitur

secundum hoc maleria, cum qua est hoc aliquid ens, eo quod ipsa est primum prin

cipium individualionis. S. auch De sex princ. I, 5, p. 199.

390) De praedicab. II, 4, p. 17 B: Pioto .... universalia dixit esse corporalia

quaedam in mathemalicis ralionibus et formis conslituta; quod aulem quidam dicunt

de universalibus immalerialium, ut angeli et animae, nihit penitus valel ad proposilum;

talia enim dixit Pluto ab aelerno consislere et radios quosdam tucis primae

esse (p. 18 B) Nullo modo universale est corporale, quia est sicul natura corporis,

cui per aptitudinem dicendi de mullis accidit universale esse (p. 19 A)

Aristoleles in omnibus, quae dixit, Piotoni praeponatur in posilione nec est curandum de sophisticis quibusdcm, qui anle nos quaedamprisnccriippsieorruunmt.;

391) Metaph. III; II, 7, p. 91 B: Quaeslio aulem haec est, utrum aliquid sil

forma et universale praeler maleriam et sgnolon (sive simul tolum), quod est parlicuiore

p. 92 B: Non ponemus ralionabititer formalem et separatam domum

PHANTL, Gesch. III. 7

98 XVII. Albertus Magnus.

arabischen Stellen abschreiben , in welchen alle logischen Momente der

Universalien als Accidenlien derselben und die Universalien selbst als

blosse Erzeugnisse des abstrahirenden Denkens bezeichnet werden, obwohl

er dabei seine Begeisterung für das aristotelische öwoAov insoferne wieder

vergisst, als er vorerst von dem Ansichsein der Universalien plaudert092).

Wenn er aber ferner den subjecliven nominalislischen Standpunkt so stark

betont, dass aus der Manigfalligkeit des Einzelnen die substanlielle Aehnlichkeit

(similitudo) oder die Gemeinsamkeit (communita») nur vom abstrahirenden

Denken als Universale erfasst werde, und somit das Denken

ausdrücklich als Causalität der Universalien, welche hiemit nur post rem

sind, zu betrachten sei393), und wenn er dieses Universale post rem

entschieden polemisch gegen Plato kehrt394), so sollte man doch wohl

glauben, Albert habe eine bestimmte Ansicht. Mit nichten.« Er belehrt

uns ja selbst, dass ihm all solcher aristotelischer Nominalismus bei Leibe

nicht Ernst sei; denn in einer längeren Stelle, in welcher er von einer

dreifachen Geltung der Universalien spricht, um schliesslich mit der Dar

legung einer vierfachen Geltung derselben aufzuhören , hat er jenes so

entschieden bevorzugte Universale post rem ganz und gar beseiligt , und

aliquam, quac sit pracler domos maleriales, nisi ponamus eam in anima lectonici

Non propler scientiam vet ulilitalem oporlet nus ponere, forn,am extra animam hahere

esse praeler sgnolon.

392) Ebend. V; VI, 7, p. 223 A: Natura aulem itio, quae est universale simplex,

nutiira est secundum sc ipsam existens ex suis constans diffinientibus

Sie enim non pendet esse suum ex inlellectu esse vel in supposito esse Accidit

(s. vor. Abschn., Anm. 85) enim ei, esse in hoc et in Mo, et per hoc ejficitur proprium;

accidit eliam eidem, referri ad multa, et per hoc efficitur universale sive

commune; accidit eliam eidem, esse separatum, et per hoc efficitur intelligibite ;

accidil eliam ei, lerminatum esse et indivisum, et per hoc efficitur unum; et accidit

eidem adhuc, dividi per maleriae divisionem, et per hoc efficitur multum

(p. 223 B) Universale, licet ab hoc, quod est in intellectu, non sit universale, non

est tamen universale nisi ens in inlellectu; hoc enim modo est universale, prout

accipitur unum de omnibus ; unum aulem de omnibus non est in esse, quod habet in

rebus ; igitur proul unum est separatum ab omnibus ; buiusmodi aulem fit per

inlellectum. S. ebend. Anm. 74.

393) VII; V, 3, p. 290 A: Oportel igitur, quod universale esse universalis sit

disposilio parlicuioris el sit substantialis particuiorium simititudo; et ideo non est

substantia eorum Natura ipsa, quae forma est ut natura considerata, mulliplicabitis

est in multa et tnnc multa est et divisa et singuioria; quia tamen est essenlialis

simititudo, inleilectus agit eam ex mute's ad unum, quia unum est, quod

abstrahitm ab omnibus ; el haec communitalis unitas procedit a singuioritale sua in

maleria, inquantum est causa simititudinis essenlialis. Et hoc modo universale in

inlellectu est et posterius et non causa rei particuioris, sed causatur ab ipso per

inlellectum abstrahenlem , et sie palet, quod est esse quoddam, sicul disposilio est

esse eius, quod disponitur per ipsam. Anal. post. I; I, 3, p. 518 B, woselbst nach

der im vor. Abschn., Anm. 22, angeführten Slelle folgt: Ex hoc quod universale

denudatur a maleria el individuanlibus , eo ipso est universale, unde eo ipso,

quod est in inlellectu, est universale. Ebend. II, 3, p. 529 A: Animal , quod est

universale, aut nihit est aul posterius est, et quod in „Sex principiis" dicitur (s.

Abschn. XIV, Anm. 487), quod omnis communitas a singuioritale procedit.

394) De anima I; I, 4, p. 5 A: Cum intellectus noster accipit intenliones essenlialium

principionim et abstrahit eas a maleria et ab individuantibus aliis, tunc

agit in eis universalitalem. Sie universale poslerius est, quando ut universale accipitur,

et non sicul prius dixit Pioto, quod praecederet secundum esse omnia sua

parlicuioria.

XVII. Albertus Magnus. 99

indem er bemerkt, die Universalien seien 1) an sich existente Naturen,

2) mit der Fähigkeit behaftet, in dem Vielen zu sein, 3) in „spiritualer"

und „speculaliver" Geltung im Lichte der göttlichen Intelligenz , und

4) quanlitaliv individualisirt in der Materie, so knüpft er an das zweite

dieser vier Glieder noch die Unterscheidung, dass man jene Fähigkeit (des

Einwohnens im Vielen) entweder in die Dinge selbst oder in das mensch

liche Denken verlegen könne, und sowie man im ersteren Falle Realist

und im Letzteren Nominalist sei, so könne er doch nicht die Bemerkung

unterdrücken, dass er seinerseits die realislische Ansicht aufrecht halte 395).

Allerdings hätte er sich so all jene Plagiate aus Avicenna (und uns die

Mühe , dieselben zu registriren) ersparen können ; aber da er ja Realist

sein will , so darf er auch den Geist des Auguslinus heraufbeschwören,

indem er meint, das Universale an sich und in den Einzelndingen und

in der denkenden Seele sei doch all das Nemliche , d. h. es sei eben

das „Licht" der göttlichen Intelligenz 396). Und so bricht vielleicht seine

eigentliche Geistesrichtung, in Folge deren er freilich ein Talent zum

Missverstehen des Aristoteles besitzen musste, am meisten in seiner Schrift

„De causis et processu universüatis" durch , in welcher er mit Ver- l

gnügen in der Myslik jenes gleichnamigen Buches (De causis, s. oben /

Anm. 23 ff.) wühlt und natürlich nur die in Gottes Intelligenz befmd

lichen Universalien kennt 397).

395) De praedicab. IX, 3, p. 93 A: Omnia quinque tripliciler considerari possunt.

Si enim in se accipiantur, sunt naturae quaedam Si aulem accipiuntur,

secundum quod naturae illi simplici additur aplitudo ad hoc, quod sint in pluribus

inferioribus , tunc itio iam efficiuntur universalia Utrum aulem haec aplitudo

sit in re , quae sua simplicitale apta sit exislere in pturibus, vel sit in solo

inlellectu , ita quod »ofM» intellectus simititudinem naturae unius ad eandem

naturam in specie in alio accipiat, quaestio fuit. Et primo quidem modo itli

dixerunt, qui reales vocabantur, secundo aulem modo hi, qui dicebantur nominales.

Et hoc ad praesens non disserendum; tamen in praecedenlibus hoc sustinuimus,

quod dixerunt reales Haec aulem eadem natura accepta in tumine inlelligenliae

operatur ad esse spirituale (p. 94 A) Per hoc aulem, quod in

sensibitibus et in maleria efficiuntur ad quanlitalem, efficiuntur multa

(p. 94 B) Et sie itio natura in quadruplici esse accipitur, sc. in esse naturae simplicis,

in esse aplitudinis ad multa, in esse tuminis inlelligentiae, in esse individui

designals per individuantia. Et ideo habet ralionem naturae per primum, et habet

ralionem universalis per secundum, et ralionem inlellectus specuiolivi per lerlium, et

ralionem particuioris et individui per quartum.

396) Ebend. II, 6, p. 21 B: Intellectus in formis agit universalitalem

(p. 22 A) Universale unum numero et essenlia est in anima et in se ipso et in singutari,

nec differt nisi secundum esse delerminans ipsum ad hoc vel ittud

Simititudo de tuce et colore bona esl Id unum, quod in tribus ipsum facit

esse, est vis inlelligenliae primae, quae causa universi esse est in omuibus. C. 7,

p. 23 B : Universale naturae producitur in esse ab agente inlelligenlia, quae operatur

per suum inlellectuale tumen in omni natura. Dieses erbauliche neupiotonischauguslinische

Gleichniss fmdet sich auch insbesondere De Praedieam. II, 3, p. 107 A:

Secundum veritalem sunt tres substantiae formales. Sunt enim formae, quae sunt

tantum formantes, et itioe sunt primae formae procedenles a tumine agenlis inlellectus

Et sunt formae substantiales, quae sunt cum eo ingredientes in esse rei et

conslituentes, quae sunt sicut tumen causa coloris Et simititer substantiae for

males, quae sunt sicul color est immutalivus visus vel molivus secundum actum tucidi.

397) Z. B. I, 2, 5, (Vol. V) p. 544 A: Primum principium habet scientiam omnium

generum et specierum et individuorum tam substantiae quam accidenlium, quod

7*

100 XVII. Albertus Magnus.

Wollen wir aber aus diesem Wirrwar uns wenigstens die Termino

logie vor Augen stellen, in welcher sich diese Lehre von den Universalien

bewegt, so treffen wir auf Grundlage der arabischen Quellen 398) folgende

Begriffe: vor Allem aptitudo (Anm. 375, 379, 381 f., 390, 395) und

communüas oder communicabililas (Anm. 377, 380—383, 387, 389,

392 f.), auch multiplicabile (Anm. 378, 381 f., 393); sodann forma

oder natura formalis (Anm. 379—381, 383, 385, 389, 391, 393), selbst

quidditas und finis (Anm. 382), richliger qualüas subslantlalis (Anm.

379,386) oder universalitas (Anm. 383); ferner betreffs -der subjecliven

Seite intentio (Anm. 380, 394) oder disposüio (Anm. 379, 393), auch

referri (Anm. 377, 392), insbesondere aber abslractio (Anm. 378—380,

382 f., 393), und hiemit zusammenhängend wieder similüudo (Anm.

393, 395), ja selbst indifferens (Anm. 383). Wenn aber viele dieser

Begriffe auch in der logischen Parteispaltung des 12. Jahrhunderts (s.

Abschn. XIV) eine Rolle spielten, so besteht dennoch hier keine geschicht

liche Conlinuität mit jenen damaligen Bewegungen (höchstens betreffs des

Gilbertus Porretanus, mil welchem Albert natürlich sympathisirt, ist durch

obiges Citat, Anm. 393 . für jene vereinzelte Stelle ein Zusammenhang

nachweisbar), sondern all die bunte Manigfalligkeit der Ausdrücke beruht

auf den Arabern, deren Darstellungen durch Albert's blindes Zusammen

raffen mit Einem Schlage bekannt wurden. Darum gestaltet sich auch,

wie wir sehen werden , nach Albert und Thomas die Parteispaltung in

ganz anderer Weise, als in jenen früheren Jahrhunderten.

Hatte ich im Bisherigen die unerquickliche Aufgabe , den Albert in

, der logischen Principienfrage geradezu als einen kopflosen Menschen dar

zustellen, so muss ich nun sein Schreiber -Talent auch noch in Kürze

durch die einzelnen Gruppen und Theile des Inhaltes der Logik hindurch

begleiten399).

Nachdem er die Zahl und Reihenfolge der fünf Universalien be

gründet hat400), macht er sich an die Einzeln-Erörterung derselben. Was

zunächst genus betrifft, so handelt es sich unter den verschiedenen Wort

bedeutungen desselben um die logische401), wobei auch an eine mögliche

Relalivität des Gattungs-Begriffes 402), sowie überhaupt an die accidentelle

und die substanlielle Aussage zu denken ist 403), indem ja das Haupt

gewicht auf der Quiddität liegt 404). Bei Erläuterung des Accidenet

species esl conslitulionis omnium, u. s. f. in diesem Tone durch das ganze

Buch hindurch.

398) Ich habe im II. Bd. S. 350 auch betreffs der Araber diesen Punkt ins

Auge gefasst.

399) Eine unnütze Raumverschwendung schiene es mir zu sein, wenn ich nun

für das folgende Detait des Organons all j, ne Stellen, in welchen Albert Arabisches

benützt und h'öchslens im weitschweifigen Wortioule von diesen seinen Quellen ab

weicht, vollständig abschreiben wollle. Ich beschränke mich daher (unler Ver

weisung auf die betreffenden Anmerkungen des vorigen Abschnittes) auf blosse

Ziffer-Citate, durch welche mich ja, wer Lust hat, immerhin controlliren kann.

400) De praedicab. H, 9, p. 25 B. S. vor. Abschn. Anm. 107.

401) Ebend. III, l u. 2, p. 26 ff. S. ebend. Anm. 109.

402) Ebend. c. 3, p. 29 B. S. ebd. Anra. 112.

403) Ebend. p. 30 A. S. ebd. Anm. 94.

404) Ebend. p. 30 B. S. ebd. Anm. 116.

XVII. Albertus Magnus. 10t

teilen 405) erscheint dann hier zum ersten Male der auf gröblichstem

Missverständnisse einer aristotelischen Stelle beruhende Begriff des „Indi

viduum vagum" 408), bei dem Substanliellen hingegen kommt das Verhältniss

des quale und des quale quid zur Sprache 407).

Auf die Begründung, warum hierauf species sich anzureihen habe408),

folgt nun gleichfalls die Erörterung der verschiedenen Bedeutungen dieses

Wortes 409) , wobei die von Avieenna weiter oben geführte Controverse,

ob nicht Gattungs- und Art-Begriff sich wechselseilig im Kreise drehen,

nachgeholt wird410). Bei der Frage, welche der beiden üblichen Defini

lionen der Species die richligere sei 4 1 l) , bringt Albert einmal eine

Verbesserung bei412), gelangt aber zuletzt zum gleichen Resultate wie

Avieenna413). Mit grösster Ausführlichkeit aber wirft er sich sodann

auf die Tabula logica des Porphyrius 4 1 4) , wobei er nicht bloss auf die

Geltung des „ens"415) und auf die beispielsweise Beiziehung des Be

griffes „Engel" kommt416), sondern auch zur Verdeutlichung einmal die

Ausdrücke „collectio" und „adunatio" gebraucht, in welchen er offenbar

durch Gilbertus Porretanus beeinflusst ist417).

Auch bezüglich der differentia bahnt die Frage über den Sprach

gebrauch418) den Weg zur Unterscheidung der alterirenden und der

artmachenden Differenz, deren qualitalive Funclion (in quale quid) fest

zuhalten ist419), so dass sich hieran ebensosehr jene Erwägungen über

die Gradabstufung der Qualitäten knüpfen420), wie die Frage über das

Entblösstsein an die Unterscheidung der theilenden und der couslituirenden

Differenz421). Das Verhältniss sodann der Differenz zum Gattungs- und

405) Ebend. c. 4, p. 31 A. S. ebd. Anm. 157.

406) Ebend. p. 31 B: Individuum ab Aristolele designatur in Praedicamenlis

ut vagum, ut „aliquis homo, aliquis bos", et de hoc polest esse dubium,

utrum de uno solo an de pturibus praedicetur (s. die Slelle Abschn. IV, Anm. 387.

Albert spricht noch öfter von diesem monströsen Begriffe, z. B. ebend. IV, l, p. 35 A.

IV, 7, p. 49 A. De praedicam. II, 2, p. 107 A).

407) Ebend. p. 32 A n. B. S. vor. Abschn., Anm. 106 f.

408) Ebend. IV, l, p. 34 A. S. ebd. Anm. 118.

409) Ebend. p. 35 A. S. ebd. Anm. 119.

410) Ebend. p. 35 B. S. ebd. Anm. 113.

411) Ebend. p. 37 A n. c. 2, p. 37 B. S. ebd. Anm. 28 u. bes. 121 f. (auch

die geschichtliche Frage des Avicenna, ebd. Anm. 120, fehlt hier nicht).

412) p. 37 A: Haec quidem sotulio est Amecnnae (s. ebd. Anm. 121). Possei

tamen melius die», quod cum individui parlicipulione non parlicipet immediale

nisi species, de differenlibus numero non praedicatur immediale nisi species u. s. w.

413) Ebend. 2, p. 38 A. S. ebd. Anm. 128.

414) Ebend. 3, p. 39 A. S. ebd. Anm. 132. Die Abstufung von genus generalissimum

zur species specialissima ist das Thema aller noch folgenden Capitel

dieses IV. Buches.

415) Ebend. p. 41 A. S. ebd. Anm. 32.

416) Ebend. 4, p. 42 A. S. ebd. Anm. 117.

417) Ebend. 6, p. 46 B: Quod aulem commune est et universale, semper est

colleclivum et adunalivum Calligere et adunare sunt idem in substanlia, differunt

tamen secundum ralionem u. s. f. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 473 f.

418) Ebend. V, 1. p. 50 A. S. vor. Abschn. Anm. 135.

419) Ebend. p. 51 f. S. ebd. Anm. 138—140.

420) Ebend. 2, p. 54 A u. B. S. ebd. Anm. 148 f.

421) Ebend. 3, p. 55 f. S. ebd. Anm. 145 f. u. 198.

102 XVII. Albertus Magnus.

Art-Begriff führt zur Erörterung darüber, dass die Gattung nur Potenz,

nicht aber Stoff sei422), indem hiedurch die Aussagbarkeit der Differenz

als eines Universale bewahrt bleibe 423) , und zugleich an der engeren

Definilion der Differenz festgehalten werden könne 424).

Ebenso verfährt Albert an der Hand der Araber auch beim proprium425)

und beim accidens, bei welchem er aber die Einwendungen

Avicenna's gegen Porphyrius nicht gelten lässt, sondern inslinctmässig mit

den Schwächen des Letzteren sympathisirt 426). Hingegen was aus Avicenna

über die Berührungspunkte und Unterschiede der fünf Universalien

entnommen werden konnte, bietet Albert in unerträglicher Weitschweifig

keit dar427), um zuletzt noch aus gleicher Quelle auf den substanliellen

Nexus aller Universalien hinzuweisen428).

Die Kategorien knüpft Albert (gleichfalls auf arabischer Grund

lage) dadurch an die Universalien an, dass es sich nur um jene „Gat

tungen" handle , welche unter die fünf Universalien subsumirt werden

können, wornach er das Wort „praedicamentum" förmlich als synonym

mit „praedicdbile" behandelt429). Die Auctorität aber einer Stelle des

Boethius veranlasst ihn, die Kategorien ziemlich nominalislisch zu be-

~ trachten 430), und ebendorther wiederholt er die scharf dualislische

Scheidung zwischen Substanz und Accidens 431). Die Einzeln-Erörterung

aber bietet wenig Principielles dar; sie bewegt sich nur in einem höchst

422) Ebend. 4, p. 58 ff. S. ebd. Anm. 194, 140, 166, 301, 193.

423) Ebend. 5, p. 61 f. S. ebd. Anm. 141 f.

424) Ebend. 6, p. 63 f. S. ebd. Anm. 297 u. 144. Eine vereinzelte Pole

mik Albert's gegen Avicenna in diesen Discussionen habe ich bereits ebend. Anm.

150 angeführt. Uebrigens füllen Erörlerungen über die engere Definilion der

Differenz noch den ganzen Rest dieses V. Buches.

425) Ebend. VI, l u. 2, p. 70 ff. S. ebend. Anm. 152—155.

426) Ebend. VII, 1—3, p. 74 ff. S. ebd. Anm. 29 f. u. 156—159, woselbst

ich Avicenna's gerechle Bedenken erwähnte; Albert aber meint (p. 77 A): Grades

phitosophi hanc Porphgrii accidentis deseriplionem reprehenderunt Quod aulem

subiungitur de divisione accidenlis, ralio est, ul ostendatur assignalio vera de utroque

accidenle u. s. w.

427) Ebend. VIII, 1—13, p. 79—91. S. ebd. Anm. 162—170. Tadelnde Be

merkungen über Porphyrius werden aber von Albert auch hier ignorirt (z. B. jene

ebd. Anm. 171) oder ungeschickt widerlegt (z. B. jene ebd. Anm. 164 durch die

Worle p. 80 A: Tam genus aulem quam differentia praedicatur de pturibus speciebus,

dicit Avicenna. Quod quamvis non sit neecssarium, tamen non est impossibite, quia

in pturibus hoc invenitur).

428) Ebend. IX, l, p. 91 B. S. ebd. Anm. 172—174.

429) De praedicam. I, l, p. 95 A: Sequitur igitur vunc delerminare de his,

quae ad se invicem sunt ordinanda secundum genera, species, differentias, propria

et accidenlia Et ideo hie ordinabitia ad subiici et praedicari sunt ordinanda

et delerminanda secundum omnem sui diversitatem, quae consislit in decem generibus

praedicabitium sive praedicamentorum. Vgl. ebd. Anm. 17 u. 91 u. ob. Anm. 114.

430) Ebend. ; Ordo praedicabitium non polest delerminari nisi secundum quod

sub voce habet praedicabite designari, rebus enim inquisilive incognilis non possumus.

Propler quod dicit Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 84), quod haec scienlia, sc.

libri praedicamentorum, est de decem primis vocibus prima genera rerum significanlibus

(die widersprechende Kehrseile hievon s. unlen Anm. 444).

431) Ebend.: Partes aulem huius subiecli sunt ordinabitia secundum diversum

modum praedicandi in substantia et accidente, et in accidenlibus secundum omnia

novem genera accidenlium; et sie mullitudo i» lim tu restringitur in decem genera, ul

- dicit Boethius (s. ebend. Anm. 90).

XVII. Albertus Magnus. 103

weitschweifigen Commentare, in welchem wir durch den arabischen Stoff

hindurch noch die griechischen Commentatoren (namentlich den Simplicius)

durchblicken sehen. So begegnen wir als Gegenständen solcher Exegese

zunächst den Begriffen des Synonymen, Homonymen, Analogen u. dg].432).

dann der sog. regula de quocunque, welche auch hier in Verbindung

kommt mit dem Dictum de omm433), ferner den Angaben über den

quidditaliven Charakter der Substanz 434) , über den Unterschied der

substantia prima und sectmda435), über das substantiale 436) , über die

bloss subjeclive Bedeutung der Relalion437) u. s. f. Aber den lieferen

Fragen scheint Albert hier absichtlich aus dem Wege zu gehen , und so

benützt er auch jene Controverse nicht, welche Avicenna darüber geführt

hatte, ob Qualität und Quanlität zu den Accidenlien gehören438). Hin

gegen fand er es für nöthig, zur Erklärung der sechs letzten Kategorien

das pfuscherische Machwerk des Gilbertus Porretanus nicht bloss voll

ständig aufzunehmen, sondern auch in peinlichster Ausführlichkeit zu

commenliren439), wodurch er sich das traurige Verdienst erwarb, dass

die „Sex principia" auf lange Zeit förmlich in das Organon recipirt

blieben440). Ausserdem bürgerte sich durch Albert's Auctorität die

Nomenclatur „Antepraedicamenta" (Synonym u. s. f.) und „Postpraedicamenta"

(die vier Gegensätze, prius, simul, motus, habere}, welche wir

allerdings auch schon bei Ahälard trafen (Ahschn. XIV, Anm. 272), nun

ganz allgemein ein441).

Bei Erklärung der Schrift De in t er p r etatione, welche hier zum

ersten Male in zwei Bücher getheilt erscheint442), hatte Albert einen

reichen Stoff vor sich, indem er mit den Commentaren der Araber auch

jenen ausführlicheren des Boethius verbinden konnte ; und indem er diess

432) Ebend. I, 3, p. 99 B. S. vor. Abschn. Anm. 191 n. 31.

433) Ebend. c. 6, p. 102 A. S. ebd. Anm. 192 u. Abschn. XI, Anm. 152.

434) Kl1en,I. H, l, p. 106 A. S. vor. Abseift., Anm. 33.

435) Ebend. c. 3, p. 107 f. S. Abschn. XI, Anm. 151.

436) Ebend. c. 10, p. 117 B. S. vor. Abschn., Anm. 196.

437) Ebend. IV, l, p. 141 A. S. ebd. Anm. 35. Ebend. c. 7, p. 149 A, vgl.

ebd. Anm. 207.

438) S. vor. Abschn., Anm. 199.

439) Acht Tractale (p. 194—236) widmet Albert in stupider Hingabe jenem

Producle, dessen Armseligkelt ich oben, Abschn. XIV, Anm. 485 ff., zu schit

dern hatte.

440) Wenn nemlich allerdings auch schon Lambert v. Auxerre bei Uebertragung

der byzanlinischen Logik das Buch De sex principiis eingereiht hatle (s. oben

Anm. 116, vgl. auch Anm. 173 u. 308), so wurde diese Ergänzung doch nur durch

Albert zu einer so allgemein üblichen, dass noch die Drucke der ioleinischen

Uebersetzungen des Organons bis ins 16. Jahrb. hinab sämmtlich dieser Sitle

huldiglen.

441) De praedicam. I, 6, p. 102 A und VII, l, p. 173 A. Bei der Frage, zu

welcher Kalegorie die Bewegung gehöre, schliesst sich Albert (VII, 14, p. 190 A)

an Avicenna an (s. vor. Abschn., Anm. 208).

442) Periherm. II; I, l, p. 268 A: JVane sub allerius libri prsncipio de consequentiis

enunlialionum u. s. w. Sicher beruht diese Trennung, gemäss welcher

(nach der jetzt üblichen Numerirung) mit dem 10. Capltel das zweite Buch begann,

ebensosehr auf arabischer I.üleratnr wie die Zertheitung des Buches Soph. Etench.;

s. ebend. Anm. 64. In den Drucken des Organons erscheint diese Abtheitung noch

bis in das 17. Jahrb.

104 XVII. Albertus Magnus.

wirklich that, haben wir auch hier nicht von individuellen Verdiensten

desselben zu berichten, sondern nur einige Punkte bezüglich ihrer Quellen

hervorzuheben. Er knüpft das Buch, von welchem er auch erwähnt,

dass es Andronikus für unächt gehalten habe443), in boethianischer Auf

fassung derarlig an die Kategorien, dass in letzteren die in Worten

bezeichnete Sache , in ersterem aber die redende Bezeichnung (sermo)

der Sache die Hauptsache sei444), und in Bezug auf die nachfolgende

Syllogislik flxirt er den Sprachgebrauch der Worte „enuntiatio" und

„propositio" 445). Es folgen sodann unter Benützung der Araber die

üblichen Controversen über wo;446), women447) und ver&um448), sowie

die Eintheilung der Satzarten 449), und hierauf in grösster Ausführlichkeit

die Erörterung über die sog. Infinitalion 450). Bei Besprechung der Ein

heit des Urtheiles nimmt Albert die arabische Unterscheidung auf, wornach

das copulalive Urtheil nur als zusammengesetztes, hingegen das condilionale

und disjunclive als einheitlich verbundene (coniunctione unum) be

trachtet werden soll451), und ebenso folgt er arabischen Vorbildern

bezüglich der Qualität452) und der Quanlität453) der Urtheile, sowie bei

ein paar einzelnen Schul-Controversen 454). Die Lehre aber von der Ent

gegensetzung und Aequipollenz entwickelt er vollständig nach Boethius 45S),

so dass natürlich auch hier jene wahren inneren Schwierigkeiten des

aristotelischen Buches (s. Abschn. IV, Anm. 203 f. u. 235) ungelöst

bleiben. Endlich bezüglich der modalen Urtheile wiederholt er den

443) Ebend. I; I, l, p. 238 B. Die Quellenslelle des Boethius nebst jener

des Andronikus selbst s. Abschn. IX, Anm. 45.

444) Ebend. c. 2, p. 240 A: Est enim liber praedicamentorum de decem vocibus

prima principia significanlibus et secundum rerum proln-ietales, non vocutm (seinen

eigenen Selbstwiderspruch , — s. oben Anm. 430 — , brauchle natürlich Albert

nicht zu bemerken). Hie unlem in scienlia de inlerpretalione est inchoalio a sermonc

sive voce et lerminatur in rem. S^ Abschn. XII, Anm. 84 u. 110.

445) Ebend. c. l, p. 238 A: Propositio est enunlialio stans sub forma sgllogismi.

S. Abschn. XI, Anm. 153, u. Abschn. XII, Anm. 111 f. u. 133.

446) Ebend. II, l u. 2, p. 242 ff. S. vor. Abschn., Anm. 210.

447) Ebend. c. 4, p. 246 f. S. ebd. Anm. 211.

448) Ebend. III, l, p. 254 ff. S. ebd. Anm. 38.

449) Ebend. II, 2, p. 243 A: Nec deprecaliva nec optaliva nec coniunctiva nec

infinitiva cum vero vel falso significant, sed quando est indicaliva. Ebend. IV,

l, p. 258 A: Oralio perfecta dividitur; non enim omnis oralio enuntialio est, sed

ilio sota, in qua indicalive est significatum (der Herausgeber der Werke Albert's

hat ungeschickter Weise hierin eine Meinungsverschiedenheit zwischen Albert und

„Thomas erblickt). S. bei Boethius Abschn. XII, Anm. 111.

450) Ebend. c. 5, p. 248 ff. S. vor. Abschn., Anm. 212.

451) Ebend. IV, 2, p. 258 B: Composita (sc. est enuntialio) sive ptures, in qua

vel ptura de uno vel unum de pturibus vel ptura de pturibus dicuntur, ut si

dicam „Soerales et Pioto currunl" u. s. f Coniunclione aulem unae sunt, in

quibus consequentia , quam nolal coniunclio, facit unitalem , et hoc non est nisi in

conditionali et disiuncliva. S. ebd. Anm. 215.

452) Ebend. V, l, p. 260 f. S. ebd. Anm. 213.

453) Ebend. p. 261 A u. bes. II; l, 3, p. 272 B. S. ebd. Anm. 214.

454) Ebend. II; l, 5, p. 276 A u. 277 A. S. ebd. Anm. 40 f.

455) Ebend. I; V, l, p. 260 ff. u. II; I, l f., p. 269 ff. S. Abschn. XII, Anm.

113 — 118. Nur bedient sich Albert der nicht-boethianischen Terminologie „aequipottcnlia".

XVII. Albertus Magnus. 105

Standpunkt, dass der Modus selbst Prädicat ist456), ergänzt aber die

Verhältnisse der Entgegensetzung und Aequipollenz (wahrscheinlich aus

Alfarabi) vollständiger, als Boethius gethan hatte457), wobei auch aus

Averroes die aristotelische Unterscheidung zwischen possibile und conlingens

eingehalten wird 458).

In beiden Analytiken zeigt sich uns Albert als einen höchst red

seligen Exegeten des aristotelischen Textes, bleibt aber dabei ähnlich wie

Averroes der reinen Lehre des Aristoteles im Ganzen getreu. So nimmt

er betreffs des gegenseiligen Verhältnisses der zwei Analyliken in der

ersten wohl die arabische Unterscheidung zwischen Form und Stoff des

Schliessens auf459) und denkt auch mit Avicenna an populäre nichtformulirte

Schlüsse 460) , zieht aber bei Erklärung der Syllogislik selbst,

— insbesondere bezüglich der modalen Syllogismen461) —, die Araber

nur zur Verdeutlichung bei und eignet sich etwa höchstens die Ansicht

an, dass die Prämissen der Stoff und die Figur die Form des Schlusses

sei462), oder dass bei den drei Figuren die sechzehn möglichen Combinalionen

der Urtheile zu erwägen seien463), oder dass für Auffindung

des Mittelbegriffes die versinnlichen de Darstellung des Averroes zweck

dienlich sei464). Hingegen ist er nicht bloss bezüglich der theophrasli-

456) Ebend. II; H, l, p. 279 A: Si aulem quaeritur, quid sit praedicalum in

enuntialione modali, dicimus cum Boelhio et Alfarabio, quod modus est praedicatum.

S. ebend. Anm. 119.

457) Ebend. c. 4, p. 283 A u. B : Est aulem haec disposilio in figura, ut facilius

videatur, quod dictum est:

Prima linea: Secunda linea:

Possibite est esse. Possibite esl non esse.

Non possibite est esse. Non possibite est non esse.

Conlingit esse. Conlingit non esse.

Non contingit esse. Non continnit non esse.

Terlia linea: Quarta linea:

Kon impossibite est esse. Non impossibite est non esse.

Impossibite est esse. Impossibite est non esse.

Non neecsse est esse. Non necesse est non esse.

Necesse est non esse. Necesse at esse.

In hac disposilione prima linea sequitur lerliam et secunda quartam per omnes

modos, et sie eliam correctus est error anliquorum et vera consequentia modalium

est disposita. Die unvollständigere Angabe des Boethius s. ebend. Anm. 122.

Uebrigens s. auch b. Algazeli, vor. Abschn., Anm. 262. Dass das Ganze nicht aus

der byzanlinischen Logik entnommen ist, zeigt die Vergleichnng mit obigen Anm.

46 u. 164; anders verfuhr Thomas, s. unlen Anm. 541 ff.

458) Ebend. c. 6, p. 286 A. S. vor. Abschn., Anm. 315.

459) Anal. pr. I; I, l, p. 289 f. S. ebd. Anm. 51, 265, 317.

460) Ebend. c. 2, p. 290 B. S. ebd. Anm. 80.

461) Nachdem ihn c. 11 ff. p. 299 ff. schon die Umkehrung der modalen Ur

theite sehr beschäfligt hatle, — s. ebd. Anm. 46 u. 218 —, verbreilet er sich 1II,

1—9 u. IV, 1-29, p. 325-383 in grösster Ausführlichkeit über die modalen

Schlüsse. S. ebd. Anm. 47.

462) Ebend. II, 2, p. 307 B. S. ebd. Anm. 216.

463) Ebend. c. 6, p. 312 B. S. ebd. Anm. 268.

464) Ebend. VI, 3, p. 401. S. ebd. Anm. 328. Auch hat sich von jener

Stelle des Averroes her durch Albert für die Erörlerungen „De invenlione medii"

die üblich gebliebene Terminologie „Conseqilenlia, Antecedentia, Repugnanlia" ein

gebürgert.

106 XVII. Albertus Magnus.

sehen Modi der ersten Figur, welche bei ihm auch sgllogismi conversi

heissen, zurückhaltend, indem er (Algazeli und Averroes hatten sie gänz

lich beseiligt) nur zwei derselben anerkennt465), sondern er bekämpft

auch mit Averroes ausdrücklich die Berechligung einer vierten Figur466).

Ja, was die Hauptsache ist, er überbietet sogar den Averroes darin, dass

er die hypothelischen Syllogismen völlig abweist467) und somit im Gegen

satze gegen die übrigen Araber den Begriff der vnö&ea»s ganz aristo

telisch behandelt468). — Als beachtenswerthe Einzelnheiten habe ich zu

erwähnen, erstens dass Albert in der Syllogislik die übliche Buchstaben-

Bezeichnung ebenso wie Boethius rechtferligt und für dieselbe den Aus

druck „termini transcendentes" wählt469), und zweitens ganz besonders

dass er gelegentlich einmal die byzanlinische Lehre von der appellalio

verwerthet, und zwar merkwürdiger Weise in einer Form, welche nicht

bei Petrus Hispanus , sondern schon bei Wilhelm Shyreswood er

scheint470). Und es macht uns diese Stelle, sowie die obige des Robert

Capito (Anm. 357) so ziemlich den Eindruck, als wäre damals die

byzanlinische Logik noch ganz unabhängig neben der aristotelisch -arabi

schen einhergegangen , denn später wenigstens gestaltet sich die Sache

ja ganz anders471).

Auch in der zweiten Analylik ist Albert's Verfahren überwiegend

nur exegelisch, doch lässt er sich dabei hier etwas mehr von den

465) Ebend. c. 2, p. 400 A: Ad sgllogizandum indirecle eonversus erit

»gllogismus coneludens minorem de maiori extremitale (vgl. Abschn. IX, Anm. 100).

Ebend. II, 13, p. 322 A: Est indirecle coneludere in duobus modis, quorum unus habet

maiorem universalem affirmalivam et minorem universalem negalivam, et aller habet

maiorem particuiorem affirmalivam et minorem universalem negalivam (d. h. es sind

diess unler den fünf theophraslischen Modi, s. Abschn. V, Anm. 46, die zwei letzlen,

welche in der byzanlinisch - ioteinischen Logik, — s. oben Anm. 52 —, Fapesmo

und Frisesomorum, bei den Späleren aber Fesapo und Fresison heissen)

Quamvis aulem Boethius ponat quinque modos indirecle coneludentium in prima figura

-(Abschn. XII, Anm. 136), tamen hie non ponuntur nisi duo qui dicti sunt, quia itli

formantur iuxta inuliles coniugaliones. S. vor. Abschn., A Hin. 268 n. 321.

466) Ebend. c. 5, p. 311 B u. c. 13, p. 325 A. S. vor. Abschn., Anm. 322.

467) Ebend. III, l, p. 326 A. S. ebd. Anm. 327.

468) Ebend. V, l, p. 385 A. S. ebd. Anm. 324.

469) Ebend. I, 9, p. 298 A : Quia de sgilogismo loquimur simplici, qui tantum

formaliler sgllogismus est et in omni maleria habet poni et nullius maleriae est proprius,

ideo lerminis ulimur transcendenlibus nihit et omnia significanlibus. S. Abschn.

XII, Anm. 133.

470) Ebend. c. 10, p. 299 A: Ad haec aulem solvenda et simitia (d. h. Bedenken

ober die Umkehrung der Urtheite) duo praenolanda sunt, sc. regutae appeliolionum

et consequenliarum (über letzleren Begriff s. unlen Anm. 610 ff.). Reguioe aulem

appeliolionum sunt, quod nomen „homo" supponens verbo praelerili vel futuri lemporis

polest appeliore pro homine, qui est vel qui fuit, si verbum est praelerili

lemporis, vel pro homine, qui est vel qui futurus est, si est verbum futuri lemporis.

S. bei Withelm Shyreswood oben Anm. 64 (bei Petrus Hispanus oben

Anm. 228 f.).

471) Indem nemlich keine Rede davon sein kann, dass bei Albert die byzan

linische Lehre von den Proprietales lerminorum als solche in die Logik aufgenommen,

geschweige denn etwa (wie bei Occam) syslemalisch mlt derselben verflochten wäre,

werde ich durch solch vereinzelte Stellen in meiner obigen Annahme über Vincenz

v. Beauvais (Anm. 319 -326) durchaus nicht irre gemacht. An eine Unächtheit

aber der Stelle des Albert oder jener des Capito zu denken, liegt keinerlei Ver

aniossung vor. Vgl. auch unten Anm. 544.

XVII. Albertus Magnus. Thomas v. Aquino. 107

Arabern beeinflussen. So finden wir ausser den einleitenden Bemer

kungen472) die arabischen Anschauungen über das xct&' ciüto473), über

nu&öKov und praedicatum primum474), über die dignitates , A. h.

obersten Denkgesetze475), ja auch über demonstratio potisstma476). In"

den Erörterungen über demonstratio quia und demonstratio propter

quid neigt er sich im Gegensatze gegen Alfarabi näher dem Avicenna zu,

als dem Averroes 477); hingegen in Unterscheidung einer definitio formalis

und definüio materialis, worauf er auch anderwärts zu sprechen

kommt, folgt er wieder, wie schon Robert Capito (Anm. 355) gethan

hatte, dem Alfarabi478).

Was endlich die Topik und Sophistik betrifft, welche beide er

gleichfalls in ausführlichster Weise commenlirte, so weist er der ersteren

im Gegensatze gegen Alfarabi und Avicenna jene Stelle an , welche sie

tradilionell im aristotelischen Organon einnahm479), und sucht auch ge

legentlich eine arabische Ansicht bezüglich des ganzen Gebietes der Dia

leklik zu berichligen480). „

Durch Albert nun lässt sich Thomas von Aquino (geb. 1225 oder

1227, gest. 1274) leiten und beslimmen, und es wäre ein grosser Irr-

Ihum. denselben für einen selbstständigen Denker zu halten481). Er ist

von zwei Auctoritäten zugleich gefesselt, von der christlich-dogmalischen

und von der (durch Albert's Belesenheit übermittelten) aristotelischen;

472) Die Stelle ist schon im vor. Abschn., Anm. 51 angeführt; vgl. ebend.

Anm. 276 f.

473) Anal. post. I; H, 8-11, p. 535—541. S. ebd. Anm. 56.

474) Ebend. c. 13, p. 543 u. IV, 11, p. 584. S. ebd. Anm. 57, 224, 283.

475) Ebend. I, 4, p. 520 u. III, 4, p. 559. S. ebd. Anm. 60 u. 225. Durch

die Uebersetzung der betreffenden Stelle des Aristoleles (Abschn. IV, Anm. 147)

blieb hiebei die Terminologie „subiectum, passio, dignitales" üblich.

476) Ebend. III, 6, p. 563. S. vor. Abschn. Anm. 62.

477) Ebend. II; I, l, p. 610 ff. S. ebd. Anm. 62, 226, 342.

478) Ebend. I; II, 17, p. 551, u. II; U, 10, p. 630, n. Metaph. VII; I, 12,

p. 259. S. ebd. Anm. 52.

479) Top. t, Prooem. p. 659. S. ebd. Anm. 17 u. 230.

480) Metaph. IV; 1,7, p. 127 B: Dialeclici el sophistae in nsu eandem

subindunt figuram cum primo phitosopho Sed differt phitosophia a dialeclica

quidem modo polestalis et virtulis medii, a sophistica vern differt secundum

sitae proaeresin. Ebend. III; III, 6, p. 107 B: Dialectica et prima phitosophia saepe

sunt cirea eadem el de eisdem tractanles, sed dialectica inquisiliva est, nee

opinor vera esse, quae dicit Averroes, quod sc. dialecticus et primus phitosophus communicent

in probabitibus ralionibus. S. ebd. Anm. 231 u. 380.

481) Es ist z. B. geradezu lächerlich, wenn K. Werner (in seinem dreibändigen

Werke „Der heitige Thomas von Aquino". Regensburg 1858 f.) der Logik und Er

kenntnisstheorie des Thomas 175 Seilen in einer Weise widmet, wie wenn die ganze

aristatelische Logik die „Lehre" des „heitigen" Thomas wäre. Für den Geschichts

forscher zeigt sich ja auch Thomas als eine höchst secundäre Natur. Uebrigens

verwerthet Werner bei seiner Darsleltung, welche überhaupt manche argen Irrthümer

enthält, fortwährend Slellen ans den sachlich unächlen Schriften des Thomas in

ungenirtesler Gleichsleltung mlt den ächlen. H. E. Piossmann, Die Schule d. h.

Thomas v. Aqu. Ersler Hürsaal: D. Philos. d. h. Th. Ersler Theit: Logik. Soest

1858. hat eigentlich mit Thomas durchaus Nichts zu schaffen, sondern entwickelt

jene abenleuerlichst zusammengestoppelte Logik , welche in den thomislischen Vor

lesungen und Priesler-Seminarien des vorigen und jetzigen Jahrhunderts in Spanien,

Italien und gewissen Landstrichen Deutschionds üblich war oder ist.

108 XVII. Thomas voii Aquino.

und wer sich in religiöser Beziehung volle Unbefangenheit bewahrt oder

errungen hat, wird in der ganzen sogenannten Philosophie des Thomas

Nichts weiter erblicken, als eine unverständige Verquickung zweier we

sentlich disparater Standpunkte; denn nur Sache eines unklaren Ver

standes kann es sein , wenn man (— wie ich schon wiederholt hervor

gehoben habe —) den aristotelischen Substanz - Begriff neben der christ

lichen Trinitätslehre festhalten zu können glaubt, oder wenn man die

aristotelische Ethik in christliche Moraltheologie verballhornt482).

Was wir über Thomas hier zu berichten haben, kann vor Allem nur

auf Ausscheidung der ächten und der unächten Schriften desselben be

ruhen; und indem in dieser Beziehung nur die sog. Opuscula in Frage

kommen können, bemerke ich, dass mir in Uebereinslimmung mit älteren

und neueren Untersuchungen483) unter den zur Logik gehörigen (— denn

z. B. De unüale intellectus contra Averroem gehört nur zur Psycho

logie —) kleineren Schriften nur folgende als ächt gelten: vor Allem die

Erstlingsschrift des Thomas De ente et essentia (Opusc. 30), sodann De

principio individuationis (Op. 29), De quatuor opposüis (Op. 37), De

natura verbi intellectus (Op. 14), De propositionibus modalibus (Op. 40),

und De fallaciis (Op. 39). Die übrigen als unächt vorläufig bei Seite

lassend484) muss ich, wie sich von selbst versteht, ausser den Commentaren

zu De interpr., zur zweiten Analylik und zur Metaphysik auch

die einzelnen entscheidenden Stellen aus den bekannten Hauptwerken

(Summa theologiae, Summa contra gentes, Quodlibetea, ad IV Sentent.

u. s. f.) beiziehen 4sS).

Indem Thomas betreffs der Eintheilung des Wissensgebietes Bemer

kungen aus Albert wiederholt486), schliesst er sich auch an diejenigen

482) An diesem Urtheite kann mich natürlich auch die geschichtlich ionge

dauernde Wirkung des Thomismus durchaus nicht beirren , denn dass die naive

Verstandes-Unschuld an einem christlichen Aristatelismus Vergnügen fand, und dass

auch heutzutage noch Viele giouben, auf zwei Sätleln reilen zu können, ist wohl

unleugbare Thatsache ; aber der Phitosophie muss es unbenommen bleiben, diese

süsse Selbsttäuschung als das zu bezeichnen, was sie ist, — als eine Träumerei.

Eben darum bleibt es auch allen christlichen Theologen vollständig überiossen,

welcherlei Meinung sie ihrerseits über Thomas hegen. Uns berührt diess ebenso

wenig, als die Frage, ob nicht Thomas durch seine Verquickung mit Aristolelismus

etwa auch die theologische Auffassung alterirt habe.

483) Die Berichle der Zeitgenossen des Thomas und sonslige entscheidende

Punkle betreffs der Aechtheit einzelner Schriflen finden sich schon bei Oudin,

Seriptt. eceles. Vol. III, p. 254—280. Ausserdem s. Monlet, Memoire sur S. Thomas

in den Memoires de PAcad. rog. de sciences mar. et polit. de Pinst. de France, tom. II,

Paris ] 847, p. 525 ff. und insbesondere das vortreffliche Werk von Chart. Jourdain,

La phitos. de St. Thomas d'Aquin. Paris 1858. (Vol. I, p. 130 ff.)

484) Nemlich: De demonstralione (Op. 38), De natura accidenlis (Op. 41), De

natura generis (Op. 42), De pluralitale formarum (Op. 45), De natura sgllogismi

(Op. 47), Summa tolius logicae (Op. 48), De sensu resp. singul. et inlell. resp. unie.

(Op. 49), De invenlione medii (Op. 50), De inlellectu et inlelligibiti (Op. 53), De

universalibus (Op. 55 und 56). Dieselben werden geeigneten Ortes weiter unten

besprochen werden. (S. Anm. 548 ff. u. Abschn. XIX, Anm. 265 ff.)

485) Ich cilire nach der Römer Ausgabe v. 1570 (in 17 Bänden). Den Quellen-

Rückweis für die einzelnen „Aussprüche" (s. oben Anm. 359) des Thomas führe

ich, soweit thunlich, nur auf Albert zurück, woselbst ja dann der weilergehende

Rückweis auf Arabisches zu fmden ist.

486) Ad Boeth. de trinit. (Vol. XVII, 2) f. 134. S. oben Anm. 360 ff.

XVII. Thomas von Aquino. 109

Stellen seines Meisters an, in welchen derselbe die Logik als blosses

Werkzeug und als Nicht-Theil der Philosophie bezeichnete487). Indem

die Logik nur formale Principien betrachte488), enthalte sie das „in

zweiter Linie Gedachte" (secundo intellecta) und biete den modus procedendi

für die übrigen Wissenschaften dar480), daher sie auch als

Einleitung vorauszuschicken sei490). Auch die Eintheilung der Logik

(nach arabischer Weise mit Einschluss der Rhetorik und Poelik) ist nur

aus Albert, welcher hiezu auch den Standpunkt des Boethius beigezogen

hatte, entlehnt491).

Was die Universalien betrifft, konnte Thomas ja alles Beliebige

(wie wir sahen) aus Albert sich heraussuchen , und so sehen wir ihn

denn auch jenen nemlichen widerspruchsvollen Weg wandeln, auf

welchem sein Lehrer schliesslich beim theologischen Realismus anlangte.

487) Ebend. f. 128 r. A: Res aulem, de quibus est logica, non quaeruntur ad

cognoscendum propler se ipsas, sed ut adminicutum quoddam ad alias scienlias • et

ideo logica non eontinetur sub phitosophia specutaliva quasi principalis pars, sed

quasi quoddam reductum ad eam, prout ministral specuiolioni non tam est scienlia, quam scienliae instrumentum. S. obsuean iAnnsmt.rum3e6n3ta,u. u3n6d5e.

488) De pot. dei, qu. 6, art. l (Vol. VIII) f. 59 v. A : Logicus et mathemalicus

considerant tantum res secundum principia formalia.

489) Ad Boeth. de trin. f. 132 v. A: Oportet in addiscendo a logica incipere,

non quia sit facilior scientiis celeris , habet enim maximam difficultalem, cum sit de

semudo inlellectis, ssd quia aliae scienliae ab ipsa dependent, inquantum ipsa docel

modum procedendi in omnibus scientiis. S. besonders den Begriff „secunda intenlio"

ob. Anm. 363, sowie noch weilere Slellen des Thomas unten Anm. 506.

490) Metaph. I, l (Vol. IV) f. 3 v. A: Ptures artes sunt repertae quantum ad

ulilitalem, quarum quaedam sunt ad vitae necessitalem, sicut mechanicae, quaedam

vero ad introduclionem in aliis scienliis, sicut scienliae logicales u. s. f. S. oben

Anm. 368.

491) Anat. post. l, l, (Vol. I) f. 16 v. A: Ars quaedam necessaria est, quae

sit direcliva ipsius actus ralionis, et haec est ars logica, i. e. ralionalis scienlia,

et ideo videtur esse ars arlium Una actio inlellectus est inlelligentia indivisibitium,

et haec operalio a quibusdam (d. b. Algazeli und Pseudo-Averroes,

s. vor. Abschn., Anm. 236 u. 346) dicitur informalio inlellectus sive imaginalio per

intellectum ; et ad hanc operalionem ordinatur liber Praedicamentorum. Secunda

vero operalio inlellectus est composilio vel dirisio in libro Perihermenias. Tertius

vero aeti,s ralionis est, ut per id, quod est nolum, deveniat in cognilionem

ignoli Est enim aliquis ralionis processus necessitalem inducens; alius,

in quo ut in pturibus verum conctuditur, nec tamen necessitalem habens; tertius vero,

in quo ralio a vero deficit Pars aulem logicae, quae primo deservit processui,

iudicaliva dicitur (über iudicium und invenlio s. oben Anm. 368) Cerlitudo

aulem iudicii est rel ex ipsa forma sgllogismi tantum. et ad hoc ordinatur liber

Priorum Analglicorum, vel eliam ex maleria, et ad hoc ordinatur liber

Posleriorum Analglicorum Secundo aulem ralionis processui deservit alia pars

logicae, quae dicitur inventiva et ad hoc ordinatur Topica sive Dialectica,

Rhetorica, Poelica (s. oben Anm. 364 u. 370) Omnia aulem haec

ad ralionalem philosophiam pertinent Terlio aulem processui ralioni», deservit

pars logicae, quae dicitur sophislica in libro Etenchorum. Periherm. l, l, (Vol. I)

f. l r. A: Duplex est operalio intellectus. Una quidem, quae dicitur indivisibitium

inlelligenlia ; alia est operalio intellectus componentis et dividentis. Additur

autem et lerlia operalio, sc. raliocinandi , secundum quod ralio procedit a nolis ad

mquisitionem ignolorum Cum aulem logica dicatur ralionalis scientia, necesse

est, quod eius consideralio versetur cirea ea, quae perlinent ad tres praedtctas operaliones

inlellectus a. s. w., d. h. er begründet hiedurch die Reihenfolge des Orgnnons:

Caleg., De interpr., Anal. pr, S. oben Anm. 370 — 373.

110 XVII. Thomas von Aquino.

Die bereits tradilionell gewordene Unterscheidung, d. h. ante rem, in

re, post rem492), bekommt auch hier vorläufig die Färbung des sog.

aristotelischen Empirismus, indem von der Sinneswahrnehmung des Ein

zelnen aus der Denkact hinterdrein (posterius) durch Abstraclion das

gleichmässige Verhalten (habüudo) des einheitlich Gleichen erfasse und so

zur intentio universalitatis (s. ob. Anm. 363) gelange, während in den

Dingen selbst das Universale als das prius vorliege, welches im Entstehungsprocesse

sich verwirkliche4a3). Und so spricht Thomas wieder

holt von einem colligere 494), idem ex pluribus accipere 495), von

communitas und selbst von indifferens 496), und er betont ausdrücklich,

dass das commune als solches nur im Denkacte liege497), während die

Natur, welcher dieser Abstraclionsprocess „widerfährt" (accidü), nur in

492) Senlent. II, Dist. III, qu. 2, art. 2 (Vol. VI, 2) f. 15 r. A: Est triplex

universale: quoddam , quod est in re seit natura ipsa, qua est in parlicuioribus,

quamvis in eis nun sil secundum ralionem universalitalis in actu ; est eliam quoddam

universale, quod est a re acceptum per abstraclionem, et hoc posterius est re; ....est

eliam quoddam universale anle rem, quod est prius re ipsa, sicut forma domus in

menle aedificatoris . De pot. dei, qu. 5, art. 9, f. 55 v. A: Universale tripliciler considerari

polest, et secundum quemlibet modum consideralionis universale est semper.

Uno modo .... secundum quod abstrahit a quolibet esse Alio modo .... secun

dum esse, quod habet in singuioribus .... Terlio modo .... secundum esse, quod habet

in intellectu. S. oh. Anm. 379 f.

493) S. theot. I, qu. 85, art. 3 (Vol. X) f. 285 v. A: 0uia sensus est singuiorium,

intellectus aulem universalium, necesse est, quod cognilio singuiorium quoad

nos prior sit quam universalium cognilio f. 286 r. B: Universale dupliciter

polest considerari: uno modo secundum quod natura universalts consideratur simul

cum inlentione universalitalis ; et cum intenlio universalitalis, ul sciticet n,mm et idem

habeat habitudinem ad multa, provenial ex abstractione intellectus, oportel quod se

cundum hunc modum universalv sit posterius (das Gegentheit hievon s. unten Anm.

511) Alio modo polest considerari quantum ad ipsam naturam, proul invenitur

in particuioribus ; et sie dicendum est, quod duplex est ordo naturae; unus secundum

viam generalionis el lemporis, alius est ordo perfectionis sive inlentionis naturae,

sicul actus simpliciter est prius. Ebend. II, l, qu. 29, art. 6 (Vol. XI, 1) f. 66 v. A:

De universali dupliciter conlingit loqui: uno modo secundum quod subest inlentioni

universalitalis; alio aulem modo dicitur de natura, cui talis intenlio attribuitur

Si accipiatur primo modo , universale fit per abstractionem a maleria individuali.

Das Original hievon können wir uns aus obigen Stellen Albert's, Anm. 379,

383, 393, zusammenholen.

494) S. c. gent. I, 3, (Vol. IX) f. 3 r. A: Ea, quae in sensum non cadunt, non

possunt humano intellectu capi, nisi qualenus ex sensibus earum cognitio colligitur.

Ob. Anm. 387 u. 393.

495) Anat. post. I, 42, f. 51 r. A: Universale non cognoscitur sensu, sed ex

pturibus singutaribus visis, in quibus mullolies consideralis invenitur idem accidere,

accipimus universalem cognilionem. S. ebend.

496) De cnte el ess. 3, (Vol. IV, 2) f. 11 r. A: Non oporlet, ul diversantm

specierum, quarum est idem genus, sit una essenlia, quia unitas generis ex ipsa

indelerminalione vel indifferentia (ob. Anm. 383) procedit Genus dicilur unum

per communitalem formae signatae; unde palet, quod per additionem differentiae reu,

ola itio indelerminalione, quae eral causa unitalis generis, remanent species diversae

per essenliam.

497) S. c. gent. I, 26, f. 31 v. B : Quod est commune mullis (ob. Anm. 380 ff.),

non est aliquid praeler multa nisi soio rnlione, sicul animal non est aliud praeler

Soeralem et Piolonem et alia animalia nisi intellectu, qui apprehendit formam animalis

exspoliatam ab omnibus individuanlibus et specificanlibus. Ob. Anm. 379 u.

382 f. u. 391.

XVII. Thomas von Aquino. 111

,l(;n Einzelu-lndividuen exislire 498). Wenn daher folgerichtig die Einzeln-

Dinge erst durch diese abstrahirende und sammelnde Denkthäligkeit wirk

lich Gegenstände des „Erkennens" werden oder sogar an sich dem

Erkennen unzugänglich sind499), so kann völlig im Sinne des Aristo

teles gesagt werden, dass die Sinneswahrnehmung der Boden und

der Ursprung des Erkennens sei, aber eben der Denkact vermöge

einer reflexio , durch welche er auch sich selbst ergreifen kann, sich

durch die sinnfälligen Dinge auf das ihnen zu Grunde liegende Allge

meine zurückbeuge und so das Hinderniss der Materialität überwin

dend zur Quiddität des Einzelnen vordringe 500). Indem Thomas auf

diese Weise einerseits die intentio universalilatis und andrerseits die

derselben unterworfene Objeclivität unterscheidet, welch letztere wieder

einerseits in den Einzeln-Dingen materialisirt und andrerseits im Denken

universalisirt sei, kann er und muss er diese Auffassung zu einer

Polemik gegen Plato formuliren 501), welche er ausdrücklich an mehreren

498) S. theol. I, qu. 85, art. 2, f. 285 r. B: Cum dicitur universale abstractum,

,tim inlelliguntur, sc. ipsa natura rei et abstraclio seu universalitas. Ipsa igitur

natura, cut accidit (ob. Aum. 392) vel inlelligi vel abstrahi vel intentio universalitalis,

nnn est nisi in singuioritms ; sed hoc ipsum, quod est inlelligi vel abstrahi vel

inlentio universalitatis, est in inlellectu. Ann,. 391.

499) Ebend. qu. 86, art. l, f. 290 r. A: Principium singuioritalis in rebus malerialibus

est maleria individualis ; intellectus aulem nosler inlelligit abstrahendo

speciem intelligibitem ab huiusmodi maleria; quod aulem a maleria individuali absirahitue,

est universale. Unde inlellectus nosler directe non est eognoscilivus nisi

universalium ; indirecte aulem et quasi per quandam reflexionem polest cognoscere

singuiore. Ebenso De verit. qu. 2, art. 6, f. 303 r. A. Weit schärfer aber und

völlig übertrieben erscheint diese Auffassung S. theol. I, qu. 14, art. 11, f. 63 v. B:

tnl,'lleclus noster speciem intelligibitem abstrahtt a principiis individuanlibus ; unde

species intelligibitis nostri intellectus non polest esse simititudo principiorum individualium,

et propler hoc intellectus nosler singuioria non cognoscit (es ist ,licss eben

der Gegensatz gegen Gatles Erkennen, s. unlen Anm. 517 f.).

500) De princ. individ. (Vol. XVII, 1) f. 206 v. A: In cognitione humana fundamentum

et origo est sensus secundum phitosophum in libro Perihermenias (s.

Abschn. IV, Anm. 108) Impossibite est inlellectum ferri super itio accidenlia

nisi per modum cuiusdam reflexionis. Reflexio aulem est duplex Polest

igitur vel redire in se per actum et polenliam suam vel redire per obiectum in ipsam

origmem obiecli, sc. per phantasmata in species sensibitium Cum enim in ipso

suo obiecto figitur acies, ralionem unhersalis apprehendit, quod sotum in islis inferioribus

ab intellectu delerminatur ul proprium obiectum, cum omnia singuioria apud

nos malerialia sint; maleria enim impedit intellectum, singuiore vero non

(f. 207 r. A) Ideo quidditas rei malerialis in ipsa sua particuioritale est obiectum

ralionis particuioris , cuius esl conferre de inlentionibus particuioribus. Ob. Anm.

391, 393 u. 382.

501) De anima II, 12 (Vol. III) f. 26 r. B : Universale polest accipi dupliciler.

Uno modo polest dici universale ipsa natura communis, prout subiacet inlentioni uni

versalitalis (s. oben Anm. 489 und unlen Anm. 506). Aliv modo secundum se, sicut

et album polest accipi dupliciter Ista aulem natura, cui advenit intentio

universalitalis, habet duplex esse, tmum quidem maleriale, secundum quod est

in maleria naturali, aliud aulem immaleriale, secundum quod est in inlellectu. (Die

ekleklisch benützle Quelle dieser Dreigliederung s. oben Anm. 379 u. 383.) Secundum

igitur quod habet esse in maleria naturali, non polest ei advenire intentio universali

talis, quia per maleriam individuatur. Advenit igitur ei universalitalis intenlio,

secundum quod abstrahitur a maleria individuali. Non est aulem possibite, quod

abstrahatur a maleria individuali realiter, sicul Piotonici posuerunt; non enim est

112 XVII. Thomas von Aquino.

Stellen übt502), um ganz entschieden sich zum Aristotelismus zu be

kennen 503). Ja Thomas spricht wie ein aristotelischer Nominalist, indem

er der platonischen Ideenlehre den begrifflichen Gehalt der Worte gegen

überstellt 504), in welchen der vollständige Ausdruck des Intelligiblen als

ein vom Menschen erzeugter liege 505).

Aber schnell wendet sich das Blatt (wie bei Albert), und Thomas

ist trotz all dieser peripatelischen Plagiate, deren Tragweite er natürlich

gar nicht versteht, Nichts weniger als ein Aristoteliker. Denn während

sein ganzer scheinbarer Aristotelismus sich in den arabischen Begriff der

intentio secunda conrentrirt 506), so tritt bei ihm ja nun dieser secunß

naturalis, i. e. realis, nisi in his carnibus Relinquitur igitur, quod natura

humana non habet esse praeler principia individuantia nisi tantum in inlellectu.

Ebend. I, l, f. 2 r. A: De animali universali possumus loqui dupliciler ; aut secundum

quod est universale, quod sciticel est unum in mullis aul de mullis, aut secundum

quod est animat; et hoc vel secundum quod est in rerum natura vel secundum quod

est in inlellectu.

502) De enle et ess. 4, f. 12 r. A: Non polest dici, quod ralio generis, speciei,

differenliae convenial esse, secundum quod est quaedam res exislens extra singuioria,

ut Piotonici ponebant; non enim polest dici, quod Soerales sit hoc, quod ab

eo separatum est. Ausscrdem Anat. post. I, t, f. 17 r. A u. 41, f. 49 v. A, u. ins

besondere De anima l, 5, f. 17 r. A, woselbst er die Worle Alberts (ob. Anm. 394)

wiederholt ; vgl. auch Anm. 377.

503) S. theol. t, qu. 6, art. 4, f. 23 r. B: Haec opinio (sc. Piolonis) irralionabitis

videtur quantum ad hoc, quod ponebal species rerum naturalium separatas per

se subsislenles, ul Aristoleles mullipliciler improbat. Hiezu De substant. separ. s. de

angelis, c. 2, (Vol. XVII, 1) f. 86 v. B: IVon necesse est, ut ea, quae inlellectus

separalim intelligit, separalim i'sse habeant in rerum natura. Unde nec universalia

oporlet separata ponere et subsistenlia praeler singuioria, neque eliam mathemalica

praeler sensibitia, quia universalia sunt essenliae ipsorum parlicuiorium et mathemalica

sunt lerminaliones quaedam sensibitium corporum. Et ideo Aristoleles mani

fesliert et certiori via processit ad investigandum substantias a maleria separatas,

sc. per viam motus. S. ob. Anm. 388.

504) Periherm. I, 2, (Vol. I.) f. l T. B : Significal hoc nomen „Aomo" naturam

humanam in abstraclione a singutaribus, unde non polest esse, quod significet hominem

immediale singutarem, ul Ptatonici posuerunt, quod significet ipsam ideam hominis

separatam; sed quia hoc secundum suam abstractionem non subsistit realiler secundum

sententiam Aristolelis, sed est in solo intellectu, ideo necesse fuit, Aristolelem dicere,

quod voces significant intellectus concepliones immediale et eis medianlibus res. Letz

teres deutlicher cbend. 10, f. 7 v. B: nomina non significant res nisi mediante

inlellectu.

505) Allerdings stehen die eben angeführlen Worle im Commentare zu jener

aristolelischen Schrift, welche, wie wir sahen, schon längst vor den Arabern den

Anhaltspunkt für nominalislische Auffassungen dargebolen hatle („universale est, quod

aptum natum est praedicari de pturibus", s. z.B. bei Scatus Erigena, Abäiord U.A.),

und so kann auch ebend. 10, f. 8 r. B gesagt werden: Universale secundum quod

est in singuioribus, cadit in apprehensionem hominum. Aber Thomas äussert sich

eben auch anderwärts in einer solch nominalislischen Betonung des Worles, nemlich:

De natura verbi inlellectus (Vol. XVII, 1) f. 85 r. A: Sicul in principio actionis

intellectus et species non sunt duo, sed unum est ipse intellectus et species ittustrata,

ita unum in fine relinquitur, simititudo sciticel perfecta genita et expressa ab in

lellectu, et hoc lotum expressum est verbum et est lolum rei dictae expressivum et

tolum, in quo res expnmitur, et hoc inlellectum principale, quia res non intelligitur

nisi in eo ; est enim tanquam specutum, in quo res cernitur, sed non excedens id,

quod in eo cernitur.

506) Metaph. IV, 4, f. 43 v. A: Ens ralionis dicitur proprie de itlis inlentionibus,

quas ralio adinvenit in rebus consideralis , sicut inlentio generis, speciei et

XVII. Thomas von Aquino. 113

dären Geltung als das Primäre etwas „ausserhalb der Seele" Seiendes

gegenüber507), und zwar denkt er hiebei zunächst an den aristotelischen

Form-Begriff, welcher objecliv in den Dingen als Seins-Princip wirke 50it) ;

aber während er diess in dem anliplatonischen Sinne nimmt, dass nicht

etwa die allgemeinen Begriffe als Ideen eine getrennte Existenz haben,

versteht er es christlich-theologisch von den schöpferischen Formen in

Gott 509). Denn sowie schon das Gleichniss vom Gesichts-Sinne zu einer

solchen Annahme einer species intelligibilis führt 51ü), so werden nun die

Universalien, welche wir so eben (Anm. 493) als das posterius sahen,

hinwiederum im Hinblicke auf die formgebende Kunst Gottes als das prius

im begreifenden Erkennen bezeichnet 5 1 1). Und da nun der intellectus

aelernw der eigentliche Wohnsitz der Universalien ist512), und dieselben

simitium, quae quidem non inveniuntur in rerum natura, sed consideralionem ralionis

consequuntur, el huiusmodi ens ralionis est proprie subiectum logicae. So auch

„intenlio praedicabititalis" De enle et ess. 4, f. 17 r. B und ebend. 6, f. 30 r. B.

Anal. post. t, 21, f. 31 r. A. Hiezu obige Anm. 489 u. 501. Die Quelle bei Albert

s. Anm. 363. Wer die arabische Herkunft dieses Begriffes „inlenlio" nicht kennt,

muss denselben missverslehen (so z. B. Alogs Schmid, Die thomislische u. scolislische

Gewissheltslchre. Ditlingen 1S59. S. 19).

507) De pol. dei, qu. 7, art. 9, f. 74 v. A: Prima inlellecta sunt res extra

animaiu. in quae primo intellectus intelligenda fertur. Secunda aulem inlellecta

dicuntur inlenliones consequenles modum intelligendi, sicul inlentio generis et

speciei el secundarum substanliarum ln nullo aulem praedicamento ponitur

aliquid nisi res extra animam exislens, man ens ralionis dividitur contra ens divisum

per decem praedicamenta. (S. die aristatelische Slelle Abschn. IV, Anm. 302.)

508) S. tlleol. t, qu. 85, art. 3, f. 286 v. A: Universale secundum quod accipitur

cum inlenlione universalitalis, est quidem quodammodo principium cognoscendi, prout

inlenlio vuiversal,lalis consequitur modum intelligendi, qui est per abstraclionem.

Non aulem est necesse, quod sit principium essendi, ut Pioto existimavit

Si aulem consideremus ipsam naturam generis el speciei, proul est in singutaribus,

sie quodammodo habet ralionem principii formalis respectu singuiorium; nam singuiore

est propler maleriam, ralio aulem speciei sumitur ex forma. Sed natura generis

comparatur ad naturam speciei magis per modum malerialis principii, quia natura

generis sumitur ab eo, quod est maleriale in re, speciei vero ab eo, quod est formale.

S. ob. Anm. 391 u. vgl. unlen Anm. 526.

509) Metaph. XI, 2, f. 139 r. A: Nihit est in rerum natura praeler singuioria

exislens, sed tantum in consideralione inlellectus abstrahentis communia a propriis

(B) Kst aliqua substantia separata a sensibitibus, non quidem species rerum sensibitium,

ut Piolonici posuerunt, sed primi moloris.

510) De unit. intelt. (Vol. XV11, 1) f. 104 r. A: Natura proul est in singuiori

bus, est intellecta in polenlia, sed fit intellecta in actu per hoc, quod species a rebus

sensibilibus medianlibus sensibus usque ad phantasiam perveniunt el per virtulem

intellectus agentis species inlelligibites abstrahuntur, quae sunt in intellectu possibiti;

hae aulem species non se habent ad intellectum possibitem ul intellecta, sed sicut

species, quibus intellectus inlelligit, sicut eliam species, quae sunt in visu, non sunt

ipsa visa, sed ea, quibus visus videt. S. ob. Anm. 396 u. 499.

511) De Veritale, qn. 8, art. 9 (Vol. VIII) f. 334 v. A: Universalet secundum quod

est in comprehensione nostra, qua comprehendimus res naturales, est a rebus naturalibus

acceptum. Sed universale in nostra comprehensione existens respectu artificialium

non est poslerius, sed prius, quia per formas arlis universales apud nos

exislenles arlificiata producimus et simitiler per raliones aelernas deus producil erealuras.

S. ob. Anm. 395.

512) S. theot. I, qu. 16, art. 7, f. 75 r. A: Universale dicitur esse ubique et

semper, inquantum universalia abstrahuntur ab hie et nunc; sed ex hoc non sequitur,

ea esse aelerna, nisi in inlellectu, si quis est aelemus.

PBANTL, Gesch. III. 8

114 XVII. Thomas von Aquino.

im Geiste Gottes als Musterbilder und als Principien des Erkennens vor

liegen513), so handle es sich nur um eine Modificalion der platonischen

Ansicht, denn eigentlich habe Plato auf das Nemliche hingestrebt, was

Aristoteles ausgesprochen , und nur die Art und Weise der Immaterialität,

welche den Ideen zukommen soll, sei falsch514). Dass sonach Thomas

auch nicht Platoniker sei, durften wir allerdings nach dem Vorgange

seines Lehrers (Anm. 377) erwarten, aber indem wir die Einsicht ge

winnen, dass er den Aristotelismus und den Platonisuius durch die Myslik

des Buches De causis (vgl. Anm. 25), aus welchem er die Begriffe ens,

nun n,, verum, lonum zu einer theologischen Wendung benutzt515), corrumpirt

habe, entdecken wir auch bei ihm in der Universalienfrage als

den innersten Kern das nicht -logische Moliv der myslischen Causalität

Gottes516), woran sich nur in Folge des üblichen Auctoritäts-Schwindels

• ein unverdauter Aristotelismus als äusserliche Schale anschloss.

Aber eben jene höchste göttliche Instanz ist es, an welche sich bei

Thomas ein anderweiliges Moment knüpft, welches zwar überwiegend der

Ontologie angehört . jedoch hier nicht völlig übergangen werden darf,

insoferne es in den Üniversalien-Streit hinüberspielt und einige Zeit hin

durch sogar den Haupt-Gegenstand der Controversen bildete, so dass die

513) Ebend. qn. 15, art. l, l. 69 v. A: Necesse est ponere in menle divina

ideas Per ideas intelliguntur formae aliarum rerum praeler ipsas res exislentes.

Forma aulem alicuius rei praeler ipsam existens ad duo esse polest; vel ut sit

exempior eius, cuius dicitur forma, vel ut sit principium cognilionis ipsius, secundum

quod formae cognoscibitium dicuntur esse in cognoscente ...... (B) Hecesse est, quod

in mentc divina sit forma, ad simititudinem cuius mundus est factus, et in hoc consislit

ralio ideae. Ebend. qu. 44, art. 3, f. 156 v. A. Ebenso De verit. qu. 3, art. l,

f. 310 v. A. S. ob. Anm. 397.

514) Senlent. t, Dist. XXXVI, qu. 2, art. l, f. 112 v. B: Pioto et alii anliqui

phitosophi quasi ab ipsa veritale coacli lendebont in ittud, quod postmodum Aristo

leles expressit, et ideo Piolo ponens ideas ad hoc lendebat, secundum quod et

Aristoleles posuit, sc. eas esse in inlellectu divino ; unde hoc improbare phitosophus

non inlendit, sed secundum modum, quo Piolo posuit , formas naturales per se exi

slenles sine maleria esse. S. c. gent. III, 24, f. 259 r. B: Dicit Boethius in libro

-de Trinitale (s. bei Gitbert Porretanus, Abschn. XlV, Anm. 463 ff.), quod formae,

quae sunt in maleria, venerunt a formis, quac sunt sine maleria. Et quantum ad

hoc verificatur dictum Piolonis, quod formae separatae sint principia formarum, quae

sunt in maleria, licet posuerit eas per se subsislenles et causantes immediale formas

sensibitium. JVos vero ponimus eas in inlellectu exislenles et causantes formas in

feriores per molum coeli.

515) Qu. de verit. t, l (Vol. VI», 1) f. 289 r. B: Quaecunque se habent ut

prius et posterius, oportet esse diversa, sed verum et ens sunt huiusmodi, quia ut

dicitur in libro de Causis, prima rerum ereatarum est esse, et omnia alia

dicuntur per informalionem de ente et sie sunt enle posleriora Ea, quae dicuntur

communiter de causa et causalis, magis sunt iinun, in causa, quam in causalis, et

praecipue in deo, quam in ereaturis; sed in deo ista quatuor „ens, unum, verum,

bonum" sie appropriantur, quod ens ad essentiam pertineat, unum ad personam patris,

verum ad personam fitii, bcmum ad personam spiritus sancli; personne aulem divinae

non sotum ralione, sed re dislinguuntur, unde ad invicem non praedicantur ; ergo

multo fortius in ereaturis debent amplius, quam ralione, differre. Vgl. Abschn. XIX,

Anm. 273.

516) S. c. gent. III, 25, f. 262 r. A: Inlellectus aulem bumanus cognoscit ens

universale, desiderat igitur naturaliler cognoscere cansam eius, quae sotum deus est.

De ente et ess. 5, f. 17 v. B: Intclligenlia (d. h. causae primae) est habens formam

et esse, et accipitur ibi forma pro ipsa quidditale vel essenlia simplici.

XVII. Thomas von Aquino. 115

übrigen rein logischen Fragen in den Hintergrund traten. Was nemlich

das principium individuationis betrifft, welches wir auf arabischer Grund

lage schon bei Albert trafen (Anm. 388), so erstreckt sich ja nach Thomas

die Causalität Gottes natürlich auch auf die Materie und biemit für das

Erkennen auch auf die als Individuen auftretenden Objecte517); denn

zwischen Gottes Erkennen und dem menschlichen Erkennen sei eben der

Unterschied, dass letzteres den Befund der Materie und hiemit der Individualisirung

bereits vorfindet, aus welcher es nur die allgemeinen

Formen nachschaffend erzeugt, während ersteres die Form und den Stoff

schafft b 1 s). Die Individualion selbst aber verlegt Thomas ebenso wie

Albert (ob. Anm. 388) nach arabischem Vorbilde in den Begriff der

discreten Grösse, d. h. was er als materia signata bezeichnet, ist die

durch Raum-Dimensionen beslimmt abgegränzte Materie, welche den Art

begriff in der nemlichen Weise zu Individuen umgestaltet, in welcher der

artmachende Unterschied den Gattungs-Begriff zu Arten macht519). D. h.

die individuelle Substanz (die aristotelische substantia prima) werde

allerdings als solche durch jenes quanlitalive Moment der Raum-Dimension

nicht „verursacht", wohl aber von demselben stets „begleitet", so dass

das in die Sinne fallende Individuum durch seine örtliche und zeitliche

Determinalion (hie et nunc) jene Mittheilbarkeit, welche den allgemeineren

Substanzen eigen ist (Anm. 496 ff.), einbüsst und als incommunicabile

bezeichnet werden muss 520).

517) Sentent. II, Dist. HI, qu. 2, art. 3, f. 15 v. B: OCHS cst causa rei non

sofum quantum ad formam, sed eliam quantum ad maleriam, quae est principium

individualionis; unde idea in menle divina est similitudo rei quantum ad utrumque,

sc. maleriam et formam; et ideo per eam cognoscuntur res non tantum in universali,

sed eliam in particuion. Ueber das principium individualionis überhaupt s. auch

klonlet a. a. O. (ob. Anm. 483) p. 591 ff.

518) Quodl. VIII, 2 (Vol. VIlI, 2) f. 52 v. B: Cum in menle divina sint omnium

ereaturarum formae exempiores, quae ideae dicuntur, sicut in menle arlificis, .... hoc

tamen inlernst intcr formas exempiores, quae sunt in menle divinu et in mente artiftcis

ereali, quod ereatus arlifex agil ex praesupposita maleria; unde formae exem

piores, quae sunt in aus mente, non sunt faclivae maleriae, quae est individualionis

principium, sed solius formae. De quat. oppos. (Vol. XVII, 1), f. 219 r. A. Jene

Beschränkung des menschlichen Erkennens s. ob. Anm. 499.

519) De enle et ess. 2, f. 7 v. A: Maleria non quomodolibet accepta est prin

cipium individualionis, sed sotum maleria signata; et dico maleriam signatam, quae

sub certis dimensionibus consideratur (s. vor. Abschn., Anm. 184); haec aulem ma

teria poneretur in diffinitione Soeralis, si Soerales diffinilionem haberet ; in

diffinilione aulem hominis ponitur maleria non signata. Ebend. 3, f. 9 r. B : Designalio

individui respectu speciei est per maleriam delerminatam dimensionibus;

designalio aulem speciei respectu generis est per differentiam con»litulivam, quae ex

forma rei sequitur (s. ebend. Anm. 146).

520) S. c. gent. II, 49, f. 146 v. A: Principium diversitalis individuorum eiusdem

speciei est divisio maleriae secundum quantitalem, sine qua subttantia est indivisibitis.

Vgl. S. theol. I, qu. 3, art. 2, f. 13 r. A. Insbesondere aber De princip.

indioid. f. 207 r. A : Ipsa forma malerialis diversificatur secundum multa esse inrommunicabitia,

manens una secundum ralionem mullis communicatam quod

redditur incommunicabitis per receplionem suam in maleria (B) Quanlitas delerminata

dicitur principium individualionis, non quod aliquo modo causel subiectum

suum, quod est prima substantia, sed concomitatur cam inseparabitiler et delerminat

eam ad hie et nunc. lllud ergo, quod cadit sub ralione particuiori, est hoc aliquid

per naturam maleriae; quod aulem cadit sub sensu exleriori, est per quantitalem.

8*

116 XVII. Thomas von Aquino.

Auf solcher Grundlage bespricht dann Thomas (hauptsächlich in der

Schrift De ente ei essentia) in völligem Anschlusse an Avicenna die Be

griffe „essentia" und „existentia" , sowie die einzelnen Universalien selbst.

Nur Wiederholungen ja des arabischen Vorbildes lesen wir bei ihm über

den definitorischen Gehalt des Wesensbegriffes, welcher die Einheit der

Form (s. bei Albert ob. Anm. 385) in sich enthält521), über die Quiddität

der einfachen Substanzen 522), über Stoff und Form der zusammen

gesetzten Substanzen523), über Unabhängigkeit der Essenz von der

Existenz524), über Singularität und Universalität525), über das Verhältniss

des Gattungshegriffes zum Arlbegriffe 526), über den quidditaliven Cha

rakter des letzteren527), über das Verhältniss des Gattungs-Begriffes zur

Differenz528), über die Wortform des Differenz-Begriffes529), und endlich

auch über das Accidens 530).

Aus dem Umkreise der Kategorien besitzen wir von Thomas die

Monographie De quatuor oppositis 531) , in welcher er zur Erklärung

auch die übrigen aristotelischen Stellen aus der Metaphysik , der Physik

und De sensu beizieht, so dass er (wie Avicenna) an der ächt aristote

lischen Auffassung des Entblösstsein* festhalten kann532), während er

andrerseits auch Veranlassung nimmt , seine christliche Crealions-Theorie

zu entwickeln 533).

Den Unterschied zwischen den Kategorien und dem U r t heile findet

521) De enle et ess. t, f. 3 v. A: Ens per se dicitur dupliciter: una modo, quod

dividitur per decem genera (s. die aristolelische Slelle Abschn. IV, Anm. 341) ; alio

modo, quod significat proposilionum veritalem , eliamsi in re nihit ponat

Ens primo modo dictum est, quod significat substanliam rei (f. 4 v. A) 0usa

ittud, per quod res constituitur in proprio genere el specie, est, quod significamus

per diffinilionem indicanlem quid esl res, inde est, quod nomen essenliae a phitosophis

in nomen quidditalis mutatur (f. 5 r. B) Essenlia dicitur, quod per eam

el in ea res habet esse. Die Hauptstelle über unitas formae betreffs des üblichen

Beispieles „homo" ist S. theot. t, qu. 76, art. 3, f. 245 v. A: Nihit est simpliciler

unum, nisi per formam unam, per quam habet res esse (B) Ergo oportet eandem

formam esse, per quam aliquid est animal et per quam aliquid est homo Ergo

dicendum, quod eadem numero est anima in homine sensiliva el intellectiva el nutriliva.

Vgl. vor. Abschn. Anm. 92 f. n. 97.

522) De enle et ess. 5, f. 19 r. B. Vgl. ebd. Anm. 92.

523) Ebend. 2, f. 7 r. A. Vgl. ebd. Anm. 229.

524) S. theot. I, qn. 13, art. 9, f. 54 v. B (woselbst auch das übliche Beispiel

von der Sonne). De enle et ess. 5, f. 20 r. B. S. obige Anm. 387.

525) De enle et ess. 4, f. 12 v. — 15 v. auf wörtlicher Uebereinslimmimg mlt

Avicenna beruhend, s. vor. Abschn., Anm. 178.

526) Ebend. 3, f. 10 r. B: Palet ralio, quare genus et species el differentia se

habeant proporlionalsler ad maleriam, formam el compositum in natura, quamvis non

sint idem cum itlis, quia neque genus est maleria, sed sumitur a maleria ul significons

totum, ncc differentia est forma, sed sumitur a forma ut significans lolum.

Aehnlich ebend. 6, f. 29 r. A und Periherm. I, 8, f. 6 r. B. Vgl. obige Anm. 508

n. vor. Ahschn. 166.

527) De enle et ess. 3, f. 11 v. A. Vgl. vor. Abschn. Anm. 127 f.

528) Ebend. f. 10 r. A. Vgl. ebd. Anm. 116.

529) Ebend. 4, f. 11 v. B. Vgl. ebd. Anm. 150.

530) Ebend. 7, f. 30 v. — 35 r. Vgl. ebd. Anm. 96 ff.

531) Opusc. 37 (Vol. XVII, l, f. 217 v. — 220 v.).

532) f. 217 v. B. Vgl. vor. Abschn., Anm. 145 u. 197 f.

533) f. 219 r. A. Vgl. ob. Anm. 518.

XVII. Thomas von Aquino. 117

er mit den Arabern darin , dass bei letzterem es sich um eine von der

denkenden Seele gemachte Verknüpfung oder Zusammensetzung handle 534).

Sein unvollendet gebliebener Commentar zum Buche De interpr. bietet

Nichts bemerkenswerthes dar; denn während er im Ganzen die Erläu

terungen Albert's wiederholt535), kann er immerhin gelegentlich aus Apulejus

oder Auguslinus die Bemerkung einschalten, dass die Parlikeln nur

Bindemittel der Urtheile sind538), oder aus Averroes den Begriff der

Sgncalegoreumata entnehmen 537) oder von Avicenna die Ansicht ent

leihen, dass „omnis" nur eine Modalität der Urtheile sei 538) oder den

Algazeli betreffs der Einheit der Urtheile ausschreiben539), ohne dass

wir hierin etwa grosse Verdienste erblicken. Wenn wir aber gerne her

vorheben, dass er in ächt aristotelischem Sinne sogar mit grösserer Schärfe

als Averroes die hypothelischen Urtheile und Schlüsse abweist540), so

muss es uns hinwiederum als eine Inconsequenz erscheinen, dass Thomas

in seiner als ächt beglaubigten (s. ob. Anm. 483) Monographie De propositionibus

modalibus 54 1) diesen speciellen Gegenstand in vollständigem

Anschlusse an die byzanlinische Logik behandelt. Während er nemlich

hierüber allerdings auch bei Albert Erörterungen vorfmden konnte (s. ob.

Anm. 456 f.), verschmäht er offenbar diese Quelle, um den Wilhelm

Shyreswood (— denn mit diesem, nicht aber mit Lambert von Auxerre,

noch auch mit Petrus Hispanus, slimmen seine Angaben fast wörtlich

überein —) abzuschreiben 542). Die üblichen Verse aber sind in dem

gedruckten Texte des Thomas theils ungehörig umgestellt, theils sichtlich

aus späterer Zeit interpolirt543). Uebrigens gehört auch diese Benützung

534) Senlent. t, dist. XIX, qu. 5, art. l, (Vol. VI, 1) f. 65 v. A: Esse dicitur

dupliciler: uno modo secundum quod ens significat essentiam rer um, proul dividitur

per decem genera; alio modo secundum quod esse significat composilionem, quam

anima facit, el istud ens phitosophus appeliot verum. Vgl. vor. Abschn., Anm.

17, 74, 82.

535) So z. B. f. l v. B auch die Bemerkung über Andronikns (s. ob. Anm. 443)

und f. 5 v. B über die Eintheitung der Satzarlen (s. ob. Anm. 449).

536) f. l r. B : Aliae vero sunt magis colligaliones parlium oralionis, quam oralionis

parles, sicut cluvi. S. Abschn. X, Anm. 7. u. Abschn. XII, Anm. 43.

537) f. 5 r. A: Sgncalegoremata, quae secundum se non significant aliquid absotutuu,.

sed soiom habitudinem unius ad allerum. S. vor. Abschn., Anm. 309.

538) f. 8 v. B. S. ebd. Anm. 214.

539) f. 6 v. B. S. ebd. Anm. 259.

540) f. l r. B: Hgpolhelica enuntialio non conlinet absotutam veritalem, cuius

cognilio mquintur in demonstralione, sed significat, aliquid verum esse ex

supposilione, quod non suffte.it in scientiis demonstralivis, et ideo Aristoleles

praetermisit tractatum de hgpolhelicis enuntialionibus et sgllogismis. Vgl. ebd.

Anm. 327.

541) Opusc. 40 (Vol. XVII, 1), f. 226 r. B.

542) f. 226 r. B: Modi aulem, qui composilionem delerminant, sunt sex, sc.

verum, falsum, necessarium, impossibite, possibite, conlingens. Verum autem et falsum

nihit addunt supra significaliones proposilionum de messe u. s. f., s. ob. Anm. 42 ff.;

namentlich slimmt auch die Figur (f. 226 v. A) genau mit jener des Withelm überein,

s. Anm. 45.

543) Es finden sich nemlich (f. 226 v. A) zunäcbst jene obigen Verse (Anm. 44)

in der Reibenfolge 2, 4, l, 3, 5, 6; hierauf folgt jener Vers, welcher unten, Abschn.

XX, nnler den späteren Erzeugnissen vorkommen wird, und dann noch die erslen

vier der ebendaselbst anzuführenden Verse.

118 XVII. Thomas von Aquino. Pseudo-Thomas.

byzanlinischen Stoffes ebenso wie jene bei Robert Capito oder bei Albert

immer noch zu den vereinzelten Erscheinungen 544).

Der Commentar des Thomas zur zweiten Analytik545) enthält

ausser den wenigen Stellen, welche schon oben benützt wurden, durchaus

Nichts erwähnenswerthes ; er bewegt sich lediglich in einer erklärenden

Umschreibung des Originales und vermeidet jeden gelehrten Apparat ebenso

wie alle Controverscn.

Endlich dem Umkreise der Sophistik, über welche er gelegentlich

eine Bemerkung Albert's wörtlich wiederholt546), gehört seine Schrift

De fallacüs an. Dieselbe ist eine breite Paraphrase der ersten fünf Capitel

des aristotelischen Buches, von welcher höchstens hervorgehoben

werden mag, dass Thomas zuweilen Sophismen anführt, welche um

des erforderlichen Wortwitzes willen dem lateinischen Idiom angepasst

sind 547).

Insoferne aber unter den oben (Anm. 484) genannten unächten

Schriften des Thomas sicl, einige befinden, welche demselben nur wegen

des entscheidenden Mangels an posiliven Zeugnissen abgesprochen werden

müssen, hingegen ihrem ganzen Inhalte nach ebensowohl von Thomas

selbst verfasst sein könnten und namentlich nicht die geringste Spur einer

späteren Entstehung zeigen , so mögen dieselben gleich hier ihre Stelle

finden. Jedenfalls sind sie von ächten Thomisten oder Alberlisten ge

schrieben, und zwar sichtlich ohne Berücksichligung der alsbald eintre

tenden Controversen und Bereicherungen der Logik, und sowie sie eben

darum wenig Bemerkenswerthes enthalten, kann ich mich über sie sehr

kurz fassen.

So finden wir in der äusserst kurzen Schrift De sensu respectu

singularium et intellectu respectu universalium wörtlich des Thomas

Ansicht über die Individualion (ob. Anm. 519), sowie über das Auftreten

der Universalien in den Dingen und im Denken (Anm. 50 1 , auch die

dorlige Polemik gegen Plato fehlt hier nicht). Höchstens könnte man

sagen, dass des Thomas Auffassung der menschlichen Worte (Anm. 504 f.)

etwas präciser ausgedrückt sei, wenn der Verfasser bemerkt, Prädikate

der Individuen seien nicht die Bezeichnungen der intentio (Anm. 493),

sondern die Bezeichnungen der objecliven Wesen selbst 548).

Auch die Schrift De natura sgllogismorum bietet ausser einer von

Avicenna (vor. Abschu. Anm. 216) abweichenden Bemerkung, dass die

vier aristotelischen Ursachen im Syllogismus nachweisbar seien , durchaus

544) S. Anm. 357 u. bes. 471.

545) Vol. I, f. 1 6 v. — 73 v.

546) S. theol. II, l, qu. 57, art. 6, f. 117 v. A. Ebend. 2, qu. 51, art. 4,

f. 124 r. A. Metaph. IV, 4, f. 43 r. A. Vgl. ob. Anm. 480.

547) Opusc. 39. Vol. XVII, l, f. 221 r. - 226 r. S. dort z. B. f. 223 r. B:

Omnis poputus est arbor, sed aliqua gens est poputus. Oder (f. 223 v. A): Tu es

qui es, sed quies est idem quod requies, ergo tu es requies. Oder (ebend.) : Quidquid

deus fecit invile, fecit invitus; sed racemos fecit in vile; igitur racemos fecit

invitus u. s. f.

548) Vol. XVII, 2, f. 35 v. A. Dort lesen wir (B) : Nomina communia significualia

naturas ipsas praedicantur de individuis, non auleut nomina significanlia

inlenliones. Vgl. Abschu. XIX, Anm. 127.

XVII. Pseudo- Thomas. Bonaventura. 119

Nichts eigenthümliches dar, denn ihr Inhalt bewegt sich in der allergewöhnlichsten

Angabe der „Regeln" der aristotelischen Syllogislik549).

Ebenso ist die Abhandlung De inventione medii 550) Nichts als

ein schulmässiges Excerpt der ausführlichen Erklärung, welche Albert

(ob. Anm. 464) der versinnlichenden Figur des Averroes gewidmet hatte;

dass dabei Beispiele für die vierzehn aristotelischen Modi (d. h. natürlich

bei der ersten Figur mit Ausschluss der fünf theophraslischen Modi)

gegeben werden, versteht sich von selbst.

Desgleichen zeigt die Schrift De demonslratione^51) nur eine Wieder

holung desjenigen, was Albert in seinem Commentare zur zweiten Ana

lylik über demonslratio potissima (Anm. 476) und über subiectum, passio

und dignüales (Anm. 475) unter Beiziehung der aristotelischen Beispiele

gesagt hatte.

Wenn aber nun der gleichzeilige Franziskaner Bonaventura

(d. h. Johann von Fidanza, geb. 1221, gest. 1274) gewissermassen

ein Gegenstück oder wenigstens ein Correlatum zu Albert und Thomas

bildet, und an seinen Schriften die nachmalige Fehde zwischen Domini

kanern und Franziskanern sich nährte, so kann die Geschichte der Logik

es mit Vergnügen den Myslikern oder andrerseits den gelehrten Theologen

anheimgeben , über die Verdienste desjenigen Autors , welcher ein llinerarium

mentis ad deum schrieb, zu entscheiden. Denn sowie in dem

„deo frui" überhaupt nicht das Reiseziel der Logik liegt, könnten wir

den Bonaventura gänzlich der homilelischen Litteratur überlassen, wenn

er nicht gelegentlich Einen Punkt berührte , welcher uns hier interessirt.

Dass er als Mysliker die Universalien realislisch in extremem Platonismus

nimmt und dieselben sogar als wesensgleicharlig direct in den Schöpfer

verlegt552), ist bei ihm wohl selbstverständlich, entzieht sich aber in

dieser Fassung jedem logischen Molive. Hingegen bezeugt er uns, dass

schon damals über das prindpium individuationis gestritten wurde,

indem die Einen die oben (Anm. 519) erwähnte Ansicht betreffs der

Materie vertraten, während Andere von einer eigenen „forma individualis"

sprachen ; aber wenn Bonaventura selbst eine dritte Ansicht als die

richlige bezeichnet, nemlich dass die hidividualion durch eine Verbindung

von Materie und Form entstehe, so scheint er nicht zu wissen, was er

549) Ebend. f. 13 v. B : Causa efficiens sgllogismi est anima ralionalis

Malerin vero sunt tres lermini et duae proposiliones Forma vero eins est polestas

inferendi conctusionem Finis aulem eius est facere fidem. Sodann werden

aber den kategorischen Schtuss die bekannten Regeln (ex mere parlicuioribus u. s. f.)

vorausgeschickt, hierauf die drei Figuren und deren Schlussfähigkelt erklärt und

begründet, und zuletzt folgt eine äusserst magere Zusammensteltung der modalen

Schlüsse.

550) Ebend. f. 35 v. B. (mlt Beibehaltung der bei Albert recipirlen Ter

minologie.

551) Vol. XVII, l, f. 220 v. B.

552) Campend, theol. verit. I, 25 (Edith Lugdun. Vol. VII, p. 698): Ideae

ren,m et exempior et raliones sie in deo sunt, quod idea importal causam efficientem

conformem effectui, sed exempior causam formalem, ralio vero causam finalem.. —

(p. 699) Sicut in menle artificis prius est forma rei, quam opus exeat, sie ideae

rerum anle mundi conslitulionem in mente ereatoris erant Omnis ereatura prius

in deo exislit, et hoc per ideas, quae non aliud, quam ipse dem, sunt

et erunt.

120 XVII. Bonaventura. Roger Baco.

redet; denn nach seinen eigenen Worten fällt das Hauptgewicht doch

wieder nur auf die Materie, und was er von dem quidditaliven Charakter

der Form sagt, wurde sicher von Jedermann zugegeben, trifft aber den

Fragepunkt nicht553). Ja an einer anderen Stelle spricht er sich so aus,

als ob auch die forma specifica ein Resultat aus Materie und Form wäre

und dabei die concrete Existenz des Individuums sich ganz in den Art

begriff verflüchligte554). Und um das Maass der Unklarheit voll zu

machen, bezeichnet er wieder anderwärts das „numerari", d. h. also die

Quanlität (vgl. Abschn. XIX, Anm. 66 u. 141), als die Ursache der Ent

stehung des Singulären 555).

Neben Albert, Thomas und Bonaventura steht chronologisch als ihr

Zeitgenosse der Franziskaner Roger Baco (geb. 1214, gest. 1292 oder

1294), dessen schriftstellerische Thäligkeit grösstentheils nur wenige Jahre

nach jener des Thomas fällt556); und wir sind auch aus inneren Gründen

553) In II Sentent., Dist. III, Pars l, art. 2, qu. 3 (Vol. IV, p. 49): Quaestio

de individualione De ipso, fuit contenlio inler phitosophicos viros. Quidam

enim dixerunt, quod individualio venit a maleria, quia tndividuum supra speciem

non addit nisi maleriam Aliis vero aliter visum est, sc. quod individualio esset

a forma, et dixerunt, quod ultra formam speciei specialissimae est forma individualis

Est lerlia posilio salis piona, quod individualio consurgit ex actuali

coniunclione maleriae cum forma, sicut palet, cum impressio vel expressio sit

multorum sigitlorum in cera Individuum est hoc aliquid. Quod sit hoc, principalius

habet a maleria, ralionc cuius forma habet posilionem in loco et lempore.

Quod sit aliquid, habet -a forma; individuum enim habet esse, habet eliam exislere;

existere dat maleria formae, sed essendi actum dal forma maleriae. Individualio

igitur in ereaturis consurgit ex duplici principio.

554) In niSenlent., Dist. X, art. l, qu. 3 (Vol. V, p. 116): Individualio est ex

communicalione maleriae cum forma,

(^01. v, 110;: inaividualio i

a, et innolescere habet per accidentium collectio- l

,libus et proprietalibus, quae nem Cireumseriplis accidentii individualionem non"*

faciunt, sed ostendunt, individualin est a principiis intrinsecis, secundum quod unum

conslituunt suppositum, in quo tolum esse rei stabititur. Et quia ex concursu itlorum

principiorum conslituitur individuum et resultat forma lolius, quae est forma specifica,

hinc est, quemadmodum dicit Boethius, quod speries est lolum esse individui (s. Abschn.

XII, Anm. 97 f.) In individuo proprie dicto est principiorum substanlialium unio

et primi suppositi constitulio in se ipso, non in allere.

555) In I Sentent., Dist. V, art. 2, qu. l (Vol. IV, p. 51) : Quoniam in erea

turis forma communis numeratur in supposilis, üleo in itlis forma communis producitur

ct corrumpitur, et ideo universale in singuiori generatur, quia numeratur.

556) Erst seit neuesler Zeit sind wir über Roger Baco etwas näher unler

richlet. Nachdem nemlich früher nur sein Opus maius ad Clementem IV. (hrsggbn.

von Jebb, London 1733. fol.) bekannt gewesen war, erwarb sich I. S. Brewer durch

sein Werk „Fr. Rogeri Bacon opera quaedam hactenus inedita", Vol. 1. London 1859.

8. (als 15. Band der Rerum Britannic. medil aevi seriptores) das Verdienst neuer

Publicalionen, in welchen wir nun nicht bloss das Opus minus (d. h. einen Auszug

aus dem Opus maius), sondern auch das Compendium studii phitosophiae und das

umfangreiche Opus lerlium in Textabdrücken kennen lernten. Indem aber gleich

zeilig, und zwar ohne Brewer's Leistung zu kennen, Emit Chartes eine Monographie,

belilelt „Roger Bacon, sa vie, ses ouvrages, ses doctrines d'aprts des lexles ine'dits"

(Varis 1861. 8), bearbeilete, zeigle sich in überraschender Weise, dass jeder Ver

such, den Boger Baco vollständig darzuslellen, als ein verfrühler scheitern muss,

so ionge nicht das ganze reichhallige Material gedruckt ist; nemlich E. Chartes fand

in den Bibliolheken Frankreichs und Engionds sehr viel Neues und insbesondere

einen äusserst ausführlichen Text des Opus lerlium, von welchem Ein Abschnitt in

einer Handschrift der BibliolMque Mazarine unler dem Titel „De communibus naturalium"

einen unerwarleten Reichthum phitosophischer Erörlerungen darbietet. EinXVII.

Roger Baco. 121

um so mehr berechligt, ihn hier einzureihen, als seine Ansichten mit

jenen Controversen, deren Entstehung und weiteren Verlauf der XIX. Ab

schnitt darlegen soll, höchstens den einen oder anderen ähnlichen Ge

sichtspunkt gemein haben, keinenfalls aber selbst wirksam in jenen Kampf

eingriffen. Allerdings beruhen Baco's Verdienste, — insoferne man über

haupt sich veranlasst sehen will, solche zu preisen557) —, sicher am

wenigsten in dem Gebiete der Logik , wenn er auch ein paar logische

Schriften, welche übrigens noch ungedruckt sind, verfasste 558); aber

dennoch müssen wir selbstverständlicher Weise Dasjenige anführen , was

von seinen Kundgebungen hieher gehört.

Während er einmal bei Eintheilung der Wissenschaften (in theore

lische und praklische) die Logik neben der Grammalik unter den theo

relischen Zweigen aufzählt, daneben aber doch noch vom „modus sciendi"

zelne Proben seiner nenen Funde hat E. Chartes im Anhange seiner Schrift (p. 334—416)

abdrucken iossen. (Was bei Jebb und Brewer sich fmdet, hat H. Siebert zu einer

Dissertalion, Marburg 1861, verarbeitet.)

557) Dass Roger Baco ein vielseilig begabter Mensch war, wird und kann

Niemand verneinen. Aber man hüte sich vor Uebertreibungen , wie z. B. wohl

deren grösste war, dass man förmlich eine Secularfeier den grossen Mannes in

Vorschiog brachte. Hebt man hervor, dass er auf Sprachstudium, auf Physik und

insbesondere auf Mathemalik hinwies, so soll man bedenken, dass vor ihm der

Grammaliker Helias leble, aus welchem schon Vincenz v. Beauvais schöpfte, und

dass Albert mlt reichen Händen Naturkunde spendele, sowie dass Bobert Capito

die gleiche mathemalische Neigung besass (s. ob. Anm. 335 u. 343). Gioubt man,

Baco rage aus seiner ganzen Zeit-Umgebung einzig hervor, so irrt man schon darum

gänzlich, weit er wie Alle im theologischen Auctoritälsglauben befangen ist und

bleibt (s. unlen Anm. 562), und was von seiner angeblichen Betonung der „Erfah

rung" zu hallen sei, werden wir sogleich, Anm. 568, sehen. Schon in Folge seiner

ungezügelten Phantasie steht er dem eigentlich phitosophischen Impulse etwas ferner,

und nicht bloss durch die Eitferligkeit der Composilion seiner Werke (die drei

bedeulendslen der oben genannten schrieb er in anderthalb Jahren zusammen), son

dern auch durch seine Grosssprecherei (er verheisst, in drei Tagen das Hebräische

zu lehren , ebenso in drei Tagen das Griechische und in sieben Tagen die ganze

Geometrie, Op. lert, p. 65 f.) macht er genau ebenso wie sein berühmler Namens

vetter den Eindruck eines Chariotans oder eines Schwindlers. Endlich aber die

Hauptsache ist, dass wir hoffentlich auch ihn nicht von der Frage dispensiren,

welche wir ja an Alle richlen, nemlich von der Frage, woher denn all seine Kund

gebung genommen sel. Und da zeigt sich für den besonnenen Forscher, dass Baco

auch all Dasjenige, was man in übertriebener Weise z. B. als Kenntniss oder Er

findung des Fernrohres, des Schiess-Pulvers, ja sogar der Dampfkraft, hat bezeichnen

wollen, sämmtlich den arabischen Naturforschern entlehnt hat.

558) Pitsens (De ittustr. Angt. seriptt.), der bekannle Lügner (s. Abschn. XIV,

Anm. 524), sagt, Baco habe geschrieben: Logica, De inlellectu et inlelligibiti, De

universalibus, In posleriora Aristolelis. Lassen wir uns aber hiedurch natürlich

nicht in die Irre führen, so fand hingegen Brewer (a. a. O., Praef. p. LXIX) in der

Bodleiana noch handschriftlich vorhanden : „Summuta dialeclices Rogeri Bacon" und

ein Bruchstück : „Mag. Rogeri Bacon de sophismalibtts et dislinclionibus". Wenn

jedoch Brewer diesen beiden aus der gleichen Bibliathek noch als dritte Schrift

anreiht „Sgncalegoremalica fratris Roberli", und unler der Bemerkung, dass Rogerus

und Robertos in den Handschriflen häuf,g verwechselt werden, sofort auch hier den

Namen „Bacon" subslitnirt, so muss ich diess jedenfalls als eine arge Voreitigkeit

bezeichnen. Auch liegt ja ein „Robert" aus jener Zeit wahrlich nicht in räthselhafler

Ferne, sondern wir werden vielleicht nicht fehlgreifen, wenn wir sogleich an

den Robert Capito denken (s. ob. Anm. 356 f.).

122 XVII. Roger Baco.

als einem dritten Gliede spricht559), hellt sich diese Unklarheit nach

einer anderen Stelle dahin auf, dass die beiden genannten Disciplinen als

„sermocinales" eben doch nur jenen „modus" enthalten 560). Aber bei

dem unendlichen Vorzuge, welchen für Baco das praklische Gebiet vor

dem theorelischen voraus hat, kann natürlich die Logik schliesslich nur

einen ethisch-religiösen Zweck haben 56l), sowie ja überhaupt die Philo

sophie, sobald sie nur auf sich selbst vertraut und nicht der Orthodoxie

dient, in „infernalische" Blindheit geräth, und die ungläubigen Philosophen

ohne Bedenken der Teufel holt502). Baco führt auch in einseiligster

Uehertreibung einer arabischen Auctorität lang und breit aus, dass es eine

natürliche Logik (sowie eine natürliche Grammalik) gebe, nach welcher

auch die Laien sämmtlich richlig schliessen und dispuliren, und in welcher

das ganze Verfahren , Unbekanntes aus Bekannterem zu erweisen , seine

letzte Stütze habe, und dass somit die sog. eigentliche Logik nur in der

Anwendung gewisser technischer Worte beruhe563), — kurz Baco ver-

559) Camp, phitos. c. l, p. 396: Studium sapienliae habet duas parles, unam

se. specutalivam et aliam practicam Grammalica enim, logica, naturalis phito

sophia, vulgata metaphgsica, quinque scienliae mathemalicae, et ptures aliae sunt

specutalivae veritatum , quae non consistunt in operibus, Quatuor vero scienliae

mathemalicae (quae novem sunt in universo") et alkimia, medicina, moralis phitosoplria,

sub qua comprehendo ius civile, theologia cum iure canonico, et multae aliae

a parle phitosophiae sunt praclicae (vgl. Albert ob. Anm. 360 und Avicenna vor.

Abschn., Anm. 71) Sed ad omnia scienda modus oplimus requiritur, Aristo

leles vero in semndo Metaphg,icae vult u. s. w., d. h. es folgt die Stelle Abschn.

IV, Anm. 177.

560) Op. maius, p. 59: Modi autem (s. ob. Anm. 363) phitosophiae aceidentales

(über diese Bezeichnung s. Anm. 564) sunt grammalica et logica. Op. lert. c. 28,

p. 104 : Cum logica comprehendo grammalicam, quia communi nomine utraque logica

dicitur, i. e. sermocinalis scientia, nam iöyof idem est quod sermo in una significalione.

561) Op. maius, p. 47 : Sed cum votuntas seu inlellectus praclicus sit nobitior,

quam specuiolivus, . et virtus cum felicitale exceliot in infinitum scientiam nudam et

nobis sit magis necessaria sine comparalione , necesse est, ut habeamus argumenta

ad exereitandum per inlellectum praclicum Logica specuiolivis scienliis per

(wohl zu lesen praebel) argumenta duo, quae sunt dialeclicum et demonstralivum,

moralibus aulem ministrat practica argumenta, et quia theologia et . ius canonicum

mores et leges et iura delerminant, ideo haec duo argumenta sunt eis necessaria.

Ebend. p. 59: Finis logicae est composilio argumentorum, quae movent inlellectum

praclicum ad fidem et amorem virtulis et felicitalis futurae. Vgl. ob. Anm. 361. u.

Abschn. XI, Anm. 125.

562) Ebend. p. 42: Phitosophia infidelium est penitus nociva et nihit videtur

secundum se considerata, nam phitosophia secundum se ducit ad caecitalem inferna

lem, et ideo oportet, quod secundum se sit lenebrae et caligo. Ebend. p. 37 : Philo

sophia secundum se considerata nullius ulilitalis est, phitosophi vero infideles

damnali sunt.

563) Op. lert. c. 28, p. 102: De logica non est vis tanta, quia scimus eam per

naturam, licet vocabuio logicae in lingua, qua ulimur, quaerimus per doctrinam; sed

ipsam scientiam habent omnes homines ex natura (s. vor. Abschn., Anm. 80)

p. 103: Omnis homo reddit causas et raliones dictorum et factorum suorum et

omnes homines respondent ad falsa per negalionem Unde licet ioici non habeant

vocabuio logicae, quibus elerici utuntur, tamen habent suos modos solvendi omne

argumentum falsum, et ideo vocabuio soio logicorum deficiunt ioicis, non ipsa scientia

logicae Cum omne, quod lit de novo nolum, fit nolum per nolius (s. ebend .

Anm. 15), ibitur in in/initum, si logicam non sciamus naturaliler p. 104: Et

Avicenna dicit (s. ebend. Anm. 13 n. 81), quod ruslicus arabicus seit grammalicam

XVII. Roger Baco. 123

abschiedet im Hinblicke auf die Jedem angeborne Logik den Aristoteles

und bezeichnet die wissenschaftliche Theorie desselben als etwas Un

wesentliches 564).

Dafür subslituirt er den Gegenstand seiner Lieblings-Neigung , nemlich

die Mathemalik, und behauptet, die Logik hänge von der Mathemalik

ab, was er komischer Weise damit begründet, dass in letzterer allein es

ein wirkliches Beweisen gebe 565). Hiemit aber hängt nun wieder sehr

eigenthümlich seine Auffassung der „Erfahrung" zusammen. Wenn nemlich

die Aussprüche einer Auctorität durch Beweise gestützt werden

sollen, Beweise aber schliesslich auf thatsächlicher Erfahrung beruhen 566),

so denkt Baco bezüglich dieser letzteren unmittelbaren Anschauung, bei

welcher allein die Seele sich beruhige, vor Allem an jene Autopsie,

welche bei geometrischen Beweisen oder bei mechanischen Vorrichtungen

(z. B. einem Astrolabium) erforderlich ist, und indem er alle Wissen

schaften auf Mathemalik begründen will, erblickt er in jenem unmittel

baren Schauen den dominirenden Ausgangspunkt für alles Wissen 567).

Aber sowie natürlich hiebei nicht etwa von einer „Methode der Erfah

rung" die Rede ist, so findet Baco diese sensuale Unmittelbarkeit doch

per naturam Vocabuio enim grammalicae et logicae discimus, sed naturaliler

scimus componere oraliones ex diclionibus et argumenta ex proposilionibus ; et hoc

docet grammalica et logica.

564) Ebend. p. 104: Ergo aliud regimen arguendi habemus, quam per arlem

Aristolelis datum ; sed non est aliud, quam innatum ; relinquitur igitur, quod a natura

scimus arguere et simititer dissolvere argumenta (p. 105) Quapropler de logica

et grammalica non est necessaria instructio humana, nisi propler vocabuio linguarum,

et ideo palet, quod logica et grammalica sunt accidentales scientiae et non

principales.

565) Op. maius, p. 60: Non sotum dependet cognilio logicae a mathemalica

propler suum finem, sed propler medium et cor eins, quod est liier Posteriorum ; nam

ille liber docet arlem demonstrandi; sed nec principia demonstralionis nec conctusiones

nec ipsa tola polest cognosci nec manifestari nisi in mathemalieis rebus, quia

ibi sotum est demonstralio vera et polens Quapropler necesse est, logicam a

mathemalicis dependere.

566) Comp. phitos. c. l, p. 397: Licet per tria sciamus, videlicet per auctoritalem

et ralionem et experientiam, tamen auctoritas non sapit, nisi detur eins ralia,

nec ralio polest scire, an sophisma vel demonstralio, nisi conctusionem sciamus

experiri per opera.

567) Op. maius, p. 445 : Volo revolvere radices a parle scientiae experimentalis,

quia sine experienlia nihit sufficienter sciri polest. Duo enim sunt modi .

eognoscendi, sc. per argumentum et experimentum. Argumentum conctudit et facit l

nos conctudere quaeslionem, sed non cerlificat neque removet dubitalionem, ut quiescat

animus in intuitu veritalis, nisi eam inveniat via experientiae Et hoc palet in

mathemalicis, ubi polissima est demonstralio; qui enim habet demonstralionem polissimam

de triangulo aequiiolero sine experienlia, nunquam adhaerebit animus quaestioni

nec curabit, sed negliget, usque detur ei experienlia per inlerseclionem duorum

eireulorum. Ebend. p. 448: Mathemalica habet experientias ulites cirea quaesliones

snas in figurando et numerando , quae eliam applicantur ad omnes scienlias et ad

haue experientiam, quia nulio scienlia polest sciri sine mathemalica. Ebend. p. 465:

Veritales magnificas in lerminis aliarum scientiarum, in quas per nuliom viam possunt

Mae scientiae (ausgefallen pervenire oder dgl.), haec sofa scienliarum domina specuiolivarum

polest dare Mathemalica bene producere polest astrotabium sphaericum,

sed quod hoc eorpus sie factum moveatur naturaliler molu diurno, non

est in polestale mathemalicae, experimentator aulem perfectus polest considerare vias

hnius motus.

124 XVII. Roger Baeo.

selbst wieder unzureichend sogar für die Erklärung der Körperwelt,

geschweige denn dass sie Aufschlüsse über das Geislige gebe, und so

mündet seine gepriesene „Erfahrung" vollständig in eine verzückte, in

sieben Stufen fortschreitende innere Erleuchtung aus568); und diese

auguslinische lux interior kann dann freilich denjenigen Wissens-Kreis

darbieten, welcher in mathemalisirenden Beweisformen zu einem ortho

doxen Dogmen-Systeme umgewandelt werden soll.

Gelegentlich einmal deutet Baco an, dass er sich um die Fragen,

welche den „modus significandi" betreffen, interessire; und wir müssten

ihn sonach fast für einen Vorläufer des Duns Scotus halten, wenn nicht

seine Angaben über die in der objecliven Natur liegenden und die von

der subjecliven Seele ausgehenden „Zeichen" allzu kärglich wären, um

aus ihnen seinen Standpunkt sicher zu erkennen569).

Auch betreffs der Universalienfrage blickt bei ihm eine Ansicht durch,

welche wenigstens in Einer Beziehung dem Grundgedanken des Duns

Scotus nicht sehr unähnlich ist; aber eine phantaslische Ueberschwänglichkeit

lässt den Baco weit über das Ziel klarer Verständigkeit hinausschiessen.

Mit dem Vorbehalte allerdings, dass vielleicht spätere Ver

öffentlichungen handschriftlichen Materiales reicheren Aufschluss geben

können570), lässt sich bis jetzt so Viel berichten, dass Baco vor Allem

für die Bedeutung und den Werth des Individuums förmlich schwärmt.

568) Ebend. p. 446: Sed duplex est experienlia. Una est per sensus exleriores,

et haec experienlia est liumnna et phitosophica, quantum homo polest facere

secundum graliam ei datam. Sed haec experienlia non sufficit homini , quia non

plene certifical de corporolibus propter sui difficultalem et de spiritualibus nihit

attingit. Ergo oporlel, quod inlellectus hominis aliler iuvetur, et ideo sancli patriarehae

et prophetae, qui primo dederunt scientias mundo, receperunt ittuminaliones inieriores

et non solum stabant in sensu Et sunt seplem gradus huius scienliae inlerioris.

Unus per ittuminaliones puras scienliales; alius «n rlrtulibus; lerlius in

seplem donis spiritus sancli; quartus in bealitudini bus ; ....quintus in sensibus

spiritualibus ; sextus in fruclibus; seplimus in caplibus. Kurz wir stehen

somit bei dem gepriesenen Baco auf dem allen „Qui non expertus est, non eredit,

non intelligil", und wir können es Jedem überiossen, einen solchen Standpunkt

etwa für einen Fortschritt gegenüber dem 13. Jahrb. zu halten. Schon Auguslinus

ja hatte gesagt „rredo, quia absurdum" und „eredo, ut inlelligam".

569) Op. ierl. c. 27, p. 100: Addidi intenlionem alterins parlis grammalicae,

quae est ulilissima in scienlialibus quantum ad inquirendum et sciendum omnes

veritales specuiolivas phitosophiae et theologiae. Et est de composilione linguarum et

de impositionibus vocum ad significandum et quomodo significent per imposilionem

Kl quia haec non possunt sciri, nisi homo sciat raliones et modos significandi, ideo

aggressus sum, itlos modos oslendere Signa quaedam sunt naturalia et quaedam

data ab anima. Et itio , quae sunt naturalia, sunt dupliciler; quaedam sunt per

concomitantiam signalorum, ul habere magnas extremitales est signum fortitudinis ;

quaedam per configuralionem, ut imago sancli Nicoioi Et sie omnes species

rerum (s. Anm. 575 ff.) sunt signa Signum aulem datum ab anima vel est naturaliler,

ut gemitus infirmorum, vel est ad piocitum (p. 101) Et tunc

considero, quomodo vox imponitur univoce, quomodo aequivoce, et quol modis quantumeunque

(zu lesen utrumque), et quomodo analogice et quol modis (letzleres s. ob.

Anm. 432 u. vor. Abschn., Anm. 31).

570) Bremer, Praef. p. LXIX : In his Compendium theologiae (welches bis jetzt

noch ungedruckt ist) he professed his inlenlion to enler on the consideralion of

those verbal dispules which divided the nominalist, and the realists of his dags ; and

in the same work he has devoled several pages .... to the consideralion of the nalurr

of words. Rut in none of these instances has he entered on the subject of logic

XVII. Roger Baco. 125

Er sucht nemlich zunächst in einer merkwürdig einseiligen Polemik, bei

welcher er uns auch bezeugt, wie sehr die ganze damalige Zeit sich vom

Platonismus weggewendet habe, bezüglich der Universalien alle und jede

subjeclive Thäligkeit gänzlich auszuschliessen , weil ja das Einzeln-Sein

und hinwiederum das gleicharlige Zusammentreffen der Einzeln -Dinge

ohjccliv auch dann bestünde, wenn es keine denkende Menschen -Seele

gäbe, und es erscheint ihm sonach die ganze Frage über die Aussagbarkeit

der Universalien als eine grosse Thorheit 571). Sodann aber hat er

auch in objecliver Beziehung für die Universalien nur Worte des Hohnes,

denn, meint er, die gepriesene Allgemeinheit und ewige Dauer der

Universalien habe überhaupt nur einen Sinn bezüglich der beständigen

Succession der Einzeln-Dinge 572). Erscheint ihm somit das Individuum

u'iih llie same amount of care and interest äs on grammar, mathemalics or experimental

sciences.

571) ßei E. Chartes, p. 386: Sed maior stullilia est (A. h. als die „stulta"

quaestio de individualione , s. Amn. 581) de natura universalis praedicabitis de sin

gutaribus, quum quaerunt, quid fanal universale. Et est quintuplex posilio praeler

positionem Piotonis. Ptalo vero dixit, quod universalia fuerunt ideae et quia

stulia est posilio et nultus nunc dicit sicut Piolo (vgl. Anm. 283, 352, 389 f., 394,

501, 514 u. Abschn.N XIX, Anm. 42 u. 121), ideo ad posiliones modernorum decurrendum.

Et est una solemnis, quod universale non est nisi in anima. Alia est,

quod universale sit in rebus per animam. Terlia est, quod universale sub ralione

unimrsalis est in anima, licct secundum id quod est sit in singuioribus. (Aber in

der Thal sind diess nicht drei verschiedene Ansichlen, sondern nur wechselnde

Redewendungen der aus den Arabern bei Albert und Thomas aufgenommenen An

nahme.) tJuarta est, quod universale sit sofum in singuioribus et non dependeal ab

anima aliquo modo (diess ist Baco's eigene Meinung). Sed quod prima est falsa,

patct, quia, elsi non essel anima ralionalis, duo iopides convenirent ad invicem; sed

haec convenientia facit universale; ergo universale remanet, elsi anima non esset.

llem nihil, quod est extra rem, polest de ea praedicari per inhaerenliam ; sed uni

versale praedicatur de singuioribus ; ergo non polest separari ab eis. Ilem species

non praedicatur de singuioribus nec est commune eis; imo quaelibet singuioris facit

speciem a se propriam, universale aulem est commune pturibus et praedicatur de eis ;

ergo universale non est in anima. Dein dato, quod universale non est in anima,

palet, quod secunda posilio est falsa; nam ostendo, quod anima nihit facil ad universalitalem,

quia duo esse habet Individuum, unum absolutum, aliud comparatum

(s. Anm. 573), sed utrumque esse habet, elsi anima non sit Ex quibus sequitur,

quod lerlia posilio sit falsa; nam quum in anima non sit universale nec anima

operatur aliquid ad universalitalem, limc universale secundum ralionem universalis

non est in anima Vanissimum est dicere, quod anima facit universale, sed ista

sunt.... quaedam sophismata, quae apud aliquos inducunt quintam opinionem de

universalibus (jedoch auch diess, was wir immer unter der Worlform „inlellectus

agit universalitalem" trafen, ist ja keine „fünfle" Ansicht, sondern trifft mit obigen

dreien zusammen; so gehört Baco zu jenen Menschen, mit welchen eine Discussion

unmöglich ist, weit sie in ihrer Phantaslerei uns das Wort im Munde umdrehen ;

such dass er an einer anderen Stelle der nemlichen Schrift selbst von einer „ver

schiedenen", und zwar nominalislischen Ansicht gesprochen hatte, — s. Anm. 580 —,

scheint er hier schon wieder vergessen zu haben).

572) Ebend. p. 384: Homines imperiti adorant universalia propler hoc, quod

dicit Aristoleles primo Posleriorum, quod universale est semper et ubique, singutare

est hie el nunc, ct secundo de anima dicit, quod esse universalis est esse perpetuum

et divinum, singuiore est corruplibite et non manel semper. Sed hoc el huiusmodi

solvuntur breviler, quod perpetuitas universalis et quod sit ubique, non est propler

eius dignitalem, sed propler successionem singutarium mulliplicalorum in omni lempors

el loco.

126 XVII. Roger Baco.

als das allein Preiswürdige, welches, wie die „Erfahrung" (vgl. Anm. 568)

zeige , weitaus den Vorrang vor dem Allgemeinen habe, — da ja auch

Gott die Welt nur um der Einzeln-Menschen , nicht um des allgemeinen

Menschen, willen erlöst habe —, so muss nun wohl das Universale dem

Einzelnen ganz unversöhnt gegenübertreten, indem das Individuum die

alleinige wahrhafte und feste Posilion sein soll, und das Allgemeine zum

blossen relaliven Zusammentreffen (convenientia respectu alterius) herab

sinken muss573).

Während nun Baco in diesem Begriffe der Gemeinsamkeit (communis

natura}, welchen er in einer Stelle bei Avicenna fand, eine wichlige

Entdeckung gemacht zu haben glaubt574), steht die Sache freilich schlimm

genug. Denn einerseits kann er, da ja die Einzeln-Dinge selbst es sind,

welche in gewissem Gemeinsamen zusammentreffen, allerdings triumphirend

ausrufen , dass das Universale lediglich im Einzelnen ohne alle Beihilfe

der subjecliven Seele vorliege, aber andrerseits bleibt ihm für die Frage,

wie denn dann jenes in den Dingen steckende Universale dennoch in die

Seele komme, keine andere Antwort fibrig, als die myslische, dass bei

der Einzeln-Wahrnehmung zugleich mit der kräfligen species singularis

auch eine species universalts herbeikomme, welche an sich mit der

„Schwäche" des Intellectus verwandt sei, aber durch die Vervielfälligung,

mit welcher sie auf die Dinge angewendet werde, zuletzt an Macht und

Stärke den Vorrang gewinne575). Bei solchem Gerede nun muss sich

573) Ebend. p. 383: Unum individuum excellit omnia universalia de mundo,

nam universale non est nisi convenienlia pturium individuorum. Duo mim sunt

necessaria individuo: unum absotule, quod conslituit ipsum et ingreditur eins essenliam,

nl anima et corpus faciunt bm,r hominem; aliud est, in quo convenial cum

aliquo homine et non cum asino nec poreo, et hoc est säum universale. Sed absotuta

natura individui tange maior et melior est quam reiota, quia habet esse fixum

per se et absotutum; et ideo singuiore est nobilius quam suum universale, et nos

scimus hoc per experienliam rerum Et quia omnia, quae tracto, stmt propler

theologiam, palet per raliones theologicas, quod universale non habet comparalionem

ad singuioria; non enim deus fceit hunc mundum propler universalem hominem, sed

prnpler personas siuguiores, .... nec redemit propler hominem universalem, sed propler

personas singuiores Manifestum est igitur, quod singuiore sine comparalione

est melius quam universale Et quum natura semper intendit quod est oplimum,

duae naturae, sc. universalis et virtus regitiva individui, intendent et operabuntur

individuum , sed hae duae praevalent virtuli regitivae speciei seu univer»alis.

Ergo simpliciter loquendo et absotule debemus dicere, quod individuum est prius secundum

naturam, tam secundum operalionen, quam secundum inlenlionem, quod

individuum est natura absotuta et fixa habens esse per se, el universale non est

nisi convenientia individui respectu allerius.

574) Ebend. p. 389: Dicendum est, quod primus modus universalem est, se

cundum quod natura aliqua est communis solis individuis, et hoc universale non est

nominatum adhuc et reperitur in omnibus universalibus Porphgrianis el est commime

ad omnia et quod universale dictum sit aliud praeler quinque, palet per

Avicennam in libro primo logicac, ubt hanc sentcntiam affirmat. S. vor. Abschn.

Anm. 179 f. (freitich schloss dann ebendort Avicenna hieraus jenen Grundsatz

„Intellectus agit universalitalem", aber Baco lässt sich durch solche Kleinigkeiten

nicht beirren).

575) Ebend. p. 387 : Si aulem de speciebus universalibus loquitur (sc. Aristo

leles), h. c. quod universale facitius intelligitur et idco nniversalia vocantur obiecta

inlellectus, hoc est per antonomasiam; ab uno enim singuiori non venit nisi sua

species singuioris, per quam intelligitur; sed a quolibet singuiori venit una species

XVII. Roger Baco. 127

jede weitere Frage, die wir an Baco richten möchten, in immer dichteres

Dunkel hüllen ; und so finden wir denn auch, dass ihm das Wort „species"

unter einem Duzend synonymer Ausdrücke alles Andere eher bezeichnet,

als was die Logik so nennt576). Nemlich eine gewisse myslische actuelle

Kraft soll sowohl auf die Sinneswahrnehmung als auch auf das Denken

wirken, und dabei zugleich sowohl universelle Species des Universellen

als auch singuläre Species des Singulären sein577); ja ''dieselbe soll auch

nicht, wie man gewöhnlich annehme, in der Form, noch aber auch im

Stoffe liegen, sondern von vorneherein die Species des aus Stoff und

Form zusammengesetzten Wesens sein57*).

Darum muss dem Baco die Annahme einer Einheit der Materie als

der grösste Irrthum erscheinen, welchem er dadurch zu entgehen sucht,

dass er die Materie selbst je nach den sämmtlichen Einzeln-Wesen unter

schiedlich getheilt und vervielfälligt werden lässt57'J). Und daherkommt

universalis cum specie singuiori, et ideo mulliplicatur species universalis in anima,

et ideo fit forlior et polentior Insuper intellectus e.sl debitis (vgl. Anm. 287

u. 348) ; propler eam debilitalem magis conformatur rei debiti, quae est universale,

quam rei, quae habet multum de esse, ut singulare. Sie igitm inlelligenda est auctoritas

Aristolelis (.! .!), et non accidit aliquid contra veritatem rerum universalium, quas

ponimus in singuioribus sine anima.

576) Op.maius, p. 358: Essenlia, substanlia, natura, polestas, polenlia, virtus,

vis significant eandem rem, sed di/ferunt soio comparalione Virtus habet multa

nomina, vocatur enim simititudo agenlis et imago et species et idotum et simutaerum

et phantasma et forma et inlenlio et passio et impressio et umbra phitosophorum

Species aulem non sumitur hie pro quarto universali apud Porphgrium, sed transsumitur

hoc nomen ad designandum primum effectum cuiustibel agenlis naturaliter.

577) Ebend. p. 66: Haec virtus vocatur simititudo et imago et species et mullis

nominibus, et hanc facit tam substantia quam accidens et tam sptritualis quam corporalis

Et haec species facit omnem operalionem huius mundi, nam operatur

in sensum, in intellectum, et in lolam mundi maleriam. Ebend. p. 372 : Cum uni

versale non sil nisi in singuioribus , nec polest singulare carere suo universali,

erit proporlio speciei universalis ad speciem singuiorem, sicul rei universalis ad rem

singuiorem Sive in medio sive in sensu sive in intellectu sunt species univer

sales, oportet, quod ibidem sint species singuiores ei respondenles.

578) Op. lert. c. 31, p. 109: Species substanliae agenlis est composita el non

est solius formae, ut aeslimatur, et species rei universalis est universalis et species

rei singuioris est singuioris. Op. maius, p. 367 : Species substanliae non est tantum

ipsius formae seu maleriae, sed tolius cvmpositi. Ebend. p. 66 : Omnis res naturalis

producitur in esse per efficiens et maleriam. Bei E. Chartes, p. 377 : Non est

triplex praedicamentum nec triplex grnus generalissimum in praedicamento substanliae,

quia unum eorum est principale praedicabite, cum quo duo non ponunt in numero;

propler quod unum est genus generalissimum substantiae , sciticel compositum, per

quod allenditur unitas praedicamenti Insuper compositum habet ralionem per se

exislenili in ordinc enlium; non sie maleria et forma.

579,1 Op. maius, p. 88: Mullitudo vero phitosophantium non sotum in forma

propria phitosophiae, sed in usu theologiae dicit el asserit, quod una est maleria

numero in omnibus rebus et quod sotum est diversitas a parle formarum ; sed hie

est error infinitus. Op. lert. c. 38, p. 121: Cum omnes ponant, quod maleria sit

una numero in omnibus rebus, el cum hie sit pessimus error, qui unquam fuit

in phitosophia positus, ideo aggredior hanc posilionem p. 122: Sicul forma

prima, quae praedicatur de omnibus formis et est communis iis et dividitur... . usque

ad specialissimam, habet unitalem generis et non est una numero, ergo simililer,

cum maleria praedicetur de omnibus maleriis rerum et sit eis communis et dividatur,

maleritt alia est spiritualis, alia est corporalis et paribus passibus descendit sicut

compositum et forma. Ebenso bei E. Chartes, p. 378.

128 XVII. Roger Baco.

es, dass er gegen die bei Albert und Thomas von den Arabern entlehnte

Ansicht polemisirt , dass die Materie den Process der Individualisirung

erst bewirke (s. Anm. 388 u. 519); denn indem Baco, wie wir sahen,

dem Einzeln-Ding eine grundsätzliche Priorität zuweist und in dem Fort

schritte zu dieser Vollkommenheit nur das „Dieses" (hoc) als maassgebend

erblickt, kann er weder in dem Artbegrifl'e, welcher nach seiner Ansicht

auf einer blossen Vergleichung beruht, noch auch in irgend einem Zusatze,

der zu demselben hinzukäme , die Ursache der Individualisirung fmden,

sondern nur in der Eigenthümlichkeit (proprium) des individuellen Seins

selbst580). Aber während diese Ansicht einem Vorspiele der haecceüas

des Duns Scotus gleicht (s. Abschn. XIX, Anm. 144 ff.), fällt Baco auch

hierin wieder in seinen plumpen myslischen Dualismus zurück, da er

sowohl für das absolute Sein der Individuen als auch für den relaliven

Bestand der Artbegriffe kurzweg die Causalität Gottes verantwortlich macht

und somit in andächliger Herzens-Einfalt folgerichlig die ganze Frage über

das Princip der Individualion ebenso wie jene über die Universalien als

eine grosse Thorheit bezeichnet581).

Als eine specielle logische Eigenthümlichkeit Baco's kann ich noch

580) Bei E. Chartes, p. 384: Dicunt aliqui, quod species est tota essenlia individuorum

el habet esse sotum diversa in eis; et alii dicunt, quod maleria addita

formae universali fad t Individuum; et alii, quod polenliae aliquid significatum additur

et sie significatur species significanda in diversis (diese Ansicht kann wohl nur

von nominalislischen Anhängern der byzanlinischen Logik aufgeslellt worden sein).

Sed omnia haec convincuntur falsa esse, quia poslquam linea singuiorium vadit de

incompleto ad completum sicut linea universalium, palet, quod tum sicut se habet

animal ad hominem sie hoc animal ad hunc hominem, et ideo sicut „ralionale" additum

huic animali fucil hunc hominem, et ita nec humo nec aliquid additum homini

faciet hunc hominem, licel hoc ponunt. Item palet ex dictis, quod hie homo est prius

homme secundum operalionem el intenlionem naturae, et homo advenit extra essentiam

eius simitis accidenli el tanquam ittud, in quo debel comparari ad aliud quoddam

tndividuum; ergo tndividuum habet prius esse tndividuum, inquantum est tndividuum,

el essentiam suam naturalem, anlequam oriatur universale suum. Ergo tunc nec

universale nec aliquid additum ad ipsum facit tndividuum, et ideo principia propria

ingredienlia essentiam individui faciunt ipsum.

581) Ebend. p. 385: Dicendum, quod esse tndividuum duplex est; unum est absotutum

secundum sua principia, quae ingrediuntur suam essentiam, et sie species

non sunt esse individui; aliud est secundum comparalionem eius ad aliud Individuum,

cum quo convenit naturaliter, el ittud esse facit species. Et cum quaerunt, quid

erit causa individualionis, si nec species nec aliquid additum specici causat eam,

quaerendum est primo ab eis, quid est causa universalitat^, si nec individuum nec

aliquid additum ad ipsum faciat universale. Ista quaestio est stulta, quum supponit,

nibit aliud posse reperiri, quod causat individuum, nisi species el aliquid cum specie.

JVam habet sua principia singuiorin ingredientia essentiam suam, sicut universale habet

universalia. Et cum quaeritur de principiis itlis, ul maleria et forma, quid est causa

individualionis, quaerendum est ab itlis, quid facit universalia eorum esse universalia.

Et non possunt dicere, nisi quod erealor facit quodlibet, secundum quod

proprietas eius exigit, el ideo naturam, in qua multa debent convenire, facit univer

salem, el maleriam diversam ab alia facit singuiorem. Verum erealor hanc maleriam

primam fecil singuiorem, quia sua proprietas hoc requirit, el simititer formam, in

qua duae formae conveniunt, fecit universalem, el maleriam, in qua duae maleriae

parlicipant, fecil communem, quia earum proprietas hoc exposcit, sicut fecit asinum

secundum eius proprietalem el hominem secundum suam el omnia. Et ideo stullitia

magna est in huiusmodi quaeslione, quam faciunt de individualione.

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 129

erwähnen , dass er getreu seiner Ueberschätzung der Mathemalik alle

Kategorien auf die Quanlität zurückführen will 582).

Endlich aber fällt noch gleichfalls in diese nemliche Zeit eine manigfache

Erweiterung der byzantinischen Logik, welche sich nur

dadurch erklären lässt, dass dieses ganze Material bereits in den ersten

drei Jahrzehnten, welche seit seiner Aufnahme in die Litteratur des latei

nischen Abendlandes verflossen , an allen Orten die eifrigste Pflege ge

funden haben muss. Während es uns aber schlechterdings unmöglich ist,

irgend beslimmte Autoren-Namen zu nennen , ist dieses Mittelglied doch

geeignet, Eine jener vielen Lücken der Tradilion, auf welche wir immer

hin noch stossen , einigermaassen zu ergänzen. Denn wir können nach

weisen, dass gegen das Ende des 13. Jahrhunderts fast der ganze Umkreis

der byzanlinischen Logik allmälig eine erweiterte Umbildung, insbeson

dere durch Vermehrung der „Regeln", erlangt hatte, sowie dass hiebei

die Grundlagen der Lehre von den „Consequentiae", welche später zahl

reiche Vertreter fand , bereits ihre Formulirung gefunden hatten. Wohl

zu beachten aber ist, dass (abgesehen von einer einzigen noch späteren

Quellenstelle, s. Anm. 626) es nur zwei jüngere Zeitgenossen, nemlich

nur Duns Scotus und Raimundus Lullus, sind, welche uns das Material

für diese Episode liefern, indem dieselben ziemlich häufig Einzelnes in

derarliger Form anführen, dass es unmöglich ihr eigenes Erzeugniss sein

kann, sondern einer zu ihrer Zeit allgemein umlaufenden Lehre entnommen

sein muss (ja es ist dabei selbst von „verschiedenen Meinungen" oder

sogar von „Vielen", welche Etwas so oder so angeben, die Rede, s. Anm.

589, 595, 624). Wenn solche Quellen aus jener Zeit reichlicher flössen,

oder erst vollends, wenn die handschriftlichen Schätze aller Bibliotheken

ausgebeutet wären , Hesse sich gewiss ein richligeres Bild entwerfen,

welches dann auch die Namen der bis jetzt entschwundenen Autoren ent

halten könnte. Jedenfalls aber muss ich bei der einmal bestehenden

Beschränktheit der Quellen die Möglichkeit offen lassen, dass noch gar

Manches, was für uns erst bei Späteren zu Tag tritt, dennoch bereits

damals in reichem Schulbetriebe seine Entstehung gefunden haben kann.

Was nachweisbar in jene Zeit fällt, ist Folgendes.

Schon die Lehre vom Urtheile bot manche Gelegenheit zu Fortbildungs-

Versuchen dar; und zwar ist es zunächst das hypothelische Urtheil, bei

welchem man zu den drei früher recipirten Arten desselben (Anm. 39

u. 158) noch weitere vier Arten, nemlich causalis, temporalis, localis,

rationalis , hinzufügte und analog der älteren Tradilion nun auch für

diese Satzarten die „Regeln" der Wahrheit formulirte, wobei namentlich

betreffs der adverbia temporis et loci die Unterschiede der Bedeutung

(ob Ruhe oder Fortschreiten) als maassgebend betrachtet wurden 583).

582) Op. maius, p. 60: Constat, praedicamentum quanlitalis cognosci non passe

sine mathemalica Quantitali vero annexa sunt praedicamenta „,juando" et „übi";

praedicamentum „Aafcttus" non polest cognosci sine praedicamento „ubi";

«laior vero pars praedicamenti quulitalis continet passiones et proprietales quanlitatum;

quidquid aulem dignum est consideralione in praedicamento reiolionis, est

proprietas quantitalis.

583) Kairo. Lultus, Dialect. introd. (s. folg. Abschn., Anm. 2), f. 3 v. B: Sex

(zu lesen seplem) modi sunt hgpothelicae proposilionis, sc. copuioliva, disiunctivu,

PBAKTL, Gesch. III. 9

130 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

Sowie aber hiebei zwischen causalis und rationalis der Leser kaum

einen greifbaren Unterschied erblicken kann , so lässt eine andere Noliz

die Erörterung über causalis ganz hinweg, wornach dann nur drei neue

Arten des hypothelischen Urtheiles verbleiben 584), wobei man sich auch

später unter Beseiligung der Terminologie „ralionalis" begnügte; s.

Abschn. XX, Anm. 322.

Ferner ein sehr beliebter Tummelplatz der Logiker muss die Lehre

von den modalen Urtheilen gewesen sein (s. ob. Anm. 41 ff., 160 ff.,

456 f. und besonders bei Thomas Anm. 542). Vor Allem war die schon

bei Wilhelm Shyreswood (Anm. 43) auftretende Unterscheidung eines

Modus adverbialis und eines modus nominalis in die neue Terminologie

potenzirt worden, dass ersterer nun sensus composüus heisst und jene

Urtheile betrifft, in welchen der modale Ausdruck zum Subjecte oder zum

Prädicate gehört , während letzterer jetzt als sensus divisus denjenigen

Urtheilen anheimfällt, in welchen die Copula Trägerin des Modus ist;

und man konnte bei dieser Unterscheidung, welcher sämmtliche modalen

Urtheile unterworfen sein sollten, sowohl wieder allgemeine Regeln der

formalen Wahrheit aufstellen585), als auch im Interesse der Syllogislik

condilionalis, causalis, lemporalis, localis, ralionalis, quanquam omnes possunt reduci

ad tres primos modos f. 4 r. A : Causalis est bgpotheliea habens in se duas

calegoricas unitas per aliquam causalem coniunclionem. Ad veritalem eius requiritur,

quod sie esse, ul significatur per antccedeus, sit causa sie essendi, ut per consequens

significatur In negaliva, in qua negalio ponitur immediale ante coniunctionem,

requiritur ad eius veritalem, quod calegorica praecedens negalionem sit

vera, et requiritur, quod sie esse, ut secunda significat, non sit causa sie essendi,

ut prima significat Temporaiis est hgpothelica habens in se duas calego

ricas unitas per adverbium temporale. Ad eius veritalem, si sit de praelerito vel

futuro nec habeat aliquam partem universalem ncc adverbium denotans successionem

r,'l simultalem lemporis, requiritur, quod ita fuerit vel futurum sil in eodem lempore

. Sed si habet in se adverbium denutans ordinem lemporalem, sufficit tunc,

quod ita fuerit vel futurum sit pro diversis satlem lemporibus Si vero aliqua

pars est universalts, requiritur, quod tol proposiliones singuiores fuerint vel futurae

sint verae succcssive, quol fuerunt vel erunt supposita (B) Si vero quaelibet

calegorica sit de praesenti, tunc requiritur, quod ita sil in lempore praesenti.....

Ad falsitalem sufficit oppositum itlius, quod requiritur ad veritalem eius Localis

est hgpolhelica habens in se duas calegoricas unitas per adverbium locale. Ad veritalem

localis aflirmalivae non babentis adverbium denotans motum requiritur, quod

ita sit vel fial in eodem loco.. ... Sed ad veritalem negalivae sulficit, quod res non

sil vel i'iut in eodem loco Sed ad reritatem loculis habentis in se adverbium

denotans motum, aliquando requiritur, quod sit idem lerminus ad quem, aliquando,

quod sit idem lerminus a quo Ralionalis est hgpothelica, in qua

coniunguntur ptures calegnricae mediante coniunctionc causali. Ad eius veritalem re

quiritur i'l sufficit, quod, qualilereunque significatur esse per antscsdens, ita si!, ut

significatur per consequeus.

584) Ebend. Dialect. s. nov. log. (s. folg. Abschn., Anm. 3), p. 151 : Proposilio

hgpothelica est septuplex (hier hinwiederum ist doch sextuplex zu lesen), sc. coputaliva,

disiunctiva, conditionalis, ralionalis, lemporalis et lecaiis ll1,tu,nuli^ est

ilin, in qua sunt duae calegoricae coniunctae per bas coniuncliones „igitur" vel

„ergo" Temporaiis est, in qua sunt duae calegoricae coniunctae cum adverbio

lemporali, ut „bonitas est magna, quondo magnitudo est bona". Localis est itio, in

qua sunt duae calegoricae coniunctae cum aliquo advprbio locali, ut »virtus est, ubi

iustilia esf". Die Regeln über die Wahrheit dieser Urtheite sind dabei nicht

angeführt. Vgl. Abschn. XIX, Anm. 328.

585) Ebend. Dialect. introd. t. 5 r. B: Proposilio modalis est itio, in qua ponitur

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 13t

darauf hinweisen , dass ja eigentlich doch nur der sensus divisus ein

wahrhalt modales Urtheil conslituire, hingegen der sensus composüus den

Urtheilen des Stattfindens beizuzählen sei 5s6), während man hinwiederum

dennoch für beide Arten die üblichen Momente der Quanlität, der Qua

lität, des Gegensalzes und der Umkehrung durchführte587). Ferner ver

mehrte man innerhalb dieser neuen Zweigliederung der Modalität auch

die Zahl jener Begriffe selbst, durch welche ein Urtheil ein modales

wird; nemlich man fügte die Begriffe per se, dubium, ad utrumlibet,

scüum, opinatum, apparens, credibile, notmn, volitum, dilectum hinzu,

so dass schon hier (vgl. unten Anm. 598, 600 f.) so ziemlich der ganze

Umkreis derjenigen Verba, welche einen sog. Accusativ. c. infinit, re

gieren, beigezogen ist 588). Zudem hatten sich an jene modalen Urtheils-

Formen , welche schon längst recipirt waren , gar manche Neuerungen

geknüpft. So wird bei den Möglichkeits-Urtheilen bezüglich ihrer Trag

weite, d. h. suppositio, merkwürdiger Weise aus Shyreswood's Syncategoreumata

(s. ob. Anm. 86 f., vgl. auch Anm. 63) der Unterschied zwischen

disjuncliver und copulaliver Supposilion formulirt, wodurch wieder Be

rührungspunkte mit der restrictio (Anm. 234) entstehen589), und auf

lerminus modificalivus cum infinitivo Si lermini praedicti seu modi ponuntur

in medio dicli, sc. inler actum et infinitivum ipsos dividendo, dicitur propositio divisa

seu in sensu diviso; aliler dicitur proposilio composita seu in sensu composito. Ad

veritalem divisae sufficit, quod modus veri/icetur de proposilione constituta ex pronomine

demmstrante „id", ul dicendo „calidum possibitc est esse frigidum''

ad eius veritalem sufficit, quod haec proposilio „hoc esse frigidum, est possibite"

sit vera Ad veritalem compositae requiritur, quod lerminus seu modus verificetur

de propositione indicativa correspondente itli dicto.

586) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. t, 25, (Vol. I der Opp., s. Absehn. XIX,

Anm. 82) p. 309 B: Modum contingit dupliciter poni in propositione, sc in sensu

diviso, quando modus ponitur, ut sit delerminalio copuioe; vel in sensu composito,

quando modus ponitur a parle subiecti vel a parte praedicali. Et istae propositiones

multum differunt el quantum ad sgllogizandum et quantum ad convertendum; item

differunt, quia ilio de sensu composito est propositio de messe, et itio de sensu diviso

est modalis, quia semper proposilio est denominanda a copuio.

587) Ebend. p. 310 A : Propositiones de modo in sensu composito sunt indefinitae,

v. g „Possibite est, Soeralem currere", quia sua universalis est ista

„Nultum possibite est, Soeralem currere" lta conformiler dicitur de itlis , in

quibus modus praedicatur. Vgl. obige Anm. 43.

588) Ebeod. : Omnes propositiones ... in sensu composito de istis modis „nccessarium,

per se, verum, possibite, contingens", — loquendo de contingenli pro possibiti

communi — (vgl. ob. Anm. 42 u. 162), consimititer convertuntur itlis de inesse

De istis modis „impossibite, falsum, dubium" non convertuntur sicut itioe de

inesse, quia tunc istae reguioe essent verae „Si antecedens est impossit,ite, consequens

est impossibite"' De istis modis „scitum, opinatum, apparens, nolum, volitum,

ditectum" non convertuntur simitiler sicut itioe de inesse. Ebd. 26, p. 311 B: Proposiliones

de sensu diviso in illis modis „impossibite, falsum, conlingens, ad utrumlibel"

non convertimtur simutler itlis de inesse Modales de sensu diviso in islis

modis „cognosco, apparel" et huiusmodi non convertuntur proprie. Auch 36. p. 328 A

werden als modi die Begriffe „scio, opinor, eredo, dubito, apparel" angeführt. Ueber

„opinabiliter" s. schon bei Petr. Hispanus ob. Anm. 234.

589) Ebend. 26, p. 310 B: De propositionibus de possibiti duplex est opinio.

Una ponit, quod subiectum respectu verbi de possibiti (d. h. bei einem Urtheite de

sensu diviso) in propositione indefinita vel particuiori supponit disiunetive pro Ais,

quae sunt, et pro his, quae possunt esse, el in universali sive affirmaliva sire negaliva

supponit copuiolive Sed alia est opinio, quae ponit, quod itio de possibiti

9*

132 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

solcher Grundlage ergeben sich neue Regeln betreffs der Umkehrung

dieser Urtheile 590), wobei man auch das contingens neben dem possibile

gesondert betrachtete 09 1). Betreffs der Nothwendigkeits-Urtheile finden

wir die spitzfindige Unterscheidung zwischen necessarium conditionale,

necessarium quando, necessarium simpiiciter, welch letzteres wieder

entweder ut nunc oder pro semper sein könne 592), und sowie für diese

Unterarten die Regeln der Umkehrung untersucht werden 593) , so spielt

dabei auch das Wechselverhältniss zwischen Unmöglich und Nothwendig

sowie zwischen Un-nothwendig und Möglich herein594). Ausserdem

endlich werden noch sehr eigenthümliche Regeln über das Verfahren

aufgestellt, durch welches Möglichkeits-Urtheile in Urtheile des Stattfindens

umgesetzt werden können ; nemlich singuläre oder unbeslimmte Möglichkeits-

Urtheile sollen einfach in das Präsens des Stattfindens übergehen

können , und bei Möglichkeits-Urtheilen der Vergangenheit oder Zukunft

brauche nur das Prädicat, nicht aber auch das Subject, entsprechend

umgesetzt zu werden595).

Andrerseits war es natürlich der ganze Abschnitt De lerminorum

proprietalibus , welcher reichen Anlass zu fortbildenden Erweiterungen

darbieten konnte. Und so fmden wir denn auch die Lehre von der

suppositio in einer eigenthümlichen Gestaltung, welche in ihren Grund

zügen wohl mehr an Shyreswood (Anm. 61), als an Lambert v. Auxerre

est distinguenda, quia vel eins subiectum supponit pro his, quae sunt, vel pro his,

quae possunt esse.

590) Ebend. p. 312 A: Affirmalivae de possibiti pro Ins, quae sunt, non convertuntur

proprie Negalivae de possibiti non convertuntur proprie, in quibus

subiectum supponit pro his, quae sunt Affirmalicae de possibiti, in quibus

subiectum supponit pro his, quae possunt esse, simitiler convsrtuntur fiegaliva de possibiti pro his, quae possunt esse, non converliluirt.lis de inesse.

591) Ebend. 30, p. 319 A: Propositio de conliugenti (s. Anm. 588) polest converti

dupliciter. Uno modo in oppositam qualitalem .... manente eodem subiecto et

praedicalo. Alio modo possunt converli ad utrumlibet transponendo lern,inos sicut

Mae de inesse.

592) Ebend. 26, p. 311 A: Triplex est propositio de necessario. Quaedam de

n,'cessario condilionali, ul „Vacuum, si est, de necessitale est locus" ; alia de ne

cessario quando, ut „G,ammalicus, quando est, de necessario est homo"; sed lertia

est de necessario simpliciter, et talis est duplex, quia quaedam est de necessario ul

nunc solum, sed alia est de necessario simpiiciler pro semper.

593) Ebend.: Proposiliones de necessario conditionali aul eliam de necessario

quando non convertuntur , de necessario simpiiciler pro nunc non convertuntur

proprie, quod tales propositiones possunt converti improprie per resolulionem ad

quandam de inesse De necessario simpliciter pro semper simititer convertuntur

itlis de inesse.

594) Ebend. p. 312 A: liio de necessario de modo negalo non dicitur proprie

de necessario, sed de possibiti, et e contra itio de possibiti de modo negalo

non dicltur proprie de possibiti, sed de necessario.

595) Duns Scolus, Qu. in Phgs. VI, 2, 6, (Vol. II) p. 356 B: Loquendo in proposilionibus

de possibiti aul de praelerilo aul de futuro oporlel uli duabus regulis,

quas mulli ponunt universales. Prima reguio est ista : Omnis proposilio singuioris

vel indefinita de possibiti debet poni in esse per unam propositionem de praesenli, ul

ista „Soerales polest currere" in „Soerales currit". Secunda reguio , quod in

omni proposilione de possibiti rel de practerito vel de futuro praedicatum appeltat

suam formam, et non subiectum (vgl. Anm. 601), h. e. quud talis proposilio debet

poni in esse per unam de consimiti praedicalo, et non oporlet, quod per unam de

consimiti subiecto ; et polest exemplif,cari de iita „Album polest esse nigrum".

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 133

und Petrus Hispanus (Anm. 126 f. u. 202 ff.) erinnert, aber namentlich

in der Eintheilung sehr von der älteren Tradilion in einer Weise ab

weicht, welche unleugbar den Vorzug der Klarheit für sich hat; nemlich

nach Ausscheidung der blosscn Metapher (impropria) soll die propria

supposüio zerfallen in simplex, materialis, personalis, letztere in discreta

und communis, letztere wieder in delerminata und confusa, diese letztere

in disiunctiva, copulativa (vgl. Anm. 589) und distribuliva, und endlich

diese letztere erst in mobilis und immobilis 59B). Auch hatte man be

treffs der supposüio acht Regeln formulirt, welche theils an die Qualität

und Quanlität der Urtheile anknüpfen, theils die Lehre von der dislribulio

sowie einige Syncategoreumata in ihr Bereich ziehen, und auch ihrerseits

einen Beleg dafür geben, wie sehr überhaupt die Zahl der termini, wo

nur Gelegenheit dazu war, vermehrt wurde; nemlich an die Oomparalivund

Superlaliv-Formen (s. Anm. 265) und die hier ihnen gleichgestellten

Worte „differl" u. dgl. (Anm. 266) reihen sich nun noch „caret, distinguüur"

an, und mit „bis, ler" (Anm. 254) werden „immediate, continue"

verbunden, während eine Reihe von Verbis, wie appeto, desidero, cupio,

opto, teneor, debeo, promüto, requiro, indigeo, spondeo, völlig neu hin

zukommen 597).

596) Raim. Lull. Dial. introd. f. 5 v. A : Supposilio primo dividitur in propriam

et impropriam. Impropria est, ut „Anglia pugnal" Propria est, quando

lerminus supponil pro inlenlione vel pro se vel sibi simiti vel pro itlo, ad quod

signandum est impositus. Propria dividitur in simplicem, malerialem et personalem.

Simplex est, ut „honio est species" Malerialis est, quando lerminus supponit

pro se aut sibi simiti, ul „Aonio est vox". ...vel „homo est lerminus mentalis''

Personalis est, quando lerminus supponit pro itlo, ad quod significandum est im

positus Personalis dividitur in diseretam et communem. Disereta est, quando

lerminus singuioris supponit , communis est, quando lerminus communis

Communis dividitur in determinatam et confusam Delerminata est, quando ter

minus communis supponit pro aliquo, sub quo non copuiolive, sed disiunclive seu

per proposilionem disiunclivam polesl fieri descensus ad sua singutaria Confusa

est, quando lerminus communis supponit et non debet fieri talis descensus, sed vel

disiunctus per proposilionem de disiuncto extremo vel coputatus per propositionem de

coputato extremo (vgl. folg. Abschn., Anm. 47) vel coputalivus per proposilionem

copuiolivam. Et ideo supposilio confusa est triplex, sc. vel est confusa tantum disiunctim

vel confusa tantum coputalim vel confusa et distribuliva. Confusa tantum

disiunctim est, quando non polest fieri descensus per proposilionem disiunclivam, sed

per propositionem de disiuncto extremo Confusa tantum coputalim est, quando

non licet fieri alium descensum nisi per proposilionem de copuioto extremo Con

fusa et distribuliva est, quando polest fieri descensus per proposilionem coputalivam

uniformiler vel difformiter ad sua singuioria Confusa et distribuliva est duplex,

sc. mobitis et immobitis Mobitis est, quando polest fieri descensus uniformiter

vel affirmalive vel negalive Immobitis est, quando non polest fieri descensus

uniformiter, sed difformiter, i. e. quando aliquae singuiores sunt affirmalivae et aliquae

negalivae. Nur der Anfang dieser ganzen Bintheitung findet sich auch in des

Lullns Dialect. s. not), log. p. 152.

597) Ebend. f. 6 r. A: De regulis suppositionum. Prima: Omnis lerminus sin

guioris supponit diserele. 2. Cuiusiibet proposilionis parlicuioris vel indefinitae subiectum

supponil delerminale ; eliam praedicatum affirmalivae, si sit lerminus communis

et non impediat sgncalegoreuma 3. Cuiustibet proposilionis universalis subiectum

supponit confuse et distribulive, et eliam praedicatum proposilionis exctusivae

4. Cuiusiibet proposilionis universalis negalivae subiectum supponit confuse et distri

bulive, et eliam praedicatum 5. Signum universale affirmalivum confundit et

distribuit suum lerminum commonem sequenlem se, et confundit tantum terminum

134 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

Ebenso verhält es sich mit der ampliatio (s. Anm. 225 ff.). Man

hielt nun die verschiedenen Arten des lerminus ampliativus (im Gegen

satze gegen terminus ampliatus) auseinander , welche im Futurum oder

Präteritum eines Verbums oder Parlicipiums, in den Verbis polest oder

contingit, oder in den auf verschiedene Zeiten erstreckbaren Verbis significo,

intelligo, memoro, promüto, appeto u. dgl. (vgl. Anm. 588) liegen,

wobei natürlich grundsätzlich die erweiternde Funclion der ampliaiio nur

dem Prädicate, sowohl nach seiner primären Bedeutung als auch nach

seinem connotatum (d. h. den abgeleiteten secundären Wortformen), zu

kommt, und der Subjectsbegriff der hiedurch erweiterte ist598). So

mussten dann wohl erklärlicher Weise für die drei grammalischen Zeit

formen der ampHaliven Sätze mit Einschluss der Parlicipien und sogar

der abgeleiteten auf „bilis" endigenden Adjecliva jene Regeln , welche

schon bei Petrus Hispanus vorlagen , vermehrt und specieller formulirt

werden , und man unterliess es hiebei selbst nicht , auch wieder die

Modalität der Urtheile hereinzuziehen 5"). In Bezug aber auf diesen

communem remolum ; omnis aulem negalio et omnis dictio habens vim negaliunis confundit

et distribuit lerminos omnes sequentes se; est aulem talis dictio omnis comparalivus,

supertalivus et „differt, aliud , caret, dislinguitur" 6. Praedicatum

cuiusiibet proposilionis universalis affirmalivae el mbiectum cuiusiibet exctusivae affirmalivae,

si sunt lermini communes, sup'ponunt confuse tantum. 7. Omnia adverbia

numeralia, ut „bis, ler, qualer", el isli lermini „immediale, continue" (vgl. Abschn.

XIX, Anm. 183) semper ubique confundunt lerminos communes immediale sequentes

se confuse tantum, el ista verba „appelo, desidero, cupio, opto, leneor, debeo,

promitto, requiro, indigeo, spondeo" ct universaliter omnia verba significanlia actum

inleriorem cum suis actiois participiis et gerundiis et priore supino confundunt lerminum

communem sequentem se confuse tantum 8. Quitibet lerminus habens

vim distribuendi terminum sequenlem, quem invenit non distributum, est talis naturae,

quod, si invenil ipsum distributum, facit ipsum non esse distributum. 9. Omnis ler

minus communis supponil delerminale , si non praecedat aliqua dictio habens vim

negalionis vel vim confundendi.

598) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. I, 16, (Vol. I) p. 296 B: Terminus ampliatus

dicitur itle, qui ampliatur passive, ita quod pro pturibus supponat, quam

anle; sed lerminus amplialivus est isle, qui ampliat, v. g. praedicatum vel copuio,

si fuerit praeleriti vel futuri lemporis aut de possibiti (p. 297 A) Quidam

sunt, ut verba praelerili vel futuri lemporis, alii sunt, ut participia ; alii sunt,

ut ista verba „polest, conlingit" et nomina derivata ab islis ; item ista verba „significo,

inlelligo, promitto" el huiusmodi, el universuliler omne verbum, cuius actus polest

transire in rem praeleritam el futuram sicul in rem praesentem Praedicatum

dicitur appeliore (zu lesen ampliare) suam lormam et restringere ad supposita verbi

tam secundum significatum quam secundum connolatum (dieser Begriff begegnet uns

hier zum ersten Male, vgl. Abschn. XX, Anm. 273 u. 291) Subiectum ampliatur

per praedicatum, quia aliter multae propositiones essent falsae, quae tamen

sunt concedendae, ut „Nulio rosa exislenle rosa inlelligitur" (vgl. bei Petrus

Hispanus, ob. Anm. 236).

599) Raim. Lult. a. a. O. f. 6 r. B: Ampliatio est stalio lermini categoremalici

pro aliquo vel aliquibus ultra hoc, pro quo actualiter exisleret in proposilione simpliciler

prima. De amplialionc dantur hae reguioe. Prima: Cuiusiibet proposilionis,

cuius coputa est de praclerito, subiectum ampliatur ad supponendum pro eo, quod est

vel fuit 2. Cuiustibel propositionis, cuius copuio est de futuro, subicctum am

pliatur ad supponendum pro eo, quod est vel erit 3. Cuiustibel proposilionis,

in qua ponitur hoc verbum „polesl" pro verbo principali, subiectum ampliatur ad

supponendum pro eo, quod est vel erit vel polest esse Idem dicendum de subiecto

proposilionis, cuius copuio est de praesenli el praedicatum est hoc parlicipium

„polens". (Diese ersten drei Regeln finden sich ziemlich gleichioulend auch in des

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 135

logischen Werth der Zeitformen des Verbums (vgl. ob. Anm. 227) wurde

ausser den Parlicipien und den Zeiten der Copula auch auf die eine Be

wegung oder Veränderung bedeutenden Verba (fieri, generari, corrumpi,

incipere, desinere) und wieder auf die eben erwähnten amplialiven Verba

(intelligo, promitto u. s. f.) selbst mit Beiziehung von causa, causatum,

calefactivum hingewiesen, so dass namentlich die Verba incipit und desinit,

welche wir bei Petrus Hispanus unter den Exponibilia trafen (Anm. 263),

hier eine Anknüpfung an die ampliatio zeigen, welche ihrerseits sogar

durch die Umkehrung all dieser verschiedenen Urtheile klar gemacht

werden soll 600). ,

Auch die appellatio (s. ob. Anm. 228 f.) wurde in ähnlicher Weise

näher an grammalische Momente gerückt, indem schon in der Definilion

derselben das Präsens des Verbums und das Auftreten eines demonstra

liven Pronomens betont wird, und sodann bei Formulirung der Regeln

wieder die Rücksicht auf die Verschiedenheit der drei Zeiten, auf die

Modalität der Urtheile, und abermals auf jene Verba (intelligo etc.) ent

scheidend hervortritt 60 1).

Lultus Dialect. s. nnn. log. p. 152, woselbst die amplialio defmirt wird als stalio

lermini communis pro diversis lemporibus) 4. Cuiustibet proposilionis, enius

praedicatum est parlicipium praelerili lemporis, sive copuio sit de praesenti sive de

practerito, subiectum supponit pro eo, quod est vel fuit 5. Cuiustibet proposilionis,

cuius praedicatum est nomen verbale lerminatum in „bitis", subiectum

ampliatur ad supponendum pro eo, quod est vel polest esse 6. Haec verba

„inlelligo', cognosco, scio, concipio, memoro, opinor, arbitrar" et celera verba, quae

habent vim transeundi ita benc in rem praeleritam vel futuram vel possibitem sicul

in rem praescntem, ampliant casum, quem regunt, ad supponendum pro eius significalis

respectu euiustibet lemporis et possibititalis 7. Cuiustibet proposilionis

de necessario in sensu diviso (s. Anm. 585) subiectum ampliatur ad supponendum

pro eo, quod est vel polest esse 8. Omnis proposilio, cuius subiectum ampliatur

ad supponendum pro eo, quod est vel erit, vel pro eo, quod est vel fuit vel

polest esse, debet exponi per propositionem calegoricam de subiecto disiuncto.

600) Duns Scolus a. a. O. 17, p. 298 A: Quatuor modis aliqua proposilio

polest perlinere ad praeleritum vel futurum. Uno modo, si eius praedicatum aut

subiectum sit parlicipium praelerili vel futuri. Secundo, si copuio verbalis sit praelerili

aul futuri. Tertio, si copuio verbrilis significel vel connolet molum vel mutalionem,

ut ista verba „fieri, generari, corrumpere, incipere, desinere" Quarto,

quando in proposilione ponitur nomen vel verbum ampliatum (zu lesen amplialivum),

ul ista verba „significo, inlelligo, appelo, promillo" et ista nomina „causatum,

causa, calefaclivum" et huiusmodi (p. 298 B) Verba „incipit, desinit, fit, ge

nerari" habent exponi per duas exponentes, quarum allera est de praelerito et alia

de futuro (p. 299 A) Verba „significo, inlelligo, memoro, cognosco, opinor" et

huiusmodi ...... ampliant lerminos, quos regunt, ad supponendum non sotum pro

praeseulibus, immo eliam pro praelerilis vel futuris In conversione huiusmodi

propositionum ista amplialio debet explicari.

601) Raim. Lultus a. a. O. f. 6 v. B : Appeliolio est verificalio praedicali sub

eadem forma, i. e. diclione in proposilione de praesenle de pronomine demonstranle

itlud, pro quo supponit subiectum propositionis, cuius ipsum praedicatum est pars ....

Dantur hae reguioe. Prima: Ad veritatem proposilionis de praesenti requiritur, quod

eius praedicatum in propria forma, i. e. sub eadem diclione, verificetur de pronomine

demonstrante ittam rem, pro qua supponit subiectum itlius proposilionis 2. Ad

veritalem euiusiibet propositionis de praelerito requiritur, quod eius praedicatum sequens

verbum fuerit aliquando sub eadem ralione verificabite de pronomine demonstranle

iltud, pro quo supponit subiectum 3. Ad veritalem cuiustibel proposilionis de

futur» requiritur, quod eius praedicatum in propria forma aliquando futurum sit

verificabite in proposilione de praesenti de pronomine demonstranle ittud, pro quo

136 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

In der Lehre von der distribiilio, welche zwar damals, wie es

scheint, mehr mit der suppositio verflochten wurde (Anm. 597), ersehen

wir aus einer vereinzelten Noliz, dass man eine Schwierigkeit, welche

sich an die Tragweite des Wortes „omnis" knüpfte (ob. Anm. 240), nun

durch genauere Formulirung einer Regel zu erledigen suchte 602). Wie

weit man einer Definilion der reslrictio, welche dem Lambert v. Auxerre

näher steht als dem Petrus Hispanus 603), etwa in Regeln eine ausge

dehntere Folge gegeben habe, wissen wir nicht.

Was das Gebiet der Exponibilia betrifft (ob. Anm. 256 ff.), finden

wir nicht bloss die eigenthümliche Wendung , dass man alle Arten der

exponibleh Urtheile als eine Aequipollenz hypothelischer Urtheile betrach

tete604), sondern auch die Neuerung, dass man grundsätzlich bezüglich

aller exponiblen Ausdrücke einen Unterschied statuirte, welcher zwischen

der blossen „Bezeichnung" (signatum , z. B. durch das Verbum excipio)

und der wirklichen „Ausübung" (exercitum , z. B. durch die Präposilion

praeler) bestehe 605). Und auch bei den einzelnen Theilen dieser ganzen

Gruppe fehlte es nicht an fortbildender Erweiterung. So wurden obige

(Anm. 260) Regeln üBer die Exclusiv-Sätze dadurch vermehrt, dass man

neben der Qualität des Urtheiles auch die Stellung der Exclusiv-Parlikel

berücksichligte, je nachdem dieselbe beim Subjecte oder beim Prädicate

oder bei der Copula (!) oder beim Subjecte und beim Prädicate stehe606).

supponil subiectum 4. Ad veritalem cuiustibet proposilionis divisae (s. Anm. 585)

de isto verbo „polesl" vel „conlingil" vel de his modis „possibile, conlingens, necesse"

requiritur, quod iste modus sit verificabitis in propria forma de pronomine demonstranle

ittud, pro quo supponit subiectum talis proposilionis 5. Ista verba „cognosco,

,ntellit!n, scio" et simitia, quae habent natu.ram transeundi in dictionem substantivam

et adieetivam et eliam in complexionem ipsarum , appetiont suam formnm et eliam

complexionem ipsius dictionis sequenlis verbum et rectae ab eo ; sed si talis dictio

praecedat verbum, non appeltat complexionem, sed sotum suam formam.

602) Duns Scotus, Qu. sup. Anal. post. l, 38, p. 404 B: Signum universale

dislribuit lerminum non sub propria ralione supposilorum , sed sub ratione lermini

communis, quia, si fierel distribulio pro supposilis sub propria ralione, quaelibet

propositio universalis esset ptures, et per consequens tunc periret sgllogismus et

eliam contradiclio in universalibus .

603) Raim. Lultus, Dialect. s. noe. log. p. 152: Restrictio est stalio lermini

in proposilione pro paucioribus significalis , quam eius requirat natura, ut „omnis

homo albus e»rrif". Vgl. ob. Anm. 130 mit 224. —

604) Raim. Lultus, Dialect. introd. f. 4 v. A: Proposilio aequivalens hgpothelicae

est propositio, in qua ponitur diclio, ralione cuius ipsa est exponibitis per proposilionem

hgpothelicam, ul sunt exctusiva, excepliva, reduplicaliva. Hiezu Abschn.

XIX, Anm. 186.

605) Duns Scotus, Qu. sup. Porph. 14, p. 97 B: Differenlia inler actum signatum

et exereitum palet in mullis ; per „non" mim exerectur negalio, per „nego" vero

signatur, per „tantum" simitiler exereetur exctusio, per „exctudo" signatur, et ita de

„praeler" et ,,excipi" et aliis. Die mehrseilige Durchführung dieses Grundsatzes

s. Abschn. XX, Anm. 288, 346, 365.

606) Raim. Lultus a. a. O. f. 4 v. A : Quando diclio exctusiva additur subiecto,

ut „tantum homo curril", exponitur sie „homo currit et nihil aliud ab homine curril"

Sed e contra est in negaliva, quia tunc praedicatum remoectur a subiecto et

attribuitur cuitibet alii. Quando aulem diclio exctusiva additur praedicato, ut „Soerales

est tantum animal", exponitur sie „Soerales est animal et Soerales non est

aliud ab animali". Quando additur copuioc, exponitur eo modo, quo quando additur

subiecto Quando additur tam subiecto quam -praedicato, ul „tantum Soerales

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 137

Desgleichen wurden bei den Excepliv-Parlikeln (Anm. 261) nun die logi

schen Bedingungen, unter welchen ein Urtheil excepliv sein kann, sowie

die Erfordernisse der Wahrheit für bejahende und verneinende Urlheile

formulirt 607). Bei der reduplicatio (Anm. 262) unterschied man nun

von der eigentlich reduplicaliven Funclion der einschlägigen Worte (tnquantum,

secundum quod, ut) jenes Auftreten derselben, in welchem sie

„specificative" , d. h. durch einen Rückweis auf den Art- oder Gattungs-

Begriff wirken, und man brachte auch die alietas (vgl. Anm. 260 u. 266)

mit der Reduplicalion in eine Verbindung, hielt aber daran fest, dass in

den reduplicaliven Urtheilen das Prädicat das Entscheidende sei608); auch

unterschied man in Berücksichligung der Stellung der reduplicaliven Par

likel zwischen bejahenden und verneinenden Urtheilen und formulirte die

Regel der Wahrheit für diese Urtheils-Form , welche sich in der Expo

silion derselben von selbst erprobt609).

Wohl der wichligste Theil aber unter diesen Bereicherungen der

byzanlinischen Logik betrifft den Ursprung der Lehre von den „Consequentiae",

über welchen uns hiemit eine etwas nähere Einsicht

est tantum animal", tunc exponenda est sie „Soerales est animat, et nihit aliud a

Soerale est nihit aliud ab animali".

607) Ebend. : Ad proposilionem exceplivam requiruntur quatuor lermini tanquam

quatuor conditiones : Subiectum principale, a quo fiat exceplio, diclio excepliva,

per quam denoletur actas excipiendi, pars excepliva, praedicatum, respectu

cuius fiat exceplio Requiruntur duae condiliones: prima est, quod subiectum sit

lerminus communis cum signo universali sumptus habens plura imposila vel particuioria

sub se ; secunda est, quod subiectum praedicari possit de exceplo et de

omnibus eiusdem speciei in proposilione affirmaliva vera, et quod exceptum sit minus

commune Ad veritalem affirmalivae requiritur, quod praedicatum non insit excepto

et insit omni alii conlento sub subiecto itlo, a quo fit exceplio Si'd ad veritatem

negalivae requiritur e contra, sc. quod praedicatum insit excepto et nulli alii contento

sub subiecto principali.

608) Duns Scotus, Qu. sup. An. pr. I, 35, p. 327 A: Reduplicalio significat

immedialionem praedicali ad subiectum Istae dictiones sunt reduplicalivae „inquantum,

secundum quod, in eo quod" et aliquando haec dietio „ul" et consimites.

Tales dicliones reduplicalivae aliquando accipiuntur specificalive et aliquando

reduplicalive. Quando reduplicalio sumitur specificalive, tunc designat aliquam condilionem

vel aliquem modum vel aliquem sensum, secundum quem propositio est vera,

quae aliter non esset vera Diclio reduplicaliva reduplicalive sumpta, et non

specificalive, designat primo immedialionem praedicali principalis ad iltud, super quod

cadit reduplicalio, et quandoque denolat converlibititalem ; exemptum primi „Homo,

inquantum animat, est corpws" exemptum secundi „Homo, inquantum animat, est

sensibite" Reduplicalio designat alietalem sive diversitalem principalis praedicali

ab itlo, super quod cadit reduplicalio Propositio, in qua reduplicalio additur

praedicato principali, est falsa, supposito quod fiat ex lerminis, qui pro pturibus

rebus supponunt Iltud, super quod cadit reduplicalio, se debet lcnere a parle

praedicali, et non subiecli.

609) Raim. Lullus a. a. O. f. 4 v. B : Reduplicaliva quandoque quandoque est negaliva negalione praecedente reduplicalionem et evsetrbauffmirmparliinvcai,

pale, aliquando vero est negaliva negalione posita inter reduplicalionem et verbum

priucipale In reduplicaliva proposilione quandoque ponuntur tres lermini

dissimites, quandoque duo simites et unus dissimitis , quandoque sunt omnes tres

simites. Ad veritalem reduplicalivae requiritur veritas unius coputalivae compositae

quandoque ex tribus quandoque ex quatuor proposilionibus calegoricis, in qua pro

posilione copuioliva oporlet, quod remola diclione reduplicaliva praedicetur secundus

lerminus praedictorum trium de primo el lertius universaliler de secundo.

138 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

vergönnt ist. Was nemlich in diesem Zweige später, wie wir sehen wer

den (Abschn. XX, Anm. 161, 279), üblicher Weise an die Fortbildungen

der Summula des Pctrus Hispanus angeknüpft wird, fanden schon Duns

Scotus und Raimundus Lullus in ziemlicher Ausführlichkeit ferlig vor,

und zwar als einen Gegenstand , mit welchem sich bereits Mehrere (s.

Anm. 624) beschäfligt hatten010). Die erste und ursprüngliche Quelle

der Consequentiae dürfen wir allerdings in der arabischen Logik suchen,

denn dort trafen wir schon den Begriff der „consequentia" selbst (vor.

Abschn., Anm. 367 ff. u. bes. Anm. 65), und zwar, was hauptsächlich zu

beachten ist, in einer Verflechtung mit der Topik (ebd. Anm. 372); dazu

kommt, dass bei den Arabern die hypothelischen und disjuncliven Syllo

gismen eine Aufnahme gefunden hatten (ebd. Anm. 48, 219, 269, 326);

und ein drittes Ingrediens liegt darin, dass die Araber an der Argumen

talion überhaupt eine formelle und eine materielle Seite unterschieden

(ebd. Anm. 51 f., 333). Aber diese dreifache Anregung ist offenbar sofort

nur im Dienste der byzanlinischen Logik verstanden worden; denn für

diese konnte man in der consequentia ein verbindendes Mittelglied er

blicken, durch welches von dem hypothelischen Urtheile und von den

Exponibitia, welche man ja mit demselben verknüpfte (Anm. 604), ein

Uebergang zur Topik gewonnen werde611), so dass man nun dieser letz

teren jenes nemliche Gepräge aufdrücken konnte, durch welches das ganze

Gebiet der Terminorum proprielates und was sich daran anschloss, ge

kennzeichnet ist. Ja dass schon von Anfang an die byzanlinische Logik

es war , in welche man jenen Zweig arabischer Doctrin verwob , zeigt

uns am deutlichsten Wilhelm Shyreswood, welcher in der Lehre von den

Syncategoreumata bei Besprechung der Conjunclion „st" bereits einige

Grundzüge der consequentia entwickelte (s. ob. Anm. 83) , wobei uns

sogar schon die Unterscheidung der consequentia simplicüer und der

consequentia ut nunc begegnet (s. Anm. 61 7). Und auf solcher Grund

lage konnten nun sicher mehrere Bearbeiter des byzanlinischen Stoffes,

deren Namen und Thäligkeit sich jetzt unserer Forschung entziehen, in

der Zwischenzeit derarlig fortbauen, dass zu Anfang des 1 4. Jahrh. diese

ganze Gruppe der Logik in einer gewissen Abrundung für den Schul

betrieb ferlig vorlag. Auch Ton und Haltung der Lehre von den consequentiae

und vor Allem die Bezugnahme auf Sophismen zeigen deut

lich, dass man durch dieses neue Element jedenfalls nur die byzanlinische

Summula-Litteratur bereichern wollte.

Der Begriff der consequentia im weitesten Sinne umfasst sowohl die

eigentliche Syllogislik als auch die rhetorische Argumentalion der Topik,

welch letztere als „enthgmematica" bezeichnet wird (vgl. ob. Anm. 193),

610) Wenn uns das Wort „consequenlia" — abgesehen von den Arabern —

zum ersten Male bei Albertus Magnus (Anm. 470) begegnete, so nehmen wir ja eben

ongefahr jenes Jahrzehnt, in welches die letzlen Lebensjahre und Schriflen des

Albert und des Thomas fallen, für die Entslehung dieser Lehre in Anspruch. Vgl.

auch Abschn. XIX, Anm. 21.

611) Ja dass es Manche gab, welche sogar meinlen, in der aristatelischen

Definilion des Syllogismus seien auch die Exponibitia milinbegritfen, s. Abschn.

XIX, Anm. 194.

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 139

und während dann eben diese als consequetUia im engeren Sinne Gegen

stand jener weiteren Eintheilung und Erörterung ist, welche wir sogleich

kennen lernen werden 612), bleibt es immerhin daneben noch vorbehalten,

dass man bei consequentia auch an die aristotelischen Syllogismen zu

denken habe, wie wir diess alsbald hier (Anm. 624) und auch bei an

deren Formalionen (Abschn. XIX, Anm. 194, u. Abschn. XX, Anm. 283)

sehen werden; ja sogar die Begriffe antecedens und consequens, welche

hauptsächlich der Doctrin der specielleren consequentia angehören, werden

auch wieder in dem weiteren Sinne gebraucht, dass man darunter Prä

missen und Schlusssatz versteht613). Das Wesen nemlich der consequentia

im engeren Sinne wird vor Allem in die hypothelische Satzform gelegt,

insoferne ein antecedens und ein consequens mittelst einer Condilionaloder

Causal - Conjunclion derarlig verbunden sind , dass , wenn ersteres

wahr ist, letzteres unmöglich unwahr sein kann , und dieses Verhältniss

conslituirt zugleich den Begriff der bona consequentia^1*). Wenn aber

somit hier die hypothelischen Syllogismen, welche bisher in der lateini

schen Tradilion der byzanlinischen Logik stets gefehlt hatten (s. Anm. 54,

122, 190), plötzlich eine Rolle zu spielen beginnen, so wäre allerdings

denkbar, dass etwa nun ein vollständigerer Text des Psellus (s. Abschn.

XV, Anm. 55) zu Grunde gelegt worden sei ; hingegen weit wahrschein

licher dürfte es sein, dass, wie bemerkt, arabische Doctrin den ersten

Anlass gab, denn man verband mit dem Hereinziehen der hypothelischen

Schlussformen auch jene anderen beiden erwähnten Momente, welche auf

Arabisches zurückweisen.

Nemlich diese consequentia im engeren Sinne wird nun in eine

formalis und eine materialis eingetheilt ; die erstere erstreckt sich auf

alle in den verbundenen Urtheilen enthaltenen Begriffe, vorausgesetzt dass

die Form und Anordnung derselben sich gleich bleibt und auch sämmiliche

Syncategoreumata , sowie die Modalität, die Qualität, die Quanlität

der Urtheile berücksichligt werden615); sie selbst kann wieder entweder

612) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. I, 20, p. 302 B: Quaedam est consequentia

enthgmemalica, et quaedam sgllogistica. Consequentiarum enthgmemalicarum quaedam

sunt formales, quaedam maleriales; malerialium quaedam sunt simplices, quaedam

ut mmi'.

613) Raim. Lultus, Dialect. introd. f. 7 v. A: Argumentalio cst lotalis oralio ex

praemissis el conctusione sive ex antecedenle et consequenle composita. Aehnlich

llialect. s. nov. log. p. 154: Argumentum est sermonum aggregalio, ex quibus alii

sermones sequuntur, oralio ex anlecedente et consequenle composita.

614) Duns Scolus a. a. O. 10, p. 287 B: Consequenlia est proposilio hgpolhelica

composita ex anlecedenle et consequenle medianle coniunctione condilionali vel

ralionali, quae denolat, quod impossibite est ipsis, sc. nntecedenle et consequenle,

s,mul formalis, quod anlecedens sil verum et consequens falsum. Et tunc, si ita est,

sicul ista coniunclio denolat, consequenlia est bona, el si non, tunc consequenlia non

valet. Raim. Lultus a. a. O.: Anlecedens est id, quod ponit in necessitale id , quod

per ipsum sequitur; consequens est, quod necessitalem anle se oslendit. Hiezu

Anm. 623 u. Abschn. XIX, Anm. 331.

615) Duns Scolus a.a.O.: Consequenlia sie dividitur: quaedam est materialis, quae

dam formalis. Consequenlia formalis est itio, quae lenet in omnibus lerminis stantc consimiti

dispositione et forma lerminorum; et vocantur lermini in proposito subiecta et pracdicata

proposilionum vel parles subiecli et praedicali. Sed ad formam consequenliae

pertinent omnia sgncalegoreumata posita in consequentia, ut coniuncliones, signa unt

140 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

einen hypothelischen oder einen kategorischen Vordersatz haben , und im

letzteren Falle besteht die consequentia in einer Umkehrung oder in

Aequipollenz 616) , so dass hiemit einerseits der Begriff der logischen

Folgerung eine ziemlich weite Fassung erhält, und andrerseits uns eine

allererste Spur desjenigen Verfahrens begegnet, mit welchem man noch

später die Umkehrung u. dgl. als erste unvollkommnere Stufe der Syllogislik

einreihte. Die materialis consequentia hingegen kann nur durch

eine mit den Begriffen vorgenommene Veränderung erschlossen werden,

und zwar ist sie entweder bona simpliciter oder nur bona ut nunc,

d. h. wenn sie sich durch die Hinzunahme eines Nothwendigkeits-

Urtheiles ergibt, ist sie bona simplicüer, was je nach den verschie

denen loci dialectici der Topik in sehr manigfacher Weise der Fall sein

kann017), daher hier Veranlassung dazu gegeben war, dass man sogar

die gesauimte consequentia überhaupt von der Topik abhängig machte618);

hingegen bona ul nunc ist sie , wenn sie mittelst eines Urtheiles ge

stützt wird, welches nur einen zufälligen Thatbestand ausspricht819).

Uebrigens erscheint diese Eintheilung und Unter-Eintheiluiig der logischen

Folgerung an einer anderen Stelle etwas modificirt, indem dort formalis,

simplex, materialis, ul nunc als vier unter sich coordinirte Arten be

zeichnet werden 820).

versalia, particuioria, negaliones et huiusmodi. Secundo ad formam consequentiae

pertinet copuio propositionis , et ideo non est eadem forma consequentiae ex propositionibus,

quarum copuio est de inesse el quarum copuio est de modo. Tertio ad

formam perlinet mullitudo praemissarum, affirmalio et negalio proposilionum et

huiusmodi, et ideo non est eadem forma arguendi ex affirmalivis el negalivis, el

ita de aliis.

616) Ebend. : Consequenlia formalis subdividitur, quia quaedam est, cuius antecedens

est una propositio calegorica, ut conversio, aequipollenlia et huiusmodi; alia

est, cuius anlecedens est propositio hgpothelica; et quitibet istorum modorum polest

subdividi in ptures alius modo*.

617) Ebend.: Consequenlia malerialis est itio, quae non lenet in omnibus lerminis

relenta consimiti dispositione et forma ita, quod non fial ronnl,u nisi lerminorum.

Et talis est duplex, quia quaedam est vera simpliciter, et alia est vera ut

nunc. Consequenlia vera simpliciter est iUa, quae polest reduci ad formalem per

assumplionem unius proposilionis necessariae; el sie est ista consequentia malerialis

bona simpliciter „Homo currit, igitur animal currit", el reduritur ad formalem per

«slam necessariam „Omnis homo est animal". Kl ista subdividitur in multa membra

secundum diversitalem locorum dialeclicorum. Ein Beispiel einer solchen topischen

Unterart ist 0u. in Praedicam. 13, p. 146 A: Consequentia lenel per hanc reguiom:

Nihit inest alicui supponcnti disiunctive pro mullis, nisi alicui itlorum indelerminale

sumpto insit, und ebend. p. 147 B: lenel per hanc reguiom: Quod inest alicui stanti

disiunctii'e pro mullis, inest alicui illorum indelerminale, was übrigens bis auf Shyreswood

zurückweist, s. ob. Anm. 83 u. 87.

618) Raim. Lultus, Dial. introd. f. 8 r. B: Loats est progressus ab uno complexo

ad allerum vel ad se ipsum sub alia condilione sumptum Ex locis tamen

modo educuntur consequentiae affirmalivae, modo negalivae, modo utraeque diversis

modis. llic/u Anm. 623.

619) Duns Scolus, Qu. sup. Anat. pr. I, 10, p. 288 A: Consequentia materialis

bona ut nunc est ilio, quae polest reduci ad formalem prr assumplionem alicuius

propositionis contingentis verae. Et sie posito, quod Soerales est Mus, itio conse

quenlia est bona ut nunc ,.Soerates currit, igitur album currit", quia reducitur ad

formalem per istam contingentem „Soerales esl albus".

620) Ders. 0n. i« Phgs. I, 2, (Vol. H) p. 5 A: Quadruplex est consequentia.

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 141

Aber auch einzelne Regeln der consequentia im Slile des Petrus

Hispanus wurden formulirt, nemlich: dass aus dem Gegentheile des Nach

satzes das Gegentheil des Vordersatzes folgt; dass aus jedem formell

widerspruchsvollen Satze jede mögliche Behauptung folgt; dass aus einem

unmöglichen Urtheile materiell jeder beliebige Satz folgt; dass aus jedem

beliebigen Satze ein Nothwendigkeits-Urtheil folgt: dass aus jedem falschen

Urtheile wenigstens ut nunc jedes beliebige Urtheil folgt, und ebenso

jedes wahre Ürtheil jeden beliebigen Vordersatz haben kann621), welch

letztere drei Regeln anderwärts wieder mit kleinen Abänderungen auf

treten622), — sämmtlich Dinge, welche an Blödsinn des Formalismus

Anderem, was die byzanlinische Logik darbietet, wenigstens nicht nach

stehen. Andrerseits fmden wir, — gleichfalls zum Beweise, dass die

ganze Lehre gleichzeilig von Mehreren bearbeitet wurde —, dass man

neben Wiederholung einiger dieser Regeln auch noch die sog. regula de

quocunque auf das Verhältniss des Vorder- und Nach-Satzes anwendete

und auch die Subalternalion der Begriffe zur consequentia rechnete und

sogar noch die specifische Differenz beizog, dass man die Qualität und

Modalität der Urtheile zu eigenen Regeln der Abfolge verwerthete, sowie

insbesondere, dass man sich auf die Topik warf, indem man aus der

selben die Begriffe der Definilion, Beschreibung, Interpretalion, des Ganzen

und des Theiles, der Ursache und der Wirkung, des Aehnlichen, des

Grösseren und Kleineren u. dgl. aufnahm623). Ausserdem noch erfahren

Quaedam formalis, quae lenel in omnibus leniinis stante consimiti formt proposilionis

et lerminorum Secunda est consequentia simplex, quae lenel virtule

inctusionis lerminorum in significando, ul „homo est, ergo animal es?'

Terlia vocatur malerialis, quae lenel virtule alicuius proposilionis necessario

intellectae Quarta est consequentia ul nunc, quae lenel virtule medii conlingentis.

621) Ders. Qu. sup. Anal. pr. I, 10, p. 288 A : In omni bona consequenlia ad

oppositum contradictorium consequenlis sequitur oppositum eontradielorium antecedentis

Quando ad antecedens sequitur consequens, oppositum consequentis

repugnal antecedenli Ad quamlibet proposilionem implicantem contradictionem de

forma sequitur quaelibet alia propositio in consequentia formali, v. gr. ad istam

„Soerales est et Soerales non est" sequitur „Sacutus stal in anju/o" (p. 288 B)

i!(f quamlibet proposilionem impossibilem sequitur quaelibet alia propositio, non con

sequenlia formali, sed bona consequenlia maleriali simpliciter, ul sequitur

„Homo est asinus, igitur tu es Romae" Ad quamlibet propositionem sequitur

proposilio necessaria bona consequenlia simplici Ad quamlibet propositionem

falsam sequitur quaelibct alia propositio in consequenlia bona maleriali ul nunc

f,nu,is propositio vera scquitur ad quameunque aliam proposilionem in bona conse

quentia maleriali ut nunc. ,

622) Ebend. II, 3, p. 334 B : Sequitur itio reguio, quod necessarium sequitur

ad quodlibet, quia quaelibel propositio sequitur ad impossibite, igitur ad cuiusiibel

propositionis oppositum sequitur opposita impossibilis, quae est necessaria Quod

libet verum sequitur ad quamlibel propositionem ; si itlud verum sit necessarium,

lunc est consequentia simplex; sed si sit conlingens, tunc est consequentia ul nunc.

Als eine vereinzelte hieher gehörige Noliz ist auch zu betrachten, was Abschn. XIX,

Anm. 21 (Nro. 11) angeführt werden wird.

623) Raim. Lultus, Dial. introd. f. 8 r. B: Ponuntur sequenles reguioe consequenliarum

et locorum: Ex veris non sequitur nisi verum In omni consequenlia

bona formali quinquid sequitur ad consequens, sequitur ad antecedens (v. A)

Omnis consequenlia, cuius antecedens cum opposito contradictorio consequenlis in

142 XVII. Erweiterung der hyzant. Logik.

wir, dass man auch den aristotelischen Syllogismus „61 ix&eactog" mit

dem byzanlinischen Begriffe des terminus discretus und hiedurch mit

der consequentia in Verbindung brachte. Indem man nemlich beim ter

minus discretus, welcher an sich gegen jede Manigfalligkeit spröd ist,

nicht allein um der Trinität willen gewisse Concessionen machte, sondern

auch z. B. an die Fluss-Namen dachte , durch welche das unaufhörlich

verschiedene Wasser durch Ein gleichbleibendes Wort bezeichnet werde,

stritt man darüber, ob Syllogismen , welche aus solchen Begriffen aufge

baut werden, überhaupt zur formalis oder nur zur malerialis consequentia

zu rechnen seien, und gegen die letztere Annahme berief man sich eben

auf jenen sgllogismus exposüorius des Aristoteles und hielt daran fest,

dass derselbe bei richliger Behandlung des materiellen Gehaltes der Be

griffe als formalis consequentia zu betrachten sei B24). Hieraus aber

veritale non concordat, est bona Ex opposito contradictorio consequenlis sequitur

oppositum rontradictorium anlecedenlis A particuiori ad suam indefinitam

est bona consequenlia Ab universali ad suam parlicüiorem, indefinitam et singuiorem

A veritale unius contradictoriae ad fahttnlem allerius A tola

copuioliva ad aller am eins parlem (B) A tola disiuncliva ad alleram eins

partem cum destruclione allerius Ab exctusiva ad suam praeiacentem Ab

exctusiva affirmaliva ad exceplivam negalivam A conversa ad converlenlem

A diffinitione ad diffinitum (vgl. Abschn. XIX, Anm. 150), a deseriplione ad deseriptum,

ab tnlerpretalione ad inlerpretatum A differenlia constituliva speciei ad

speciem A proprietale ad proprium Ab uno sgnongma ad aliud

(f. 9 r. A) De quocunque affirmatur pars subiecliva, de eo affirmatur suum tnt,im

A quocunque removetur lolum, ab eo removetur pars subieetiva .... Negalive a parle

subiectivtt ad suum tolum A tolo inlegrali ad partes, sine quibus esse non

polest.. .... A tolo in modo negalive ad parlem (B) Cuicunque convenit tolum

in loco, et pars in loco Negalive a parlibus in loco ad tolum in loco A

Mo in tempore ad parlem in lempore Ab omnibus partibus in lempere ad totum

in lempore (v. A) A tolo numerali ad parlem Negalive a parle numerali

ad tolum Ab esse causae ad esse effectus A posleriori ad suum prius

Negalive ab aceidenli priori ad posterius .. (B) Si unum contrarium verificatur

de inferiori, eliam reliquum contrarium ; S« unum disparatum affirmatur, reliquum

negatur Si magis non inest, nec minus S« Miuus inest, et magis

De simitibus simite est iudicium (f. 10 r. A) A proposilione affirmaliva de praesenli

de praedicato infinito ad negalivam de praedicalo finito A proposilione

affirmaliva de praesenli de praedicato finito ad negalivam de praedicato infinite

(B) Ab uno reiolivo ad allerum. Nur die erslen dieser Regeln finden sich auch

in Dialect. s. nmi. log. p. 159, woselbst nur noch die Definilion der n0l0 consequenliae

hinzukommt : Nola consequenliae dicitur itio coniunclio, medianle qua proposilio,

quae est anlecedens, et itio, quae est consequens, coniunguntur, ut „igitur,

ergo" et simitia.

624) Duns Scolus, Quaest. sup. Anal. pr. t, 11, p. 289 B: Sgllogismus expositorius

(s. Abschn. IV, Anm. 554) est itle, cuius ihedium est lerminus diseretus.

Sed est nolandum, quod lerminus diseretus (vgl. bei Shyreswood ob. Anm. 61 und

bei Petrus Hispanus Aiim. 229) est triplex. Unus, qui significal unam soiom rem

ita, quod suae significalivni repugnat significare quamlibet diversarum remm sine

nova imposilione vel demonstralione. Alio modo dicitur lerminus diseretus, qui

supponil vel significat unam rem singutarem, cum hoc tamen significal quumlibet

diversarum rerum, quibus itio res singutaris est eadem, v. g. „haec essenlia divina"

Terlio modo dicitur lerminus diseretus, ul istc -lerminus „Sequana", quia

nunc significal aquam, quae nunc est, et postea significabit aquam, quae postea erit,

tamen istae aquae babent vel habuerunt vel habebunt aliquam unionen) ad invicem

propler conlinuam successionem (vgl. Abschn. XIX, Anm. 206) Aliqut

supponunt, quod lerminus primo modo dictus est proprie diseretus, et alii minus

XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 143

ersehen wir jedenfalls, dass der damalige Begriff' der consequetilia thatsächlich

eine den eigentlichen Syllogismus umfassende Bedeutung hatte

(s. Anm. 612 f.).

Sind nun alle diese Dinge, welche ich als Erweiterung der byzan

tinischen Logik darzustellen hatte, unzweifelhafte und nachweisbare Vor

arbeiten der Gestaltung , welche die Summula-Litteratur später annahm,

so darf ich zum Schlusse denselben noch ein Glied beizählen , welches

zwar nur in leisen und unscheinbaren Anfängen auftritt , aber eben hiedurch

im Zusammenhalte mit den übrigen gleichzeiligen Erscheinungen

eine grössere geschichtliche Bedeutsamkeit erhält. Es müssen nemlich

auch die später so genannten „Obligatoria" (s. Abschn. XX, Anm. 298)

schon damals in ihren ersten Grundlagen entstanden sein, denn wir

finden unverkennbare Spuren einer sichtlichen Bezugnahme auf eine der

arlige Doctrin. Allerdings würde Jeder, der die spätere Gestaltung der

Obligatoria nicht kennt, völlig unbefangen darüber hinweggehen , wenn

in dem uns zugänglichen Quellen-Materiale einmal auch gewisse Erforder

nisse der „disputalio" aufgezählt werden , nemlich dass beim Dispuliren

das Streben nach Wahrheit obwalten solle, ferner dass die beiden gegne

rischen Behauptungen gleich möglich sein müssen , und dass die Beweis

führung die Formen des Beweises einzuhalten habe625). Aber so un

wichlig und gleichgüllig diese Noliz auch erscheinen mag, so wird doch

die Annahme, dass damals neben dem vielen Anderen auch dieser Punkt

in der üblichen Schul-Litteratur seine besondere Berücksichligung gefunden

habe, dadurch bestärkt, dass wir (— ongefähr zwei Jahrzehnte später —)

einer Formulirung begegnen, welche bereits die später übliche Termino

logie zeigt. Mit den Ausdrücken nemlich, dass in einer Disputalion der

„Opponent" und der „Respondent" wechselseilig in Bezug auf ihre Zu

geständnisse „oUigati" sind, wird jene Schwierigkeit, welche auch in

der späteren Theorie der Obligaloria erscheint, erwähnt, dass die bei

den Dispulirenden eigentlich im nemlichen Augenblicke Behauptung und

Acceptalion aussprechen sollten , diess aber thatsächlich nicht möglich

proprie. Tunc dicunt, quod sgllogismi facli ex lerminis diserelis primo modo sint

sgllogismi boni gralia formae ; sed si fiant ex aliis terminis, non vere Contra

istud arguitur, quia tunc sequeretur, quod sgllogismus expositorius non esset consequenlia

formalis. Consequens est fahum, quia per sgllogismum expositorium

probatur conversio universalis negalivae, secundo , quia per ipsum probantur

sgllogismi lertiae figurae, qui sunt consequenliae formales Sgllogismus expositorius

non tenet graliu disposilionis vel formae proposilionum et lerminorum, sed

praecise gralia lerminorum, quj sie vel sie significant, et hoc est lenere gralia maleriae

l'leo dicendum est aliler, quod »gllogismus expositorius lenet gralia

formae in omnibus lerminis, dum tamen praemissae regulentur debite per „dici de

omni" vel „dici de nullo", ita quod lerminus diseretus distribuatur mediantibus istis

dictionibus „quod est", ut ista „Soerales eurril" debet resolvi in istam „Omne quod

esl Soerales, eurrit", et tunc »gllogismus expositorius est consequenlia formalis.

625) Raim. Lultus, Dialect. s. nov. log. p. 161 : Dtsputalio est contrarietas

spiritualis, quae per verbum manifestat conceplionem , quam habet unus inlellectus

contra alium Disputans primo debel habere inlentionem cognoscendi et amandi

veritalem Secundo, quod supponatur in principio, quod utraque pars quaeslionis

sit possibilis Terlio quod arguens probet vel improbel per aliquam speciem probationis

Quarto, quod inler disputantes sit communis amicilia.

144 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.

sei 626). Und konnte nun dieser vereinzelte Punkt in solcher Weise

gelegentlich angeführt werden, so dürfen wir wohl schliesseii, dass

wenigstens zu Anfang des 14. Jahrhunderts die Grundzüge der nach

maligen Obligatoria im Ganzen bereits zum Sehulbetriebe der Summula-

Litteratur gehörten.

626) Burteigh, sup. arlem velerem (s. Abschn. XIX, Anm. 574), f. 59 r. A :

In disputalione oppmens si proponat istam „deus sst", respondens habet istam concedere,

si non obligetur ad oppositum ; scd non concedit istam, quando profertur,

quia sie opponens el respondens simul habent loqui, quod non est verum, et quando

non profertur, tunc non est; ergo habet concedere itiom, quando non est, et non

habet concedere non obligatus nisi verum; ergo haec est vera, quando non est u. s. w.

S. Abschn. XX, Anm. 401.

XVIII. ABSCHNITT.

RAIMUNDUS LULLUS.

Wohl Niemand wird an der kleinen chronologischen Abweichung

ernstlich Anstoss nehmen , welche äusserlich darin liegt , dass ich über

Raimundus Lullus (geb. 1234, gest. 1315) in einem beson

deren Abschnitte schon hier, d. h. noch vor jenen litterarischen Er

scheinungen handle , welche am Anfange des folgenden Abschnittes zur

Sprache kommen werden; denn strenge nach dem Faden der Chrono

logie hätte ich den Lullus erst nach Duns Scotus vornehmen dürfen.

Jedoch einerseits handelt es sich bei diesem Verstosse kaum um ein

Jahrzehent, da jene Dinge, welche ich später vorführen werde, un

gefähr zwischen 1277 und 1308 liegen, während die schriftstellerische

Thäligkeit des Lullus im Ganzen in die Jahre zwischen 1285 und

1314 fällt. Und andrerseits, — was das Wichligere ist — , lag mir

für die Reihenfolge, welche ich einschlage, das Entscheidende in dem

Umstande , dass Lullus in den Schriften , welchen er seinen zwei

felhaften Ruhm verdankt , sowohl dem damals allgemein recipirten

Quellenkreise völlig fern steht, als auch in seinem vereinzelten und

vereinsamten Auftreten nicht den geringsten Einfluss auf die manigfalligen

Controversen , welche seit Anfang des 14. Jahrhunderts die

Zeit bewegten , ausüben konnte. Sowie ich demnach den Lullus weder

dem vorigen Abschnitte beifügen konnte, noch auch durch ihn im

folgenden Abschnitte eine ganz unorganische Unterbrechung eines allmäligen

Ganges der Controversen hervorrufen durfte, so möge hiemit

der Mann auch hier für uns ebenso isolirt dastehen, wie er thatsächlieh

es war.

Eine andere Frage wäre allerdings, ob denn Raimundus Lullus wirk

lich in einer Geschichte der Logik seine Stelle finden durfte. Und in der

That liegt in der Aufnahme desselben nur ein Zugeständniss, welches ich

den Erwartungen des Lesers mache; denn Logik ist die Ars magna

wahrlich nicht. Ich bin nemlich nicht berechligt, irgend einen Gegen

stand etwa durch den Machtspruch , dass derselbe lediglich „dummes

Zeug" sei oder dgl., gleichsam zu escamoliren , sondern ich habe die

leidige Pflicht , auch den Unsinn , welcher im Laufe der Geschichte auf

tauchte, darzustellen; und die Erfüllung dieser Pflicht zu erwarten, hat

«ler Leser ein Recht. Vielleicht kann ich hiemit die Mitwelt (oder etwa

auch die Nachwelt) der Mühe überheben, in dem üppig wuchernden Wust

des Lullus zu blättern.

PRANTL, Gesch. 1II. 10

146 XVIII. Raimundus Lullus.

Was die zahlreichen hieher gehörigen Schriften des Lullus, welche

wahrscheinlich nicht sämmtlich ächt sind , betrifft 1) , so müssen wir die

selben vor Allem nach gewissen Gruppen unterscheiden, welche sodann

auch für unsere Darstellung maassgehend sind. Nemlich zunächst ist es

das Gebiet der gewöhnlichen Schul- Logik, welches Lullus zwar miss

achtete, aber doch bearbeitete; dahin gehören die unter dem ungeschickten

Titel „Logicalia parva" gedruckten Dialecticae introductiones 2) und

Dialectica seu logica nova 3) , sowie De venatione medii 4) und De demonstratione

per aequiparantiam 5) ; auch kann beigezogen werden De

prima et secunda intentione 6) und um der Universalien und Kategorien

willen Liber Chaos1). Manches andere, z. B. ein Auszug der Logik

1) Von der Gesammtausgabc der Werku des Lultus, welche Salzinger (er

nennt sich erst in der Vorrede zum 6. Bande als Herausgeber) in zehn Bänden

besorgte oder vielmehr besorgen wollle (Beali Ragmundi Lulli opera omnia. Mogunt.

1721—42. fol.), finden sich der 7. und 8. Band in keiner einzigen Bibliolhek,

und die Vermuthnng ist höchst begründet, dass diese beiden Bände überhaupt nie

gedruckt wurden (wahrscheinlich in Folge einer Opposilion der Jesuiten, s. Ad.

Hi'llfi'rich, Raymnml Lull n. d. Anfänge d. catalonischen Literatur. Berl. 1858.

S. 72 f. u. 161 f.). Ergänzend kommen uns einige ällere Einzeln -Drucke und

ausserdem Dasjenige zu Hitfe, was der Strassburger Buchhändler Zetzuer unler

dem Titel Ragmundi Lullii Opera ea, quae ad adinventam ab ipso arlem universalem

scientiarum arth,mque omnium pertincul etc. Anjent. 1609. 8. veröffentlichte.

Jedoch hat sich mir immer wieder das gewichlige Bedenken aufgedrängt, ob denn

wirklich Alles, was unter dem Namen des Lultus gedruckt oder ungedruckt vorliegt,

aus der Feder desselben geflossen sei, und ich kam zu der Ansicht, dass hier die

litterarische Krilik erst noch von vorne beginnen müsse (s. z. B. Anm. 15 n. bes.

74 f.), während ich selbst für den hiesigen Zweck mich auf den Hauplinhalt, sowelt

derselbe als ächt gelten muss, beschränken durfle. Falls aber Jemand Lust hätle,

den begabten Querkopf Lultus zum Gegenstande eiuer umfassenden Monographie

zu machen, müsste vor Allem jene Forderung der Krilik erfüllt werden. Uebrigens

würde zu einer wahrhaften Gesammtausgabe , welche einem solchen Unternehmen

erst noch vorhergehen müsste, das vollständigste Material nur in der Münchner

Staatsbibliolhek zu finden sein, welche in Folge der phitosophischen Liebhaberei

eines pfalzbaierischen Herzoges eine staunenswerthe Menge ioteinischer und catalonischer

(s. Anm. 23) Schriflen des Lultus handschriftlich besitzt. Nach den dort

vorhandenen Aufzeichnungen dürfte die Mainzer Seminar-Bibliolhek nur Weniges zur

Ergänzung darhieten.

2) Das in Alcaio (in Acad. Comptulensi per A. G. Brocarium) l. J. 1518. 4. ge

druckte Buch trägt das Titelbiott „I.og,calia parva illuminali doctoris Ragmundi

l.ullii", aber die ersle Seile beginnt mit der Ueberschrift : „Dgaleclice introductiones

Illuminali doctoris et martgris Ragmundi Lulli". Die Aufschrift am Tilelbiotte ist

Unsinn, denn einerseits exislirte zur Zeit des Lultus der Ausdruck „Parva logicalia"

noch gar nicht, und andrerseits bedeutele derselbe, als er üblich wurde, etwas

ganz Anderes. Im 16. Jahrh. kam allerdings die Kenntniss dieser Dinge abhanden.

3) Ohne Tilelbiott anfangend: „lleus cum tua summa perfectione. Incipit logica

brevis nova". S. 1. e. a. (wahrscheinlich Veneliis 1480). 4. Sodann Dialectica seu

logica nova venerabitis eremitae Ragmundi Lullii per M. Bern. Lavinhetam. Paris.

1516. 4. Hernach bei Zetzuer p. 147—161.

4) Bei Lavinheta (vor. Anm.) und bei Zetzuer p. 162— 165.

5) Bei Salzinger in Vol. IV. Salzinger's Ausgabe hat das Eigentümliche, dass

in allen Bänden derselben (— gewiss nicht ohne Absicht — ) slets jede auch noch

so kurze Schrift eigens für sich paginirt und somit die Reihenfolge der Zusammen

steltung nur durch die Hanpt-Tilelblätler der Bände festgestellt ist.

6) Ebend. in Vol. VI.

7) Ebend. in Vol. III.

XVIII. Raimundus Lullus. 147

Algazeü's (vgl. Anm. 24), ist noch ungedruckt8). Sodann aber konnte

ja Lullus bekanntlichst sich rühmen , selbstständig eine neue Technik er

funden zu haben, welche gemeimglich als Ars magna bezeichnet wird;

die grosse Masse der Schriften jedoch, welche sich auf dieselbe beziehen,

ist folgendermaassen zu gruppiren: Vorerst ist es die Technik selbst,

welche mehr oder weniger ausführlich, sei es ganz oder theilweise, dar

gelegt wird in: Ars magna et ultima9), Ars brevis 10), De audüu cabbalistico

ll), Tabula generalis 12), Brevis practica labulae generalis und

Lectura compendiosa tabulae generalis 13), De conversione subiecti et

praedicali 14), Introductio magnae arlis generalis 15). Sodann aber

wird auch speciell die praklische Anwendung dieser Technik gelehrt in:

Ars inventiva veritalis seu intellectiva veri und Lectura super artem

inventivam et tabulam generalem l6). Aber die auf die einzelnen Wissen

schaften, und vor Allem auf die Theologie, bereits angewendete Technik,

d. h. somit die schliessliche reale Durchführung derselben, welche Lullus

beabsichligte , erscheint in : Ars demonstrativa, Introductoria arlis demonstrativae

, Lectura super figuras arlis demonstralivae , Compendium

arlis demonstrativae, Ars inveniendi parlicularia in universalibus,

Propositiones secundum artem. demonstratwam11), Ars compendiosa

inveniendi veritatem seu ars magna et maior, Ars universalis seu

lectura artis compendiosae 18), Libellus correlativorum innatorum19),

8) Nemlich: Compendium logicae Algazeli (s. Salzinger, Vol. I, 1'alnl. libr.

p. 9 B), wie aus Cod. tat. Man. 10538, f. 103— 126, sich zeigt, nur eine excerpirende

Uebersetzung des arabischen Originales; ferner De quinque praedicabitibus et

decem praedicamentis (p. 27 B), De loco minori ad maiorem (p. 15 B), gleichfalls

beide in München handschriftlich vorhanden ; hiezu noch De significalionibus (s.

ebd. p. 26, vielleicht beruhle auch diese Schrift auf Algazeli, s. Abschn. XVI,

Anm. 244).

9) Gedruckt ohne Titelbiott : Deus cum tua summa perfectione. Incipit ars ge

neralis ullima. Veneliis per magistrum Johannem Cordubensem. 1480. 4. Dann Iltuminali

saerae paginae professoris Ragmundi Lulli ars magna generalis et ullima etc.

per magistrum Bern, io Vinheta. Lugd. 1517. 4. Ferner bei Zelzuerp.218—663.

10) Approbalio arlis ittuminali doctoris magistri Ragm. Lulli una cum arle brevi.

Romae 1513. 8. Ars brevis M. doct. B. L. per Bern, de Lavinheta. Lugd. 1514. 8.

Bei Zetzuer p. 1—42.

11) Bei Zetzuer p. 43 — 110. Dass aber Titet, Einleitung und einzelne Stellen

dieser Schrift krilische Bedenken erregen, s. unlen Anm. 74 ff.

12) Bei Salzinger in Vol. V. (auch in der unlen, Anm. 16, anzuführenden

Ausgabe).

13) Beide bei Salzinger ebend.

14) In Lavinbcta's Ausgabe der Dialeclica (ob. Anm. 3), und bei Zetzuer

p. 166—177.

15) Gedruckt s. f. (wahrscheinlich in Lyon) 1515. 4. Jedoch diese Schrift

muss ich wegen der späteren Zusätze, welche sie enthält, entschieden als unächt

bezeichnen ; im Uebrigen ist sie nur ein karger Auszug der Ars magna et ullima,

und es lohnt sich auch darum keiner weiteren Berücksichligung.

16) Beide in Divi Ragmundi Lulli doctoris ittuminali Ars invenliva veritalis,

Tabuta generalis, Commentum in easdem ipsius Ragmundi (hrsggben von Alphonsus

a Proaza), Valentiae apud Didacum de Gumiet, 1515. fol., sowie bei Salzinger

in Vol. V.

17) Sämmtlich bei Salzinger in Vol. III.

18) Beide ebend. in Vol. I.

19) Gedruckt bei der sogleich, Anm. 22, anzuführenden Logica nova.

10*

148 XVIII. Raimundus Lullus.

Arbor scientiae'*0). Auch aus dem Gesammt-Umkreise der vielgestalligen

Ars magna ist Vieles noch ungedruckt21). Ferner ein Mittelding zwi

schen der eigenen Ars des Lullus und demjenigen, was man gewöhnlich

Logik nannte und noch nennt , bietet er als „neue Logik" an . wie wir

aus der Darstellung seiner Schrift De nova logica-^} ersehen werden.

Endlich aher war Lullus (— abgesehen von der Schule Notker's in

St. Gallen, s. Abschn. XIII, Aum. 244 ff. —) zu seiner Zeit der erste

Autor, welcher die Philosophie und auch die Logik von der Schulsprache

des Mittelalters zu emancipiren versuchte, indem er Vieles (zuweilen neben

einer lateinischen Bearbeitung des gleichen Gegenstandes) in seiner Mutter

sprache , d. h. im catalonischen Dialekte , und zwar häufig in gereimten

Versen, schrieb. Hievon gehört hieher eine Episode über Logik, welche

sich an die so eben erwähnte Nova logica anschliesst23), und eine ge

reimte Bearbeitung der Logik Algazeli's 24).

Wenden wir uns hiemit behufs unserer Darstellung25) zuerst zu

dem Gebiete der gewöhnlichen Schul -Logik, so müssen wir vor Allem

beachten , dass Lullus sehr gering über dieselbe denkt. Denn schon die

aus Avicenna entnommene Bemerkung, dass es auch eine unmittelbare und

natürliche Logik gehe26), erhält bei ihm den Sinn, dass die technische

20) Häutig gedruckt; bei Snlzinger nicht.

21) Sämmtliches aber ist in München oder in Mainz handschriftlich vorhanden;

nemlich: Ars inlellectiva (s. Salzinger, Catut. p. 21 B), Ars compendiosa scu Vademecum

(ebend., — jedoch schwerlich ächt —), Ars generalis ad omnes scienlias

(ebend. p. 7 B), Applicalio aetis generalis ad varias scientias (p. 6 B), De experienlia

realitalis arlis generalis (p. 13 A), Invesligalio generalium mixtionum (ebd.), Regutae

irttroducturiae ad practicam artis demonstralivae (p. 19 A), De modo applicandi novam

logicam ad ins el medicinam (p. 16 A), De venalione substantiae et accidentis (p. 20 A),

De sgllogismis contradictionis (p. 19 B; aus Cod. iot. Man. 10588, f. 149—171, geht

hervor, dass diese Schrift nicht logischen Inhalles ist, sondern Beweise und Gegen

beweise aus dem Gebiele der Theologie erörtert), De affirmalione el negalione (ebd.

p. 6 A, s. unlen Aum. 109).

22) Ragmundi Lullii Doctoris itlminali de nova logica etc. (der Herausgeber

ist wieder Alphons a Proaza, vgl. Anm. 16), Valentiae ap. Georgium Costitta. 1512. 4.

23) Ueber die catalonischen Handschriften von Werken des Lultus in der

Münchner BiMiuthek s. Cutalogus codd. mserplt. bibt. reg. Monac. VII, p. 65 f., 88 ff.,

288. Die Linguislik könnle hier bei schwierigeren Worlformen durch die be

treffenden ioteinischen Bearbeitungen die trefflichsle Nachhitfe fmden (so findet sich

z. B. im Cod. hisp. 56 ein catalonischer Text der eben erwähnten Nova logica).

In der inleressanten neuen Publicalion „Obras rimadas de Rammt Lull por Gerönimo

Rosseltö. Palma 1859. 4", welche aus Balearischen Handschriften geschöpft

ist, fmden wir eine gereimte catalonische Darsteltung der „Aplicaciö de Part general"

(p. 384 ff.), woselbst speciell die Logik (p. 400 ff.) behandelt ist. Näheres unlen

Anm. 171 ff.

24) Cod. /öl. Jfonac. 10538, f. 127—138 , zeigt sich als Versification eines

abermaligen Excerples aus obigem (Anm. 8) Compendium log. Algazelis. Ich witl

daraus nur die Anfangs-Zeiten mittheiten, welche beurkunden, dass Lultus auch

Diejenigen zur Logik und Phitosophie führen witl , welche weder Lateinisch noch

Arabisch verslehen ; sie iouten : De logica tractam breument, Loqual es compendi

novell En man enteniment apelt, Quo transiot de tali en romans, Eu rimes, en mols

qui son pions, Per tat que hom pusca mostrar Logica e phitosofar A cells qui non

sahen ioli JVi arabich etc. etc.

25) Jene Schriften, welche ihren Abdruck bei Zetzuer oder bei Salzinger ge

funden haben, cilire ich nach eben diesen Ausgaben.

26) Introd. art. demonstr. p. 2 B : Aliqui per habitum aequisitum baoent seien

XVIII. Raimundus Lullus. 149

Logik, welche an „ttermo" gebunden sei (vgl. Vincenz v. Beauvais , vor.

Abschn., Anm. 295), eben nur diese logische „intentio" der Dinge er

fassen könne, während die Ars magna unmittelbar die natürliche Realität

und deren praklische Verwirklichung zum Gegenstande habe und daher

an Fülle des Wahrheits-Gehaltcs weit über der Logik stehe27). Kurz es

ist die tradilionell gewordene Auffassung der secunda intentio 28), welche

jedoch hier, — ein Zerrbild arabischer Doctrinen —, zur Geringschätzung

der Logik führt, denn nur die intentio prima soll der wahren Werkthäligkeit

des Intellectus, d. h. dem Gebiete der Tugend, angehören und

sonach allein wahre Causalität sein und höchsten Werth besitzen 29). Ja

selbst in eigentlich logischer Beziehung erblickt Lullus in sehr ähnlicher

Weise wie Roger Baco (vor. Abschn., Anm. 571 ff.) die prima intentio

nur in dem Erfassen des Individuellen und Parlicularen , während alles

Generelle in Auffassung und Sprachschatz auf blosser Gemeinsamkeit

(commune) beruhe und so zur intentio secunda gehöre 30). Mag daher

immerhin Lullus sagen , das Denken sei in Grammalik , Logik und Geo

metrie acliv, hingegen in den übrigen Wissenschaften passiv, und als

Drittes komme die Tugendübung hinzu31), so hat er bei jener Activität

liam arguendi, alii habent, quod naturaliler anjuant, nam et rustici quandoque

subliliter arguunt. S. Abschn. XVI, Anm. 80. Vgl. Roger Baco , vor. Abschn.,

Anm. 563 f.

"27) Urev. pract. tab. gener, p. 24 A: Cum veritas sit unum de principiis huius

artis, et logica consideret rerum in sermone, polest fieri applicalio ad specialia

principia logicae et speciales reguios in logica applicatas ; logicus enim polest considerare

logicalem bonitalem secundum definitionem generalis bonilalit, etc

(B) Quaeritur, utrum ltaec scicntia et logica habeant idem subiectum; el dicimas,

quod non Per istam scientiam naturalis consideral agere naturale reale bonum,

sed logicus intenlionale, et per hanc scientiam inlellectus atlingit ptus de veritate,

quam logicus. Die gleiche Bevorzugung des Praklischen ebenfalls bei Roger

Baco, Anm. 561.

28) Ars magna et ult. p. 243 : Logica est de secundis inlenlionibus iunclis

primis. Ebenso ebend. p. 538. Hiezu Anm. 142.

29) De prima et sec. inlent. p. 2 A : Inlentio dividitur in duos modos, sc. ro

primam et sccundam; prima est melior el nobitior quam secunda, quia est magis

ulilis el magis necessaria, el prima est principium secundae, el secunda movetur per

primam (B) Intellectus, quem hohes, est per secundam intcntionem, el operalio

intellectus, sc. intelligere, est per primam; nam operalio virtulis est melior quam

nrtus, cum virtus sit ad hoc, ul sit operalio. Diese ethische Auffassung (vgl.

Abscha. XVI, Anm. 13 u. 242) wird auch durch folgendes Gleichniss ausgedrückt

(ebend.): Si tu facis seribi quendam librum ab aliquo seriba, tu habes primam inlentionem

in faciendo libro et habes secundam ad dandum denarios itli seribae, et

seriba facit contrarium buiv.s, quia ipse magis amal denarios, quos itli solvisti pro

suo iobore, quam librum. Vgl. Ars demonstr. p. 43 A. Ars campend, inv. verit.

p. 11 B.

30) Dialect. Introd. f. l v. A : Intenlio est simititudo in anima alicuius vel aliquorum

naturaliter repraesentaliva; est aulem duplex, sc. prima et secunda. Prima

est simititudo particutaris vel singutari* in anima correspondens lermino primae impositionis

Secunda est simititudo in anima correspondens lermino secundae imposilionis

vel primae in communi sumptae. Unde simititudines seu conceptus generales

sunt secundae inlenliones, et particuiores seu singuiores sunt primae; ad modum

rerum realium, in quibus genera et species sunt per secundam inlentionem et sua

particuioria per primam.

31) Ars magna el ult. p. 242: Habelintellectus aclionem et passionem, et habet

actionem in grammalica, logica el geometria, el passionem in scienliis posilivis, et

habel bonitales per morales virtules.

150 XVIII. Raimundus Lullus.

der Logik dennoch nur seine Ars magna im Sinne; denn nur diese gilt

ihm als bleibend und beständig, während die Logik unbeständig und

schwankend (inslabilis, labilis) sei und kein wahres Gesetz auffinden

könne , wozu auch noch die grosse Schwierigkeit der Logik komme , da

man in der Ars magna in Einem Monate mehr profiliren könne , als in

der Logik in einem Jahre 32).

Insoferne aber Lullus dennoch dieses von ihm gering geachtete Ge

biet bearbeitete, zeigt sich, dass er dabei durchgängig der Tradilion der

byzanlinischen Logik folgte33), — ein Umstand, durch welchen er uns

ja schon am Schlusse des vorigen Abschnittes mehrfach als Quelle diente.

Nach einer Definilion der Logik , welche aus der boethianischen und der

arabischen Doctrin gemischt ist 84), theilt er den Umkreis der Logik sofort

nach lerminus, propositio, argumentatio35). Der erste Tbeil, welchen

er nach der Terminologie seiner Schrift „Arbor scientiae" (s. Anm. 143)

als „Radices arboris" bezeichnet, knüpft an die Definilion des terminus

eine Eintheilung desselben in einen categoreumalischen und syncategoreumalischen

, wobei an die Unterabtheilung des ersteren 38) zugleich die

32) Ebend. p. 538 : Unde inlellectus cognoscit, per quem modum logica est

applicabitis . .., et eliam cognoscit, per quem modum logicus non polest stare coram

arlista huius arlis. Quae sunt stabitia et immutabitia, confundit pelendo ab eo, quod

inlendil conctudere, et intellecta conctusione conctudit cum stabititate et immutabititale

principiorum et regutarum, et stalim nesciet, quomodo evadet. Ilem logicus tractat

de diffinilionc considerata per primam speciem regutae C tantum, generalis aulem

artista huius arlis per omnes species reguioe C. (s. Anm. 97). iogicus tractat de

secundariis inlenlionibus adiunctis primis, sed generalis arlista tractat de primis per

secundam speciem regutue C Et in isto passu cognoscit inlellectus, quod logica

est scienlia instabitis sive iobitis, haec aulem ars permancns et stabitis. Ilem logicus

facit conctusionem cum duabus praemissis, generalis aulem arlista cum mixlione

principiorum et reguiorum. Adhuc logicus non polest invenire veram legem cum

logica, generalis aulem arlista cum ista arle invenit; nam itio lex est vera, quam

principia et reguioe huius arlis infrare possunt. Amplius logica est ars difficitis ad

addiicendum, haec aulem ars est multum facitis ralione mixlionis et concalenalionis

principiorum et reguiorum (s. Anm. 119); et ideo ptus polest addiscere arlista de

hac arle uno mense, quam logicus de logica uno anno. Hiezu Anm. 65.

33) Wenn die Eine Bearbeitung dieser Schul-Logik sich in der Titel-Ueberschrift

als „nova logica" bezeichnet (Anm. 3) , so lege ich hierauf kein Gewicht ;

denn einerseits stammt diess wahrscheinlich von späteren Verehrern tutlianischer

Weisheit her, da Lultus selbst eine „neue" Logik wohl nur in jenem Mitteldinge,

welches zwischen aller Logik und Ars magna sleht (Anm. 22), darbieten wollte; an

drerseits allerdings nennt Lultus in seiner marktschreierischen Manier zuletzt Alles,

was er schreibt, eine grosse „Neuigkeit", selbst wenn es nur eine Wiederhotung

Algazeli's ist (Anm. 24).

34) Dialect. introd. (s. Anm. 2) f. l r. A: Logica est ars et scienlia, qua verum

et falsum raliocinando cognoscuntur et unum ab allero discernitur verum eligendo et

falsum dimitlendo. Fast ebenso Dialect. (b. Zetzuer, s. Anm. 3) p. 147. S. Abschn.

XII, Anm. 76. n. Abschn. XVI, Anm. 15 ff.

35) Dial. inlrod. ebd. : Cuius principia specifica sunt tria, sc. lerminus, propositio

et argumentalio. Dialect. ebd. : In logica considerantnr tria inler alia,

sc. n. s. f.

36) Dial. introd. ebd. : De radicibus arboris. Terminus est dictio significaliva,

ex qua proposilio constituitur (s. vor. Abschn., Anm. 199) Dividitur in lerminum

calegoreumalicum et sgncalegoreumalicum (s. ebd. Anm. 34, 256 ff.). Calegoreumalicus

dividitur in communem et aingutarem (ebd. Anm. 61, 229, 610). Commünts

dividitur in univocum, aequivocum et denominalivum (diese Verwendung dieser Ein-

J

XVIII. Raimundus Lullus. 151

Gliederung in Subject, Prädicat und Copula37), sowie die Gradabstufung

vom generalissimum bis zum specialissimum angereiht wird38), dem

letzteren aber alle „signa" der Universalität, Parlicularität und Negalivität

beigezählt werden 39). Indem hierauf die schon oben, Anm. 30, erwähnte

Stelle über intentio und imposüio folgt40), kann Lullus daran die Be

sprechung der quinque voces und der Kategorien anreihen 4 1), wird aber

eben durch seine Auffassung der intentio veranlasst, die Universalien und

die Kategorien, bei welch letzteren er die arbor Porphgriana durch

sämmlliche zehn hindurchgeführt wissen will42), etwas näher an die

Myslik der Ars magna hinzurücken, d. h. er behandelt dieselben in Kürze

nach jenen Schablonen, welche wir unten (Anm. 94 ff.) treffen werden 43).

Ja anderwärts sehen wir, wie er in Uebereinslimmung mit den Grund

sätzen der Ars magna die Realität der Universalien auf eine wahrhaft unver

ständige Weise zu begründen versuchte und dieselben überhaupt in einem

zügellosen theologischen Realismus nur als Schöpfungsacte Gottes nahm44),

theitung ist ueu) Singuioris vel diseretus dividitur in abstractum (z. B.

humanitat) ct conerctum (z. B. homo). Hingegen in Dialect. p. 147 ist nur die

Eintheitung des lerminus in communis und diseretus angegeben.

37) Dial. introd. f. l r. B: Terminus calegoreumalicus in propositione modo est

subiectum modo praedicatum Copuio est persona .... verbi „sum". Vgl. Dialect.

p. 147. S. vor. Abschn. Anm. 152.

38) Dial. introd. ebd.: Terminus calegoreumalicus alia divisione dividitur in

generalissimum, suballernum, specialissimum, individualem. In Dialect. fehlt dieses.

39) Diat. introd. ebd. : Sgncalegoreumalicus lerminus dividitur in universale

signum, parlicuiore signum et parles oralionis indcctinabites. Hingegen Dialect. p. 147:

Quidam lermini dicuntur signa universalia et quidam parlicuioriv, .... negaliva, und

als dergleichen signa kommen im Vergleiche mit Shyreswood (vor. Abschn., AHOt.

68 ff.) und mlt Petrus Hispanus (ebd. Anm. 238 ff.) hier neu hinzu: ubicunque,

quocunque, semper, nunquam, nusquam, aliquando, alicubi.

40) In Dialcct. fehlt diese kurze Erörlerung.

41) Dial. introd. f. l v. B. Hingegen in Dialect. hält er sich an die Reihenfolge

der byzantinischen Logik , indem er dort die Praedicabitia und Praedicamenta erst

nach der Lehre vom Urtheite folgen lässt; auch finden wir dort nur einen dürren

nichtssagenden Auszug der gewöhnlichsten Lehre.

42) Dialect. p. 153: Praedicamentum est ordinalio lerminorum secundum sub et

supra (vgl. Dial. Introd. f. l v. B), ut palel in sequenti figura Sicul esl facta

ista arbor in praedicamento substanliae, ita polest fieri in aliis praedicamentis, ul

.... per talem cognilionem melius possit homo rerum varietales inquirere.

43) Diat. introd. S. 2 r. Dass er das Gleiche auch in seiner Schrift De quinque

praedicabitibus et decem praedicamentis tbat, ersehen wir ans Cod. iot. Man. 10517,

f. 49—52.

44) Nova logica, f. 8 r: Quaeritur, utrum genus sit ens reale; et dicimus, quod

sit ; quod probamus quinque ralionibus: fiecesse est, quod corpus sil genus

reale; alioquin corpus non esset divisibite naturaliler in corpus animatum et inanin,

atum Natura universi non palitur vacuitalem, quod faceret, si genus non

esset ens reale Comlitulio mundi foret impossibitis, si genus non esset ens

reale Si genus non esset ens reale, inferiora individua non susciperent infiuenliam

a corporibus supracoeleslibus Subiectum habitus animalitalis dicimus

esse ens reale, quod genus vocamus. Mit ganz analogen Gründen wird dann, ebend.

f. 9 r, die Bealltät der Species erwiesen. Liber Chaos, p. 19 A: Primus gradus

chaos est genus omnia entia in se conlinens p. 20 B : Cum erealor omnium de

primo gradu chaos spccies in sccundum producerel p. 21 B: Differenlia est in

primo gradu chaos .... intcr agens et paliens essentiae ipsius chaos p. 23 B:

ln primo gradu chaos deus fuil propriificalivus p. 24 B : Quoniam in primo

152 XV11I. Raimundus Lullus.

und analog im Naturgebiete den Kategorien eine physikalisch-realislische

Geltung zuwies 45).

Als „truncus arboris" folgt sodann die Lehre vom Urtheile. Die

Erörterung über das kategorische Urtheil schliesst sich ganz an Petrus

Hispanus an46); neu kommt nur hinzu, dass Lullus auf den Gebrauch

der Worte „et" und „vel" im Subject und Prädicate hinweist4'), und

dass er im Hinblicke auf die Ars magna noch von einer anderweiligen

nicht-logischen Umkehrung der Urtheile48) und ebenso von einer solchen

Entgegensetzung spricht49). Beim hypothelischen Urtheile nimmt er obige

Erweiterungen auf, für welche er selbst uns als Quelle diente 56); des

gleichen, was die Verknüpfung der Exponibilia mit dem hypothelischen

Urthei|e betrifft51). Die Modalität behandelt er, abgesehen von der Auf

nahme jener neuen Lehre über sensus divisus und compositus (vor.

gradu chaos est igneitas habens in se ignificalivum et ignificabite, sequuntur accid,'

nliu. sc. quantitas, qualitas, relolio et celera.

45) Liber Chaos, p. 26 A: Substanliatum est primum chaos, quia omnia quatuor

elemi'nta una cum omnibus suis elementalibus sunt una substantia p. 27 B :

Ex intensa quantitale igneitalis tam acliva quam passiva composita est quanlitas

primi chaos p. 28 B: Primum et secunduw chaos retalive se habuerunt per modum

generalionis et erealionis p. 30 A: Una qualitas exlensa per totum primum

chaos producitur de qualitale igneitalis p. 31 A: Actio dividitur in substantialem

et accidentalem p. 32 A: Sicul de aclione dietum est, polest intelligi reiolivo

modo dictum esse de passione p. 33 B: Si intelligere votumus, lempus esse

aliquod ens reale , considerare debemus motum in octava sphaera firmamenli

p. 35 B : Convenit locus omnibus, quae sunt sub suprema superficie octavae sphaerae

p. 37 B: Situatus est primus gradus chaos de igneitale .....v. 40 A: Duplex

est habitus et assitualio chaos, sc. substanlialis et accidentalis. \ \§

46) llial. introd. f. 2 v. A u. B die Eintheitung nach Quanlität und Qualltät

nebst den drei Fragen und ihrem Memorialverse (vgl. Dialect. p. 148, woselbst

jedoch der Vers fehlt; s. vor. Abschn. Anm. 153). Dann in verbesserler Reiben

folge vorerst f. 3 r. A die Umkehrung (vgl. Dialect. p. 149; s. ebend. Anm. 156),

hierauf f. 3 r. B die Entgegensetzung mit der üblichen Figur (vgl. Dialect. p. 149 f.;

s. ebend. Anm. 154), sodann f. 3 v. B die Aequipollenz mit dem fünften der dor

ligen Memorialverse (s. ebend. Anm. 159; in Dialect. fehlt die Aequipollenz); hin

gegen die Noliz über die dreifache Malerie (s. ebend. Anm. 155) ist erst nach den

modalen Urtbeiten f. 5 v. A eingereiht (in Dialect. ist sie p. 150 an der üblichen

Stelle).

47) Dial. intrnd. f. 3 r. A: Proposilio calegorica est duplex, sc. de disiuncto

extremo et de copuiolo extremo. De disiuncto extremo est itio, in cuius subiecto vel

praedicato vel in utroquc ponitur coniunclio disiunctiva. Ebenso entsprechend das

Urthefl de copuiolo. Vgl. Dialect. p. 150. (Die Veraniossung hiozu bei Shyreswood,

s. vor. Abschn., Anm. 86 f.)

48) Dial. introd. f. 3 r. B: Extra animam est alius modus conversionis, qui

spectat ad alliorem arlistam, quam logicus sit etc., d. h. er meint die Operalion,

welche wir unlen, Anm. 86, treffen werden (in Diulect. fehlt diess).

49) Ebend. f. 3 v. A: Propositiones possunt esse cöntradictoriae duobus modis,

sc. de modo vel de lege. Contradictoriae de modo sind sie nach den gewöhnlichen

Regeln. Contradictoriae de lege sunt, quac, licel non parlicipent in subiecto et praedicalo

et licel non sibi repugnent in quanlitale et qualitale, lervaut tamen legem

contradictoriarum, ä. h. er denkt an ein Verfahren in der Ars magna, s. unlen Anm.

87 (fehlt gleichfalls in Dialecl. i.

50) Ebend. f. 3 v. B u. Dialect. p. 151. S. vor. Abschn., Anm. 583 f.

51) Diat. introd. f. 4 v. A (in Dialect. nicbt). S. ebend. Aum. 601, 606 f.

u. 609 Was f. 5 r. A über Incipit und Desinit gesagt ist, beruht nur auf Petrus

Hispaqus, s. ebend. Anm. 263.

XVIII. Raimundus Lullus. 153

Abschn., Anm. 585 f.), äusserst kurz durch blosse Wiederholung der bei

Petrus Hispanus vorfindlichen Figur52); nur fügt er den Begriffen des

possibile und impossibile eine theologische Modificalion bei53).

Hieran wird als „branchae arboris" nicht bloss jene Episode aus

den proprietates terminorum angereiht, bei welcher wir den Lullus schon

oben als Quelle benützen mussten54), sondern es folgt auch noch eine

sehr eigenthümliche Erörterung über demonstralio. Diese nemlich wird

wohl nach der üblichen arabischen Doctrin als Ableitung eines Unbe

kannten aus Bekanntem defimrt55), aber wenn dann zur arabischen

Zweitheilung in demonslratio quid und demonstratio quia als neues

Drittes die demonslralio per aequiparantiam hinzukommt 56), so werden

alle diese drei Arten völlig in das Gebiet der Topik hinübergezogen ;

denn nicht bloss in den ersten beiden können wir nur eine Durchführung

der Topen „a causa et effectu" wiedererkennen57), sondern auch die

aequiparantia enthält nur das aequale als ein ideales (göttliches)

Mittelding zwischen den Topen „a minore et mat'ore"58), daher auch

Lullus dieses Beweis -Verfahren, welches ihm als das höchste gilt, ander

wärts unter Berufung auf seine Ars magna vor Allem zur Stütze der

Trinitätslehre verwenden zu müssen glaubt 59). Uebrigens wenn er an

einer anderen Stelle die „probatio" derarlig als die umfassendere Gattung

52) Dial. introd. f. 5 r. A. Dialect. p. 152.

53) Dial. introd. ebend.: Possibite est duplex: unum est per rausam, allerum

est per infinitam polestalem Impossibite est duplex; quoddam est per contradiclionem,

aliud per defectum causae ; alius modu* impossibilitalis est, qui

consislil per perfectionem maximat», et haec sotum convenil deo.

54) Ebend. f. 5 v. A — 7 r. A u. Dtalect. p. 152. S. vor. Abschn., Anm.

596—603.

55) Diat. introd. f. 7 r. A: Demonstralio est alicuius ignoli per aliquod notum

vel minus noli per aliquod magis notum cognilio seu intcllectui manifestalio. Vgl.

Dialect. p. 154. S. Abschn. XV(, Anm. 15.

56) Dial. introd. ebend. : Demonstralionis tres sunt species, sc. per quid, per

quia et per aequiparantiam.

57) Ebend.: Demonstralio per quid est, quando cffectus demonstratur per causam

vel inferius seu posterius per superius sive prius ; et polest fieri trit,u* modis.

Primus est, quando causa simpliciler demonstral effectum suum Secundus, quando

causa demonstrans effectum demonstrat, ipsum esse causam allerius effectus

Tertius, quando causa demonstral de suo effectu , quod ipse est effectus allerius

sausae Demonstralio per quia est, quando per effectum causa demonstratur vel

per inferius seu poslerius demonstratur superius sive prius ; et polest fieri tribus

modis. Primo simpliciler de effectu ad causam Secundus, quando elfectus probat,

causam suam esse effectum allerius causae Tertius, quando effectus demonstrat,

causam suam c»se causam allerius cffectus. (Vgl. Dialect. p. 154.)

58) Ebend. f. 7 r. B : Demonstralio per aequiparanliam est, quando per aliquid

aequale notum aliud aequale ignolum demonstratur vel aequale minus notum per

aequale magis notum Et fit tribus modis. Primus, quando polenlia demonstratur

per polenliam vel actus per actum Secundus. quando per aequalitalem principiorum

probatur aequalitas actuum Tertius, quando per acqualitalem actuum

demonstratur aequalitas dignitatum Et haec demonstralio polior est, quam itio

de quid et itta de quia ; haec enim maxime et propriissime fit in deo, in quo

maius el minus sunt impossibitia.

59) De demonstr. per aequip., p. l A : Intendimus probare dislinctionem in

divinis per aequiparanliam et aequivalentiam actuum divinarum ralionum p.2A:

c,an faciamus hanc investigalionem per principia nostrac arlis generalis , quod sunt

tria principia conseculiva, sc. concordantia, differentia, aequalitas (s. Anm. 87), quibus

154 XVIII. Raimundus Lullus.

betrachtet, dass dieselbe in auctorüas, necessaria ralio und demonstratio

zerfallen soll, so waltet hiebe! die gleiche Rücksicht auf die Topik, da

auch auctorüas ein Topus ist, und ausserdem die probalio überhaupt

als „apparens" bezeichnet wird 60).

Als „flores arboris, e quibus nascitur fructus" folgt hierauf die

Lehre von der Argumentalion in jener weiteren Bedeutung, nach welcher

sie auch die consequentia umfasst61). Indem Lullus schon in der Eintheilung

der argumentatio sich dem Petrus Hispanus anschliesst62), folgt

er demselben auch wörtlich in Aufzählung der neunzehn Schlussweisen

des kategorischen Syllogismus unter Benützung der Kunstworte Barbara

etc.83). Die hypothelischen und modalen Schlüsse fehlen auch hier64).

Hingegen hat Lullus jenen speciellen Zweig der Syllogislik , welcher seit

Averroes schon den Albert und den Thomas beschäftigt hatte (s. vor.

Abschn., Anm. 464 u. 554), nemlich die inventio medii, in einer eigenen

kleinen Monographie besprochen, wobei er vorerst zwei Arten des Mittel

begriffes, einen „natürlichen" für die wahrhaft wissenschaftlichen Syllo

gismen und einen hloss „logischen" für die dialeklischen Wahrscheinlichkeits-

Schlüsse, unterscheidet65); von dem ersteren gibt er dann (wie

Thomas die fünf indirecten Schlussmodi bei Seite lassend) vierzehn Bei

spiele, welche sich in den Begriffen der Ars magna bewegen86), und

hierauf lässt er noch sechs Beispiele folgen, in welchen der Mittelbegriff

in Folge seiner Unbeslimmtheit nur einen dialeklischen Schluss zulässt67).

Es hatte übrigens dieser Gegenstand für Lullus ein specielles Interesse,

da, wie wir sehen werden, seine ganze Ars magna schliesslich als ein

zigen logischen Kern nur die inventio medii in sich birgt, s. Anm. 86,

89 f., 1 10, 113. In den beiden Compendien der Logik aber folgen nun

nach dem kategorischen Schlusse einige Angaben über induclio, welche

medianlibus demonstrabimus per aequiparanliam supradictam dislinclioneih. Vgl.Bre».

pract. tab. gen. p. 36.

60) Dialect. p. 154: Probalio est argumentum, in quo veritas est apparens (s.

Abschn. XVI, Anm. 51 ff. u. 276 ff.), el polest fieri tribus modis, sc. auctoritale,

necessaria ralione et demonstralione.

61) S. vor. Abschn., Anm. 613.

62) Diat. introd. f. 7 v. A: Argumentalionis quatuor sunt species, sc. sgllogis

mus, induclio, enthgmema, exemptum. Ebenso Dialect. p. 154. S. vor. Abschn.,

Anm. 193.

63) Dial. introd. a. a. O. n. Dialect. p. 154 ff. S. vor. Abschn., Anm. 185;

von Memorial-Versen erscheinen hier nur die letzlen zwei der ebend. Anm. 156

angeführten und derjenige, welchen wir bei Shyreswood, ebend. Anm. 51, trafen.

Betreffs der Kunstworte vgl. auch folg. Abschn., Anm. 204.

64) S. vor. Abschn., Anm. 122 u. 190.

65) De venalione medii, p. 162: Medium existens intcr subiectum et praedicatum

inlendimus venari duobus modis. Primo modo medium naturale et secundo modo

medium logicale; et hoc facimus, ut cognoscamus verum medium reale el eliam na

turale el per consequens necessarium sgllogismum, ac eliam u! per medium probalivum

el opinalivum cognoscamus sgllogismum dialeclicum sive logicalem el intenlionalem.

Es slimmt dieser Dualismus völlig mit der oben erwähnten Geringschätzung

der Logik zusammen, s. Anm. 27 ff.

66) Ebend. p. 162 ff. Bonitas, polestas, voluntas u. dgl, sind die Ueblings-

Beispiele.

67) Ebeod. p. 164.

J

XVI11. Raimundus Lullus. 155

er nach seiner beliebten Dreigliederung unterscheidet68), über enthgmema

und exemplum 0 9) , sodann in dem Einen aus der Topik nur jene drei

Topen, welche für die demonstralio per aequiparantiam eine Bedeutung

haben (s. Anm. 58), nemlich a maiore, ab aequali, a minore 70), hingegen

in dem anderen jene Stelle, welche unter der Ueberschrift De antecedente

et consequente uns schon oben als Quelle für die üblich gewordene

Lehre von der consequentia diente und eine durchgängige Verflechtung

mit der Topik zeigt'1).

Hierauf noch reiht sich als „folia arboris custodientia fructum a

macula" die Sophislik an, welche im Ganzen dem betreflenden Abschnitte

des Petrus Hispanus folgt 72). Endlich die Schlussbemerkung über disputatio

habe ich schon oben als muthmaasslichen Anfang der späteren Obligatoria

angeführt73).

Soll ich es aber nun versuchen, die Ars mag n a darzustellen, so

möchte ich vorerst jener Frage , welche ich an alle Autoren des Mittel

alters richten musste und grossentheils beantworten konnte, auch bei

Lullus nicht aus dem Wege gehen, der Frage nemlich, woher das Ganze

und seine Theile entnommen seien. Denn dass Lullus die einzige Aus

nahme von jener Regel sei , welcher alle Schriftsteller des Mittelalters

unbedingt unterworfen sind, d. h. dass er lediglich von sich selbst aus

seine myslische Technik ersonnen habe, möchte ich eben für völlig un

glaubhaft halten. Allerdings nun wird Jeder, der in der oben (Anm. 1)

erwähnten Zetzner'schen Ausgabe nur einmal flüchlig geblättert hat, sofort

sagen, Lullus gebe ja selbst seine Quelle an, und diese sei Nichts anderes,

als die Kabbala. Aber wenn wir die Schrift De auditu cabbalistico

sowohl nach ihrem Titel als auch in den einzelnen Stellen, welche eine

directe Hinweisung auf die Kabbala enthalten 74), näher erwägen, so muss

68) Diät, introd. f. 7 v. B: Induclio est argumentalio, in qua proceditur ab mferioribus

sufficienter numerali, ad itlorum immediatam universalem. Et fit tribus

modis. Primo procedendo a singuioribus ad suam universalem Secundo procedendo

ab indefinitis ad suam universalem genericam Terlio ab universalibus inferioribus

ad universalem superiorem. Vgl. Dialect. p. 157.

69) Dialect. ebend. In Diat. introd. f. 8 r. A erscheinen bei Besprechung des

exemptum in dem oben, vor. Abschn., Anm. 144, angeführlen Beispielsatze hier die

Städte-Bewohner Florentini, Pisani, Panormitae, Drepanenses.

70) Dialect. p. 158.

71) Dial. introd. f. 8 r. A ff. u. Dialect. p. 159. S. vor. Abschu., Anm. 618

u. 623.

72) Ebend. f. 10 r. B ff. Dialect. p. 159-161.

73) Dialect. p. 161 ; s. vor. Abschn., Anm. 625.

74) ">' nud. cabbat. p. 43 : f",'"-1' .-irr verbum sub ralione inseparabititalis a rebus

est subiectum adaequatum huius sapienliae Kabbalislicae Omnis doctrina disciplinaque

tria in se essentialiler comprehendit, sc. scire partes sui subiecti, scire finem

quaesilum, et scire medium ad ipsum finem, et proplerea haec sapientia Kabbalistica

dividitur in tres partes (p. 44) Et dicitur haec doctrina Kabbaio, quod idem

est secundum Hebraeos ut receplio veritalis cuiusiibet rei divinitus reveiotae animae

ralionali, et secundum modernes Kabbalistas Kabbaio cum sit nomen compositum ex

duabus diclionibus, sc. „abba" et „aio", „abba enim arabice idem est quod „paler"

lnline, et „ala'' arabice idem est quod „deus meus", proplerea dicimus, quod hoc

rocabutum „Kabbaio", quod seribitur per litteram K, nihil aliud est arabice imporlans

laline praeler „superabundans sapienfio". Est igitur Kabba habitus animae

ralionalis ex recta ralione divinarum rerum cognitivus. Auch wird im weileren Ver

156 XVIII. Raimundus Lullus.

uns vor Allem auffallen, dass Lullus, von welchem wir doch so viele

Schriften besitzen, und welcher in steter Wiederholung das nemliche Thema

dutzendmal bearbeitete, in seinen sämmtlichen übrigen Schriften nicht mit

einer Sylbe die Kabbalu erwähnt75); dazu kommt, — abgesehen von

einer wunderlichen Etymologie —, dass in der genannten Schrift einmal

auch von „moderni Kabbalistae" die Rede ist und den Kabbalisten das

Studium jener Darstellung der Ars magna empfohlen wird. Kurz ich

halte dieses Buch für eine (übrigens ganz geschickt gemachte) Bearbeitung

der Ars magna durch einen späteren Kabbalisten, welcher hiedurch so

wohl dem Lullus als auch der Kabbala förderlich sein wollte. Aber

während ich auf solche Weise dieses äussere Zeugniss als solches unbe

dingt zurückweise, möchte ich doch vermuthen, dass der Mann, welcher

De auditu cabbalistico schrieb, nach Lage der Sache inhaltlich nicht Un

recht hatte. Freilich nur schüchtern darf ich einen solchen Ausspruch

wagen , denn eine genügende Geschichte der kabbalislischen Litteratur

muss wohl erst in Zukunft noch geschrieben werden 76), und ausserdem

liebe ich es nicht, in fremde Gebiete einzupfuschen 77). Wenn es nemlich

richlig ist, dass das von Simeon Ren Jochai verfasste Buch Sochar gegen

Ende des 13. Jahrhunderts durch Moses Ben Nachman nach Catalonien

gebracht wurde78), so wäre der äussere Anknüpfungspunkt nach Zeit

und Ort festgestellt. Inhaltlich aber darf vielleicht schon im Allgemeinen

auf jenes Combinalions-Spiel hingewiesen werden, welches in der Kabbala

mit den Buchstaben und dem Zahlen-Werthe derselben79) oder mit einem

„himmlischen Alphabete" 80) getrieben wurde. Noch specieller aber läge

möglicher Weise eine Anknüpfung an die Kabbala in jenen Begriffen,

welche ich sogleich in dem „Alphabetum" des Lullus anzuführen habe;

denn dieselben haben doch eine frappante Aehnlichkeit mit den letzten

sechs unter den zehn Sephirot 8 1) , und auch jene vorwiegende Berück

ioufe noch öfters der Ausdruck „sapienlia Kabbalislica" gebraucht, so p. 55, 67,

101, 106. oder auch „haec Kabbata" (p. 67), ja sogar „schota Kabbalislica" (p. 93),

und am Schlusse (p. 110) lesen wir: ad quae quitibet Kabbalista recurrere debel ad

perfectam inlelleclionem etc.

75) Hätle Lultus als Kabbaiist auftreten wollen, so würde er dieses ebensosehr

hundertmal bei jeder Gelegenheit sagen, wie er überhaupt gioubt, Alles nicht oft

genug sagen zu können.

76) Schwerlich dürfte ich bei den Fachmännern auf Widerspruch stossen,

wenn ich das Buch von L. Frank, La Kabbale, Paris 1844 (deutsch von Jellineck,

Lpzg. 1846) nicht für genügend hallen kann.

77) Niemand, der litterarisch arbeiten gelernt hat, wird es mir zumuthen, dass

ich bei dem kaum zu bewälligenden Umfange meiner eigenen Aufgabe um des

Halb-Narren Lultus witlen ein Quellenstudium über kabbalislische Litleratur hätle

unlernehmen sollen, welches allein ein gelehrtes Menschen-Leben in Anspruch

nähme.

78) Frank a. a. O. p. 67 u. 95 (nach Jellineck's Bearbeitung).

79) Ebend. p. 46, 105, 112 f., 121.

80) Ebend. p. 158.

81) Nemlich magnitudo, gloria und bonilas erscheinen dort, — s. ebend. p.

127 u. 143 — , wohl unzweifelbaft, und ohne viele Interpretalions-Künsle dürfen

wir vielleicht auch sapientia (ebend. p. 134), veritas (p. 137), polestas (p. 142)

wiedererkennen,

XVIII. Raimundus Lullus. 157

sichligung der parallel einander gegenübergestellten Tugenden und Laster

könnte dort ihr Vorbild gehabt haben 82).

Doch sei dem, wie es wolle, — denn gerne nehme ich von den

Fachmännern eine Widerlegung dieser meiner Vermuthung an —, Lullus

beabsichligte jedenfalls eine allumfassende Technik, scientia generalis, ars

generalis, zu entwickeln, in welcher die Priucipien aller Einzeln-Wissenschaften

enthalten sein und alle nur erdenklichen Fragen ihre Erledigung

finden sollen 83). Um aber dieses vielversprechende Unternehmen des

balearischen Projectenmachers darzustellen , müssen wir die oben (Anm.

9 ff.) angegebene Unterscheidung verschiedener Gruppen von Schriften ein

halten und somit zunächst die Technik selbst als solche (abgesehen von

ihrer Anwendung) betrachten 84).

Lullus fällt- mit der Thüre ins Haus, indem er uns sofort als Prima

pars folgende Tabelle unter dem Titel „Alphabetum" aufdringt:

B. C. I). E. F. G. H. I. K.

Bonitas. Magni

tudo.

Aelernitas

sin,

Duralio.

Polestas. Sapienlia.

Voluntas. Virtus. Veritas. Gloria.

Differenlia.

Concordantia.

Contrarietas.

Principium.

Medium. Finis. Maioritas.

Aequalitas.

Minoritas.

Utrum? Quid? De quo? Quare? Quan

tum ?

Quale? Quando ? Ubi? Quomodo?

Cum quo?

Instrumentaliva.

Deus. Angelas. Coetum. Homo. Imagina- Sensiliva. Vegetaliva.

Etemenlio.

talira.

Iuslilia. Prudenlia.

Fortitudo.

Temperantia.

Fides. Spes. Charitas. Palienlia. Pietas.

Avarilia. (Mu. Luxuria. Superbia. Acidia. Invidia. ha. Mendaci- Inconmu.

slanlia.

82) Ebend. p. 163.

83) Ars magna et ult. p. 218: 0u«o quaelibet scienlia habet sua principia propria

et diversa a principiis aliarum scientiarum, idcireo requirit et appelit inlellectus, quod

sit una scienlia generalis ad omnes scientias, et hoc cum suis principiis generalibus,

in quibus principia aliarum scienliarum parlicuiorium sint implicita et conlenta,

sicut parlicuiore in universali Amplius quidem haec scienlia generalis polest

nuncupari, quia quaesliones generales habet ad omnes alias quaestiones, quaecunque

sint, applicabites (s. Anm. 127) Ilem ars ista est generalis ralione mixtionis

principiorum el reguiorum, quam habet (s. Anm. 119). Ars brev. p. l : Subiectum

kuius arlis est, respondere de omnibus quaeslionibus, supposito quod sciatur, quid

dicitur per nomen.

84) Ich versuche, jede der drei Hauptgruppen aus den sämmtlichen zu ihr

gehörigen Schriften collecliv darzuslellen, denn ausserdem wäre der Wiederhotungen

kein Ende; und so lege ich bei der erslen für die Slellen-Citaie im Ganzen die

Ars magna el ullima zu Grunde , welche Lultus selbst gewisscrmaassen als einen

Abschtuss bezeichnet (p. 218: Quoniam multas arles fecimus generales, ipsas votumus

dar ins expionare per istam, quam vocamus ullimam; quia de ceiero non proponimus

aliam facere, ipsam quidem ex aliis compitamus et aliqua nova explicite

addimus); betreffs der parallel-ioufenden Schriften begnüge ich mich mit Ziflern-

Cltaten. Der aufmerksame Leser kann hieraus sowohl den Pion und Inhalt der

letzlerer» Schriflen entnehmen als auch mich bei jedem Schritle conlrolliren.

158 XVIII. Raimundus Lullus.

Die oberste Reihe enthält neun „praedicata absoluta", die nächste

neun „praedicata relata", dann folgen neun „quaestiones" , hierauf neun

„subiecta", und zuletzt cbensoviele „virtutes" und „vitia". Die Haupt

sache aber dabei liegt in den Ruchstaben, welche oberhalb der einzelnen

üolumnen stehen; denn Jeder derselben soll alle jene Worte zugleich

bedeuten, welche in seiner ganzen Columne enthalten sind, und es wird

aucb ausdrücklich eingeschärft, dass man nicht eher in die Ars magna

eintreten dürfe, als man dieses Alphabetum vollständig „auswendig"

wisse 85). Der Leser sieht jetzt gewiss, dass w;ir hiemit das Gebiet eines

sinnlosen Treibens betreten haben; denn um selbst von der Buchstaben-

Spielerei abzusehen, was soll denn materiell die läppische Auswahl jener

neun Prädicate oder neun Subjccte u. s. f. bedeuten ? warum denn nicht

andere neun, oder warum denn nicht zehn u. s. w.? Doch wir müssen

das Ganze geniessen.

Unmittelbar hierauf nemlich beginnt im zweiten Thcile das Combinalions-

Spiel, welches auf der willkürlichsten Grundlage gewisser Momente,

welche verschiedentlich combinirt werden sollen, den Hauptcharakter der

ganzen Technik ausmacht. Vorerst folgt als „Figura A" die:

Figura praedicatorum absolutorum

\\ s^\VO**±A8 K^

d. h. die Verbindungslinien, welche von jedem der neun Begriffe zu den

je übrigen acht führen , zeigen an , dass im Ganzen 72 Urtheile (z. B.

bonitas est magna, magnitudo est durans u. s. f. u. s. f.) gebildet

85) Ars magna et alt. p. 219: Hoc vero alphabetum cordelenus oporlel scire;

quodsi non, arlista minime polerit uli ista arle sive ipsam praclicare. Et est positum

hoc alphabetum in hac arle, ul per ipsum significentur principia et quaesliones

huius arlis et ea quac in ipsis conlinentur. Ars bree. p. l : Per unam litteram habenlem

multa significata inlellectus est magis generalis ad respiciendum. Vgl. De

aud. cabbat. p. 44.

XVIII. Raimundus Lullus. 159

werden sollen , worin Lullus eine Förderung der Einsicht in die Um

kehrbarkeit der Urtheile und selbst ein Mittel zur inventio medii erlllickt

88).

Sogleich hierauf erscheint als „Figura T" die:

Figura praedicatorum relattiorum

Durch dieselbe sollen die neun relaliven Prädicate , und zwar je drei

derselben in einem Dreiecke unter sich verbunden , auf die ihnen zuge-

86) Ars magna et ult. p. 220: Prima figura .... dicitnr cireuioris, quia submutatur

in praedicatum et e converso, ul cum dicitur „Bonitas magna, Magni

tudo tono" Per talem cireuiolionem quidem poleril artista cognoscere ea, quae

convertuntur, et ea, quae von convertuntur. Ars brev. p. 3 : In ipsa figura inquirit

arlista naturalem coniunctionem intcr subiectum et praedicatum, dispositionem et proportionem,

ul dK faciendum conctusionem possit medium invenire In principiis

islius figmae est implicatum, quidquid est, nam quidquid est, aut est bonum aut

magnum etc. Vgl. De aud. cabbat. p. 45 ff. Ars invent. verit. p. 3 ff. Tab. gener.

p. 2. Brev. pract. tab. gener, p. 1. Lect. art. inv. p. 12.

160 XVIII. Raimundus Lullus.

hörigen Gebiete bezogen werden; nemlich differentia, concordantia, conlrarielas

(in den Ecken eines grünen Dreieckes untergebracht) sollen den

Dualismus zwischen sensus und intellectus zum Gegenstande haben, sowie

maiorilas, aequalitas, minorüas (in den Ecken eines gelben Dreieckes)

den Dualismus zwischen Substanz und accidens , hingegen principium,

medium, finis (in den Ecken eines rothen Dreieckes) vertheilen sich

einzeln auf ihre verschiedenen Modalitäten , welche in den betreffenden

Feldern des Kreises eingetragen sind 87). Ausserdem wird darauf

hingewiesen, dass man auch mit dieser zweiten Figur in der ersten

„agiren", d. h. diese relaliven Prädicate mit den absoluten verbinden

solle 88).

Letzteres aber führt zur dritten Figur:

BD|CE|DF|EG|FHlGI HK|

BE CF |DG|EH|FI GK

BF|CG|DH|EI FK

BC |CD |DE |EF |FG |GH|HI|IK!

BGJCH|DI|EK|

BH CI|DK|

BI CKl

BK|

Dieselbe ist nemlich nur eine Schablone, welche zeigt, wie die absoluten

Prädicate und die relaliven Prädicate paarweise zu Urtheilen verbunden

werden sollen, wobei man, wie Lullus meint, allmälig vom Allgemeinen

zum Speciellen herabsteige und so auf die Frage geführt werde, durch

87) -4rs magna et ult. p. 222: Secunda figura est de tribus triangulis Super

angutum differentiae seribuntur „Sensuale et Sensuale etc.", et sie super angulis concordantiae

et contrarietalis, ad significandum differentiam, qune est inler sensuale et

sensuale u. s. f. Super angutum principii seripta sunt „Causa etc."; per causam

principia substantialia significantur; per quantitalem et tempus significantur

principia accidentalia, sicut sunt novem praedicamenta. Super angutum medii seripta

sunt „Coniunctio etc." ad significandum tres species medii Supra angutum finis"

seripta sunt „Perfeclionis etc." ad denotandum, quod sunt tres species finis

Supra angutum maioritalis et sie de angulis aequalitalis el minorüalis seripta sunt

„Substantia et subst. etc." ad significandum, quod una substantia est maior alia

u. s. f. (p. 223) Trivngutus viridis (in Salzinger's Ausgabe erscheinen diese

Figuren auch immer in sehr schönem farbigen Drucke), qui est de differentia, concordontia

et contrarietale , est generalis ad umnia, nam quidquid est, aut est in

differenlia aut concordantia aut contrarietale Triangulus rubeus, qui est de principio,

medio et fine, est generalis ad omnia, cum, quidquid stt, vel est in principio

vel medio vel fine (p. 224) Per triangutum eroceum intelligitur una maioritas

universalts, cui omnes aliue maioritales sunt suballernatae, et hoc idem est de

aequalitale el eliam minoritale. Vgl. Ars bree. p. 4 ff. De aud. cabbal. p. 48 ff.

Ars invent. verit. p. 7 ff. Tab. gener, p. 3. Brev. pract. tab. gener, p. 2 A. Lect.

art. i

S^ ür/majna el ult. p. 224: Secunda figura instrumentum est intellectus, cum

qu° aait in prima figura, quoniam per differentiam dislinguit inlerbon.talem et magni-

1ud'nem l" huiusmodi .et sie de aliis suo modo. Ilem distmgutl onm d.fle-

^ITinesseniia tutalis per bonificanlem, bonificatum et bonificare u. s. I. Vgl.

Ars brev. p. 6.

XVIII. Raimundus Lullus. 161

welchen Mittelbegrilf die Prädicate jener Urtlieile mit ihren Subjecten zu

vermitteln seien 89).

Diess aber soll dann die vierte Figur leisten :

Denn es handelt sich dabei nur um eine Mechanisirung der Combinalion

der neun absoluten und der neun relaliven Prädicate , indem bei der

Drehbarkeit der beiden inneren Kreise an jedem der neun Felder des

äusseren Kreises neun Felder des mittleren und wieder an jedem von

diesen die neun Felder des inneren Kreises vorbeispazieren können,

aber die Felder des mittleren Kreises als Mittelbegriffe von Schlüssen

fungiren sollen 90).

89) Ars magna et ult. p. 225: Terlia figura est composita ex prima et secunda,

quae habet in se triginta sex cameras .... Intentio, quare haec figura in hac arle

est posita, est ad significandum, ut cum uno principio homo applicet vel associet

aliud principium Haec figura docet descendere de universali ad parlicuiore gradalim.

Ars brev. p. 7: In qualibet camera sunt duae litlerae in ea conlentae; ipsae

significant subiectum et praedicatum, in quibus arlista inquirit medium, cum quo

subiectum et praedicatum coniunguntur. Vgl. De aud. cabbat. p. 53 f. Ars inrent.

verit. p. 12 A. Tab. gener, p. 5 A. Brev. pract. tab. gen. p. 2 H. Lect. art.

inv. p. 43.

90) Ars bree. p. 9 : Quarta figura habet tres cireulos, quorum superior est immobitis,

duo autem inferiores sunt mobites, ut in figura palet (in Handschriflen und

den oben erwähnlen älleren Drucken ist meistens diese Beweglichkeit auch wirklich

hergestellt, indem die Mittelpunkte der aus anderem Papiere ausgeschnittenen

inneren Kreisflächen mlt dem Mittelpunkte des äusseren Kreises durch einen Faden

verbunden sind). Cireutus medius volvitur sub cireulo superiori immobiti , eircutus

autem inferior volvitm sub cireulo medio Sie per media camerarum homo

PRANTI, Gesch. III. 11

162 XVIII. Raimundus Lullus.

Als dritter Theil folgen hierauf die Defmilionen der achtzehn „principia",

d. h. eben der absoluten und der relaliven Prädicate ; dieselben

aber sind so überaus einfällig91), dass sogar dem Lullus selbst eine

Ahnung hierüber aufgesliegen sein muss; denn er findet sich zu der

Bemerkung veranlasst, dass nur Hunde-Zähne und Schlangen-Zungen seine

Definilionen tadeln könnten 92). Auch eine beigefügte Angabe über ver

schiedene Arten des Definirens ist werthlos 93).

Nachdem so im Bisherigen die ersten zwei Quer-Reihen des obigen

Alphabetums ihre fruchtbare Berücksichligung gefunden haben , kommt

nun vorläufig einmal die dritte zur Erörterung, indem die dorligen neun

(oder eigentlich zehn) Fragen unter dem eigenthiimlichen Titel „Regulae"

den vierten Theil der lullischen Technik bilden 94). Dass diese Fragen

als allumfassende und adäquate Gefässe uns über jedes erdenkliche Sein

und somit über das Object aller möglichen übrigen Fragen Aufschluss

ertheilen, wird mit marktschreierischer Emphase von Lullus verheissen95).

Aber — „professus grandia turget" — wir finden eine gar dürflige

Weisheit in der Behandlung jener (mit den Buchstaben des „Alphabe

tums" bezeichneten) Fragen oder Regeln. Nemlich „utrum" ist eigentlich

venatur necessarias conctusiones Erunt CCLll camerae. Diese Zahl aber ist

falsch (s. unten Anm. 106 n. 112); denn es ergeben sich 9X9X9 = 729 Combinalionen.

Gleichioulend mit Ars brev. erscheint dieses Capilel De and. cabbal.

p. 54 f., hingegen in A,s magna et ult. p. 226 f. ist die Erklärung der Figur sehr

nachlässig. Vgl. Ars invent. verit. p. 12 B. Tab. gener, p. 5 B. Brev. pract. tab.

gen. p. 3 A. Leu. art. inv. p. 109.

91) Ars magna et ult. p. 227 : Ista lerlia pars est lie diffinilionibus principiorum,

ul esi diffinitio bonitalis, quae est haec: Bonitas est ens, ralione cuius bonum

agit bonum. Et magnitudo est ens, ralione cuius bonitas, duralio et reliqua sunt

magna .... Duralio est id, ralione cuius durnnt bonitas, magnitudo et celera, und

so fort in diesem Slite auch bei den übrigen. Wörtlich ebenso Ars brev. p. 10,

u. De and. cabbat. p. 57. Vgl. Ars invent. verit. p. 3 — 12. Tab. gener, p. 6—14.

Brev. pract. tab. gen. p. 3 ff. In Lect. art. inv. erscheinen die erslen neun Defini

lionen bei der erslen Figur (p. 12—23) und die letzlen neun bei der zweilen

Figur (p. 26—43).

92) Ars magna et ult. p. 229: Amplius aliquis forle habens dentem caninum et

linguam serpenlinam principia nostra et eorum diffinitiones spernet et catumniabitur.

Ars aulem vult, quod unn.n, principium adiuvet aliud.

93) Ebend. p. 228: Diffinitio pluribus modis fieri polest, et omnes ad duos

modos reducontur, et quitibet modus habet quatuor species. Primus quidem modus

est, quando /it per efficienLem, polcntiam, maleriam et finem (s. Abschn. IV, Anm.

676) Secundus modus est, ut in reguio C dicemus (s. Anm. 97) Sed ultra

artem est alius modus confusus, quando diffinitiones fiunt ad piocitum sive per conlingentiam

Amplius aulem diffiniliones fiunt per compositionem, sc. quando unum

principium diffinitur cum alio, ut cum dicitur bonitas magna,

94) Diese ganze Parlie findet sich ziemlich gleichlautend in Ars brev. p. 11—14,

De aud. cabbal. p. 58 — 63, Tab. gener, p. 15—22, Brev. pract. tab. gen. p. 7 ff.,

Comp. lect. tab. gen. p. 9ff., Lect. art. inv. p. 2—9, u. Ars magn. et ult. p. 229 — 251.

Ich führe nach letzterem Texle das Nöthigsle in Kürze an.

95) Ars magna el ult. p. 229: Reguioe sunt decem, sc. „utrum, quid etc.", ut

in alphabeto iam signatum est (Anm. 85). Istae reguioe sunt decem quaesliones generales,

per quas omnes esse omne quaesitum, et quomodo id, de quo quaeritur, ponitur,

in ipsis est tucefactum. p. 250: Reguioe sunt vasa ad omnia intelligibitia el proporlionabites

intellectui humano.

XVIII. Raimundus Lullus. 163

nur grammalisch gefasst au) , „quid" bezieht sich auf die Kategorie der

Substanz und soll die Lehre von der Defmilion in sich schliessen 9T),

„de quo" enthält die Causalität, welche in einem Stofflichen liegt98),

„quare" soll sich auf Dasein und Thäligkeit beziehen99), „quantwan"

100) und „quale" 101) enthalten natürlich die betreffenden Kate

gorien , „quando" soll die Modifikalionen der Substanz , des Stofflichen

und des cum quo umfassen102), sowie „ubi" alle diese drei und

ausserdem noch das quomodo103); in „quomodo" selbst werden die

Arten der Modalität 104) und in „cum quo" jene der Instrumentalität zusammengefasst

105).

Unmittelbar hierauf aber kehrt der fünfte Theil doch wieder zu den

so eben verlassenen ersten zwei Quer-Reihen des Alphabetums und zu

den Figuren , welche denselben bis dahin gedient hatten , zurück. Es

wird nemlich unter dem Titel „Tabula generalis" ein Combinalions-

Spiel in 84 Columnen angereiht, deren erste zwei sich folgendermaassen

gestalten :

96) Ebend. p. 240 (die Paginirung überspringt durch Druckfehler zehn Zahlen):

Itni/ula de B est „utrum" et est de possibititale, ulrum hoc, de quo quaeritur, sit

vel non sit Ista quidem reguio de B habet tres species, quae sunt: dubitalio,

affirmalio el negalio.

97) Ebend.: Reguio de C est de quidditale, eo quod est subiectum el fons diffinilionum

(p. 241) Ipsa quidem reguta habet quatuor species. Prima est de

diffinitione et diffinito, quod cum ipsa diffinilione converlitur (ig], folg. Abschn.,

Aiim. 150) — Secunda species est, quando quaeritur de eo, quod habet in so essenlialiter

et naturaliler, sine quo ipsa res non polest esse Terlia species est,

quando quaeritur, quid est res in alio Quarta..,, quando quaeritur, quid habet

res in alio.

98) Ebend. p. 242: Reguio de D. Terlia quaestio est de malerialitale et habet

tres species. Prima est, de quo res est Secunda species est, quando quaeritur,

de quo est aliqtad factum sive conslitutum Terlia species est, quando quaeritur

de aliquo, cuius est, sicul „cuius est regnum".

99) Ebend. p. 244: Reguio E. Quarta quaeslio est de quare; quae duas habet

species. Una est per existentiam , alia vero est per agentiam.

100) Ebend.: De reguio F. Quinta quaeslio quaerit de quantitale; quae duas

habet species, sc. simplicem et compositam; secundum composilionem quaeruntur

mensuraliones enlium et numerus eorum.

101) Ebend. p. 245: De reguta G. Sexta quaeslio quaerit de qualitale; quae

duai habet species, sc. propriam el appropriatam Propriae qualitales sunt causae

superiores, et appropriatae sunt inferiores.

102) Ebend. p. 246: De reguio H. Seplima reguio quaerit de iempöre el tol

habet species, quol habet secunda reguio et lertia et nona et decima.

103) Ebend. p. 247: De reguio 1. Octava quaeslio quaerit de loco et

ista reguio quindecim habet species, quae sunt de secunda, lerlia, nona et de

cima reguta.

104) Ebend. p. 248: De reguta modalitalis signata per K. Nona quaeslio est

de modo, sc. quaerere, quomodo sunt res. Et habet quatuor species. Prima quaeslio

est , quomodo res est in se Secunda, ....quomodo est in alio Terlia,

quomodo est in parlibus suis Quarta, . . . . quomodo transmitlit suam simititudinem

extra se.

105) Ebend. p. 249: De reguio K, quae est de instrumentalitale (nemlich nach

obigem „Alphabet" gehören zum Buchstaben K zwei Fragewörler). Decima reguta

est de instrumentalitale, h. e. quaerere, cum quo res sunt sive cum quo agunt. Et

habet quatuor species similes illis, quae sunt de reguio modalitalis.

11*

164 XVIII. Raimundus Lullus.

BCD BCE

BCTB BCTB

BCTC BCTC

BCTD BCTE

BDTB BETB

BDTC BETC

BDTD BETE

BTBC BTBC

BTBD BTBE

BTCD BTCE

CDTB CETB

CDTC CETC

CDTD CETE

CTBC CTBC

CTBD ' CTBE

CTCD CTCE

DTBC ETBC

DTBD ETBE

DTCD ETCE

TBCD TBCE

Diesen beiden genau analog folgen noch 82

Columnen für: BCF, BCG, BGH, BCI, BCR, BDE,

BDF, BDG, BDH, BDI, BDK, BEF, BEG, BEH, BEI,

BEK, BFG, BFH, BFI, BFK, BGH, BG1, BGK, BH1,

BHK, BIR, CDE, CDF, CDG, CDU, CD1, CDK. CEF,

CEG, GEH, CEI, CER, CFG, CFH, CFI, CFR, CGH,

CGI, CGK, CHI, CHK, CIR, DEF, DEG, DEH, DEI,

DER, DFG, DFH, DFI, DFR, DGH, DGI, DGR, DHI,

DHR, DIR, EFG, EFH, EF1, EFR, EGH, EGI, EGK,

EHI, EHR, E1R, FGH, FG1, FGR, FH1, FHR, FIR,

GHI, GHR, GIR, HIR.

Sehen wir davon ab, dass die Combinalion mathemalisch nicht er

schöpft ist106), so erkennen wir sogleich, dass diese ganze Tabulagene

ralis, wie Lullus auch ausdrücklich hemerkt, nur durch die vollzogene

Drehung der Rreise in obiger vierter Figur (Anm. 90) entstanden ist,

und dabei der Buchstabe T (das Symbol der zweiten Figur) bloss die

Funclion hat, anzuzeigen, dass die in den Combinalionen vor ihm stehen

den Buchstaben nach der Bedeutung der ersten Figur und somit als ab

solute Prädicate zu verstehen sind , während die dem T nachfolgenden

Buchstaben in der Bedeutung der zweiten Figur, d. h. als relalive Prä

dicate, genommen werden sollen107). Und wenn Lullus hierauf an der

106) Denn wenn z. B. bei BCD, welche drei Buchstaben sicb ternarisch 27mal

combiniren iossen, wohl die Combinalionen BBC, BBD, BCC, BDD, DBD, CCD, CDC,

CDD ohne Rücksicht auf die Wiederhotungen aufgenommen sind, versleht sich von

selbst, dass auch DBB, DCC, DDE, DDC, CBB, CCB nicht fehlou durften. Hingegen

wieder ist es eine pionlose Vervielfälligung, wenn BCB und UCC in sämmtlichen

ersten fünf Cotumnen wiederkehren. Kurz es fehlt an einem mathemalischen Principe

des Combinalions-Verfahrens. Das Richlige wäre, dass es 9X9X9 = 729

teruarische Combinalionen der neun Buchstaben gibt (s. ob. Anm. 90), und da bei

jeder derselben das hier eingeschobene T eine vierfache Sleltung haben kann, so

ergäben sich nicht 20X84 = 1680, sondern 4X729 = 2916 Combinalionen für

das in der Tabuio generalis eingeschiogene Verfahren.

107) Ars magna et ult. p. 258: Tabuio ista composita est ex LXXX1V cotumnis,

et est subiectum siec instrumentum, in quo invesligantur sotuliones quaeslionum recipiendo

ad propositum, affirmando vel negando, concordando principia et reguios et

evitando eorum contrarietalem. Significat aulem T in tabuta, quod litlerae, quae sunt

anle ipsum, principia sunt de prima figma, et litlerae, quae sunt post ipsum, sunt

de secunda; sicut in camera RCTB, in qua B praecedens T dicit bonitalem et C

magnitudinem et B post T dicit differentiam. Investigalio autcm, quae fit in tabuta,

est in alliore gradu significalionis veritatum, quan, itio, quae fil in figuris. Tabula

vero a quarta figura derivata est volvendo cireutum secundum et lertium, ut in ipso

tabuio apparel (s. ob. Anm. 90) usque ad LXXXlV columnas, in qua revotulione con

XVIII. Raimund tis Lullus. 165

ersten Cölumne beispielsweise zeigt, wie in Folge der Combinalion in

jeder der 84 Columnen zwanzig „Fragen" sich ergeben, welche den

manigfalligen Nexus der absoluten und der relaliven Prädicate betreffen108),

so dürfte hiedurch zur Genüge ersichtlich sein, welch zweckloses und

läppisches Treiben uns die Ars magna zumuthe , denn wir müssen doch

immer im Auge behalten, dass sowohl die ursprüngliche Auswahl der

neun absoluten Prädicate und nicht weniger die der relaliven schlechter

dings blind und willkürlich ist, als auch dass das mechanische Combinalions-

Verfahren den logischen Verstand noch lange nicht der Prüfung

überhebt, ob denn jede der einzelnen Comhinalionen üherhaupt einen

denkbaren Sinn enthalten könne. Lullus hingegen, welcher auch ander

wärts die wechselseitigen Beziehungen der absoluten und relaliven Prä

dicate als „conditiones principiorum" erörterte und hiedurch der „inventio"

dienen wollte lu9), war der sicheren Ueberzeugung , dass durch

mfi/ ligamen columnarum Et sie in qualibet columna sunt omnes cotumnae

implicatae, ralione cuius implicalionis quaelibel columna est coadiuvaliva allerius.

Ad quamlibet sotulionem unius quaeslionis possunt applicari omnes significaliones

omnium quaestionum abstractaram et mannductarnm ad ipsam quaeslionem. In der

Ars brev. p. 14 und ebenso De aud. cabbal. p. 63 werden nur die erslen sieben

Colnmnen zum Muster angeführt. Aber sämmtliche 84 sind am deutlichsten ge

druckt bei Salzinger (Vol. V) als Einleitung zur Tabuio generis ; vgl. ebend. p. 22.

108) Ars magna et ull. p. 258: In qualibet columna sunt viginti quaesliones

per ordinem. Et de hoc dabimus exen,ptum in prima cotumna, quae est BCD, praedicando

primo de bonitale, deinde de magnitudinc, postmodum de aelernitale, et hoc

sie: Prima est, utrum bonitas sit intantum magna, quod sit aelerna? Secunda, vtrum

sit aliqua bonitas intantum magna, quod conlinel in se res differenles? Terlia, utrum

bonitas sit intantum magna, quod continel in se res concordantes? Quarta, utrum bo

nitas conlinens in se res contrarias sit magna? Quinta, utrum bonitas aelerna sit

differens? 6) nimm bonitas aelerna sit concordans? 7) utrum bonitas aelerna habeat

in se contrarictalem? 8) utrum bonitas in se contineat differmliam et concordanliam?

9) utrum bonitas conlineal in se differentiam et contrarietalem? 10) utrum bonitas

in se contineal concordanliam et contrarictalem? 11) quid est magna differentia aelernitalis?

12) quid est magna et aelerna concordantia? 13) quid est magna et aelerna

contrarietas? 14) quid est magna differenlia et concordanlia? 15) quid est magna

di/fere nlia et contrarietas ? 16) quid est magna concordanlia et contrarietas? 17) diffe

renlia concordantiae aelernitalis de quo est? 18) differenlia aelernitalis de quo est?

19) concordantia contrarietalis et aelernitalis de quo est? 20) differentia concordanliae

et contrarietalis de quo est? Hierauf nun folgt (p. 259—267) allen Ernstes die Er

örterung dieser zwanzig Fragen. Hat vielleicht der Leser Lust, sämmtliche 1680

Fragen zu stellen? Auch damit aber wäre die ,,ars" des Lultus noch nicht befrie

digt; denn er fährt hierauf p. 267 fort: Et quaesliones, quas fecimus de cotumna,

sunt generales, et possunt applicari ad quaesliones particutares descendendo per scatas

trianguli viridis (s. ob. Anm.87), per quas inlellectus est discursivus faciendo scienlias

differenles. Et ad hoc damus exen,ptum in eadem cotumna ad solvendum quae

sliones per viginti raliones differentes ralione dictarum camerarum, a quibus extrahuntur:

„Utrum mundus sil aelernus", — eine Frage, zu deren Verneinung nun

(p. 267 —278) die zwanzig „Kammern" der erslen Cötumne aufgebolen werden.

Vgl. Comp. lect. tab. gen. p. 4 ff.

109) Ars invent. verit. p. 13—36, woselbst unter dem Titel „Condiliones prin

cipiorum" die achtzehn Principien derarlig lernarisch in fallender Progression combinirt

werden, dass sich im Ganzen 833 (Jrtheile ergeben. Hingegen in Lect. art.

ine, p. 59—109 wird eine paarweise Combinalion der achtzehn Begriffe unler dem

Tilel „/fiecnfio" höchst ausführlich erörlert. Eben dahin gehört auch die noch un

gedruckle Schrift De affirmalione et negalione (Cod. tat. Man. 10517, f. 11 B — 16 A),

166 XVIII. Raimundus Lullus.

diese Combinalionen und das damit verbundene Auf- und Absteigen der

Begriffe wesentlich die inventio medii gefördert werde 1 10).

Als sechster Theil folgt hierauf Evacuatio lertiae figurae, d. h.

Lullus fordert, dass für jede der 36 „Kammern" der dritten Figur (Anm.

89) vorerst durch ein Combinalions- und Umkehrungs-Spiel 12 Urtheile

formirt und diese dann durch einen erkünstelten allgemeinen Mittelbegriff

gestützt werden sollen, worauf dann 24 Fragen zu beantworten

seien, da bei jedem jener Urtheile sowohl utrum als auch quid gefragt

werden müsse , sowie ausserdem die obigen Defmilionen und aus der

zweiten Figur die Momente der differentia und concordantia und obige

Modalitäten des utrum und des quid berücksichligt werden sollen. So,

meint Lullus , werde die dritte Figur nach ihrem vollen Inhalte ausge

beutet (— evacuare —) und der Intellectus in Bezug auf applicalio,

inventio, disputatio, solulio quaestionum gefördert 1 1 1).

Den siebenten Theil bildet lUulliplicalio quarlae figurae, welche

wieder nur auf die Tabula generalis zurückgreift, insoferne die einzige

welche mit der Lehre vom Urtheite Nichts zu schaffen hat, sondern die Verbin

dungen jener nemlichen achtzehn Principien bejahend und verneinend erörlert.

110) Ars magna et alt. p. 278: Apparet, per quem modum intellectus habet generale

subiectum, sc. tabuiom huius arlis ad inreniendum media, de quacunque maleria

sint (posito, quod sciatur, quod dicitur per nomen), de quibus et cum quibus mediis

sit conctusio, quae quidem media sunt sublectum huiüs arlis. De and. cabb. p. 63 :

Intellectus efficitur asserlivus et ascensivus et descensivus in itlis ftguris et per ittas

figuras, sc. A et T; procedit namquc inlellectus in eis a generalissimo ad specialissimum.

Vgl. Ars brev. p. 14. Ars invent. verit. p. 2 B.

111) Ars magna et ult. p. 278 ff.: Terlia figura est divisa in XXXVI cameras,

ut in ipsa palet, et in qualibel camera sunt implicatae XII propositiones et XXIV

quaesliones et soluliones eanim. Et vocamus evacuare, quando extrahimus proposiliones

el quaesliones et sotuliones earum et de implicalione ad explicalionem ipsam

deducimus doctrinam In camera faciemus proposiliones mutando subiectum in

praedicatum, deinde faciemus quaesliones el postmodum sotuliones faciemus probando

Inlellectus evacuat cameras eo, quia abstrahit ab ipsis tantum quantum

polest Et sie ipse intellectus facit se applicalivum, invesligalivum et inventivum

De camera BC intellectus haurit XII proponliones dicendo sie: Ronitas est

magna. Bonitas est differens. Bonitas est concordans. Magnitudo est bona. Magnitudo

est differens. Magnitudo est concordans. Differenlia est bona. Differentia est

magna. Differentia est concordans. Concordantia est bona. Concordanlia est magna.

Concordantia est di/ferens Dcindc evacuet eam duodecim mediis eo, quod consislit

inler subiectum et praedicatum, cum quibus conveniunt genere aut specie. Et

cum itlis mediis inlellectus faciet se disputalivum et delerminalirum. Kl ista media

extrahuntur, ul cum dicitur: „Omne id, quod magnificatur a magnitudine, est magnum;

sed bonitas est id, quod magnificatur a magnitudine; ergo bonitas est magnum"

Faeta ista evacualione intellectus evacuet ipsam cameram XXIV quarslionibus, quia in

qualibet propositione sunt duae quaesliones implicatae ; el hoc sie: „Bonitas est magna.

Ulrum bonitas sit magna? Quid est bonitas magna?" Deinde inletlectus evacuel

cameram cum diffinitionibus bonitalis etc. (Anm. 91) et cum tribus speciebus differsntiae

et concordanliae, ut palet in secunda figura (Anm. 87). Deinceps evacuet ca

meram cum tribus speciebus reguioe B (Anm. 96) el cum quatuor speciebus regutac C

(Anm. 97). Et expedita ista evacualione inlellectus postmodum solval quaesliones

praedictas sequendo conditiones camerae affirmando aut negando. Et sie in

lellectus expellit a camera dubitaliones et consistit in Hin quietatus et eliam cognoscit

se valde generalem el arlificiatum et de manna scieuliu habitualum. So werden

dann (p. 280—300) in grössler Ausführlichkeit sämmtliche 36 Kammern disculirt.

Vgl. Ars br«v. p. 15. De äud. cabb. p. 64. Brev. pract. tab. gen. p, 38.

XVJ1I. Raimuudus Lullus. 167

neue Erwägung darin besteht, dass in den ternarischen Combinalionen

(z. B. BCD) jeder der drei Buchstaben je zu den zwei übrigen in irgend

einem Verhältnisse (conditio) stehe, so dass sich bei jeder Combinalion

zunächst sechs conditiones ergeben , deren Zahl sich * aber verdoppelt,

sobald in der vierten Figur der innere Kreis um ein Feld gedreht wird;

uqd wenn dann je an die drei combinirten Begriffe sich eine Frage an

knüpft, so erblickt Lullus in dieser ganzen Procedur abermals ein för

derliches Mittel für inventio und aber auch für jedes Beweisverfahren112).

Nemlich da die inventio medii immer sich durch den mittleren Kreis

der vierten Figur (s. Anm. 90) ergebe 113), meint er, dass nun hiemit

die probatio in all ihren Arten bewerkstelligt werde 114), und der Kenner

der Ars magna weit über alle Sophislik triumphirend erhaben sei115),

deren Vernichtung sich nun von selbst ergebe11''). Kurz diese Erwei

terung der vierten Figur gilt dem Lullus als der umfassendste Schlüssel

aller Wissenschaften 117) und als eine Ausgleichung, welche der Intellectus

112) Ars brev. p. 16: Mulliplicalio quartac figmae consislit in hoc videlicet,

quod prima camera lil'l, in quarta figura significat, '/<"«' B unam conditionem habet

cum C et aliam cum D, et C unam conditionem habet cum B el aliam mm D, et D

unam conditionem kubet cum B et aliam cum C. El sie suul in ipsa camera sex

condiliones, cum quibus inlellectus se condilional et disponit ad invesligandum et

inveniendum et obiiciendum et probandum et delerminandum. Post istas sex con*

dilioues intellectus aequirit alias sex condiliones volvendo cireutum minorem, ponendo

suusa K sub C circuli medioeris, sub quo erat suum D. Et quia mutata est camera,

ideo mutantur eius condiliones, et sie intellectus babitual se XV (s. sogleich) eondilionibus.

Et sie per alias cameras mulliplicando cotumnas el volvendo itios. Cof»-

diliones, quas intellectus mulliplicat per istum modum, siM difficites ad enumerandum,

nam de qualibet camera polest intellectus sie evacuare XXX propositiones et XC

rjuucst,nnr*. Jedoch alle diese Zahlen sind unrichlig; theitweise besser lesen wir

de aud. cabb. p. 67: volvendo roluiom minorem factae sunt aliae sex condilio

nes, el hoc modo volvendo intellectus mulliplical de uno quoque spaliolo XII

propositiones et XXIV quaesliones. Wenn aber hinwiederum ebend. p. 66 gesagt

ist „mulliplicantur entia per spalioio quartae figurae ad numerum CCLII", so slimmt

allerdings dieser Calcul mit der Erwägung überein, dass in der Tabuio generalis

(Anm. 106 f.) je in den erslen Kammern der erslen sieben Cotumnen BC sieben

Combinalioneo eingeht , und sonach für BC 7 X 12 = 84 „condiliones" entstehen,

bei deren jeder im Hinblicke auf die drei combinirten Buchstaben drei Fragen, also

im Ganzen 3 X 84 = 252 Fragen erwacbsen. Aber nach der DreBungs-Operalion,

welche in der vierten Figur vorgenommen werden soll, ist überhaupt dieser ganze

Calcul unrichlig (s. Anm. 90 u. 106). In Wahrhelt sind es ja 729 Combinali onen,

und insoferne deren jede secbs conditiones erhalten mag und zu jeder condilio drei

Fragen gehören, gewinnen wir 18 X 729 = 13122 Fragen.

113) Ars magna el ult. p. 301: Cum arlista vull medium, semper investigat in

medio cireuio. Nam sicut animali compelit, stare meusuralive el coniunclive intcr

substanliam el hominem, quando conctuditur, quod homo est substanlia, sie litlera,

quae i"•l in medio cireulo, debet stare iuler litteram exislenlem in superiori cireulo

et litteram, quae est in inferiori.

114) Ebend. p. 304: Probalio est genus, et suae species sunt per „demonstralionem

propler quid" el per „demonstralionem aequiparanliae" el per „quod" divisae.

S. ob. Aüm. 56 ff.

115) Ars brev. p. 16 f.: In itlo passu cognoscit se inlellectus valde generalem

et artificiatum supra alium inlellectum ignoranlem istam artem et sie sophista

coram tali intellectu non polest stare. Ebenso De aud. cabb. p. 67.

116) Ars magna el ult. p. 305—313. (Ein Excerpt aus den Soph. Etenchi).

117) Ebend. p. 313: Per quartam figuram verius, quam per alias datur modus,

quo aliae scienliae possunt facitiler et breviler aequiri, sicul theologia, phitosophia

168 XVIII. Raimundus Lullus.

mittelst seiner ihm „angeborenen" Principien mit dem gesammten objecliven

Gegenstande des Wissens überhaupt finde118).

Trotzdem aber sind wir mit dieser Technik noch nicht zu Ende,

sondern es folgt als achter Theil die Sfixlio principiorum el regularum,

wobei noch einmal die „Principien" (d. h. die absoluten und die relaliven

Prädicate), um welche sich schon alles Bisherige gedreht hatte, den Ge

genstand bilden; dieselben sollen nemlich nun sowohl wieder unter sich

derarlig zu Urtheilen verbunden werden , dass jedes durch die übrigen

siebzehn eine nähere Beslimmung findet, als auch sollen nun an die ein

zelnen achtzehn Begriffe sämmtliche obige Fragen (d. h. „Regeln", s. Anm.

94 ff.) angelegt werden119).

Und nun erst kommt noch der übrige Theil des Alphahetums (Anm.

85), welcher bisher noch keine Rolle gespielt hatte, zur Betrachtung,

indem der neunte Theil die dorligen „novem subiecta" erörtert, bei

welchen als allgemeine Gesichtspunkte ihre Defmilion , ihre Unterschiede

und ihr Uebereinslimmen, sowie ihre Gradabstufung bezeichnet werden120).

Sämmtliche neun Subjecte , ausserhalb deren, wie sich Lullus einbildet,

es überhaupt Nichts gibt, sollen ihrerseits nun wieder durch die achtzehn

Principien und die zehn Fragen hindurchgeführt werden121). Von dem

neunten derselben aber, d. h. von instrumentum , gewinnt Lullus einen

etc., et hoc inveniendo medium non exislens generalissimum neque specialissimum.

Ralio hui its est, quod ista scientia habet principia generalissima et eliam reguios generalissimas

, aliae vero scienliae habe»il suballernata principia , el sie medium earum

est imperfectum sine ista scienlia.

118) De aud. cabb. p. 64: Firns quaesitus in hac methodo non est nisi dotiere

modum, cum quo adaequatur intellectus humanus cum re inlellecta de unoquoque

scibiti; et hoc fit per evacualionem lerliae figurae el cum mulliplicalione quartae

figurae. Lib. corret. innat. f. 50 A: Subiectum hui n s artis est innata pturalitas primiliva

vera et necessaria, d. b. eben die achtzehn „Principien".

119) Ars magna et alt. p. 315: De mixtione principiorum et regutarum. Pars

ista in duas parles dividitur, sc. in mixlionem principiorum dedurtorum uno deducto

cum alio, secunda pars est de principiis deductis per regutas. Datur doctrina, quomodo

unum principium cognoscatur per alia deducendo ipsum per ipsa principia et

per omnes species reguiorum Et ista mixtio est ccntrum el subiectum huius artis.

Hierauf werden in der That vorerst (p. 316 —340) die achtzehn „Principien" je

einzeln in Beziehung zu den übrigen siebzehn gebracht, und sodann (p. 340—375)

wieder jedes derselben an den zehn obigen Fragen gemessen. Vgl. Ars brev. p. 17.

De aud. cabb. p. 67 ff. Brev. pract. tab. gener, p. 37 ff. Comp. lect. tab. gen.

p. l B.

120) Ars brev. p. 17: Ponuntur novem subiecta in alphabeto significata , in

quibus cadit, quidquid est, et extra ipsa nihit est (p. 18) Tractatus istorum

subiectorum consideramus cum quatuor conditionibus Prima condilio haec est,

ul quodlibet subiectum habeat suam di/finitianem Secunda condilio est, quod in

iudicio sive in' praclica conservetur differentia subiectorum Terlia condilio est,

quod concordantia, quae est inter unum subiectum et aliud subiectum, non destruatur

Quarta est, quod, secundum quod unum subiectum est nobitius el allius, ei

attribuantur alliora el nobitiora principia. Ebenso De aud. cabb. p. 70 ff.

121) Ars magn. et ult. p. 375: Quoniam in novem subiectis omne, quod est,

implicatur el extra nihit est, idcireo volumus ponere ipsa in hac arle, ul cum ipsis

ars sit generalis, eo quod sunt generalia ad omnia. Et ideo discurrendo praedicta

subiecta per principia huius artis et reguios de ipsis subiectis nolitiam habere polerimus

u. s. f. Diess geschieht nun mit den erslen acht unter jenen neun Suhjecten

(p. 376—443), indem jedesmal zuerst die „principia" und dann die „rejufoe" zur

Erörlerung verwendet werden.

XVIII. Raimnndus Lullus. 169

etwas halsbrecherischen Uebergang zu den letzten zwei Quer-Reihen des

Alphabetums, nemlich zu den neun Tugenden und neun Lastern, deren

Erörterung ich ohne Neid der Geschichte der Ethik überlasse 122). Uebrigens

glaubt Lullus auch hiedurch wieder Erspriessliches für die inventio

medii geleistet zu haben123).

Was hierauf noch folgt, gehört eigentlich schon mehr der Praxis

dieser Technik an. Nemlich den zehnten Theil bildet unter dem Titel

„Applicatio" die ausführliche Himvetsung darauf, dass zur Verdeutlichung

die Subjecte auf ihre Prädicate und die abstracten Substanliv-Formen auf

ihre Adjecliva angewendet werden sollen, sowie dass überall stets der

gesammte Inhalt der vorhergegangenen neun Theile der Ars magna zur

Ausübung kommen soll, wozu jedoch nun noch zwei neue Bestandtheile

hinzutreten 124). Zunächst nemlich reihen sich „Centum formae" an,

d. h. hundert Begriffe , welche aus sehr verschiedenen Disciplinen (auch

122) Ebend. p. 443: De nono subiecto, quod est de instrumentalitale. Nonum

subiectum est de artificio et habet tres species. Prima est de moralibus, secunda de

artibus liberalibus, lertia de mechanicis. De prima, sc. de moralibus hie tractabimus

a. s. f., und es folgen hiemlt (p. 443—487) in gleicher Durchführung durch die

Principien und durch die Regeln vorerst die neun Tugenden und dann die neun

Laster. Hingegen Ars brev. p. 23: Istud subicctum est de instrumentalitale et consideratur

duobus modis, sc. naturaliler et moraliter Instrumentun, quidem

naturale polest cognosci deducendo ipsum per principia el reguios Simititer et

instrumentum morale ; talem autem deductionem dimillimus intellectni bens intuenli,

el si intellectus arlistae depcit in tali deduclione, recurral ad artem magnam,

in qua iorgius tractamus de mnralibus. Somit besteht hier ein anderes Eintheitungs-

Moliv der instrumenta, als in der Ars magna; aber das rasche Umspringen zu den

moralia ist beiden Redaclionen gemeinsam.

123) Die Erörterung dieser novem subiecta bitdet nemlich auch den ausschliesslichen

Inhalt der kleinen Schrift De conversione subiecli et praedicali, und dort

lesen wir p. 166: Subiectum huius libri est medium, per quod investigamus conversionem

subiecti et praedicali. p. 167: Si Mellectus invenit medium substantiale inter

subiectum et praedicatum, cognoscit, quod ex tali medio fial demonstralio ; et sie non

fiel sgllogismus opinalivus.

124) Ars brev. p. 24 f.: Applicalio dividitur in tres partes. Prima est, quando

applicatur implicitum ad explicitum; secunda est, quando applicatur abstractum ad

coneretum ; tertia est, quando applicatur quaeslio ad loca huius artis. De prima

parle sie dicemus: Si lermini quactlionis sunt implicili, applicentur ad lerminos huius

artis explicitos, sicut, quando quaeritur, utrum fleus sit, aut utrum angeli sint,

applicentur ad bonitalem, magnitudinem etc De secunda parle sie dicendum est:

Si lermini quaestionis sunt abstracli, applicentur ad suos lerminos coneretos, sicul

bonitas ad bonum etc., el videatur, quomodo se habent lerminus abstractus et coneretus

discurrendo per principia el reguios. Terlia pars, qune est de applicalione ad

loca, dividitur in XIII partes, quae sunt hae: Prima figura, Secunda figura, Tertia

figura, Quarta figura, Diffinilioncs, Reguioe, Tabuta, Evacualio lertiae figurae, Mulliplicalio

quartae figurae, Mixtio principiorum et reguiorum, Novem svbiecta, Centum

formae, Quaestiones. Diese lertia pars ist in De aud. cabb. p. 79 folgendermaassen

in novem species eingetheitt: Prima fig., Sec. fig., Tert. fig., Qu. fig., Mixtio princ.

el reg., Reguioe, Novem subiecta, Quidditas centum formarum, Quaestiones. Hingegen

Ars magn. et ult. p. 488 slimmt mit Ars brev. überein, nur werden dort ohne

Ober- und Unter-Abtheitung sofort fünfzehn partes der applicalio gezählt (d. h.

1. implic. ad explic., 2. abstr. ad coner., 3. Prima figura, 4. See. fig. u. s. f.).

Die ersten dreizehn derselben enthalten nun dort (p. 488 —496) nur eine „praclische"

Recapitulalion desjenigen, was über die einzelnen Theite schon im Obigen ent

wickelt worden war. Vgl. Camp. lect. tab. gen. p. 2 B. In Lect. art. inv. p. 109—133

wird nur über implicile und explicile gehandelt.

170 XVIII. Raimundus Lullus.

aus der Logik selbst, z. B. die Kategorien) entnommen und in möglichst

dummer Weise definirt und hierauf näher erläutert werden125). Uebrigens

sind dabei auch diejenigen , welche der Logik angehören , durch

aus nicht im Sinne der Logik , sondern nur im Slile der Ars magna

besprochen128). ,

Sodann aber sind es (als elfter Theil) Quaestiones , welche einer

seits abermals den vorhergegangenen Inhalt recapituliren und andrerseits

materiell auf das Gebiet der Theologie hinüberweisen 127).

125) Ars magna. et ult. p. 496: Vocamus quidem centum formas, nam in abs

tracto ipsas quidem si consideramus, aliquae erunt generalissimae, aliquae erunt

suballernae; et cuilibet formae assignamus suum coneretum, ut quaelibet forma inlellectui

magis etucescat, n. s. f. Und nun werden (p. 496 —562) in ziemlich pion

loser Ordnung folgende hundert Begriffe definirt und erörlert: Entitas, Essentia,

Unitas, Pturalitas, Natura, Genus, Species, Indivijuitas, Proprietas, Simplicitas, Composilio,

Forma, Maleria, Substanlia, Accidens, Quanlitas, Qualitas, Reiolin, Aclio,

Passio, Habitus, Situs, Tempus, Loms, Matus, Immobititas, Inslinctus, Appelitus,

Attractio, Receplio, Phantasma, Plenitudo, Diffusio, Digestio, Expulsio, Significalio,

Pulehritudo, Novitas, Idea, Mathemalica, Ens in polenlia, Punctuitas, Linea, Triangutus,

Quadrangutus, Cinutus, Corpus, Figura, Generales rectitudines, Monstruitas,

Derivulio, Umbra, Speculum, Color, Proporlio, Disposilio, Crealio, Praedestinalio,

Misericordia, Necessitas, Fortuna, Ordinalio, Consitium, Gralia, Perfeclio, Decioralio,

Transsubstantialio, Alleralio, Infinitas, Dcceplio, Honor, Capacitas, Existentia, Comprehensio,

Invenlio, Similitudo, Antccedens, Polenlia, Generalio, Theologia, Pbitosophia,

Geometria, Astronomia, Arithmelica, Musica, Rhetorica, Logica, Grammalica, Moralitas,

Polilica, Jus, Medicina, Regimen, Mitilia, Mereatura, Navigalio, Conscienlia, Praedicalio,

Oralio, Memoria. Vgl. Ars bree. p. 25 ff. Hingegen De aud. eabb. p. 80 ff.

fehlen hievon : Proprietas bis Maleria, dann Immobititas, Phantasma, Ens in polenlia,

Derivalio, und sämmtliche von Specutum an bis Memoria, nur Necessitas und Polenlia

ausgenommen; neu aber kommen dort hinzu: Initium, Indivisum, Etemenlivum,

fdem, Simite, Primum, Perfectum, Finitum, Totum, Deminutum, Persona, Hoc, Aliud,

Suslentans, Agens, Actu praeditum , Vacuum, Alleralio, Anliquitas , so dass dort es

nur 64 Definilionen sind. Vgl. Brev. pract. tab. gener, p. 14—35. Hingegen eine

sehr abweichende Zusammenstellung s. unten Anm. 163.

126) Z. B. Ars m. et ult. p. 500: Individuitas est diffinibitis per primam speciem

reguioe C, nam sicut bonitas est ralio bono, quod agat bonum, sie individuitas est

ralio individuo , quod producat tndividuum, et sicut individuitas est bona per bonitalem,

sie bonitas indii'iduata est per individuitalem.

127) Ars brev. p. 29 : De quaeslionibus. Haec pars dividitur in Xll parles seu

tosa disposita et proporlionata ad quaesliones secundum maleriae diversitalem , ex

qua sunt Videlicel: Prima figura, Secunda figura, Terlia figura, Quarta figura,

Diffiniliones , Reguioe, Tabuio, Evacualio lertiae figurae, Mulliplicalio quartae figurae,

Mixlio principiorum et reguiorum, Novem subiecta, Centum formae. Die erstep sechs

Gegenstände sind nur in Ars hrevis (p. 30—33) behandelt. Die Ars magna et ult.

beginnt erst mit den Fragen über Tabuio generalis und erörlert (p. 563—582) zur

Probe die erslen acht „Kammern" der erslen Cotumne , lässt dann in Kürze (p.

582—584) die näcbstem drei Gruppen folgen, um hierauf in grosser Ausführlichkelt

(p. 584— 599) die Fragen über die novem subiecta folgen zu iossen, wobei wieder

wie oben (Anm. 122) von „Instrumentum" auf die Tugenden und Lasler überge

gangen wird , deren Erörterung (p. 599—625) gleichfalls sehr gedehnt ist. Dann

folgen die Fragen über applicalio (p. 626—630) ganz im Anschlusse an obige

Theorie derselben (Anm. 124), so dass schliesslich die Fragen über die centum

formae sich anreiben, in welchen (p. 630—661) der ganze obige Inhalt in Frage-

Form recapitulirt wird. In De aud. cabb. beginnt dieser Abschnitt (p. 101) erst

mit den novem subiecta, auf welche dann (p. 107 - 110) noch in Kürze die erslen

14 der centum formae folgen. In Tab. gener, p. 23—75 werden die Fragen vou

„Prima figura"' bis „Tabuta"' durchgeführt, und der Best (p. 55—75) als „Quaestiones

per alias quaesliones" erledigt. In Ars inv. ver. p. 66—204 u. Lect. art. iiw. p.

XVIII. Raimundus Lullus. 171

Endlich den Schluss bilden zwei kurze Abschnitte, deren einer die

habituatio, d. h. die Angewöhnung der Technik128), der andere aber

das Verhalten des Lehrers betrifft129), woran etwa auch noch die

Dispulirkunst geknüpft werden konnte 130). Ergötzlich aber ist es, wie

Lullus betreffs der Lernenden drei Gradabstufungen des Talentes nach

der Geschwindigkeit abmisst, mit welcher man sich die ganze Technik

aneigne 131).

Jene beiden Schriften des Lullus, welche die specielle Aufgabe haben,

zu lehren , in welcher Weise die Technik praklisch angewendet werden

soll (s. Anm. 16), musste ich allerdings schon im Obigen mehrfach durch

Bezeichnung betreffender Parallelstellen berücksichligen; denn nicht bloss

die vier Figuren und die Definilionen und Erklärungen der absoluten und

der relaliven Prädicate schliessen sich dort der übrigen Behandlung der

Ars magna fast gleichlautend an (s. Anm. 86, 87, 89—91, 94, auch

bes. 109), sondern auch da, wo uns schon im Bisherigen die Praxis der

Technik begegnete, fmden wir im Wesentlichen Uebereinslimmung (s. Anm.

124 u. 127 f.). Aber das Eine, was hier neu hinzukommt und zugleich

durchaus ein Mittelglied zwischen der Technik selbst und der bereits (auf

Theologie) angewendeten Technik repräsentirt, darf ich eben darum nicht

unerwähnt lassen.

Nemlich nach den vier Figuren folgt hier 132) ein „Alphabetum"',

welches im Vergleiche mit dem obigen (Anm. 85) sehr modificirt ist.

Wohl sind die ersten beiden Columnen (mit den neun Buchstaben B—K

bezeichnet) idenlisch mit den ersten beiden Quer -Reihen "des obigen

Alphabetes, aber die dritte Columue besteht aus neun '„Regulae" und die

vierte aus neun theologischen oder naturphilosophischen Quaestiones. Und

was nun jene „Regulae" betrifft, so enthalten dieselben etwas ganz An

deres als dasjenige , was oben (Anm. 94 ff.) so genannt worden war.

Denn wenn auch allenfalls die Regel über suppositio uns an das dorlige

134-—311 sind es neun Fragen, welche lediglich der Theologie angehören, aber in

peinlichster Ausführlichkeit auftrelen, und in letzterer Schrift folgen dort noch (p.

311 — 358) Mitle minutae quaesliones aus dem Gebiele der Theologie (es sind jedoch

in Folge des Zustandes der Handschrift nur 912).

128) Ars magna et ult. p. 662: Habitualio dividitur in tres purtes. Quarum

prima est de tribus parlibus, in quas haec ars dividiturl et Mas arlista habituare

debet Secunda J,ars est, quod habituet modum et processum huius arlis

Terlia pars est, quod ipse Iiabeal modum mulliplicandi quaesliones et sotuliones.

Ebenso Ars brev. p. 42. Vgl. Tab. «jener, p. 75. Ars inv. ver. p. 204 ff.

129) Ars m. et ult. p. 662 : Doctrina dividitur in quatuor partes. Quarum prima

est, ,ä arlista bene sciat cordelenus. Secunda, quod ipse decioret bene lextum

schoioribus Terlia, quod ipse faciat quaesliones coram schotaribus et solvat eas.

Quarta, quod facial schotaribus quaesliones, ut ipsi de Mis respondeant.

Ebenso Ars brev. a. a. O. Vgl. Brev. pract. tab. gen. p. 11 ff.

130) Bree. pract. tab. gen. p. 39 f. werden Regeln über disputalio und p. 40 ff.

über decioralio lextus gegeben.

131) Ars m. et ult. p. 663 : Homo habens oplimum inlellectum et fundatum in

logica et in naturalibus et ditigenliam polerit istam scienliam scire duobus mensibus,

uno mense pro theorica et allero mense pro praclica. Homo habens inlellectum meliorem

polerit ipsam scire quatuor mensibus Homo habens inlellectum bonum

polerit ipsam scire in medio anno.

132) Ars inv. verit. p. 13.

172 XVIII. Raimundus Lullus.

ulrum erinnern könnte133), so reihen sich noch Regeln über folgende

verschiedene Gesichtspunkte an: de modo essendi et intelligendi13*), de

modo invesligandi 135), de specificatione generalis 136), de contradictione131),

de necessario et contingenti13*), de demonslralione139), de

punctis transcendentibus1*0), de maiorüale /Sms141).

Diejenigen Schriften nun, welche nach der Absicht des Lullus das

Resultat der auf Alles angewendeten Technik und somit gleichsam eine

Encyclopädie der Wissenschaften enthalten, gehen eben dämm über die

logische (?) Manipulalion der Technik selbst hinaus, ja Lnllus meint, diese

seine Myslik stehe als höheres Drittes über Logik und Metaphysik142). Und

133) Ebend. p. 37: Prima reguio est, in prineipio investigalionis supponere,

utramque parlem contradictionis possibite esse veram sive falsam.

134) Ebend. p. 38: Cum sit differentia inler modum essendi rei et modum eam

inlelligendi, considerandum est, qua ralione procedit medium conctusionis, an per

concordanliam utriusque modi, an per contrarietalem.

135) Ebend. : Duobus modis est in hac arle invesligalio facienda. Primus coasistit

in specutalione figurarum (p. 39) Secundus consislit sotum in inlellectu,

et iste in quinquc modos est divisus , sc. quod inlellectus simpliciler, dupliciter,

trianguioriler, quadranguioriter et cireuioriler per lerminns discurral (die Ausdrücke

jjtrianQuioriler" a. „quadr." bedeuten hier nur eine dreifache und eine vierfache

Combinalion, „cireutariter" aber das Durchlaufen all jener Combinalionen).

136) Ebend. p. 41: Ex generali omnino generali et speciali omnino speciali

lertium constituitur sapiens naturam utriusquc ; est enim ittud lertium membrum magni

ambitus tanquam medium extremitatum Specificando ipsa unirersalia per contractionem

eorum ad ipsas proprietales.

137) Ebend. p. 43: Fallitur inlellectus ignoranlis aliquolies in his, quae contradicere

ridentur nec tamen contradieunt, vel in his, quae non videntur esse in contradiclione

et sunt.

138) Ebend. p. 44: Omnc, quod est, aut est necessarium aul contingens, quare

inter ea discurrere est multum ulile, nam esse sive agere uniuscuiusque rei m aliquo

istorum duorum versatur.

139) Ebend. p. 45: Demonstralionum alia est simititudinaria, quae per exempio

et metaphoras habetur Demonstralio vero propria in tres species est divisa (d. h.

quid, quia u. per aequiparanliam. s. ob. Anm. 56 ff.).

140) Ebend. p. 47 : In omni maleria punctum transcendentem dicimus inreniri

passe (die Wortform „puncl»s" ist damals allgemein üblich, nur im Ptural sagte

man häufig auch „pimcfa"); causatur enim punctus transcendens ex excessu, quem

alia polenliarum hominis habet supra aliam aut aliquando supra se ipsam

Quaedam ergo punctorum transcendenlium causantur ex hoc, quod intellectus,

qui esl superior polentia , imaginalioni et sensui naturaliter est unitus Quidam

vero punctorum transcendentium causantur ex hoc, quod intellectus transcendit per

ralionem obiecli ralionem sui ipsius. Als solche transscendentc Punkle der ersteren

Art werden dann (p. 47—51) besprochen: Etementaliva, Vegetaliva, Sensiliva. Imaginaliva;

die letzlere Art wird (p. 51 —61) aufgezeigt in: Ralionaliva, Moralitas,

Coeleste, Anqetus, Divina quidditas.

141) Ebend. p. 61 : Est .maioritas finis id, quod est melius et melius et quod

oportel esse necessario melius; et consistit duobus modis, sc. sccundum proportionem

et secundum comparalionem.

142) Introd. art. demonstr. p. l A: Metaphgsica considerat res, quae sunt extra

animam, proul conveniunt in ralione enlis; logica aulem considerat res secundum

esse, quod habent in anima, quia tractat de quibusdam intentionibus, quae consequuntur

esse rerum inlelligibitium (B) Sed haec, ars tanquam suprema onmium

humanarum scienliarum indifferenler respicit ens secundum istum modum et secundum

ittum Sotum docet riam inveniendi communia et propria principia in quacunque

scienlia, sotum ponit aliquos lerminos principiorum, quibus mediantibus

possunt formari infinitae proposiliones.

XVIII. Raimundus Lullus. 173

wenn ich schon zur Besprechung der Technik mich fast widerwillig eutschloss

, so könnte ich wohl diese ganze Gruppe in Anhetracht ihres In

haltes völlig bei Seite lassen. Doch will ich Folgendes erwähnen.

Am nächsten noch schliesst sich an Obiges die Schrift „Arbor

scientiae" an, insoweit in derselben wenigstens jene nemlichen „achtzehn

Principien" beibehalten sind, welche nun als achtzehn Wurzeln des Baumes

erscheinen: den Stamm desselben bildet das Chaos, die Aeste und Zweige

die vier Elemente und deren Zusammensetzungen, die Blätter die Accidenlien,

die Blüthen die Werkzeuge, und die Früchte die individuellen

Wesen143). In den übrigen Schriften aber, welche zu dieser Gruppe

gehören, werden auf die abenteuerlichste Weise die „Principien" und die

obigen Kreis -Figuren vermehrt und bereichert. So erscheint die erste

Figur (Anm. 86) nun als „figura dei" mit 16 Feldern, indem perfectio,

iustitia, largüas, misericordia, humilitas, dominium, patientia neu hin

zukommen144). Auch obige figura T (Anm. 87) ist erweitert, indem zu

den dorligen drei Dreiecken noch zwei neue, eines mit den Ecken deus,

creatura, operatio, das andere mit den Ecken affirmatio, negatio, dubilatio,

hinzugefügt werden145). Ferner wird eine secunda figura T vor

geführt, welche einen in 15 Felder (modus, species, ordo, allerüas,

identüas, communüas , priorüas , simultas , posteriorüas , superioritas,

convertibilitas, inferiorilas, universale, indefinitum, singulare) getheilten

Kreis zeigt 146). Desgleichen neu ist figura S oder „veritalis" oder

„animae", welche in 16 Feldern eines Kreises verschiedene Modificalionen

der Begriffe memoria, actus, voluntas , intellectus , compositio unter

bringt147). Auch die Tugenden und Laster (s. im Alphabetum, Anm. 85)

werden, jedoch unter Weglassung von sapientia, pielas, mendacium, inconstantia,

in einen Kreis von 14 Feldern gebracht, welcher „figura V"

heisst 143). Die figura theologiae und figura iuris überlasse ich gerne

diesen beiden Facultäten 149), sowie die figura elementalis den Natur-

143) Diese ganze Gruppirung, welche durch einen (in mehreren älleren Drucken

bunt bemallen) Baum versinnlicht ist, wird dann behufs einer Encyclopädie auf eine

ganze Menge von Bäumen angewendet, nemlich: arbor elementalis, vegetalis, sensualis,

imaginalis, humanalis, moralis, imperialis, apostolicalis, coeleslialis, angelicalis,

aelernalis, malernalis (d. h. Maria, welche Lultus ja auch in Gedichlen ver

herrlichle), divinalis-bumanalis (d. h. Christus), divinalis, exemplificalio, quaestionalis,

an welch letzteren sich Fragen über die obigen (Anm. 125) „centum formae" anschliessrn.

144) Ars demonstr. p. 2, Lect. art. dem. p. 2, Comp. art. dem. p. 20, Propos.

sec. art. dem. p. 18 u. 45, Ars inv. part, in univ. p. 2, Ars magna et maior p. 5

u. 43, Lect. art. comp. inv. ver. p. 9 u. 50.

145) Lect. art. dem. p. 12, Comp. art. dem. p. 7, Propos, sec. art. dem. p. 2,

13 u. 41, Ars inv. part. p. 2, Ars magna et maior p. 42, Lect. art. comp. inv. ver.

p. 4 n. 25.

146) Ars demonstr. p. 2 f. u. die- so eben angeführlen übrigen Slellen.

147) Lect. art. dem. p. 7, Comp. art. dem. p. 14, Propos. s. art. dem. p. 3,

20 u. 46, Ars ine. pari. p. 2, Ars magna et maior p. 41, Lect. art. comp. ine.

ver. p. 2.

148) Lect. art. dem. p. 17, Comp. art. dem. p. 28, Propos, s. art. dem. p. 4,

23 u. 49, Ars. magna et maior p. 6 u. 43, Lect. art. comp. inv. ver. p. 12 n. 84.

149) Ars demonstr. p. 52 ff., Lect. art. dem. p. 42 1F., Comp. art. dem. p. 35

u. 49, Propos, s. art. dem. p. 5, 27, 30, 52, 55. S. auch Sai'igng, Gesch. d. röm.

Rechtes im Mitleiolt. V (2. Aul).), p. 616 ff.

L.

174 XVIII. Raimundus Lullus.

forschem150). Ein Höhepunkt der Tändelei aber ist die figura derivalionum,

welche in 13 Feldern eines Kreises die Sylben re, ri, ans, us,

le, tus, nus, do, ne, er, in, prae, de vorführtl51). Ausserdem noch

werden sämmtliche Figuren in Eine /igura universalts zusammengefasst,

welche aus 13 concentrischen Kreisen mit je 16 Feldern besteht152), und

überdiess für alle einzelnen Figuren die möglichen paarweisen Combinalionen

(nach dem Muster der obigen dritten Figur, Anm. 89) vor Augen

gestellt153). Das Ziel aber liegt hiebei überall in einer Unzahl theolo

gischer quaestiones 154); denn, wie Lullus selbst sagt, diese ganze Be

handlungsweise der Ars magna soll nur der Verherrlichung Gottes und

der Zerknirschung der Seele dienen 155). Darum endlich befindet sich

auch die figura philosophiae, welche in 16 Feldern die Begriffe „prima

causa, motus, intelligentia , orbis , forma, maleria, natura, elementa,

appelitus, polentia, habitus, actus, mixlio, digeslio, compositio, alleralio"

enthält, auf einem Gebiete, welches uns für die Logik durchaus nicht

interessirt 156).

Während aber Lullus in dem Gesammlumkreise seiner Ars magna

das einzige Heil der Wissenschaft erblickte (vgl. Anm. 117 f. u. 142) und

dagegen die gewöhnliche Schul-Logik für etwas Schwaches und Unter

geordnetes hielt (Anm. 32). scheint hinwiederum die tradilionelle Auctorität

der letzteren ihm das Zugeständniss abgenöthigl zu haben , dass seine

Ars magna dem üblichen Betriebe der Logik sich doch nicht ganz verschliesse,

sondern dass man in seiner obigen mulliplicatio quartae figurae

(Anm. 1 12 ff.) und auch in den „centum formae" (Anm. 125) all Das

jenige, — natürlich in viel besserer Weise —, finde, was in der ge

wöhnlichen Logik gelehrt werde 187). So konnte er sich auch herbei-

150) Lect. art. dem. p. 23, Comp. art. dem. p. 58, Propos. s. art. dem. p. 6,

33 u. 56. Dass Lultus zu den hervorragenden Alchimisten gehörle, ist bekannt;

s. Kopp, Gesch. d. Chemie, l, p. 67 ff. II, 178 ff.

151) Ars demonstr. p. 91. Introd. art. demonstr. p. 25 B : ,,fie" significat verba

activa...., „St" significat verba passiva , „j4ns" rsl „us" significal participia

oul polentialitalem, ul bonificalivus , „Le, Tu»" significant passiva , „JVn»U

conereta, ut bonus , „ßo" abstracta, ul magnitudo . . .., „JVe, £r" adverbia ,

,,fn, Prae, />c" signi/icant composiliones , ul iniuslilia. Auch beruht hierauf die

kleine Schrift Correiota innata (s. bes. dort f. 50 B).

152) Comp. art. dem. p. 71, Vropos. s. art. dem. p. 7, 37 u. 58, Lect. art.

comp. in», ver. p. 19.

153) Ars demonstr. p. 8, Propos, s. art. dem. p. 10, Lect. art. comp. ine.

ver. p. 25.

154) An demonstr. p. 52 ff., Comp. art. dem. p. 89 ff., Vropos. s. art. dem.

p. 40 ff., Ars magna et maior p. 31 ff.

155) Lect. art. demonstr. p. l A: Quoniam deus multum est recolibitis, inlelligibitis

et amabitis, est ideo multum nobis necesse, ul eo fruamur specuiontes eum

recolendo, intelligendo et amando in tola anima nostra et viribus eins, quod est

utlimus finis eius; ad hoc siquidem hanc artem duximus deciorandam, quae instrumentum

est actibus animae Ad dei magnificenliam haec ars facta est. Comp.

art. demonstr. p. l A: Haec ars instruit nos, intelligere et dittgere deum, adhasrere

virtulibus , odire vilia et confundere infidelium erroneas opiniones. Ars magna et

maior p. l B : Polest homo invenire veritatem sub compendio et contempiori et

cognoscere deum et vivificare virtules et mortificare vitia.

156) Ars demonstr. p. 99 ff., Lect. art. dem. p. 46, Comp. art. dem. p. 45,

Propos, s. art. dem. p. 5, 28 u. 53.

157) An magna et ult. p. 537; Logica est ars, qua logicus invenit connmctio

XVIII. Raimundus Lullus. 175

lassen , Schriften zu verfassen , welche als ein Mittelding zwischen der

Ars magna und der tradilionellen Logik auftreten. Solcher Art nemlich

ist zunächst die Nova logica, durch welche die Weitschweifigkeit und

Hinfälligkeit der alten (aristotelisch-byzanlinischen) Logik vermieden und

das Auswendiglernen der logischen Lehren erleichtert werden soll158).

Dieselbe hat sieben distinctiones. Die erste beginnt mit ens, welches im

Sinne der Schrift „Arbor scientiae" eingetheilt wird und so zu corpus,

animal, homo führt159), worauf unmittelbar die obige Erörterung der

zehn Fragen oder „regulae" folgt 160). Die zweite enthält die fünf Uni

versalien , welche natürlich als reale Wesen gelten und sämmtlich nun

eben jenen zehn Fragen unterworfen werden101); die dritte entwickelt

die Kategorien gleichfalls mittelst dieser nemlicheu Fragen162). Den Ge

genstand der vierten Dislinclion bilden wieder „centum formae", welche

jedoch von den obigen (Anm. 125) stark abweichen, und deren erste

beide, — zur Probe davon, was mit den übrigen 98 geschehen solle —,

jenen nemlicheu zehn Fragen unterstellt werden103). In der fünften

folgt nun in Kürze die Lehre vom Urtheile164), von der Defmilion165) und

»em intcr subiectum et praedicatum, quac est medium, cum quo necessarias conelusiones

seit facere. Logicus per diffinitionem msdii invenit medium conliguum, ....et

de hoc datur exemptum in mulliplicalione quartae figmae. Adhuc logicus tractat de

V praedica'bitibus et de X praedicamentis, et de hoc exemptum in tractatu centum

formarum. (p. 538; Hem logicus tractat de sgllogismo et de figuris el de faliociis,

et de omnibus islis exemplificatum est in multiplicalionc quartae figmae Logicus

facit praedicatum superiuris de inferiori .... Ilem ponit mulliplicitalem generis, ponit

genus generalissimum et simitiler speciei mulliplicitalem Logivus tractat

de differentia differentiando el de concordantia concordando et de contrarietale contrariando.

, .

158) Nova logica, (. 3 r.: Considerantes, velerem et antiquam logicam ab eam

inquirentibus propler sui prolixitalem cum tabore maximo plenius aequiri et aequisitam

propler sui iobititalem cum nimia difficultale in memoria relineri diulius, idcireo

ad prolixitalem et iobititalem huiusmodi evitandam cogitavimus , divino auxilio mediante

novam et compendiosam logicam invenire, quae ab ipsam inquirentibus citra

nimiam difficultalem aequiratur et aequisita in memoria plenarie conservetur.

159) f. 3 v.— 6 r. S. Anm. 143.

160) f. 6 r.— 8 r. S. Anm. 94-105.

161) f. 8 r. — 13 r. Jene Stelle, welche das offene Bekenntniss des Realismus

enthält, wurde schon oben, Anm. 44, angeführt.

162) f. 13 v.— 20 v.

163) f. 20 v. - 25 r. Die hundert Begriffe sind hier: Individuum, Bonitas,

Magnitudo, Duralio, Polestas, Sapienlia, Votuntas, Virtus, Veritas, Gloria, Concordantia,

Contrarietas, Principium, Medium, Finis, Maioritas, Aequalitas, Minoritas, Essenlia,

Natura, Forma, Maleria , Immobititas, Mobititas, Matus, Dubitalio, Affirmalio, Negalio,

Memoria, Intenlio, Generalio, Corruplio, Pri,'alio , Opinio, Suspicio, Condilio, Anlecedens,

Consequens, Derivalio, Influenlia, Reflucntia, Abstractum, Coneretum, Causa,

Effectus, Occasio, Simplex, Compositum, Inlensitas, Existentia, Agenlia, Figura, .Vecessitas,

Continsientia, Fortuna, Disposilio, Sublititas, Plenum, Vacuum, Polentia, Otiectum,

Actus , Umbra, Subiectum, Praedicatum, Significalio, Attraclio , Impressio,

Simititudo, Numerus, Etemcntaliva, Vegetaliva, Sensiliva, Imaginaliva, Ralionaliva,

Obstinalio , Cov.tradictio , Capacitas , Proportio, Cireumslanlia , Supposilio, Ponctus,

Linea, Humidum radicale , Humidum nutrimentale , Alleralio, Confusio, Augmentalio,

Consummalio, Successio, Mors, Seeretum, Ordo, Continuitas, Divisio, Cogitalio, Audacia,

Artificiuü,, Scientia, Appliealio.

164) f. 25 v.

165) f. 26 v. s. Anm. 93.

176 XVIII. Raimundus Lullus.

vom Bcweisverfahren, bei welch letzterem ein kleines Stück der Topik166)

vor dem Syllogismus167) vorhergeht und dann die Sophislik folgt lüi<).

Die sechste Dislinclion enthält eine Anwendung der zehn Fragen auf

Natur, Theologie, Philosophie, Moral, Recht und Arzneiwissenschaft l6!)),

die siebente aber gibt Fragen über den sämmtlichen Inhalt der vorher

gegangenen sechs Abschnitte170).

Endlich ein anderes derarliges Mittelding ist, was Lullus über Logik

in gereimten catalonischen Versen schrieb. Dort knüpft er an die Defi

nilion der Logik, welche die Kenntniss der wahren und falschen Beweise

sei, sofort die fünf Universalien und die Kategorien der Substanz und

des Accidens , welche sämmtlich in den Figuren der Ars magna ihre

Mischung finden sollen171). Sodann werde durch die Anwendung der

obigen regulae (d. h. der zehn Fragen) die Verknüpfung der Begriffe

bewerkstelligt und so die Einsicht in das Urtheil nach Quanlität, Qualität

und Modalität gewonnen172). Die hiedurch vorgenommene Vergleichung

führe dann zur Lehre von der Definilion173), und hierauf komme man

durch die Mischung der obigen „conditiones" (Anm. 112), d. h. durch

die multiplicatio quarlae figurae, zum Verständnisse der Parlicularität

und Universalität174), und hiedurch sei man befähigt, in den verschie-

166) f. 27 r., woselbst an die drei Arten der demonstralio (s. Aum. 56 ff.)

die Topen a minori, a maiori, ab aequali (vgl. Anra. 70) und einige Bemerkungen

über possibite und impossibite geknüpft werden.

167) f. 28 v. — 30 v. Vor der Angabe der drei Schtusstiguren wird sogar der

Begriff „sgllogismus" jenen zehn Fragen unlerworfen.

168) f. 30 v. — 36 r. s. Anm. 72.

169) f. 37 r. — 40 v.

170) f. 41 r. — 49 v.

171) Bei Rossellö (Anm. 23) p. 400: De io primera distincciö. Ldgica es

sciencia Per io qual höme sapia Parior assufismadment E fer ver e fals argument.

E lnd,en, 's d'universals , E ab ios figuras höm sab quals Estan en lo tur meselament

Las res d'hon höm fd Pargument (folgt als Beispiel bonea) Vet donchs,

los sinch universals Qui 'n ldgica son principals Comenfaments, que son trobal En

tas figuras et mesciot. Con d'elios en fds mescioments Per lols los turs comencaments,

Substancia et accident D'hon son li deu predicament, Pols en ios figuras trobar

Si 'ls comenfaments sabs mescior.

172) Ebend.: De ta segona distineciö. Los sinch universals sereats Ab ios

regios los vas quirent, Car im no t'en pol escapar; E ab ios tegios pords dar

Conexenfa del predical Ab lo sobjet; e si 's giral Lo sobjet, coneixer pords Ab lo

predicat; et si fds Ab ios regtas comparament Substantial 6 d'accident, La comparaciö

saubrds Ab ios regios per lols los pas. Aco maleix d'affirmaliva Universal

ö negaliva, E aul,e si particuior Ab tas regios pords trobar, Si fds ver 6 fals argument

E 'ls individus exament Ab ios regtas pots impossibol Coneixer et co

qui 's possibol; E autre si necessitdt E contingent serdn mostrat; E autre si faiocid

Ab ios regios se trobard Preposiciö conjunliva E autre si de disjunctiva, Ab

ios regios io pots trobar, Si ab tolas ios vols serear. E aggo maleix tant con dura

Logica, pords per mesura En ios regios tola trobar, Si ab elios sabs enserear.

173) p. 402: De io ler$a distincciö. Ab aquesta distincciö Saubrds far diffiniciü

De tugt li sinch universals, D'els predicaments autre tat, Vet donchs,

per qual ensengaments Saubrds far diffinicions Siguent ios comparacions Que per

Part general se fan.

174) Ebend.: De io quarta distincciö. Si mescios ios condicions De logica et

so*sermons Ab condicions qui estan En esta art, coneixer s'han; Car tugt li condicionar

Qui son en li parlicuior, Cove que sian derivat Universal et atrobal. Pols

XVIII. Raimundus Lullus. 177

denen Bedeutungen der Begriffe den comhinatorischen Faden des Denkens

festzuhalten und so über jeden Stoff genügende Syllogismen an der Hand

der Figuren zu bilden175). Den Schluss machen auch hier Fragen, welche

das Vorhergehende recapituliren176).

Dass die ganze „Kunst" des Lullus schlechthin werthlos ist, bedarf

nun wohl keines besonderen Nachweises mehr. Eher möchte ich einen

Tadel darüber befürchten , dass ich diesem Unsinne überhaupt einen so

grossen Raum in meiner Darstellung schenkte. Doch würde mich wohl

ein stärkerer Tadel treffen, wenn ich die Ars mayna mit Slillschweigen

übergangen hätte; und wenn ich mich einmal auf dieselbe einliess, konnte

ich Dasjenige, was angeführt werden musste, kaum kürzer fassen, als ich

gethan habe:

donchs en ldgica formar Condicio parlicutar Ab condicio generat, Hon parlicuiors ban

hostal (d. h. ihre Wohnung in den betreffenden Feldern der Kreise) E per elio

estdn regtades.

175) p. 403: De io sinquena dislincciö. En io tduio atrobards Los significats

que volvrds A ldgica atribuir ; Car si a ü, C, D venir Vols, el als altres coronells

(d. h. Kreise), No fö hanc en null capdells (d. h. Richtung) Negü fit tant fort enplegat,

Lom estdn li signi/ical En io tauio per demostrar (}o que t'en pords aplicar

A Idgica argumentant. Vel donques, qu'es el per qual sembiont Pdts de io tauio

derivar A Idgica mant consirar, Manle malerid venir'A co que votrds conctuir Per lo

molt grand abundament Vengut per significdment De 'tas cambras, si 'l sabs trovar

E a ldgiea aplicar. i1' •

176) Ebern!.: De io sisena dislincciö. Per sisena distincciö Respondrds a io

queslio Que per Idgica höm le pdt .far, Ab que sapias pendr' exemptar De ios queslions

qui estdn En esta art, et qu'el semblan Prengas en ta responsiö.

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PKANTL, Gesch. 111. 12

XIX. ABSCHNITT.

ALLMÄLIGE FORMULIRUNG VERSCHIEDENER PARTEI-ANSICHTEN.

Müssen wir hiemit den geschichtlichen Faden wieder an den Schluss

des XVII. Abschnittes anknüpfen, so treten wir in jene Periode der Scho

laslik ein, welche in einem bunt und üppig verschlungenen Verlaufe bis

in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts fortwuchert und durch die

Renaissance des 15. Jahrhunderts in dem inneren Principe ihres Betriebes>

nicht nur sich nicht stören lässt, sondern auch ausdrücklich den Kampf

gegen die humanislischen „Neuerer" aufnimmt, bis sie zuletzt doch in

diesem Kampfe (um das Jahr 1520) unterliegt. Es ist demnach zunächst

innerlich Ein einheitlicher Verlauf, neben welchem äusserlich als neue

Stoff-Zufuhr das wiederenvachende Alterthum hinzutritt. Die blosse Stoff-

Zufuhr war ja seit den ersten Jahrhunderten der christlichen Aera allein

das Entscheidende und blieb es fortwährend, bis der gesunde natura

lislische Hauch der Anlike durch eine länger dauernde Wirkung seines

Wiedererwachens es endlich zur Folge hatte , dass der philosophische

Impuls sich der Auctorität der Tradition entwand und allmälig mit

innerer Selbstständigkeit von sich aus die Lösung seiner Aufgabe zu

unternehmen begann.

Jede Eintheilung des scholaslischen Zeitalters, welche nicht auf die

sem Molive der Stoff-Zufuhr beruht, ist ein apriorislisches Treiben, welches

der Geschichte Gewalt ani.hu t; und wenn man z. B. bei Occam von einer

Selbstauflösung der Scholaslik oder dgl. gesprochen hat, so kann ich

Solches nur als eine theologische oder eine philosophische Grille be

zeichnen ; denn bei richliger geschichtlicher Einsicht zeigt sich, dass jene

angebliche Selbstauflösung gar äusserlich durch ein paar Stellen aus Ari

stoteles und ein paar Capiteln aus der als aristotelisch angebeteten byzan

linischen Logik veranlasst wurde.

Indem ich daran festhalten muss, dass die ganze Scholaslik nur von

der Masse und dem Inhalte des zugeführten Stoffes bedingt wird, und

ich auch den Nachweis hievon wahrlich nicht schuldig geblieben bin,

konnte mich nur ein äusserlich praklisches Moliv dazu veranlassen, jenen

einheitlichen Faden der Scholaslik, welcher sich vom Ende des 13. bis

zum Anfange des 16. Jahrhunderts fortspinnt, in einzelne Stücke zu zer

legen. Nemlich nur um die Ziffern der Anmerkungen nicht in die Tau

sende anschwellen zu lassen und dem Leser gleichsam einmal einen

Ruhepunkt zu gönnen, scheide ich die „allmklige Formulirung der Partei-

Ansichten", soweit dieselbe bis Occam (einschliesslich) zu Tage tritt,

XIX. Die Stoff-Zufuhr. 179

vorläufig als eigenen Abschnitt ab, um sodann das „üppigste Wuchern

der scholaslischen Logik", welches sofort an Occam's Auftreten sich

knüpfte , bis zu den „ersten Erscheinungen der Renaissance" zu be

gleiten und hierauf nach diesen die „reiche Nachblüthe" der Scholaslik

darzustellen.

Jene Stoff-Zufuhr nun, welche (wie Abschn. XVII zeigte) im 13.

Jahrh. von byzanlinischer, aristotelischer und arabischer Seite her statt

gefunden hatte , musste nothwendig gleichsam einem Verdauungs-Processe

unterliegen, bei welchem wir allerdings Gelegenheit haben, in ähnlicher

Weise , wie Walther von der Vogelweide in anderem Sinne gethan , die

Grösse des Magens der Kirche zu bewundern; denn es ist staunenswert!),

wie viel heidnische Litteratur seit Albertus Magnus all jene frommen

Männer verschluckten, ohne hierüber die geringsten Beschwerden zu ver

spüren. Man bedenke nur, dass neben der reichen Saat byzanlinischen

Unsinnes die sämmtlichen Bücher des Aristoteles, d. h. auch die physika

lischen und naturwissenschaftlichen Schriften nebst der Ethik und Polilik,

sowie die Metaphysik mit ihrem astronomischen Gottesbegriffe, und ausserdem

neben einzelnen griechischen Commentatoren die ganze Litteratur

der arabischen Erklärer, welche ihrerseits zugleich auch auf Ptolemäus,

Euklides, Geber, Galenus und Hippokrates hinübergriffen , binnen etlicher

Jahrzehnte eingedrungen waren und ihrer weiteren Pflege an den tradi

lionell bestehenden Schulen harrten.

Diese massenhafte Wucht eines neuen Lehrstoffes musste sowohl im

Allgemeinen in pädagogischer Beziehung als auch insbesondere für den

Betrieb der Logik eine weitgreifende Wirkung ausüben. Nemlich auch

der übliche Schul - Unterricht überhaupt musste nun im Vergleiche mit

den früheren Jahrhunderten nothwendig eine völlige Umänderung er

fahren; denn unter den sieben freien Künsten war es einerseits gerade

die „Dialectica", welche jetzt zu einer ausgedehnten aristotelischen,

byzanlinischen und arabischen Schul - Litteratur anschwoll. Und andrer

seits musste sich an den höheren Lehranstalten seit dem Ende des 13.

Jahrhunderts allmälig jener Uebergang vermitteln, welcher von der facultas

„artium" zur facultas „philosophorum", sowie zur Selbstständigkeit der

medicinischen Facultäten führte. Alle Lehrgegenstände aber, — auch die

Theologie nicht ausgenommen, welche ja bekanntlich an der Pariser Uni

versität das Maassgebende war —, besassen eine Voraussetzung und eine

unerlässliche Vorbedingung an der Logik, welche hiemit neben ihrer neuen

quanlitaliven Fülle auch qualitaliv eine bevorzugte Stelle einnahm, wie

keine andere der sieben Künste sich einer solchen rühmen konnte. Nur

die „Grammatica" erhielt sich selbstständiger und wurde nicht (wie die

übrigen Disciplinen) in dem neu sich gestaltenden philosophischen Cursus

absorbirt. So kam es, dass die „logische" und (— wenn für das 13. Jahrh.

der Ausdruck zulässig sein soll —) die „philologische" Schulbildung wie

gleichberechligt nebeneinander stehen, ja zuweilen sich gegenseilig be

kämpfen konnten (ein Vorspiel der Zustände nach dem Wiedererwachen des

Alterthumes), zumal da die „Logiker" in der unausgesetzten Uebung ihrer

abstrusen Schulweisheit leicht verknöchern und, was sonslige Lectüre be

trifft, förmlich verwildern mussten, so dass sie mit Recht zum Gespötte

ihrer philologischen Gegner wurden.

12*

XJX. Pädagogisches.

;., , i .Poch ;uffl nicht weiter in die Geschichte.1 döP Pädagogik hinüberzugleiten1),

beschränke ich mich darauf, Ein Document zu erwähnen, welches

einen solchen Thatbestand für jene Zeit constalirt. Es ist diess des

Heinrich von An.dly (um d. J. 1270) Gedicht „Die Schlacht der sieben

freien Künste" 2) , in welchem die Pariser Logiker einerseits und die

grammalische Schule zu Orleans andrerseits als die kämpfenden Parteien

auftreten. Den orleanislischen Philologen, in deren Schlachtreihen mehrere

klassische Autoren kämpfen3), war von den Parisern der Spitzname

„Autoriaux" gegeben worden, hingegen die Logiker wurden von ihren

Gegnern. „Quiquelique" od-er wohl richliger „Quiqueliquique", d. h. zu

deutsch „Kikeriki", genannt 4). De* Kampf selbst, in welchem als Führer

der Logiker einige uns nicht näher bekannte Personen erscheinen 5), aber

auch . der „Barbarismus" sich denselben als Bundesgenosse beigesellt 6),

führt zuletzt dazu , dass die Philosophen auf dem Mont l'Heri von den

Grammalikern belagert werden und in grosser Bedrängniss einen Parla

mentär zu den Feinden schicken, welcher jedoch als gänzlich unver

ständlich von diesen zurückgeschickt wird7). Indem- aber .endlich die

. I) Ich mnss hier die gleiche Resignalion üben wie Abschn. XHI , Anm. 1.

Welcherlei Schul-Logjk aber pädagogischer Stoff gewesen sei, fällt natürlich der

Geschichte der Logik anheim.

2) Es ist dieses der provenc.alischen Litteratur angehörende Gedicht selbst

noch ungedruckt, ,:imd wir sind aufweine französische Inhaltsaugabe desselben iu

liolices et Extraits des Maauseripls etc. Vol.. V, p. 49Q ff, angewiesen.. (Uebrig«ns

hat der nemliche Henri d'Andlg auch eine Liebeskioge des Aristoleles ,— Lai d'Aristole

— tm Troubadour-Slile verfasst; s. Legrand d'Aussg, Fabliaux et Vontes, 3. Auf).

•Paris 1829] Vol. I, p. 273 ff.)1

. 3) .Nat. et Extr; a^'a. O. "p, , 503 u. 508 f. Neben Donatus, Priscijmus und

Marcianus Capella erscheinen; Viigitlus, Horatis,s, Properlius , Terenljus , Aratus,

Seneca, Persius, Juvenalis, Stalius,. Lucanus , Cioudianus, Aviemis, Cato, auch Sedutius

und Prudenlius.. \Venn auch Homer genannt wird, so ist schwerlich an

Lectttre desselben zu denken.

• • I 4) EbendJ p. 503; Diö 'richligere form j,{hüqueliquique" treffen Wir merk

würdiger Wfcise.in dem gleichzeiligen Roman du Renart (ed. Miton, Vol. lII, p. 53)

v. 21205 ff., ,d. h. in jener Branche, in welcher Renart und der Katcr Tybert die

Vesper singen. Dort lesen wir: Sez-tu (Soi/s-J,i) rien de dialeclique? Oit(0ui); lole

Qhiqueliquique. ' Repondras moi se ge t'op'ds. Oit; par derere mou dos. Ör enlestl

dvnl '& " ftirgument, Se di pain d'orge est de frommt, Ge di pain de froment est

d'arge'. 'Nate-aventure ait"ainz ta gorge, Que pain d'orge soit de froment u. s. f.

,. 5) .Nol. et Extr. p. 503 f.: 'A cetle nquvelle Logique ful effragec. He'ios,

s'eeria-t-elle, favais dans Raoul de Builli un defenseur redoutable, et io mort

me Pa enlevi. Cependant eile ne perdil point courage , eile s'occupa du soin

'd'dssembler des troupe's; et menda celles qu'elle avait & Tournai : (vgl. Abschn. XIII,

Anm. 326)1 La staient Je-an le Page, Poilaue de Gämaches, Nicole-aux-

JIauleis-fesses. Elle' d,ipeel,a vers eux Fierre.de Courtcnai, et les fit inviter

nar tui, de se rendre au ptulöl a Paris. Ils pioqerent sur uns. cl,ve dans un char

Triv'e et Quadruve, et se mirent en mard,e. Le char e"tait traine' par les bedeaux et

conduit par Ro berl -le-Nain (diesen trafen wir schon früher, s. Abschn. XIV,

Anm. 447 ff.) v t Che'ron-le-Vieux, qui Paigmllon en main piqtmient Patlelage.

6) Ebend. p. 508: Dom liorbarisme, quoique homme-lige de Grammaire, avait

pris-^les armes eontre elle,paree qu'it psrssedait des lerres dans le pags de Logique.

7) Ebend. p. 511: Dans celle detresse Logique • envoga proposer io paix d

sa rivale; lnais le de'pule' qu etle chotsil pour ce message connaissait si peu les

rtgles du iangage et U s"exprima si mal, qu'on ne voutut'pas lVconier, et qu'it

ful renvoge. ...'.'l. , •/ . . ..1 .1 • ' '.t • ,

,

XIX. Die Parteispalturig{ 181

Astronomie ihre Blitze1 gegen das Heer der grammalischen • Philologie'

schleudert, zieht sich dasselbe nach Orleans und Blois zurück und meidet

auch in Zukunft Paris 8). Der Dichter des Ganzen aber schliesst mit

einer Prophezeiung und zugleich einer Warnung vor grammalischer Ver

wilderung 9). - • :: ' ••• .

Was aber hingegen die innere Entwicklung der logischen Theorie

selbst, und was vor Allem die zahlreichen Gontroversen und verschiedenen

Partei-Stellungen betrifft , so muss ich mit grösster Entschiedenheit den

allgemeinen Grundsatz, welcher seinen reichen Detail - Nachweis finden

wird, vorausschicken, dass auch für diese ganze Periode der Scholaslik

die Abhängigkeit vom vorhandenen Stoffe das allein Maassgebende ist. Das

zugängliche Material war nun weit reichhalliger geworden, als es im

12. Jahrh. gewesen war, und darum haben jetzt die Logiker mehr Anknüpfungs-

Punkte und mehr Auctoritäts-Aussprüche bei ihren Disputalionen

zur Verfügung, als damals. Aus diesem Grunde, und aus keinem anderen,

entsteht nun eine weit manigfalligere Controversen-Litteratur. Wenn schon

im 12. Jahrh. auf Grundlage eines ungleich beschränkteren Materiales

dreizehn verschiedene logische Parteien entstanden waren, so ist es nicht

zu wundern, wenn jetzt seit dem Ende des 13. Jahrh., wo man auf eine

grosse Zahl neuer Quellen - Stellen sich berufen und Jeder irgend eine

einzelne derselben für sich in Anspruch nehmen konnte, die Partei-

Stellung sich fast ins Endlose zersplittert und dabei zugleich in manigfalligster

Kreuzung und Mischung wieder verwandtschaftliche Berührungs

punkte entgegengesetzter Meinungen aufzeigt.

Man glaube nur ja nicht, dass man ihit den zwei Schlagworten

„Realismus" und „Nominalismus" die logische Parteistellung irgendwie

erfassen , geschweige denn geschichtlich entwickeln könne. Jene beiden

Worte exislirten in derjenigen Periode, mit welcher wir uns vorerst zu

nächst beschäftigen müssen, gar nicht; und es wird erst der spätere

Verlauf zeigen, wann diese zwei Partei-Worte von den Theologen in

Umlauf gesetzt wurden, wobei jedoch zugleich zu Tag treten wird , dass

man dann auch von „Terministen" und von „Formalisten" sprach. \

Ebenso verfehlt ist es, wenn man nur den Gegensatz zwischen

„Thomisten" und „Scolisten" ins Auge fasst und hiedurch die Parteiung

erledigen zu können glaubt. Allerdings zwar hat jenes polemische Ver

halten zwischen Dominikanern und Minoriten für die Geschichte der Theo

logie und der priesterlichen Hierarchie eine wesentliche Bedeutung; aber

sowie die Geschichte der Logik einerseits in der glücklichen Lage ist,

alles theologische Gezänke ignoriren zu dürfen, so findet sie andrerseits

auch den tatsächlichen Stand der Dinge, dass in der Darlegung der

8) Ebend.': Astronomie, re"duile au de'sespoir, tanfa io foudre sur eux, eite

bnio leur lenles, dissipa li'ur armee Depuis ce jour Poe'sie-io-courtoise s'est

relirte entre Orteans et Blois, mais eite n'ose ptus se pre'senler en France, oti sa

rivale domine. . •

9) Ebend.: Messieurs, les choses dureront encore ainsi unc trentaine d'anne'es.

Mais lorsqu' une ge'ne'ralion nouvelle naitra, celle-ci fera de ta Grammaire le cas

qu'on en faisait au lemps de Henri d'Andlg. En allendant je vous d,lctare que laut

elere qui tle connait point les regles du tangage et qui n'g conforme point ses

discours, est un homme A conspuer. • ''..i••

182 XIX. Die Parteispaltung.

logischen Theorie Dominikaner Manches aus der Lehre des Scotus auf

nehmen und umgekehrt Franziskaner sich in einigen Ansichten an Thomas

anlehnen. Kurz gerade in der Logik erscheinen damals wohl Einige

als blosse Nachtreter einer stricten Partei-Observanz , aber viele Andere

. verfolgen ihre eigenen Wege, indem aus dem vorliegenden Materiale der

Eine diese und der Andere jene Quellen - Stellen zu seinem Stützpunkte

wählte , so dass hiedurch fast alle nur möglichen Schatlirungen , auch

mit Einschluss von Extremen, zu Tag traten. Erst am Ende des 15.

und im 16. Jahrhundert fanden es die Theologen bequemer, die ein

schlägige Litteratur nur in zwei Lager zu theilen, wobei dann Thomislen

und Scolisten sich wie Weifen und Ghibellinen gegenseilig in den

Haaren lagen.

Ueberhaupt ja ersehen wir auch, dass jenen Autoren des Mittelalters,

welche bisher in der Geschichte der Philosophie (sei es in grösseren Werken

oder in kleineren Compendien) stets regelmässig als weit hervorragende

besprochen wurden und werden, noch eine erkleckliche Anzahl Anderer

beizufügen ist, welchen man die Ebenbürligkeit schwerlich bestreiten

kann. D. h. in speculaliver Beziehung gelten mir überhaupt alle Schrift

steller des Mittelalters als werthlos; aber in demjenigen, was sie einmal

als Schriftsteller zu Tage gefördert haben, finde ich es nicht gerecht

ferligt, wenn man mit so ungleichem Maassstabe misst, dass man gegen

über einigen tradilionell gebliebenen Hauptfiguren über Andere gänzlich

mit Slillschweigen hinweggeht oder sie höchstens mit etlichen schablonen

arligen Bemerkungen abferligt.

Die reiche Fülle verschiedener Meinungen, welche aus dem aufge

speicherten Materiale hervorwuchsen, beruhte nun ursprünglich nicht in

einem Streite über die Universalien, sondern wurde vorerst durch theo

logische Bedenken hervorgerufen , welche in Bezug auf ein paar ander

weilige Lehren des von Albert und Thomas vertretenen arabischen Aristotelismus

auftauchten. Den ersten Anstoss nemlich gaben, wie sich zeigen

wird, die Fragen über das principium individualionis und über nnilas

formae oder beziehungsweise pluralilas formarvm, wobei, je nach

dem man diese Fragen beantwortete, die Orthodoxie gefährdet zu

sein schien.

Aber eben mittelbar hingen diese Gesichtspunkte mit der Auffassung

der sog. „Universalien in re" zusammen, und so wurde wohl auch der

Universalien-Streit in Mitleidenschaft gezogen. Aber dieser letztere tritt

nun in ganz anderer Weise auf als im 12. Jahrhunderte. Denn jene

arabische von Albert und Thomas acceplirte Theorie, dass die Universalien

zugleich ante rem und in re und posl rem seien, war doch gar zu be

quem, um nicht von Allen zugegeben zu werden. Keiner verneint, dass

. die allgemeinen Ideen der Dinge ursprünglich im göttlichen Schöpfer be

gründet sind , Keiner verneint, dass sie in der erscheinenden Welt in

' das Einzeln-Sein hinaustreten , und Keiner verneint , dass sie aus diesem

Gebiete des Singulären wieder vom menschlichen Denken erfasst werden.

Ein Streit ist nur darüber möglich , was Gegenstand der Logik sei, ob

sämmtliche drei Universalien, oder ob zwei derselben, oder ob nur Eines;

und je nachdem diese Frage entschieden ist , kann dann noch darüber

gestritten werden, wie die Universalität mit der Singularität sowohl in

XIX. Die Parteispaltung. : 183

den objecliven Dingen ajs auch in der subjecliven Denk -Werkstätte zu

vereinbaren sei.

Zur Erörterung aber der hierüber entstehenden Controversen war

man auf Auctoritäts-Stellen des vorhandenen Materiales angewiesen. Und

da musste der Platonismus den Kürzeren ziehen; denn den Plato kannte

man nur aus dem Timaeus (d. h. Chalcidius), aus Auguslinus und aus

einzelnen Stellen der Araber, indem die Originalschriften Plato's bekanntlichst

erst zur Zeit der Renaissance kund wurden. Darum gibt es vor der X

florenlinischen Academie der Mediceer keinen eigentlichen Platoniker.

Und der auguslinisch-kirchliche Platonismus tritt im 14. Jahrh. nur ent

weder schüchtern (Heinrich von Göthals) oder roh polemisch (Franciscus

Mairon) oder in unklarem Selbstwiderspruche (Walter Burleigh) auf, wobei

wir zugleich das Schauspiel haben, dass auch solche platonisch Gesinnte

sich dennoch der übermächligen Auctorität der aristotelischen Logik nicht

entwinden können.

Hingegen eben ein reiches Material lag in den Schriften des Aristo

teles und der Araber, sowie Einzelnes in der byzanlinischen Logik vor.

Und sowie im 12. Jahrh. jede der verschiedenen Parteien sich auf irgend

eine vereinzelte Stelle des Boethius gestützt hatte, so waren es nun, wie fc

sich von selbst versteht, vor Allem einzelne Stellen aus Aristoteles, an

welche man anknüpfte, wobei ja jetzt auch die Metaphysik, De anima,

die Physik und die Ethik zu Gebot standen. Sowie aber von einem

wirklichen Verständnisse der Gesammt-Philosophie des Aristoteles in jener

Zeit natürlich keine Rede sein kann, so sind es nur die wechselnden

Bilder eines halbverdauten Aristotelismus , welche aus herausgerissenen t

Stellen formulirt uns als Partei-Ansichten begegnen. Was man in solcher '

zerbröckelter Weise sich aus den genannten Schriften des Aristoteles

(— um selbst vom Organon abzusehen —) herauslas, war bald ein Dua

lismus zwischen Idealität und Empirie (s. Abschn. IV, Anm. 16, 25, 76),

bald ein Psychologismus (ebend. Anm. 54, 56—61), bald ein Empirismus

(ebd. Anm. 50, 52), bald ein Sensualismus (ebd. Anm. 62, 69 f.), bald

ein Intellectualismus (ebd. Anm. 65, 86), welcher die in der Seele auf

tretenden Universalien (ebd. Anm. 64, 176) aus den bleibenden Sinnes-

Eindrücken (ebd. Anm. 63, 87) durch eine schaffende Thäligkeit zur

Verwirklichung bringt (ebd. Anm. 68, 85, 97) und so durch Erkenntniss

des Singulären (ebd. Anm. 82) in dem uns Kenntlicheren das Ideelle

erfasst (ebd. Anm. 74), bald hinwiederum die species intelligibilis (ebd.

Anm. 63), bald die für das Denken entscheidende Funclion der mensch

lichen Sprache (ebd. Anm. 23, 101, 109—113) oder die Modalität der

Bezeichnung (ebd. Anm. 147), bald auch das principium identitatis (ebd.

Anm. 163 ff., 171, 178). Hiezu aber kam aus der arabischen Litteratur

der schon bei Albert und Thomas recipirte Begriff der intentio secunda

in allen möglichen Wendungen und Avicenna's Bemerkungen zum Porphyrius.

Und die byzanlinische Logik spendete als einflussreiche Beisteuer

ihren Begriff des terminus nebst all seinem Zubehör.

So kam es bei jedem einzelnen Autor jener Periode nur darauf an,

welche und wie viele der erwähnten Ingredienzien und in wie starker

Dosis er dieselben mischte (Duns Scotus ist hierin wohl der umfassendste);

seine Parteistellung wurde hiedurch erzeugt. Und in solcher Art erwuchs

184 XIX. Die Parteispaltung. Stephan Tempier.

jenes bunte Vielerlei von Ansichten , welches ich nun in »einer wech

selnden Gestaltung einzeln darzustellen hahe. Jene Momente aber, welche

bei Aristoteles selbst das schwerer Wiegende waren, bedingten zuletzt

durch ihre eigene Wucht auch das Zünglein der Wage im geschicht

lichen Verlaufe.

Paris urid Oxford waren die hervorragendsten örtlichen Sitze der

logischen Litteratur, und dort auch wurden die ersten Fäden gesponnen,

c welche, wenn auch ursprünglich rein theologischen Inhaltes, für die spätere

Parteistellung der Logiker maassgebend wirkten ; und zwar war es Paris,

in welchem man hauptsächlich die Frage über das principium individualionis

anregte, sowie andrerseits in Oxford die Controverse über unitas

formae überwiegend in den Vordergrund trat. i••'

Nemlich in Paris hatte der Bischof Stephan Tempier schon i. J.

1270 mehrere philosophische und theologische Sälze als irrthümliche be

zeichnet und wiederholte i. J. 1 276 diese Censur in sehr vermehrter Auf

lage 10). Diese oberhirtliche Fürsorge für das Seelenheil der Gläubigen

wurde uns jedoch nicht im Geringsten interessiren, wenn nicht Ein Punkt

in die Geschichte der Logik eingriffe; und zwar müssen wir zugestehen,

dass, wenn ""man einmal auf dem Standpunkte der Orthodoxie steht, hier

mit schärferem Denken, als bei Albert und seinem Nachtreter Thomas,

die Consequenzen des arabischen Aristolelismus crfasst werden. Tempier

nemlich Verneint zunächst kurzweg, dass (— Wie jene Beiden dem Avicenna

nachgebetet hatten —) der Grund der Individualisirung in der

Materie liege11); sodann aber führt ihn eine der Oealions-Theorie ent

nommene Wendung 12) zu der präcisen Formulirung seines Einwandes,

dass , wenn die Materie das principium individuationis wäre , sowohl

die Einzeln-Pe'rsönh'chkeit der Engel als auch die Individualität der Seele

preisgegeben werden müsste 13) , wohingegen ja bekanntlichst in diesen

beiden Beziehungen die Orthodoxie von immateriellen Individuen spricht.

Dass aber mit diesen Censuren, welche auch bei anderen Autoren jener

Zeit stets mit diesen nemlichen Worten angeführt werden14), wirklich

10) Gedruckt sind diese Censuren Tempier's fast in allen Ausgaben des Petrus

Lombardus (als Anhang zum IV. Buche), auch bei Joli. Chrgsost., de non cond. ecel.

Ed. Paris 1560, ferner in Ribl. Patr.Max. Vol. Ht, sodann bei Butacus, Hist. im.

Paris., Vol. III, p. 434 ff., zuletzl unter Vergleichung mehrerer Handschriften hei

Car. Du Flessis d'Argentre' , Coll. iudic. de nov. error. (Par. 1728. fol.), Vol. t, p.

175 ff. u. p. 188 ff. (Hiernach cilire ich).

11) p. 198, Nro. 1: Quod formae non recipiunt divisionem nisi secundum divisionem

maleriac (fast ebenso p. 183, Nro. 191). p. 198, Nro. 4: Quod individua

eiusdem speciei, ut Soerales el Pioto, differunt soio positione maleriae (ebenso

p. 180, Nro. 97). Vgl. Thomas, Abschn. XVII, Anm. 519, nnd Albert, ebend.

Anm. 388. i , | . ,

12) p. 180, Nro. 96: Quod deus non polest mulliplicare individua sub una

specie sine maleria (ebenso p. 190, Nro. 41). ,

13) p. 179, Nro. 81: Quod, quia inlelligenliae non habent maleriam, deus non

possel facere ptures eiusdem speciei (ebenso p. 192, Nro. 17). p. 188, Nro. 6:

»nini iln,s non passet facere ptures animas in numero. Arabische Meinungen , an

welchen man in dieser Beziehung Anstoss nehmen mussle, s. Abschn. XVI, Anm.

117 u. 134.

14) Z. B: ' Henr: Goethals, Quodlib. (ed. Vinet. 1613. fol.) II, 8, f. 55 v. Aegid.

Rom.', Quodlib. (ed. Bonon. 1481. fol.) H, 7.

XIX. Stephan Tempier. Robert Kilwardby. 185

Thomas gemeint sei, indem Tempier nur eine volle Consequenz desselben

aufdeckt, steht sowohl an sich für jeden Kenner dieser Litteratur als

auch durch beslimmte gleichzeilige Zeugnisse fest 15). Jener zweite controverse

Punkt, nemlich die Frage über nnitas formae , erscheint

bei Tempier noch nicht vollständig foramlirt, sondern erst nur im

Keime »«).

Hingegen in Oxford treffen wir in eben: dieser letzteren Beziehung

eine ganz entschiedene Parteistellung. Dort war in jenem nemlichen

Jahre 1276 der Erzbischof von Canterbury Robert Kilwardby (gest.

1279) mit einer Censur mehrerer Lehrsätze aufgetreten 17), wobei unter

Anderem die Annahme, dass die Form eine einheitliche sei, an dem

üblichen Beispiele von homo oder humanitas mit klaren und einschnei

denden Worten als eine irrthümliche bezeichnet wird18). Dass aber auch

hei diesem Verdammungs-Urtheile nicht logische, sondern nur theologische

Molive (betreffs des Körpers Chrisli und der Heiligen) obwalteten, ist

uns ausdrücklich bezeugt19); ja, was das logische Moliv der Universalien

betrifft, müssen wir gleich bei diesen ersten Regungen einer Partei-

Polemik entschieden darauf hinweisen , dass auch Kilwardby mit der

15) Der nach den so eben angeführten Worlen „dc»s non flosset facere ptures

eiusdem speciei" in den Druckausgaben erscheinende Zusatz „<l quod maleria non

est in angelis; contra fratrem Thomam" fehlt allerdings in den von D'Argentre benfllzten

Handschriften. Aber in der Sache ändert diess Nichts. Denn schon Gatt

fried von Fontaines, der Zeitgenosse und Mitkämpfer jener Controversen (s. unten

Anm. 58 ff.), war sich dessen genau bewusst, dass jenes Pariser Verdammnngs-

Urtheit hierin gegen Thomas gerichlet war. Derselbe sagt nemlich in einer von

D'Argentre, p. 215 A, aus Handschriflen mltgetheitlen Stelle: Isli aulem arliculi

sunt eliam in detrimentum non modicum doctrinae studenlibus perulilis recen- '

lissimi et excellenlissimi doctoris, sciticet fratris Thomae, quae ex praediclis arliculis

minus iusle aliqualiter diffamatur. Hiezu das ausdrückliche Zeugniss des Duns

Scatus, unlen Anm. 124. Was über diese Angelegenheit die modernen Anbeler des

„heitigen" Thomas denken, ist gleichgüllig, und die Unkritik, welche durch

Werner's Werk (Abschn. XVII, Anm. 481) sich hindurchzieht, bleibt erfolglos.

16) D'Argentre' a. a. O. p. 180, Nr. 104: Quod humanitas non est forma rei,

sed ralionis (ebenso p. 196, Nro. 2); und p. 196, Nro. 5: Quod homo est homo

praeler animam ralionalem.

17) Gedruckt in Hist, et anliqu. univ. Oxoniensis (Oxf. 1674, fol.), Vol. t, p.

125 f., und hierauf gleichfalls bei D'Argentre'.

18) D'Argentm, p. 186, Nro. 12: Quod vegdaliva, sensiliva et intellectira sunt

una forma simpliciter. Vgl. Thomas Abschn. XVII, Anm. 521.

19) Aus einem Schreiben des Johannes Peccam (s. über ihn unlen Anm. 25)

theitt Wood in Hist. et ant. im. Oxon., I, p. 130, Folgendes mlt: Unum vero Merum

expresse nolavimus arlicutum quorundam dicenlium, in homine esse tantummodo

formam unam, quod ex ipso sequitur, ut putamus, nec Corpus Chrisli fuisse

unum numero vivum et mortuum, nec aliqua sanctorum corpora tola vel secundum

parles aliquas in orbe existere vel in urbe, quoniam sine substanlialis formae

unitale nulta polest numeraliler substanlia esse una. Ebenso berichtet etwas späler

auch Oceam, Dialog, (ed. Lugdun. 1494, fol.), Pars I, Lib. II, c. 24, f. XIV r. B:

Saepe audni a mullis Anglicis et Britonibus enarrare, quod de opinione Thomae de

unitale formae, quando conctusiones, quac ex ipsa sequuntur, explicabantur, scandatum

fuil in Anglia prope infinitum Quod corpus Chrisli non fuit idem numero

vivum et mortuum, et quod corpus Chrisli, quod iacuil in sepulero, in ipso triduo

nunquam fuit corpus Chrisli, dum viveret ; quod corpus et reliquiae, quae a fidelibus

pro corporibus sanctorum venerantur, nunquam fuerunt corpora, quia caro

mortua nunquam fuit viva.- ' '

186 XIX. Robert Kilwardby.

allgemein recipirten arabisch-aristotelischen Auffassung einverstanden war,

wornach die Universalien auf Grund vorausgegangener Sinneswahrnehmung

erst in der denkenden Seele entstehen20).

Aber neben jenem Einen folgenreichen Punkte erstreckte Kilwardby

seine Krilik auch auf das eigentliche Gebiet der Logik, und zwar sind

es merkwürdiger Weise mehrere der byzanlinischen Logik angehörende

Sätze, welche er als irrthümliche verurtheilt, so dass wir hier neuerdings

einen Beleg dafür finden, dass im 13. Jahrh. sich sehr Viele und sehr

einlässlich mit diesem Zweige der Logik beschäfligt haben müssen. Nemlich

neben zwei selbstverständlichen logischen Ketzereien werden hier

neun einzelne herausgerissene Sätze verdammt, welche theils die suppositio

und dislributio, theils die ampliatio, theils die reslrielio, ja sogar

bereits die consequenlia betreffen 2 1).

Es gehört jedoch Kilwardby überhaupt zu den fruchtbarsten logi

schen Schriftstellern seiner Zeit, und nur durch eigenthümliche Verhält

nisse kann es gekommen sein, dass man am Ende des 15. Jahrb., wo

doch eine überreiche Litteratur der Logik gedruckt wurde, diesen Autor

völlig bei Seite setzte. Wahrscheinlich ignorirten ihn die Thomisten ab

sichtlich, während er bei den Franziskanern durch Duns Scotus und

20) Aus Kitwardby's ungedruckter Schrift De ortu scientiarum theitt Haureau,

De ln Phitos. scol. II, p. 244 nach einer Pariser Handschrift eine längere Stelle

mit, in welcher wir lesen : Omnis doctrina et disciplina intellectiva ex praecxistenli

fit cognilione, seitleet sensitiva Haurit igitur anima ralionalis a rebus extra

scienliam per sensum, . . . . per quoddam hnustorium, quo deferuntur species sensibites

ab extra usque ad animam ralionalem, in qua fit universale, quod est principium

scienliae. S. bei Thomas, Abschn. XVII, 493 ff.

21) D'Argentrt a. a. O. p. 185: De erroribus in logica. 1. Quod contraria

possunt simul esse vera in uliqua maleria. 2. Quod sgllogismus peccans in malenu

non est sgllogismus. 3. Quod non est supposilio in proposilione magis pro supposito,

quam pro significato (d. h. eine Gleichstellung des suppositum und des significatum

versliesse gegen die ersten Grundiogen der Supposilion, s. bei Petrus Hisp.

Abschn. XVII, Anm. 201, u. bei Shyrcswood ebend. Anm. 59 f.). 4. Et ideo idem

est dicere „cuiustibel hominis asinus currit" et „asinus cuiustibel hominis currit"

(diess wäre eine Cousequenz einer solchen falschen Gleicbsteltung, weit im ersteren

Satze das Gewicht auf dem suppositum, und in letzlerem auf dem significatum läge).

5. Ilem quod animal (so in Hist. un. Oxon., D'ArgentnI gibt nach Einer Handschrift

omnis Isic] animal) est omnis homo (s. das Sophisma bei Petrus Hispunus ebend.

Anm. 240). 6. Quod signum non distribuit subicctum in comparalione ad praedii-

alum (diess rersliesse gegen die bei Petrus Hisp. ebend. Anm. 240 gegebene

Dislinclion). 7. Quod veritas de necessitale praedicali tamen est existenlia subiecli

(so richliger in Htst. un, Oxon., als bei D'Argentre ; inhaltlich konnle dieser Satz

an die amplialio des Pelr. Hisp., ebd. Anm. 225, angeknüpft werden, zumal da

schon Shyreswood die necessitas in einer Weise besprochen hatte, — s. ebend.

Anm. 80 — , welche uns bei Späteren wieder begegnen wird, s. folg. Abschn.,

Anm. 382). 8. Quod non est ponere demonstralionem sine rebus entibus (diess be

zieht sich auf die Lehre betreffs der restriclio, s. Abschn. XVII, Anm. 236). 9. Quod

omnis proposilio de luturo vera est eliam necessaria (wir trafen diese Controverse

bezüglich der amplialio, — ebd. Anm. 226 —, schon bei Robert Caplto , s. ebd.

Anm. 357). 10. Quod lerminus cum verbo de praesenli distribuitur pro omnibus

differenliis lemporum (wie bei Albertus Magnus, ebd. Anm. 470, so weist auch hier

dieser streilige Punkt mehr auf Shyreswood, ebd. Anm. 64, als auf Petrus Hispanus

zurück). 1 1 . Quod ex negaliva de praedicato finito sequitur affirmaliva de praedicalo

in/inito sine constanlia subiecli (dass dieses die Lehre von der consequentia betrifft,

ist ersichtlich; s. Abschn. XVII, Anm. 610 ff., bes. 621 ff.).

; XIX. Robert Kilwardby. 187

Occam verdunkelt war. Ausser Commentaren zu den naturphilosophischen

Büchern und zur Metaphysik des Aristoteles verfasste er gegen zwanzig

Schriften, welche sich auf Logik beziehen und das ganze Organon um

fassen; aber all Dieses ist nur noch in Handschriften vorhanden22). Er

zeigt sich uns dabei als einen höchst einlässlich breiten und scrupulöscn

Comuientator, welcher Wort für Wort dem aristotelischen Texte folgt, un

aufhörlich auf den Faden des Zusammenhanges hinweist, jede Zeile zu

klarstem Verständnisse zu bringen sucht, und hiehci nach Art der Araber

immer Schwierigkeiten erhebt, nur um dieselben zu widerlegen und so

einer vollständigen Erklärung zu dienen 23).

22) Nach Que'lif, Seriptt. ord. Praedic. I, p. 374, und Baioeus, Seriptt. M. Mai.

Brit. IV, c. 46, schrieb er: In Isagogen Porphgrii, De rebus praedicabitibus, In Praedicamenta

Aristolelis, De divisione enlis, De unitale formarum, De ,vtali,'is, De

natura retalionis, De reioliunis praedicamento, In sex principia Gitberli, Perihermenias,

In Priora et Posteriora Analglica, In Topica Arist., In Etenchos, In divisiones

Boethii, De modo significandi, Quaesliones dialeclicae, Sophistria grammalicalis, Sophistria

logicalis. Die beiden letzteren Schriflen jedoch scheinen mir etwas ver

dächlig zu sein, da Solches unler solchem Tilel schwerlich vor Duns Scolus verfasst

wurde.

23) Wenn nemlich Haun!au a. a. O. p. 246 von ihm sagt: „Si nous n'avions

pns ne'glige' les mgsteres de Baroco et de Baraliplon, pour cireonserire nos recherehes

dans io limile des queslions recommande'es par Porphgrius, nous aurions d faire connaitre

ici les inge'nieuses explicalions donnifes par Robert Kittvardbg sur les formes

vnrie'es du sgllogisme ; nous diront simplement que ce ful im des ptus habites logiciens

du XIII. siecle1', so mnss ich nach genauer Einsichtnahme des von Haurtau

erwähnlen Codex Sorbonn. 1791 allerdings mir eriouben, dieses Urtheit etwas ein

zuschränken. Denn dass Kitwardby un habite logicien war, gebe ich gerne zu;

aber ingcnicusrs siad seine Erklärungen der Syllogislik wahrlich nicht, indem er

auch dort nur mit ängstlichem Fleisse bemüht ist, sämmtliche Schlnssweisen einem

eifrigen, wenn auch stupiden, Schüler verständlich zu machon. Ich könnle aus

genannter Handschrift z. B. berichten, wie er in der Einleitung zur erslen Analylik

mehrere Seiten den Discussionen widmet, inwieferne die Logik modum inquirendi

lehre (s. Albert und Thomas, Abschn. XVII, Anm. 363 u. 489), und hierin des

Bocthius invrnlio et iudicium (Abschn. XII, Anm. 76) liege, aber dabei das Verhältniss

zu den übrigen Wissenschaften zweifelbaft sei, ob ferner, wenn die Logik

das allen Gemeinsame enthält und so modum sciendi und zugleich scieniiam lehrt,

ihr nicht abermals zu ihrer Reclificirung eine Wissenschaft vorausgehen müsse, oder

wie sie sich zur Metaphysik, welche gleichfalls Gemeinsames lehrt, verhalle, u. s. f.

Nur zur Probe aber witl ich eine beliebige Slelle aus der Syllogislik (in welcher

er nirgends die byzanlinischen Knnstworte oder Memorialverse anwendet) über die

zweite Schtussfigur anführen: Dubitatur de hoc, quod dicit, secundam figuram esse,

quando medium de utroque extremo dicitur omni vel nullo ; hoc enim non videtur,

cum nunquam sit sgllogismus ex negalivis. Dubitatur de his, quae contrarie dicit

in littera (bekanntlich heisst „litlera" immer der zu erklärende Text); medium enim

esse, per quod unum extremum distat ab alio; sed per id, quod praedicatur de

utroqtle extrem», non distat unum ab allere ; ergo id quod praedicatur de utroque,

non erit ipsorum medium, cuius oppositum dicil in litlera. Adhuc medium est, quod

aequaliler distat ab utroque extremorum; ergo extrema aequaliler distant a medio;

ergo unum extremum non est propinquius medio, cuius oppositum dicit. Adhuc me

dium, cum sit id, per quod extremum distat ab extremo, est intcr extrema; ergo

non est primum in positione, euius tamen oppositum dicit. Haec omnia sotuta sunt

aequivocalione medii; obiecta enim procedunt accipiendo medium proprie, quod est

medium in conlinuis ; ita enim est intcr extrema secundum posilionem et aeque distans

ab eis; hie aulem accipitur medium metaphgsice pro eo, quod est medium uniendi

intellectus extremorum. Et nolandum, quod medium sgllogislicum aliquando est utroque

modo medium, et tale medium est in prima figura; aliquando aulem sicul

188 XIX. Robert Kilwardby. Johannes Peccam.

Der geschichtliche Faden aber der sich Steigernden Controversen-

Litteratur knüpft nicht an die Commentare Kilwardby's, sondern an jenes

Verdict an, welches er gegen die unitas formae gefällt hatte. Und jeden

falls stand er hierin nicht allein, sondern es hatte schon i. J. 1278 eine

geschlossene Fraclion den Kampf gegen Thomas nach dieser Seite hin

aufgenommen. Wenigstens berichtet in jenem Jahre ein Vertheidiger des

Thomas, Aegidius von Lessines (s. unten Anm. 52 ff.), dass seine Gegner

die unüas formae nur als die addilive Einheit einer Zusammensetzung

(„aggregatum") verstehen wollen. Diese Ansicht nemlich, welche eben

sosehr als jene des Thomas .auf Avicenna beruhte , stützte sich darauf,

dass sowohl im Körper als auch in der Seele die vielen einzelnen Glieder

und Bestandtheile eine, selhstständjge Wesensform an sich haben, und

somit im Menschen nur die letzte zusammenfassende (complexiva) Form

eine Verbindungs-Einheit herbeiführe, während, wenn man (wie Thomas)

in die intellectuelle Seele die ausschliesslich einzige Form des Menschen-

Wesens verlege , alle übrigen Einzeln-Formen der Bestandtheile erdrückt

und vernichtet werden müssten 24).

Hatte somit diese Polemik gegen Thomas einen Rückhalt an einer

compacteren, wenn auch vielleicht noch kleinen , Partei gewonnen , so ist

es erklärlich, dass Kilwardby's Nachfolger im. erzbischöflichen Stuhle,

Johannes Peccam, i. J. 1284 die Censuren seines Vorgängers in wenig

geänderter Form erneuerte25) und hiedurch jedenfalls verhinderte, dass

der Streit etwa eingeschlafen wäre. Uebrigens ist um der folgenden Ent

wicklung willen der Umstand sehr beachtenswerth , dass, während Kilin

aliis figuris sotum dicitur medium, quia est unilivum extremorum, unde in secunda

figura dicitur medium primum posilione, quia oblinet in sgllogismo situm el condilionem

eius, quod est primum in ordine praedicabiti ; maior vero extremitas dicitur

esse propinquius posilione medio, quia magis habet conditionem et situm medii in

ordine praedicabiti, subiicitur enim et praedicatur; minor vero extremitas dicitur esse

longius posita medio, quia privatur condilione medii in ordine praedicabiti, subiicitur

enim tantum. Palet igitur u. s. f. Solcher Art aber ist der ganze Commentar!

24) Aus einer Pariser Handschrift mitgetheitt bei Haurtnu a. a. O. p. 248:

Dicunt enim, quod homo unam habet formam, quae non est una simpliciler, sed ex

mullis composita, quarum ullima et complexiva lolius aggregali est inlellectus.

Sicut enim ex mullis di/finilis ad ini'icem naturaliler ordinalis una diffiniti est forma,

sie est in rebus compoiitis per naturam de formis constituenlibus eas. Et StCHl ex

parte corporis multa sunt membra proprias formas el propriam maleriam habentia,

quorum tmll,nn est allerum , tamen conslituunt unum corpus per ordinem et colligalionem

naturalem, quam habent ad invicem, sed non conslituunt unum corpus simpliciler:

sie ex parle animae multac sunt partes essentialiler differenles, quae tamen

per ordinem el colligalionem naturalem unam animam efficiunt, non tamen ita, quod

anima sit simplex Et ex formis rorporalibus iam memoralis et hac spirituali.

quae constal ex mullis, humanitas una resultat. Aliam unitalem formarum dicunt

non esse secundum phitosophiam quod posilio de unitale formarum sccundum

istum modum est veritale subnixa ...... Secundum vero alium modum, quando (Haure'au

gibt „quidem") dicitur ullima forma composili omnium aliarum acliones supplere

et in eius adventu omnes alias corrumpi, dicunt, quod nulio veritale fulta est. Dass

aber mich für diese unitas composili, welche in Wahrheit eine pturalitas ist, die

Quelle bei Avicenna vorliege, s. Abschn. XVI, Anm. 92.

25) Hist. naiv. Oxon. l, p. 129 f. Aus der byzanlinischen Logik erscheinpn

hier (in sehr fehlerhaflem Drucke) von obigen Sätzen (Anm. 21) nur die Nummern

3, 5, 6 u. 10. Der Thesis betreffs der unitas formae ist nur die Wendung ge

geben: Corpus vivum el mortuum est aequivoce dictum; vgl. Anm. 19.

.;,, ;iXlX. .Johannes Peccam, Wilhelm Lamari*. . .189

wardby noch dem Dominikaner-Orden • (— .Albertus und Thomas —r) ange

hörte, Peccam schon Franziskaner war 26). Wir werden nemlich sehen,

wie der Gegensatz dieser beiden Orden sich auch für die Logik principieller

ausbildet. S. An m. 221. ., . , :,ä, ,, ; -

An Peccam nun schliesst sich der Franziskaner Wilhelm Lamarre

an, welcher in eben jenem Jahre 1284 sein „Correctorium fralris Thomae"

(die Thomisten nannten es immer „Curruptorium") ausgehen liess. Diese

Schrift .selbst zwar .ist verloren, wir kennen jedoch ihren Inhalt hin

reichend genau aus den langen wörtlichen Anführungen in jenem „Defensorium",

welches fälschlich (•— s. unten Anm. 71 —),für ein Werk

des Aegidius Romanus gehalten wurde - "). Lamarre gab nicht bloss den

bisherigen Einwänden gegen Thomas eine präcisere und reichere Begrün

dung, sondern vermehrte dieselben auch um einen sehr wichligen Punkt.

Einen wahrlich komischen Eindruck bei seiner Polemik macht allerdings

die Art und Weise, wie er dogmalische Momente als ganz ebenbürlig

neben arabisch-aristotelischen Auctoritäten verwendet; aber es ist diess nur

die natürliche Folge der von Thomas angebahnten Verquickung. Was

das principium individuationis betrifft, so kehrt hier nicht bloss das

obige (Anm, 13) Moliv aus der Angelologie wieder28), sondern es wird

auch ausdrücklich die Gefahr hervorgehoben , welche der persönlichen

Unsterblichkeit durch .einen averroislischen Monopsychismus droht29). Be

züglich der unitas . formae, bei welcher Lamarre gleichfalls (vgl. Anm. 19)

an den Körper Chrisli und auch an die Transsubstanlialion denkt, formulirt

er jene so eben (Anm. 24) angeführte gegnerische Ansicht nur etwas

präciser dahin, dass in dem Beispiele von homo oder humanitas die

vegetalive und die sensilive und die intellectuelle Seele eine pluralilas

formarum begründen, 'bei welchen eine Gradabstufung der Vervollkomm

nung zur addiliven Einheit des „zusammengesetzten1' Wesens führe, und

auch er erinnert daran, dass, falls die intellectuelle Seele die alleinige

Wesens-Form wäre, beim Ausscheiden derselben das Sein des Körpers

,untergehen müsste ^?)i Neu aber und für den weiteren Verlauf der Par-

26) Ebend. p. 131. - , . . , ,

27) Unler den mehreren Drucken desselben citire ich nach „Defensorium seu

Correctorium fundamentarii doctoris domini Egidii Romani in Corruptorium librorum

Angelici doctons sancli Thomae a quodam emulo depraoalorum". Venet.

1516. fol. , , ; .

28) Ebend. f. 9 v. B: Quod impossibite est duos angelos esse eiusdem speciei

Dicimus, quod habent maleriam spiritualem, et tunc maleriae eorum dislinguuntur

non per divisionem quanlitulis, sed per mulliplicalionem numerabilitalis, sicut

cum unus puncfus fit duo puncta (über die Wo,lform „punctus — puncta'' .s. vor.

Abschn., Anm. 140). Das nemliche Thema f. 17 r. B u. f. 47 r. A.

29) Ebend. f. 54 v. B: Individualionem animae fieri per corpus, videtur esse

falsum, quia sequitur ex hoc, qund vel anima post separalionem a corpore

d{',:inul esse, vel sallem quod post marlem hominum erit unus intellectus tantum vel

anima, ..... quod eral errat- Averrois. i"

30) Ebend. f. 18 r. A: Haec positio de umtale, formae wbstantialis reprobatur

a magtstris prima, qusd ex ipsa sequuntur ptura contrariu fidei catholieae, secundo

quia contradicit phitosophiae, lertio quia repugnal saerae seripturae (B) Contra

fidem de corpore Chrisli mortuo Fides ponit, quod in saeramento altaris etc

Si soio anima intellectiva immediale essel perfectio maleriae primae, tunc in homine

non esset forma animalis nec mixti t'orma una et eadem nu,nero dalnl esse

190 XIX. Wilhelm Laniarre. Heinrich Goethals v. Gent.

teiung höchst beachtenswerth ist, dass er auch gegen jene übertriebene

Formulirung kämpft, mit welcher Thomas gesagt hatte, dass es kein Er

kennen des Singulären gebe (Abschn. XVII, Anm. 499). Nemlich neben

geschmacklosen theologischen Gründen bemerkt Lamarre ganz richlig, dass

dann auch keine singulären Urtheile möglich seien und Ober Einzelnes

Nichts syllogislisch erschlossen werden könne, ja überhaupt es unbegreif

lich bleibe, wie dann jenes „colligere" der Universalien (ebd., Anm. 494)

von Statten gehe 3 1)• Was aber die dreifache Geltung der Universalien

betrifft, so schliesst auch er sich unter ausdrücklicher Anführung des

Avicenna an die allgemein recipirte Auffassung an 32).

Indem aber auch Heinrich Goethals von Gent (geb. 1217, gest.

1293), welcher in der Sorbonne als Lehrer auftrat und bekanntlich den

Beinamen Doctor solemnis erhielt, sich selbst als einen Theilnehmer der

Pariser Censuren bekennt 33), so liegt hierin jedenfalls schon eine äussere

Anknüpfung an die so eben erwähnte Richtung; dass aber auch innere

Gründe uns veranlassen, ihn gerade hier zu erwähnen, wird die folgende

Darstellung seiner Ansichten von selbst /eigen. Bei dem Verluste seiner

„Logica", welchen wir beklagen, vielleicht aber auch verschmerzen können,

sind wir auf seine um d. J. 1278 verfassten Quodlibeta und auf die etwas

später geschriebene Summa quaestionum theologiae angewiesen34), und

wenn es den Versuch gelten soll, diesen so verschieden aufgefassten

Autor35), insoweit er die Geschichte der Logik berührt, in möglichster

corporale et spirituale (f. 18 v. A) Ponimus, formam animae inlellectivae prima

perficere maleriam suam spiritualem et medianle hac maleriam suam corporalem

Sunt duue, qun,' sunt incompletae, quae dant esse incompletum corpori humano, quod

perficitur et completur advenienle anima ralionali Vegetaliva, sensiliva el inlellecliva

sunt tres forn,ae, quae se haben! secundum esse completum el incompletum,

secundum polentiam et actum convenienles quoad essenlialem unitalem Pturalitus

ergo formarum nun est contra unitalem compositi essentialem, nisi fiiil tales, quae

um! se habent secundum esse incompletum et completum. f. 50 v. B : Bes, in qua est

mullitudo el gradus formarum, est una per formam ullimam. Hiezu f. 29 v. A: Si

,iialne,a hominis nnltum aliud habet esse, quam animae inlellectivae, matenu hominis

in instanti separalionis animae perdit omne esse, cuius contrarium videmus.

31) Ebend. f. 4 v. A: Secundum hoc animae separatae el angelt Christum non

cognoscerent Peccatum actio singutaris est, et de hoc, quod homo non

cognoscit, non poenilel nec se corrigit Si inlellectus non cognoscil singuioria,

l,mc non polerit facere proposilionem aliquam, in qua esset singuioris res, el ita nec

sgllogizare. Tunc non passet ex mullis singuioribus colligere unum universale; ex

incognilis enim non polest inlentionem cognoscibitem abstrahsre.

32) Ebend. f. 48 r. B. S. Abschn. XVI, Anm. 184. Vgl. vor. Anm. 20.

33} Henrici Goethals a Gandavo aurea Quodlibeta ed. Zuccolius, Venet. 1613.

fol., II, 9, f. 59 v. A: l'.rrnr est, substantiam sine operalione non esse in loco, ul

dicit unus articutus intcr damnulos nuper per sententiam episcopi (d. h. des Slephan

Tempier). f. 60 v. B : In hoc enim concordabant omnes magistri theologiae congregali

super hoc, quorum ego eram unus, unanimiler eoncedentes.

34) Erstere cilire ich nach der su eben genannlen Ausgabe , letztere nach :

Summa1' quaestionum ordinariarum theologi receplo praeconio Solemnis Henrici a

Gandavo. Paris 1520. fol. 2 Voll.

35) So lesen wir z. B. in dem sonst vortrefflichen Werke Haure'au's, H, p. 276 :

Duns-Scol vint reprendre, commenler Pune apres Pautre les the'ses du Docleur Solennet,

el tui emprunter ses principaux arguments contre le pMpate'lisme ontologique

de Saint Thomas (diese Auffassung hat K. Werner gedankenlos, wie immer, in sein

Buch über Thomas, l, p. 866, aufgenommen). Wohl weit richliger urtheitt ober

XIX. Heinrich Goethals v. Gent. 19t

Kürze zu charakterisiren , so dürfte nach meiner Ansicht das Richlige

vielleicht in Folgendem liegen. Der äusserst redselige Goethals, welcher

am Liebsten aus Auguslin, Bernhard v. Clairvaux, Hugo v. St. Victor n. dgl.

schöpft 36) , wäre nach seiner ganzen Anlage der ausgesprochenste Platoniker

gewesen (s. Abschn. XVII, Anm. 571 z. Anf.), wenn ihn nicht

hieran die allgewallige Auctorität des damaligen arabischen Aristotelismus

gehindert hätte. Und so gestaltet sich bei ihm einerseits der unklare

Mischmasch des Thomas zur lächerlichen Monstrosität, während er andrer

seits die erwähnten dogmalischen Bedenken, welche man gegen den Thomismus

erhob, theilte. Darum hatte ein scharfsinniger Kopf wie Duns Scotus

ebensosehr ein leichtes Spiel gegen ihn, als die Thomisten mit Vergnügen

ihn angriffen.

Indem Goethals aus Thomas das Verhältniss der Universalien zur

'Sinneswahrnehmung selbst mit Einschluss der sog. „reflexio" adoplirt37),

betont er schon bezüglich der Musterbilder, in welchen die Wahrheit der

Dinge liege, sehr stark den helfenden allgemeinen Einfluss der höchsten

Intelligenz , welcher auch bei dem blossen natürlichen Erkennen nicht

ausgeschlossen sei38), und da er sodann diese Musterbilder (im Unter

schiede gegen Thomas) ganz entschieden platonisch als selbstständige

Wesen fasst und dieselben so den künstlichen Gebilden der intentio

Goetbals CA. Jourdain, La phitos. de St. Thomas, II, p. 46: Bim qu'it soit toujours

eile avec honneur, el que son adversaire habituet, Duns Scot, respecle en tui, toul en

le combaUant, une des tumieres de tu schotastique, it est un peu rest,* dans Pisolement.

In der Monographie von Francois Huet (Reckerches Iiist. et erit. sur io vie,

les euvrages et ta doctrine de Henri de Gand. 1838) gebricht es in sehr fühlbarer

Weise an der nöthigen Kenntniss der damaligen Sachioge der phitosophischen

Controversen überhaupt.

36) Daher auch seine gänzliche Intoleranz gegen jedweden Betrieb einer Wissen

schaft, insoferne derselbe nicht der Theologie dient; z. B. S. thcot. VII, 10, f. LX r.:

De scientiis igitur phitosophicis pure specutulivis absotule dicendum, quod non licel

eas addiscere nisi in usum theologiae, nisi forle quis aliquam ittarum scienliarum

diseat, uf melior disponatur ad discendum quacdam alia, vetuli logicam.

37) Ebend. l, l, f. I v.: Homo aulem nihit pereipit de re nisi sotum idotum

eius, ut speciem receptam per sensus, quae idotum rei est, non ipsa res (bei Thomas

'hiess es phantasma, Abschn. XVII, Anm. 500). Ebend. XIII, 6, f. XC1V v.: Inlellectus

sub speciebus sensibitium investigando, quasi sublus fodiendo, penetral ad

cognosecndum ea, quae lulent intelligibilia sub speciebus sensit,itium. Ebend. XL,

2, f. CCLVII r.: Proprium obiectum intellectus ereali universale est, quod est ei ralio

cognoscendi omnia singuioria sub ipso. Quodlib. IV, 21, f. 201 r. A : Direcle ergo

el per se intellectus nosler non cognoscit nisi universale abstractum a siuguiori; indirecle

aulem el quasi quadam refiexione converlendo se ad phantasmata, in quibus

sunt formae sub ralione singuioris (die genaue, ja wörtliche Uebereinslimmung mit

Thomas s. ebd. Anm. 499).

38) S. theol. t, 2, f. IV v.: Homo per suam animam absque omni speciali divina

ittustralione polest aliqua scire aul cognoscere, et hoc ex puris naturalibus; dico

aulem „ex puris naturalibus" non exctudendo generalem influenliam primi intelligenlis,

quod est primum agens in omni actione inlellectuali el cogniliva In prima

cognilione intellectus nosler omnino sequitur sensum Ex parle aulem inlelligibitis

ralio est Quia igitur verum dicil inlentionem rei in respectu ad suum

exemptar, inlenlio veritalis in re apprehendi non polest nisi apprehendendo

conformitalem eius ad suum exemptar. Ebend. II, 2, f. XXIII v. : Adspieiendo ad

exemptar inereatum, quod est causa rei; cognilio enim, quae aequiritur per

phantasmata, non polest esse, quin sit obscurata. (Vgl. bei Thomas, Anm. 513.)

192 XIX. Heinrich Goethals v. Gent.

secunda gegenüberstellt39), so muss nun das Gebiet der letzteren, d. h.

die Universalien „post rem, in eine mirakulöse Verbindung mit der göttlidien

Region treten, indem das ,,0rgan" des Gottesbevvusstseins im Men

schen den Schlüssel zur Erkenntniss der wabren Wesenheiten enthält 40).

Ja die Erkenntniss der im ewigen Lichte liegenden Universalieu ist zu

letzt ein Gesrhenk der Gnade Gottes, welcher ganz nach Belieben sie dem

Einen verleiht und dem Anderen entzieht 4 1). Mit dieser auguslinischen

Weisheit könnten wir nun den Goethals füglich seinem Schicksale über

lassen , wenn nicht der Umstand hinzukäme , dass er trotzdem sagt , es

sei eigentlich doch das Gescheideste., wenii man den Plato und den Ari

stoteles miteinander verbinde42), was ihm .jedoch abermals .unmöglich

Ernst sein kann, da er anderwärts mehrmals die Ansicht Plato's jener

des Aristoteles principiell vorzieht43). Was Wunder, wenn den Ge

schichtschreiber der Philosophie bei solchen Autoren nur das Gefühl des

Ekels überkommt.

Wenn sodann Goethals sich der allgemein geltenden Tradilion be

treffs der mehrfachen Geltung der Universalien anschliesst, so lässt er

allerdings einmal gelegentlich durchblicken, dass ihm die praedicabilitas

derselben gerade nicht besonders am Herzen liege 44) ; und überhaupt ja

39) Quodlib. VII, l, f. 386 v. A : Sunt idcae principales quaedam formae vel

raliones aelernae , quae divina intelligentia conlinentur, sccundum quas formatur

nm,u'. quod oritur, et quarum participalione fit, ut sit, quidquid est, quomodo est

Eorum quae sunt in ereaturis, quaedam sunt res aliquaJnaturales, quaedam vero non

sunt res, sed tantum intentiones sccundae inlellectus sive ralionis circa res, ....formqe

artificiales tantum, quae per riolentiam habent esse (vgl. bei Thomas, Am». 506 u.

bes. 511) De islis ullimis generibus entium dico, quod non habent proprias

ideas in deo, sed sotum dico ideas rerum naturalium, cirea quas inlellectus concipit

inlenliones secundas. ,

40) S. tbeol. XXIV, 9, f. CXLVI r. : Deus ut tux est et veritas, prima (t ralio

cognqscendi alia in eo, quod per ipsum alia coguoscuntur et discernuntur. Ebend.

l, f. CXXXVII v.: Debet igitur homo habere in se organum, per quod polest in specuiolionem

essentiae et quidditalis dei per intellectualem operalionem procedere.

41) Ebend. I, 2, f, VII v.: Homo ex puris naturalibus Mingere non polest ad

rsguios tucis aelernae, ut in eis videat rerum sinceram veritalem; (icet enim pura

,1.1 i n ml , ti allingaut ad ipsas, non tamen ipsa naturalia ex se agere possunt, ut

allingant itios; sed itios deus offert, quibus vult, et quibus r all, subtrahit. Hiezu

,juddt. IX, 15, f. 111, wo er sich fast wörtlich wie Albert (Abschn. XVII, A,nu.

396) äussert.

42) S. theol. t, 4, f. XII v.: Modus Aristolelis, si non sensit id, quod dixit

Piolo, erat diminutus, quia nimium altribuebat, immo lotum, causis parlicuioribus

Modus Piotonis, si non sensit, quod Aristoleles, simitiler eral diminutu», quia nimis

parum altribuebal causis parttcuioribus Dictum ergo utriusque, et Aristolelis et

Piotonis, coniungendum est in omnibus et in istis generalionibus istarum formarum.

Vgl. bei Thomas, ebd. Anm. 515.

43) Ebend. XXV, 3, f. CL1V v.: f'fafo multo melius senliebat et fidei magis congruentia,

quam Aristoleles Piolo verius, quam Aristoleles senliebal. Quodlib.

IX, 15, f. 111 v.: Ml,il omnino conctudunt raliones Aristolelis contra Piolonem, ut

palet inspicieuli eas. Ebenso, jedoch mlt jener Mental-Reservalion des Thomas (a. a. O.),

lesen wir S. theot. I, 2, f. VII v. : Istc ergo est verior modus aequirendi scientiam et

noliliam veritulis, quam itle, quem posuit Aristoleles ex sofa sensuum experienlia,

si tamen sie intellexit Aristoleles et in idem cum Piotane non consensit, immo, quod

verius ereditur, ctsi Ptaloni in modo dicendi obviavit occultando divinam doctrinam

magistri sui, eandem tamen cum Piotone de nolilia veritalis habuit sentenliam.

44) S. theol. l, 3, f. X v.: Est considerare tres veritales sibi correspondentes;

XIX. . Heinrich Goethals v. Gent 193

waren bei ihm, wie gesagt, die Universalien posl rem in eine so glück

liche myslische Nähe an die Universalien ante rem hinangerückt worden,

dass es ihm zuletzt sogar gleichgüllig ist, ob jene „Wesenheiten", welche

die Gattungsbegriffe sind, in der menschlichen Seele schon angeboren liegen

oder erst durch Erfahrung „gesammelt" werden 45).

Hingegen sind es die Universalien in re, an welche sich seine anlithomislischen

Ansichten knüpfen. Nemlich indem es sich hiebei um die

existentia im Gegensatze gegen die essentia, welche in den Universalien

ante rem liegt, handelt46), muss die Materialität in Betracht kommen,

welche jedoch Goethals durchaus nicht als ein bloss potenzielles Sein an

erkennen will ; sondern er hält daran fest, dass die von Gott erschaffene

Materie als selbstständiges Wesen zunächst das absolute Substrat aller

Entwicklung sei, hernach aber erst als formungsfähig in das Stadium der

Potenzialität trete, um hierauf nach Actualisirung der Form als Stütze

des Ganzen zu verbleiben , so dass in jenem zweiten Stadium auch die

formgebenden Universalien gleichfalls in einem Mittel-Zustande der Poten

zialität und der Actualität sich befinden47). Sowie aber bei einem derveritalem

exemptaris divini, secundo veritalem rei productae ab illu, lertio

veritalem in conceptu mentis ab utraque expressam. Quodlib. VII, l, f. 388 r. B:

Sciendum, quod quidditas et essentia rei, licel sotum duplex esse habet, sc. vimim in

singuioribus extra intellectum, aliud in ipso inlellectu, quadruplicem tamen habet

consideralionem: unam , ut est in ipsis singuioribus extra; aliam , ut habet esse in

inlellectu ; aliam, ut abstrahitur a singuioribus et Herum applicabite est eisdem per

praedicalionem; quartam vero habet secundum se et absotule, quae secundum istam

consideralionem, ut dicit Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 93), non esl nisi id quod

est, ut „humanitas" non est nisj humanitas tantum, cui omnia alia accidunt. (Auch

Albert hatte ein vierfaches Sein der Universalien aufgezählt, während er von einem

dreifachen hatte reden wollen, s. Abschn. XVII, Anm. 395). S. theot. XLIIf, 2,

f. IX r.: Est sciendum, quod ralio universalis consistit non tam in modo praedicandi

idem de pturibus, quam in natura et proprietale praedicatae rei, quae debet esse

natura et esseulia aliqua Secundum ralionem triplieis esse consideratur, se.

esse quidditalivi et esse naturalis et esse ralionis. Et secundum primum esse praecedit

esse naturale et esse ralionis, sicut simplex compositum (also die objeclive

Wesenhelt hat den Vorgang vor der Erscheinung und vor dem Begriffe).

45) Quodlib. IV, 7, f. 148 r. A: Quorundam eral opinio (nemlich des Albert

und des Thomas, s. Abschn. XVII, Anm. 382 n. 500) de intellectu quocunque erealo,

quod ex se sotum in polenlia est ad actum intelligendi quaecunque , propler quod

oportet ipsum delerminari per aliquid ad ittud (B) Tale aulem delerminans, ut

dixit ilio opinio, non est nisi species intelligibitis informans intellectum et impressa

ipsi ut subiecto f. 150 r. B: Falsum esl ergo, quod dicit dicta opinio, quod

itio omnia non habent fieri in inlelligenle nisi per speciem impressivam. Immo sunt

per essenliam intelligibitis informanlem actum intelligendi et per hoc ipsum inlelli

genlem, ul est forma expressiva exemptaris (v. A) Habemus quasi reguioriler

infixam naturae humanae noliliam, secundum quam, quidquid tale aspicimus, stalim

hominem esse cognoscimus Secundum hanc nolitiam cognilio nostra informatur

et secundum species et secundum genera rerum, vel natura insita vel experienlia

collecta.

46) Ebend. V, 4, f. 234 v. A : Ea, quae alia sunt a deo, dupliciter possunt

considerari: uno modo quoad esse essentiae eorum, quod est esse eorum quidditalivum;

alio modo quoad esse exislenliae.

47) Ebend. t, 10, f. 13 r. A: Oportet exctudere falsam imaginalionem, quam

habent quidam (A. h. jedenfalls Aristoleliker, s. bei Albert ebend. Anm. 388) de

maleria, videlicet quod nihit sit nisi polentia quaedam et ita, quantum de se est,

non est (v. A) Malaria non ita est prope nihit nec ita in polentia, quin sit

I'tUNTL, Gesch. III. 13

194 XIX. Heinrich Goethals v. Gent.

arligen Realismus das principium individualionis überhaupt nicht in die

Materie verlegt werden kann, so schliesst auch Goethals sich jenen obigen

theologischen Bedenken gegen Thomas (Anm. 13 u. 28) an, durchschneidet

aber die Schwierigkeit in ebenso überraschender als kindlicher Weise,

indem er (wie Roger Raco, s. Abschn. XVII, Anm. 581) kurzweg den

lieben Gott für die Individualion verantwortlich macht und somit sich

auch dabei beruhigt, dass der liebe Gott schon wissen werde, wie das

Ding wohl zugehe48).

Eine adäquate Erledigung findet auch die Frage über unilas formae,

an welche er einmal ausführlich den aristotelischen Standpunkt als Maass

stab anzulegen versucht49). Aber wo er sie zu lösen unternimmt, kömmt

er unter Erwähnung der verschiedenen Ansichten und Hinweisung auf

die theologischen Momente zu dem Resultate , dass . da eine Unterschei

dung mehrerer Wesensformen in Einem Wesen immer nur auf einer be

grifflichen oder einer reellen Verschiedenheit beruhen könne, im Menschen

jedenfalls zwei Formen, eine natürliche und eine übernatürliche, anzualiqua

natura et sukstanlia, nec habet esse stmm, quo est quid capax formarum,

a forma, sed a deo (so anch schon Thomas, ebd. Anm. 517) f. 14 r. A: Est

•u!itur in maleria considerare triplex esse, sc. esse simpliciler, el esse aliquid duplex,

m,nM. qu,, est formarum quaedam capacitas, aliud, quo est composili fuleimentum.

Esse primum tmbel parlieipalione quadam a deo Asse secuadum, quo n,aleria

est capacitas quaedam, habet a sua natura, qua est id, quod est differens a

forma Esse lertium non habet maleria nisi per hoc, quod iam eapit in se ittud,

cuius de se capax est. Ehend. IV, 14, f. 174 v. A: Maleria dicitur subiectum secundum

triplicem statum. Uno priusquam actu transmutatur ad formam, el dicitur subiectum

absotule. Alio, inquantum iam actu transmutatur ad foemam, et i nuc dicitur, quod

est subiectum generalionis et ens in polenlia medium intcr non ens purum et enssimpliciler

Terlio modo, inquantum actu est sub forma, et tunc habet in actu

esse itlius formae f. 175 r. B.: Matcria id, quod est, in polenlia est, et singuiore

compositum id, quod est, in actu est; universale aulem quasi medium quodammodo

est aliquid in actu, quia est fornia, et quodammodo in polentia, quia est

incompleta; et ideo debet maleria educi de polentia in actum procedendo a formis

universalibus ad singuiores.

48) S. theol. XXV, 3, f. CLV r. : Necesse esse accidentibus dividi non polest ;

per malerias eliam dividi non polest, quia necesse esse non polest kahere maleriam,

quia maleria est in polentia Proprietalem enim esse atlerius, non removet, eam

esse proprietalem huius, puta, si ponantur duo angels eiusdem esse speciei sine

omni maleria el accidentibus, quibus distinguantur. Quodlib. II, 8, f. 54 T. A.:

!Innoiin ista (d. h. über die zwei Engel) tangit difficultatem de causa individualionis

(vgl. ob. Anm. 14) f. 56 r. A: Sancti nostri, qui vere sciunt, eas esse

ereaturas, sentiunt, hoc in eis factum esse a deo, qui est natura naturans omnia,

quia sciticet sunt multa individua in qualibel specie Palel igitur ciorissime,

quod maleria et quantitas non possunt dici praecisa ralio et causa individualionis

f. 56v.B: Solum quod inercatum est, id est deus; omne enim ercatum ab eo, qui

ereavit, i. e. deo, lerminatur. Sed quales secundum substantiam sint differentes,

nescimus; sotus aulem deus, qui fecit eos, novit. Die nemliche Frage ebend. XI, l,

f. 180 ff. Was hingegen die Individualisirung der Species betrifft, so äussert sich

Goethals ebend. V, 8, f. 244 ff. mlt Berufung auf Gilbert (Abschn. XIV, Anm. 479)

ganz übereinslimmend mit Thomas, s. Abschn. XVII, Anm. 520.

49) Quodlib. IX, 14, f. 108 ff. Er kommt dort unter Beiziehung vieler Slellen

des Aristoleles zu dem Resultale, dass aus demselben streng genommen weder die

unitas formae noch die pturalitas formarum erwiesen werden könne, d. h. er spricht

die Incommensurabitltät aus, welche zwischen dem Aristolelismus und den dama

ligen theologischen Bekümmernissen besteht.

XIX. Heinrich Goethals v. Gent. Aegidius v. Lessines. 195

nehmen seien80). Freilich konnten wir schon aus seinen Erklärungen

über die Materie entnehmen, dass er zu jenen gewöhnlichen christlichen

Dualisten gehöre , welche das Sein so scharf als möglich in zwei Theile

zerreissen , um die Kluft zuletzt durch ein göttliches Wunder zu über

brücken. In solcher Weise hat er ja auch betreffs der Erkenntniss des

Einzelnen, welche Lamaire schärfer ins Auge fasste (ob. Anm. 31), ledig

lich ein der Moraltheologie entnommenes Bedenken 51).

War somit im 8. und 9. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts der Thomismus

von verschiedenen Seiten her zum Gegenstande beslimmter immer

wiederkehrender Angriffe gemacht worden, so verhielten sich erklärlicher

Weise die Schüler und strengen Anhänger des Thomas nicht als ruhige

Zuschauer, sondern vertheidigten nach Kräften ihren Lehrer.

So suchte schon Aegidius von Lessines in einer i. J. 1278

verfassten Schrift „De unüate formae" 52) den Thomas gegen den Ver

dacht der AnOrthodoxie zu schützen58); in philosophischer Beziehung

aber wiederholt er dabei auf dem Standpunkte des thomislischen Aristo-

50) Ebend. III, 14, f. 108 r. A: In formis substanlialibus, quae sunt actus tantum

n ,m nali per se exislere nec agere separalim, nultum est inconveniens, quod ipsa

essentia earum est ipsa polenlia, qua compositum agit suam propriam et per se

aclionem debitam ei ralione formae substanlialis. Ebend. IV, 13, f. 162 v. B: Est

aulem positio ponentium gradus formarum in omnibus talis, sc. quod in qualilni re

naturali et individuali sunt ptures formae substanliales ordinem et colligantiam nati1 •

ralem ad invicem habenles et simul per suam substanliam exislenles in eodem, quarum

itio, quae est ullimo adveniem, compleliva est enlis itlius (s. ob. Anm. 24 u.

30) f. 164 v. A: tjuia aliquibus apparet, quod non sit alia ralio, quare in

eodem ptures formas secundum gradus ponere oporlebat, quam diversitas operalionum,

negant pturalitalem formarum de qualibet re f. 166 r. A: Quandoque in seriplis

aliquot um phitosophorum vel aliorum doctorum inveniatur gradus et ordo formarum

substanlialium in eadem re a solo agenle naturali producta in esse, semper debet

expani quoad diversas raliones intenlionum in inlelligendo vel quoad diversas virtules

ei principia agendi. Hierauf folgen f. 168 die obigen theologischen Einwände

betreffs des Körpers Chrisli und des Abendmahles (s. Anm. 19 u. 30), sodann aber

die Entscheidung f. 170 v. B: Dicmius igitur negando pturalitalem formarum re et

natura differentium in rebus naturalibus a solo unico agenle naturali preductarum,

quod necesse est ponere pturalitalem et gradum formarum in homine propler duplex

agens, unum naturale et allerum supernaturale Agens supernaturale producit de

nih.Ho formam, quae est anima, perficienlem hominem complelive in esse specifieo, ad

quam suscipiendam disponit materiam agens naturale. Hiezu ebend. 14, f. 181 v. B:

Homo secundum duas formas est tantum unum in actu.

51) Ebend. IV, 21, f. 201 r. A: Si inlellectus ralionalis singuioria non cognosceret,

nec votuntas ralionalis ad singutaria amorem kahere possei; vanum enim

esset praeceptum de diteclione proximi. Hierauf aber folgt die oben, Anm. 37, an

geführle Slelle, welche von Uebertreibungen des Thomismns absehend demselben

zuslimmt.

52) Die Wissenschaft verdankt eine nähere Kenntniss dieses Autors dem Fleisse

tiaure'au's, welcher (De io phit. scol. n, p. 247 ff.) aus einer Sorbonner Handschrift

Einiges mittheitt.

53) Ebend. p. 247: Quoniam in quaeslione de unitale formae in uno ente,

cirea quam doctores tam in theologia quam in phitosophia authentici et famosi diversimode

senliunt et diversa lenent ac tradunt, nonnulli eorum sie suam positionem conantur

adstrusre, ul reliquam damnent et reprobent ac eam asserant nec veritale

subnixam et non solum inopinabitem esse sed eliam haerelicam et contra fidem catholicam,

ideo sequens opus atlentauimus u. s. w.

13*

196 XIX. Aegid. v. Lessines. Bernh. v. Trilia. Gottfr. v. Fontaines.

telismus 54) nur in verstärkter Betheuerung die Ansicht seines Lehrers,

indem er an der Hand Avicenua's die Einheit der Wesensform, in welcher

das totale Sein des Dinges nach all seinen Theilen liegt, behauptet und

die Manigfalligkeit der verschiedenen wesenthchen Bestandtheile als eine

Lloss accidentelle den Momenten der Gestaltung und der äusseren Thäligkeit

zuweist 55).

Auch von Bernhard von Trilia (gest. 1292), welcher ongefähr

zur selben Zeit mit seinen „Quaestiones de cognitione animae" zur

Vertheidigung des Thomismus auftrat, können wir, soweit unsere Kunde

reicht, betreffs der logischen Streitpunkte nichts Anderes berichten , als

dass er die Universalien sowohl in objecliver Beziehung '''') als auch

hinsichtlich des subjecliven Erkennens ganz im Anschlusse an Thomas

besprach 5 7).

Wenn sodann der Sorbonnist Gottfried von Fontaines (oder

de Fontibus) jene Verdammungs - Urtheile , welche Tempier gegen ein

zelne Arlikel gerichtet hatte, missbilligte , da jene Dinge durchaus nicht

so spruchreif, sondern erst noch eines näheren Studiums bedürflig

seien58), so werden wir ihn schon darum den Anhängern des Thomas

54) Ebend. p. 250 : Dicimus cum Aristolele summa phitosoplio, omnes formas

maleriales produci de polenlia maleriat , quae naturaliler et per viam naturae

producuntur.

55) Ebend.: Primo sciendum, in unoquoque ente uno singutari unam lant um

esse formam substantialem, dantem esse subiecto et omnibus, quue subiecto (zu lesen

de subiecto) et quae in subiecto dicuntur anle adventum huius formae. Concedimus

et ponimus ita, quod lotum esse subiecli et omnium partium eius essenlialium sit

ab ipsa forma, quae dal esse ipsi subiecto speci/icum Corpus tale, quod est

subiectum animae, ralionem, qua est corpus huius animalis, habet a forma, quae est

anima; et ralionem, qua est phgsicum corpus huius animalis, simililer habet ab

anima; et ralionem, qua dicitur esse corpus phgsicum organicum huius animalis,

habet ab eadem anima (p. 251) Quia lotum esse individui est ipsum esse speciei,

ideo , quia ab anima inest huius esse speciei, per consequens ipsa erit esse tolum

quod est individuo; unöe dal esse et corpori et parlibus eiut et omnibus, quae di

cuntur esse in ipso individuo ltt ml esse, a quo denominantur parles ipsius

subiecli in quantum differunt in esse, v. g. quod caro dicitur earo et non os et

sie de singulis, non est aliud ab esse, quod haben! ab anima, nisi per accidens tantum,

inquantum istae parles considerantur distinctae per figuram animalis et per

officia diuma. Vgl. Abscbn. XVI, Anm. 93 u. 98.

56) Gleichfalls von Haunfau ans Handschriften veröffentlicht, ebeod. p. 255:

Alii .... posuerunt , omnes formas naturales esse tolaliler ab extrinse»o , et hoc vel

per parlicipalionem idearum , ut Pioto posuit , vel ex in/tuenlia inlelligentiae separatae

Sed neutra istarum opinionum videtur conveniens esse Ideo alii

mediam viam lenenles posuerunt, omnes formas naturales praecxislere in maleria in

polenlia, non in actu, et haec est posilio phitosophi el omn,um Peripalelicorum.

Vgl. Abschn. XVII, Anm. 508.

57) Ebend. p. 256: Cirea adquisitionem formarum inlelligibitium in anima

quidam posuerunt, originem humanae scientiae lntaliter ab inleriori esse, ponentes,

formas omnium rerum cognoscibitium inditas animae naturaliter ex sua erealione

Requiritur, quod animae ralionales non habeant polentiam intelleclivam naturaliter

per species inlellectuales a principio completam, sed compleatur in eis successive

accipiendo eas a rebus per artionem alicuius agi'ntis naturali, Intcitigere est

propria operalio et perfectio animae ralionalis. Vgl. ebd., Anm. 493.

58) Aus Sorbonner Handschriflen der Quodlibeta GottfHed's mltgetbeitt bei

D'Argentn! (s. ob. Anm. 10), l, p. 214: Cum altqua maleria est sie indelerminata

in certitudine veritalis, quod absque periculo fidei el morum licel cirea hoc dioersi

XIX. Gottfried v. Fontaines. 197

beizählen dürfen. Und es bestärkt uns hierin Dasjenige, was wir von

seinen um d. J. 1283 verfassten Quodlibeta wissen59), wenn auch in den

kirchlichen Fragen, durch welche damals die Pariser Universität in Be

wegung gesetzt war, die Stellung Gottfrieds als eines Lehrers an der

Sorbonne einen beslimmenden Einfluss ausüben musste. Für uns hier

ist ja nur die logische Parteistellung maassgebend. Vor Allem steht auch

Gottfried wie alle Uebrigen auf der arabischen Doctrin vom dreifachen

Sein der Universalien , und es hat dabei (im Hinblicke auf Albert und

Thomas) selbst nichts Auffallendes, wenn er die Universalien post rem

als ein „esse diminutum" bezeichnet60). Auch finden wir ihn in wört

licher Uebereinslimmung mit Thomas , was das Verhältniss des abstrahirenden

Denkens zur Sinneswahrnchmung61), und was die Singularität

der exislirenden Dinge betrifft 62) , so dass auch hier in anliplatonischem

Sinne die Realität der Universalien beschränkt wird 63) , indem nach

thomislisch- aristotelischer Weise auch bei der Schöpfung die ewigen

Formen im Denken Gottes nur als Potenzen des göttlichen Willens-Actes

der Verwirklichung vorliegen sollen 64).

mode opinari absque lemeraria cuiuscunque partis asserlione, ponere vincutum vel

ligamen , quo homines ad unam opinionem delinentur, est impedire nolitiam veritalis

Quantum ad articulos aulem ptures sunt, de quibus diversimode

opinari licet, worauf er namentlich die zwei oben, Anm. 12 u. 13, angeführlen

Arlikel nennt und wieder hinzufügt: videntur passe pro opinabitibus reputari

(p. 215) Palet ergo per dictos articulos, quod studentes condemnalione ipsorum in

profectu studii pturimum impediuntur. Hiezu ob. Anm. 15.

59) Wir sind auf dasjenige angewiesen, was Haure'au a. a. O. p. 291 ff. aus

Handschriften veröffentlicht. Ich möchle jedoch nicht behaupten, durch jene frag

mentarischen Mittheitnngen zu einer vollständig klaren Einsicht geiongt zu sein,

zumal da der Text der dabei benutzten Handschriften jedenfalls in einem argen

Zustande sich befindet.

60) Haurtau, p. 303: // commence par ttablir qu'it g a trois manieres d'etre

pour les choses: dans io nature „esse reale", dans Pintellect humain „esse diminutum",

dans Pintellect divin avant io ere'alion „esse in causis, esse in polentia". Die

Bezeichnung „esse diminutum" ist nur ein verschärfter Ausdruck desjenigen, was

wir bei Albert und Thomas (Abschn. XVII, Anm. 393 u. 505) als „simitiludo" und

besonders in des Letzteren (ebd. Anm. 500) Redeweise ,,maleria impedit inlellectum"

trafen.

61) Ebend. p. 294: Universalia in suo esse universali et abstracto non habent

esse in rerum natura, sed tantum in intellectu. p. 296: Inlellectus agens aliquid

/ facit cirea rem sive cirea phantasma, quod est repraesentalivum rei intelligibitis,

quia'. . .. inlellectus fäcit universalitalem in rebus. S. ebend. Anm. 378, 493, 500.

62) Ebend. p. 297: Nulta res malerialis existit extra in rerum natura, nisi

singuioriler sit, sc. per conditiones individuanles designata. p. 302: Res non existunt

nisi singutariter, prout nofflme proprio significantur ; communiter aulem sive secundum

suam communitalem non existunt , sed sotum inlelliguntur, et sie eliam nomine

communi generis et speciei significantur. S. ebend. Anm. 497 f., 509.

63) Ebend. p. 297 : Rei extra non dal inlellectus universalitalem realem et for

malem, sed hoc dal ei, quod, quia atlingitur secundum hunc modum quo sie atlingitur,

fit obiectum inlellectus abstracli et causat abstractum conceptum, qui est uni

versale formaliler; et hoc est, quod dicitur, quod, licet res existant singutariter,

tamen universaliter inlelliguntur. S. ebend. Anm. 497, 501, 505.

64) Ebend. p. 303 : Res antequam existant, non habent aliquod esse reale, nec

quantum ad esse essentiae sieul nee exislenliae (vgl. ob. Anm. 46), nisi esse inlellectum

et in polenlia sive polenliale IViAi/ ponitur in deo habere ralionem lemporalis

exempioris ad conslituendum aliquid, nisi ralio idealis, quae est etiam ralio

198 XIX. Gottfried v. Fontaines.

Auch das principium individuationis scheint Gottfried doch nur in

der Absicht ausführlichst erörtert zu haben, um zuletzt den Standpunkt

des Thomas zu vertheidigen und zu begründen. Nemlich davon aus

gehend , dass ja das totale Wesen der Species im Individuum zur Er

scheinung komme, bestreitet er, dass die Individualisirung auf einem

accidentellen Momente beruhen könne, da ein solches gleichsam die Un

wesentlichkeit selbst sei, und man dann nicht bloss das Wesen und den

Träger desselben ungehörig zerreissen müsse, sondern auch die substan

lielle Verschiedenheit der Individuen gänzlich lilge 65). Während aber

alle Vervielfälligung und Manigfalligkeit sicher ein Quanlitalives zu sein

scheine, und man daher geneigt sein müsse, die Individualion , wenn je

überhaupt in ein Nicht-Substanlielles, vor Allem gerade in die Quanlität

zu verlegen, so kehre sich jener principielle Einwand von selbst auch

gegen diese Annahme, weil eben die Quanlität (als eine der übrigen neun

Kategorien, welche der Substanz gegenüberstehen) zu dem Accidentellen

gehöre66). So bleibt zur Lösung der Frage nur der aristotelische Be

griff der individuellen Substanz übrig, welche freilich nie ohne die quan

litaliv auftretende Materie ein Sein haben kann ; eben aber die concrete

Determinalion, welche somit von materiellem Bestande begleitet ist, sei im

e/fectiva accedenle voluntate, sicut in nobis ars medicinae et domus in menle

In divina scienlia vel inlelligenlia nihil ponitm nisi istae ideae, per quas intelligimus

cogniliones, quas dcus habet de rebus quantum ad totum id, quod sunt vel

natae sunt esse • et sie de rebus, antequam in se ipsis existant, non ponitur nisi esse

cognitum eorum. S. Abschn. XVII, ÄIlITl. 501, 511, 513.

65) Ebend. p. 298: Cum individua ptura sub eadem specie in aliquo conveniant,

per itlud aulem, per quod conveniunt, differre non possunt, videtur, quod

supra naturam, quam importal species , a!ltlal individuum aliquid, per quod natura

communis in itlo individuetur Sed non videtur posse intelligi, addi aliquid perlinens

ad essenliam et naturam individui , quia itiom tolam dicit species , quae est

totum esse individuorum (vgl. ob. Anm. 55); ergo si aliquid additur, videtur esse

aliquod perlinens ad naturam accidentalem Videtur ergo, quod individualio fiat

per accidenlia Secundum hoc esset dicendum , quod quidditas et habens quidditalem

differrent realiler Sed itlud non videtur posse stare, quia individuum non

addit supra speciem id, quod non ptus ineluditur in significato individui quam

speciei Ilem quod poslerius est allero, non polest esse causa itlius secundum

quod poslerius. Sed omnia accidentia individua (diess letzlere Wort ist als sinnlos

zu streichen) videntur esse posleriora et adventicia substanliae Ilem non videtur

posse dici, quod accidenlia faciant individua vel numero divisa, quia nec secundum

se habent esse simpliciler Ilem si per accidentia solum fieret individualio et

formalis divisio vel dislinclio singuiorium sub una specie , non differrent substantialiter

ad invicem, sed solo accidenle, nec essel uHuS homo alias ab allero in

substantia Ergo individualio in genere substanliae non videtur causari ex

accidentibus.

66) Ebend. p. 300: Sed quia inler omnia entia quanlitali soli per se videtur

conoenire divisibilitas in ptura eiusdcm .ralionis, videtur ergo, quod haec indi

vidualio vel divisio vel disiinctio secundum numerum et individuum habet esse

per ipsam soiom quantitalem; et ideo tola difficultas praesenlis inquisilionis quantum

ad enlia malerialia videtur versari cirea quanlitalem; nam si aliquod accidens sit

causa individualionii, hoc videtur quantitali tribuendum (p. 301) Oportet dicere,

quod, si quanlitas divisa sit praecisa ralio formalis huius diversitalis , et non ipsa

forma substantialis , unum individuum differret ab aliu sotum accidentaliler sive

secundum formam accidentalem , et eaent ptura secundum quanlitalem sive ptura

quanta, et non secundum substanliam, sive non essent ptures substantiae, quod est

manifestum inconveniens.

XIX. Gottfried v. Fontaines. 199

Vergleiche gegen das undeterminirte Wesen der Species der Grund der

Individualion 67).

Ebenso verbleibt Gottfried, was die unilas formae betrifft, bei der

gleichen thomislischen Auffassung. Sowie er nemlich die dogmalischen

Bedenken des Tempier durch eine Dislinclion zwischen Individuum und

Form beseiligt 68), so betont er auch die Einheitlichkeit jenes Vorganges,

durch welchen ein scheinbar zusammengesetztes Wesen aus dem potenzielten

Sein zum actuellen hinübergeführt wird69); und dasjenige, was

als eine Manigfalligkeit mehrerer Formen in Einem Wesen erscheinen

könnte, setzt er eigentlich auf Rechnung der intentio secunda, indem er

es als verschiedene „significata", oder als verschiedene Begriffsbildung

(res aliter et aliter conceptd), welche an Einer und der nemlichen Sache

wirkt, bezeichnet 70).

Sowie es aber eine besondere Aufgabe der Anhänger des Thomas

sein musste, den oben (Anm. 27 ff.) erwähnten Angriffen Lamarre's ent

gegenzutreten, so unterzogen sich derselben auch wirklich mehrere Thomisten,

nemlich Richard Clapwel, Johannes Parisieusis, Aegidius Romanus,

und etwas später Herveus Natalis und Wilhelm Durand. Jedoch es sind

diese Vertheidigungsschriften entweder verloren gegangen oder nur hand-

67) Ebend. p. 301 : Cum suppositum dicat individuum in genere substanliae,

est ens per se exislens el in se subsislens; tale quid aulem est substanlia prima,

qtKM proprie et principaliler et maxime dicitur substanlia. Ergo in sua ralione

non inetudit nisi quae ad ralionem substantiae perlinent, ..... et sie, quamvis non

habeal esse sine quanlitale, inquantum est substanlia malerialis, tamen itiom per se

in sua ratione non inetudit Quidquid importat natura significata nomine communi

sub ralione communi et in de l crmin ata , cum hoc non sit nisi id quod ad

substanliam pertinet, hoc latimt est naturale, quod (Haurfau gibt tolum et natura

aliquid) importat sub ralione propria et delerminata suppositum significatum nomine

individui Dicendum est de hoc homine, puta Soerate, comparato ad hominem,

quod huiusmodi accidenlia delerminata non magis sunt de significato vel ralione in

dividui, puta Soeralis, quam accidenlia indelerminata de ralione speciei, puta hominis,

cum species tamquam substanlia secunda de individuo tamquam de substanlia

prima per se et essenlialiter praedicetur. Vgl. bei Thomas, Abschn. XVH, Anm. 520.

Vielleicht träle die Uebereinslimmung noch deutlicher hervor, wenn unsere Quelle

reichlicher flösse.

68) Bei D'Argentre' a. a. O. p. 216: Alia aulem opinio, quae ponil ptures

formas, ponit, quod eodem modo oporlet ponere idem corpus numero in

aliis hominibus, sicut in Christo (s. ob. Anm. 19 u. 30) Eliam nec Parisiis

habetur pro errore, quod corpus Chrisli vel allerius hominis, quantum ad formam,

sil aliud vivum et mortuum vel divisum, licet esset error ponere de corpore Chrisli,

quod non sit idem, quantum ad suppositum, rivum et mortuum.

69) Bei Haureau a. a. O. p. 291: JVon alia produclione producitur polenlia et

accidens, sed eo ipso, quo producitur unica produclione tolum compositum per se ex

polenlia et actu, producuntur parles in Mo composito ex consequenli, quia producto

tolo producuntur partes. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 521. Auch hier jedoch wäre

eine reichere Mittheitung wünschenswert)! gewesen.

70) Ebend. p. 294: Nec entia specialia se habent ad ens sicut species delerminantes

ipsum, sed magis sunt significata eius eliam usque ad specialissima descendendo.

p. 302: palel quomodo suppositum est idem vel non idem cum natura, quia

non differt sicut conceptus communis et indelerminatus , qualis est conceptus generis,

et conceptus specialis el determinatus , qualis est conceptus speciei, nec differt

natura speciei, quae significant unam et eandem rem aliler el aliler conceptam et

intellcctam, quantum ad id, quod ad ipsam essenliam rei pertinet. Vgl. bei Thomas,

ebd. Anm. 506, und unlen Anm. 74.

200 XIX. Johannes von Paris.

schriftlich vorhanden mit Ausnahme jener einen, welche unter dem Namen

des Aegidius Romanus gedruckt wurde, aber mit grosser Wahrscheinlich

keit dem Johannes Parisiensis dem Jüngeren (um d. J. 1290)

zugeschrieben werden muss71). Die Widerlegung selbst ist hier, was

den ersten Angriffspunkt, d. h. das principium individuationis (s. ob.

Anm. 28 f.), betrifft, unendlich sehwach, denn sowohl bei der Individua

lität der Engel 72) als auch bei jener der menschlichen Seele 73) appellirt

der Verfasser einfach an die göttliche Allmacht und kann so seinem

Gegner Goethals (s. Anm. 48) brüderlichst die Hand reichen. Besser

ist die Frage über unitas formae erörtert, indem vorerst die Bedenken

hervorgehoben werden, welche aus der Annahme einer Vielheit der Formen

(auch hei jener Gradabslufung der Vervollkommnung, s. ob. Anm. 30) sich

ergeben, sodann aber gleichsam ein Vermittlungsversuch folgt, welcher

die grösste Aehnlichkeit mit der so eben erwähnten Ansicht des Gottfried

von Fontaines hat; nemlich auch hier wird daran festgehalten, dass sach

lich nur Eine Form wirke und bestehe, aber andrerseits knüpft sich das

Zugeständniss daran, dass die Denkauffassung an Einem Wesen verschie

denes bald höher bald niedriger liegendes Allgemeines festhalten und in

gleicher Weise mehrere Formen des Einen Wesens unterscheiden könne 74).

71) Die Gründe, warum Argidius Romanus nicht der Verfasser des Defensorium's

sein könne, hat schon Oudin, Comm. de seriptt. eceles. III, p. 635 ff.

schiogend dargelegt, und die Molive, aus welchen er dasselbe dem Johannes Pari

siensis zuweist, halte ich, sowelt in solchen Dingen überhaupt sichere Resultale

erreichbar sind, für nahezu hinreichend. Dass von den beiden Johannes Parisienses,

welche dem 13. Jahrh. angehören, nur der Jüngere, welcher den Reinamen „Pungens

asinum" trug, in Frage kommen kann ( — der Aeltere blühte um 1230 —), verstcht

sich von selbst. Was über beide in Hist. litt, de io France, XIX, p. 422, gesagt

ist, lohnt sich kaum der Mühe des Lesens.

72) In der oben (Anm. 27) angeführten Ausgabe f. 9 v. R : Cum eo ipso, quod

sunt formae simplices sine maleria subsislentes, manifestum sit, eos differre soio

differenlia formali, quae facit diversitalem in specie, dicere, eos non esse passe

eiusdem speciei, non ptus derogal divinae polcntiae, quam dicere, quaecunque differunt

specie, non passe esse eiusdem speciei. (Als Reispiele dieses göttlichen Wunders

folgen dann canis und tupus!)

73) Ebend. f. 54 v. B: "lulin sunt impossibitia naturae, quae non sunt impossibitia

deo .... (f. 55 r. A) Deus ipse est principium effeclivum animae tam quaad

esse, quam eliam quoad numeralionem.

74) Ebend. f. 18 v. B : Mullifarie mullisque modis magistri et mulli cirea unitalem

formae substanlialis ioboraverunt (f. 19 r. B) Oporlebit istos secundum

modum, quo ioquuntur, fingere, quod forma animae ralionalis primo perficiel suam

maleriam pure spiritualem, et medianle hac maleriam sensilicae minus spiritualem,

el mediantibus itlis ullerius maleriam vegetalivae minime spirltualem, et tandem ullimo

maleriam corporalem; et erunt quatuor (f. 19 v. A) Oportet, «lfam formam

perfecliorem inctudere in se lolam imperfectionem, quae est in forma imperfecliori

(B) Ex quo sequitur, quod in itio una re, cuius sunt istae formae, sunt duae existcnliae

vel duo actus essendi vel subsistendi, quod est impossibile. Esse enim est ipsa

actualitas quidditalis vel naturae, cuius est Impossibite est omnino per modum,

quo isli ponunt, pturalitalem formarum substantialium in eodem sustinere. Ergo

modus alius, siquidem possibite est, inveniatur et hoc ex dicendis in articulo

proximo domino adiuvanle palebit. Diese Lösung nun ist folgende: (f. 20 v. B)

Omnes formae substanliales in hac proprietale conveniunt, quod quaelibel dal esse

substanliae et conslituit ens subsistens, et ideo inlellectus noster habet tmum communem

conceptum el abstrahit unam formam communem, secundum quam quodlibel

constitutum dicitur substanlia (f. 21 r. A) /•.'l sie intelligendum est de generibus

XIX. Job. v. Paris. Th.Docking. Ol.Brito. Jac.v.Rav. K. v. Kalberst. 201

Der Vorwurf endlich betreffs der Erkenntniss des Singulären (Anm. 31)

wird hier im Anschlusse an jene Stellen, in welchen sich Thomas weniger

einseilig geäussert hatte, glücklich beseiligt 75).

Möglicher Weise nun könnte auch die eine oder andere jener klei

neren Schriften, welche mit Unrecht dem Thomas von Aquin zugewiesen

wurden (s. Abschn. XVII, Anm. 484), bereits in diesen ersten Stadien

der Parteikämpfe ihre Entstehung gehabt haben, nemlich allenfalls „De

natura gener is" und „De intellectu et intelligibili" ; da jedoch andere

derselben entschieden schon auf scolislische Ansichten Bezug nehmen, so

halte ich es für besser, die Darstellung des Pseudo-Thomas nicht allzusehr

zu zerreissen, und somit auch die zwei genannten kleinen Schriften neben

anderen erst unten nach Scotus zu besprechen 78) , indem ja zwingende

chronologische Gründe betreffs einer früheren Abfassungszeit jener beiden

nicht vorliegen.

Hingegen soll um der Vollständigkeit willen nicht unerwähnt bleiben,

dass noch jener Zeit sowohl Thomas Docking (Cancellarius in Oxford),

welcher die zweite Analylik commenlirte 77), als auch Olivier Brito,

welcher eine Erläuterung zu Sophist. Elenchi schrieb 78) , angehörten.

Diese Schriften Beider aber besitzen wir nicht mehr. Auch Jacobus de

Ravanis (gest. 1296) möge nicht gänzlich ungenannt bleiben, wenn auch

die frühere Annahme , dass er als der erste die Logik auf die Jurispru

denz angewendet und hiedurch einen gänzlichen Umschwung des Rechts

studiums hervorgerufen habe, in neuerer Zeit auf ein höchst bescheidenes

Maass geschichtlicher Wahrheit reducirt wurde79). Ob Konrad von

Halberstadt (um 1295) wirklich „De logica" geschrieben habe, muss

dahingestellt bleiben80).

Nun aber traten alle jene Controversen , welche durch die Logik

des Albert und des Thomas hervorgerufen worden waren und theils

für theils gegen den Letzteren Partei genommen hatten, durch den Franet

speciebus sibi invicem subordinalis .... Cum enim species sit id ipsum quod genus,

puta „Aomo" est ittud ipsum quod „animal", prout animal de homine praedicatur

uec est pars hominis secundum rem, sed sofum secundum ralionem, simitiler

oporlet dicere, formam speciei esse formam ipsius generis Una igitur forma

secundum rem est ptures secundum ralionem, sc. magis universalts et minus universalis.

Et sie maleriam recipere formam magis universalem ante aliam, non est aliud,

quam maleriam recipere formam conceptam secundum ralionem unam ante semelipsam

conceptam semndum ralionem aliam. S. Anm. 70, woselbst „aliler et aliter concepta".

So stehen wir hier jenen älleren Ansichten über „status" (Abschn. XIV, Anm. 129)

oder über „maneries" (ebend. Anm. 85) so ziemlich nahe.

75) Ebend. f. 4 v. A : Per species inlelligibites universales, quas abstrahit inlellectus,

non polest actu inlelligere nisi comerlendo se ad phantasmata singutarium

Thomas intendebat sotum, quod non cognoscit singuioria rerum malerialium

primo et direcle a. s. f., kurz mit den nemlichen Worlen , wie wir bei

Thomas, vor. Abschn., Anm. 499 f. „refiexio" oder „maleria impedil" u. dgl.

trafen.

76) S. unlen Anm. 265 ff.

77) Oudin a. a. O. III, p. 525.

78) Hist. litt, de io France, XXF, p. 303.

79) Savigng, Gesch. d. röm. Rechts im Mitleiolt., V (2. Aufl.), p. 605 ff.

80) Denn die Gioubwürdigkeit des Trithemius (Aim. Hirsaug. ad ann. 1295) ist

bekanntlich sehr gering. Was aber die angebliche „Mensa phitosophica" Konrad's

betrifft, s. unlen bei Auguitbertus in Abschn. XXII.

202 XIX. Duns Scotus.

ziskaner Johannes Duns Scotus (gest. 1308 — bekanntlich „Doctor

sublilis" genannt —) insofernc in ein höheres Stadium, als derselbe sie

sirenge und präcis formulirte und hiemit in fester Parteistellung folge

richlig durchführte. Es ist leicht gesagt, Duns Scotus sei der abstruseste

aller Scholasliker , während doch ein genaueres (allerdings mühevolles)

Studium seiner Schriften ihn uns als einen scharfsinnigen Denker zeigt,

welcher das damals zugängliche Material vollständig kannte und zugleich

mit dislinclivem Verstande durchdrang. Anziehende Reize als Schriftsteller

besitzt er wahrlich nicht, denn seine Methode besteht bis zur Ermüdung

des Lesers darin, dass er unablässig bei jeder Frage oder jeder Thesis

zunächst mit „Videtur, quod non" die möglichen Gegengründe (zuweilen

wirklich mit haarsträubender Spitzfmdigkeit) aufstöbert, sodann unter „In

oppositum" die Gegengründe der Gegengründe und die posiliven Gründe

vorführt, und hierauf zuletzt die „Solutio" darbietet, und zwar meist mit

detaillirter Rückbeziehung auf die Gründe und Gegengründe. Aber hinter

dieser struppigen Form steckt ein Denken, welches, soweit diess im Mittelalter

überhaupt möglich war, wenigstens weiss , was es will , und auf

Grundlage der damaligen allgemeinen Anschauungen die Tragweite der

Begriffe durchmisst, und diess ist im Vergleiche mit der Bornirtheit eines

Albert und eines Thomas jedenfalls für den Leser wohlthuend. Auch

besitzt Scotus darin unsere Sympathie, dass er (— um mit modernen

Worten zu sprechen —) auf der Unerkennbarkeit des Absoluten steht,

dass er als Indeterminist die thomislisehe Unterordnung des Praklischen

unter das Theorelische entschieden bekämpft, und dass er der Theologie

nur eine praklische Wirksamkeit im Gebiete des praklischen Glaubens zu

weist, wobei sich in dem Verzichte auf theorelische Begründung des

Dogmas wieder einmal die Richligkeit des auguslinischen „Credo, quia

absurdum" zeigt. Doch diese Gesichtspunkte überschreiten die Gränzen

der Geschichte der „Logik" 81).

Um aber dasjenige darzustellen, was von Scotus hieher gehört, ist

es vor Allem nothwendig, unter seinen Schriften 82) die zweifelhaften oder

unächten von den unbestreitbar ächten auszuscheiden. Somit müssen hier

in Betracht kommen vor Allem seine Quaestiones in universam logicam

(d. h. zum Porphyrius und zum ganzen Organon mit Ausschluss der

Topik), sodann abgesehen von einzelnen Stellen der Commentare zu De

anima und zur Physik auch die Quaestiones in melaphgs. (die Condusiones

ex libr. metaph. sind eigentlich eine blosse Inhaltsangabe), ferner,

wie sich von selbst versteht, der ausführliche Commentar zum Petrus

Lombardus, d. h. das sogenannte JOpus Oxoniense, sowie die Beportata

Parisiensia (eine Art Auszug des eben genannten grösseren Werkes),

auch der Tractatus de modis significandi seu grammatica speculaliva*3').

81) Mit einigen Worten jedoch müssen wir unten (Anm. 221) wieder darauf

zurückkommen.

82) Es gibt nur Eine Gesammt -Ausgabe der Werke des Scatus, welche der

überaus gelehrte Wadding (Lugdun. 1639, 12 Bände fol.) besorgle und durch zahl

reiche Commentare bereicherte.

83) Letzlerer Zusatz in der Titel-Ueberschrift durfle wohl erst von der scolislischen

Schule ausgegangen sein ; wenn aber als Verfasser dieses Buches auch

XIX. Duns Scotus. 203

»*

und der Traclatus de primo principio und die Theoremata; in den

Quaesliones quodlibelales aber leimt Scotus die Detail-Erörterung der

logischen Haupt-Controversen meistens ab , insoferne dieselben schon bei

Erklärung des Sentenliarius besprochen sind. Hingegen muss ich als unächte

Schriften bei Seite lassen sowohl den Commentarius lextualis in libr.

metaph.^*) als auch die Quaestiones miscellaneae de formalitatibus 85).

Die Logik des Duns Scotus, welche, wie sich zeigen wird, einen

reichhalligen Kreis scolislischer Litteratur zur Folge hatte, beruht nicht

etwa auf völlig neuen Pfaden, welche er von sich aus geschaffen und er

öffnet hätte, sondern derselbe ist, was das tradilionelle Material betrifft,

ebenso abhängig und bedingt wie alle Autoren des Mittelalters. Aber er

unterscheidet sich von Anderen zunächst durch eine überaus reichliche

Beiziehung der byzanlinischen Logik, bei welcher er häufig auch bis zu

Wilhelm Shyreswood zurückgreift86), und sodann vor Allem durch eine

begriffsmässige Präcision und Consequenz , mit welcher er das aristote

lische, arabische und byzanlinische Material ausnützt, so dass hiedurch

wirklich manche neuen Wendungen aus dem alten Stoffe heraustreten und

sich trotz aller Gegnerschaft der Uebergang zu Occam vermittelt.

Was zunächst die Stellung der Logik überhaupt betrifft, so tritt die

selbe bei Scotus ebenso wie bei Albertus Magnus grundsätzlich innerhalb

der „speculaliven" Begabung des Menschen dualislisch neben die „realen"

Disciplinen (Physik, Mathemalik, Metaphysik), indem die „ralionale" Wissen

schaft (Grammalik , Rhetorik und Logik enthaltend) dem subjecliven Er

fassen des Objecliven angehört87). Das Verhältniss der Grammalik zur

der Augusliner Albertus de Saxonia genannt wurde, so scheint Wadding (Vol. I,

p. 41 f.) diesen Verdacht der Unächtheit genügend beseiligt zu haben.

84) Derselbe ist entweder ganz von Antonius Andreas (s. unten Ann,. 443 ff.)

verfasst oder wenigstens von ihm revidirt und vermehrt, eine Annahme, welche

auch durch den von Wadding (Vol. IV, Proam,.) zu Hitfe gerufenen Cavelli nicht

widerlegt ist.

85) Der Bericht selbst, welchen Wadding (Vol. III, p. 441) dieser unvollendelen

Schrift vorausschickt, enthält eigentlich mehr Gründe der Unächtheit, als der Aechthelt.

Es versleht sich von selbst, dass das Buch der scolislischen Schule angehört.

Wir werden unten die Keime desselben beim ächlen Scatus (Anm. 147 II'.) und

späler die scolislische Lehre betreffs der Formalitales selbst sehen (Anm. 529 ff.).

86) An Einer Slelle Quaest. in metaph. V, 7, (Vol. IV) p. 618 B nennt er ge

legentlich des „infinitum" Hen Shyreswood mlt Namen; andere slillschweigende

Ruckbeziehungen werden wir unten mehrere treffen.

87) Senf. Lib. HI, Dist. 34, (Vol. VII) p. 728 f., woselbst Scatns in folgender

tabeliorischer Form den habitus des Menschen eintheitt:

Imetaphgsicu»

i reolis Imathemalicus

\ \phgsicus

J "

intsllectuali, I ralionalis rhetorieus

\grammahcus

vraclicus { cIrea aj'*''e; prudenlia

' ' " \ cirea faelibite: medicina und sämmlliche Gewerbe

{ad aller um: tustitia

ad *e ipsum{ f°*M0.

' \ lemperanlia.

Ou. sup. An. post. I, 47, p. 415 A (die logischen Commentare slehen sämmtlich in

Vol. I): i'«s mlionis est subiectum logicae, ens inquantum mobite est subiectum na204

XIX. Duns Scolus.

Logik wird dabei allerdings in der üblichen Weise abgegränzt; aber in

Be/ug auf Wahrheit und Falschheit der Urtheile, worin natürlich der Um

kreis der Logik liegt, hält sich Scotus nicht bloss an die aristotelischen

Bestandtheile des Urtheiles, sondern zieht principiell auch den Inhalt der

byzanlinischen Logik bei, indem er an significatio und supposüio terminorum,

sowie an consequentia und copulatio u. dgl. denkt88).

Auch den Unterschied, welcher zwischen Logik und Metaphysik neben

manchen Berührungspunkten doch als ein wesentlicher besteht, erblickt

Scotus ebenso wie all seine älteren und jüngeren Zeitgenossen in jener

intentio secunda, welcher wir nun seit den Arabern stets schon begeg

neten, und er spricht in manigfalligen Wendungen wiederholt es aus,

dass die Logik jene Momente, welche von ratio oder von intellertus oder

von conceptus ausgehen, kurz also der subjecliven Werkstätte angehören,

auf das objeclive Wesen der Dinge „anwende" — applicare — 89).

Eben hiedurch entscheidet er auch jene Frage, ob die Logik als

i,,n,lu.t sciendi selbst eine Wissenschaft sei (s. bei Albert und Thomas

Abschn. XVII, Anm. 363 ff. u. 489), im Anschlusse an Alfarabi dahin,

dass die Logik einerseits als docens wirklich eine Wissenschaft ist und

turalis scienliae, ens sub absotuta ralione est subiectum metaphgsicae. Vgl. Abschn.

XVII, Anm. 362. und selbst Hngo v. St. Victor, Abschn. XIV, Anm. 45.

88) Qu. sup. An. pr. I, 19, p. 301 B: De partibus oralionis . . . . grammalicus

considerat ....in ordine ad congruitalem Sed logicus considerat de islis in ordine

ad veritalem et falsitalem, sc. prout possunt esse pnrles principales enuulialionis verae

vel falsae, sc. subiectum, praedicatum, vel copuio, et tales parles sunt praecise nomina

et verba. Nam aliae parles oralionis non sunt nisi delerminaliones vel dispositiones

designanles significalionem vel suppostlionem lerminorum, sc. nominis et verbi; aut

modum significandi vel supponendi, aul diversum modum sequendi unius ex allero,

vel diversum modum copuiondi diversa ab invicem, et sie de aliis.

89) 0n. sup. Etench. l, p. 224 A: Logica est de communibus et phitosopbia

prima (s. Abschn. XVII, Anm. 480 u. 546), sed diversimode; nam phitosophia prima

consideral ens, inquantum ens est, unde consideral rem secundum suam quidditalem,

et quia quidditas rei est entitas per se rei, considerat rem secundum suam enlita"

lem SinuHler logica est de enle communi, sed ens est duplex, sc. naturae

elralionis; ens aulem naturae inquantum tale est, cuius esse non dependet ab anima;

sed ens ralionis dicitur de quibusdam inlenlionibus, quas adinvenit ralio in ipsis

rebus Quia ergo logica est de huiusmodi intenlionibus, quae applicabites sunt

omnibus rebus, ideo dicitur ex communibus procedere. Qu. sup. An. post. 1,43, p. 412 B:

Scienlia dicitur communis dupliciler: uno modo communitale subiecli, alio modo communitale

applicalionis. Primo modo metaphgsica est scientia communis; secundo

modo dialeclica est communis. Sent. Lib. II, Dist. 3, 0n. l, (Vol. IV) p. 357: Non

sotum ipsa natura est de se indifferens ad esse in inlellectu et in particuiori ac per

hoc ad esse universale et singutare, sed et ipsa habens esse in intellectu non habet

primo ex se universalitalem ; licet enim ipsa inlelligatur sub universalitale ut sub

modo inlelligendi ipsam, tamen universalitas non est pars conceptus eius primi, quia

non conceptus metaphgsici, sed logici; logicus enim considerat secundas inlenliones

applicatas primis secundum ipsum Avicennam (s. Abschn. XVI, Anm. 74). Qu. in

Praedicam. 2, p. 126 A: Praedicamenta dupliciter possunt considerari: uno modo, in

quantum considerantur a ralione, sive aliqua proprietas ab intellectu causata eis altrilm.

il ne. Primo modo de eis consideral metapbgsicus, secundo modo hie de eis

consideratur. Qu. sup. An. post. l, 27, p. 387 B : Aristoleles in tola logica conctudit

passiones de inlenlionibus secundis, ut de enuntialione et sgllogismo, quia inlenliones

secundae sunt subiectum Ingicae, de quibus logica consideral passiones. Vgl. Abschn.

XVII, Anm. 363, 380, 394, 489, 506.

XIX. Duns Scotus. 205

andrerseits als utens den modus für alle übrigen enthält 90), so das» wir

hier wieder in anderer Weise als bei Lambert v. Auxerre (ebend. Anm.

104) den Begriff einer „angewandten Logik" treffen.

Was aber den eigentlichen Gegenstand und Zweck der Logik betrifft,'

so erwähnt Scotus jene Ansicht, nach welcher der Begriff als das

wesentliche Object betrachtet und in den Thäligkeiten des einfachen Er

fassens, des Zusammensetzen und des Erörterns (— Kategorien, Urtheil,

Syllogislik —) die Begriffsbildung in den Vordergrund gestellt wurde91),

und er schliesst sich auch ausdrücklich an eben diese tradilionelle Dreitheilung

des Gebietes der Logik an92); aber er stellt sich dabei grund

sätzlich auf jene Seite der arabischen Auffassung (Abschn. XVI, Anm. 15,

78 f., 240), nach welcher zum Behufe des Fortschreitens von Bekanntem

zu Unbekanntem der Syllogismus als der ursprüngliche und eigenthümliche

Gegenstand der Logik zu bezeichnen ist, so dass die einfachen Be

griffe und deren Zusammensetzung in den Urtheilen nur als Bestandtheile

90) Qu. sup. Porph. l, p. 87 A: Quaero, utrum iogica sil scientia. Videtur,

quod non. Modus sciendi nnn est sc,entia; togica est modus scicaili; ergo etc

Dicendum, quod logica est scienlia; quae enim in ea docentur, demonstralive conctudnnlue

sicut in nliis scienlii!, ; ergo sciuntur.... Intelligendum est tamen, quod Iogica

dupliciler consideratur. Uno modo inquantum est ducens, el sie ex necessariis et propriis

principiis procedit ad necessarias conctusiones, et sie est scienlia. Alio modo

inq itanlum ulimur ea applicando eam ad itio. in quibus est usus, et sie non est ex

propriis, sed ex comnmnibus, nec sie est scienlia p. 88 A: Malerialiler haec

praedicalio „Modus sciendi est scientia" est vera, quia togica docet modum sciendi

pro tanto, quia est de sgllogismo vel de argumento, per quod tahtum habetur scienlia.

Qu. sup. An. post. t, Prooem. p. 343 A: Scientia demonstraliva dupliciter polest considerari.

Uno modo , inquantum ulitur demonstralione , per itiom sc. demonstrans

effectus in aliis scienliis, et isto modo dicitur quaelibet scientia demonstraliva. Alio

modo, quae docet, ex quibus el ex qualibus debel esse demonstralio. Das

arabische Original s. Abscha. XVI, Anm. 15. Natürlich hat diese Unterscheidung

Nichts damit zu schaffen, wenn Scatus anderwärts ((,n. sup. Etench. 3, p. 225 B)

mit Aristoleles sagt: Scientia dialectica lraditur per demonstralionem, usus tamen

eius in probabitibus consislit ; denn Letzleres bezieht sich auf die rhetorische Praxis

des Dialeklikers.

91) Qu. sup. Porph. 3, p. 88 B : Dicitur, quod subieetum logicae est conceptus

formatus ab actu ralionis, quia itle communis est omnibus in Iogica consideralis.

Nam enm actus ralionis sit triplex, primus sc. indivisibitium inteiligentia, secundus

compositio vel divisio istorum simplicium, lertius discursus formatus a nolo ad ignotum,

de conceptu formalo a primo actu est ilber Praedicamentorum, qui est de incomplexo

(Qu. sup. An. pr. I, 7, p. 282 B: Definitio et deseriplio dantur de lerminis

incomplexis), de conceptu formalo a secundo actu est liber Perihermenias, de

conceptu formalo a lertio actu est tola nova togica, quae est de sgllogismo et de

eius parlibus subiectivis. Die Grundioge dieser Ansicht s. bei Thomas, Abschn.

XVII, Anm. 491.

92) Op. II sup. Periberm., Prooem. p. 211: Duplex est operalio intellectus.

Una, quae dicitur indivisibitium intelligentia, secundum quam dicitur intellectus formare

conceptus simplices; alia est, secundum quam componit et dividit lslis

duabus operalionibus additur lertia, quae est discurrere ab uno ad aliud, ul a nolis

ad ignota Kst universaliter liber Praedicamentorum de simplicibus conceplibus,

quos fom,at, vel quae sunt intelligibitia secundum quod sunt dicibitia et ordtnabilia

in genere per se (vgl. ebend. Anm. 429) De secunda est liber Perihermenias,

inlellectus enim componens et dividens formal enunlialionem, el non est

enunlialio ipse actus intellectus, sed magis agitur ab intellectu. De islis aulem,

quae cadunl snb lerlia operalione intellectus, sunt libri novae logicae, in qua docetur,

quomodo est procedendum a nolo ad cognitionem incogniti.

206 XIX. Duns Scotus.

der Schlüsse eine logische Geltung besitzen93); d. h. er erkennt an, dass

die durchgeführte Wissenschaft als solche doch nur durch die Operalion

des Schliessens zu Stande komme, während die ersten Principien aller

dings unmittelbar durch einen einheitlichen Act des Intellectus erfasst

werden müssen94). Von besonderer Wichligkeit aber ist uns dabei, dass

Scotus in jenen drei so eben angeführten Stellen die Syllogislik (d. h.

die beiden Analyliken und die Topik) als „nova logica" und die Kate

gorien nebst der Lehre vom Urtheile als „veltts logica" bezeichnet, und

somit diese litterarische Unterscheidung, welche wir schon früher in ihrer

Entstehung betrachten konnten, hier bereits als recipirt erscheint 95).

Aber im Dienste dieser syllogislischen Aufgabe der Logik ist es eben

jene Denk-Operaliou als solche (ob. Anm. 89), welche den entscheidenden

Partei-Standpunkt des Scotus in Auffassung der Logik überhaupt und ins

besondere der Universalien mit sich bringt; nemlich wenn derselbe sich

präcis und deutlich dahin ausdrückt, dass die Logik weder eine scientia

realis noch eine scientia sermocinalis sei, sondern conceptus und actus

ralionis gerade als Drittes in Mitte zwischen res und vox stehen, so

befinden wir uns hier, wenn je irgendwo, bei einem Coneeptualismus,

welcher allerdings das Verhällniss des Denkens zur Sprachbezeichnung

nicht ausser Acht lassen kann 9Ö), aber auch die Beziehung zu den Denk-

Objecten feststellen muss, so dass Sein und Denken gleichsam parallel

laufen und der Grundgedanke einer gewissen Wechselwirkung zu einer

Auffassung führt, welche zugleich metaphysisch realislisch auftritt und

logisch nominalislische Handhaben darbietet.

Während nemlieh alle Theile der Logik (d. h. Alles, was eine innere

Beziehung zum Syllogismus hat) in der subjecliven Werkstätte des Geistes

93) 0n. sup. porph. 3, p. 89 A : Dicendum ergo, quod subiectum primum et ,

proprium logieae est sgllogismus, 51110 stalim post delerminalionem de eius par- , \

libus in vetsri logica praemittit eius definitionem in primo Priorum Prnpler \

ipsum enim in veteri logica delerminatur de eius parlibus integralibus, sc. de incomplexo

et de enunlialione, et de parlibus subiectivis in libris Topicorum, Priorum et

Posteriorum, et de aliis speciebus argumentalionis , quia itioe reducuntur ad ipsum

Ergo penes eius divisionem el attributa Mi palet divisio logieae Sgllogismus

quoad proprictales formaliter ipsum consequentes est subicctum libri Priorum; est

autem subiectum tolius logieae quoad omnes passiones in se vel in suis parlibus inlegralibus

et subieclivis vel reducibitibus ad ipsum. Schon Albert (s. ebend. Anm. 370)

baue gegen eine solche Auffassung, welche den Syllogismus allzu einseilig betont,

polemisirt.

94) 0u. sup. An. post. t, l, p. 344 B: Principia proprie non sunt scita, sed

inlellecta; intellectus enim est principiorum , scienlia conctusionum. Hiezu unten

Anm. 108.

95) S. Abschn. XVII, Anm. 5 u. 103.

96) Qu. in Praedicam. l, p. 125 A: Logica non est scienlia realis nec sermo

cinalis, quia nec sermonem nec sermonis passiones considerat; ....immo quod ista '

divisio sit insufficlens, sie oslenditur: medium inler rem el sermonem vel vocem est

conceptus. Ergo sicut est aliqua scientia per se de rebus, aliqua per se de vocibus

significalivis, ita polest aliqua scientia esse per se de conceptu, et haec est

logica, unde per se habet dici scientia ralionalis, quod est de conceplibus formalis

ab actu ralionis Mull um comenit cum sermone propler duo: primo, quia

conceptus est immediatum significatum per vocem, de quo conceptu est logica; secundo,

quia passiones conceptus insunt voci significalivae, sicul incomplexum et complexum,

significare verum vel falsum, ul signo per naturam significali. S. Abschn. IV,

Anm. 111 ff.

XIX. Duns Scotus. 207

— mens — ein selbstständiges Sein besitzen, welches an sich vom Wort

ausdrucke unabhängig ist und seine innere Priorität auch in dieser äusseren

Verflechtung bewahrt97), sind die Universalien bei Leibe nicht fictiones

intellectus, denn dann wäre ja die Metaphysik und jede andere reale

Wissenschaft für sich gegenstandslos oder mit der Logik idenlisch 98), '

sowie umgekehrt die Universalien nur dann als blosse Pigmente betrachtet

werden könnten , wenn es in der objecliven Welt keine reale Wesens-

Einheit, sondern nur numeräre Einzelnheit gäbe "). Kurz Scotus erweist,

wie schon Albert gethan hatte, die objeclive Existenz der Universalien in

der That aus der subjectiven Auffassung, weil es ja von dem Nicht

Seienden keine Erkenntniss geben könne und somit dem Universale Etwas

ausserhalb „entsprechen" (correspondere) müsse, was eben bei bloss Fingirtem

nicht der Fall sei, d. h. das Universale komme ursprünglich und

dem Stoffe nach durch gelegentliche Veranlassung von der objecliven

Eigenthümlichkeit der Dinge her, formell aber in seinem wirklichen Auf

treten als Universale liege es im Intellectus 100). Hierin nun liegt der

Schlüssel zu allem Folgenden ; denn Scotus kann so in dem tradilionellen

arabischen Spruche „Intellectus agit universalilalem in rebus" zugleich

den Accent auf die Worte „in rebus" in realislischem Sinne legen101)

und dabei die ratio universalitatis als eine das Wesen der Dinge an '

sich nicht berührende Modalität, welche auf Rechnung des subjecliven

Denkens fällt, bezeichnen102); er kann das Denken an dem Maassstabe

der objecliven Realität und zugleich die mit künstlerischem Wirken er

zeugten Gertanken an dem Maassstabe des subjecliven Denkens messen,

so dass schliesslich für die Dinge und für das Denken der höchste

97) Ebend. p. 124 B: fsle liber (A. h. Calegoriae) non est de decem vocibus

ut de primo subiccto, nec aliqua pars logicae est de voce, quia omnes passiones

sgllogismi el omnes partes eins possunt sibi messe secundum esse, quod habent in

mente, etiamsi non proferantur; sed est de aliquo priore, quod respectu vocis significalivae

tantum habet ralionem significali. Ebenso 0u. sup. Periherm. I, l, p. 186 A.

98) Theorem. 4, (Vol. 111) p. 269 A: Universalia non sunt ficliones intellectus;

tunc enim nunquam in quid praedicarentur de re extra nec ad definitionem perlinerent,

nec metaphgsica differret a logica, immo omnis sci'enlia esset logica, quia de imiversali.

Vgl. nnlen Anm. 154.

99) Sent. Lib. II, Dist. 3, 0u. l, (Vol. VI) p. 336: Si omnis unitas realis est

numeralis, ergo omnis diversitas realis est numerulis, et ita omnia essent aeque

dislincta, et tunc sequitur, quod non ptus polest intellectus abstrahere a Soerale et

linea, et esset quodlibet universale pure figmentum.

100) 0n. sup. Porph. 4, p. 90 A: Universale est ens, quia sub ralione non enlis

nihit intelligitur, quia intelligibitc movct intellectum (B) Universale est ab inlellectu,

el cum dicitur „ergo est figmentum", dico, quod non sequitur, quia figmento

nihit correspondet in re extra, universali aulen, aliquid extra correspondet, a quo

mmetur intellectus ad causandum talem intenlionem Effective est ab intellectu,

sed malerialiter sive originaliter sive occasionaliter est a proprietale in re, figmentum

vero minime est. S. Abschn. XVII, Anm. 297.

101) Ebend. 9, p. 93 B: Inlellectus facit universalitalem in rebus (s. Abschn. /

XVI, Anm. 181, vgl. Abschn. XVII, Anm. 378); ergo itta est in-re, non in inlellectu.

102) Ebend. 5, p. 90 B: Universale est per se intelli gibite , quod palel sie:

Primum obiectuni intellectus, sc. quod quid est, inlelligitur sub ralione universalitalis

; itio vero ralio non est idem essentialiter cum itlo quod quid est, sed modus

eius accidentalis ; ergo intellectus polest cognoscere differentiam intcr suum obiectum

primum et ittum modum. S. bei Albert ebend. Anm. 392.

208 XIX. Duns Scotus.

Maassstab in Gott liegt103); und er kann in einer an Abälard erinnernden

Weise in den Universalien das esse in mullis und das praedicari de

mullis vereinigen104).

Natürlich liegt in dieser Unklarheit über das Wesen eines logischen

Subjeclivismus und eines metaphysischen Objeclivismus auch bei Scotus

eine höchst bedenkliche Schwäche speculaliver Auffassung vor; aber für

einen „Philosophen" wird ja hoffentlich ohnediess Niemand irgend einen

Autor des Mittelalters halten. Hingegen hat Scotus von einem solchen

durch die allgemeine Tradilion damals besiegelten Standpunkte aus als

eiu verstandesmässig sehr geschulter Denker die Consequenzeu durch alle

einzelnen Fragen hindurch festgehalten und durchgeführt. So nimmt auch

Scotus vor Allem die allgemein recipirte arabische Unterscheidung einer

doppelten intentio in dem Sinne auf, dass die secunda intentio, d. h.

die eigentlich logische, ein nachfolgendes Erzeugniss der Denk-Operalion

sei und so als Universale bezeichnet werde, während die prima intentio

als ursprünglich unbedingtes Erfassen auf die objeclive Quiddität gehe,

welche wohl gleichfalls Universale genannt werde, aber an sich gleich

güllig gegen Allgemeinheit oder Einzeluheit sei und daher auch im Denken

nicht mit concreter Gegenständlichkeit (subiective), sondern eben nur un

mittelbar vorstellungsweise (obiective) auftrete105). Und hierin liegt bei

ihm auch die Auffassung der üblichen arabischen Dreigliederung in universalia

ante rem, in re, post rem; denn er findet das Universale zu

nächst eben in der secunda intentio, un4 dann auch in dem von derselben

benannten Gegenstande der prima intentio, indem der letztere entweder

103) Op. II sup. Periherm., 3, p. 215 B: Duplex est inlellectus. Quidam est

mensuratus a rebus, quidam est mensura rerum. Intellectus noster per comparalionem

ad res naturales est mensuratus et dicitur verus ex hoc, quod est conformis rei, quae

est sua mensura. Arlificialia aulem comparantur ad intellectum nostrum sicut mensurata

ad suam mensmam ; igitur dicuntur vera ex hoc, quod allingunt per suam

formam perfectionem formae arlificis Quaelibet res naturalis secundum suam

formam imitatur quodammodo speciem eins in menle divina , unde vera dicitur, se

cundum quod ad ralionem ittius speciei allingit lntellectus noster simititer

dicitur verus, quia est conformis suae mensurae.

104) Qu. sup. Porph. 6, p. 91 B: Inest aliquid universali, quia si definilio

ipsius universalis vera sit, quae est „praedicabite de pturibus" (s. Abschu. IV, Anm.

197), tunc convertibile praeler essenliam universalis erit ittud, quod ponit

primo Posteriorum, sc. „esse unum in mullis et de mullis" (ebeud. Anm. 137). Et

e converso, si ittud sit definilio bona et vera, ittud eril proprium. Vgl. Abschn.

XVII, Anm. 167. u. Abschn. XIV, Anm. 291 ff.

105) Qu. de anima, 17, 14 (Vol. II) p. 546 A: Universale accipitur aliquando

pro inlenlione secunda, quae sequitur operalionem primam intellectus, qua inlelligitur

quidditas absotule, ..... et isto modo est in intellectu tanquam aliquid factum per

operalionem intellectus Aliquando autem universale accipitur pro re subiecta

inlenlioni secundae, i. e. pro quidditale rei absotuta, quae, quantum est de se, nec

est universalis nec singuioris, sed de se est indifferens (s. Abschn. XVI, Anm. 74);

et tale est obiectum inlellectus directum, non aulem est in intellectu subieclive, sed

tantum obiective. An unzähligen Stellen treflVn wir fortan bis in das 18. Jahrhun

dert (d. h. bis Alex. Baumgarten) diesen Gebrauch der Worte „subieclive" und

„obiective", welcher zu dem jetzigen sich genau umgekehrt verhält: nemlich damals

hiess subieclivum dasjenige, was sich auf das Subject der Urtheite, also auf die

concrelen Gegenstände des Denkens, bezieht; hingegen obieclivum jenes, was im

blossen obiicere, d. h. im Vorstelligmachen , liegt und hiemit auf Rechnung des

Vorslellenden fällt.

XIX. Duus Scotus. 209

das entferntere Object, nemlieh die ursprüngliche quidditalive Natur (d. h.

ante rem], oder das niihere Objeet, nemlieh das individualisirte Wesen

(d. h. in re) sein kann, in welch letzterem Falle die Universalität nur in

der indeterminirten Allgemeinheit der Aussagbarkeit liegt106). Auch be

zeichnet er das Universale ante rem ausdrücklich als das ursprünglich

erste Vorgestellte des Denkens , sowie die secunda intentio (d. h. posl

rem) als „forma", und das Universale in re als ein „Aggregat aus Ge

genständlichkeit und Form" l07). Ja er ist geneigt, für die Erkenntnis*

der einfachen Begriffe (Kategorien) und für die Zusammensetzung der

selben (Urtheil) demjenigen, was Sache der prima inlentio ist, eine

Priorität zuzuschreiben und die secunda intentio principiell (vgl. ob.

Amn. 93 f.) dem syllogisüschen Verfahren zuzuweisen, durch welches so

dann die wissenschaftliche Entwicklung der prima inlentio erfolge tos).

Beachtenswerth aber ist (— um üccam's und seiner Vorläufer willen —),

dass bei Scotus zum ersten Male jene Umstellung der Universalien auch

im Gewände byzanlinischer Logik auftritt, indem das Universale dasjenige

heisst, was von einem Gemeinbegriffe bezeichnet wird, welcher eine wirk

liche Objeclivität bedeutet, und somit das Universale in re zum „esse in

supposüis" wird, während die anderen beiden Stellungen des Universale

als Quiddität und als Denkform wiederkehren lü!)).

Schon aus dem Bisherigen aber ist ersichtlich, dass bei Scotus die

hauptsächliche Schwierigkeit sowohl logisch als auch ontologisch in den Uni-

106) 0u. in metaph.Wt, 18, (Vol. IV) p. 723 A: universale sumt polest tripliciter:

Pro intentione secunda, quae est quaedam relalio ralionis in praedicabiti ad

illud, de quo est praedicabite Alio modo accipitur pro Mo, quod denominatur

ab itio intenlione, quod est aliqua res primae intenlionis, nam secundae inlcntiones

applicantur primis. El sie accipi polest dupliciter: Uno modo pro Mo, quod quasi

ul subiectum remotum denominatur ista inlentione; alio modo pro subiecto propinquo;

prima modo dicitur natura absotule sumpta universale, quia non est de se baec ;

secundo modo non est unirersuk', nisi sil actu indelerminatum ita, quod unum inlelligibite

numero sit dicibite de omni supposito. Vgl. Anm. 109.

107) 0u. sup. Porph. 3, p. 89 B: Universale sicul celera conereta tripliciter

surnitur. Quandoque enim sumitur pro subiecto, i. e. pro re primae intenlionis, cui

applicatur intentio universalts, et hoc modo universale est primum obiectum inlellectus

; quandoque sumitur pro forma, sc. pro re secundae intentionis causata ab

intellectu el applicabiti rebus primae intentionis, et sie loquitur logicus proprie de

universali; lertio modo pro aggregalo ex subiecto et forma, el ittud est ens per accitiens,

quia aggregal diversas naturas, ex quibus non fit unum per se. Vgl. unlen

Anm. 147.

108) Qu. sup. An. post. l, 46, p. 414 B: Triplex est operalio intellectus. Una

est intelligentia simplicium; alia est compositio vel divisio. Et quoad itios duas

nperalienes n's primae intentionis sunt notae prius intellectui, quam secundae. Terlia

est operalio discursiva a praemissis ad conctusiones, el itle discursus est intenlio

seconda el est actus ralionis, per quem ducimur in cognitionem primarum inlenlionum

el aliarum scicntiarum ; el ideo quoad bunc actum logica est prior el ita prior inquantum

ad doctrinam, quia per discursum doctrinamur.

109) Qu. sup. Porph. 11, p. 94 A: Significatum lermini communis significuntis

veram naturam triplieiter polest considerari. Uno quidem modo secundum esse in

suppositis, quod dicitur esse maleriale eius ; secundo modo consideratur absotule

secumtum esse quidditalivum; lertio modo ul per formam intelligibitem ab inlellectn

apprehenditur, quod est esse cognitum, el sie insunt ei intenliones. tntellectus

enim considerans naturam hominis unam iu mullis el de mullis ab uliqua propnetale

,i'psrta in natura sie considerata movetur ad causandum intentiune,n et Mam causatan,

attribuit Mi naturae, cuius est proprietas el a qua accipitur.

Pmim, Gesch. 1II. 14

210 XIX. Duns Scotus.

versauen in re auftrete, und dass durch die Art und Weise der Lösung

derselben auch die Auffassung der Universalien ante rem und post rem

modificirt werden müsse. Der Kern der ganzen Frage liegt bei Scotus

in dem Begriffe der „species intelligibilis" (s. bei Aristoteles, Abschn.

IV, Anm. 63, und aus diesem bei Thomas, Abschn. XVII, Anm. 499 u. 510),

welche einerseits in den llealismus der ursprünglichen Wesens-Quiddität

(ante rem) zurückgreift und andrerseits doch zu einem anli-platonischen

Conceptnalismus verarbeitet wird. Dasjenige nemlich, durch welches die

Tbüligkeit des Denkens veranlasst wird (s. ob. Anm. 100), könne unmög

lich das blosse sinnliche Bild der Gegenstände sein, denn dieses sei von

vorneherein ungleicharlig , sondern sowohl hei Parlicularem als auch bei

Universellem wirke auf den Intellectus eine gestaltende Form (species

informans), durch welche derselbe als thäliger mittelst eines Sammelns

(colligere) oder gleichsam mittelst eines Vermehrens die Form eines uni

versalen Objectes erfasse110). Eben diese species intelligibilis siehe dem

nach in Mitte zwischen der reinen Spiritualität des Denkens und der

Materialität des Siimes-F.indruckes, sowie ja auch hei letzterem selbst

wieder eine dreifache Abstufung iii Object, Medium und Organ vorliege111).

Und somit sei hiebei nicht in platonischer Weise von Einflüssen der Ideal-

Welt, sondern von Formen die Rede , welche in den Dingen unter individualisirendeu

Umständen auf die Sinnes-Wahrnehmuug wirken, aber von

der Denkth.'iligkcit in andere Formen umgesetzt werden112); denn nach

Plato's Ansicht müsse der intellectus agens hinvvcgfallen, hingegen gerade

wenn das Universale als solches nicht in concretcr Existenz sich findet,

110) 0u. de rer. princ, 14, 3, (Vol. III) p. 129 A: Species inlelligit,itis requiritur

in inlellectu propler duo. Unum est, si res intellecta sit corporalis, quia species

sensus propler suam malerialitalem el improporlionem non possent movere inlellectum

; et ideo est necesse, ul fiul ab ea abstraclio seu, ut melius dicam, mulliplicalio

speciei inleliigibitis virtule tuminis intellectus agentis.... Sccundo requiritur

species propler obii'cti absenliam (B) Intellectus per speciem informantem inlelligit

tam universalia quam parlicuioria et alia .tpecie particuioria et alia universalia

.46 omnibus istis speciebus, puta sensalionis a specie rei sensibitis, ul

est in sensu el ut est in imuginalionc, colligit speciem rei universalis intellectus

communis. Ebenil. 15, p. 137 A: Obiecta bene agunt in inlellectum immitlendo

spec,em, maxime mm hoc fial in virtule intellectus agentis. Dass ich grundsätzlich

darauf verzichte, in die Geschichte der Psychologie (intellectus passivus n. aclivus

u. dgl.) überzugreifen, habe ich schon längst oben, Abschn. XVI, Anm. 4 f. aus

gesprochen.

111) Ebend. 14, p. 124 B: Habet species sensibitis esse tripliciter, sc. in obiecto

extra, quod est maleriale; in medio, et hoc esse est quodammodo spiritnale

et immaleriale; habet esse in organo et hoc adhuc magis spiritualiter (p. 1 25 A)

Ex his palet, qualiler phantasma habet esse quoddam maleriale respectu eorum. quae

sunt in sensu Sie in tntellectu non polest deveniri ab extn'mo, sc. a phantasmale,

ad extremum, sc. ad intellectim, seu ad ücturu intelligendi, qui est pure spiritualis,

nisi per medium intcr spirituale et corporale ; huiusmodi aulem medium est

species intelligibitis, quae non habet adeo esse maleriale sicul phantasma, nec adeo

spirituale ul intellectus.

112) 0n. sup. An. post. t, 3, p. 347 B: Dicitur secundum Ptalanicos, quoll nos

intelligimus per species influxas ab ideis (p. 348 A) fies mulliplical suam

speciem per sensus exleriores ..'...usquc ad pJ,autasiam, el ista species exislit sub

modo materiali et concipitm sub conditionibus individuantibus ; sed ista, ul sic, non

polest perficere intellectum. Ideo intellectus agens ex ilio specie in pbantasmate posita

gignit aliam speciem in iulellectu possibiti.

XIX. Duns Scotus. 211

sei es Sache des Intellectus, das exislirende Ding als Darsteller eines

Universale zu fassen , so dass dabei der auf die Singularität gerichtete

Sinnes-Eindruck mitspielt und doch zugleich die Quiddität der species in

lelligibilis aus dem Einzelnen „hervorleuchtet" ll3). Ja es folge aus dieser

provocirenden Wirkung der species intelligibilis eine passive Empfäng

lichkeit, welche mit dem Denken wesentlich verbunden sei und eine

pussin intentionalis genannt werden könne114), jedoch nur in dem Sinne,

dass diese Passivität des unmittelbar natürlichen Empfangens dem acliven

Wirken der Denkthäligkeit vorhergeht115), und die objecliven Dinge nur

die gelegentlichen Veranlasser der universalen Auffassung sind118). So

seien die Universalien, welche der Intellectus trotz aller Abhängigkeit von

dem Sinnlichen doch in höherer Weise erfasse, in der That „erworbene"

Formen — species acquisitae — ln), und wenn man z. B. von Artbegriflen

spreche , so sei diess nicht so zu verstehen , dass dieselben als

solche wirklich exisliren , sondern nur dass sie mittelst der aus den

Einzelndingen geschöpften species intelligibilis vom Intellectus actucll

erfasst werden118). Eben die Einzelndinge aber seien es demnach,

welche der Intellectus zunächst früher erkenne , denn gerade weil das

Universale als wirkliches Universale nicht in dem Einzelndinge selbst

sein , sondern nur durch das Denken aus demselben gemacht werden

könne, müsse doch dasjenige, an welchem die abstrahlende Thätigkeit

113) Senf. IM. I, Dist. 3, OK. 6, (Vol. V) p. 521 : Si essenliae rerum essent

universales, sicul posuit Ptalo, non indigeremus secondum ipsum iulellectu agmle.

Cum aulem universale inquantum universale nihit sit in existentia, sed l»»lum ,vi( in

aliquo ul repraesentante ipsum obiectum sub tali ralione, inlellestus agens facit

aliquid repraesentalivum universalis de eo, quod fuil repraesentalivum sinijalaris.

Ebend. p. 538: Nihil intelligimus in universal» nisi cuius singutare pkantasiamur,

nec est alia conversio ad phantasma, nisi quod intelligens universale imaginatur sin

guiore eius, nee inlellectus vidct quod quid est in phantasmalibus sicut in ralione

videndi, sed intelligens quod quid est retucens in specie intelligibiti videl ittud in suo

singuiori viso. Vgl. Report. Paris, l, Dist. 3, 0u. 4, (Vol. XI) p. 47 A.

114) S,'Ht. f-)l,. l, a. a. O. p. 529: Non tantum intellectus palitur ab obiecto

reali imprimente talem speciem realem, sed ab itla obiecto ul in specie intelligibiti

palitur passione intenlionali, et itio passio est receplio iulellcclionis, quae est ab

inlelligibiti, inquantum intelligibitc est retucens in specie intelligibiti, et istud pali

est inlelligere.

115) Eb,md. p. 517: Inleliectus polest kahere obiectum actu universale perfecte

sibi praessns in ralione obiecti prius naturaliler, quum actu inlelligat; in itlo

priori habet obiectum sibi praesens in specie inlelligibiti, et ita habet speciem inlelligibitem

priorem actu.

116) (/u. in Praedicam. 3, p. 127 B: Res non est tola causa iitlenlionis , sed

tantum eccasio, inquantum sciticet movel intellectum, ut actu consideret, et intellectus

est principalis causa. S. Amn. 100.

117) tJu. sup. An. post. l, 46, p. 414 A: Onmss virtules sensitivae ,n-dinatae

sunt ad ,nlellectum ; prius enim apprehenditur species a sensibus ra-icnoribus, et

postea a sensu communi, lertio a phantasia, quarto ab intellectu, et ita inleliectus

in cognoscendo aliquo modo dependel a polentiis sensilivis et loquor de inlellectu,

secundum quod cognoscilur per species aequisitas.

118) 0n. sup.Porph. 18, p. 104 B: Ad ralionem generis requiritur, quod multas

habeal actu species, non quae existant actu vel polentia, sed quod tantum actu concipiantur

per speciem intelligibitem ab individuis acceptam quandoque existenlibus,

et quod actu habeant aplitudinem parlicipandi genus, quia talis actualitas esl illorum,

inquantum dicuntur species generis.

14*

212 XIX. Duns Scotus.

geübt werden soll, zuerst berührt werden, und wenn man wohl sagen

könne , dass in solcher Erkenntniss des Einzelnen ein unbeslimmt (confuse)

Allgemeines erfasst werde, so sei eben hier die Allgemeinheit noch

in die örtliche Individualisirung verflochten , während das logisch Allge

meine gerade diese Verflechtung ausschliesse ; kurz bei dem Erkennen

des concret Exislirenden (entüas actualis oder eoeistentia actualis, s. unten

Anm. 139 ff.) seien drei Stufen, deren erste das concrete Sein sinnfällig

betrachte, während die zweite das reflexive Bewusstsein (vgl. unten Anm.

124) dieser Betrachtung enthalte, und die dritte das Object mit dem

Universale vergleiche (comparare) und so als Intellectus auftrete 1 1 '•'}. Jene

abstrahirende Thäligkeit aber, welche Scotus wieder unterscheidet, je

nachdem entweder bloss von den Einzelndingen oder zugleich auch von

materiellen Modalitäten abgesehen werden soll, und welche er so mit der

byzanlinischen Lehre von der distributio in Verbindung bringt120), will

er in entschiedenem Gegensatze gegen Platonismus ausdrücklichst nicht

als ein „Entblössen" (denudare) von allem sinnlichen Eindrucke betrachtet

wissen , denn das Universale müsse wesentlich von den sinnfälligen Ein

zelndingen ausgesagt werden können, und eben nur darin liege die Er

hebung des Actes der Intelligenz über jene unbeslimmte Allgemeinheit

119) 0u. de «r. princ. 13, 3, (Vol. IM) p. 117 B: Prius cognnscit inlellectus

singuiore, quam universale; impossibite est enim, quod ralionem unirersalis ab aliquo

abstrahat, nisi id, a quo abstrahit, praecognoscat (p. 118 A) Si cognitio

refertur ad modum, quo inlellectus perficitur, cum universale inquontum tale omnino

non sit in re, sed fial aclione animae per abstractionem a singuioribus, necessc est,

ul actio intellectus prius utlingal singuiore, ex quo per actionem quasi de quadam

muleria facial universale, et posterius universale allingat, et sie malerialiter loquendo

prius cognoseat particutare In hoc homine particuiori exislenle actu baec

hu,nanitas el baec animalitas, quae actu existunt, primo supponunt hanc enlitalem

actualem Unde cum dicitur, quod cognitio nostra incipit a magis confusis et

magis universalibus, talis confusio et universalitas non exctudit singuioritalem el

signalionem actualis existentiae in re extra, nec tale confusum et universale est ittud,

a cuius ralione exctuditur „hie et n»ne", immo in eo inctuduntur Universale

aulem, de quo quaeris, allerius generis est, quia de ralione sua exctudit „hie et

nune" et signalionem et actuaiitulem exisleuliue. (Vgl. Abschn. XVII, Anm. 500.)

(B) Naturali ordine intellectus primo apprehendit actualitalem exislentis rei sensibilis

, secundo actum imaginalionis et rem imaginatam, et ab isto polest abstrahere

universale per considerulionem, el sie est rcrum, quod apprehensio universalis

semper est posterior apprehenstone particuioris Prior-est nolilia singutaris et a

sensu el ab inlellectu, quam uolilia universalis. Ebend. p. 112 A: Intellectus tripliciler

versatur cirea cognilionem actualis exislentiae rei: uno modo specutundo

ipsum actu esse in ipsa sensalione , alio modo reflexive (vgl. ebend. Anm. 520

u. unten Anm. 124) ink'lligendo, se inieitigere, ittud esse actu, lertio modo

companmdo ittud ad universale iulelligendo, quia haec albedo non sotum est actu.

sed eliam est color.

120) Qu. sup. An. post. I, 37, p. 403 A: Duplex est abstraclio. Una est a

maleria el supposilis, sicul homo abstrabitur ab itlo homine el ab isto et a maleria,

ul ab homine albo et nigro Alia est abstraclio a suppositis, sed non a maleria,

sicul homo albus abstrahitur ab itlo homine i•f ab isto, sed non a maleria, quia

album consequitur passioues maleriales. f)uplici isti abstractioni correspondet duplnx

signum distribulivum, quia lermino communi abstrarto a suppositis el a maleria

correspondet hoc siiinum „omnis" Sed hoc signum „unusquisque" correspondet

lermino communi abstracto a suppositis, sed non a maleria. Was wir bei Pelrus

Hispanus (Abschn. XVII, Anm. 240 ff.) über „omnis" sahen, erhält sumit hier eine

spitzfindige Bereicherung.

XIX. üuns Seotus. 213

(commune), welche in der noch sinnlichen Stufe des Wahrnehmens

walte121). So kann Seotus nicht bloss der aristotelischen Auffassung

betrell's desjenigen, was uns und was an sich kenntlich ist, sich anschliessen

m), sondern auch zugestehen, dass es Allgemein-Begriffe gibt,

welche mit dem Keisatze (circumstantia) der Parlicularität behaftet und

in dieser Verflechtung mit sinnlichen Einllriirkeii selbst den Thieren zu

gänglich sind, wohingegen die eigentlichen Universalien dem Intellectus

anheimfallen123). Jedenfalls aber muss Seotus mit jener oben (Anm. 3l)

erwähnten Polemik übereinslimmen, welche schon Lamarre gegen Thomas

betreffs der angeblichen Unerkennbarkeit des Singulären geffihrt hatte,

und Seotus hält daran fest, dass mit dem Universale zugleich das Ein

zelne erkannt werde, indem ja Letzteres von Ersterem nicht ausgeschlossen

werde , sondern eben nur die Individualisirung des Allgemeinen sei, so

dass auch der thomislisehe Begriff der reflexio nicht völlig genügen

könne124); kurz an dem sinnfälligen Veränderlichen seien seine Verän

derlichkeit und seine Cnveränderlichkeit nicht schroffe Gegensätze, sondern

nur verschiedene Beziehungen , welche eben auf Einzelnheit und Allge

meinheit beruhen m).

121) Senf. Lib. II, Dist. 3, 0u. l, (Vol. VI) p. 360: Universale in actu est

itl1ul. quod habet unitalem indi/ferenlem, secundum qunm ipsum idem est in polentia

proxima, ut dicatur de quolibet supposito Apparet improbälio itlius dicli, quod

inlellectus agens facit universal italem in rebus per hoc. quod denudal ipsum quod

quid est in phantasmale exislens. Nam ubicunque est, anlequam in inlellectu possibiti

habeat esse obieclive, nnn tamen est tale, cui polenlia proxima convenit

dici de quolibet, sed tantum est in polenlia proxima, ul *it in inlellectu possibiti;

est ergo in re commune, quod non est de se hoc, et per consequens ei de se non

repuanat esse non hoc; sed tale commune non est universale in actu, quia deficit ei

tlio differenlia, secundum quam ipsum idem uliqua idenlitale est praedicabite

de quolibet individuo. Ebenso Report. Paris, l], Dist. 12, Qu. 5, (Vol. XI) p. 328 B.

Vgl. auch Qu. in metaph. VII, 18 (Vol. IV) p. 721 f.

122) 0u. de anima, 16, l, (Vol. II) p. 539 A: Minus universale est, quod prius

nolum est nobis prioritale lemporis et cognilione confusa Iltud cognoscitur

posterius, cuius abstraclio est difficitior Prius cognoscitur magis universale a

nobis cognitione distincta.

123) Qu. in phgs. I, 5, (Vol. II) p. 16 A: Duplex est conceptus universalts;

quidam cum circumstantia particuiori sibi appropriata, ut „hoc corpus''...., alius est

sine tali cireumstanlia Cum inlellectus habet actualiler conceptum universalem

mm, cireumstantiis, oportet, quod actualiler respiciat et inlendat ad phantasmata

(p. 17 B) Brulis insunt conceptus universales cum cireumstantiis

singutaribus.

124) 0u. de anima, 22, 3, (Vol. H) p. 574 A: Dicit Thomas...., quod

inlellectus noster pro statu viae non polest cognoscere singuiore, quia secundum ipsum

maleria est principium singutaritalis Contra hoc procedendum est destruendo

suum principium individualionis, unde excommunicatus est Parisiis iste arlicutus, quod

non possint esse ptura individua eiusdem speciei (s. oh. Anm. 15) Impossibite

est, abstrahere universalia a singuiori non cognito singuiori Inlellectus non polest

inteiligere universale, nisi simul intelligat singuiorc, non ergo tantum per reflexionem

(vgl. Anm. 119) Singuiore est a nobis intelligibite secundum se, quia inlelligibititas

sequitur entitalem Singuiore nit,it addit ultra universale nisi gradum

singuioritalis, sed non exctuditur ralione universalitalis in eo conlentae. S. Abschn.

IV, Anm. 82.

125) Qu. sup. An. post. I, 10, p. 357 A: De mutabiti, secundum quod mutabite

, est scienlia, et eliam secundum quod immulubiti'. Istae raliones non sunt

oppositae, quia reiotae sunt ad diversu. Scientia enim est de mutabiti, secun214

XIX. Duns Scolus.

Aus all diesem geht hervor, dass nach des Scotus Auffassung die

Universalien als reine Quiddität der Dinge ante rem die metaphysische

Grundlage sind (bis zurück zu Gottes Denken, Anm. 103), aber zugleich

in re mit Individualisirung behaftet nicht wirkliche Universalien genannt

werden können, sondern nur als Sache der prima intentio (Anm. 107)

bei jener gelegentlichen Reizung des Intellectus durch die wahrnehmbaren

Einzelndinge die Wirkung einer species informans äussern (Anm. 100

u. 110), um sodann in der secunda intentio durch die Thätigkeit des

Intellectus zu eigentlichen Universalien posl rem erst gemacht zu werden.

Durch diese Grundlage aber ist hiemit bei Scotus sowohl in logisch subjecliver

Beziehung die Auffassung der significatio, als auch ontologisch

objecliv die Begründung des Principes der Individualion und der pluralüas

formarum folgerichlig bedingt.

Vor Allem nein! ich sei es gerade jene species inteliigibilis, nicht

aber die concrete Sache selbst, welche durch den menschlichen Sprach

ausdruck (vox) bezeichnet werde (vgl. Avicenna, Abschn. XVI, Anm. 85),

und zwar beziehe sich diese Bezeichnung auf die objeclive Seite der

species inteliigibilis, A. h. insoferne dieselbe den Wesensgehalt einer

Sache vorstelle , nicht hingegen insoferne sie subjecliv den Intellectus

reize; die Sache selbst daher könne vom Worte nur mittelbar, d. h. eben

mittelst der species intelligibilis (s. auch Anm. 118), bezeichnet werden,

denn insoferne die Dinge als concrete exisliren , werden sie auch nicht

an sich unmittelbar erkannt, sondern nur insoferne sie Gegenstand der

Denk-Auffassung sind 126). Also jene aristotelischen passiones animae

(vgl. ob. Anm. 114), welche der Intellectus durch die das Wesen ent

haltende species intelligibilis empfängt, sind Gegenstand der Wortbezeichnung,

nicht hingegen der reine Uract der Quiddität noch auch der

individualisirte Bestand der concreten Sache, denn nur demjenigen, was

der Intellectus erfasst, wird, sobald er es thut, ein Name aufgeprägt,

welcher nach seiner psychologischen Geltung ein Gleichniss der Sache

und nach seiner Geltung für die Wissenschaft das ursprüngliche Medium

ist, mittelst dessen die species inteliigibilis als ein Zeichen der Sache

vom Intellectus festgehalten wird 127).

dam quod est immutabite non in se, sed respectu passionis immntabitis. Vgl. unten

Anm. 145.

126) Qu. sup. Periherm. l, 2, p. 187 A: Polest quaeri, utrum nomen significet

rem vel speciem in anima, et intelligitur quaeslio non de nominibus imposilis ad

significandum sisnititudines vel specws, sed rfe quocitnque alio nomine cuicunque

imposito ßico aulem speciem intelligitnlium simititudinem inlelligibitem, quae

est in inlellectu ul in snbiecto, sicul species sensibitis est simititudo rei setuihitis,

quae est in sensu ul in subiecto (B) Species inteliigibilis immediale signifvatur

per vocem, sed itio dupliciter consideratur . aut inquantum esl quid acciden*

(zu lesI'n excitans), sc. informau* animam, aul inquantum repraesentat rem (vgl. ob.

Anm. 113). Primo modo non lignificatur per vocem sed secundo modo; ctim

enim omns signum, inquantum sigiumt. sit signum signali, sequitur, quod eote siqnificuns

simititudinem, inquantum signum rei, significal ipsam rem, sed mediale, quia

se. immediato significal id, quod est signum ei, inquantum et signum p. 188 B:

Res significatur, non tamen secundum quod existit. quia nec sie per se intctligitur,

sed secundum quod per se pereipitur ab iniellectu. S. Anm. 124.

127) Op. II sup. Periherm. l, p. 212 B: Hamen prima significal passiones animae„

(s. Abschn. IV, Anm. 108) i. e. concepliones intellectus Tria se babent sMOTi

XIX. Duns Scotus. 215

Insoweit nun auf diese Weise Denkact und Bezeichnung innig mit

einander verbunden sind , unterscheidet Scotus zunächst für beide ge

meinschaftlich ein „abstractes" Auftreten von einem „concreten" (— ein

Sprachgebrauch, welcher sich durch die Scolisten vollends einbürgerte —),

insoferne ersteres auf die Wesenheit in ihrer reinen Eigeuthümlichkeit,

letzteres auf ihre in den Einzelndingen geäusserte gestaltende Kraft ge

richtet ist128). Sodann aber bemüht er sich, Denkact und Bezeichnung

selbst wieder zu unterscheiden, und da weist er dem eigentlichen „modus

intelligendi" das Gebiet der secunda intentio zu, d. h. jene Momente,

welche den bezeichneten Dingen nur durch eine beslimmte Auffassungs

weise zukommen (wie z. B. „Mensch" nicht nothwendig als „Art" zu

denken ist, sondern auch als „dieser Mensch" gedacht werden kann) und

daher nur in äusserlicher Verknüpfung durch „esl" mit dem Bezeichneten

verbunden werden, wohingegen der „modus signi/icandi" von der Namengebung

her dem Bezeichneten einwohne und stets untrennbar mit ihm

verbunden bleibe, daher in diesem Modus das „principium formale" der

Einheit des Bezeichneten liege 129). Und diese Betrachtung führt er nun

in jener oben (Anm. 83) erwähnten Schrift, welche in ihrem grössten

Theile der Grammalik angehört, weitläufiger aus. Nemlich der modus

significandi sei entweder activus, insoferne er in der Eigenthümlichkeit

des Wortausdruckes selbst, oder aber passivus , insoferne er in der

dum ordinem. Primum est species intelligibitis, secundum quam est in actu, sicut

actus primus in sua propria natura Secundum est, quod ralio rei est quod

quid eral esse rei (d. h. das TÖ n' JjV etvrts), quod obiicitur virtuli inlelleclivae,

inquantum est actus, qui est species intelligibitis, secundum quem actum fertur virtus

cognoscens in ipsum quod quid eral esse— (p. 213 A) Terlium est res particuioriter

existens sub conditionibus individuantibus. Primum non significatur primo per vocem,

quia quod quid est primo intelligitur, quam species rei intelligitur, quia intellectus

species inlelligibites non intelligit nisi per reflexionem, sicut actum suum.

Tertium vero, sc. res exislenles individualiler per suam ralionem propriam, non

possunt primo significare, quia intellectus est in actu primo per suum obiectum proprium,

quod est quod quid est rei; intellectus non intelligil primo singuiore, sed

quod quid est sine conditionibus malerialibus, et sicul intelligitur, imponitur

ei nomen Simititudinem convenit ostendere dupliciter: vel secundum esse, quod

habel in anima, vel secundum quod est duclivum in cognilionem rei. Si primo modo

consideretur, sie nomen significal simititudinem rei ; s« aulem consideretur, prout

ducil in cognitionem rei, tunc non primo signifieatur, sed est, quo primo intelligibite

intelligitur Nomen mediante specie in anima, quam primo significat, signi

fical posterius rem (p. 213 B) Voces significant species, inquantum sunt

signa rerumf

128) Qu. in Praedicam. 8, p. 136B: Quamlibel cssentiam contingit sub ralione

propria inlelligere et eliam significare , el tali modo intelligendi correspondel modus

signi/icandi abstractus; alio modo contingit intelligere istam essentiam, inquantum

informat subiectum, el huic modo intelligendi correspondel modus signi/icandi coneretus.

S. Absclm. IV, Anm. 147.

129) 0u. sup. Porph. 16, p. 102 A: Quidam sunt modi, qui proprie dicuntur

modi significandi, qui conveniunt dictioni ex impositione, et itli sunt a significalo

inseparabites Ali, reru sunt modi magis proprie dicli modi intelligendi, quia

tantum insunt signi/icalo, secundum quod sub aliquo certo modo concipitur, qui quidem

sunt separabites; polest enim „Aomo" intelligi sub opposito huius inlentionis

„species" sine repugnantia, ut „isle homo" Modi, qui sunt inseparabites a signi-

/icalo, ....sunt formalia principia seu raliones, sub quibus signi/icata uniuntur

Secundi modi extranei eunt significalis et uniuntur per hoc verbum „esl". Esse enim

est rei per se, istae aulem inlentiones non insunl rebus per se, sed ul comparantur

216 XIX. Duns Scotus.

Eigenthümlichkeit der bezeichneten Sache liege, und (— • wobei wieder

byzanlinische Logik, und zwar namentlich Shyreswood beigezogen ist —)

das Wort bekomme durch den Intelleclus die doppelte Funclion, dass es

sowohl als dictio etwas bezeichnet (significaC) , als auch gemeinschaftlich

mit anderen diess thut (consigni/icat) und somit zum Redetheile wird130)-

Dabei aber sei daran festzuhalten, dass jeder modus significandi activus

dennocl, ursprünglich von einer Eigenthümlichkeit einer Sache herkomme,

denn nur durch Objecte ja könne der Intellectus determinirt werden (s.

ob. Anm. 114), und auch die erdichteten oder privaliven Ausdrücke seien

hiegegen kein Einwand, indem dieselben jedenfalls auf einem posiliv realen

Vorgange in der Seele bei uben 131). Ja eben darum müsse auch der

modus intelligendi als ein activus und ein passivus unterschieden wer

den, indem letzterer in der Eigenthümlichkeit der aufgefasslen Sache und

ersterer in der Eigenthümlichkeit der Auffassung selbst liege, so dass

hiemit der modus significandi activus unmittelbar von einem modus in

telligendi activus herrühre132). Auch knüpft sich die folgerichlige Be

merkung daran, dass somit das Sein und die passiven Modalitäten des

Denkens und des Bezeichnens sachlich das Nemliche sind, aber der Form

nach (formaliter) sich unterscheiden, wohingegen Passivität und Aclivität

des Denkens und Bezeichnens formell zusammentreffen und materiell

divergiren 133); auch liege die passive Modalität des Bezeichnens stofflich

ad intellectum; ideo isti modi non sunt unili per se nec sunt principia formalia,

sub quibus significata formalia uniuntur.

130) Gramm, spec. l, (Vol. 1) p. 45 A : Modus significandi activus est modus

sive proprietas voeis ab intetlectu sibi concessa, qua medianle vox proprietalem rei

significat. Modus significandi passivus est modus sive proprietas rei, prout est per

vocem significata Intellectus duplicem voci ratlonem tribuit, sc. ralionem signi

ficandi, per quam e/ficitur signum vel significans, et sie formaliter est diclio, ei ralio

nem eonsignificandi, per quam vox significans fil consignum vel consignificans, et sie

formaliter est pars oralionis. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 32, 67, 125, 199.

131) Ebend. c. 2, p. 46 A : Oportet, omnem modum significandi activum ab aliqua

rei proprietale radicaliter oriri, quia intellectus ad ipsam rei proprietalem

(,spie.,t quia inte llectus , cum sit virtus passira de se iaaelerminala, ad actum

delerminatum non vadil , nisi aliunde delerminetur Sed si contra hoc obiiciatur,

quia privaliones el figmenta sub nullis proprietalibus cadunt, dicendum,

quod non oporlet, quod semper modus significandi activus dictiouis trahatur a pro

prietale rei itlius dictionis, cuius est modus significandi, sed polest accipi a proprie

tale rei allerius dictionis PHvatione» inlelligimus ex suis habiübus Liee l

privaliones non sint enlia posiliva extra animam, sin,l tamen entia quia eorum intelligi est eorum esse (s. Abscbn. IV, Anm. 422)p.osiliva in anima,

132) Ebend. c. 3, p. 46 B : Modi significandi activi immediale a modis inlelligendi

passivis sumuntm Modus intelligendi aclivus est ralio concipiendi, qua

mediante intellectus rei proprietales significat, concipit vel apprehen,Ht; modus aulem

intelligendi passivus est proprietas rei , prout ab intellectu apprehensa Modi

significandi actit'i non sumuntur a modis essendi, nisi ul hi modi essendi ab intellectu

apprebenduntur.

133) Ebend. c. 4, p. 46 B: Modus essendi et modus inlelligendi passivus et

modus significaudi passivus sunl idem muleHaliter et realiler, sed differunt forma

liler; (p. 47 A) nam modus essendi dicit absotule proprietalem rei, el modus

intclliqi'ndi passivus dirit proprietalem rei sub modo inlelligendi et modus signifi

candi passivus Modus tntelligendi aclivus el passivus differuul malerialiter el

conveniunt formaliter .... Modus significandi activu* el passivus diffenmt malerialiter

et sunt idem formaliler.

XIX. Duns Scolus. 217

in den Dingen und formell im Worte, hingegen die aclive stofflich im

Worte und nur nach entfernterer oder näherer Causalität in den Dingen

oder im Denken 134).

Was aber nun hingegen die objeclive Seite der Universalien m re

betrifft, so tritt zunächst die Frage über das principium individualionis

in den Vordergrund , welche bei Scotus ganz folgerichlig wieder auf

seinen Conceptualismns zurückweist. Vor Allem muss bezüglich der Individualisirung

die concrete Existenz, d. h. wie es Scotus nennt, das esse

existere, so scharf als möglich von der Wesenheit, d. h. von dem esse

essentiae, sowohl bei Substanzen als auch bei Merkmalen getrennt wer

den135), was sich auch bis in den Sprachgebrauch des Wortes „ens"

erstreckt136). Die Wesenheit selbst nemlich ist nur die substanlielle

Form überhaupt, und aus ihr folgt in erster Linie nur das „Sein" des

wirklich Seienden (esse actualüer entis) . hingegen Existenz ist nur eine

Folge der Individualisirung, so dass das Exisliren für Wesenheiten etwas

Accidentelles , für Individuen aber das Wesentliche ist137). Und wenn

somit der aristotelische Begriff des ovvoAoil erfasst wird 138), so sucht

Scotus den sich hieran knüpfenden Folgerungen zu entgehen , um nicht

jenen Bedenken Raum zu geben , welche seitens der Orthodoxie gegen

die Lehre des Albert und des Thomas erhoben worden waren. Nemlich

auch bei ihm bietet die Angelologie die Veranlassung dar (vgl. oben Anm.

13 ff., 28, 48), über das Prmcip der Individualion eine feste Ansicht zu

gewinnen und auszusprechen. In einer Weise, welche fast an Gilbertus

134) Ebend. c. 5, p. 47 A: Modus significandi passivus malerialiler est in re ut

in subiecto formaliter aulem est in eo subiecto, in quo est modus significandi

aclivus Modus aulem signif,candi activus, cum sit proprictas vocis significalivae,

malerialiter est in voce significaliva ut in subieeto, in proprietale aulem rei sicul

causatum in causa remota, in intellectu sicul causatum in causa proxima, in construelione

sicul eßciens in suo cffectu proprio.

135) Qu. sup. An. post. I, 30, p. 392 B: Substanliae duplex est esse, sc. esse

essenliae et exislenliae. Esse essenliae est de essentia, esse exislere non. Eodem

modo inesse accidenlis est duplex , sc. inesse exislere et inesse essentiae

(p. 393 A) Inhaerenlia accidenlis actualis «on est de essentia accidenlis; inkaerentia

tamen secundum aplitudinem est de eius essentia.

136) Eb,r,d. II, 4, p. 420 B: „Ens" nomen et „ens" participium non significant

puram entitalem rei sive quidditalem, sed ,,ens" parlicipiuru sionifical rei existentiam,

quae est extra essentiam et itli essenliuliter accidit.

137) Ehend. 6, p. 422 A : Esse, quod est actualiter enlis, non est de essentia.

Huum polest esse duplex ralio. Prima, quia esse est modus essenliae, modus aulem

rei non est de essentia. Item, si esse essel aetus intrinsecus essentiae, et eliam

ipsius essentiae est unus actus essentialis, ut forma substanlialis , tunc unius composili

i'ssent duo actns substanliales compleli ; sed dno actns substantiales compleli

fi,ciunt duo composita; ergo mmm compositum esset duo composita. Palet ergo, quod

esse, quod est actualiter entis, non est de eisentia, sicul nec esse exislere. Ista

tamen duo esse sunt distincta, quia esse, quod est actualiler entis, primo consequitnr

essentium et est proprium esse ipsius essenliae, sed esse exislere primo consequitur

ipsum individuum. Ebend. 4 , p. 420 A : Esse exislere non consequitur

essenlium primo, sed primo consequitur individuum ; individuum enim per se el primo

existit. essentia nonnisi per accidens.

138) Ebend. I, 39, p. 406 R: „Hoc aliquid" et „simul totum" in re sunt

necessario coniuncta, quia non est ponere, naturam speciei e.vistere, sicul ponit Plato,

praeler singutaria, igitur corruplo rsgnolon" necessario rom,mpitur „hoc aliquid".

Vgl. Absehu. XVII, Anm. 391.

218 XIX. Duns Scotus.

I'orretanus erinnert, nimmt er Individualion als eine Untheilbarkeit, welche

einen inneren Gegensatz gegen Manigfaltigkeit in sich trage , und indem

er als Grund dieser Sprödigkeit des Individuums die concrete Posilion

selbst, d. h. die entüas positiva, bezeichnet139), polemisirt er ausführlich

gegen Thomas; denn gegen die Annahme einer Beslimmtheit durch Raum-

Dimensionen (Ahsclui. XVII, Anm. 519) spreche jedenfalls schon der Um

stand, dass es immaterielle Individuen gebe , und somit von der natür

lichen Materie abzusehen sei, wohingegen der Begriff einer snbstantialüas

singularis allseitig genüge140); auch könne die zum „Dieses -Sein" be

stimmte Einheit (imilas signala ut haec) überhaupt unmöglich in der

Quanlität liegen , denn diese sei jedenfalls keine Substanz , sondern nur

ein Accidens (vgl. Gottfried v. Fontaines, ob. Anm. 65 f.) , und enthalte

auch nicht den Unterschied singulärer Individualitäten in sich , da ja die

Zahlen sich gegenseilig als Art-Unterschiede verhalten, wozu noch komme,

dass die Theile eines Quantums nie den Begriff des Ganzen als ihr Prädicat

annehmen, während von den Individuen stets die Specics als Prädicat

ausgesagt wird141); ebensowenig aber könne auch die Materie der Grund

der Individualion sein, denn, — wie schon Lamarre bemerkt hatte, s. ob.

Anm. 30 —, die Materie verbleibe auch noch beim Tode des Indivi

duums142). Das Einzige hingegen, wodurch das Individuum eben zum

Individuum werde, könne nur dasjenige sein, was in seinem Begriffe

gegenüber allen höherliegenden Begriffen als Eigenthümliches liege, und

139) Sent. Lib. II, Dist. 3, Qu. 2, (Vol. VI) p. 375: Necesse est, per aliquod

posit,v um intrinsccum huic iopidi tanquam per ralionem propriam repugnare sibi,

dirit,i in partes subiectivas ; et ittud posilivum erit, quod dicitur esse per se causa

individualionis, el per individualionem intelligo istam indivisibititalem Cum in

qualibet unitale sit dare entitalem posilivam, quae sit ralio per se itlius unitalis et

iitii,s repugnanliac ad mullitudinem oppositam, maxime vel aequaliler erit hoc dare

in unitale perfectissima. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 479.

140) 0n. «n metaph. V, 4, (Vol. IV) p. 605 B : Dicit Thomas, quod unitas numeralis

causatur ex maleria una, sc,'undum quod substal dimensionibus dcterminalis.

Contra: In immalerialibus est unum, el tamen non est ibi talis maleria

Mani/estior est nobis umtat in materialibus, quam in immalerialibus, non tamen

exeludit, quin sit in immalerialibus Singniore simpliciter substantiale habet

ralionem malerialem, et substanlialitas appropriatur simpliciter singuiori, unde

unum nutner» est, cuius maleria est una numero, i. e. cuius substanlialitas est

singuioris simpliciler, el tunc nihit est ad maleriam realem.

141) Senf. Lib. II, Dist. 3, 0n. 4, (Vol. VI) p. 383: Intelligo per individua

lionem sive unitalem numeralem sive per singuioritalem non quidsm unitatem indelerminatam,

secundum quam quodlibel in specie dicitur unum numero, sed unitatem

signatam ut „hanc" p. 384: Substantia est prior naturaliter omni accidenle

Ergo convenit substanliae primae ex ralione sua, quod sit „hacc", prius naturaliter,

quam detrrminetur aliquo accidente p. 389: Si quanlitas sit primo individuans

substantiam, oporleret, quod ipsa in se primo sit haec el de se distinctu numeraliti'r

ab alia ; sed tunc tua proposilio non est vera, sc. quod omnis differentia formalis

est specifica; quantitas enim haec et itio sunt formae, ergo different specifice

p. 391 : Tolum universale, quod dividitur in individua et in parles subicclivas, praedieatur

de qualibel itiorum partium subiectivarum ita, quod quaelit,ct pars subiectiva

est ipsum; parles aulem quantitalivae, in quas fit divisio lolius continui, nunquam

recipiunt praedicalionem lolius divisi in ipsas.

142) Eilend. 5, p. 402: Maleria est eadem in generato et corrupto ; ergo habet

eandem singutaritolem in genito el corrupto. Vgl. überhaupt Report. Par. II, Dist. 12,

0u. 5 fl'., (Vol. XI) p. 326 ff.

XIX. Duns Scotus. 219

diess sei nun die entilas positiva1*3} , wofür Scotus als Ausdrirck des

aristotelischen rode n elvai auch das Wort „haecceilas" gebraucht144).

Und wenn auch die Entstehung der Individuen eine quanlitalive und

materielle Vervielfälligung des Artbegriffes mit sich bringe, so sei doch

nur die haecceitas die wahre und nnerlässliche Ursache (causa, sine qua

non), und darum folge alle Entstehung und Zeugung diesem Impulse der

Individualion; daher auch walte in der objekliven Welt eben nur diese

Duplicität von Allgemeinheit und Einzelnheit (vgl. ob. Anm. 125), denn

erstere werde in letzterer individualisirt, hingegen für den subjectiven

Begriff, also für den Standpunkt eines Couceptualismus , liege allerdings

die abstract gefasste haecceitas selbst in Mitte zwischen dem Universale

und dem singulären Dinge145). So werde das Sein der ursprünglichen

Quiddität (d. h. das Universale ante rem) im Denken scharf geschieden

von dem Sein des Individuums, denn in der Quiddität selbst kann kein

Grund der Individualion erblickt werden, und die entitas quidditativa

liege jedenfalls dem Formalen und hiemit im Urtheile dem Prädicale

näher, während die entitas individui dem Materiellen und somit (wie

die aristotelische ngoorr] ovaia) dem Subjecte der Urtheile zugewen

det sei146).

143) Senf. a. a. O. Qu. 6, p. 403: Omne inferius inctudit in se aliquid, quod

non inctuditur in inlellectu superioris ; ergo aliquid per se inctuditur in ralione

naturae ; itlud aulem inelusum est enlitas positiva.

144) Report. Paris. II, Dist. 12, 0u. 5, (Vol. XI) p. 327 B: Non polest intclligi

haecceitas ut universale, cuni ipsa haecceitas de se sit „haec" p. 329 A :

Haecceitas est numero baec essenlialiter.

145) 0u. sup. An. post. t, 36, p. 401 B : Naturae speciei accidit mulliplicari

per multa eins dimrsa inilividua; individua enim per qunntitalem mulliplicantur el

alias condiliones maleriales ; sed naturae speciei accidunt condilionrs maleriales, ideo

mullitudo individuorum accidit naturae speciei (p. 402 A) Haecceitas est causa,

sine qua non, et non causa posiliva, et isto modo generalio primo consequitur naturam

in hoc Generalio primo polest inessc diversis individui s, non tamen inquantum

dislincta sunt bgpostalice, sed pro eo, quod generalio consequitur primo

naturam, quae est in hoc et quae est in itlo. Et ita generalio quodammodo est

universalis, non simpliciler, quia non ut universale est ahstractum, quia universale

abstractum sie non coneipitur, inquantum hoc posilive, nec sub hoc, sed ita quod

haecceitas sit causa, sine qua non. Sed naturae tamen inest primo generalio conlingenter,

non tamen conlingit sine haecccitale (somit vollständig das aristo

telische „avÖQo,noi; äv&(!ionov ysvvif", s. Ahsc,hn. IV, Anm. 463) Tu dices:

ergo est ponere medium intcr universale el singulure. Dicitur, quod non sequitur.

Sed tantum. quod sil ponere medium intcr universale el singuiore, secundum quod

concipitur inquantum hoc; sed inler simpliciter universale ct simpliciter singutare non

est medium. Nalura enim, quae in hoc primo generatur, non est simpliciter univer

sal^, sed est simpliciter singuioris ; est tamen universalis secundum quid, quia non

concipitur inquantum hoc posilive.

146) &»;. Lib. II, Dist. 3, Qu. 6, p. 408: Enlilas individui est diversa ab omni

enlitule quidilitaliva, quia intelligendo quameunque entitalem quidditalivam non

habetur in quidditale inlellecta, unde ipsa sit haec ; ergo Mn enlitas. quae de se est

haec, est alia entitas a quidditate Omni t realitas specifica constituit in esse

formnli, quia in esse quidditalivo ; realitas individui constituil praccise in esse maleriali,

h. e. in esse contracto. Et ex hoc sequitur itio distinctio logicalis, quod ista

entitas essenlialiler est formalis et itta malerialis, quia itta constituit in rulione

subiicibitis et ista in ralione praetiicabitis. pmcdicatum autrm formale habct ralionem

formar, et sui,iicibile habet ralionem maleriae. Ebenso ehend. p. 419.

22(I XIX. Duns Scotus.

Hieran aber knüpfen sich hei Scotus noch Erwägungen , welche in

Biilde von seinen Schülern so sehr ausgebeutet wurden (insbesondere

betreffs der Trinitäl), dass sich allmälig fast eine eigene kleine Litteratur,

nemlieh die der „Fornsalitales" , abzweigte. Schon im Bisherigen auch

(s. Anm. 129 u. 133) waren uns Stellen begegnet, in welchen das Wort

„formalüer" zur Bezeichnung der subjectiv logischen Auffassung diente,

und diese letztere kommt nun bezüglich der Individualion noch näher in

Betracht. Vorerst nemlieh ist die so eben erwähnte entitas quiddüativa

sowohl im Stolle als auch in der Form und in der Zusammensetzung des

Stoffes und der Form (s. oh. Anm. 107) der eigentliche Prioritiits-Standpmikt,

zu welchem behufs der Individualion, d. h. der „entitas ut haee",

wst noch eine ullima realüas hinzutreten muss, und während dann im

Individuum jene drei Momente sachlich coincidiren , müssen sie doch

logisch als formaliter distincta betrachtet werden147). Sodann gilt inner

halb der entitas determinaliva des Individuums das Gleiche auch in Bezug

auf die in ihm individualisirten Gattungs- und Art-Begriffe, denn sachlich

treffen diese im Einzeln-Dinge zusammen, aber formell sind sie sicher

„non idem", so dass in einer Gradabstufung sowohl die Gattung als

auch die Art als auch das Individuum je für sich eine eigene „forma

lilas" besitzt, und insbesondere die Formalitas des Individuums einen

über die Quidditäl hinausgehenden Zusatz in der Häcceität enthält14s).

Auf diese Weise kann dann zwischen einer identitas formalis und einer

identitas reaiis derarlig unterschieden werden, dass in letzterer die erslere

durchaus nicht involvirt ist, denn formell idenlisch ist nur, was ursprüng

lich und begrifflich ein „idem" ist; und jener Unterschied selbst soll

wieder nicht so fast durch das posilive Wort „dislinclum", sondern

besser durch den negaliven Ausdruck „formalüer non idem" ausge

sprochen werden 149). Natürlich liegt hiemit der Höhepunkt der formellen

147) Ebend. p. 413: Enlitas quidditaliva est nnturaliler prior ista enlitale, M

cst baec Sicut compositum non iuctudit suam entitalem, qua esl hoc, inquantum

natura, ita nec maleria, inquantum natura, inctudit suaiu entitulem, qua est haec,

nec forma, inquantum natura, inctudit suam. Ergo iita entitas non est maleria vel

forma nec compositum, inquantum quodlibel istorum est natura, sed est ullima realitas

entis, quod est maleria vel fornu, vel compositum, ita quod quodlibel commune

et tamen delerminabite adhuc polest dislingui, quantumcunque sit una res, in ptures

realitales formaliter distinctas, quarum haec formaliter non est itio.

148) Report. Paris. H, Dist. 12, OK. 8, (Vol. XI) p. 331 B: Cum singutarin

sunt differentia, ipsa reducuntur ad prima divena; itio non sunt nihita, non accidentia,

non natura, igitur aliqua enlitas delerminaliva nalurae, ul proprietales individuali's

Igitur non necesse est, rem, a qua accipitur differentia specificu, esse

aliud re ab itta. a quo est genus acreptum ; semper tamen est non idem formaliter.

Kl ista proprietas individui nunquam est res alia a formu sperifica, tamen semper

est non idem formaliter IHssimite tamen est in hoc, quod formalitas speeifica

semper est simpliciler perfectior gradu vel formalitate generis; sed non nportrt provrietalem

individui esse simpliciler perfectiorem formalitale spesifica. Secunda dissimititudo

: formalitas specifica contrahit ad esse quidditulivum simpliciter perfectum,

sed formalitas individui contrahit quidditalem ad aliquid extra quidditalem, quia

omnino allerius ralionis.

149) Sent. Üb. t, Dist. 2, 0u. 7, (Vol. V) p. 355 (gelegentlich der Trinitäts-

Lehre) : Voco aulem idenlitalem formalem, ubi itlud, quod sie dicitur idem, inctudit

ittud, cui sie esl idem, in ralione sua formali el per consequens Essentia non inctudit in ralione sua formali proprietalem spupeprossietiprneicmoe mcoodno

XIX. Duns Scotus. 221

Idenlität in jener ideniitas adaequata, welche zwischen der Auflassung

einer Definilion und der Auffassung des Definirten besteht150), während

im Uebrigen sogar bei dem Unendlichen (— Trinität —) immer noch

eine formelle Nicht-Idenlität möglich bleibt151). Sowie aber bezüglich

der Frage, ob Etwas idem oder distinctum sei, die Probe im contrudictorischen

Urtheile liegt152), und überhaupt dabei logische Momente in

die grammalischen Formen einwirken, da z. B. albus nur materiell iden

lisch mit color, hingegen albedo formell idenlisch ist153), so weisen

andrerseits gerade sämmtliche formalitates quiddilativae auf das ontologische

Gebiet der metaphysischen Grundlagen des Seienden hinüber154).

In eben diesem letzteren Momente aber finden wir wieder die

Brücke zu demjenigen , was bezüglich der ontologischen Seite der Uni

versalien in re uns noch zu besprechen übrig ist, nemlieh zur pluralitas

formarum. In dieser Frage kann Scotus, wie sich erwarten lässt, nicht

den Standpunkt eines Gottfried v. Fontaines oder eines Johannes Parisiensis

theilen, welch beide die in Einem Wesen enthaltene Vielheit der

Formen dem subjecliven Denk-Verfahren zuwiesen (s. ob. Anm. 70 u. 74),

sondern er stellt sich grundsätzlich auf die objeclive Auffassung des

Lamarre (Anm. 30) und gelangt bezüglich des Menschen-Wesens zum Dua

lismus des Goethals (Anm. 50). Dass die Wesen aus einer wesentlichen

verso, et ideo polest concedi, quod ante omnem actum intellectus est realitas essenliae,

quae formaliter von est itio vet non est eadem formaliter Mi. Numquid igitur

ilebet concedi aliqua distinclio? Respondeo: Melius est uli ista negaliva „Hoc non est

formaliter idem", IfnKOT „Hoc est sie et sie distinctum". Sed nonne sequitur: „A et

B von sunt idem formaliter, ergo sunt formaliter distincta"? Responileo, quod non

oportet sequi, quin formalitns in antecedente negatur et in consequenle affirmutur

Manifestatur per exrmpl', Si ponatur albedo species simplex, est tamen in albedine

aliquid realiler, unde habet ralionem coloris, et aliquid, urtde habet ralionem

dif[ere!,liae, et baec realitas formaliter non est itta realitas; imo una est extra realitalem

allerius, formal,ler loquendo, sicul si essent duae res, licel modo per idenlitatem

istae duae realitales sint una res. Hoc exemplum , quod ideulitas realis

»,m necessario conrtudit identitalem formalem.

150) Quodlib. du. l, (Vol. XII) p. 11: Aliquid est idem essentialiter, sive

sil idem essentialiter iilentitale adaequata, sicul in ereaturis iitud est idem, quod

inlellitjitur per definilionem, ei, quod inlelligitur per definitum, sive sit idem tanquam

inctusum essentialiter in itlo, quomodo ittud, quod intelligitur per partem definilion,s,

possei dici idem ei, quod inlellifiitur per definitum. Diess dürfle wohl auf die Lehre

von der Consequentia zurückweisen, s. Ahschn. XVII, Anm. 623.

151) Sent. Lib. I, Dist. 5, Qu. 2, (Vol. V) p. 663: Perfeclio idenlitalis exetudit

omnem compositionem et quasicomposilionem, quae identitas est propler infinitalem,

et tamen infinitas nnu lollit formaliter raliones, quin kaec formaliter non sit itio.

152) Sent. IM,. IV, Dist. 49, Qu. 2, (Vol. X) p. 338: Dislinctorum in enlitale

absotuta allerum polest esse absque contradictionc sine allem. Quodlib. Qu. 3,

(Vol. XII) p. 82: Universaliter enim quod convenit alicui sie, quod omnimoda rantradictio

sit, iltud esse sine hoc, hoc est idem realiler Mi.

153) Qu. de anima, 21, 12, (Vol. II) p. 567 B : Licel genus el differentia non

sint idem formaliler, quia ralio differenliae non ineludit ralionem formalem generis,

tamen sont idem realiler vel i,lentice ; quundocunque enim aliqua sunt idem formaliter,

si iungantur sine medio, est nugalio, ut „color albedo'', non tamen si sunt idem

idenlicc sotum, et non formaliter, ul „color albus".

154) Sent. Lib. II, Dist. 16, Qu. t, (Vol. Vl) p. 772: Kns rontinel multas passiones,

quae non sunt res aliae ab ipso ente, distinguuntur tamen ab inviccm

formaliter et quidditalive el eliam t,b ente, formulitale dico reali et quidditaliva ;

uliter tuetaphgsica non esset scienliu realis. Vgl. ob. Anm. 98.

222 XIX. Duns Scotus.

Mehrheit zusammengesetzt sind, steht ihm von vorneherein fest, und nur

wenn man sich an den Wortausdruck anklammern wolle, gestehe er zu,

dass die letzte abschliessend hinzukommende Form des Zusammengesetzten,

wodurch es ist, was es ist, allerdings Eine sei, aher eben hiemit sei die

Vielheit der hiedurch verbundenen Formen nicht verneint155). Eine zeit

liche Stufenfolge aber der verschiedenen Formen , deren die je frühere

auf die je spätere mitwirke, verhindere es, dass das zusammengesetzte

Wesen etwa bloss ein Aggregat wiire156); und selbst bei der Annahme

einer gleichzeiligen Wirkung bestehe eine natürliche Rangfolge der For

men, welche bei Substanzen zu grösserer Vollkommenheit und hei Accidenlien

abwärts zur allmäligen Unvollkommenheit führe157). So sei auch

beim Menschen-Wesen in der Form der „Mischung" die ganze Vielheit

vorausgehender Formen enthalten , und es trete hiezu als zweite Haupt

form das Intellectuelle hinzu158). Abgesehen aber von der fortschreitenden

wirksamen Kraft der Wesens-Bildung könne allerdings eine Vielheit von

Formen als eine gleichzeilig exislirende nur z. B. in den Körpertheileji

bestehen, deren jeder seine eigene Wesensform hat, hingegen für das

Zustandekommen des schliesslich einheitlichen Wesens wirke eben eine

Gradabstufung (gradus) mehrerer Formen109); und insoweit beim Ent-

155) Sent. Lib. IV, Dist. II, 0u. 3, (Vol. VIII) p. 649: Esse tolius composili

ineludit esse omnium partium et inctudit multa esse pa,lialia multarum partium vel

formarum, sicut tolum ens ex mullis formis inctudit Mas actualitales partiales. Si

tumen omnino fiat vis in verko, concedo, quod formale esse lolius composili est

principalilei per unam formam, et ilio fonna est, qua lolum compoütum est hoc

ens; ista aulem est utlima adveniens omnibus praecedentibus. Et hoc modo lotum

compositum dividitur in duas partes essentiales, in actum proprium, sc. ullimam for

mam, qua est itiud, quod est, et in proprium polentiam itlius actus, quae ineludit

maleriam primam cum omnibus formis pruecedenlibu^. Et isto modo concedo, quod

esse illud lotale est complelive ab una forma, quae dal loli ittud, quod est; sed

ex hoc non sequitur, quod in lolo inctudatur praecise una~ forma, vel quin in lolo

inciudantur plures formae p. 653: Frustra enim poneretur eorporeitus alia ab

intetlectiva, si ipsa inctudal vegetalivam el sensitivam el sensiliva el vegetaliva inciudont

corporeitatem ; sed secundum aliam viam est facitis responsio ; kic enim est

nccessitas ponendi plura p. 654: Licel intellectiva non habeal propriam repugnuntiam

ad aliquam formam naturalem, tamen informando materiam requiril qualttales

aliquas; .... itioe antem sunt quolitales consequentes formam priorem.

156) Theorem. 21, (Vol. 1II) p. 319 A: Forma prior adveniens posleriori dal

perfertionem non tantum sibi propriam, sed eliam posleriori propriam; aliler non

fieret n,mm ex maleria et forma, nisi aggregalione. Ehend. 22, p. 327 A: Si

formae sunt ptures in esse perfecto, et actiones; quia forma est principium sufficiens

actionis.

157) Sent. a. a. O. p. 645 : Ptures sunt mutaliones partiales lerminatae ad

plures fonuus parliales praecedentes vel ordinc duralionis, si pouatur una forma prius

lempore induci quam alia, vel ordine naturae, si ponamus omnes itios simul lempore

induci p. 648: Quamdiu proceditur in substantialibus, semper posterior est

perfectior prioribus; quando aulem venitur ad uccidentales, sequens est imperfeclior

ullima praecedente.

158) Ebend. p. 640: Forma mistionis conlinel virtualiler omnes formas, quae

possunt esse seorsim in aliis formis corporis. Ideo aulem intellecliva non c,inlinel

istam formam mislionis, forma aulem mistionis continet omnes alias extensas

vel extensibites ; el ideo itioe duae sufficiunt in homine.

159) OB. de anima, 15, 12, (Vol. II) p. 533 A: Secundum diverses gradus in

formis ptures formae possunt unum maleriam tam informare per hoc, quod forma

praecedens lenel se ex parte maleriae, et hoc lerminat polentialitalem eius disponendu

XIX. Duns Scotus. 223

stehungs-Processe eines Wesens zwei Formen in ihrem Zusammentreircn

eine neue dritte bewirken, sei diese letztere eben hiedurch eine intensivere

(intensior), als die vorausgehenden, während bei denjenigen Formen,

welche nicht zum Vorgange der Wesensbildung selbst gehören (z. B. den

Formen der Kürpeiihcile) sehr wohl mehrere Formen gleicher Art neben

einander bestehen können 1B0). —- Uebrigens bot Scotus, indem er auf

physikalischem Gebiete diese Gradualität der Formen, d. h. die Steigerung

und das Nachlassen derselben, näher erörterte1li1), auch hierin die Ver

anlassung dazu dar, dass bald von verschiedenen Seiten mehrere Schriften

„De intenswuK et remissione furmarum" verfasst wurden.

Mag somit dasjenige seine Erledigung gefunden haben, was bei Scotus

die Auffassung der Universalien und die Entscheidung der mit denselben

zusammenhangenden Controversen betrifft, so bleibt uns nun noch übrig,

Um auch durch die einzelneu Theile der Logik hindurch zu begleiten.

Hiebei aber wird sich uns als seine wichligste Eigenthümlichkeit zeigen,

dass er häufig und in reichem Maasse die Lehren der byzanlinischen

Logik cinllicht, für deren allmälige Fortbildung er uns ohuediess schon

oben (vor. Absehn., Anm. 586 ff.) als geschichllicher Zeuge gedient halle;

und während es allerdings auch möglich wäre, die sämmllichen byzan

linischen Gruppen des Scolus abgesondert für sich darzustellen , will ich

dieselben doch lieber, um einen sachgemässeren Eindruck hervorzubringen,

einzeln dort einreihen, wo sie Scotus selbst gleichsam als Ergänzungen

betrachtet zu haben scheint (in ähnlicher Weise uiusste ich ja bereits

oben an zwei Stellen, Anm. 88 u. 109, verfahren).

Im Commentare zur Isagoge benützt Scotus das von Albert auf

gespeicherte Material und erörtert so die Fünfzahl der Universalien 16-),

die verschiedenen Definilionen des genus l63), wobei er daran festhält,

dass die Gattung nicht Stoü" ist164), die Definilionen der spedes165; und

der differentia unter Beiziehung der arabischen Unterscheidung zwischen

ipsam ad fonnam sequi'nlem, sirul e converso una formu polest ptures mulerias informare

per hoc, qnud allera se lenet ex parle formue. du. in Pbgs. I, 24, 4, (Vol. Il)

p. 97 B: Quod t!ntu..s,b,l,' est, simul ptures /oroias substantiules esse in eodem subiecto,

est verum, nisi secundum diversas portiones maleriae, in quihus sunt diversae

partes fo!mae, et ex quibus constituitur uua fom,a; secundo islud est verum de

formis educlis de polenlia maleriae.

160) Qu. in metaph. V, 7, (Vol. IV) p. 618 B: Quaecunque formae eiustiem

speciei in eodem faeiunt unum, ittud unum lertium est intensiu* utroque; ss tunc

ttuue species sint simul in medio et faciunt unum, causnbunt speciem unam int,'nsiorem

p. 619 B: Omnes formue habentcs differenliam in eodem subiecto, si

imlnri,ntiir per motum, uccessario differunt sp,'cic; tan,en de uliis non inductis pet'

motum non est nccessarium, imo pussibite est, quod duac laJes eiusdem ipecici sml

in eodem subieeto. Ebend. VII, 20, p. 733 B, wo jl'doch nur die Mehrheit der

Tbeite eines lebenden Wesens gemeint ist, deren jeder seine ihm eigentbüiulici,e

'A esensfonn haben muss.

161) Qu. in phgs. III, 4, 14, (Vol. II) p. 180 B.

162) (!u. s»p. Potph. 12, p. 95 f. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 400. u. AbsHm.

XVI, Anm. 107.

163) Ehend. 15, p. 98 f. u. 17, p. 103. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 401. und

Abschn. XVI, Anm. 109.

164) Ebd. 16, p. 100. Vgl. Absclm. XVII, Anm. 422.

165) Ebd. 20 f., p. 106 ff. Vgl. Abschn. XVH, Anm. 411. ". Abschn. XVI,

Anm. 121.

224 XIX. Duns Scotus.

substantiale und essentiale luu) und Fixirung der richligen Wortform167),

sodann noch proprium und accidens im Anschlusse an Avicenna (jedoch

ohne ihn zu nennen) polemisch gegen Porphyrius lB>s); was aber bei

Albert über die Tabula logica und das wechselseilige Verhällniss der

fünf Universalien sich findet109), ist hier nicht berücksichligt.

Bei Erörterung der Kategorien verwirft Scotus Albert's Auffassung

des Begriffes „praedicabüe" 1 ' u), bespricht aber im Anschlusse an Albert

das „ens" äusserst ausführlich171), desgleichen die sog. Anteprädicamente1'

2) und die regula de quocunque 1 ' 3J ; die Begriindung der Zehnzahl

der Kategorien weist er der Metaphysik zu174) und lässt in der

weitschweifigen Detail-Erklärung auf die Substanz die Quanlität, dann die

Relalion und erst hierauf die Qualität folgen170). Als ein Verdienst muss

hervorgehoben werden, dass er im Vergleiche mit Albert verständig genug

ist, behufs einer Ergänzung der Kategorien das stümperhafte Machwerk

des Gilbertus Porretanus zu verschmähen t7u).

In der Lehre vom Urt heile nimmt Scotus von vorneherein in

Shyreswood's Weise den byzanlinischen Begriff der Syncategoreumata auf,

welche nicht, wie das Subject und das Prüdicat, auf ein von ihnen be

zeichnetes und ihnen entsprechendes Ding hinweisen , sondern nur den

Sinn der Auffassung modificiren ! 7 ") und daher auch nie als selbststündige

Redetheile auftreten178); denn wenn sie beim Prädicate stehen, sind sie

nur ein Theil desselben, ohne es in seinem Verhältnisse zum Subjecte zu

determiniren, und wenn sie beim Subjecte stehen, beslimmen sie dasselbe

166; Ebd. 23—27, p. 109— 114. Vgl. Abschn. XVlI, Anm. 418 ff. u. Absehn.

XVI, Anm. 94, 135 ff., 158.

167J Ebd. 29, p. 114 f. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 150 (das übliche Beispiel

ist auch hier „ralionale''}.

168) Ebd. 30 ff., p. 116 ff. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 425 ff. u. Abschn. XVI,

Anm. 152 ff.

169) S. Abschn. XVII, Anm. 414 u. 427.

170) Qu. sup. Praedicam. 2, p. 126; s. Abschn. XVII, Anm. 429.

171) Ebeud. 4, p. 128 ff. Qu. sup. Etench. 15, p. 237 A: Quod quaedam res

ad invicem babent hubitudinem, ideo dicit primus pbitosophus (A, h. der Metaphy

siker), Ituod „ens'' dicitur de substanliu et accidentibus analogice; sed quia logicus

fonsiderat res, ul sub ralione cadunt, ideo dicit, quod „ens" aequivoce dicitur de

substaulia et accidcnte. Vgl. ebd. Anm. 415. u. Abschn. XVI, Anm. 32.

172) Qu. sup. Praed. 5-8, p. 131-137.

173) Ebd. 9, p. 138.

174) Ebd. 11, p. 142 B. Doch fmdet sich eine solche metaphysische Erörte

rung bei ihm nicht.

175) Ebd. 12—30. Die gleiche Reihenfolge trafen wir auch bei Vincenz v.

Benuvais, Abschn. XVII, Anm. 309.

176) Vgl. Abschn. XV11, Anm. 439 f.

177) Qu. sup. An. pr. \, 8, p. 284 B: In propositione inveniuntur duplices lermmi:

quidam, qui sunt ul subiectum et pra,'dicolum, et sunt lermini calegoremalici;

alti sunt lcrmin» ,gncalegoremalici, ul signa universalia, purtieuioria, copuio universalis,

coniunctiones et lwiusmodi, et istis lerminis non correspondel aliquod significatum

uliud a significulis lerminorum calegon'malicorum, sed per ipsos intellectus

aliler intelligit et apprehendil eandem rem. (Auch Shyreswood hatle ja die Copuio

„esf" zu den Syncalegoreumata gerechnet, s. Abschn. XVII, Anm. 78.)

178) Op. 11 Mp. Veriherm., Prooem. p. 212 : JVominu et verba sunt mugis porles

interpretalionis , quam interpretaliones , et dictiones sgncalegoremalicae non babent

ralionem interpretulionis, quia non sunt dictiones per se significantes.

XIX. Duns Scotus. 225

nur im Vergleiche zum Prädicate, ohne selbst ein Theil des Subjectes zu

sein 179), d. h. sie heben dann nur die Unentschiedenheit des Subjeetsbegriffes

auf, um ihn in ein beslimmtes Verhältniss der Supposilion zu

bringen 180)- Hingegen ebendarum verbleibt dem Verbum als solchem

seine sachliche Geltung, indem es nicht, wie die Syncategoreumata, eine

blosse Modalität, sondern einen Thatbestand ausdrückt, neben welchem die

satzbildende Funclion als zweites hergeht181).

Diese grundsätzliche Bezugnahme auf byzanlinischen Stoff tritt bei

Scotus nun überall hervor, wo Gelegenheit dazu ist. In Bezug auf die

Quanlität der Urtheile polemisirt er ausdrücklich gegen eine Erörterung,

welche über das Wort „omnis" sich bei Petrus Hispanus findet, da bei

dem Zeichen der Universalität es genüge, die Funclion aufzufassen, welche

es für die Supposilion überhaupt ausübe 182). Dann auch fasst er die

Frage als eine ganz allgemeine auf, ob die quanlitaliven Momente für

sämmtliche Arten der Urtheile Geltung haben, und hiebei führt er aus

dem „Auctor Summularum" (d. h. aus Petrus Hispanus) eine Menge von

Beispielen an, denkt auch an die hypothelischen, exclusiven, excepliven

Urtheile, und erwähnt gelegentlich die Worte „continue, ab aelerno,

omnino", auch „ceteri, singuli", neben vielen anderen längst tradilio

nellen Syncategoreumata183). Und während betreffs der Qualität etwa

179) Q«. in Praedicam. 12, p. 144 B: Omne sgncalegoremalicum in praedicalo

est pars praedicali; ... aliter ex ceris sequeretur falsum sie „Nultus homo est omnis

homo" (s. bei Petrus Hispauus , Abschn. XVII, Anm. 246) p. 145 A: Sgncalegoremalicum

additum praedicato non delerminal ipsum in comparalione ad subiectum,

. — et ita est sgncalegoremalicum respectu partis praedicali, sed non respectu praedicali,

quia ipsum est alia pars praedicali. Sed sgncalegoremalicum additum subiecto

non est pars subiecli, quia delerminat ittud , cui additur, in comparalione ad

praedicatum. Somit steht Scatus auch hierin auf dem Eintheitungs-Molive des

Shyreswood (s. ebend. Anm. 66 f. u. 80), nicht aber auf dem engeren Begriffe des

Syncategorenma , wie er bei Petrus Hispanus (Abschn. XVII, Anm. 256) erscheint;

und auch die Späleren folgen dem Scotus.

180) Ebend. p. 144 A: „Homo" de se indifferens est ad multas accepliones, sc.

pro voce, pro intentione, pro suppositis ; signa vero, ul „omnis, aliquis", sibi addita

indifferentiam ad intentiones et ad voces tollunt et delerminant ipsum ad acceplionem

tantum pro suppositis.

181) Op. 11 sup'. Periherm. 4, p. 217 B: Verbum non tantum est unio sive modus

uniendi extrema, sed et est res quaedam unita, cui apponitur praedicatum; quia in

verbo sunt duo, sc. compositio el res.

182) 0n. sup. An. pr. I, 7, p. 282 B: Signum universale non requirit aliquem

certum numerum suppositorum lermini communis , cui additur, sicut aliqui dicunt

(s. Abschn. XVII, Anm. 241), quod hoc signum „omnis" ad minus requirit tna

supposita; quia signum universale affirmalivum non denolat aliud, quam praedicatum

dici de omni supposito subiecli, non connotando mullitudinem vel paucitalem

suppositorum.

183) Ebend. 4, p. 278 A: An omnis proposilio sit universalis, parlicuioris, indefinita,

vel singuioris. Arguitur, quod non, de islis proposilionibus „Omnis homo est

totum in quanlitatc" (s. bei Petrus Hispanus , Abschn. XVII , Anm. 208) , „Omnis

homo est lerminus communis signo universali delerminatus" (ebd. Anm. 202), ...de

quibus non videtur, quod sint universales, quia tunc essent falsae, et tamen ponit

ipsas auctor Summutarum lsta „Omnis Phoenix est" (ebd. Anm. 242) non est

universalis, quia subiectum non dislribuitur pro pluribus, et tamen hoc signum

„omnis" ad minus requiril tna supposita (ebd. Anm. 241) Dubitatur de propo

silionibus hgpothclicis, quantae sint Tria quaesita „Quac, Qualis, Quanta"

(ebd. Anm. 153) uo« solum quaerunt de calegorica, immo tam de calegorica quam

PRANTL, Gesch. III. 15

XIX. U,ms Scotus.

erwähnt werden mag, dass im Anschlusse an arabische Lehre bei Urtheilen

jeder Art das Hauptgewicht auf die Stellung der Negalion gelegt wird l84),

und daher die Zusammensetzung des Verbums mit einer Negalion das

Urtheil zu einem negaliven macht185), so ist es hinwiederum die Moda

lität, welche Anknüpfungen an Byzanlinisches darbietet Scotus nemlich

zieht das ganze Gebiet der Exponibilia bei und betrachtet (wie auch

schon Andere getl,an hatten, s. Abschn. XVII, Anm. 604) als versleckt

hypothelische Urtheile alle Exclusiv-, Copulaliv-, Reduplicativ- Sälze und

auch diejenigen Sälze, welche auf incipit und desinü oder auf den jün

geren Syncategoreumata generari, corrumpi beruhen t*6), sowie er gleich

falls aus den späteren Erweiterungen jener Logik bei den Worten „scio,

cognosco, ignoro" u. dgl. die Unterscheidung eines sensus compositus

und eines sensus divisus aufnimmt187), während die Berücksichligung

der Relaliva auf die ältere Formalion zurückweist188). Auch benützt er

hgpothelica, ut palct in Summulis ; proposiliones hgpothelicae sunt quantae

secundum quantitalem calegoricorum, ex quibus componuntur, ut ista „St onn,is

homo currit, omnis homo movetur"' (hier jedoch tauscht den Scotus sein Gedachtniss,

denn in den „Summuioe" findet sich Solches nirgends, wohl hiugegen bei

Algazeli, s. Abschn. XVI, Anm. 261) Dubitatur de propositionibus exelusieis,

exceplivii et huiusmodi, ut ista „Tantum animal est homo" aequipollet isti copulalivae

„Animal est homo, el nit,il ab animali est homo1' (s. Petr. Hispanus, Abschn.

XVII, Anm. 260) Dubitatur de ista „Q.nnes apostoli sunt duodecim" (ebd.

Anm. 240,1 , quod hoc signum „omnis" lenetur collectiec Dubilatur de isla

„Totus Soerules est minor Soerafe" (ebd. Anm. 252), et dicitur, quod est universalis

capiendo hoc signum „lotus" distribulive (ebd. Anm. 267) Dubitatur de propositionibus

, in quibus ponitur aliquis istorum lerminorum „rnntinni' (vgl. ebend.

Anm. 597), ab aelerno, omnino" et huiusmodi (abermals eine Vermehrung der Syncalegoreumata)

Dubitatur de ista „Infinita puncta sunt in conlinuo" ; respondctur,

quod accipiendo hoc signum ,. ?«/''"/"" sgncalegoremalice tunc ipsa est universalis

affirmaliva (s. ebend. Anm. 264) Dubitatur de propositionibus, in quibus

ponuntur reioliva diversitalis, ut ista nomina „celeri, sinqulf et huiusmodi (ebd. Anm.

217, woselbst jedoch ausser „aJ,us" kein anderes Beispiel erwähnt ist).

184) Ebend. I, 3, p. 277 A: Proposilio calegorica, in qua ponitur lerminus infinitus

sive a parle subiecti sive a parle praedicali, est affirmalira, dum tamen

coputam non praecedal negalio aliqua Proposiliones hgpothelicae non sunt

affirmalivae vel negalivae ralione calegoricarum, ex quibus componuntur, sed ralioae

coniunrlionis. S. bei Algazeli, Abschn. XVI, Anm. 260.

185) 0u. sup. Perihi'tm. II, l, p. 204 B' Verbum infinitum in oralione positum

non differt a verbo pure negaliva (p. 205 A) Negalio non tantum refertur ad

rem verbi, sed ad compositionem ; ideo übi ponitur verbum infmitum in oralione, if/a

est propositio negaliva simpliciter.

186) 0u. sup. An. pr. t, 3, p. 276 B: Quaedam est proposilio mere calegorica

el aliqua hgpothelica et aliqua, quae non est hgpothelica per coniunctionem expressam,

aequipollet tamen hgpothelicae, ut proposilio exctusiva (s. Abschn. XVII,

Anm. 76 f. u. 260), copuioliva (ebd. Anm. 86 u. 589), reduplicaliva (ebd. Anm. 262)

et proposiliones, in quibus ponuntur ista verba „incipit, desinit (i'bd.Anm.81 u.263),

generari, corrumpi" vel consimitia (ebd. Anm. 600) p. 277 B : Proposiliones,

in qu,bus ponuntur huiusmodi dictiones, possunt dici affirmalive vel negalive cum

uddilione.

187) 0u. m phgs. I1F, l, 3, (Vol. II) p. 170 A: fslo verba „scio, cognosco,

ignoro" facivnt proposilionem in sensu composito, sc. quando praecedunt vel sequuntur

totam proposilionem, sed in sensu diviso, quando ponuntur inler parles propositionis.

S. ebend. Anm. 585 f. u. 598.

188) Qu. sup. Periherm. II, 10, p. 208 A: Reiolivum substantiae refert idem cum

suo antecedente, „qui" vero est reiolivum substantiae etc. s. ebend. Anm. 213.

XIX. Duns Scolus. 227

hiebet erklärlicher Weise die ampliatiols9} und greift mit der copulatio

bis zu Shyreswood zurück190). Und diese letzteren Momente verwerthet

er auch hei Erörterung eines aristotelischen Beispieles, welches schon im

früheren Mittelalter die Erklärer beschäfligt hatte („Homerus est poeta",

s. Ahschn. XIV, Anm. 211), indem die Tragweite eines im Präsens stehen

den Verbuuis durch die distributioltl) und beziehungsweise auch durch

die restrictio bedingt ist 192). Auch modificirt er jene von Späteren (s.

Ahschn. XVII, Anm. 595) über die Umsetzung modaler Urtheile in Urtheile

des Stattfindens aufgestellten Regeln in spitzfindigster Weise, je

nachdem in dem ursprünglichen Urtheile ein Pluralis oder eine copulalive

Conjunclion oder ein Zahlwort oder ein Syncategoreuma ent

halten ist193).

Was die Lehre vom Schlusse betrifft, so begegnen wir sofort

einer Berücksichligung des Begriffes der consequentia (s. ebend. Anm.

610 ff.), indem Scotus Denjenigen gegenüber, welche bei der aristoteli

schen Definilion des Syllogismus an die Exponibilia dachten, auf den

Unterschied hinweist, welcher zwischen Syllogismus und consequentia

189) Qu. sup. Anat. pr. I, 12, p. 291 A: Propositionum de messe quaedam

sunt, in quibus ponitur aliquis lerminus a,nt'ln,lirns (ebd. Anm. 225 f. u. 598) subiccli

vel praedicali ad supponendum pro suppositis possibitibus praelerili vel

futuri aut cuiustibel lemporis indifferenler; aliquae sunt, in quibus non ponitur huiusmodi

lenninus.

190) Op. II sup. Periherm. 6, p. 218 A: Ulrum verbum de praesenli coyulel

„nunc", quod instat, vel indi/ferenler quodlibel praesens „Hie homo est homo"

copniot pro isto nunc, et eras cum dico ,,bonm esl", coputabit pro isto nunc, quod

est tunc, sub ralione pruesentialitalis et non pro hoc singutari nunc. Unde sie .copuiol

verbum de praesenti pro quolibet praesenli , quousque babeat ralionem praesenlis, et

non pro iustanti significalo. S. bei Shyreswood, Abschn. XVII, Anm. 63, vgl. ebend.

Anm. 127.

191) 0«. sup. Periherm. I, 9, p. 196 B: Utrum lerminus communis suppositus

»erdo de praesenti supponal tantum pro praesentibus. 10, p. 197 B: Ulrum in proposilione

de praelerito stcl subiectum tantum pro iilis, quae fuerunt, et de futuro

tantum pro illis, qui erunt. Vgl. ebend. Anm. 470. Auch gebraucht Scotus in all

diesen Capileln (qu. 6 ff.) häulig das Beispiel ,.Antichristus", vgl. eb^nd. Anm. 224.

11, p. 198 A: Terminus communis in quacunque proposilione supl,onit pro quibuscunque

suppositis sive existentibus sive non cxiilentibus Terminus pro

omnibus distribuitur in quacunquc propositioue, in qua absotule sumitur. Vgl. ebend.

Anm. 238 ff.

192l Ebend. 13, p. 202 A: Ulrum terminus communis possit restringi

(B) Terminus suppowns verbo de praesenli restringitur, et causa restriclionis est

actualis inhaerenlia praedicali ad subiectum p. 203 B: Sed cum per pmposilionem

de praesenti non ptus significutur, nisi extremum inesse extremo, polest dubitari,

per quid signi/icetur actualis int,aerentia, quae est causa restrictionis (die Lösung

aber dieses Zweifels fehlt). S. ehend. Anm. 230 ff.

193) 0u. in phgs. VI, 2, 6, (Vol. It) p. 356 B: Istae reguioe sunt modificandae.

Primo si allerum extremum sit pturalis numeri, non oporlet, quod itta proposilio

ponatur in esse per unam de praesenli Secundo si allerum extremum sit copuiotum,

non oporlet, quod per unam proposilionem ponatur in esse, sed per plures

Terlio quando ab uno extremo proposilionis ponitur lerminus numeralis, tunc itio

ponenda est in esse per plures proposiliones Quarto quando a parle praedicali

proposilionis ponitur sgncalegorema vel aliquod inctudens sgncalegorema, tunc non

oportelj quando itio propositio ponitur in esse, quod iltud sgncalegorema maneal sub

propria forma a parte praedicali Istis quatuor conditionibus observalis iltae

reguioe sunt univenaliier concedendae.

15*

XIX. Duns Scotus.

bestehe, indem zur letzteren auch schon die Umkehrung, die Aequipollenz,

das Enthymema u. dgl. (s. ebend. Anm. 611 u. 616) gehöre, wobei nur

aus Einem Satze ein anderer gefolgert werde194). Doch hängt eben

damit wieder die äusserst ausführliche Erörterung über die Umkehrung

der Urtheile zusammen, indem dabei die consequentia in ihrer engeren

Bedeutung mitspielt und überhaupt trotz allem Anschlusse an Aristoteles,

bei welchem natürlich die Lehre von der Umkehrung nur im Dienste der

Syllogislik steht, doch jener Standpunkt durchblickt, nach welchem die

Umkehrung eine niedrere Stufe des Syllogismus selbst sein soll (s. ebend.

Anm. 616). Scotus zeigt bei dieser Gelegenheit die ganze Schärfe seines

logischen Denkens, und wenn wir auch für den byzanlinischen Wust

grammalischer Dinge uns wahrlich nicht erwärmen können und gerne

zugestehen, dass Scotus da, wo gebotene Gelegenheit gewesen wäre195),

die principiellen Schwierigkeiten des aristotelischen Buches De interpr.

ebensowenig als Albert (ebd. Anm. 455) gründlich gelöst habe, so trifll

er doch bezüglich der Umkehrung der Urtheile vielfach das Richlige,

indem er auf Fälle hinweist, in welchen die bloss den Umfang der Be

griffe berücksichligende tradilionelle Lehre nicht zureicht.

So weist er an der Hand byzanlinischer Logik betreffs des allgemein

bejahenden Urtheiles nicht bloss darauf hin, dass die übliche Regel der

Umkehrung desselben für das exceplive, exclusive und reduplicalive Urtheil

(s. Abschn. XVII, Anm. 260 ff.) nicht gelten könne, sondern hebt auch

ausdrücklich hervor, dass ein allgemein bejahendes Urtheil, dessen Prädicat

ein nicht vereinzelter Gemeinbegriff ist, rein umgekehrt werden kann,

wenn Subjects- und Prädicats-Begriff vertauschbar sind, wenn ein Unter

begriff von einem Oberbegriffe ausgesagt wird , und wenn (nach den

Regeln der consequentia) der Vordersatz eine Unmöglichkeit enthält196).

194) Qu. sup. An. pr. I, 5, p. 280 A: liio definitio (d. h. des Syllogismus bei

Aristoleles) compelit consequenliae, in qua arguitur ab exponibitibus ad expositam,

ul dicendo „animal est homo, el nihit aliud ab animali est homo; igitur

tantum animal est Aomo" (s. Abschn. XVII, Anm. 260). Und die Lösung dieses

EiuwanJes ioutet p. 280 D: Ponuntur ista „in qua quibusdam positis" (d. h. eben

diese in der aristolelischen Definilion des Syllogismus vorkommenden Worte) ad

differentiam consequcntiae, in qua ex una proposilione infertur alia, cuiusmodi est

conversio, aequipollentia, enthgmema el huiusmodi, quarum aliquae sunt consequentiae

formales et aliquae maleriales.

195) Qu. sup. Periherm. H, 3 ff., p. 205 ff.

196) 0n. sup. An. pr. I, 14, p. 293 B: Proposilio exctusiva est tmiversalis

affirmaliva, et tamen convertitur simpliciler in universalem affirmalivam Propositio

excepliva est universalis affirmaliva...., el tamen non convertitur in parlicuiorem

affirmalivam. Proposilio reduplicaliva est unicersalis affirmaliva , et

tamen non converlitur in parlicutarem affirmalivam. Hierauf werden ausführlichst

sämmtliche Falle unterschieden, je nachdem im allgemein bejahenden Urtheite das

Prädicat ein lerminus diseretus (s. Abschn. XVIf, Anm. 624) oder communis und in

letzterem Falle entweder non distributus oder distributus ist (s. ebend. Anm. 238 ff.),

welch letzleres wieder entweder affirmalive oder negalive eintreten kann. Und da

wird z. B. betreffs der gewöhnlichen aristolelischen Urtheitsform bemerkt (p. 294 A):

Universalis affirmaliva, cuius praedicatum est lerminus communis non distributus ,

in tribus casibus polest converli simpliciter gralia maleriae: Quando antecedens est

impossibite, et ideo sequitur „Omnis homo est asinus, igitur omnis asinus est homo",

quia ad impossibite sequitur quodlibct (s. ebend. Anm. 621 ff.) Quando subiectum

el praedicatum sunt lermini convertibites (es ist diess vollständig richlig,

XIX. Duns Scotus. 229

Auch heim allgemein verneinenden Urtheile fällt ihm für die Umkehrung

das Hauptgewicht auf die distributio , denn wenn dieselbe durch die

Salzform ausgeschlossen ist, lässt sich das Urtheil nur parlicular umkeh

ren, und wenn sie negaliv auftritt, muss die Umkehrung mittelst eines

Relalivsatzes vorgenommen werden 197). Desgleichen wird das parlicular

bejahende Urtheil, falls sein Prädicat eine Distribulion zulässt, in ein all

gemein bejahendes umgekehrt werden müssen; wenn aber das Prädicat

ein terminus discretus ist, tritt auch hier das Mittel eines Relalivsatzes

ein 198). Und auch die Frage über das parlicular verneinende Urtheil

(dieselbe blieb bekannllichst noch später ein Gegenstand verschiedener

Ansichten) erledigt er in gleicher Weise, indem ihm die Umkehrung des

selben in ein parlicular verneinendes Urtheil jedenfalls -statthaft erscheint,

insoferne nur im umgekehrten Urtheile die Distribulion ausgeschlossen

bleibt (d. h. die Negalion dem Prädicate vorangeht); denn nach consequentia

formalis muss die im ursprünglichen Urtheile stattfindende

Distribulion bei der Umkehrung wegfallen, während nach consequentia

materialis sie in jenen nemlichen Fällen möglich bleibt, in welchen

das allgemein bejahende Urtheil rein umgekehrt werden kann199). Aber

man denke nur an Urtheite, wie z. B. „Alle Körper sind schwer" oder „Alle Wirbelthiere

haben Btutgefasse" n. dgl.) Quando inferias praedicatur de suo superiori

„Omne animal est homo, igitur omnis homo est animal". Sodann noch:

Omnis universalis affirmaliua, cuius subiectum est lerminus communis distributus,

converlitur gralia formae in parlicuiorem affirmalivam Omnis propositio uni

versalis affirmaliva de lerminis rectis infert exctusivam de lerminis transpositis.

197) Ebend. 12, p. 291 B: Duplex est universalis negaliva; quaedam cuius

praedicatum distribuitur, ut „nultus homo est asinus" ; aliqua, in qua praedicatum

nan distribuitur, ul „omnis homo animal non est" Omnis proposilio universalis

negaliva, cuius praedicatum distribuitur, polest coneerli simpliciter Universalis

negaliva, cuius praedicatum non distribuitur, non polest converli simpliciler, ut

ista „Omnis phoenix animal non est'' converlenda est in istam „Quoddam animal

non est phoenix" Omne signum positum a parle subiecli in conversa debet

manere a parte praedicali in converlenle, sc. quando subiectum est lerminus communis

restrictus, : ut „Nultus homo est mulier", igitur „JV»fla mulier est nultus

homo" Oportet mutare signum secundum dcelinalionem grammalicalem, ul

„Nultus homo est capra", „Nulio capra est aliquis homo" (p. 292 A)

Quando praedicatum distribuitur negalive, ut ista „Nultus homo est null!tni animal"

converlitur in istam „Nihit, quod est nultum animat, est homo".

198) Ebend. 13, p. 292 B: Duplex invenitur proposilio parlicuioris affirmaliva;

quaedam, cuius praedicatum est lerminus diseretus, ut „Quidam homo est Soerales",

et talis sine aliquo addilo non polest converti simpliciler, sed per accidens in singuiorem;

st addantur istae dicliones „quod est", bene convertitur simpliciler....

„Aliquid, quod est Soerales, est homo" Alia est proposilio particuioris , cuius

praedicatum distribuitur, ut „Quaedam tuna est omnis luna", et infert quandam uni

versalem de lerminis transpositis, ul istam „Igitur omnis tuna est tuna".

199) Ebend. 15, p. 295 B: Quaedam est parlicuioris negaliva, cuius praedicatum

est distributum, sc. quando praedicatum sequitur negalionem, ul „Quidam homo non

est asinus" ; alia est, cuius praedicatum non distribuitur eo quod praecedit negalionem,

ut „Quidam homo animal non est" Omnis particutaris negaliva, sive

sit de praedicalo distributo sive non distributo, convertitur in particuiorem negalivam,

cuius praed,catum non est distributum (p. 296 A) Nulio propositio parlicutaris

negaliva de praedicato distribuln convertitur in particuiorem negalivam de praedicalo

distribulo gralia formae Et dico nolabitiler „consequentia formali", quia in aliquibus

lerminis sequitur gralia maleriae Quando ulerque lerminus est converlibitis

Quando superius negatur de inferiori Quando antccedens est

impossibite Quando consequens est necessarium. S. Abschn. XVII, Aniii. 623.

230 XIX. Duns Scotus.

höchst unnütz verschwendet ist der Scharfsinn, wenn Scotus sich auch

um die Umkehrung von Urtheilen bemüht, in welchen ein sog. Casus

obliquus vorkommt, und hiefür sogar Regeln aufstellt200). Was endlich

die Umkehrung der modalen Urtheile betrifft, macht es sich Scotus mit

der aristotelischen Lehre ziemlich leicht, indem er die Schwierigkeiten

dadurch beseiligen zu können glaubt, dass Aristoteles die Modalität eben

nur nach dem sog. sensus divisus (s. Abschn. XVII, Anm. 585) verstanden

wissen wolle201).

In jenem Abschnitte der ersten Analylik, welcher den Syllogismen

selbst und ihren Formen gewidmet ist, begegnen wir dem gleichen Ein

flusse byzanlinischer Logik. Um nemlich eine anderweilige Stelle nur

der Vollständigkeit willen zu erwähnen , woselbst Scotus auch die logi

schen Censuren Kilwardby's in der Frage über Stoff und Form des

Syllogismus berücksichligt 202), sehen wir, wie er die Gilligkdt der Regel,

dass aus bloss negaliven Prämissen ein Schlusssatz nicht erreicht werden

könne , mit Gründen bestreitet, welche der Lehre von der consequentia

entnommen sind, da nach consequentia formalis aus einem negaliven

Satze nicht bloss stets ein hypothelisches Urtheil, sondern auch jedenfalls

irgend Etwas durch Umkehrung, Aequipollenz und Subalternalion gefolgert

werden könne203). Dass er im Commentare überall häufig sich der seit

Shyreswood auftretenden Kunstworte (Barbara, Celarent u. s. f., s. Abschn.

XVII, Anm. 52) bedient, hat für uns durchaus Nichts auffallendes, aber

er ist hierin unter den Erklärern des Organons der Erste 204). Bei der

200) Ebend. 18, p. 300 A: Proposiliones, in quibus lermini obliqui sunt subiecta,

exsolvendae sunt in quasdam alias de subiecto reclo per istud pronimen „quod",

v. g. „Hominis asinus currit"' resolvenda est in istam „Homo est, cuius asinus

currit" Sunt aliquae reguioe in conversionibus propositionum de obliquo observandae,

e. g. „Cuiustibet contradiclionis allera pars est rera" primo resolvenda

esl in ,sl',m „Quaelibel contradictio est aliquid, cuius aitera pars est vera" et tunc

converlenda est in istam „Aliquid, cuius allera pars est vera, esl contradictio"

„Asinus est hominis" concertitur in istam „Ens hominis est asinus".

201) Ebend. 26, p. 310 B: Aristoleles .... dieit, quod proposiliones modales

simititer convertuntur itlis de inesse (s. hingegen Abschn. IV, Anm. 545 ff.), et inlelligit

de illis in sensu diviso. Ehend. 28, p. 316 B: Aristoleles non intelligil de

modalibus propositionibus in sensu composilo, quia sie pauca eius dicta essent vera.

202) 0u. sup. Etench. 4, p. 226 B : Utrum sgllogismus peccans in maleria

sit sgllogismus (s. ob. Anm. 21, woselbst Nro. 2) (p. 227 A) Sgllogismus sie

se hubet, sicut cireutus nultam maleriam sitri delerminat, unde in quacunque

maleria reperiatur sive forli sive debiti, dummodo forma circuli ibi salvetur, cireutus

dicitur; simititer »gllogismus.

203) 0u. sup. An. pr. 1,21, p. 304A: Ad unam calegoricam de inesse negalivam

sequitur formaliler una hgpothelica, quia quaelibet proposilio infert se ipsam

formaliler cum quacunque alia subdisiunctione, sicul sequitur formaliler „Nultus homo

euer«", igitur „Nultus homo curril vel deus non est" Ex una negaliva bene

polest sequi alia negaliva gralia formae per conversionem, per aequipollentiam,

per suballernalionem. Vgl. ob. Anm. 194.

204) Ebend. 7, p. 283 A; 22 ff., p. 305 ff.; 25, p. 309 A; 27 ff., p. 313 ff.;

II, 3, p. 333 A; 6, p. 337 A. n. s. f. Man sagle bisher zuweiten, diese Knnstausdrücke

hab,1 schon Thomas aufgenommen ; dass aber dieses nur Pseudo-Thomas

sei, s. unten Anm. 344. Hingegen wenn wir dieselben auch bei Raimundus Lnltus

trafen (vor. Absclm., Anm. 63), so fallt allerdings, wie ich schon oben hervorhob,

die schriftslellerische Thäligkeit des Lnltus im Ganzen um einige Jahre später, als

jene des Scatus.

XIX. Duns Scotus. 231

ersten Schlussfigur erwähnt und löst er ein Bedenken, welches auf den

amplialiven Worten und dem Sophisma „Nichts Lebendiges ist todt, Alle

Menschen sind lebendig, Kein Mensch ist todt" (vgl. ob. Anm. 191) be

ruht205). Auch den sgllogismus expositorius (s. Abschn. XVII, Anm. 624)

erörtert er und gibt unter Benützung jenes nemlichen Beispieles betreffs

der Flussnamen einige auf distribulio beruhende Regeln über die formale

Geltung dieses Schlusses208). Wo er die Frage über die Zulänglichkeit

der drei Schlussfiguren bespricht, sagt er nicht bloss, dass die hypothe

lischen Schlüsse damit überhaupt Nichts zu schaffen haben (s. sogleich

Anm. 209), sondern weist auch ausdrücklich (wie Albert, s. Abschn. XVII,

Anm. 466) die vierte Figur als unberechligt ah, da aus einer Umstellung

der Prämissen keine Verschiedenheit der Figur folge, sondern die Anord

nung des Ober- und des Unter-Begriffes das Maassgebende sei207). Bei

den modalen Schlüssen vergisst er nicht, auch jene Modalitäten in Er

wägung zu ziehen, welche durch die Begriffe „scio, opinor" u. dgl. hin

zugekommen waren (Anm. 187), und stellt im Hinblicke auf sensus

composüus oder divisus (vgl. Anm. 201) Regeln auf 208). Den hypo

thelischen Schluss aber bespricht er in ächt aristotelischem Sinne209).

205) Ebend. 22, p. 305 B : Dicunt aliqui, quod isli modi (A. h. die ersten

vier Modi der ersten Figur) tenent gralia formac execplis duobus casibus. Primus

est, quando arguitur in lerminis divinis. Secundus, quando orguitur ex terminis,

qui ampliantur (vgl. ob. Anm. 189) et ideo non sequitur „Nultum vivum esl

mortuum, Omnis humo est vivus, Igitur nulius homo est mortüus". Die Lösung

dieses Zweifels folgt c. 23, p. 307 A: Debet conctudi additis islis diclionibus „qui

est" ad subiectum conctusionis arguendo sie: „JVuff«m -mortuum est vivum, Omnis

homo est vivus, Igitur nultus homo sst, qui est n,ortuai . Vgl. Anm. 197 f.

206) Ebend. 11, p. 290 A: De sgllogismo expositorio affirmalivo dico, quod in

qualibel trium figurarum polest fieri bonus „Soerales est musicus, n l buni est

Soerales, igitur album est musicum" „Haec essenlia divina est paler, fitius est

haec essenlia divina, igitur fitius est paler" „Sequana fuil a centum mmi s,

haec aqua est Sequona, igitur haec aqua fuit a centum annis" (B) De sgllo

gismo expositorio negalivo dico, quod valet in prima figura gralia formae maiore

exislenle negaliva JVon valet in prima figura, si minor fuerit negaliva; et causa

est, quia si minor fuerit negaliva et maior affirmaliva, tunc maior extremitas non

est distribtda in praemissis, immo stal delerminale, et tamen stat confuse el distribulive

in conctusione , modo ex non distributo nunquam sequitur distributum

gralia formae.

207) Ebend. 34, p. 325 A: Utrum omnis sgllogismus fiat in aliqua trium figurarum,

Arguitur primo, quod non Quol modis polest fieri ordinalio, tol erunt

figurae; sed quatuor modis diversis polest fieri huiusmodi ordinalio ; igitur quatuor

erunt figurae Seenndo, quod sgllogismi ex hgpothesi non reducuntur in

praedictas figuras JVo« oportet, fieri sgilogismum hgpothelicum in aliqua trium

figurarum, et hoc dico, • quantum ad lolalem processum (p. 326 A) Vocatur

sgllogismus oslensivus, qui immediale infert conctusionem intentam; sed vocatur »gl

logismus ex hgpothesi, qui immediale non infert conelusionem inlentam Sotum

tribus modis polest fieri debita ordinalio respectu extremorum secundum subiectionem

et praedicalionem ; igitur tres erunt figurae el non ptures Propier soiom transposilionem

non provenit diversitas alicuius praemissae nec conelusionis, per consequens

nec diversitas figurae.

208) Ebend. 36, p. 329 A: Ex maiore de hoc modo „scire" in sensu composito

et minore de inesse non fit sgllogismus ad conctudendum de hoc modo „sn're", lieel

bene ad coneludendum de inesse De hoc modo „opinor" fit bonus sgllogismus

sumendo maiorem in sensu diviso el minorem de inesse.

209) Ebend. H, l, p. 332 A: Istum sgllogismum vocat Aristoleles sgllogismum

232 XIX. Duns Scotus. Manigfalligkeit der Parteien.

Im Commentare zur zweiten Analytik schliesst sich Scotus viel

fach an Robert Capito an, welchen er häufig selbst cilirt, entnimmt aber

auch Manches aus Albert, wie z. B. die Angaben über dignitas, subiectum

und passio 210) und die Grundlagen der höchst ausführliehen Erörterungen

über per se („perseüas"), primo und necessarium 211)-, wobei übrigens

selbst hier noch aus Petrus Hispanus die restrictio im Begriffe der „necessitas

diminuta" hereinspielt212). Auch die üblichen Bemerkungen über

demonstralio potissima fehlen nicht213).

Was endlich den Commentar zu Soph. Elenchi betrifft, welchen

der scolislische Herausgeber der Gesammtwerke des Scotus unmittelbar

nach der Lehie vom Urtheile einreihte214), so behandelt derselbe über

haupt nur die ersten fünf Capitel der Schrift215), aber Einzelnes in

wahrhaft peinlicher Ausführlichkeit, so z. B. die aequivocatio und die

amphibologia''16), wobei auch Vieles aus des Boethius Erklärung der

' ciceronischen Topik entnommen ist. Natürlich fand Scotus hier gleich

falls manigfache Gelegenheit, auf byzanlinischen Stoff einzugehen, und

so begegnen wir wieder der distributio211") und der copulalio*1®), sowie

im Anschlusse an ältere Formationen den Syncategoreumata „el"219)

und „solus" 220).

Jene manigfalligen Folgen nun, in welchen das Auftreten des Scotus

bis zu Occam hinab und auch über diesen hinaus eine nachhallige Wir

kung äusserte, werden wohl nur dadurch ihre angemessene Darstellnng

finden können, dass wir in der Hauptsache uns vom chronologischen

Faden leiten lassen; denn vorerst in jenen fünfzig Jahren, welche im

Ganzen zwischen der Thäligkeit des Scotus und jener Oceam's liegen,

zeigt es sich als untliunlteh , eine Gruppirung nach Parteien für die Dar

stellung zu Grunde zu legen , da , wie ich schon bemerkte , erstens die

ad transsumplionem (s. Abschn. IV, Anfn. 583 u. 592), quia quando debemus probare

unum, transferimus nos ad probandum aliud, ex quo virtule alicuius suppositionis

inferimus inlentum. Vgl. Anm. 207.

210) Qu. sup. An. post. I, 4, p. 349 A. S. Abschn. XVII, Anm. 475.

211) Ebend. 15—40, p. 365—407. S. ebend. Anm. 473 f.

212) Ebend. 39, p. 406 A. S. ebend. Anm. 234.

213) Ebend. 44, p. 413 A. S. ebend. Anm. 476.

214) p. 224 ff.

215) D. h. nur bis zur Rückführung aller Sophismen auf ignoralio elenchi.

Schon die Vertreter der byzanlinischen Logik behandellen nicht das ganze Buch,

schritlen aber doch bis Cap. 15 vor; s. ebend. Anm. 197.

216) .0u. sup. Etench. 9—22, p. 231 -244.

217) Ebend. 14, p. 234 B : Utrum signum universale adveniens lermino aequivoco

possit ipsum distribuere pro omnibus supposilis cuiusiibet sui significali. Die Frage

wird bejaht, denn (p. 235 A) distribulio est acceplio alicuins communis pro quolibel

eins suppnsito, quorum quodlibel est ipsum. S. Ab$chn. XVII, Anm. 66 u. bes. 238.

218) Ebend. 10, p. 230 B: Utrum lerminus aequivocus contineat sua significata

per modum coputalionis liio significantur copuiolive per lerminum, quae actu

concipiuntur sermone proiolo. Vgl. ob. Anm. 190.

219) Ebend. 30, p. 251 A: Utrum haec dictio „el" operetur polentialem mulliplicalionem

Coniunctio per se copuiot inler lerminos, per aecidens aulem intcr

proposiliones. Vgl. bei Shyroswood, Abschn. XVII, Anm. 86.

220) Ebend. 32, p. 252 B: „Solum" polest leneri calegoremalice vel sgncalegoremalice

Sl »gncalegoremalice, tunc significal praecisam acceplionem itlius, cui

adiungitnr. S. gleichfalls bei Shyreswood ebd. Anm. 76, ,

XTX. Manigfalligkeit d. Parteien. Dominikaner u. Franziskaner. 233

beliebte bequemere Scheidung in Thomisten und Scolisten als zwei ausschliesslich

bestehende Parteien dem thatsächlichen Verhältnisse nicht ent

spricht, und zweitens, wenn man auch behufs einer leichteren Uebersichtlichkeit

diese Zweitheilung mit Gewalt in die Geschichte hineinconstruiren

wollte, dennoch die beständige Rücksicht, welche jeder einzelne Autor

auf seine jeweiligen Zeitgenossen und nächsten Vorgänger nimmt, den

monotonen Charakter eines angeblichen Thomismus und eines angeblichen

Scolismus sehr fühlbar unterbrechen würde. Das Richlige ja ist, dass

neben etlichen Autoren, welche in bornirter Treue die Ansicht des Einen

der beiden Meister nur der Operalion des Wiederkäuens unterwerfen, in

den einzelnen Fragen die bunteste Kreuzung verschiedener Ansichten auf

Grund gewisser Auctoritäts-Stellen zu Tag tritt; dieses Verhältniss aber

spinnt sich während eines halben Jahrhunderts gleichsam von Jahr zu Jahr

von Autor zu Autor fort bis zu Occam.

Allerdings zieht sich Ein beslimmtes Moliv durch diese Verschieden

heit der logischen Ansichten hindurch, welches mit dem Geiste der reli

giösen Orden , denen Thomas und Scotus angehörten , in theologischer

Hinsicht zusammenhängt. Nemlich die Dominikaner oder Prädicatoren,

aus welchen die meisten Thomisten hervorgingen, vertraten die gelehrte

Theologie in einer speculaliven Conslruclion des Dogmas, "welche auch die

obersten Principien desselben demonstrirbar zu fassen versuchte; hingegen

die Franziskaner oder Minoriten, welche den Scotus zu den ihrigen

zählten, standen in Bethäligung der Seelsorge den Interessen des sog.

niederen Volkes näher und betonten so grundsätzlich das Bedürfnis? einer

praklischen Theologie als einer Seelen-Arznei, während sie auf eine theo

relische Construclion der obersten Fragen verzichteten oder sogar auf

zeigten, dass dieselbe eben durch die logische Formulirung sich leicht in

dialeklische Widersprüche verwickeln lasse. So mussten die Franziskaner

allerdings sich dahin neigen , dass sie auch für die Logik einer prakli

schen Tendenz zusteuerten, wobei das hierin waltende rhetorische Moliv

eine Werthsehätzung der menschlichen Sprache nahe legte; und Jedermann

weiss, dass der sog. Nominalismus Occam's eben aus dem Franziskaner-

Orden hervorging. Aber gewiss ist auch einerseits, dass ohne die byzan

linische Logik jene Richtung, welche man später als Nominalismus sligmalisirte,

nicht entstanden wäre, und andrerseits dass darum durchaus noch

nicht die Dominikaner als ledigliche Realisten den Franziskanern gegen

überzustellen seien, denn Realist (— wenn man überhaupt diese Slich

worte so anwenden dürfte —) war vor Allem auch der Franziskaner

Scotus selbst. Kurz also, wenn auch zugegeben wird, dass in den

Ordens-Principien gewisse Momente lagen , welche (analog dem Conflicte

zwischen den Bettelorden und der päpstlichen Hierarchie) ihrerseits in

die Logik herüberspielen konnten, so ist doch nicht zu vergessen, dass

gerade die Logik als solche ein etwas neutraleres Gebiet war, auf welchem

weit speciellere Controversen nach Maassgabe eines neu anwachsenden

Materiales durchgekämpft werden mussten. Und so besteht auch hierin

wieder eine vielfach sich durchkreuzende Manigfalligkeit, indem durchaus

nicht sämmtliche Dominikaner kurzweg Thomisten oder alle Franziskaner

lediglich Scolisten sind, sondern innerhalb beider Orden die verschiedensten

234 XIX. Dominikaner u. Franziskaner. Siger v. Brabant.

Nüancirungen heraustreten221). Was eine fortschrittliche Tendenz betrifft,

ist es nach dem Gesagten allerdings nicht zu wundern, dass im ge

schichtlichen Faden das relalive Uebergewicht unleugbar auf Seite der

Franziskaner liegt.

Der erste, welcher uns in der langen Reihe der vorzuführenden

Autoren begegnet, ist Siger von Brabant (oder de Curlraco, ge

storben noch vor d. J. 1300), welcher anfänglich an der Sorbonne mit

den übrigen dorligen Lehrern die scolislische Auffassung der Theologie

vertrat, hernach aber zu den Thomisten überging222), wodurch er sich

auch die beifällige Erwähnung erwarb, welche er in Dante's Divina commedia

fand 223). Was uns über seine noch ungedruckten Schriften be

kannt ist, lässt darauf schliessen , dass dieselben noch in der Zeit der

scolislischen Richtung des Verfassers entstanden sind. Schon der Umstand,

dass er sich mit den „Modi signißcandi" beschäfligte, gibt einen Finger

zeig224). Auch eine uns einzeln überlieferte Aeusserung Siger's über

die Universalien, welche er zum Gegenstande einer Monographie gemacht

zu haben scheint, enthält nicht bloss gleichfalls eine Betonung der significalio,

sondern auch den durchaus scolislischen (s. ob. Anm. 107) Aus

druck ,,aggregatum"^b). Er bearbeitete die zweite Analylik in einem,

wie es scheint, höchst ausführlichen Commentare, in welchem er bereits

ein besonderes Gewicht auf die verschiedenen Arten der Fehlschlüsse

gelegt haben muss228), so dass er wohl einer Lieblings-Neigung folgte,

221) Ich werde daher häufig ausdrücklich darauf hinweisen, welchem Orden

ein Auior angehört habe.

222) Was sein Leben betrifft, fmdet sich eine (ausnahmsweise) vortreffliche

Abhandtung über ihn in Histoire litler. de io France, Vol. XXI, p. 96— 127; bezüg

lich seiner Schriften hätle ich allerdings eine reichere Detait-Mittheitung aus dem

handschriftlich in Paris vorhandenen Materiale gewünscht.

223) Paradiso, X, v. 136: Essa e' io tuce elerna dt Sigieri, Che leggendo nel

vico degli strami (d. h. in Paris in der rue du fouarre) sitlogizzd iniiidiosi veri.

Dass Dante überhaupt der thomislischen Bichtung angehörle, ist bekannt, s. CA.

Jqurdain, In phitos. de St. Thomas d'Aquin, II, p. 128 ff. u. Wegele . Dante Alighieri's

Leben u. Werke, 2. Aufl. (Jena 1865), p. 387, 409, 457 ff., 490. Speciell

für die Gesch. d. Logik bielen Dante's Schriften keinen Anioss dar, näher auf ihn

einzugehen.

224) Hist. litt, de Fr. a. a. O. p. 117, wornach der Anfang einer Schrift

Siger's „Summa modorum significandf ioutete : Quoniam grammalica est sermocinalis

scienlia, sermonem et passiones eins in communi ad exprimenstum principaliter

mentis conceptus per sermonem coniugatum considerans , conceptus aulem mentis

duplex etc.

225) Ebend. p. 120 lesen wir, dass Siger's „Quaesliones logicales" folgendermaassen

beginnen: Varia disculienda per ordinem proponimus. Primum est, utrum

lerminus conceplionis signipcet universaliler conceptum mentis, sicut quidam »ofunl.

Secundum est, utrum universaliter significel formam, sicut Pioto votuit, vel et aggregatum.

Tertium est, utrum anima per terminum conceplionis sit significabitis. Auch

diese Verwendung des byzanlinischen Begriffes „lerminus" würde uns eine Ver

öffentlichung der Schrift Siger's wünschenswert!) machen. Eine andere Stelle aus

derselben ioutet (ebend.): Et si universalia. inquantum universalia, esse conceptus

mentis quis dubitet, requiral in reseriplo a nobis, quod sie incipit „Significatum est

nobis, nonnullos doctores" (diese letzlere Schrift fand sich in den Pariser Hand

schriften nicht mehr).

226) Ebend. p. 119, woselbst als Gegenstände der Erörterung, welche in 215

Fragen gepflogen wird, beispielsweise angeführt werden : Quid est sgllogismus con

XIX. Siger von Brabant. Richard von Middleton. 235

indem er specielle Schriften über „falladae" 22T) und auch über „1mpossibilia"

verfasste 228).

Hingegen trat schon zur nemlichcn Zeit der Franziskaner Richard

von Middleton (oder de media villa, gest. i. J. 1300) gewissen mög

lichen Uebertreibungen der Lehre des Scotus gegenüber und sympathisirte

somit mit den Dominikanern, wobei die Art und Weise seines Thomismus

uns mehrfach an Gottfried von Fontaines erinnert. Allerdings ist Richard,

von welchem wir Quodlibeta und einen Commentar zum Petrus Lombardus

besitzen229), ein Autor, an welchem die Theologie ein grösseres

Interesse haben wird , als die Logik ; was jedoch von seinen Ansichten

hieher gehört , dürfte Folgendes sein. — In der Universalien-Frage be

gegnen wir auch bei Richard der üblichen arabischen Dreigliederung, nur

modificirt er dieselbe betreffs der Universalicn post rem; denn er spricht

von einer Viergliederung, indem das Universale zunächst als Causalität

(in causando, A. h. somit ante rem) bis zurück zur Schöpferkraft Gottes

zu fassen sei, sodann aber (in re) eine Gleicharligkeit (indifferentia in

informando) der Formbildung in der Vielheit beslimmter concreter Wesen

enthalte, und hiedurch (post rem) einerseits eine Gleicharligkeit der Vor

stellung in der Seele (indifferentia in repraesentando) und andererseits

eine Gleicharligkeit der Aussage (indifferentia in praedicando) bedeute;

und während nun das Universale in den ersten drei Beziehungen, d. h.

ante rem. und in re und in repraesentando, in Wahrheit doch nur ein

Singuläres sei, komme ihm nur in der vierten Bedeutung eine eigentliche

Universalität zu, denn nur da enthalte es die von numerärer Einzelnheit

absehende Denkauffassung der Wesenheit und zugleich die Aussagbarkeit,

so dass es nach keiner dieser beiden Seiten als Universale objecliv exislire,

sondern eben nur auf secunda intentio beruhe 230). Erinnert uns

trariae deceplionis. Quid est sgllogismus infirmus. Quid est sgllogismus fatuus. Qvid

est »gllogismus medicus (?). Quid est sgllogismus diversivus. Ferner sei auch die

Rede von einem sgllogismus lingiosus (doch wohl litigiosus?), falsigraphicus, oslensivus

etc. Als Proben der Beantwortungen werden ebend. folgende Regeln mitgetbeitt:

Sgllogismus contrariue deceplionis est sgllogismus ignoranliae, sodann Sgllo

gismus latuus est, qui est ex dnersis propositionibus diversimode sumplis, dicendo

„/n nova fert animus (bekanntlich der Anfang der Metamorphosen Ovid's) ; ergo tu

es asinus". Ferner Bene sgllogizare est ex probabitioribus et nolioribus propositum

demonstrare.

227) Ebend. p. 117, wo wir ans den „Faliodae" nach einem unverständlich

abgedrucklen Sophisma folgende zwei Beispiele fmden: Quod ambuiot, calcat; ambuiol

aulem totam diem; ergo caleat lotam diem. Quidquid bibisti, habes in corpore;

cgphum vero bibisli; ergo habes cgphum in corpore.

228) Ebend. p. 120 f. aus den „Impossibitia" ein Beispiel : Deus non est. Non

omnia habent causam unam; erqo dcus non est.

229) Authorali theologi Ricardi de media vitta, minoritane famitie ornamenti,

trio n'cognita reconcinnataquc Quodlibeta etc. Venctiis 1509. fol. und Saeralissimi

theologi Ricardi de Mediavitta ordinis seraphm mmorum conventualium In libros senlentiarum

quaestiones. 4 Bände. Venet. 1507 — 9. fol.

230) In Sentent. H, dist. 3, qu l, f. 17 r. A: Universale quadruplieiter polest

accipi. Uuo modo in causando, secundum quem modum dicimus, quod deus est

universalts causa omnium. Alio modo per indifferentiam aplitudinis ad informandum

plura, secundum qurm modum forma, quantum ex se nata est informare ptures

parlet maleriae unigeneas, diceretur universalts, si äset actu existens a miileria

separata. Tertio mudo per indifferentiam in repraesentando, secundum quem modum

236 XIX. Richard von Middleton.

nun dieses theilweise an den naiven Wirrwarr eines Albert und eines

Thomas (s. Abschn. XVII, Anm. 383 u. 496), sowie an die Indifferenz-

Lehre des 12. Jahrh. mit Einschluss des Gilbertus Porretanus (Abschn.

XIV, Anm. 132 ff. u. 473 ff.), so kann Richard allerdings anliplatoniseh

mit Gottfried v. Fontaines sagen, dass die Universalien in Gottes Denken

ehen nur als gedachte, nicht aber als reale Wesen exisliren 231), und

folgerichlig muss er auch betreffs der Universalien in re jeder scolislischen

Ausschreitung entgegentreten, da ja die Annahme, dass das im Singulären

enthaltene Universale der ursprüngliche und erste Gegenstand des Erkennens

sei , und dass das Universale als ein der Art nach idenlisches

sehr wohl in mehreren Individuen ungetheilt bestehen könne, nicht hloss

im Widerspruche mit Aristoteles (bezüglich der Undefmirbarkeit des Sin

gulären) stehe, sondern auch zu der Alternalive führe, dass entweder

das Universale, welches doch ein erschaffenes Ding ist, ebenso wie Gott

Einheit und Mehrheit in seinem ungetheilten Wesen enthalte, oder dass

es ganz überflüssig sei, neben den Einzeln-Dingen überhaupt noch von

einer Existenz eines Universale als solchen zu sprechen 232).

Ist sonach durch diese Auffassung der Universalien bei Richard nur

species in intellectu exislens dicitur universalis sub ralione, qua non repraesentat

hominem hunc vel iltum, sed hominem inquantum homo est; de qua dicil Avicenna

quinto metapb. (s. Abschn. XVI, Anm. 184), quod quamvis respectu individuorum sit

nniversalis, tamen respectu animae, in qua imprimitur, est singutaris. ijnnrtn modo

per indifferentiam in praedicando, secundum quem modum dicit Porphgrius ; et

hoc est proprie universale, nam universale dictum tribus modis primis secundum rei

veritalem singuiore est. Dico ergo, quod ipsum universale duo complectitur, sc. id

quod est universale, ut ipsam hominis vel angeli essenliam ut inlellectam praeter

unitalem et mullitudinem numeralem, et ipsam universalitalem, quae est praedicabitis

de pturibus. Sed neutro modo est in reali exislenlia angetus universalis nec quaecunque

res alia, quia ipso universalitas est res conslituta a ralione et dicilur

secunda inlenlio.

231) In Senlent. l, dist. 19, qu. 3, f. 68 v. B: Sicut essenliae omnium naturarum

ab aelerno fuerunt intellectae a divino inlellectu, quamvis ab aelerno non fuerunt,

ita veritales, quamvis ab aelerno non fuerunt, tamen ab aelerno fuerunt inlellectae.

S. ob. Anm. 64.

232) In senlent. t, a. a. O. : Dixerunt aliqui, quod universale quorumeunque

singutarium eil in reali exislenlia non separatum a singuioribus in quolibel singuiori

(s. bei Scolns Anm. 141, 145, 148 u. bes. 138), quod sub ipso conlinetur existens

indivisum (s. Anm. 139). Unde universale hominum, cum unus boma corrumpitur,

non corrumpitur, quia in aliis remanet totum, et cum aliquis homo generatur,

universale hominis non generatur, sed itle homo universale, quod in aliis eral salvatum,

in se suscipit. Et hoc dicebant ittud esse, quod est proprium obiectum

intellectus et primum et ittud, quo intelligitur singutare per reflexionem ; quia

enim est in singuioribus, ideo per cognitionem ipsius refleclitur intellectus ad singu

tarium cognitionem (s. Anm. 124). Et cum dicebatur, quod idem ereatum non polest

esse in pturibus suppositis indi,'isum, dicebant, hoc esse verum de identitale in

numero, non de idenlitale in specie (s. Anm. 148 f.). Sed haec opinio falsa est et

improbabilis ; salis palet per ea, quae phitosophus seplimo metaph. probat (s.

Abschn. IV, Anm. 484 ff.) Praelerea aut ipsum universale esset de ralione

cuiustibel singuioris sui aul non. Si sie, tunc res ereata simplex indivisa esset de

ralione pturium suppositonim ; quod est impossibite, solius enim divinae essenliae

proprium est, quod sine mulliplicalione sui sit tola de ralione pturium suppositorum.

Si non, tunc ipsum universale realiler exislere, ul dicunt, essel inulile, quia non

esset ulite ad singuiorium exislentiam, cum esset aliquid extra essentiam eorum, nec

ad eorum cognitionem, cum non esset de ralione eorum.

XIX. Richard von Michlleton. 237

dasjenige mit Protest zurückgewiesen, was man den Realismus der Scolisten

nennen könnte , so verbleibt immerbin der Conceplualismus des

Scotus mit Einschluss seiner sprachlichen Seite (ob. Anm. 96) als posilive

Ansicht Riehard's. Indem aber dabei ebenso, wie bei Scotus, die grösseren

Schwierigkeiten in den Universalien in re liegen, lenkt Richard nach dieser

Seite hin mit seinem sprachlichen Conceptualismus mehr in einen geläu

terten Thomismus ein. Nemlich im Anschlusse an Thomas nimmt er an,

dass in Gottes Denken um der Verwirklichung des Einzelnen willen auch

die Idee der Individuen (nicht bloss der Art-Uegriffe) liegen müsse 233)(

und ebenso nimmt er betreffs des Einzeln-Seins aus Thomas die Begriffe

„esse signatum" und „incommunicabile" beifällig auf234). Aber wenn

es sich um die Frage über das principium individualionis handelt, folgt

er schon darin der Ansicht des Gottfried v. Fontaines, dass das Sein der

Individuen keinenfalls ein accidentellcs sein könne235), und auch an den

nemlichen Autor erinnert uns die Erklärung, dass das concrete Seiende

stets durch anderweilige Wesenheiten bedingt sei und die beslimmt determinirte

Modificalion der Form im Individuum auf eine Verbindung eines

Materiellen und eines Formellen hinweise230). Eben darum kann sich

Richard durchaus nicht mit der „species intelligibilis" des Scotus (s. Anm.

110) befreunden, denn dieselbe habe höchstens einen Sinn, wenn man

unter ihr das begriffsmässig entstandene „Wort" verstehe, denn die Idee

eines Dinges als ewige könne nicht ein Werkzeug für unser mit Ver

gänglichkeit behaftetes Denken sein, und letzteres habe seinen Ausgangs

punkt, auf welchen es sich stütze, nur in den Sinnen, vermöge deren

wir die Eigenthümlichkeiten der Dinge erfassen , um dann aus den vorfindlichen

Ähnlichkeiten („similitudo", s. Abschn. XVII, Anm. 393 u. 395,

u. Abschn. XIV, Anm. 474) auf syllogislischem Wege auf ein für sich

bestehendes Substrat zu gelangen237). So erhält Richard's Conceptualismus

233) Quodl. f. l r. B: In menle divina sunt ideae specierum et singuiorium

contentorum sub speciebus Cum ipsa idea sit ipsa divina essentia, inquautum

apprehensa a divino intellectu ut imitabitis ab aliis a se, et idco r um nun tantum

sit imitubilis a speciebus , sed eliam ab tndie,duis specierum, dico, quod est idea

nun lantiiii, specierum, sed eliam singuiorium. In Sentent. t, ttist. 36, art. 3, qu. 4,

f. 111 v. B: Idea in deo non tantummodo dicit ralioncm cognitionis, sed eliam ralionem

faetionis rerum. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 518.

234) Quodl. a. a. O. : Magis differt Petrus a Paulo, quam Petrus ab homine ;

Petrus enim non est Pautus, sed Petrus est homo; aliquo tamen modo differt Petrus

ab homine, inquantum id, quod dicit „homo'' sub esse non signato, dicit „Petrus"

sub esse signalo, et ideo, quod dicit „homo" sub ralione communicabiti, dicit „Petrus"

sub ralione incommunicabiti. Igitur dico, quod maior est differentia secundum ralionem

intcr ideas duorum singuiorium, quam inler ideam speciei et individui. Vgl.

Abschn. XVII, Anm. 520.

235) Ebend. f. 4 v. A: Esse actualis exislenliae, quo ereatura est in primo

actu, non est accidens essentiae ipsius ereaturae. S, ob. Anm. 65 u. hingegen bei

Scotus Anm. 137.

236) Ebend. f. 5 r. A: Omni essentiae ercatae ad suam existenliam necessarium

est aliquid aliud a se, quia omnem essentiam ercatam oportct ab alia essentia esse

et ab alia essentia conservari Si intelligatur esse per essenliam sicut per quoddam

principium formale essendi vel per modum formae significatum, haec propler

hoc in compositis essentiae comprehendit maleriam et formam; sie dico, quod ens

ereatum est per suam essenlium. S. ob. Anm. 67.

237) In Sentent. II, Dist. 24, art. 3, qu. 3, f. 100 v. A: In statu corruplibili

238 XIX. Richard v. Middleton. Petrus v. Auvergne.

eine sehr entschieden empirislische Färbung , welche nicht hloss über

Thomas (Abschn. XVII, A um. 500), sondern auch über Scotus (oh.Anm. 114)

weit hinausgeht, wenn das Erkennen überhaupt principiell als etwas

Passives bezeichnet wird 23s). In jener Frage hingegen, welche die unitas

formae betraf, entfernt sich Richard wieder von den Thomisten , indem

er eine Mehrheit von Formen , welche in Einem Wesen sich vereinigen,

/nliissi . aber für diejenige, welche bei Entstehung der Wesenheit zuletzt

abschliessend gewirkt hat, die Funclion einer artmachenden Einheit be

ansprucht, so dass er hierin auf Seite des Scotus, nicht aber des

Lamarre tritt 239).

Ein umgekehrtes Verhältniss zeigt sich bei einem anderen Zeitge

nossen; nemlich der Dominikaner Petrus von Auvergne (seine Blüthezeit

füllt um d. J. 1300), welcher als äusscrst fruchtbarer Schriftsteller

in zahlreichen (bis jetzt ungedruckten) Commentaren zu den physikalischen

und naturgeschichtlichen Werken des Aristoteles, sowie auch zur Polilik,

zur Metaphysik und zur Logik, sich im Ganzen an Thomas anschloss i4u),

glaubte dennoch zugleich die Gründlichkeit der Exegese durch Aufnahme

mancher Erläuterungen des Scotus steigern zu können. In dem Commentare

zur Isagoge folgt Petrus allerdings darin dem Thomas, dass die Logik

nun cognoscimus per naturam de lege communi substantiam per propriam eius spe

ciem, nisi accipiatur species pro verbo, quod intellectus concipit de ea per suas proprietales.

Non enim cognoscimus eam immediale per suam speciem inereatam, quae

est idi'n, (B) cum ,tin n n idea nun possit kahere ralionem tnstrumentalis agentis

respectu nostri actus inlelligendi, ...... ii am divinam essentiam non cognoscimus immediale

per naturam Praelerea non cognoscimus substanliam per propriam eius

speciem aequisitam, nisi accipiendo speciem pro verbo Intellectus noster nuliom

polest recipere speciem inlelligibilem ab inferiori nisi per Minislerium sensuum

Hon cognoseimus substantiam p'er propriam eius speciem, sed per suas proprietales

argumentando, eo quod in itlis est aliqua simititudo substantiae (f. 101 r. A)

Inlellectus conctudit, quod itli enti natum est aliquod ens subsistere, et tandem conctudit,

itlud ens esse per sc subsislens, et sie deveuit in cognilionem substantiae.

238) Ebend. qu. 2, f. 100 r. A : Nostrum intelligere consistens in simplici apprebensione,

in qua non est composilio nec dit'isio, est pali Molio enim intellectualis

est ab inlelligenle per actwum intellectus, et est in intellectu per passivum

intellectus, el cum ipsa molio intellectualis, inquantum est in inlelligenle, sit

passio, sequitur, quod inlelligere sit pali.

239) i.ino,it. S. 6 v. A : Anima intellectiva est humani corporis forma ita, quod

est forma principulivsima ipsius hominis, h. e. forma hominis compleliva, per quam

homo reponitur in specie hominis (B) Anima intellecliva est forma ullima,

quia in bominc nulio est nobitior ea; sed forma ullima est, per quam compositum

reponitur in specie. Ebenso In Sentent. lI, Vist. 17, art. l, qu. 3, f. 70 r. A. Vgl.

ob. Anm. 30 u. 155.

240) Handschriftlich sind von Petrus de Alvernia in Paris noch vorhanden :

Supplementum commenturii S. Thomac in tit,rum lerlium de coelo, Quaeslioncs super

quatuor libros de coelo et mundo, Super quatuor libros meleororum, Super Arist. de

iuventule el senectule, De somno el vigitia, In quosdam pareorum naluralium libros

a S. Tboma expositos, In Arist. de piontis, In Arist. de motu animalium, Super libros

Politicorum, Super duodecim librus metaphgsicorum, Super totam logicam velerem,

Super Porphgrium, Sophisma delerminatum. S. Haurtau, De io phit. scol. II, p. 260 ff.

Eben durch Haur^au wurde ich auch auf die Pariser Handschrift, welche „Cod.

Sorbonn. Nro. 955" signirt ist, hingewiesen, aus welcher ich Einiges zur Probe mit

theite. Die genauere Einsicht derselben zeigle mir auch , dass die Schrift Super

Porphgrium eben doch nur der ersle Theit des grösseren Ganzen Super lolam logicam

velerem sei.

XIX. Petrus von Auvergne. 259

nwdu.t sciendi sei241), und auf gleicher Quelle und einer Stelle Albert's

beruht es, wenn die Logik ausdrücklich als „formalis" der Metaphysik

gegenübergestellt wird 242). Aber indem Petrus sodann eine neuere

Formulirung der Ansicht erwähnt, dass der Syllogismus nicht der primäre

und wesentliche Gegenstand der Logik sei243), benützt er zur W,der

legung dieser Meinung und zur Begründung der gegentheiligen fast

wörtlich die betreffende Auseinandersetzung des Scotus 244). Was die

Universalien betrifft, bei welchen er auch von Avicenna beeinflusst

wird245), greift er zum Nachweise einer objecliven Existenz derselben

gleichfalls nach Gründen, welche Scotus (sowie auch Vincenz v. Beauvais)

angeführt hatte246); aber natürlich gilt ihm die objeclive Seite der Uni-

241) Cod. Sorbonn. 955 (f. 83 ff.): Cirea librum Porphgrii quaeruntur quaedam

in generali Primo de subiecto ipsius logicae, utrum logica sit de modo

sciendi tanquam de subiecto. Et arguitur quidem sie: Id est subiectum in scientia,

de quo et de cuius partibus lerminatur in tola scientia; sed de modo sciendi el de

partibus eius lerminatur in tota logica; ergo etc Praelerea ittud est subiectum

in scientia, penes cuius divisiones dividitur ilio scienlia; sed secundum divisionem

modorum sciendi dividitur tola logica in artem dividendi, diffiniendi et colligendi

etc. S. Abschn. XVII, Anm. 489.

242) Secundo quaeritur, ulrum sil de enle tanquam subiecto. Et argumentatur,

quod non. Duarum diversarum scientiarum non debet esse subiectum idem, et causa

huius est, quod diversitas subiccli causat diversitalem scientiarum; sed metapbgsica

est de ente tanquam de subiecto; ergo logica non est de enle tanquam de subiecto,

cum sit diversa a metapbgsica. Praelerea scientia, quae est de enle, est realis, sed

logica non est realis, sed formalis. S. ebend. Anm. 362 u. 488.

243) Tertio quaeritur, utrum sit de sgllogismo tanquam de subiecto (vgl. ob.

Anm. 93 u. Abschn. XV/I , Anm. 370). Et videtur, quod non, quia, si totum est

subiectum in lolo, et pars in parle, ergo, si »gllogismus est subiectum in tola lugica,

ergo el parles sgllogismi in parlibus logicae; sed scientia libri elenchorum pars est

log,cae; eo sgllogismus non est subiectum, quia sgllogismus ,ophistieus non e»t

sgllogismus Praelerea omnis scivntia, quae est de sgllugismo tanquam de sul,-

iecto, est alicuius generis delerminali, nam sgllogismus genus delerminatum est; sed

logica non est alicuius generis delerminali. Vgl. ebend. Anm. 370.

244) Ad id dicendum, quod logica est de sgllogismo tanquam de subiecto; de

sgllogismo enim secundum verba el non secundum rem Et sie est tola nova

logica, quae dislinguitur secundum divisionem ipsius sgllugismi, quae stalim apparebit

Dicendum est enim, quod tola logica est de sgllogismo tanquam de sub

iecto, el hoc polest esse dupliciler, aut de ipso sgllogismo in se el absotule aut de

his , quae altribuuntur sgllogismo. Si primo modo, sie est ilber Priorum. Si vero

secundo modo, sie est dupliciler, quia alia altribuuntur sgllogismo aut tanquam parles

inlegrales aul tanquam parles subiectivae; si primo modo, hoc est dupliciler, quia

altribuuntur ei tanquam partes inlegrales remotae, et sie est liber Praedicamentorum,

aul sicul parles inlegrales propinquae, et sie est ilber Periermenias. Si aulem sit

de his, quae altribuuntur tanquam partes subiectivae, sie est tola nova logica, quae

dividitur sie: aul sgllogismus contrahilur per medium, quod est necessarium, et sie

est liber Posteriorum, aut per medium, quod est probabite, et sie est liber Topicorum,

aut per medium, quod est privalio eius, et sie est liber Etenchorum. Alii aulem veleris

logicae sunt de bene esse, ul liber Porphgrii, qui sc. ad cognilionem praedicamentorum.

S. bei Scolus, ob. Anm. 93, das Original dieser Erörlerung.

245) Liber Porphgrii , cuius subiectum sunt universalia , non inquantum

sunt quinque, sed inquantum uniuntur sub hac forma, quae est universale. Vgl.

Abschn. XVl, Anm. 171 f.

246) Quaeritur, utrum universalia habeant esse. Et videtur, quod non, quia

omne, quod est, ideo est, quod unum numero est, sed universale non est unum

numero Ad hoc dicendum, quod universalia possunt probari esse per hoc,

quod dant esse intellectui; haec enim est eorum operalio; quia id, quod dal esse,

210 XIX. Petrus v. Auvergne. Alexander v. Alessandria.

versahen nicht als die ausschliessliche, sondern er ist dabei wieder Thomist

genug, um in jenen bequemen Dualismus einzumünden, welcber durch die

aristotelische Unterscheidung des Polenziellen und des Actuellen einigermaassen

übertüncht ist247).

Hingegen viel enger, wenn auch nicht ausschliesslich, hängt mit der

Lehre des Scotus Dasjenige zusammen, was Alexander von Alessan

dria (gest. i. J. 1314) in seinem Commentare zur Metaphysik kundgab,

welchen man früher für eine Arbeit des Alexander Alesius (s. Abschn.

XVII, Anm. 274) hielt. Allerdings wenn ein zweifaches Auftreten der

Universalien, nemlich sowohl in causando als auch in praedicando, unter

schieden wird (wobei der Wortausdruck uns an Richard v. Middleton

erinnert, s. Anm. 230), kann man immerhin sagen, es sei diess nur der

gewöhnliche thomislische Dualismus 248), und auch die gegen Plato geübte

Polemik liesse sich trotz ihrer schärferen Formulirung auf die nemliche

Quelle zurückführen24*). Aber Alexander spricht sich hinwiederum sehr

entschieden dahin aus, dass die Universalien überhaupt sachlich nicht ge

trennt von dem Einzelnen exisliren, hingegen wohl logisch als ein „modus"

mittelst des „conceptus" losgetrennt werden können250). Und diesem

scolislischen Standpunkte bleibt er auch bei der Frage über das Princip

der Individualion getreu, indem er im Hinblicke auf die Controverse be

treffs der Angelologie daran festhält, dass auch ausserhalb der Materie

eine Individualisirung dadurch stattfinden könne, dass die Wesenheit sich

habet esse necessario; absurde est enim dicere, quod id, quod non habet esse, darel

esse alicui. S. ob. Anm. 100 n. Abschn. XVII, Anm. 297.

247) Sccundo quaeritur, utrum sint separata a singuioribus. Et videtur, quod

sint, quoniam omnis scienlia est incorruplibitium Ad id dicendum, quod opinio

Plalonis fuit, quod universalia essent separata a singuioribus (vgl. Abschn. XVII,

Anm. 501) Et Aristoleles contra ipsum argumentutur, ... .quoniam id, quod faci at

cognitionem de particuioribus , ipsis debel esse in eis Polest esse scicntia de

universalibus, quia etsi non de corruplibitibus secundum se, de corruplibitibus tamen

per accidens bene polest esse scienlia Universale quantum ad rem subiectum

iulmlitun est universale polenlia et hoc modo est coniunctum ipsis particutaribus,

sed universale quantum ad ipsam intuitionem est universale in actu et est in

ipso inlellectu et apprebenditur ab eo et hoc modo separatum est ab ipsis sensibilibus

Intelligendum ergo secundum intenlionem Aristolelis, quod universalia uno

modo separata ab ipsis singuioribus et alio modo non, et uno modo corruplibitia et

alio modo non. Vgl. ebend. Anm. 493, 508.

248) Alexandri de Ales, doctoris irrefragabitis , in XII Aristol. Metapl,gsicae

libros etc. Veneliis 1571. fol. Fol. 7 v. A : Nolandum est, quod universale dicitur

duobus modis, sc. in praedicando et in causando Possumus loqui de universali

in causando vel de universali in praedicando. Ebenso f. 283 v. A. S. Abschn.

XV11, Anm. 507 f.

249) Ebend. f. 28 v. A : Pioto in sua posilione incurrebat duo opposita; ponebat

enim speciem separatam et quod bubtiret esse independens; ponebat autem secundo,

quod haec species esset universale; cum aulem universale habeat esse

dependens ad ittud, cuius est universale, sequitur, quod ista species debuit esse

dependens; et ita erit independens et dependens. S. ebend. Anm. 501.

250) Ebend. f. 66 r. B : Si loquamur de separalione secundum rem, impossibite

est, quod universale sit separatum a singuiori, eandem enim rem, quam dicit

haec humanitas, dicit humanitas ; si aulem loquamur de separalione secundum

ralionem, sie universale separatum est a singutaribus; licet enim unam et eandem

naturam dicant universale et singuiore , tamen itiom dicunt secondum differentem

modum et differentem conceptum; „hie Aomo" enim dicit naturam humanitalis cum

intellectu et conceptu principiorum individuanlium. S. ob. Anm. 129.

XIX. Alexander v. Alessandria. Gerhard v. Bologna. Radulph Brito. 241

mit jenem Auftreten verbinde , welches dem „suppositum" als solchem

zukommt251), wobei wir beachten müssen, dass hiemit bereits damals

im Anschlusse an Scotus selbst (ob. Anm. 109) die Häcceität durch jenen

byzanlinischen Begriff ausgedrückt wurde. Auch die Annahme, dass die

Individualion für die Wesenheit selbst etwas Accidentelles sei, wiederholt

Alexander aus Scotus 252). Und so dürfen wir uns nicht wundern, wenn

hei ihm auch die Lehre betreffs der formalüates (ob. Anm. 147 ff.) eine

Anwendung findet 253). Eigenthümlich aber ist es, dass er dann dennoch

die Frage über unitas /ormae ganz in der nemlichen Weise wie Gott

fried von Fontaines und Johannes Parisiensis beantwortet254).

Vielleicht irren wir auch nicht, wenn wir den Gerhard von

Bologna (gest. 1317) den Vertretern einer scolislischen Richtung bei

zählen, wenn auch bis jetzt noch nicht hinreichendes Material vorliegt,

um die ihn betreffenden Fragen genügend zu entscheiden255).

Zuversichtlicher möchte ich mich über Radulph Brito (um 1317

thälig) äussern, obwohl ich hiebei in Widerspruch mit Haureau's Forschung

gerathe. Wir sind nemlich bezüglich Radulph's nur auf Dasjenige ange

wiesen, was der genannte Gelehrte aus Pariser Handschriften mittheilte;

251) Ebend. f. 118 v. B: Posito, quod diversitas numeralis sub una specie non

polest esse nisi per maleriam, in separatts a maleria non polest esse nisi unum

numero sub una specie Hanc posilionem non repulo reram; eredo enim, quod

mulliplicalio individualis sub una specie possil esse in separatis a maleria ita, quod

haec duo fierent simut, quod ipsa forma sit separata a maleria el eliam mulliplicari

possif individualiter el numeraliler • Imaginabimur enim, quod agens supernaturale

formas separatas mulliplicare polest infra unam speciem per diversa supposita

ita, quod composilio ex supposito et essenlia facit mulliplicalionem individualem,

sicul est compositio ex maleria el forma in formis malerialibus. Vgl.

ob. Anm. 13, 28 u. bes. 109, 139, 145.

252) Ebend. f. 203 v. B: Principia individuanlia aecidunt ipsi essentiae. S.

Anm. 137.

253) Ebend. f. 103 v. B: Non sotum formalitas propinqua dicitur formalilas rei,

sed eliam formalilas remota, quae est de essentia formalitalis propinquae; eo modo,

quo dicimus, quod humanitas non sotum est formalilas Soeralis, sed eliam animalitas.

Vgl. f. 201 v. B, 231 r. B.

254) Ebend. f. 44 r. A : Quaelibet forma specifica componitur ex conceplibus

formalibus, el explicalio horum conceptuum est definitio rerum; et in his conceplibus

est prius el poslerius, et unus conceptus per se facit aliam ralionem, quam

secundus, el omnes simul faciunt unum conceptum, v. g. in specie hominis est conceptus

ralionalitalis el animalitalis et substanliae et eulitalis et hi omnes faciunt

cunceptum hominis. S. ob. Anm. 70 u. 74.

255) Haure'au, welcher Handschriften zweier Werke des Gerhard in Händen

hatte , beruft sich (H, p. 384) auf einige Stellen derselben, in welchen Gerhard

betreffs der Universalien und der unitas formae mlt Thomas übereinslimme. Jene

Slelle aber, welche Haureau im Wortioute mittheitt, ist eher geeignet, unsere

Zweifel über Gerhard's Sleltung zu erregen. Denn wenn wir dort lesen „Formae

communes, in quibus inveniuntur universalia, sunt entia in polentia; el ideo scire

aliquid, secundum quod est universale, est scire in polenlia; communicalio ergo, quae

inlelligitur in formis communibus, habet esse extra animam in polenlia; ista aulem

communicalio, quae intelligitur in maleria, est pura privalio, cum non intelligitur

nisi secundum abtalionem formarum individualium ab eo", — so weiss ich nicht,

ob Solches nicht vielmehr eine Uebertreibung scolislischer Anschauungen sei (s.

Anm. 112—121 u. 142). Allerdings ist es misslich, sich aus etlichen herausge

rissenen Zeiten eine Ansicht bitden zu sollen, und Gerhard wird eine zweifelbafle

Gestalt bleiben, bis Mehreres aus Handschriflen veröffentlicht ist.

PBANIL, Gesch. III. 16

242 XIX. Radulph Brito.

aber ich glaube, mir aus jenem Materiale eine andere Auffassung ent

nehmen zu müssen. Wenn nemlich Radulph schon die intentio secunda,

wie er ausdrücklich sagt, nur „in concreto", nicht aber „in abstracto"

verstanden wissen will, wornach Gattungs- und Art-Begriffe eben nur

nach ihrem „esse in pluribus" zu betrachten seien, so streift dieses

offenbar an die Auffassung des Scotus256), und ebendahin dürfte sicher

auch die entschiedene Betonung der denominalio zurückführen257). Ferner

unterscheidet Radulph ebenso, wie der vorhin genannte Alexander, ein

doppeltes Auftreten der Universalien in causando und in praedicando,

womit er Erklärungen über Priorität und Posteriorität des Singulären

verbindet, welche auf bekannten aristotelischen Stellen beruhen und darum

allerdings sowohl bei Thomas (Abschn. XVII, Anm. 511) als auch bei

Scotus (ob. Anm. 122) eine Rolle spielten258). Aber völlig unzweideulig

tritt der scolislische Standpunkt darin hervor, dass Radulph gleichfalls

(vgl. ob. Anm. 147 u. 155 ff.) an der pluralitas formarum, und zwar

gerade im Interesse der Aussagbarkeit der Universalien, festhalten zu

müssen glaubt259).

256) Bei Haure'au H, p. 389 (aus Pariser Handschriften mltgetheitt) : Inlenlio

nihit aliud est, quam quaedam ralio inlelligendi rem, ut est in pturibus, seu quaedam

cogilalio rei, sicut universale nihit aliud est, quam quaedam ralio inlelligendi,

ut est in pturibus Logica igitur est de secundis inlenlionibus non in abstracto,

sed in conerelo, ul concernunt rem prima inlellectam ; unde logicus non considerat

de generalitale et specialitale in abstracto, sed considerat de genere et specie in con

ereto modo. Istae inlenliones sunt triplices secundum triplicem operalionem ink-llectus.

Una enim est operalio inlellectus, quae apprehendit simplicia; alia est, quae

simplieia apprehensa componit et dividit ; lerlia est, discurrere a praemissis ad consequenliam.

Vgl. ob. Anm. 100 ff.

257) Ebend. : Unde genus et species dicuntur quaedam incomplexa, ul denominata

sunt inlentionibus Lieet aliqui dicant, quod ista sint per se, quia genus

et species dicunt rem, tamen istae inlenliones non dicunt res, nisi ul denominatae

sunt intenlionibus, ut „homo est species". S. ob. Anm. 127.

'258) Ebend. p. 390: Quaedam sunt universalia causalitale, alia propositione

(dass jedoch statt propositione sicher praedicalione gelesen werden muss, zeigen die

sogleich folgenden Worte; s. auch Anm. 248). Modo si quaeratur de universalibus

causalitale, dico, quod itio sunt noliora secundum naturam, quam singuioria, tamen

non sunt noliora quoad nos Si aulem loquimur de universali praedicalione,

dico per dislinclionem, quia aut accipitur pro inlenlione universalis aut pro re subiecta

inlentioni. Si pro intenlione universali, sie dico duo: primo quod universale

itlo modo est poslerius singuioribus, accipiendo singuiore pro re ; secundo dico, si

accipiatur singuiore pro inlentione, quod universale prius est singutari

Accipiendo singuiore pro inlenlione et universale pro inlentione singuiore poslerius est

quam universale S» aulem accipiatur universale et singutare pro re subiecta

intenlioni, adhuc dupliciler possunt eonsiderari, quia vel pro re abstracte sumpta vel

ul consideratur sub aliquibus proprietalibus Si considerentur pro re abstracte,

sie unum non est prius nec poslerius allero Si aulem accipiatur pro re ut stal

sub aliqua proprietale, primo in eodem genere cognitionis universalia sunt

prius ; secundo non facta reiolione ad unam cognitionem universalia sunt

priora singuioribus secundum naturam, non .... quoad nos.

259) Ebend. p. 388: Si genus esset aliquid unum in re per unam formam,

ilio forma esset unius speciei tantum el tunc non possei genus praedicari de alia

specie nisi de itio soio, cuius est forma. Si itio forma sit communis omnibus speciebus,

tunc arguo: itio forma communis aut est eadem mm forma cuiustibet speciei

aul diversa. Si est eadem esscntialiler cum formis specierum, tunc, cum formae

specierum sint multae el non una, sie eliam ista forma generis non erit una, sed

multae. Si sit diversa a formis specierum, aul est diversa numero aul specie aut

XIX. Petrus v. Abano. 243

Treffen wir somit unmittelbar nach dem Auftreten des Scotus ein

relalives Ueberwiegen der von ihm verfochtenen Anschauungen , so dass

dieselben sogar auf thomislischer Seite eine gewisse Aufnahme fanden

und dabei zugleich ihrerseits nicht in schroffer Ausschliesslichkcit festge

halten wurden, so musste es als eine gebotene Nothwcndigkeit erscheinen,

dass nun auch die Thomisten (wie schon früher, s. Anm. 71 ff.) sich

behufs der Reinheit ihrer Lehre zusammenschaarten. Und so treffen wir

den Thomismus im Kampfe nicht bloss gegen Scolisten , sondern auch

gegen Halbthomisten, — ein Kampf, an welchem uns hier natürlich nur

die logischen Controversen interessiren.

Absehend von allem Theologischen darf ich somit hier mit ein paar

Worten auch den berühmten Mediciner Petrus von Abano (gest. 1320)

erwähnen , welcher als Averroist dem Verdammungsurtheile der Kirche

verfiel260). Denn auf dem Gebiete der Logik zeigt sich derselbe als

reiner und strenger Anhänger des Thomas, dessen Ansichten er lediglich

wiederholt, sei es dass es sich um die Universalien281), oder um das

principium individuationis^^), oder um unitas formae handelt263).

Theologische Thomisten hingegen knüpften vielfach an jene früheren

Controversen bezüglich der Schrift „Correctorium fralris Thomae" (s.

bei Lamarre ob. Anm. 27 ff.) an; da jedoch von dieser polemischen

Litteratur, welche in die ersten zwei Jahrzehnte des 14. Jahrh. fällt,

häufig nur die Namen der Autoren und die Titel der Schriften über

liefert sind , können wir, so lange nicht alle einschlägigen Handschriften

gedruckt sind, nicht beurtheilen, in welcher Weise sich etwa die logische

Parteistellung gestaltet habe 264). Aber Einiges, was zu unserem Zwecke

genere; si sit diversa numero ab islis, vere non polerit praedicari de istis, sicut non

vere dieitur, quod Soerales sit Piolo, qui di/ferunt numero; nec si sit diversa specie

vel genere, eliam non praedicabitur vere de istis speciebus Ergo genus non

polest esse idem essenlialiler in diversis speciebus. Hier scheint mir das Missverständniss

Haureau's deutlich vor Augen zu liegen, denn derselbe erklärt die von

ihm mitgetheitle Stelle so, als ob es sich dabei um die Frage handle ,,.« le gerne

pevt etre pris comme une chose" ; aber davon ist ja gar nicht die Rede, sondern

nur von der unitas formae und den ihr entgegenstehenden Bedenken.

260) Da Petrus v. Abano noch starb, ehe der für ihn beslimmle Scheiler

haufen errichtet war, konnte sich die Kirche das Vergnügen nicht versagen,

wenigslens nachträglich die Gebeine desselben zu verbrennen. „Ecelesia non sitit

sanguinem".

261) Concitialor controversiarum, quae inler philosophos el medicos versantur,

Petro Abano Patavino, phitosopbo ac medico ciorissimo, auctore etc. Venet. 1565. fol.,

f. 7 v. B : Universale habet duplex esse : unum quidem in intellectu iam possibiti in

actum aliquando deducto; aliud secundum se, prout a mullis parlicuioribus est quaedam

forma communis per inlellectum abstracta; hie enim species et simititudines

rerum abstrahit a parlicuioribus et signalis congregans, unam quandam naturam

comn,unem natam inesse vel dici de pturibus.

262) Ebend. f. 36 r. B : Individuum est, quod de uno solo praedicatur particuiori

Numero sunt idem, quorum maleria est una, quod ipsa exislens sub cerlis

dimensionibus signalis principium est individualionis et formae susceplionis.

263) Ebend. f. 24 r. A : Ex pluribus entibus actu non fit unum actu per essenliam

Si formae permaneant elementorum in misto actu, ipsum iam pturium exislet

formarum ; quod est falsum, cum unius rei sit unicum esse perfeclivum.

264) So fmden wir einen Rambert von Bologna (gest. 1308), welcher

„Apologelicum contra corruplorium Thomae pro itlius doctrinae defensionc" schrieb (s.

Quelif, Seriptt. ord. Praedicatorum, I, p. 504) , einen Bernhard von Auvergne

16*

244 XIX. Pseudo-Thomas.

hieher gehört, liegt uns in mehreren jener sog. Opuscula vor, welche

man später für Arbeiten des Thomas selbst hielt und so in die Ausgaben

der Werke des Thomas aufnahm (vgl. ob. Aum. 76 u. Abschn. XVII, Anm.

484 u. 548 ff.). Es sind dieses Schriften, welche grösstentheils erst

nach Scotus entstanden sein können , aber eben dem Zwecke dienen,

die thomislische Auffassung gegen verschiedene Angriffe zu schützen.

In diesem Sinne stelle ich hier diese Litteratur eines Pseudo-Thomas

zusammen.

Ziemlich unbedeutend an Inhalt sowie an Umfang ist die Schrift De

natura accidentis, welche in der Erörterung des accidens naturale und

seines Verhältnisses zum subslantiale sich ganz an Avicenna anschliesst 2u5),

aber daneben als eine zweite Art das accidens logicum bezeichnet, welches

(ähnlich wie einmal bei Albert) die Universalien in sich enthalten soll 26u).

Was das prineipium individualionis betrifft, so wird hier gelegentlich

unter Berufung auf die schöpferische Kraft der Universalien der Standpunkt

des Thomas wortgetreu wiederholt267). Hingegen die Lehre von der

unitas formae erscheint mit der neuen Wendung, dass in den concreten

Wesen die Eine entscheidende Form verschiedene anderweilige Formen

je nach beslimmten Verhältnissen (proportiones) , in welchen sie zur Ma

terie stehen, zur Wesens-Einheit vereinigt268).

Auch die ausführlichere Monographie „De natura generis" hält sich

in Erörterung des Gattungsbegriffes durchgängig an Avicenna269), dessen

Angaben auch bei anderweiligen Punkten , z. B. in Bezug auf esse und

quiddüas, ausdrücklich cilirt werden270). Bemerkungen über das Verhältniss

der Logik zur Metaphysik und über die Eintheilung des ens sind

unmittelbar aus Aristoteles entnommen271). Was über prima und se-

(oder de Gannalo), welcher von dem angesehenen Thomisten des 15. Jahrh. Johannes

Capreotus öflers beifällig erwähnt wird und mehrere Schriften betreffs jener Controversen

verfassle, nemlich Contra dicta Henrici de Gundavo, quibus impugnal Thomam

, Contra Godefridum eadem de causa, Contra Jacobum Neapolitanum eadem de

causa (Quelif, a. a. O. p. 493); letzlerer Jacobns v. Neapel ist idenlisch mit

Jacobus de Vilerbo (oder Capoccius), und gegen ihn schrieb auch Robert Orphordius,

welcher ausserdem unter gleichem Tilel wie Bernhard gegen Heinrich

Göthals polemisirte (ebd. p. 431). Auch Wilhelm Mackefield schrieb ebenso

gegen Heinrich und ausserdem Contra corruptorem Thomae und De unitale formarum

(ebd. p. 493).

265) In der oben (Abschn. XVII, Anm. 485) erwähnten Ausgabe als Opusc. 41

gedruckt, Vol. XVII, 2, f. 1. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 157 ff.

266) Ebend. f. l v. A: De accidenle logico Omnia universalia accidentia

quaedam sunt sequentia res secundum esse, quod habent in anima. Vgl. Abschn.

XVlI, Anm. 379.

267) f. l r. A: In maleria natae sunt inesse quaedam formae generales et quae

dam speciales , quarum natura est, in maleria facere, quidquid formae generales

natae sunt facere (B) Maleria est prineipium individualionis sub dimensionibus

certis. Vgl. a. a. O. Anm. 508 u. 519.

268,) f. l r. B : Ipsum conslitutum ex maleria et forma, cuius est esse actu, in

quo cum non possint esse ptura esse substanlialia sub una forma, quam sub aliqua

alia forma, per unam formam sequuntur omnia, quae in diversis per diversas fnrmas

conlingunt; proportiones vero, quae pertinent ad istam maleriam, ordinant eam ad

diversas essenlias formarum delerminale.

269) Opusc. 42 ebd. f. l v. A—7 r. A. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 106— 117.

270) f. l v. B u. 2 v. A ; vgl. ebend. Anm. 103 u. 93.

271) f. 2 r. B. Vgl. Abschn. IV, Anm. 231, 298, 380.

XIX. Pseudo-Thomas. 245

cunda intentio gesagt wird , enthält Nichts neues , wenn auch vielleicht

ein leiser Einfluss des Scotus dabei bemerkbar ist272). Hingegen zum

ersten Male begegnet uns hier die Aufzählung von sechs lranscendentia,

nemlich ens, res, aliquid, unum, bonum, vervm, wobei nicht bloss jene

vier Begriffe, welche uns schon beim ächten Thomas begegneten (Abschn.

XVII, Anm. 515) hier um zwei neue (res und aliquid, sicher nach ara

bischem Vorbilde) vermehrt sind, sondern auch die Bezeichnung „transcendentia"

als neu erscheint; und schwerlich irren wir, wenn wir auch

darin eine Einwirkung der scolislischen formalitales erblicken, dass ge

sagt wird, jene sechs Begriffe seien sachlich idenlisch und nur logisch

von einander verschieden 273). Eigenthümlich ist auch, dass der Schluss

der ganzen Schrift in Mathemalik und Naturwissenschaft ausmündet274).

In der Schrift „De pluralüate formarum" ist bereits von Schmähun

gen die Rede, welchen die wichlige Lehre von unüas formae ausgesetzt

sei; um aber dieselbe zu befesligen, könne man theils ex distinctione

formarum, theils ex entitate, theils ex unilale Beweisgründe schöpfen275).

Indem aber die Abhandlung entweder von ihrem Verfasser unvollendet

gelassen oder fragmentarisch überliefert wurde, finden wir nur die beiden

ersten Molive ausgeführt, und zwar in ziemlich wunderlicher Weise.

Wenn nemlich die Formen sich dadurch von einander unterscheiden, dass

die eine vollkommener ist und höher steht, als die andere, und wenn

hiebei wie bei den Zahlen die niedrere in der höheren enthalten ist, so

werde die Natur, welche Nichts überflüssiges thue, doch wohl nicht den

unvollkommneren Grad der Form noch neben dem vollkommneren zur

besonderen Existenz bringen276); ja eine Form müsse gerade um so

einfacher sein, je vollkommner sie sei, denn indem die sämmtlichen nach

272) f. 4 r. B : Nomina primae inlenlionis sunt, quae rebus sunt imposita ab

sotule medianle conceplione, qua fertur inlellectus super ipsam rem in se; nomina

aulem secundae inlentionis sunt itio, quae imponuntur rebus non secundum quod in

se sunt, sed secundum quod subsunt intentioni, quam intellectus facit de eis. Vgl.

ob. Anm. 105.

273) f. l v. B : Sunt aulem sex tran scendenlia, videlicet ens, res, aliquid, unum,

rerum, bonum, quae re idem sunt, sed ralione dislinguuntur. Vgl. Abschn. XVI,

Anm. 32, u. ob. Anm. 149 (mlt den puncta transcendenlia des Raimundus Lultus,

vor. Ahschn. Anm. 140, hat diess keinenfalls Etwas zu schaffen); s. unlen Anm. 355.

274) f. 4 v. B De metaphgsica aulem et logica et earum consideralione , quae

ad omnia se extendunt, actum est; nunc vero de naturali et mathemalica restat

agendum.

275) Opusc. 45, ebd. f. 11 r. B: Inler veritales siquidem de principiis naturac

de unitale formae in uno individuo ad pturimas se exlendit veritales, sufficial

ad praesens, quasdam raliones communes in seriplis adductas contra cavitioliones

fortificare Ostenditur aulem propositum tribus viis ad praesens: prima sumitur

ex dislinclione formarum a se invicem, secunda ex ralione entitalis, lerlia ex ra

lione unitalis.

276) Ebend.: Formae rerum sunt sicut numeri et figurae, quantum ad hoc, quod

una forma addil perfcctionem super aliam, sicul unus numerus addit super alium

et sicut una figura super aliam et virtule continel ipsam; forma ergo perfeclior mrtule

conlinet formam imperfecliorem ; posita ergo forma perfectiori superfluit ponere

imperfecliorem ; cum ergo in natura nihit sit superfluum, non permitlit natura, quod

in eodem composito sint duae formae, quarum una sit perfectior alia. Ad huius

ralionis evidenliam considerandum est, quod omnes formae substanliales wnt

eiusdem generis.

246 XIX. Pseudo-Thomas.

verschiedenen Graden abgestuften Formen zu Ein und der nemlichen

Gattung gehören , sei ein gleichzeiliges Ziisammenbestehen derselben un

möglich277). Auf dieses erste Moliv könne man dann auch sofort das

zweite stiilzen , oder letzteres durch den Hinweis auf die reale Wirkung

der in sich einheitlichen Form erledigen 278).

Die kurze Abhandlung „De inteltectu et intelligibili" zeigt uns neben

dem gewöhnlichen thomislischen Dualismus zwischen Singulürem und

Allgemeinem 279) eine entschiedene Bezugnahme auf Scotus , indem als

Gegenstand der Wortbedeutung nur die subjecliv begriffliche Auffassung,

nicht aber die species intelligibilis , bezeichnet wird 280). Uebrigens

knüpft sich hieran eine etwas myslische Dreitheilung der Sprache , je

nachdem dieselbe vom Herzen oder von der Einbildungskraft oder vom

Munde ausgeht281).

Unter dem Titel „De universalibus" sind uns zwei Tractatus er

halten, deren zweiter jedoch durchaus nicht eine Fortsetzung des ersten

ist, sondern jeder derselben behandelt das Thema derarlig in seiner

eigenen Weise, dass wir zweifellos zwei ganz verschiedene Verfasser vor

uns haben 282). Der erstere beginnt sofort mit einer Aufzählung und

Krilik der verschiedenen Meinungen über die Universalien , wobei die

Epikureer, die Platoniker, die einseilig übertreibenden Scolisten, und die

Anhänger Bonaventura's sämmtlich durch aristotelische Stellen widerlegt

werden283). .Und dasjenige, was sich Thomas aus Aristoteles und Avi-

277) f. 12 v. A: Omnis forma est simplex, et nulta est composita ex /braus, et

tanto forma est simplicior, quanto maior est et perfeclior (B) Unde impossibile

est, quod compaliatur secum aliam in eodem subiecto, cum sit eiusdem generis cum

unaquaque, sicut et omnes formae aliac sum incompossibites propler hoc, quod sunt

eiusdem generis.

278) f. 12 v.B: Secunda via osteudendi propositum sumitur ex polestate essenliali

formae substanlialis, ex hoc sc. quod quaelibet forma substantialis constituit

ens simpliciler; quod passet probari ex prima via supposita incompossibititale

formarum ; ex hoc enim stalim sequitur, quod omne subsistens maleriale, cum sit

unum subiectum unam tuntutu habens maleriam, tantum sit una forma cuiusiibet,

quae facial esse subsislens. Sed tanmen ex propriis huius viae est procedendum ;

pro principio aulem huius viae sumendum est, quod omnis forma naturalis est principium

alicuius motus naturalis et quielis.

279) Opusc. 53, ebd. f. 37 v. B: Ipso, natura, cui accidit (vgl. ob. Anm. 266)

intelligi , non est nisi in singuioribus ; sed hoc ipsum, quod est inlelligi , est in

inlellectu.

280) f. 37 v. A: Vox exlerior neque significat ipsum inlellectum neque speciem

inlelligibitem neque actum inlellectus, sed conceplionem, qua medianle relertur ad rem,

Vgl. ob. Anm. 126 f.

281) Ebend.: Triplex est verbum: verbum cordis sive inlellectuale, verbum imaginalionis

sive imaginabite, verbum oris sive vocale; primum est manans, sccundum

disponens, lertium operans.

282) Opusc. 55, ebd. f. 38 r. A, und Opusc. 56, f. 39 r. B.

283.) f. 38 r. A: Cirea uuiversalia mulliplex fuit et diversorum philosophorum

opinio. Quidam enim, sicul Epicurei, non ponentes distinclionem esse nisi secundum

sensum dicebant, quod nit,il est universale !luidum posuerunt, ea esse et

subsislere praeler singuioria et practer inlellectum, et isti fuerunt Ptatonici ; philosophus

dicit contra Piolonem deridendo eum „gaudeant genera et species, monstra

enim sunl" (s. Abschn. 1II, Anm. 66). Sumamus aulem necessarium argumentum,

quod formal Avicenna contra eum (folgt die Slelle Abschn. XVI, Anm. 188)

Quidam posuerunt universalia nobis innata et conereta per dirtum phitosophi,

quod intelligimus, cum votumus (Abschn. IV, Anm. 107), quod non esset dictum,

XIX. Pseudo-Thomas. 247

cenna behufs eines bequemen Dualismus herausgelesen hatte, bildet nun

die posilive Ansicht des Verfassers, welcher in seinem Wortgebrauche

fast das ganze Register der Terminologie des Albert und des Thomas

(s. Abschn. XVII, Anm. 398) erschöpft und hiezu noch den älteren Aus

druck „diversi respectus" (s. Abschn. XIV, Anm. 137) hinzufügt und

auch seine Uebereinslimmung mit dem thomistischen Princip der Individualion

kundgiebt 2s4). Daran schliessen sich Erörterungen über intentio

universalüatis und über universalia accidentium an, welche wörtlich

theils dem Thomas theils dem Avicenna entnommen sind285); hierauf

aber folgt eine förmliche Casuislik über Priorität oder Posteriorität der

Universalien (vgl. ob. Anm. 258), indem hiebei vorerst der Unterschied

zwischen realem Sein und Erkennbarkeit derselben festzuhalten sei, und

ersteres entweder als Abstractum oder als Form gefasst werden könne,

wovon wiederum die -Form sowohl nach ihrer Thätigkeit als auch nach

ihrer Absicht (intentio) betrachtet werden müsse, für welch beide Ge

sichtspunkte abermals zu unterscheiden sei zwischen höher liegenden und

liefer stehenden Universalien, deren erstere wieder entweder auf ihre

eigene oder auf eine mittelbar entferntere Individualion bezogen werden

können286). Der Rest aber enthält Bemerkungen über den artmachenden

nisl ipsa nobis universalia innata essent et semper actu praesentarentur ipsi animae

(diese Ansicht konnle nur von extremen Scolisten ausgehen, welche den Begriff der

species inlelligibitis in auguslinischem Sinne forcirlen, vgl. ob. Anm. 100 u. 114—125).

Contra quod est eliam phitosophus (folgt die empirislische Stelle Abschn. IV, Anm.

53).'..... Alii vero posuerunt, quod formae intellectuales effiuunt in mentem nostram

ab intellectu agente, ponebant aulem, inlellectum agenlem non esse in nobis, sed

extra nos, et dicebant, istum esse deum (s. Bonaventura, Contra istos est philosophus in lerlio de anima (s. AbsAcbhsnc.hn.lV,XVAInIm,. A6n3m.ff.5) 52)

284) f. 38 r. B : Sentenlia tamen Aristolelis vera est, et tangitur in hoc

duplex esse universalis, unum, secundum quod est in rebus, aliud, secundum quod

est in anima Natura, quae individuatur per maleriam in singuioribus , efficitur

postea universalis per aclionem inlellectus depuranlis ipsam a condilionibus, quae

sunt hie et nunc Lapis non est in anima, sed species iopidis (Abschn. IV,

Anm. 176) Diversis respectibus polest aliquid esse genus et species et univer

sale et parlicuiore Est universalis, inquantum habet ralionem uniformem ad

omnia individua, pront aequaliler est simititudo omnium Habet ralionem

communitalis, secundum quod est communis per repraesentalionem pturium Unitas

generis ex ipsa indelerminalione procedit vel indifferenlia.

285) f. 38 v. A. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 493. u. Abschn. XVI, Anm. 103.

286) Ebend. : Utrum aulem universale sit prius, quam singuiore, dicendum,

quod universale esse prius contingit dupliciler, sc. universale in essendo et universale

in cognoscendo. Si in essendo, tunc universale accipitur pro specie, quae est abstracta

a condilionibus malerialibus, et isto modo palet, quod prius est singu

iore, a quo abstrahitur talis forma Alio modo consideratur universale, prout

est forma realiler existens in rebus, et hoc dupliciler; aut enim refertur ad operalienem

naturae aut ad inlenlionem. Si primo modo, aut loquimur de universal i speciei

specialissimae aut de superiori ad ipsam. Si de superiori, aut comparatur ad suum

proprium singuiore aut ad id, quod mediale continetur ab ipso. Si ad proprium,

tunc prius est in operalione naturae hoc animat, quam unimal, quod omnis

operalio est singuiorium Si formamus universale superius ad singuiore non

proprium, ut animal ad hunc hominem, sie in operalione naturae universale praecedit

singuiore Si aulem loquamur de universali inferiori, ut de specie specialissima,

sie quantum ad operalionem naturae singuiore praecedit universale Si aulem

referamus universale quantum ad inlenlionem naturae, sie adhuc distinguendum est,

quia loquimur aut de universali superiori, ut de genere, aut de inferiori Si

248 XIX. Pseudo-Thomas.

Unterschied, über Einheit, und über das Verhältniss zur Objeclivität, welche

sich wörtlich an Avicenna anschliessen 287).

Der Verfasser der zweiten Abhandlung, welcher auch auf andere

von ihm verfasste Schriften hinweist288), vertritt eine mehr realislische

Auffassung des Thomismus. Indem er an den aristotelischen BegrilV des

xcrfrcUot) anknüpft, nimmt er das Universale als eine „Sache", welche in

mehrerera Gleicharligen „ist" und so von der secunda intentio erfasst

wird, und er verstösst somit ausdrücklich und absichtlich gegen den

älteren Spruch „res de re non praedicalur"289). Dabei aber hält er

einerseits mit Thomas in einer unverkennbar polemischen Wendung gegen

Scotus daran fest, dass das Singuläre nur durch ein Entblössen von seiner

Parlicularität Gegenstand des Erkennens werden könne290); und andrer

seits gebraucht er für jenes aus dem Einzelnen herausgeschälte Universale

den scolislischen Ausdruck „species intelligitiilis", woran sich aber be

züglich der unüas furmae ähnlich wie bei Gottfried v. Fontaines und

Johannes l'arisiensis die Annahme knüpft, dass Gattmigs- und Art-Begrill'e

nur auf einem „diversimode intelligere" beruhen291). Freilich liegt

hiebei immer nur der unklare Dualismus des Thomas zu Grunde, denn

es wird hinwiederum gesagt, dass das Universale einerseits in seiner

eigentlichen Bedeutung formalüer nur in der denkenden Seele als ein

loquamur de superiori, dico, quod universale non inlenditur a natura St

n,fli-m de universali inferiori, ut de specie specialissima loquimur, dicendum,

quod intenlione naturae prius est universale Et sie palet, quid sit tiicendum

de universali quantum ad esse suum. Si aulem loquamur de universali quantum ad

cognilionem suam, hoc polest esse dupliciler, quia est aliquid nolius quoad nos, et

est aliquid nolius simpliciler sive quoad naturam.

287) f. 38 Y. B z. B. ralionalitas, s. Abschn. XVI, Anm. 150, und Abschn. XVII,

Anm. 529; über unitas, s. Abschn. XVI, Anm. 102; sodann f. 39 r. A: Aaimat, inquantum

est animat, nec est genus ncc species ncc tndividuum nec unum a. s. f.,

s. eliend. Anm. 74.

288) Opusc. 56 f. 40 r. A, woselbst wir einmal finden „ut alibi dectarabitur",

dann wieder „sieuf patebit in Topicis" und hierauf „palebit capitulo de proprio''.

289) f. 39 r. B : Quoniam dicit Aristoleles primo Posteriorum (s. Abschn. IV,

Anm. 132) , dico, quod universale, secundum quod universale, comprehendit

primam rem, quae de se nata est, in pluribus esse secundum intrntionem secundam.

f. 39 v. A : Quando dicitur „universale praedicatur de pturibus", sensus est, quod

res subiecta universalitali praedicatur de pturibus. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 287.

290) f. 39 r. B : Res, secundum quod est in maleria parlicuiori, intelligi non

polest, nisi abstrahatur ab omnibus conditionibus individuantibus ; tapis enim non

polest inlelligi, nisi per intellectum abstrahatur ab hie et nunc. (. 39 T. B: Singu

iorita* ex hoc, quod est singuioritas, non impedit actionem inlellcctus; aliler inlelligenliae,

cum sint singuiores, non possent intelligi, quod falsum est Singutaritas

non opponitur actioni inlelligibitis, nisi cum sit cum maleria; sed cum

denudatur a maleria, erit inlelligibitis. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 499. u. ob. Anm.

31, 75 u. 121.

291) f. 39 r. B: Prima intentio, quae de iopide est, in intellectu est species

iopidis, quae compelit tapidi, secundum quod iopis , et ab ista prima intentione haec

vox „tapis" imposita est ad significandum naturam iopidis Intellectus intelligit

naturam iopidis medianle specie inlelligibili (s. ob. Anm. 110 ff.), quia sibi non

repugnat esse in pturibus; secundo inlelligit eam, ut est parlicipabitis a pturibus, et

secundum diversum parlicipalionis modum sie diversimode intelligit; nam inquantum

est parlicipabitis a pturibus differenlibus specie, intelligit eam sub intellectu genens ;

et si solum parlicipabitis est a pturibus differenlibus numero, inlelligit eam sub inlellectu

speciei. Vgl. ob. Anm. 70 u. 74.

XIX. Pseudo-Thomas. 249

Accidens des objecliven Wesens vorliege uffd andrerseits zugleich der

Gegenstand selbst sei, welcher vorstellungsweise (obiective) dieser Auf

fassung unterworfen werde292), — eine Annahme, welche auch hier

an jene Stellen Avicenna's geknüpft wird , denen wir schon so oft begejjneten

203). Auch eine Polemik, welche gegen eine platonisirende An

sicht, dass die Universalien individuelle Wesens-Einheiten seien, gerichtet

ist, beruht auf den nemlichen Grundlagen 2!)4). Aber Eine eigeuthiimliche

Annahme hat diese Schrift vor allen übrigen damaligen Erzeugnissen zum

Voraus: es wird nemlicb aus dem Umstande, dass die secundae intentiones

nur in der Seele, und zwar als ein Accidentelles , sich finden, hier der

Schluss gezogen, dass die Logik nur in ungewisser Weise (incertitudinaliter)

eine Wissenschaft sei, da ihr Gegenstand im Vergleiche mit anderen

(realen) Disciplinen und insbesondere im Vergleiche mit der Metaphysik

der schwächste (debitissimum) und ungewisseste sei, denn dasjenige, was

nur psychologisch exislire, habe am Wenigsten am Sein Theil295). Noch

wunderlicher aber gestaltet sich die Sache, wenn der Verfasser wohl

hieraus folgert, dass ein eigentliches Wissen (scire) der Logik nur auf

Grundlage einer Kenntniss der realen Wissenschaften erfolgen könne296),

aber dann doch zugleich behauptet, die Logik müsse vor den übrigen

Disciplinen gelernt werden , weil jene secundae intentiones allem Seien

den gemeinsam seien , und somit auch die Logik selbst gemeinschaftlich

allen Wissenschaften einwohne und für alle das Beweisverfahren ent

halte 2").

292) f. 39 v. A: Quaeritur aulem, utrum universale sit substanlia vel accidens.

Et per hoc solvitur ista quaeslio, quoniam loquendo de universali, secundum quod

universale, est sotum in anima et est accidens (Abschn. XVII, Anm. 379); sed lo

quendo de re subiecta dicitur, quod quandoque est substanlia et quandoque accidens

secundum diversitalem universalium Secunda intentio, quam universale inctudit,

formaliler (diess ist scolistische Terminologie, s. ob. Anm. 129 u. 133) solum est

in anima Res subiccta itli inlenlioni non dicitur proprie subiccta, sed obiecta.

293) Ebend.: Logica principaliter est de secundis intentionibus ; sed quia secundae

intentiones principaliter accipiuntur a proprietalibus rerum medianlibus primis, ideo

Heit Avicenna, quod logica est de secundis inlenlionibus adiunclis primis

(Abschn. XVI, Anm. 74) Avicenna dicit, quod tribus modis dicitur universale

(s. die Stelle ebend. Anm. 184).

294) f. 39 v. B: Aliqui dixerunt, quod universale esset unum numero numerositale

essenliae; hoc aulem falsum est. Nam non requiritur ad unitalem universalis unitas

essenliae, quoniam genus non dicit essentiam unam, sed ptures; sed ideo

dicitur universale unum numero, quia intentio itio, quae est in anima, est una

in numero.

295) f. 40 r. A: Species respectu animae accidens est, et simitiler de aliis in

lenlionibus secundis Sotum habent esse in anima Et ex hoc palet, qualiter

incertitudinaliter logica est scienlia, quia ipsa inler omnes alias scienlias incertior

est; quod est, quia certitudo scienliae dependet a certitudine subiecli. Dicitur enim

metaphgsica cerlissima, eo quod habet suliectum certissimum Sed inler omnia

subiecta scienliarum debilissimum et incerlissimum est subiectum logicae, quia unumquodque,

quantum habel de enlitale, tantum habet de veritale ; nunc autem se

cundae inlentiones sotum habent esse in anima et ab anima, ex quo sequitur, quod

habent debitissimum esse; nam intcr omnia genera entium entia, quae sunt in anima,

minus parlicipant de enlitale. Vgl. bei Albert, Abschn. XVII, Anm. 363.

296) Ebend.: Ideo impnssibile est, logicam scire, nisi fuerit sciens et expertus

in aliis scientiis et specialiler in metaphgsica.

297) Ebend. : Verumtamen, quia huiusmodi secundae inlentiones communes sunt

250 XIX. Pseudo-Thomas.

Das eigenthiimlichste Proiluct aber innerhalb dieser ganzen pseudothomislischen

Litteratur ist die „Summa lolius logicae Aristolelis" 29s),

welche auch geschichtlich Manches interessante darbietet (sei es selbst

nur um Leibnitz's willen). Es ist unmöglich, dieses Buch dem Thomas

zuzuschreiben, denn der Verfasser desselben behandelt nicht nur ausführlich

die hypothelischen Syllogismen, sondern verweist auch auf eine von

ihm selbst geschriebene Monographie über dieselben299), während Thomas

gerade für das demonstralive Wissen die hypothelischen Urtheile und

Schlüsse abwies (s. Abschn. XVII, Anm. 540). Auch ersehen wir aus

einer einzelnen Stelle , dass der Verfasser nicht blos in Spanien lebte,

sondern selbst ein Spanier war300). Wie er hiess, wird ohne neue

Hülfsmittel nimmer zu ergründen sein. Ein thomislischer Standpunkt im

Allgemeinen liegt dem Buche wohl zu Grunde , aber um so auffallender

ist manches Einzelne und insbesondere die häufige Einflechtung byzan

linischer Logik.

Die wesentliche Aufgabe der Logik erblickt der Verfasser (— hierin

von Albert abweichend —) in dem syllogislischen Beweisverfahren, und

so folgt er dem arabischen Molive (Abschn. XVI, Anm. 16 f.) der Eintheilung

der Logik nach den Bestandtheilen des Syllogismus301), will

aber für seine ganze Darstellung auf das Gebiet der Topik und Sophislik

verzichten302). Was zunächst den Inhalt der Isagoge betrifft , schliesst

er sich in der Universalienfrage an Albert und Thomas an , deren Ter

minologie er durch das anliscotislische Wort „denudare" und durch den

bei Roger Baco vorkommenden Ausdruck „convenientia" bereichert303),

i« omnibus entibus, ideo logica est communis omnibus scienliis et polest arguere in

qualibet scientia, nam secundac intenliones ducunt in cognilionem primarum, inquantum

fundatae sunt in eis Ideo logica debet addisci prius omnibus

aliis scienliis.

298)• Opusc,. 48, ebend. f. 14 v. B — 35 v. A. Unter die Werke des Thomas

konnle dieses Buch wahrlich nur durch jenen principiellen Mangel an aller Krilik

gerathen, durch welchen sich das Mitleioller in gleicher Weise auszeichnete, wie

heutzutage die modernen Thomisten in St. Pölten und in Rheinpreussen (s. Abschn.

XVII, Anm. 481).

299) f. 32 r. B : De quibus omnibus composilis proposilionibus et earum varietale

et sgllogismis, qui ex eis fiunt, diffuse dixi in libro, quem feci de hgpolhelicis

sgllogismis; ideo di/fuse de eis nunc tractare praelermitlo, sed videamus sotum modos

sgllogizaudi.

300) f. 24 v. B: Verba infinilivi modi aliquando ponuntur ex parle subiecti, ul

cum dicimus „currere est moveri", et hoc est, quia habent vim nominis; undc Gracci

addunt eis arliculos sicut nominibus ; hoc idem facimus nos in logica vulgari, nam

dicimus nel corere mio", ubi litlera „e/" est arlicutus.

301) f. 14 v. B: Omnes homines natura scire desiderant (bekanntlich die An

fangsworle der aristatelischen Metaphysik) ; scire aulem est effectus demonstralionis ;

quia demonstralio est sgllogismus, ad cognoscendum eam necesse est praecognoscere

sgllogismum; sgllogismus aulem cognosci non poleril partibus ignoralis.

Vgl. hingegen Albert, Abschn. XVII, Anm. 370.

302) f. 15 r. A: De sgllogismo vero applicalo ad maleriam probabitem, qui perlinel

ad partem logicae, quae dialeclica dicitur, de quo tractatur in libro Topicorum,

et de sgllogismo applicalo ad maleriam sophislicam, de quo tractatur in libro Etenchorum,

non inlendo me ad praesens intromitlere.

303) Wir finden nemlich (f. 15 r. A) nicht bloss die Begriffe secunda inlenlio,

maleria signata, hie et nunc (s. Abschn. XVII, Anm. 519), conformitas (s. Abschn.

XIV, Anm. 474), sondern unmittelbar neben letzlerem auch convenienlia (s. Abschn.

XIX. Pseudo-Thnmas. 25t

während er dabei zugleich den thomislischen Dualismus mit der byzan

linischen Wendung ausspricht, dass das praedicabile in dem „dici de"

und das universale in dem „esse in" liege, was natürlich mit der Unter

scheidung eines intcllectiiellen und eines sachlichen Auftretens der Uni

versalien zusammentrifft 30J). Wenn aber in Folge der abstrahirenden

Thäligkeit, welche im Intellectus vor sich geht, die Universalien vorstellungs

weise (obiective, s. ob. Anm. 105) im Denken sich vorfinden305), so wird

zur Uebcrbrückung der Kluft zwischen Subject und Object die species

intelligibilis des Scotus als jene Anschauung herbeigeholt, in welcher die

Universalien gegenständlich (subiective) im Intellectus sind306); nur ver

bleibt dabei dem subjeclivcti Denkacte immer noch jede Verknüpfung und

wechselseilige Beziehung der Gedankendinge, und so kann in aller Schärfe

gesagt werden , dass die Wahrheit überhaupt nur vorstellungsweise be

steht307). Die Frage aber, wie die Universalien in den Dingen zur Individualisirung

gelangen , wird ganz im Sinne des Thomas beantwortet,

wobei jedoch, um der Schwierigkeit betreffs der Angelologie zu entgehen,

jeder Engel sich gefallen lassen muss, zu einer eigenen Species ernannt

zu werden 308). Auch die Controverse über unüas formae wird nach

thomislischer Anschauung erledigt, indem die Aeusserungen Avicenna's,

welche sich auf die Form beziehen, zur Verwendung kommen309).

Ueberhaupt ja ist es Avicenna , von welchem der Verfasser auch in der

Einzeln-Erörterung der fünf Universalien innerhalb seines Thomismus sich

leiten lässt310).

XVII, Anm. 573) und als Ausdruck der abstrahlenden Thäligkelt denudare (vgl.

hingegen Scotus ob. Anm. 121 u. 290).

304) Ebend. : Universalia dicuntur, prout inlellectus altribuit eis esse in pturibus

; praedicabitia vero dicuntur, prout inlellectus altribuit eis dici de pturibus (s. bei

Petrus Hispanns, Abschn. XVII, Anm. 167). Ziemlich ptump spricht sich dieser

Du.,lismus in den Worlen aus, f. 15 r. B: Liect inlentiones fiunt ab intellectu, tamen

oportet, quod aliquod fundamentum habeant in re extra, oder ebenso wenn gesagt

wird, f. 25 v. B: Universale aulem polest dupliciler considerari: uno modo quasi

separatum a singuioribus, sc. secundum esse, quod habet in intellectu obieclive; alio

modo seenndum esse, quod habet in singuioribus.

305) f. 15 v.B: Forma substantialis habet duplex esse. Unum est obieclive in

inlellectu (hiezu vor. Anm. am Schtuss), et secundum hoc esse inlellectus attribuit

sibi nomen abstractum, considerat enim eam inlellectus non considerando maleriam,

in qua est, et proplerea dal sibi nomen abstractum, ut „humanitas". Aliud esse

habet in maleria.

306) f. 25 r. A : Dico, quod in inlellectu quaedam sunt subiective, ut species

inlelligibiles (s. ob. Anm. 118 u. 126 ff.) et aetus inlelligendi et huiusmodi; quaedam

sunt obieclive, ut ea, quae intellectus intelligit. .

307) Ebend.: Quando ergo res, quae est in inlellcctu obieclive, est conformis

sibi ipsi, ut est in rerum natura, tunc talis conformitas dicitur veritas (B) Veritas

est reiolio ralionis, enlia aulem ralionis nusquam sunt subiective, nisi targo

modo intelligatur, secundum ittud, cui ralio attribuit talem respectum ralionis ; habet

ergo veritas sotum esse obieclive; et simititer dico de falsitale. Die Folgerung je

doch, welche wir aus diesem Standpunkte in einer anderen Schritt (ob. Anm. 295)

fliessen sahen, wird hier nicht gezogen.

308) f. 15 v. A: Principium individualionis proprium est a maleria signata

Angeli non differunt inler sc numero, sed quitibel angetus facit speciem per se.

309) f. 15 r. B u. f. 17 v. A ; vgl. Abschn. XVI, Anm. 93. u. Abschn. XVII,

Anm. 523 f.

310) f. 15 v. B über den artmachenden Unterschied (vgl. Abschn. XVI, Anm.

XIX. Pseudo-Thomas.

An die Lehre von den Kategorien, welche in der nemlichen Weise,

wie bei Albert, mit den Universalien in Verbindung gebracht werden311),

knfipft sich vorerst an der Hand aristotelischer Stellen eine Besprechung

des Begriffes „ens"312), welcher jedoch nicht als Gattungsbegriff gefasst

werden soll313). Eigenthümlich aber ist dem Verfasser nicht nur, dass

er die ersten drei Kategorien als „absolute" den übrigen sieben als „re

laliven" gegenüberstellt314), sondern auch dass er erst hier bei der Ka

tegorie der Substanz die arbor Porphgriana verwerthet, mit welcher er

jedoch ebensowenig wie Avicenna durchgängig einverstanden ist315). In

ungleichmässiger Ausführlichkeit behandelt er die Kategorie der Quanlität,

Qualität und Relalion , in deren Erörterung er auch viele theologische

Fragen verflicht316), und betreffs der sechs letzten Kategorien liefert auch

er einen Commentar zum Gilbertus Porretanus 3 n).

In der Lehre vom Urtheile entlehnt er dem Albert die Unterschei

dung zwischen enuntiatio und proposit io 3 1 8) , folgt aber hinwiederum

bezüglich der fünf Arten des Satzes lieber der Auctorität des Boethius319),

und nimmt dann aus der byzanlinischen Logik den Begriff der copula

sowie den Memorial -Vers „Quae ca vel hgp" u. s. f. auf320). Auch da,

wo er bezüglich der allgemeinen Urtheile Gelegenheit findet, seinen thomislischen

Dualismus kundzugeben, und sowohl für die logische Auflassung

als auch für das reale Auftreten der Universalien die möglichen Fälle

einer allgemeinen Aussage formulirt, bewegt er sich in byzanlinischen

Beispielen und in der byzanlinischen Ansicht, dass z. B. omnis eben doch

nur ein Syncategoreuma und ein blosses „Zeichen" sei321), daher er auch

144 ff. u. Abschn. XVII, Anm. 529); f. 16 r. A über Accidens (vgl. Abschn. XVI,

Anm. 156 ff.).

311) f. 15 r. A: Praedicamentum nihit aliud est, quam ordinalio praedicabitnim

in ordine praedicamentali. S. Abschn. XVII, Anm. 429. Auch die Erörterung über

die Synonyma und insbesondere über die Analoga (f. 17 r. A) schliesst sich an Al

bert an; s. ebend. Anm. 432.

312) f. 17 r. B; vgl. Abschn. IV, Anm. 298 u. 301.

313) f. 16 r. A; s. Abschn. XVI, Anm. 32. u. Abschn. XVII, Anm. 415.

314) f. 17 r. B: Contrahitur ens per duos modos, quorum unus est esse ad esse,

et iste modus comprehendit trin praedicamenta absotuta, se. substantiam, quantitalem

el quali talem; secundus est esse ad aliud, et isle modus comprehendit seplem praedicamenta

respecliva.

315) f. 17 v. B: Qualiler aulem praedicamentum substantiae sit ordinatum, palet

in arbore Porphgrii, quam gralia exempli ponimus, licct non in tola reperiam cam

veram. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 134.

316) f. 18 v. B — 21 v. A.

317) f. 21 v. B — 24 r. B. Vgl. Abschn; XVII, Anm. 439.

318) f. 24 v. A ; vgl. ebend. Anm. 445. Gelegentlich der Definilion von vox

wird eine aristatelische Stelle (Abschn. IV, Anm. 701) mlt Benützung des byzanli

nischen Begriffes „suppusitum" (vgl. ob. Anm. 109 u. 251) verwendet: Est differenlia

inler diffinilionem suppositorum el diffinitionem formarum etc.

„ 319) f. 25 r. A; vgl. Abschn. XII, Anm. 111. u. Abschn. XVII, Anm. 449.

320) f. 25 v. A; s. Abschn. XVII, Anm. 152 u. 108.

321) Auf die oben, Anm. 304, angeführle Stelle, f. 25 v. B, folgt unmittelbar:

Primo modo considerato universali aliquid de eo polest dupliciler enunliari. Uno modo,

quando ei altribuitur aliquid, quod perlinet ad soiom aclionem intellectus , ut cum

dicimus „homo est species" Alio modo, quando ittud, quod ei altri

buitur, non perlinet ad actum inlellectus, sed ad esse , quod habet ipsa natura intellecta

in rebus, quae sunt extra animam, ut si dicatur „homo est dignissima erea

XIX. Pseudo-Thomas. 253

Albert's „Individuum vagum" mit einem anderen derarligen Zeichen,

nemlich mit quidam, in Verbindung bringt 322). Wenn aber dann bei

Erörterung der Entgegensetzung der Urtheile sieben Erfordernisse des

contradictorischen Gegentheiles aufgezählt werden 323) , so fühlen wir es

merklich, dass wir uns allmälig dem üppigsten Dickicht der Scholaslik

nähern. Bei der Aequipollenz wird der Memorial-Vers „Prae contradie

u. s. f." angeführt324), auch folgt hierauf eine längere Erklärung der

byzanlinischen triplex materia der Urtheile325). Desgleichen wird die

Modalität der Urtheile ausführlich nach älterer und neuerer Tradilion der

byzanlinischen Logik behandelt, denn auf letztere weist die Unterscheidung

der „modales de dicto" und „modales de re" hin326), und ersterer

gehört die Auffassung des Begriffes modus selbst, sowie die Memorial-

Worte „Purpurea u. s. f." an327). Ebenso schliesst sich die Erörterung

über die hypothelischen Urtheile dem nemlichen Vorbilde an , und zwar

ist es die jüngere Formalion, aus welcher die Eintheilung des condilionellen

Urtheiles in rationalis, causalis, temporalis entnommen ist328).

Die Syllogislik knüpft der Verfasser an den tradilionellen arabischen

Begriff der Argumentalion 329), verbindet aber hiemit den Standpunkt des

Boethius, wornach inventio und iudicium die Aufgabe der Logik sind,

turarum" (wörtlich dasselbe Beispiel s. Abschn. XVII, Anm. 206) Secundo modo

enuntiatur aliquid de universali dupliciler. Uno modo cum attribuitur sibi ali

quid ralione ipsius universalis ; alio modo, quando altribuitur ei aliquid ralione

singuioris Et quiaiste modus enunliandi aliquid de universali cadit in communi

apprehensione hominum, ideo inventae sunt quaedam dictiones ut hoc signum „omnis" (s. ehend. Anm. 238 f.). ad designandum modum,

322) f. 26 r. A: Haec diclio „quidam" vel „aliquis" indelerminale formam

alicuius singuioris significat, unde et dicitur individuum vagum; s. ebend.

Anm. 406.

323) Ebend. : Quod sit contradiclio inler aliqua, requiruntur seplem. Primo,

quod opponantur duac proposiliones, quarum una sit affirmaliva et allem negaliva,

quod fafes enunlialiones sint eiusdem subiecli. Terlio, quod sint eiusdem praedicali.

Quarto, quod non fial praedicnlio secundum diversas parles subiecti Quinta,

quod non sit diversus modus ex parle praedicali Sexto, quod non sit diversitas

ex, parte mensurae, taci et lemporis Seplimo, quod non sit diversitas ex habitudine

ad aliquid extrinsecum.

324) f. 26 v. A, s. Abschn. XVII, Anm. 40.

325) Ebend., s. ebd. Anm. 155.

326) f. 26 v. B : Quaedam sunt propositiones modales de dicto, ut „Soeralem

currere est nccesse", in quibus sciticet dictum subiicitur et modus praedicatur (vgl.

ebd. Anm. 161), et istae sunt vere modales Quaedam aulem sunt modales de

re, in quibus videlicet modus interponitur dicto, ut „Soeralem necesse est currere",

quod in Soerale sit necessitas ad currendum. Im Wesen nemlich ist diese

Eintheitung verwandt mit jener, welche wir oben (ebend. Anm. 585) trafen.

327) f. 27 r. A, s. ebd. Anm. 161 n. bes. 164. Die übliche Figur ist hier sehr

vereinfacht, indem in den vier Ecken derselben nur die Satzformen auftrelen:

Necesse est esse, Possibite est esse, Impossibite est esse, Possibite est non esse.

328) f. 27 v. A, vgl. ebend. Anm. 584. Wenn dort gesagt wird „Harmonius

ponit duplicem hgpolhesim", so ist natürlich Ammonius zu lesen, nnd es ist damit

eine Stelle gemeint, welche Boethius (Abschn. XII, Anm. 156) aus Ammonius (Abschn.

XI, Anm. 167 f.) entnommen hatle.

329) f. 27 v. B : Est aulem argumentalio oralio significaliva discursus ralionis

ab uno cognito ad aliud incognitum vel a magis cognito ad minus cognitum. Vgl.

Abschn. XVI, Anm. 15. Hierauf folgt abermals obige (Anm. 318) Unlerscheidung

zwischen propositio und enunlialio.

254 XIX. Pseudo-Thomas.

und erblickt in letzterem das Wesen der aristotelischen Analylik, so dass

wir hier fast ein Vorspiel der späteren Bedeutung des Wortes „iudicium"

finden könnten 330). Als „Principien" des Syllogismus bezeichnet er das

Dictum de omni und üictum de nullo, wozu als Drittes der sgllogismus

conversivus komme, welcher (in deutlicher Anknüpfung an die Lehre von

Consequentia, s. Abschn. XVII, Anm. 613) bei Erhärtung der Schlusskraft

einiger Syllogismen seine Anwendung finde 33 1). Die Erörterung des

Einzelnen, bei welcher er, wie Albert, sich der lermini transcendentes,

d. h. der Buchstaben, bedienen \\'ill 332) , beginnt er, — uns hierin an

Scotus erinnernd, s. ob. Anm. 194 •—, mit der Lehre von der Umkehrung

der Urtheile 333), wobei er die Annahme, dass das allgemein verneinende

Urtheil auch parlicular umgekehrt werden könne, als unnöthig abweist334)

und an der Nicht -Umkehrbarkeit des parlicular verneinenden Urtheiles

festhält335), daher er auch nur den Einen Memorial-Vers „Feci simpliciter

u. s. f." anführt33B). Auch die Umkehrung der modalen Urtheile

bespricht er ausführlich im Anschlusse an die spätere Formalion der

byzanlinischen Logik337).

Nachdem er hierauf die Dreizahl der kategorischen Schlussfiguren

ohne polemische Beziehung auf eine vierte Figur ziemlich schwach durch

blosse Berufung auf einen Memorial-Vers molivirt hat33s), erörtert er die

330) Ebend. : Logica, ut Boethius in sua Topica dicit (s. Abschn. XII, Anm. 76),

duas habet parles, sc. inventivam et iudicalivam Judicium aulem, ut hie sumitur,

est recta delerminalio ralionis in his, qunrum est iudicium Et ideo scientia,

quae est recta delerminalio scibitium, est per causas, sc. cum ralio resoleit causala

in eausas, et proplerea haec pars logicae, sc. iudicaliva, dicilur analglica seu resotuloria,

quia resolvit principiata in principia.

331) f. 28 r. A : Dico aulem principia primas proposiliones per se notas; haec

aulem principia sunt dici de omni et dici de nullo.... Aliqui sgllogismi non possunt

immediale probari per dicta duo principia et proplerea indigent uno alio principio

Hoc aulem principium est : Quando ex opposito consequentit, infertur oppositum

antccedenlis primae conctusionis, tunc prima consequenlia fuit bona Et

haec reductio vocatur ab aliquibus „per impossibite", a pbitosopho vero „per sgllogismum

conversivum". Letzteres ist natürlich falsch, de"hn gerade „per impossibite"

ist aristatelischer Ausdruck (s. Abschn. IV, Anm. 623), hingegen „conversivus'',

welches allerdings bei Albert vorkommt (Abschn. XVII, Anm. 465), weist durch den

Boethius hindurch (Abschn. XII, Anm. 136) nur bis zu den älteren Peripatelikern

' zurück (Abschn. V, Anm. 46).

332) Ebend.: In talibus sgllogismis el eorum propositionibus non curatur, in

qua maleria sint ; ideo ulemur lerminis transcendentibus. S. Abschn. XVII, Anm. 469.

333) Auch die logische Begründung der Umkehrbarkeit bewegt sich, wie bei

Scatus, in den Ausdrücken der Lehre von den Consequenliae.

334) f. 28 r. A : Per accidens convertuntur unieersails affirmaliva et, ul

aliqui dicunt, universalis negaliva; tamen non est necessarium hoc ponere,

exislentibus enim universalibus veris semper parlicuiores sunt verae. Hiernach kann

es zweifelbalt sein, ob mit jenen „aliqui" etwa Scolus gemeint sei ; s. ob. Anm. 196.

335) f. 28 r. B : Parlicuioris vero negaliva non convertitur, quia ex opposito

consequenlis non infertur oppositum antecedentis. Vgl. hingegen ol). Anm. 199.

336) Nemlich der zweite der vier Verse, welche bei Petrus Hispanus vor

kommen (Abschn. XVII, Anm. 156), mussle bei solcher Ansicht des Verfassers

wegfallen.

337) f. 28 r. B u. v. A. S. Abschn. XVII, Anm. 587 u. 594.

338) f. 29 r. A: Plures figurac non pos.iunt esse, quia tres lermini in duabus

proposilionibus non possunt pturies variari. Unde versus: Sub prae u. s. f. s. Abschn.

XVII, Anm. 51 (vgl. ebd. Anm. 181).

XIX. Pseudo-Thomas. 255

inutiles coniugaliones, wobei er die bekannten Regeln, dass nicht beide

Prämissen negaliv, noch auch beide parlicular sein dürfen, durch den

Zusatz vermehrt, dass das Gleiche auch von der Singularität und von der

Unbeslimmtheit der Urlheile gelte339), worauf er die unzulässigen Comhinalionen

betreffs der einzelnen Figuren zusammenfasst340). Hierauf gibt

er für die drei Figuren vorerst nur die vierzehn aristotelischen Modi

an341), fügt aber dann für alle drei Figuren noch „indirecte" Schluss

weisen hinzu, welche er darauf begründet, dass jeder umkehrbare Schluss

satz eines Syllogismus in seiner bewerkstelligten Umkehrung gleichfalls

als Schluss-Resultat zu betrachten sei; hieraus ergeben sich für die erste

Figur die ersten drei theophraslischen Modi (d. h. nach damaliger Ter

minologie Baralipton, Celantes , Vdbitis, oder nach jetziger Jiamalip,

Calemes, Dimaiis), ferner für die zweite Figur zwei neue Modi (d. h.

Caesaro und Cameslros], und ebenso drei neue für die dritte Figur

(nemlich Umkehrung des Schlusssatzes in Darapli, Disamis und Dalisi) ;

betreffs der zwei letzten theophraslischen Modi der ersten Figur (d. h.

nach damaliger Bezeichnung Fapesmo und Frisesomorum , nach jetziger

Fesapo und Fresison) wird die völlig richlige Bemerkung gemacht, dass

dieselben auf dem Versuche beruhen, unzulässige Combinalionen der ersten

Figur dennoch schlussfähig zu machen 342). Indem aber der Verfasser

hiebei den Boethius tadelt, weil er die indirecten Modi der zweiten und

dritten Figur vernachlässigt habe, müssen wir beachten, dass hier Boethius

den doctores moderni beigezählt wird 343). Jedoch trotz dieser Be

reicherung der Syllogislik zählt er zuletzt doch nicht 24, sondern nur

die üblichen 19 Schlussmodi mittelst jener nemlichen Memorial- Verse auf,

welche wir schon seit Shyreswood trafen 344). Hierauf reiht er eine Er-

339) Ebend. : Inulitium coniugalionum quaedam possunt fieri in omnibus figuris.

Sunt quatuor: prima est, si ambae praemissae sunt negalivae; secunda, si

ambae praemissae sunt particuiores ; terlia , si ambae sunt indefinitae; quarta, si

ambae sunt singuiores Ex puris negalivis, parlicuioribus, indefinilis et singuioribus

nihit sequitur.

340) Ebend.: Inulites vero coniugaliones, quae non sunt in omnibus figuris, sunt

duae. (Ina convenil primae et lertiae figurae, sc. quando minor propositio est negaliva;

secunda convenit primae et secundae figurae, sc. quando maior propositio est

particuioris. Vgl. bei Cassiodorus, Abschn. XII, Anm. 182.

341) f. 29 r. B u. v. A.

342) f. 29 v.B: Restat nunc dicere de sgllogismis indirecte coneludentibus

Tales aulem sgllogismi sunt numero decem; quinque enim sunt in prima figura, duo

in secunda, et tres in lertia figura. Sciendum, quod omnis »gllogismus conctudens

aliquam conctusionem, quae concerli polest, eliam polest conctudere itiom, in quam

converlitur. Cum ergo omnes conctusiones dictorum sgllogismorum possunt converli

exceplis parlicuioribus negalivis, omnes tales sgllogismi polerunt conctudere indirecte.

Tales aulem in prima figura sunt tres, sc. primus modus, secundus et lertius ; in

secunda sunt duo, sc. primus et secundus; in lertia sunt tres, sc. primus et lerlius

et quartus. Adducantur aulem in prima figura duo modi, qui sunt contra duo principia

sive reguios datas in prima figura ; nam ambo babent et aller eorum habet maiorem particuiorem. S. Abschn. IX,miAnnomr.em10n0e.galit'am,

343) Ebend. : Doctores aulem moderni, sc. Boelluus, praelermissis quinque, sc.

secundac et lertiae figurae, de solis quinque primae figurae fecerunt mentionem (diess

ist nicht durchaus richlig, s. Abschn. XII, Aam. 136 f.). Quorum primus constat

u. s. f., d. h. es folgen nun die fünf theophraslischen Modi der erslen Figur.

344) f. 30 r. A: Ad memoriter lenendum praedictos sgllogismos inventi sunt quidam

versus, qui taliler designantur: Barbara u. s. f. s. Abschn. XVII, Anm. 52 (nur

256 XIX. Pseiulo-Thomas.

örterung de inventione medü an, welche er dem Albert entnimmt345),

und auf gleicher Quelle beruht, was er in ziemlicher Breite über die

modalen Syllogismen angibt346).

Hingegen glaubte er offenbar, die an Albert und Thomas sich anschliessende

Logik dadurch ergänzen und verbessern zu können, dass er

in reichlicher Ausdehnung die Lehre von den hypothelischen Schlüssen

aufnahm (vgl. Abschn. XVII, Anm. 467 u. 540). Hatte er sich bezüglich

des hypothelischen Urtheiles an die byzanlinische Logik angeschlossen (ob.

Anm. 328), so lässt er nun die dort übliche Dreitheilung fallen347), um

in dieser Gruppe der Logik vollständig dem Boethins zu folgen 34s).

Sehen wir hierauf von einer ganz augenscheinlichen Interpolalion

ab, welche aus der späteren Formalion der byzanlinischen Logik eine

Episode über die Reduplicaliv- Sätze als Exponibilia enthält349), so

bildet den Schluss des Ganzen die Lehre de demonslralione , bezüg

lich deren der Verfasser sich wieder an Albert anlehnt, welcher seiner

seits den arabischen Standpunkt recipirt hatte, dass es sich hier um

fmden wir hier Brocardo statt Bocardo). Hierauf wird ausführlich und deutlich die

Bedeutung der Bucbstaben, welche in jenen Kunstworten vorkommen, erklärt (vgl.

ebend. Anm. 187), wobei es den Anschein hat, als wolle das Sigtum „C" in Bro

cardo und Baroco auf den Ausdruck „conversivus sgllogismus" (s. ob. Anm. 331)

zurückgeführt werden; wenigstens lesen wir dort: aliquando invenitur C et significat,

quod i,le sgllogismus ... polest reduci sotum per sgllogismum conversivum.

345) f. 30 r. A. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 464 (es werden dabei hier nur die

14 dirccten Schtussmodi in Betracht gezogen).

346) f. 31 r. A. Vgl. ebend. Anm. 461.

347) f. 32 r. A : Tres sunt species propositionum hgpolhelicarum, sc. condilionalis,

copuioliva et disiunctiva (s. ebend. Anm. 158). Sgllogismi aulem, qui sunt ex proposilionibus

coputalivis, eodem modo sc habent sicul et sgllogismi calegorici, et ideo

de eis praelermittamus. Sed quia ex propositionibus conditionalibus et disiunctivis

aliter fiunt sgllogismi, quam in propositionibus calegoricis, ideo de eis dicendum est.

348) Vorerst nemlich werden (f. 32 r. A) die condilionalen Urthcite nach Boe

thius eingetbeitt (s. Abschn. XII, Anm. 146 u. 142), dann folgen von den condi

lionalen Schlüssen nur die ersten vier Modi (s. ebend. Anm. 155), d. h. nur der

sog. modus ponens, während der modus tollens wohl erwähnt, aber nicht näher

entwickelt wird; hingegen findet aus Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 219) die relalive

Satzform (mit „qui") ihre Verwendung. Hierauf reihen sich (unter Verweisung auf

eine ausführlichere Monographie des Verfassers, s. ob. Anm. 299) die erslen 16

_ zusammengesetzten hypathelischen Schlüsse des Boethius an (s. Abschn. XII, Anm.

157), auf welche in kürzerer Zusammenfassung jene 48 Modi des zusammengesetzten

hypolhelischen Syllogismus folgen, welche Boethius (s. ebend. Anm. 159— 161)

„nach den drei Figuren des kategorischen Schtusses geordnet hatle. Auch das disjunclive

Urtheit wird (f. 32 v. A) grundsätzlich in der nemlichen Weise aufgefasst

wie bei Boethius (s. ebend. Anm. 141 u. 148), woraus sich ebenso eine Reduclion

der verschiedenen disjuncliven Urtheitsformen auf entsprechende hypolhelische Urtbeite

ergibt (s. ebend. Anm. 163).

349) f. 32 v. A, woselbst auf den Abschtuss der Syllogislik (Dictum ergo sil

dc sgllogismis hoc modo; de aliis aulem speciebus argumentalionis non me intromuta;

s. ob. Anm. 302) nun unmitlelbar folgt: Notandum ad lioc: quod propositio

reduplicaliva sit vera, requiritur, quod quatuor propositiones erponenles ipsam, sc.

tres calegoricae et una hgpolbelica, sint verae u. s. w., d. h. es folgen nun Regeln

über die Wahrheit der Reduplicaliv-Sätze, wie wir sie früher, Abschn. XVII, Anm.

262 u. bes. 608 f. trafen. Und um den Charakler einer Inlerpoiolion zweifellos

festzustellen, folgen hierauf noch einige Bemerkungen über die Umkehrung der

kategorischen Urtheite.

XIX. Pseudo-Thomas. Aegidius Romaims. 257

die „Materie" der Syllogismen handle350). Mit Ausschluss jener Erör

terungen, welche in der zweiten Analylik des Aristoteles, sowie natürlich

auch im Gommentare Albert's, der Definilion gewidmet waren, wird

hier in ausführlicher Breite über per se u. dgl.351), über demonstralio

pott'Mma352), über die sog. dignüatesäb3), und zuletzt über die Ein

heitlichkeit einer Wissenschaft gesprochen354), ohne dass wir irgend

Bemerkenswerthes hieraus hervorheben könnten. Nur das Eine dürfte

zu erwähnen sein, dass wir auch hier, wie bereits in einer anderen

Schrift (s. ob. Anm. 273), den sechs transcendentcn Begriffen be

gegnen 355).

Gleichfalls den Thomisten wurde Aegidius Rom an u s (oder de

Colonna, gest. i. J. 1316) beigezählt, von dessen ausgedehnter schrift

stellerischer Thäligkeit hieher gehören: ein Commentar zur sog. vetus

logicaa5®), desgleichen zur ersten Analylik35'), zur zweiten Analylik358),

zu Soph. £iencAi359), ferner eine Schrift De ente et essentia36") , so

dann der Conmientar -/.u Petrus Lonibardus 3r!l), sowie Quodlibela'i6^"),

und ausserdem unter drei kleineren Tractaten die Schriften De parlibus

philosophiae und De gradibus formarum^63). Die Commentare des

Aegidius zum Organon gehören zu denjenigen, welche man „ad litteram"

nannte, d. h. sie geben, abgesehen von den allgemeineren Einleitungen,

nur eine erklärende Umschreibung des Originales Satz für Satz oder, wo

nöthig, Wort für Wort, wobei, was wohl zu beachten ist, nirgends das

350) f. 32 v. B: Quaedam sunt, quae pe,.tinent ad maleriam demonstralionis.

Auch war schon in der Einleitung des ganzen Buches, f. 15 r. A, dieser letzte Theit

bezeichnet als: de sgllogismu applicalo ad matcriam demonslralit'am seu de demonstralione.

Vgl. Abscim. XVII, Anm. 459.

351) f. 33 r. A u. B; vgl. ebend. Anm. 473.

352) Ebend. vgl. ebd. Anm. 476.

353) f. 33 v. A u. f. 34 v. B; vgl. ebd. Anm. 475. u. Abschn. IV, Anm. 147.

354) f. 35 r. B; vgl. Abschn. IV, Anm. 675.

355) f. 33 v. B: Aliquarum proposilionum lermini sunt in communi omnium

wlilia, ut sunt „eus, verum, bonum, unum, aliquid, res" et huiusmodi, quae perlinent

ad primas concepliones inlellectus.

356) Exposilio in arlem velerem, videlicel in universalibus, praedicamentis, postpraedieamcnlis,

sex principiis ct Periermenias. Venet. 1507. fol. (auch später wieder

gedruckt Bergomi 1591. 4). Der Umkreis der „Ars vetus" war ja schon längst

abgegränzt; B. ob. Anm. 95. u. Abschn. XVII, Anm. 5 u. 103.

357) Exposilio super libros Priorum. Venet. 1516. fol.

358) Exposilio super libros Posleriorum Aristolelis cum lextu eiusdem. Venel.

1500. fol.

359) Expositio super libros Etenchorum Aristolelis, Venet. 1500. fol.

360) Egidius Romanus de esse et essenlia. Venet. 1503. fol.

361) In primum Senlentiamm. Venet. 1492. fol. u. 1521. fol. u. ed. Aguitar.

Corduba 1699. fol. (nach letzlerer Ausgabe cilire ich). In secundum Senlentiurum.

Venet. 1482. fol. u. 1581. fol. In lerlium Senlentiarum , ed. Galtucci. Romae

1623. fol.

362) Ohne Titelbiott : Incipiunt quodlibet celeberrimi ac excellentissimi doctoris

domini Egidii de Roma. Bonon. 1481. fol. und Fertitissimi Aegidii Romani Quodlibetta

[sie] — ed. Rhodiginus. Venet. 1504. fol. und ed. Coninek. Lovan. 1646. fol.

(nach letzlerer cilire ich).

363) Tres tractatus domini Egidii di' Ruma De partibus phitosophiae

essenlialibus De differentia rhetoricae et polilicae De gradibus formarum.

S. t. e. a. 4.

PRANTL, Gesch. III. 17

258 XIX. Aegidius Romanus.

Material der byzanlinischen Logik beigezogen wird. Es sind daher nur

einige Einzeinheiten, welche in dieser Beziehung unten zur Erwähnung

kommen müssen. Hingegen, was die Kernfragen betrifft, welche damals

in der Logik umliefen , so äussert sich Acgidius gelegentlich hinreichend

ausführlich, um seinen Standpunkt völlig erkennen zu lassen. Wenn zu

weilen gesagt wurde, durch ihn habe sich die Schule der Thomisten erst

förmlich consolidirt, so ist diess bezüglich der Logik nicht durchaus

richlig. Bei den Theologen galt er wohl als der hervorragendste Thomist304);

aber in der Logik ist es keineswegs ein reiner und stricter

Thomismus, welchem wir hier begegnen, sondern auch Aegidius hat in

ähnlicher Weise, wie wir es auch schon hei Anderen sahen, in die Doctrin

des Thomas manche scolislische Elemente aufgenommen.

Die bei Albert und bei Scotus recipirte Eintheilung der Wissenschaft

in eine reale und eine sermocinale wiederholt Aegidius, jedoch mit der

Wendung, dass die letztere „adminiculaliva" sei, und indem er dann

der Logik den Syllogismus als wesentlichen Gegenstand und als Moliv

ihrer näheren Eintheilung zuweist, folgt er völlig dem Petrus v. Auvergne

und dem Scotus305). Aber da er zugleich daran festhält, dass die Logik

eben doch nur modus sciendi und somit nicht eigentlich selbst eine

Wissenschaft sei, da es auch ein Wissen ohne Logik (nemlich bei Glaubens

gegenständen , wie z. B. betreffs der Engel) gebe306), so betrachtet er

den Unterschied zwischen logiea docens und logica utens in einer von

Scotus sehr abweichenden Weise307). Ja er bringt den Begriff des

364) Z. B. Coninck theitt in der Vorrede seiner Ausgabe der Quodlibeta aus

den „Constituliones s. ordinis Augusliniani" folgende Vorschrift mit: Volumus , ut

magistri regenles in leclionibus et delerminalionibus disputalionum in omnibus sequi

et tueri debeant sanam et catt,olicam doctrinam fundalissimi doctoris nostri B. Aegidii

Romani, quondam nostri s. ordinis generalis; ubi vero eius seripta non reperiuntur,

ex D. Thomae Aquinalis doctrina suppleantur. Oder z. B. Aguitar (in der Ausgabe

des Commentares zu Senlent. I) nennt den Aegidius kurzweg „defensor operum

divi Thomae".

365) Expos, in art. vet. f. 2 v. B : Scienlia specuiotna dividitur in principalem

et adminicuiolivam: principalis est itio, quae est de rebus; adminicuioliva dicitur

quasi adiuvans itiom realem scienliam, sicut sermocinales (s. Abschn. XVIl, Anm.

362 f. u. obige Anm. 87). Ista aulem principalis, quae est de rebus, dividitur in

tres, sc. in nnturalem, metaphgsicam et mathemalicam f. 3 r. A: Adminicuio

liva aulem dividitur in tres partes , sc. in grammalicam , logicam et rhetoricam.

Logica, in qua subiectum est sgllogismus, sie dioi,litur: aut est de sgllogismo aut

de parlibus eius; si de parlibus, aut propinquis aul remolis. Si de remolis, sie est

liber Praedicamentorum ; si de parle propinqua, sie est liber Periermenias

Si aulem de sgllogismo, hoc erit aut de sgllogismo in communi non contracto ad

aliquam maleriam, et sie est liber Priorum; aut contracto ad aliquam maleriam, et

hoc dupliciler, quia aut contrahitur ad maleriam necessariam, et sie est liber Posteriorum,

aut ad maleriam probabitem; et hoc dupliciler, quia aut ad probabitem

simpliciler, et sie est liber Topicorum, aul ad probabitem ap'parenler, et sie est liber

Etenchorum. Omnes alii libri sunt de bene esse (ebenso Expos, s. libr. Etench.

f. 2 r. B). S. ob. Anm. 244.

366) Expos, s. libr. Posler, f. 2 r. A : Logica est quaedam via ad celeras scientias,

quare est magis modus sciendi, quam scientia; nam non est nccessaria

logica propler res scitas, sed propler nostrum modum sciendi. Possunt enim res sein

absque logica; nam substanliae separatae, quia non inlellii/untur cum discursu, ut

sciantur, non indigent logica. Ebenso Expos, ,. libr. Etench. (. 2 v. B.

367) Expos, s. libr. Posler, f. 5 v. A: Logicus, ul est docens, docet logicam,

XIX. Aegidius Romanus. 259

,ttotlus sciendi in älmlicher Weise , wie wir es bei einem Thomislen

sahen (ob. Anm. 330), in Verbindung mit der boethianischen Zweitheilung

des logischen Gebietes308), und findet so in der Erörterung der Syllo

gismen und ihrer Bestandtheile das wesentliche Mittel zur Vermeidung

vou Irrthümern 369). Dass aber eben der Syllogismus der eigentliche

Gegenstand der gesammtcn Logik sei, erweist er dadurch, dass er ver

schiedenen Gegengründen , welche auch schon Petrus v. Auvergne ange

führt hatte, anderweilige Beweisgründe entgegenstellt, und auch die An

nahme Anderer , dass ens rationis oder dass actus ralionis oder dass

modus sciendi als solcher der Gegenstand der Logik sei, beseiligt er in

überraschender Geschwindigkeit durch die Behauptung, dass ja gerade der

Syllogismus all diese verschiedenen Momente schon in sich enthalte 370).

Nur schwankt er mit diesem seinem Standpunkte ein anderes Mal doch

wieder in den Begriff der tradilionellen intentio secunda und hiemit in

conceptus, jedoch in einer von Scotus (oh. Anm. 92) abweichenden Weise,

hinüber, indem er die Erzeugnisse des Erkenntniss-Actes (— formatum

per actum intelligendi —) , unter welchen freilich der Syllogismus das

höchste ist, als Gegenstand der Logik bezeichnet •m).

quae non est scientia, sed modus sciendi, ut est ulens, aggenerat opinionem ....

Üemonstralio proprie sumpta non aggenerat modum sciendi nec opinionem, sed scienlium.

Vgl. Expos, s. libr. Etench. (. 2 v. B. S. hingegen bei Scolus ob. Anm. 90.

368) Expos, s. libr. Prior, f. 2 r. A : Logica modum et ralionem discernendi

,lebet delerminare; sed ralio discernendi secundum Boethium duas habet parles, sc. "~

inventionem et iudicium (Abschn. XII, Anm. 76) Logica simul dcterminat scientiam

et modum sciendi; et non est inconveniens, est enim logica de modo sciendi,

unde polest ilin se ipsam rectificare (B) .Ars inveniendi in Topicis et Etenchis,

ars aulem iudicandi in Pfioribus et Poslerioribus traditur.

369) Expos, s. libr. Posler, f. 2 r. B: Ne in conceplionibus erretur, necesse fuit

tradere scienliam libri Praedicamentorum Ne in formando enuntialionem erretur,

necesse fuit invenire scienliam libri Periermenias Ne in sgllogizando et inducendo

conctusiones ex principiis error accideret, necesse fuit invenire iltam partem

logicae traditam in arle nova, ubi de omni sgllogismo traditur nolilia. Ebenso Expos,

s. libr. Etench. f. 2 r. B.

370) Expos, s. tat. vet. f. 3 v. B : Quaeritur, utrum »gllogismus sit subiectum

in logica. Et arguitur, quod non. Nam sicul se habet subiectum ad scienliam, ita

pars subiecli ad parlem scienliae; sed in aliquu partc logicae, ul in libro Etenchorum,

non est subiectum aliqua pars sgllogismi (vgl. ob. Anm. 243) Nihit est

subiectum tolius et parlis; sed sgllogismus est subiectum in parte logicae, ergo non

erit subiectum in tola logica In oppositum arguitur: Illud est subiectum in

aliqua scientia, cui attribuuntur omnia dcterminnta in itio scientia; sed omnia delerminata

in logica attribuuntur sgllogismo; ergo Ad hanc quaestionem contradicunt

quidam, quod ens (muss heissen ens ralionis, s. sogleich) est subiectum in tola

logica, quia de omnibus ibi praedicatur delermiualis. Alii dicunt, quod hie sit sub

iectum actus ralionis, qui est triplex, sc. simplicium apprehensio, compositorum inlelligentia,

inlellectorum coliolio. Alii dicunt, quod modus sciendi, qui est simuttcr

triplex, sc. diffinitivus, divisivus, collectivus. Sed dicendum, quod sgllogismus non

differt ab istis, prout eliam ponitur subiectum; nam idem est, quod actus ralionis et

quod ens ralionis, et una pars modus sciendi, sub quo alii ad minus comprehenduntur

malerialiter ; nam in sgllogismo ponuntur lermini, qui diffiniuntur et eliam dimduntur.

Kl ita dico, quod sgllogismus est subiectum.

371) Expos, s. libr. Etench. f. 2 v. A : Etsi aliquo modo de aclibus ralionis sit

logica, proprie tamen non est de aclibus, sed est de inlenlionibus et conceplibus, qui

formantur per huiusmodi actus Dialect,ca ergo, quae proprie ralionalis est,

magis erit de huiusmodi conceplibus, quam de ipsis aclibus (B) In inlelligendo

17*

XiX. Aegidius Romanus.

Schon dieses ekleklische Herumtappen zeigt uns den Aegidius als

einen Geistesverwandten des Albert, und so wird nun auch die Universalienfrage

von ihm in einer Weise erledigt, dass der ursprüngliche

Thomismus manche Erweiterung oder Abschwächung erfährt. Er gibt

einmal eine kurze Charakterislik der Ansicht Plato's und jener des Ari

stoteles, in welch letztere er einen sowohl dem Thomas als auch dem

Scotus mundgerechten Dualismus hineininterprelirt, und fügt ausserdem

noch eine dritte Annahme hinzu, welche nach ihrem Wortlaute die meiste

Aehnlichkeit mit Aussprüchen des Roger Baco hat3'2). Auch eine andere

Stelle ist ohne grossen Belang, insoferne nur gesagt wird, dass die Uni

versalien aussagbar und vervielfälligbar sein müssen, sowie dass sie nicht

selbslstäudig für sich, sondern nur in anderen Wesen exisliren und dort

dann ihre verschiedene singuläre Determinalion finden373). Hingegen da,

wo er die Frage erörtert, ob die Universalien in der Seele oder in den

äusseren Dingen seien, gelaugt er nach Anführung der beiderseiligen

Gründe zu dem merkwürdigen Ausspruche, dass, obwohl es neben dem

„in anima" und dem „exlra" kein anderweiliges Drittes gebe , dennoch

die Sache an sich (res de se), welche nur als erkannte ein Universale

sein kann, weder in der Seele noch im äusseren Dinge sei, d. h. doch

wohl, dass man von der „Sache an sich" überhaupt nicht reden könne,

hingegen als Universale sei der Gegenstand des Erkennens nicht ausserhalb

der Seele, denn es komme ihm da Gemeinsamkeit zu, welche in

den äusseren Dingen nicht sei ; kurz er umschreibt den Dualismus des

Thomas mit Ausdrücken des Scotus, wie z. B. species informans und

referre, mit welchen er wieder die Terminologie des Ersteren, z. B.

abstrahere und similüudo, verbindet, und so kommt er zuletzt mit scolislischer

Wendung zu dem Resultate, dass das Universale in seinem for

mellen Sein in der Seele und nach dem materiellen Sein in den äusseren

conctusiones in principiis formamus sgllogismum ; libri ergo arlis novae non erunt de

actu inlelligendi, quo inlelligimus eonelusiones in principiis, sed de sgllogismo, qui

formatur per talem actum. Palel ergo, de quo sit logica universaliler, quia est de

huiusmodi eonceplibus et inlentionibus formalis per actum inlelligendi. Ebenso lle

part. phitos. essent. p. l f.

372) In I Senlent., Dist. XIX, 0n. l, art. l, p. 389 A: De universali sunt

dirersi modi dicendi. Nam Ptulo posuit, universalia esse abstracta; volebal enim,

de omnibus rebus esse multa per participalionem el unum per essentiam (B)

Alia posilio universalis fuil Aristolelis, qui votuit, quod universale est id, quod praedicatur

de rebus nec proprie est substanlia, eo quod est commune mullis nec haben*

proprium esse nec per se esse ; hoc aulem universale nec est quid reale solum nec

quid rationis solum, sed quantum ad esse maleriale est quid reale el est in particutaritms,

esse tamen formale recipit ab anima Isli aulem duplici mudu unirersalis

superadditur modus terlius, sc. quod species, quae est in inlellectu abstracta,

dicitur universale, eo quod habet respectum ad plura, non quia de pturibus praedicatur,

sed quia pturibus est simitis. S. Abschn. XVII, Anra. 571, 573, 577.

373) Ebend. Dist. XXV, 0u. l, art. 2, p. 480 B: Ad esse universalis quatuor

concurrunt: Primo, quod praedicetur de pturibua , secundo, quod pturificetur in

itlis , lerlio, quod non significel per modum hgpastusis sive per modum per se

subsislenlis, sed quod signi/icet per modum existentis in alio , , quarto, quod in

Ais, in quibus exislit, hnbeal aliud et aliud esse, nam homo non secundum idem

esse est in Soerale el Piolone. Das einzig Entscheidende in dieser Aufzähtung ist

eine anlipiotonische Tendenz, welche sich aber, wie wir rmn schon so oft sahen,

fast von selbst verstand.

XIX. Aegidius Romanus. 261

Dingen sei374). Jenes räthselhafte Dritte aber, nemlich die „Sache an

sich" entpuppt sich so als die „species intelligibilis" des Scotus, welche

als potenzielle intentio das Mittlere zwischen Sinneswahrnehmung und

Denken sei375). So kann Aegidius mit der Passivität, welche Scotus dem

Denken zuwies , einverstanden sein , da „passio , similitudo , intellectus,

conceptus" all das Nemliche seien376), und er kann zugleich mit dem

sog. Empirismus des Aristoteles, welchem ja auch Thomas eine Berech

ligung zugestand, sympathisiren , da nach einer aristotelischen Stelle die

Seele an sich eine tabula rasa sei377). Und wiederum kann er das

„esse essentiae" des Scotus beiziehen, welches eben der Denkbetrachtung

(consideralio apud intellectum) unterliege und in seinem Ansichsein Sache

der prima intentio, aber als Universale Gegenstand der secunda intentio

sei378); ja mit diesem Begriffe der consideratio gelangt er zu einer

374) Expos, in art. vet. f. 3 v. B : Quaeritur, utrum universalia habeant esse

in anima ml in re extra. Et arguitur, quod in re extra; nam universale est in itio

natura, quae praedicatur de pluribus, sed res extra est huiusmodi. Secundo sie:

Universale est in eo, cui accidit (s. Abschn. XVII, Anm. 392) inlentio universalis,

sc. genus et species; sed istae intenliones accidunt rebus extra. In oppositum arguitur:

Omne, quod est in re extra, est parlicutare signatum per maleriam (s. ebend.

Anm. 519); sed universale non eit parlicuiore, ergo non est in re extra. Secundo

sie: Si universale esset in re extra, sie bene praedicaretur, ut diceretur „Soerales

est universale" : sed hoc est falsum ; ergo universale non est in re extra. Dicendum

ad hanc quaeslionem. quod res de se non est universalis nisi in eo, quod intelligitur;

nam res de se non habet esse in anima nec in re extra. Licet non sit dare

lertium esse, quin sit in anima vel in re extra, tamen de se in nullo horum est

f. 4 r. A : Secundum esse universale non est extra animam , nam de rulione univer

salis est, ut sibi praesint duo, sc. civitas (natürlich zu lesen unitas) et communitas;

in re aulem extra nihil est commune (vgl. bei Scotus, ob. Anm. 100 u. 121). Prout

aulem itio res et itio natura est in anima per suam speciem, adhuc polest considerari

dupliciler. Uno modo, proul informal animam, et sie est res singutaris (die „species

informans" des Scotus, ob. Anm. 110); alio modo, prout habet esse in an,ma et

ulterius refertur ad res extra, et sie est universalis (das „re/erre" s. Abschn. XVII,

Anm. 377 u. 392 und bei Scatus Anm. 125) Res inlellecta significata (ebenso,

ob. Anm. 129 tf.) per ista nomina „homo, animal" polest dici universale, prout est

intellectus ab,tractus , i. e. secundum quod simititudo (s. Abschn. XVII, Anm. 393

u. 395) apprehensa üb anima refertur ad rem, cuius est simititudo; et itio talis res

non est in anima nisi sicol obiectum in polentia, quam perficit, sed est in re extra.

Et sie palet solulio, quod universale secundum esse formale est in anima (also

die scolislische „formalitas", ob. Anm. 129, 133, 147 ff.), secundum esse materiale

est extra animam, ul dicatur universale iltud, cuius est intellectus abstractus et sinn

litudo eius est apprehensa ab anima.

375) Quodlib. III, 11, p. 170 B: A sensibiti ergo in medio, quod est intenlio

in polentia, causatur species intelligibilis in medio, quae est inlentio in actu;

ab huiusmodi aulem inlentione in actu exislenle in medio rausatur inlentio in sensu.

p. 171 A: Ab hoc ergo extremo, quod est sotum polentia inlelligibite, ad hoc

aliud extremum, ut ad intellectum, per quem sumus intelligenles actu, non est transitus

nisi per medium, ul per speciem intelligibitem. S. ob. Anm. 111.

376) Expos, in art. vet. f. 47 v. B : liio quatuor nomina, sc. passio, simititudo,

intellectus et conceptus, idem penitus signi/icant. S. bei Scatus, Anm. l M u. 127.

377) Ebend. f. 2 r. A: Inlellectus est in polentia passiva ad intelligendum quodlibet

inlelligibite, quod palet per ipsum phitosophum dicenlem, quod anima in prima

«ui erealione est tanquam tabuio rasa, in qua nihit est depictum (s. Abschn. IV,

Anm. 97). Ebenso In II Senlent., Dist. XXVIII, Qu l, art. l, p. 360 A.

378) Quodlib. II, qu. 6, p. 62 B: Res considerata secundum esse essenliae habet

esse ralionis, et inlellectus est Me, qui fertur in ipsam essentiam secundum se ; et

ipsa essentia ereata secundum se non habet esse, sed sotum habet consideralionem

262 XIX. Aegidius Romanus.

blossen Relalivität des Universellen und des Particularen, welche uns nicht

nur an Gottfried von Fontaines und Johannes Parisiensis, sondern fast

noch treffender an die Status- und Indifferenz - Lehre des 12. Jahrh.

erinnert379).

Auch bei der Frage über das Princip der Individualion zeigt uns

Aegidius den gleichen Halb-Thomismus, denn allerdings hält er sich an

das „hie et nunc", durch welches die Einzelndinge von den ewigen Unifersalien

unterschieden seien380), und er verlegt so die Individualisirung

in die quanlitaliv auftretende Materie381); aDer indem er diesen Thomismus

gegen die Pariser Censur Tempier's, welche er als voreilig und

unüberlegt bezeichnet, vertheidigen will, begründet er die Möglichkeit

immaterieller Individuen ebenso, wie Alexander v. Alessandria, in scolislischer

Weise auf das esse selbst, durch welches ja auch allein die

Form der Existenz beslimmt sein könne382), — eine Erklärung, welche

freilich zuletzt, wie bei Göthals und bei Johannes Parisiensis, an Gottes

Allmacht appellirt 383).

n l' a i/ inlellectum (vgl. Scatus, ob. Anm. 135 ff.). Unde esse essenliae, proul est

aliud ab esse naturae, est esse secundum intellectum, et esse essenliae non differt ab

esse universalitalis, quasi unum sit esse ralionis et non aliud, ul isti videntur dicere,

dum n,lm,i , quod res, ul habet esse parlicuiore , babeal esse naturae, ul vero habet

esse universale, habeat esse ralionis, ul aulem habet esse essenliae, habeal esse, quod

nec sit esse naturae nec esse ralionis. Ulrumque enim, tam esse universalitalis quam

esse essentiae, est esse ralionis; sed esse essentiae est ralionis tanquam inlentionis

primae , esse universalitalis est ralionis tanquam intenlionis secundae. Vgl. In I

Senlent., Dist. XXX, 0u. l, art. 3, p. 571 A.

3791 In III Scntent., Dist. XXIII, OB. l, art. l, p. 584 B: Eadem res considerata

cum condilionibus maleriae est particuioris, sine condilionibus est universalis, et ul est

parlicutaris, est corruplibitis, ut universali* incorruplit,itis Aliter el aliter con

siderata polest esse universalis et parlicuioris. Vgl. ebend. Dist. XII, OB. 2, art. 3,

p. 475 B. In II Senlent., Dist. III, 2, 0n. 2, mt. 4, p. 255 A. S. ob. Anm. 70 u. 74.

u. Abschn. XIV, Anm. 85, 129, 137, 141.

380) In I Senlent. Dist. XV, 2, 0«. l, art. 3, p. 292 B: Universalia sunt

aelerna, non quod non inceperint esse, sed quia sunt abstracta a condilionibus ma

leriae, quae sunt hie et nunc, ralione quarum variabititas lemporum habel esse. S.

Abschn. XVII, Anm. 520.

381) Quodlib. I, 11, f. 24 B: Hoc ergo modo fit individualio, quia maleria

habet esse extensum per quanlitalem, el in diversis parlibus maleriae recipiuntur

diversae formac ; forma dividitur el divisa individuatur per maleriam extensam; sed

cum extensio per quanlitalem fiat, ad quanlitalem est recurrendum, cum loqui votumus

de individualione corporum. Ebenso In II Sentent., Dist. III, l, du. l, art. l,

p. 163 A.

382) Ebend. II, 7, p. 65 A: Dicendum, quod de hoc sit arlicutus Parisiensis

(s. ob. Anm. 13) Optandum vero foret, quod maturiori consilio tales articuli

fuissent ordinali, el adhuc sperandum, quod forte de iis in poslerum sit habendum

consitium sanius (B) Forma sub duplici respectu considerari polest ; prima enim

polest comparari ad maleriam, secundo ad esse p. 66 A : Dicere possumus,

quod , quando forma delerminatur per esse, non sit inconveniens, esse ptura in

eadem specie, quia tunc itio ptura per se et primo differunt per esse p. 67 B :

Sicut maleria aliquando unitur propler formam, aliquando forma diversificatur propler

maleriam, sie aliquando esse unitur propler form am, aliquando forma pturificatur

propler esse p. 68 A: Imaginandum est enim, quod secundum naturae cursum

deus det tantum de esse ipsis substantiis separalis, quantum possunt ipsae recipere.

S. ob. Anm. 251.

383) Ebend. 18, p. 96 B: Consuevit communiler die», quod secundum naturae

cursum animae individuentur in suis corporibus, et, poslquam separalne sunt a

XIX. Aegidius Romamis. 263

An die gleichen Vorgänger, nemlich an Gottfried v. Fontaines und

Johann v. Paris, schliesst er sich auch betreffs der unitas formae an,

nur verbindet er mit der Ansicht derselben, dass die Mehrheit der Formen

nur in der subjecliven Denkanffassung liege, das Moliv des Scotus, wornach

die Wesens-Einheit jedenfalls auf Einer letzten abschliessenden Form

beruht384), so dass neben und trotz dieser Einheit durch die denkende

Betrachtung in Einem Wesen immerhin mehrere wirkende Principien erfasst

werden können 385). Und sowie er darauf hinweist, dass hei Sub

stanzen die reelle pluralitas formarum in Conllict mit dem christlichen

Koguia komme, so hält er auch für die Accidenlien die Einheit der Form

aufrecht, da dieselben nur nach dem Grade der Intensität ihrer einheitlichen

Form eine Manigfalligkeit an sich tragen386), welch letztere, d. h. intensio

et remissio, er gelegentlich an dem schon bei Scotus vorkommenden Bei

spiele des Warmen und Kalten darlegt387).

Was die Einzeln-Exegese des Organons betrifft, so treten aus der

selben , wie schon oben bemerkt wurde , nur etliche Punkte als erwähnenswerth

hervor; nemlich dass Aegidius bezüglich der Schrift De sex

principiis, welche er in unerträglicher Weitschweifigkeit commenlirt, nicht

einmal gewiss weiss, ob dieselbe wirklich von Gilbert, oder nicht vielcorporibus,

suum distinclionem relinent secundum esse, quod aequi ,iverunt in cor

poribus Possel tamen deus, si vellet, sine corporibus individuare animas; possei

enim dare animabus tale esse signaltim sine corpore, quod est aequale itli esse,

quod habent, quando infunduntur corporibus (d. h. der liebe Gatt kann vermöge

seiner Allmacht auch Unsinn treiben). Ebenso In I Sentent., Diit. IV, 0u. l, ort.

3, p. 108 A. Vgl. ob. Anm. 48 u. 73.

384) De esse et essenlia, qu, 10, f. 24 r. A : In corporibus animalis non

sunt ptures formae nec ptures nalurae nisi secundum ralionem (vgl. Anm. 70 u. 74)

(lnml nnimn sentit et intelligit, ex hoc non arguitur, quod sint diversa esse,

sed sotum couctuditur, quod in ea sint diversae qualitales et diversae polentiae

Esse non numeratur secundum formas partis, sed sotum secundum formas lolius, vel

si numeratur secundum formas partis, hoc erit sotum secundum formam ullimam et

complelivam , el quod quantumeunque in re ponantur ptures formae partis , tamen

semper est ibi una forma tolius el una forma compleliva; idco semper est ibi unum

esse (vgl. ob. Anm. 156 ff.). In III Sentent., Dist. XXI, 2, Qu. l, a, •f. 3, p. 565 A:

Una igitur forma secundum rem et ptures formae secundum ralionem.

385) In I Senlent., Disl. VI, üu. l, art. l, p. 134 B : A diversis ralionibus sunt

imposita, nam licet sit eadem forma substanlialis, per quam bomo est substantia

el animal et homo, tamen ul per eam est substantia, est principium essendi, ut est

animat, est principium vitae, ul est homo, est principium eius, quod est intelligere.

386) H,' gradibus formarum, p. l (der Druck selbst hat übrigens keine Paginirung)

: Viilelur sufficienler oslendi ex diffinilione accidentium, quod genus in talibus

non contrahatur per additionem alicuius formae, sed sotum ex addilione subiecti.

Non ergo in talibus est dari' realiler gradus formarum, sed si in eis est dare tales

gradus, hoc erit sotum secundum quandam intentionem el ralionem; nam de ipsis

accidenlibus non diffiniliones reales vel phgsicae, sed solum intentionales et logicae

dari possunt (p. 2) In ipsa generalionc substanliarum forte videretur alicui,

quod innolescerent nobis formarum gradus, cum embrgo prius vivat vita piontae,

postea vita animalis, ullimo vita hominis Non est generalio entis, nisi sit generalio

unius (p. 3) Quaeslio tamen est, utrum ponere plures formas in composito

repugnat his, quae lenere debemus secundum fidem catholicam Gradus enim

formarum primo repugvat morti el passioni Chrisli, secundo repugnal eius unioni

U. S, W.

387) Quodlib. III, 11, p. 153 f. u. VI, 9 f., p. 386 ff. S. oben Anm. 160 f.

264 XIX. Aegidius Romanus. Herveus Natalis.

leicht von Alfarabi oder gar von Aristoteles selbst (!) verfasst sei388);

ferner dass er sich der Polemik anschliesst , welche Albert und Scotus

gegen die Berechligung einer vierten Schlussfigur geübt hatten389), dass

er ebenso, wie wir es bei einem anderen Tuomisten sahen (ob. Anm. 331),

das Dictum de omni und de nullo als letzte Principien der Syllogislik

betrachtet, dabei aber dieselben als den ersten „Hammer" bezeichnet,

mittelst dessen die übrigen Hämmer geschmiedet werden390); endlich

dass er betreffs der Defmilion des Mittelbegriffes (wahrscheinlich anderen

Logikern gegenüber) die acht aristotelische Ansicht vertrat391).

Auch Herveus Natalis (oder Brito, gest. i. J. 1322) gehört zu

dieser Gruppe der Halb-Thomisten , unterscheidet sich aber durch schär

feres Denken sehr zu seinem Vortheile von Aegidius und Anderen. Wir

besitzen von ihm einen Commentar zum Sentenliarius 392), Quodlibeta

nebst acht anderweiligen Tractaten , unter welchen De unilate formae

hieher gehört 393), und eine Monographie De intentionibus 394). Was die

Aufgabe der Logik betritl't , so bestreitet Herveus die Ansicht , dass sie

388) Expos, in art. vet. f. 31 v. B: Causa efficiens huins libri ignoratur (es

war nemlich durch Albertus Magnus üblich geworden, nach Art der Commentatoren,

s. Abschn. XI, Anm. 141 . in der Einleitung zum Commentare einer jeden Schrift

verschiedene Fragen zu beantworten) ; quidam dicunt , quod fuit Aristoleles, alii

dicunt, quod fuit Alpharabius, alii dicunt, quod fuit Gitbertus Porretanus Hie

liber dividitur in parles tres, sc. in anteprincipia, principia et postprincipia.

389) Expos, s. libr. Prior, f. 10 r. B: Videtur, quod quarta deberet esse figura,

ubi medium praedicaretur de primo et subilceretur postremo £f dicendum, quod

medium sgllogislimm aul habet condilionem primi in ordine praedicabiti, et tunc est

figura secunda, aut condilionem ullimi, et tunc est figura lerlia, aul condilionem

medii in ordine praedieabiti, et tunc est figura prima Palet igitur, cum non

sint nisi tres dictae condiliones medii, non polest esse figura alia. S. Abschn. XVII,

Anm. 466 u. ob. Anm. 207.

390) Expos, s. libr. Poster, f. 3 v. A: Si aliquis faber fabricaret omnem marteltum,

non possei per marteltum aliquem omnem marleltum fabricare, quia tunc itle

marleltus fabricaret se ipsum Est tamen aliquis sgllogismus, qui probat et roboral

omnem sgllogismum In quibuscunque sgllogismis est principium „dici de omni"

vel „dici de nullo", itli sunt perfecti sgllogismi Reducuntur ad proposilionem

bnnr. quod non contingit simul esse et non esse. Um Spinoza's witlen mag das

Gleichniss (s. Abschn. XVII, Anm. 104 u. 366) beachtenswerth sein.

391) Expos, s. libr. Etench. f. 67 v. — 70 v. findet sich unler dem Tltel Quaeslio

defensiva opinionis de medio demonstralionis Aegidii eine kleine Abhandtung eines

Anhängers des Aegidius über diese Frage. Letzlerer nemlich hatte auch schon in

seiner Expos, s. libr. Posler, f. 122 ff. die Ansicht vertreten, dass bei der demonstralio

polissima es sich behufs des Mittelbegriffes um die Definilion der „passiones

subiecli" handle (s. Abschn. IV, Anm. 699); und da nun Andere die Definilion des

Snbjecles selbst für das Hauplerforderniss hiellen, so polemisirt gegen diese der

Schüler des Aegidius.

392) Hervei Britonis ..... in qualtuor Pein Lombardi senlenliarum votumina.

Venet. 1505. fol.

393) Die älteste Ausgabe (ohne Titelbiott: Hervei Britonis .... quattuor quolibeta

feliciler incipiunt. Venet. 1486. fol.) ist unvollständig. Das Ganze ist nur

gedruckt in: Sublitissima Hervei Natalis Britonis quolibeta undecim cum octo

ipsius profundissimis tractalibus De bealitudine, De verbo, De aelernitale mundi,

De maleria coeli, De reiolione, De pturalitale (im Tilel des Tractates seihst, f. 71 r. A,

steht hingegen richliger De unitale) formarum, De virtulibus, De molu angeli. Venet.

1513. fol.

394) Hervei Britonis theologi excellentissimi liber de inlenlionibus feliciler

incipit. S. l. e. a. 4.

XIX. Herveus Natalis. 265

actus intelligendi zum eigentlichen Gegenstande habe (vgl. ob. Anm. 370),

da hieraus folgen würde, dass sie eine praklische Disciplin sei, und selbst

wenn man diese Consequenz nicht ziehen wolle, jedenfalls jener actus

inteUigendi nicht ein Erzeugniss der Logik selbst sei, sondern auf natür

lichem Wege von den vorgestellten Dingen hervorgerufen werde; und da

eben das Wie dieser Entstehung vom Logiker untersucht werde, seien

sonach die entia rationis, welche vorstellungsweise (obiective, s. sogleich

unten Anm. 399)' im Denken sind, der Gegenstand der Logik, und der

nominalislische Einwand, dass die Logik die Worthezeichnungen zu Syllo

gismen ordnend verbinde, falle darum hinweg, weil die syllogislische

Anordnung schliesslich doch gleichfalls von der Natur der Dinge provocirt

werde395). So bespricht Herveus den Begriff der intentio; er unter

scheidet nemlich eine subjeclive Bedeutung, welche die Modalität des

Vorgestelltwerdens (als species ialelligibitis oder als actus intelligendi

oder als conceptus) enthält, und andrerseits eine sachliche Bedeutung, in

welcher die Beslimmtheit (terminatio) des Verhältnisses zwischen Ding

und Vorstellung, folglich auch das Ding selbst als vorgestelltes liegt; und

insoferne hei letzterer Bedeutung wieder die übliche Unterscheidung einer

prima und secunda intentio gemacht wird , sucht er den schwierigeren

Begriff der prima intentio genau festzustellen; nemlich die sachlich ge

nommene intentio könne entweder „abstract" (s. bei Scotus ob. Anm. 128)

als ledigliche intentionalitas selbst, d. h. als das Aufgefasstsein über

haupt, oder „concret" als der Gegenstand der Auffassung verstanden

werden, und im letzteren Falle wieder könne man den Gegenstand ent

weder gleichsam als Gefäss der begrifflichen Auffassung oder gleichsam

als Zielscheibe der begriffsmässigen Namenbezeichnung nehmen; und nun

von diesen drei Bedeutungen enthalte weder die erste (als blosse Abstraclion)

noch die zweite (als concrete Verflechtung) , sondern nur die

dritte (als Quelle der Wortbezeichnung) den wahren Begriff der intentio

prima396).- Slimmt nun letzteres völlig mit Scotus überein (s. ob. Anm.

395) Quodlib. I, 3, f. 8 r. B : Cum logica sit de actu intelligendi, qui est quoddam

operabite a nobis, ut videtur, ergo logica erit praclica (v. A) Dicendum,

quod videtur quibusdam , quod logica non sit de actu intelligendi ut de obiecto, sed

de entibus ralionis consequentibus res, ut sunt obieclive in intellectu, quae non fimil

a nobis per habitum logicae , sed fiunt in nobis ab ipsis rebus sie ex natura sua

ordinale moventibus intellectum nostrum. Secundo dico, quod dato, quod actus inlelligendi

obiectum esset ipsius logicae, non tamen ipsa logica esset praclica. quia

actus inlelligendi, qui consideratur in logica, non fit in nobis per logicam, sed fit in

nobis naturaliter ab obiectis , unde homo per logicam- non considerat, qualiler facial

actum inlelligendi, sed qualiter actus inlelligendi fit ab obieclis naturuliler in

nobis. Et si arguatur contra, quia docet facere sgllogismum, respondeo : Si inteiligas

per „facere sgllogismum'' sie ordinare voces significalivas, sie polest fieri per logicam

sgllogismus; si aulem intelligas talem ordinem molionis inlelligendo res, sie logicus

non facit talem ordinem, sed natura rei sie movens.

396) De inlent., f. l v: Uno modo dicitur inlentio ex parle ipsius intelligentis,

sc. omne ittud, quod per modum alicuius repraesentalionis ducit inlellectum in cognilionem

alicuius rei, sive sit species inlelligibitis sive actus intellectus sive conceptus

menlis Alio modo dieitur inlenlio, quod se lenet e.v parte rei intellectae . et

hoc modo dicitur intentio res ipsa, quae inlelligitur, inquautum in ipsam leuditur

sicut in quoddam cognitum per actum inlelligendi, et inlentio sie dicta formaliter cl

in abstracto dicit lerminalionem , quae est quaedam Iiabitailo rei inlellectae ad

actum intelligendi Prima inlenlio cor,erelive et materialiler dicit ittud, quod

266 XIX. Herveus Natalis.

127), so gilt das Gleiche auch von dem hiemit verwandten Grundsatze,

dass die entia ralionis überhaupt nicht mit realer Gegenständlichkeit im

Denken auftreten, sondern nur Dasjenige enthalten, was aus den realen

Dingen in der Werkstätte der Vorstellung erfolgt 397); und wenn hier

nach die Wahrheit als '„Uebereinslimmung des Dinges mit jenen seinen

in der Vorstellung erfassten Folgen" definirt wird und die verschiedenen

Modalitäten dieser „Folgen" das Moliv der Eintheilung der Logik dar

bieten, so wird eben diese in Ausdrücken dargelegt, welche gleichfalls

bei Scotus sich finden398). Indem aber dabei die Worlbezeichnung, d.h.

obige intentio prima, für alle logische Thäligkeit als Voraussetzung gilt,

kann nun die Frage über den eigentlichen Gegenstand der Logik völlig

(iräcis dahin beantwortet werden, dass ens ralionis und intentio secunda

und jene „Folgen des Dinges in der Vorstellung" all das Nemliche sind

und so den Inhalt der Logik ausmachen, welche eben hiedurch den ge

meinschaftlichen H,ndus des wissenschaftlichen Verfahrens darbiete 3").

Bei solcher Auffassung der intentio secunda und des Begriffes der

Wahrheit versteht es sich von selbst, dass nun auch die Universalien nur

inlelligitur Quae conveniunt rebus secundum quod sunt obiective in intellectu,

sicul est „abstractum" et „universale" et simitia, ista perlinent ad secundam intenlionem.

Ebend. f. 7 v.: Intentio, proul se lenel ex parle rei inlellectae , dupliciler

polest accipi, sc. in abstracto ipsa intentionalitas et in conerelo pro eo, cui ista inlenlionalitas

convenit; et hoc dupliciler adhuc, quia ittud, cui talis intentionalitas

convenit, sc.res intellecta, polest accipi, ut inctudit inlentionem istam, vel polest

accipi absotute pro eo, cui ilin inlenlionalitas conrcuit, non ut inctudit, ipsam denominantem

(dass jedoch d,'iin,uinans zu lesen ist, zeigen die sogleich folgenden

Worle). Ista tria se habent. quantum ad accidens ralionis sicul in accidente reali

sc habent albedo, album et corpus f. 8 r. : Si accipiatur inlentio in abstracto,

sc. ipsa intentionalitas , sie nec „homo" nec „Soerales" dteit primam inlentionem; si

aulem accipiatur in conerelo ineludendo ipsam intenlionem denolantem, sie adhuc

„homo" vel „Soerales" non signant primam intenlionem, sicul nec corpus signal .esse

album; si aulem accipiatur prima intenlio pro eo, quod ab i l tn intenlionalitale denominatur,

sie tam ,,f,omo" quam „Soerales" dicunt primam intenlionem. Ebenso

Quodlib. I, 9, f. 20 r. B.

397) Quodlib. III, l, f. 68 r. B: Enlia ralionis non dicunt aliquid existens rea

liler subiective in intellectu vel in aliqua natura reuli, sed dicunt ea, quac consequuntur

rem, proul est obicclive in inlellectu. S. ob. Anm. 105.

398) Ebend. f. 69 r. B: Veritas est quaedam conformitas rei ad id, quod de

ea intelligitur eomequeus rem, ut est obiective in inlellectu enuntialivo (T. B)

Quaedam entia ralionis sire secundae intenliones consequuntur intellectum simplicem,

sicul universale, singuiore sive consimitia ; quaedam comequuntur rem, ut est obiective

in inlellectu enuntialiro, sicul est oppositio, contradictio, contrarietas, veritas et falsitas;

quaedam consequuntur rem, proul est in inlellectu discursivo, sicut antecedens

et consequens et simitia. Et sie palel quud veritas dieit habiludinem ralionis

sive ens ralionis. S. ob. Anm. 91.

399) De intent. t. 64 v. : Logica est de secandis inlentionibus ut de primo el

per se subiecto, non sie intelliqendo, quod omnes secundae inlentiones sint primum

et per se subiectum il,sius logicoe vel sunt partes subiectivae ipsius primo et per se

subieeti, sed sie intelligendo, quod ipsa est de aliqua secunda intentione sive de

aliquo ente ralionis ul de primo el per se subiecto, quo continentur aliquae parles

subiectivae liio scientia, quac considerat principaliter res quantum ad ca, quae

consequuntur eas, proul sunt obiective in inlellectu, est de secunda intentione sive

de ente ralionis ul de primo el per se subiecto; sed lo,iica est huiusmodi. Ehend.

f. 73 v.: Consideralio talium entium ralionis quantum ad ca, quae eis secundum se

et in suo esse ralionis competunt, valel ad habendum modum communem procedendi.

XIX. Herveus Natalis. 267

vorstellungsweise im Denken liegen400), und Herveus sagt ausdrücklich,

dass die Gattungs- und Art-Begriffe als solche nicht sachliche Einheiten,

sondern nur denkmässige Unterscheidungen seien401), d. h. er spitzt eine

Ausdrucksweise des Thomas (s. Abschn. XVII, Anm. 497) nach der Seite

hin zu, dass das Zusammentreffen der Objecte in einem höheren Begriffe

und ihre Gemeinsamkeit erst im Denken vorstellungsweise zu einer Ein

heit (unilas communitalis) sich gestalte402); und hiemit tritt wie bei

Albert (Abschn. XVII, Anm. 384) der natürliche Bestand dem logischen

Denken dualislisch gegenüber, indem das genus naturale als solches nicht

aussagbar, sondern nur Gegenstand einer natürlichen Veränderung (trunsmutalio)

sei , hingegen das genus logicum die Einheitlichkeit des Seins

und zugleich die Beslimmbarkeit der Specialisirung enthalte und so Gegen

stand der Wissenschaft sei 403). So erblicken wir dennoch schliesslich

auch hier jenen gewöhnlichen Dualismus , in welchem sich Thomas und

Scotus die Hand reichen konnten404), wenn auch die Terminologie der

400) ln I Sentent., Dist. 19, 0u. 3, f. 40 v. B: Primum et per se obiectum inlellectus

non est verum, sed ens f. 41 r. B : Veritas est ens ralionis pertinens

ad intenliones secundas; talia aulem non ponunt aliquid secundum rem in aliquo

sicut in subiecto, sed secundum ralionem intelligendi tantum ... . secundum quod est

nbieclive in intellectu Et sie ista conformitas, quae veritas dicitur, conlingit

rei el est in re secundum ralionem intelligendi Et ideo talia dicuntur esse in

intellectu, sicut veritas et universale el simitia, quia non conveniunt rebus nisi

prout sunt obieclive in inlellectu.

401) In II Senlent., Dist. 3, 0". 2, f. 8 v. A: Divisio generis in species vel

speciei in individua non est divisio secundum rem, sed secundum ralionem, quia ibi

ittud, quod dividitur, non est unum secundum rem, sed secundum ralionem inlelligendi;

quum enim unum lignum scinditur secundum rem, unum lignum dividitur in

duo ligna, quae erant anlea partes inlegrales, .... et quando lignum in communi

dividitur in hoc lignum et ittud, .... non est unum re, sed unum ralione, quia

indislincte intellectum dividitur in ligna parlicuioria sicul in parles subieclivas.

402) Quodlib. I, 9, f. 20 r. B: Convenientia hominis et equi in animali polest

atlendi quantum ad duo, sc. quantum ad hoc, quod animal convenit homini et equo,

et hoc est ex natura rei et est quid reale, quia ex natura rei homo habet, quod

sil animal ; el quantum ad unitalem ipsius commnnis, et .... hoc est secundum ra

lionem tantum, quia unitas el indeterminalio, qua obiicitur animal ut unum obiectum

indelerminatum ipsi intellectui, consequitur animat, ut est obieclive in intellectu, licel

\ habeal fundamentum a re.

403) In II Senlent., Dist. 3, Qu. 3, f. 9 r. A: Duplex esl genus, sc. naturale

et logicum. Genus naturale non videtur mihi esse aliquid communc praedicabite,

communitas enim cuiuscunque praedicabitis, quodcunque sit ittud, est communitas

ralionis tantum, et ideo non est ibi unitas nisi logica, quae facit genus logicum.

Unde non videtur mihi, quod communitas, qua conveniunt homo el equus in animali,

sit communitas in genere naturali, immo in genere logico, sc. ul mihi videtur, per

genus naturale debet inlelligi aliquod communc subiectum transmutalionis, et

non vocatur genus subiectum scienliae, sed genus subiectum transmutalionis De

ralione aulem eius, quod est in genere logico, videntur mihi esse tna. Primum, quod

habeat unum modum essendi communem et simitem cum aliis, ex quo sumatur aliquo

modo unitas ralionis generis logici. Secondo debel habere quandam polentialitatem

, ul sil Hmitatum ad genus el speciem. Tertio, quod sie inctudat aliquem

actum specialem, per quam delerminetur ad speciem. Vgl. Quodlib. I, 9, f. 20 r. A.

Uebrigens beruht die ganze Unlerscheidung auf einer aristolelischen Slelle; s.

Abschn. IV, Anm. 334 u. 392.

404) Quodlib. I, 9, f. 20 v. A : Praedicamenta vel genus generalissimum dupliciler

polest accipi: uno modo pro ipsis inlenlionUnts praedicabititalis et generalitulis , alio

modo pro rebus, in quibus tales inlenliones fundantur. Ebend. f. 22 v. B: Distinctia

268 XIX. Herveus Natalis.

Gegensätze zwischen esse formale und esse malerialet0b) oder besonders

zwischen esse und exislere mit Beiziehung der significatio entschieden

dem Scolismus näher liegt406), welchem ja auch die Ausdrücke natura

und suppositwn angehören 407). Darum nimmt bei Herveus auch die

Beantwortung der Frage, wie die allgemeinen Begriffe aus der Singu

larität der Erfahrung hervorgehen können, d. h. die Erörterung der thomislischen

abstractio, einen Charakter an, welcher zwischen den Ansichten

des Thomas und des Scotus in Mitte steht und docli zu beiden hinüber

schwankt (vgl. ob. Anm. 121 — 125); nemlich das abslrahere sei weder

ein rem,overe noch ein imprimere, sondern nur motio intellectus, welche

in aristotelischem Sinne von den Einzelndingen provocirt aus einem polt.'

uziellen Zustande zur Actualität führe 40s); und auf einem solchen

Rückhalte fassend kann Herveus in Einem Athemzuge die Begriffe

idea, similitudo und des Scotus species intelligibilis /ugleich verwerthen

409).

in substanliam , quantitalem etc. est distinclio vel in diversas res rrl in ea,

quae aliquam diversam realitalem important, et quantum ad hoc n,l,tl facit operalio

intellectus; quaulum aulem ad distinclionem sntis in ista, proul praedicamenta sunt,

sc. prout praedicamentum accipitur pro secunda intenlione, sie facit operalio

,nlellectus.

405) In l Sentent., Dist. 35, 0u. l, f. 52 v. B : Acceplio absoluta formae esl

eins acceplio sccundum esse formale, et acceplio eius secundum esse contractum est

eius acceplio secundum esse maleriale.

406) Ehend. Dist. 8, 0u. l, f. 23 r. B: Ksse dicit actum essentiae el essentia

dicit eius subieclum in abstracto, ens vero dicit ct ipsam essentiam et ips».n, esse in

nonereto; ita „ens" participium importat formaliter actum existendi d ex modo

significandi importat subiectum rius. Vgl. Anm. 135 f.

407) In III Scntent., Dist. l, ',)u. l, f. 2 r. B : Di/ferenlia naturae et suppositi

polest atlendi vel secundum differentiam universalis et parlicuioris vel secundum

differenliam, quam babent in singutari ut „haec Aunumitac" et „hie Aomo" St

accipiamus in singvlari, di/ferunt quantum ad modum essendi et quantum ad

modum significandi, cui et correspondet aliquis modus essendi ex parte rei (vgl. Anm.

109, 129 u. 251).

408) In 11 Senlent., Dist 17, Qu. 2, f. 23 v. A: liio abstractio speciei a phantasmale

est realis actio, qua fit species in inlellectu possibiti, quae non praedicatur

de phantasmale, a quo abstrahitur, sicul bomo praedicatur de Soerale, a quo abstrahitur;

ergo qua dicitur intellectus abstrahere a phantasmalibus, non est ul,uil,

quam quaedam realis molio , qua movetur inlellectus a phantasmale vel ad speciem

intelligibitem vel ad actum intelligendi Opinio est, quod intellectus agens agil

in phantasma non nliquid imprimendo phantasmali, sed removendo, unde re maleriali

et singuiori proposita intellectus agens separat a natura universal* condiliones indiivduanles

, quibus impediebatur itio natura Min opinio est , quae ponit , quod

intellectus agens aliquid imprimit phantasmali, in cuius virtule agit, et itlud impressum

est alittua molio sive immutalio spiritualis Est lertius modus ponendi,

qui videtur mihi magis probabitis, sc. quod phantasma dicitur movere inlellectum

polenlialem in rirtulem inlellectus agenlis, non quia ex parte sua aliquid recipiat ab

inteliectu agente, sed magis ex parte effectus.

409) In I Senlent., Dist. 36, 0u. l, f. 53 v. A: tdi-u formaliler dicil formam,

quae repraescntat, quae quidem forma non est formaliter respectus, sed est ittud, ad

quod sicut ad per se fundamentum sequitur respectus Unde nec idea nec forma

exemptaris nec simititudo inlelligibitis exislens apud intellectum , quam vocainus speciem

inlelligibitem, est formaliter respectus (B) Idea est principium cognoscendi,

proul elicitur aut cognoscitur a cognoscente; nam quando res cognosritur per aliam

prius nolam, ittud prius notum supponendo speciem medianle specie maret ad cognilionem

sui el aiiorum.

XIX. Herveus Natalis. 269

Hauptsächlich aber interessirt er sieh um die zwei brennenden Par

teifragen, nemlich um principium individuationis und um unitas formae,

und in diesen beiden Punkten zeigt er allerdings einen überwiegenden

Thomismus. . Was den ersteren betrifft , spricht er vorerst von dem Vor

handensein dreier verschiedener Ansichten410), deren erste wir schon

bisher einige Male durchblicken sahen, vielleicht am deutlichsten bei

Aegidius (ob. Anm. 382 f.), aber theilweise auch bei Gottfried von Fontaines

(ob. Anm. 66, vgl. übrigens auch Anm. '308); dieselbe geht dahin,

dass die Individuen einer Gattung schon in sich selbst durch ihre eigene

essentia in das Einzeln-Dasein treten, indem durch die Wesens-Einheit

selbst eine numerositas essentiae begründet sei, in welcher eben der

Unterschied der Einzeln-lndividueu und hiemit das negalive Moment der

Individualität liege, so dass die Substanz zu ihrer Individualisirung durch

aus nicht einer ausser ihr liegenden Beihilfe bedürfe 4 1 1). Wenn man

aber bei Formulirung dieser Ansicht den Begriff „esse" statt „essentia"

anwende (— womit wohl sicher Aegidius gemeint ist —), so sei diess

von vorneherein unzulässig412). Als zweite führt dann Herveus jene der

Thomisten an, welche jedoch den Gesichtspunkten der ersteren nicht ge

nügen könne413). Gegen die dritte Annahme aber, nemlich gegen die

des Scotus, polemisirt er ausführlich; nemlich wenn man in der haecceitas

den Gegensatz der Gemeinsamkeit erfasst zu haben glaube, so sei doch

zu bedenken, dass eine sachliche Gemeinsamkeit auch im Stoffe und in

der Form nicht vorliege (d. h. jedes Einzelnding habe seinen eigenen

Stoff und seine eigene Form), hingegen eine logische Gemeinsamkeit ebenso

gut auch der Häcceität zukomme, weil eben die Häcceitäl selbst in ver

schiedenen Häcceitäten individualisirt werde; und wenn eben die Häcceitäl

selbst erst noch einer besonderen Determinalion bedürfe, so gelte das

410) Quodlib. III, 9, f. 81 r. A : Utrum maleria sit principium individualionis,

sunt tres opiniones Prima est, quod unumquodque se ipso solo est formaliler

distinctum ab omni alio. Secunda est, quod lalis dislinclio in rebus malerialibus

fit per quantitalem. Terlia est, quod nec sie nec sie, sed unumquodque est

distinctum per suam haecceitatem.

411) Ebend.: Prima opinio probatur: Unumquodque genus habet propria

imlirittiu, nihit inctudentia nisi rem sui generis, sed hoc non esset, nisi unaquaeque

res cuiustibel generis se ipsa per essentiam suam individuaretur in se ipsa et distingueretur

ab omni alio (B) Ab eodem habet unaquaeque res entitalem et unitalem

esssntialem Unaquaeque res est diversa numero per essenliam numerositale

essentiae ab alia lltud, quod non addit supra naturam nisi negalionem, non

habet aliam causam suae unitalis, quam naturam Individua habent unitalem el

distinctionem numeralem per essentium suam, non per aliquid additum, .... quia , st

substantia habet unitalem per aliud a se, aul hoc est, quia maleria habel talem uni

talem per formam, aul forma per maleriam, aul ambo per quanlitalem; sed nullo

ilierum modorum natura substanlialis polest individuari per aliquid diversum a se.

412) Ebend. VIII, 12, f. 152 <r. A : Dicunt mulli, quod iudividualio est per esse,

quia in esse reali non convenit rei universalitas. Sed hoc non est bene dictum, quia,

licel ipso universalitas non sit extra animam, et unaquaeque res sit individua in

suo esse reali, non tamen oporlel propler hoc, quod ipsa individualio sil per esse;

immo essenlia n,agis erit principium individualionis, quam esse.

413) Ebend. III, 9, f. 81 v. A: Quidam lenent, quod divisio numeralis est vel

per divisionem subiectorum sicut in accidenlibus vel per quantitalem sicul in substunliis

malerialibus gensralibus el corruplibilibus : sed ist,, licel babeaut probabites

raliones, tamen non salisfaciunt ralionibus allerius opinionis.

270 XIX. Herveus JSatalis.

Gleiche auch von Materie und Form, und es sei hiemit kein Grund vor

handen, warum die Häcceität in höherem Grade Princip der Individualisirung

sei , als jene beiden ; wolle man aber die Häcceität völlig von

Materie und Form dislinguiren, so könne sie jedenfalls nur entweder eine

Substanz oder ein Accidens sein; im ersteren Falle aber komme man

zuletzt doch wieder bei der Materie an , sowie im letzteren bei der

Quanlität414). Ausserdem auch sei jenes negalive Element, welches der

Häcceität einwohne, als Erklärungsgrund der Positivität des Unterschiedes

der Individuen untauglich415). Die eigene Ansicht endlich des Herveus,

hei deren Darlegung er hauptsächlich an die theologische Frage betreffs

der Engel denkt, nähert sich sehr der ersteren unter den drei ange

führten; nur modificirt er dieselbe dahin, dass die essentia nur inneres

Princip (intraneum) der Individualion sei , was nicht hindere , dass da

neben zuweilen auch noch ein äussercs Princip (exlraneum) wirke, d. h.

die vervielfälligende Funclion der Materie solle nicht geleugnet werden,

wohl aber die Möglichkeit einer Individualisirung ohne Materie offen

bleiben416); und in den materiellen gleichzeilig exislirenden Dingen sei

414) Ebend. f. 81 v. B: Quod aulem haecceitas sit itlud, per quod Individuum

est tndividuum, contra arguo sie: Quando dicitur „ittud, quod est commune

mullis , non est principium individuandi ipsorum", aut inlelligitur de eo, quod est

commune secundum rem, aut secundum ralionem. Si de eo, quod est commune secundum

rem, sie nec maletia nec forma est communis, sallem simul enlibus

actu Si aulem inlelligatur de eo, quod est et habet unilalem secundum ralio

nem , tunc haecceitas est ita communis sicut maleria et forma isto modo , quia haec

haecceitas est haecceitas, ergo et ilin , et ideo non ptus individuabil haecceitas,

quam maleria et forma. Dices, quod haecceitas in communi non est principium individualionis

, sed haecceitas signata Cont,a: Sicul baecceitas signata non est

communis, sed propria, ita maleria et forma signatae ; et per consequens non ptus

individuabit haecceitas signata Dices, quod haecceitas dicit signalionem formae

Contra: Cum haecceitas possil accipi ul communis el ul signata, sicut forma, non

datur ralio, quare dicit signalionem formae ptus, quam e converso Ilem quaero,

utrum ista haecceitas sit aliquid diver sum a maleria et forma signalis per ipsam aul

non. Si non, ergo ponis idem principium individualionis , quod eliam maleria. Si

sie, quaero, aul est substantia aut accidens aul nit,it. Si substantia, adhuc

incidis in idem cum aliis, sc. quod maleria est principium individualionis Si

accidens, relinquitur, quod, si aliquid accidens sit, hoc sit quantitas, ct hoc est,

quod ponunt alii (über Letzleres vgl. ob. Anm. 66).

415) In II Sentent., Dist. 3, 0n. 2, f. 8 v. A : Quidam dicunt, quod in omni

specie cuiuscunque naturae ereatae possunt esse ptura differentia numero ; ittud aulem,

per quod dislinguitur, est, ul dicunt, non ipsa forma secundum se, sed hoc, quod

est esse indislinctum in se, quod importat negalionem divisionis in se ipso, et esse

distinctum ab alio, quod importal negalionem, secundum quam hoc non est ittud

(vgl. Scatus, ob. Anm. 139) Sed istud nihit est dictum, quia negalio pura non

polest distinguere positivum a positivo.

416) Quodl. 1ll, 9, f. 82 r. B: Animae ralionales non plurificantur per

actualem susceplionem in maleria, sed per suas essentias, in quantum in tali

gradu entitalis sie polentiales sunt Rationes inductae ad primam opinionem

bene coneludu.nt, quod unumquodque distinguatur numeraliter ab alio per suam essenliam

sicul per principium iutraneum, sed quod praeler hoc non requiratur aliquod

aliud principium extraneum (v. A) Sufficit, quod itio individua, quantum ad hoc,

quod sunt, et quantum ad hoc, quod distinguuntur numeraliter, intranec distinguantur

per essentiam suam; nihitominus tamen possunt extrinsece habere el entitalem

et pluralitalem ab alio a se Ralio non conctudit, quod forma nunquam plurificetur

per maleriam, sed quod quandoque non pturificatur per maleriam, sicul in

formis, quae pturificantur in eadem maleria successive, vel eliam si qua forma est,

XIX. Herveus Natalis. 271

eben ein Quanlitalives der Grund der Individualion, aber selbstverständ

licher Weise nur die räumliche (d. h. geometrische , nicht die arithme

lische) Quanlität417). Sollen somit nur die scotislischen Einwände, welche

gegen Quanlität und Materie gerichtet waren, abgewiesen sein418), so

muss Herveus dem Thomismus nur noch in der Angelologie auf die Beine

helfen, was er dadurch thut, dass er eine immaterielle Individualion auf

eine Potenzialität, welche der Form in Bezug auf Vervielfälligung ein

wohne, begründet und so ganz hübsch auf den Begriff einer immateriellen

Materie gelangt419), welche er recht deutlich als eine quanlitätslose be

zeichnet420).

Auch betreffs der unitas formae unterwirft er die Meinungen An

derer einer Krilik; nehme man nemlich (wie Lamarre gethan hatte, s. ob.

Anm. 30) von vorneherein eine pluralüas formarum an , so könne man

dieselben entweder für gleicharlig halten, dann aber unmöglich die ein

zelnen selbst wieder als vielheitliche ins Unendliche fort betrachten

( — dieser Einwand ist dumm —), oder andrerseits , wenn man sie als

ungleicharlig nehme, sei es unerklärlich, wie dann aus ihnen Ein Wesen

quae virtule divina possit esse successive in diversis maleriis; quin aulem formae

simul exislenles in maleria et maxime, prout secundum cursum naturae dependent a

maleriis in sua pturalitale, dependeant a maleria, non conctudit.

417) Ebend. VIII, 12, f. 152 v. B: Quod quodlibet individuum divisum sive

dislinctum sit ab alio eiusdem speciei, principium individualionis substauliarum malerialium

est quanlitas, quantum ad ea , quae sunt simul , ijuia maleria non

polest dividi in parles simites nisi per quanlitalem Nolandum aulem, quod diversitas

in quanliluti' polest esse dupliciter, una secundum situm, quantum ad parles

simul exislenles, alia secundum successionem unius quanlitalis post aliam

Diversitas quanlitalis est principium individualionis rerum materialium simul exislenlium

primo modo, non secundo; immo dico, quod diversitas numeralis quantitalis

permanentis el aliorum accidentium sibi in codem subiecto succedentium provenit ex

diversitale quantitalis successivae, quae est lempus.

418) In II Sentent., Dist. 3, Qu. 2, f. 8 v. A : Cum in quolibel individuo eius

dem speciei inveniatur ittud, quod est principium dislinclivum aliorum, oporlet,

quod individua conveniant secundum nnitalem ralionis in eo, quod est dislinclivum

individuarum. Cum ergo individua non conveniant in forma nisi secundum unitalem

ralionis, non videtur necessarium, quod indiridua ciusdem speciei non possint distingui

per formam cireumseripta quantitale et quacunque maleria Sie oportel ponere in

Soerale aliquid reale, per quod realiler differt a Ptatane, quidquid sit itlud, sive

itlud sit sua forma, sive aliquid aliud.

419) Ebend. f. 8 v. B: Cum omnis forma sub se habens muHa habeat quandam

iolitudinem, forma aulem dupliciter iolitudinem possit habere, unam secundum diversos

gradus formales, quorum unus secundum se est nobilior et perfeclior allero (el

hoc est talitudo generis, sub quo sunt diversi gradus formales specifice differenles),

aliam vero secundum pturificalionem numeralem in eodem gradu, prima convenit formis

secundum suam ralionem specificam absolule acceptam, secunda aulem iolitudo

non polest convenire formis secundum suam ralionem absotutam, quia sie pturificari

videtur importare quandam polentialitalem et imperfectionem Ad hoc, quod

tales formae pturificentur sub specie, oportet, quod habeant iliom polentialitalem, quae

facit parlem realem Dicere, quod propler hanc causam deus non passet facere

ptures angelos, quia non est in eis maleria, esset error, quia sequeretur, quod non

possent esse plures animae separatae, cum in eis non sil maleria. Ebend. Dist. 12,

0u. l, f. 17 v. B: Ralio maleriae polest accipi vel secundum quod est subiectum

formae, vel secundum quod est subiectum transmutalionis.

420) Quodl. VIII, 12, f. 152 v. B: Carentia maleriae non est causa, quare

non sint ptura individua eiusdem speciei in angelis, sed carenlia maleriae quantitalem

habenlis.

272 XIX. Herveus Natalis.

zusammengesetzt werden soll; und spreche man, um diesem zu entgehen,

von einem Aggregate, welches zu Emer ahschliessenden Form sich selbst

ergänze (s. Scotus ob. Anm. 155 f.), so würde jene letzte Form nur eine

accidentelle, nie aber eine substanlielle sein. Somit bleibe nur übrig, an

der Einheit der Wesensform festzuhalten und dasjenige, was man an ihr

für vielheitlich halten könnte, als eine Manigfalligkeit von Vervollkommnungs-

Stufen (diversae perfectiones) zu betrachten , welche dann durch

verschiedene Namen ausgedrückt und bezeichnet werden , d. h. Herveus

ist wieder bei Gottfried v. Fontaines (ob. Anm. 70) und Johannes Parisiensis

(Anm. 74, vgl. auch Anm. 291) angekommen421)- Erklärlicher

Weise aber verwirft er von diesem Standpunkte aus entschieden die formalitales

des Scotus422); ja er will die Einheit der Form auch für die

accidentellen Qualitäten gerettet wissen, bei welchen (vgl. Anm. 160 u. 387)

421) De unit. form. 5, f. 73 v. A: üuidam dixerunt, quod omnium rerum natun,

luiin formae erant compositae ex pturibus et diversis tanquam ex parlibus essenlialibus,

sicul humanitas ex anima et corpore (B} Si aulem forma sit composita

ex forma et forma Ha, quod una sit composita ex duabus, tunc m,t erunt ambae

ciusdem speciei aul dit'i'rsarum; si eiusdem, sequeretur , quod ad minus itioe

duae sint simplices, alias oporterel abire in inftnitum; st aulem sint diversarum

specierum, tunc impossitiite erit, ipsas essentiali composiliorie componi ad inricem,

(f. 74 r. A) cum nultus modus essenlialis composilionis inveniatur in ipsa

Ideo alii aliler dixerunt ; posuerunt enim, quod formae naturales erant compositae

itlo modo, qui est per aggregalionem pturium formarum ad efficiendam el complendam

unan, fnrmam resultanlem ex eis, sicut ex pturibus membris resultat

unitns eorporis bumani Sed baec posifto magis irralionabitis est, quam prima.

Sequitur, quod itio forma erit accidens et non substanlia, el per consequens

non erit forma compleliva Sequitur, quod omnes res naturales sint in jenen"

accidenlis (B) Et ideo aliler dicendum, sc. quod forma nuturalis est simplex

(v. A) el quod in nullo composito sunt diversae lormae substantiales. sed sunt

ibi diversae perfecliones. Ebend. 12, f. 77 r. B: Oportel dicere, quod una sit forma

sen essenlia generis et speciei et individui differens solum penes delerminatum sive

signatum el non signatum, umn designulio individui respectu speciei est per

maleriam individualem, designalio aulem speciei respectu generis est per differsntiam

constitulivam, quae sumitur ex pnncipali perfeclione, quam dal forma rei (T. A)

Cum species rerum sint ad modtim numerorum, in quibus unus addil perfeclionem

super alium, oportel necessario dicere, quod perfecliones inferiorum sint in superioribus,

ac per hoc in una el eadem re sint diversae perfecliones essendi, sicul videmus,

quod in homine est perfeclio esse et vitae el sensus et intellectus. Et ideo, cum ralio

rei sumatur ab ipsa re, secundum quod stal sub aliqua perfeclione vel actu, ralio

aulem rei sit, quam significal nomen, contingit, ipsam rem diversis nominibus nominari

vel significari, secundum quod diversac sunt essentiales perfectiones ipsius. Vgl.

ebend. 18, f. 86 r. B.

422) ijuudlit,. t, 9, f. IS v. B: Dicunt quidam, quod genus el differenlia dicunt

diversas formalitales realiler differentes , species aulem differt a genere el differentia

sicut complectens duas formalitales reales; unde species se habent ad genus per additionem

realis formalitalis, spccies aulem realiler differunt non sc lolis, quia in

genere conveniunt , sed differentiis differunt ; differentiae aulem se lolis differunt.

Dicunt aul,'m isli, quod dislinclio formalitalis maior est in ercaturis, quam in divinis.

(Vgl. bei Scolus, ob. Anm. 148 u. 151) f. 19 r. A: Ss natura generis differt

realiler a natura differentiae, sequitur, quod quodlibel tndividuum sit compositum ex

tol rebus, quol sunt inter generalissimum el specialissimhm; sed hoc est falsum ....

(B) Restat ponere opinionem, quam eredo esse veram: In uno et eodem individuo

genus generalissimum et omnes differentiae intermediae dicunt unam el eandem

rem el sumuntur ab una et eadem re, quia si in Soerale substanlia, corporeum,

vivum, sensibite, ralionale dicerent diversas res, sequeretur, quod in uno el eodem

essel aliqua differentia re differens a natura generis.

XIX. Johannes von Jandun. 273

in Folge physikalischer Vorgänge nur eine iidensio oder remissio der

Einen Form eintreten könne423). •

Der Averroist Johannes von Jandun (um 1320) zeigt, was die

logischen Fragen betrifll, gleichfalls einen halb-thomislischen Standpunkt4-'1)

und erinnert uns in dieser Hinsicht an Petrus von Ahano (ob. Anm. 260 If.).

In seinem Commentare zur aristotelischen Metaphysik420) nimmt er be

züglich der liniversalien jene Unterscheidung in causando und p,-aedicando

auf, welcher wir schon bei Alexander v. Alessandria (Anm. 248)

und hei Radulph Brito (Anm. 258) begegneten426), knüpft aber an die

Aussagbarkeit auch die weitere Distinction , dass dabei entweder der Ge

genstand der Auffassung als sachliche Grundlage der Einzeln-Dinge oder

die intentio selbst gemeint sein könne, welch letztere dann wieder in

prima und secunda zerfalle , wobei man jedoch nicht so fast auf den

modus essendi, als vielmehr auf die quidditaliven Momente des Erkennens

blicken solle427). Jedenfalls kann so mit anliplatonischer Wendung das

esse in anima und das esse extra animam dualislisch verbunden wer

den428), da die Universalien post rem vorstellungsweise im Intellectus

423) In l Senlent., Dist. 17, 0u. 4, f. 36 r. A: Dicunt quidam, quod nulio

forma secundum suam absotutam el specificam acceplionem polest habere varialionem

aliqupm etl secundum magis vel secundum minus /•,'/ ideo, ut dicunt, i l tn accidentia,

quae vel inveniuntur in subiectis diversarum specierum vel quae sunt separabitia,

suscipiunt magis vel minus f.-/» opinio non videtur mit,i vera

(B) Si sie inlelligatur, sc. quod in essentia talium formarum non sit realiler loquendo

aliqua iolitudo graduum sie, quod albedo intensa essentialiler non sit perlectior, quom

remissa, eredo esse falsum (v. A) Ralio, quare aliquod acctdens dicitur suscipere

magis el minus, est, quod secundum formam natus est fieri motus Secundum

aulem formam substantiulem non est natus esse motus, ideo nulio forma substantialis

habet talem iolitudinem. Quodlib. II, 13, f. 61 r. A: Sicul in alleralione

non est nisi u,mm n,utatum esse in nein, ita non est ibi nisi una forma.

424) Betreffs anderweiliger Anschauungen desselben, welche nicht die Logik

beireffen , s. Näheres bei E. Renan, Averroes et PAverroisme, p. 269 lF. Uebrigens

verfassle Johann v. Jandun gemeinschaftlich mit seinem Freunde Marsitius v. Padua

auch die bekannle publicisüsche Schrift „Defensor pacis", welche sich im Sinne

Occam's über das Verbältniss zwischen Staat und Kirche aussert. !

425) Perspicacissimi specuiotoris ac summi peripathelici Johannis de Janduno

quaestiones in XII lib,os metaphgsicae (mit Zimara's Commentar). Venet. 1505 fol.

und wiederholt Venet. 1560. fol. (nach letzterem Drucke citire ich).

426) I, 20, p. 82: Duplex est universale, unum in praedicando, aliud in cau

sando. Universale in causando est deus et sub»tanliae abstractae ; universalia

in praedicando capiuntur dupliciter; uno modo quoad simplicem apprehension,'m, ....

alio modo quoad inhaerentiam passionis ad subiectum.

427) VII, 24, p. 523: Quoddam est universale per causalitalem, quoddam per

praediealionem Universale secundum praedicalionem est duplex: uno modo cupitur

pro re intentionata el denominata ab inlenlione; nlin modo capitur pro

intentione, el hoc iterum dupliciler, vel pro prima inlentione, vel pro secunda

(p. 524) fff/. ijni accipiunt conceptus generis el speciei a modis essendi, dicunt,

quod prima intentio est conceptus rei vel inlelleclio secundum suum modum essendi

proprium; sed secunda intentio est conceptus rei secundum modum essendi

communem Sed secundum dicentes, conceptus generis el speciei capi a quidditale

generali vel specifica, dicitur, quod inlenlio prima rei est inUileclio secundum

quidditalem generalem el polenlialem, sed secunda intentio est inlelleclio rei communis

in pturibus Sed universale pro re subiecta est res, quae est apta nata esse in

pturibus vel mulliplicari in ptura.

428) I, 16, p. 57: Universale polest intelligi duplictler. Uno modo pro esse

reali extra animam, quod esse habet subiective in suis suppositis, el pro isto esse

PBAML, Gesch. III. 18

274 XIX. Joh. v. Jandun. Job. v. Neapel. Augusti!ius v. Ancona.

sind, während sie in re die objcclive Bedingung des Wissens enthalten429),

da ja in der concreten Subsistenz das Allgemeine und das Einzelne trotz

aller Wesens- Verschiedenheit vereinigt seien430). Und sowie hiemit für

die subjeclive Auffassung sich der Begriff des ens rutionis (vgl. Anm. 395)

einstellt431), so können nun auch ebenso, wie bei Herveus (Anm. 405)

genus naturale und genus lugicum dualislisch nebeneinandertreten432;.

Desgleichen wird die intentio el remissio formarum , was die substan

liellen Formen betriü't (vgl. Anm. 423), auch hier verneint433).

Hingegen einen etwas strengeren Thomismus scheint Johannes

von Neapel (gest. i. .1. 1330) in diesen Controversen vertreten zu

haben, insoferne wir erfahren, dass er gegen des Herveus Auffassung der

verüas (s. Anm. 398) im Sinne des Thomas polemisirte434).

Auch Augustinus von Ancona (mit dem Beinamen Triumphus,

gest. i. J. 1328) lenkt mehr zu Thomas zurück, welchen er besonders

durch reichliche Benützung Avicenna's zu ergänzen sucht; nur streift er

zuweilen auch an Auffassungen hin, welche erst später (bei Aegidius und

Herveus) in die Controversen eingetreten waren. Seine Schrift De cognilione

animae435) liegt zwar einer Geschichte der Psychologie näher,

jedoch können wir aus ihr etwa Folgendes hervorheben. Als Gegenstand

der Logik, welche er mit Aegidius adminiculativa nennt436), gilt ihm

universale actu habet esse extra animam Alio modo pro esse inlenlionali, quod

subicclive est in anima, causalive extra animam, et ittud sotum non habet esse polentiale

extra animam Piolonici posuerunt universalia secundum esse existenliae

separata a singuioribus , Aristoleles, quod universalia subiective essent in singuioribus,

abstracto tamen secundum inlellectum inlelligenlem ea non intelligendo singuioria

Sed quod universale non generatur seorsim existens a singutaribus, ul

Piolonici posuerunt, palct sotulio etc.

429) VII, 24, p. 524: Universale pro prima et secunda intenlione est realiler

separatem a singuioribus in inlellectu subieclive Universale pro re obiecta,

quae denominatur ab inlentione, non est separatum a singutaribus sensit,itibus

et corporibus secundum esse extra animam Si quidditas rerum esset separata a

rebus naturalibus, tunc de rebus nuturalibus non esset scienlia.

430) Ebend. p. 525: Universulia el singuioria non sunt coniuncta lolaliler, quia

sunt separata secundum essentiom, sed tamen sunt coniuncta secundum subsistentiam.

431) V, 12, p. 312: S; loquamur de specie pro prima vel secunda inlenliene,

tunc non est extra intellvctum, sicut nec conceptus, cum sint entia ralionis.

432) X, 22, p. 636 : Duplex est genus : quoddam est naturale, quoddam hgicum.

Genus naturale dicitur, quod est commune mullis, quae conveniunt in maleria

Sed genus logicum est, quod habet unum modum praedicandi communem univocum

de mullis speciebus.

433) VIII, 6, p. 549: Si formae subslanliales elementorum intenderentur et remitlerentur,

tunc generaliu non esset lerminus alleralionis; sed hoc est folsum

Si forme substantialis intenderetur el remitlerelur, tunc generalio formae substantialis

essel simul cum alleralione,

434) Da mir des Johannes Neapolitanus Quaestiones variae quadraginta duae

Pariais disputatae. Neapoli 1618. fol. nicht zu Gebat standen, muss ich auf Das

jenige verweisen, was Hauntau (II, p. 403) in französischer Paraphrase aus Einem

einzelnen Capltel jener Schrift anführt.

435) Opusculum perulile de cognitione animae et eius polentiis Auguslini de

Anchona. Bononiae 1503. 4.

436) IV, 2 (das Buch ist nicht paginirt): Finis scienliae specutalivae est reritas

Circa huiusmodi adaequalionem rerum ad inlellectum scientiae tripliciler se

habere possunt. Primo direclive et adminicuiolive (s. Anm. 365), secundo principaliter

el obiective, lerlio ex consequcnti el suballernalive. In primo gradu sunt seien

XIX. Auguslinus v. Ancona. 275

im Anschlusse an Avicenna die Verbindung der secunda intentio mit der

prima, und da nur hiertureh die Gefahr vermieden werde , dass der In

halt der Logik zuletzt aus Erdichtetem (figmenta) bestehe, so solle man

auch nur von solchen entia rationis sprechen, welchen etwas Sachliches

entspricht (correspondet) , und in diesem Sinne liege dann der haupt

sächliche Gegenstand der Logik immerhin um der Vermeidung des Irrthumes

willen in der syllogislischen Verknüpfung der secundae intentiones437).

Nemlich in die prima intentio verlegt er sowohl dasjenige,

was Thomas intentio universalitatis genannt hatte, als auch, was bei

demselben reflexio und conversio ad phantasmata hiess438), sowie er

der secunda intentio gleichfalls im Anschlusse an Thomas die ver

gleichende und verbindende Fuuclion des Denkens zuweist439). So fasst

er auch den Uebergang, welcher von der Sinnes-Wahrnehmung zur Allge

meinheit des Denkens stattfindet, völlig in thomislischer Weise440), bedient

liae sermocinales , ul grammalica et logica, in secundo phgsica, mathemalica el metaphgsica,

in lerlio medicina, musica, astronomiu.

437) III, 6: Secundum Avicennam logica est de secundis intentionibus adiunctis

primis (s. Abschn. XVI, Anm. 74) Nam si secundae inlenliones non adiungerentur

primis, non corresponderent eis res mediantibus primis intentionibus, et sie

essent pure figmenta, sicul chimaera (vgl. ob. Anm. 98) Et ex hoc palet,

falsam esse posilionem itlorum, qui dicunt, ens ralionis esse subiectum in logica

(vgl. Anm. 370) Logica non polerit esse de enlibus ralionis tanquam de subieclo,

cum enlia ralionis, secundum quod huiusmodi, sotum sint entia apud animam.

Oporlet ergo, quod sit de talibus eulibus ralionis, quibus aliqua res correspondeal ;

el talia entia ralionis sunt secundae inlentiones (s. bei Herveus, Anm. 395)

Nec eliam oportet, secundas intentiones universaliter sumptas esse subiectum in logica,

sallem ut docens cst, quia tunc non magis esset logica de sgllogismo vel ad reclificandum

actus sgllogisticos, si non esset plus necessaria, quam ad reetificandum conceptus

generis vel specici; quod falsum est, cum in aclibus simplicibus inlellectus

per se non erret, in actibus aulem sgllogislicis eliam per se errare habeat (s. bei

Aegidius, Anm. 369).

438) III, 4: Intellectus .... dupliciter in cognitione rei fieri polest. Primo directo

adspectu, ul quando inlelligit rem sub esse universali • secundo per quandam reflexionem

el conversionem ad phantasmata Directo adspectu inlellectus intelligit

naturam cuiuscunque rei sub esse universali, quod quidem universale est primum el

directum obiectum intellectus, ut intelligit naturam hominis inquantum homo

Per reflexionem .... intellectus uniendo se sensibus et phantasmalibus apprehendentibus

ipsa singuioria specuiotur naturam hominis Ergo intelligendo rem secundum

suum esse singuiore el maleriale prima intenlio formari habet llioe intenliones,

quibus intellectus iulelligil vel directo adspectu vel per reflexionem, primae intenliones

dicuntur, et tanm sub esse universali quam sub esse singuiori primae intentiones

formari habent (s. Abschn. XVII, Anm. 500 f.).

439) Ebend. 5: Videre volumus, quae sunt secundae intentionss, quae genus ct

species el tndividuum el sgllogismus appeliontur Post informalionem, qua informatur

inlellectus conceplüme uniuscuiusque rei secundum se consideratae quasi secundario

modo inlellectus cirea huiusmodi concepliones negoliatur considerando convenientiam

conceplionum vel primarum inlentionum ad invicem, sccundmn quod possunt

pluribus vel paucioribus convenire Genus ergo et species et simitia nomina

secundarum inlentionum sunt, eo quod sunt hae concepliones, quas intellectus sibi

formal de rebus mediantibus primis inlentionibus (s. Abschn. XVII, Anm. 499 u. 506).

440) I, 11: Cum species rerum informantes ipsos sensus repraesentant ipsas

res sub tali esse signalo et sub esse particuiori ipsarum, ut in rerum natura subsistunt,

oporlet, huiusmodi species, ut sunt in sensibus, parlicuiores et maleriales

esse Si simititudines rerum sub esse universali exislerent in cdiqua polentia

sensiliva, non indigrrent huiusmodi simititudines depurari per inlellectum agentem ad

18*

276 XIX. Auguslinus v. Ancona. Antonius Andreas.

sich aber dabei ebenso, wie Aegidius, aueh des stalislischen Begriffes

der species intelligibilis J 4 1) , welchen er jedoch wieder mit Ausdrücken

des Albert (z. B. similüudo) und mit einem Gleichnisse des Thomas er

läutert 442).

Hatte somit dic thomislische Richtuug (wenn auch unter kleinen

Zugeständnissen an die tiegner oder wenigstens mit einigem Schwanken)

bis dahin entschieden das quanlitalive Uebergewichl behauptet, so gewann

nun auch der Scolismus, welcher bereits, wie wir sahen, bei Richard v.

Middleton, Radulph Brito und besonders bei Alexander v. Alessandria

sich sehr merklich geregt hatte, einen hervorragenden Vorkämpfer an dem

Franziskaner Antonius Andreas (oder Andreä, gest. i. J. 1320),

einem unmittelbaren Schüler des Scotus , welcher im Ganzen getreu den

Ansichten dieses seines Lehrers folgte , wenn er auch einige Male dem

thomislisehen Dualismus näher tritt, als die stricte Observanz seiner Schule

vielleicht billigen konnte. Ausser einem Commentare zum Sentenliarius,

in welchem Antonius lediglich den Scotus excerpirt (daher es für mich

unnöthig ist, weiteren Bezug darauf zu nehmen), besitzen wir von ihm

eine Expositio super artem relerew» 443), wobei hier zum gewöhnlichen

Umkreise der Ars vetus (s. ob. Anm. 356) auch noch lioelhius de divi-

,sione beigezogen ist, während in üblicherweise die Syllogislik zur nova

logica gerechnet wird*44); ferner einen Commentar zur Metaphysik443)

und eine Monographie De tribus principüs 446). Die Exegese der logi

schen und metaphysischen Schriften zeigt uns, was die Form betrifft,

hoc, quod possent informare inlellectum possibitem; nam tola causa, quare oportet

ponere intellectum agenlem, videtur esse malerialitas et parlicuioritas specierum existenlium

in sensu, quod ipsa universalia sunt inlelligibitia actu, eo quod actu

possunt movere inlellectum possibitem (s. ebend. Anm. 493 ff.).

441) II, 4: Ponitur intellectus agens, in cuius virtule phantasmata, quae sunt

particutaria, intelligibitia sotum in polentia fiunt et poslea actu, universalia et actu

inlelligibitia et per consequens actu possunt intellectum possibitem mavere el species

inlelligibites in ipso causare (s. ob. Anm. 375).

442) Ebend.- 1 : Ex lumine inlellectus agentis species inlelligibitis recipit actualitalem,

per quam inlellectum possibitem polest movere. Ebend. 2 : Non est possibite,

res secundum se esse pruesenles ipsi intellectui, propler quod oporlet, eas in ipso

inlellectu exislere per suas simititudines (s. Abschn. XVII, Anm. 393 u. 395), quibus

inteilectvs informatus possit ipsas res intettigere Res exteriores sunt principalia

nbiecta ipsius inlellectus, species vero intelligibites praedictarum rerum sunt sicul

ralio intelligendi el cognoscendi ipsas; ideo res ipsae cognoscuntur et intelliguntur

ab inlellectu, non aulem species inlelligibites. Ebend. 3 : Sicul sol est quoddam

universale tumen respectu cnrporalium el sensibitium, ita ltauen intellectus agenlis

est quoddam universale tumen respectu inlelligibitium (s. ebend. Anm. 510).

443) Seripta seu exposiliones Antonii Andreae super arlem vcterem et super

"Roelium de divisionibus. Vencliis 1492 u. 1508 u. 1517. fol. (nach letzlerem Drucke

cilire ich).

444) S. art. vel. i. 63 r. A: Coasideratur in libro Priorum et aliis libris norae

logicae sgllogismus (v. A) Liber Periermenias ordinatur ad libros logicae novae,

sed principaliter ad libros Priorum et mediante itlo ad alias, quia sgllogismus est

ex propositionibus.

445) Quaesliones Antonii Andreac super XII libros metaphgsicae. Veneliis 1481

u. 1514 u. 1523. fol. (nach der letzteren Ausgabe cilire ich).

446) De iribiu principiis renm naturalium. Venet. 1489. fol. und wieder ab

gedruckt bei Nuciarelli (s. Anm. 497) f. 36—57.

XIX. Antonin.s Andreas. 277

den Schüler des Scotus und ausserdem einen Mann von wirklich grosser

Belesenheit447).

Antonius lieht es, den Detail-Erörterungen in philosophischem Prediger-

Ton schwülslig rhetorische Einleitungen vorauszuschicken, in welchen er

alttestamentliche Sprüche scheffelweis ausgicsst, und indem er in solcher

Form auch den Werth der einzelnen Theile der Logik preist, führt er

zum Ruhme dieser Wissenschaft auch einen Memorial-Vers an448). Mit

Scotus stellt er die Logik als intentionalis den realen Disciplinen gegen

über449) und erblickt die wesentliche Aufgabe der ersteren im Syllo

gismus450), daher dieselbe allerdings modus sciendi sei, hiedurch aber

nicht gehindert werde , als selbstständige Wissenschaft auf eigenen Principien

zu beruhen451); und hieran reiht er, wie Scotus, den Unterschied

zwischen logica docens und ulens452). Desgleichen slimmt fast wörtlich

mit Scotus die Angabe überein , dass die Logik trotz der Wortform der

Begriffe nicht nominalislisch aufgefasst werden solle, sondern der Be-

447) Antonius hebt in seinen Commentaren slets das Fortschreiten der Argu

mentalion präcis hervor, erörtert die verschiedenen Wortbedeutungen, führt überall

Gründe (mit „Videtur, quoti sie") und Gegengründe („Vidctur, quod non") an, um

hierauf jeden derselben zu erledigen („Ad evidenliam dictorum resporuletur") , und

dabei benützt er in reichlichstem Maasse Belegstellen aus den übrigen Schriflen des

Aristoleles sowie das bei Albert aufgespeicherle Malerial, womit er, besonders in

der Exegese des Porphyrius, die vollste Ausbeutung des Avicenoa verbiudet.

448) Sup. art. vet. f. 2 r. A: „Gir»m coeli cireuivi sota", Ecel. 24 Haec

aulem scienlia, sc. togicalis, coelum dicitur cireuire pro eo, quod eius considerationi

subditur, quidquid coeli ambitu continetur, per eam enim polerimus sgllogizare

de nmni problemale An,b,lvs huius scienliae cirea subiectum suum inler alias

scientias habet inquisilionis rectitudinem taliorem, specuiolionis claritudinem alliorem,

permansicnis valetudiuem firmiorem De ipsa polest inlelligi, quod dicitur Ecel. 8:

„Cireumduxit me per ea in giro, erant enim multa valde super faciem camps"

(B) De ipsa polest inlelligi, quod dicitur Proverb. 8: „Certa lege et giro valiobat

abgs.tos et aethera firmabat sursum" Ipsa in sui ioudem prorumpens cantat

alta voce

„Frnslra doctores sine me cotuere sorores",

unde de ipsa dicit Salomon Sap. 4: „Cireuibam quaerens, ul mihi itiom assumerem

quasi sponsam". Aehnlich beginnt der Commentar zu den Kalegorien mlt dem Citate

(ebd. f. 17 v. B): „Seripsit in tnhalts verba decem, quae locutus est ad cos", Deuleron.

4, sowie jener zu De interpr. mlt (f. 63 r. A) „Tu ergo Balthasar inlerpretalionem

narra feslivus", Daniel 4, und jener zu Boeth. de divis. mlt (f. 89 r. B) „Qui divisit

mare rubrum in divisiones", Psalm. 135.

449) Ebend. f. 5 r. A : Logicus non considerat res per se, nisi pro quanto fundant

secuudas intenliones et lerminant respectum, ipsas aulem intenliones considerat

per se, et ideo non est artifex realis, sed inlentionalis. Vgl. ob. Anm. 87.

450) Ebend. f. 2 r. B : Matus huius scientiae principaliter sgllogismum considerat

simut, et postmodum secundum gradus participalionis considerut partes e,us, reducens

ad ipsum singuta, quae in ipsa logica pertractantur, tanquam ad finem ullimum, ad

quem omnia ordinantur. Vgl. ob. Anm. 93.

451) Ebend. f. 103 r. A: Dicitur, quod modus sciendi non est scientia specialis,

polest tamen esse communis, et sie est de logica Aliler dicitur, quod falsum

est, quod logica sil modus sciendi Logica docel modum sciendi pro tanto, quia

est de sgllogismo vel de argumento, per quod tantum habetur scienlia In logica

per propria principia oslenduntur propriae conctusiones, licet eius usus sit cirea

communia.

452) Ebend. : Logica dupliciler consideratur : uno modo inquantum est docens,

et sie procedit ex propriis principiis et necessariis; alio modo inquantum uli

278 XIX. Antonius Andreas.

griff eben in Mitte zwischen dem Realen und dem Sprachlichen stehe453),

— ein Coneeptualismus , welchen Antonius sowohl polemisch gegen

Plato richtet 454) als auch insbesondere durch die Bedeutung des Urtheiles

stützt455).

So kann er in einer theils scolislischen theils byzanlinischen Ter

minologie den Universalien ein dreifaches Sein zuweisen, nemlich in den

Dingen , in der Quiddität (d. h. ante rem), und in der logischen inlentto456),

oder ebenso kann er die ersten beiden Seiten zusammenfassen

und mit Alexander v. Alessandria (oder mit Johannes v. Jandun) nur die

Doppelstellung des „causando" und „praedicando" betonen45 '); womit sich

von selbst Bemerkungen über Priorität und Posteriorität verknüpfen 458).

Er stellt nemlich überhaupt ziemlich dualislisch die objeclive Wesens-

Einheit dem Denk-Impulse gegenüber459), so dass er fast bei genus logicum

und genus naturale ankommt460); aber er lenkt diess wieder (selbst

im Wortausdrucke) in die Auffassung des Scotus hinüber, wornach ein

gelegentlicher Causalnexus (occasionaliter] zwischen dem objecliven Uni

versale und der Denkoperalion besteht461), daher er auch die Ansicht

mur logica applicando ad ilio, in quibus est usus, et sie non est ex propriis, sed

ex communibus. Vgl. ob. Anm. 90.

453) Ebend. f. 18 r. B: Liber Praedicamentorum non est de decem vocibus ul de

subiecto primo, nec aliqua pars logicae est de voce, quia omnes passiones sgllogismt

et enunlialionis et lermini possunt sibi inesse secundum esse, quod haben! in menle,

esto, quod non proferantur • sed est de aliquo priore, quod respectu vocis significalivae

habet tantum ralienem significali (v. A) Logica nec est scientia realis nec

sermocinalis, est de conceptu per se Multum convenil cum sermone prapler

duu; quia conceptus esl immediatum significatum per vocem, el quia passiones

conceptus insunt voci significalivae, sicul incomplexio el complexio. Ebenso f. 63 r. A.

S. Anm. 96.

454) Ebend. f. 68 r. B : Ponere, aliquid exislere, secundum quod ei attribuitur

ralio communis, hoc est ponere ideas, secundum quod Pioto posuit; igitur commune,

secundum quod habet ralionem communis, est natura, proul concipitur sub ralione

dicibitis de pturibus.

455) Ebend. f. 66 v. A: Campositio (im Urtheite) est iliorum rerum, non tamen

ul existunt, sed ul inlelliguntur, et ideo veritas et falsitas dieitur cirea compositionem

inlellectus, quia itio compositio ab intellectu causatur et est in intellectu. Vgl.

Anm. 181.

456) Ebend. f. .H v. B: Significatum lermini communis significanlis veram naturam

palest tripliciter considerari. Uno modo secundum esse in supposilis, quod

dieitur esse maleriale eius; secundo modo absotule secundum esse quidditalivum;

lertio modo, ut per formam inlelligibitem ab inlellectu apprehenditur,

quod est esse cognitum, et sie ei insunt inlentiones. Vgl. Anm. 119 u. 129 f.

457) 0n. s. metaph. I, 10, f. 9 v. A: Duplex est universale, sc. in causando el

in praedicando Magis universale secundum causalitalem est nobis minus nolum

S« autem quaeratur de universali secundum praedicalionem, singuiore

simpliciter est nobis nolius, quam universale. Vgl. Anm. 248 u. 426.

458) S. orl. »el., f. 92 v. A: Genus et quodlibel universale, ul dicit mihi praccise

intenlionem, est posterius; genus, ul dicit rem sive primam inlentionem ,

est prius. Vgl. Qu. s. metaph. VII, 16, f. 40 v. A. S. Anm. 108 n. 286.

459) Cc. s. metaph. V, 6. r. 23 r. A: Omnis unitas causata ab inlellectu habet

unitalem in re, qua originatu,, sicul ignis generut ignem sibi simitem in specie,

nullo etiam intellectu existenle.

460) S. art. vet. (. 92 r. A : Vox dividitur in proprias significaliones ; genus

vero non, sed in quasdam quodammodo a se proerealiones. Vgl. bei Herveus ob.

Anm. 403.

461) Ebend. f. 3 r. B: Universale est ab inlellectu, nec sequitur: ergo est fig

XIX. Antonius Andreas. 279

seines Lehrers wiederholt, dass das Universale als Quelle der Bezeichnung

ein Erzeugniss des Intellectus sei462), und hiemit die gegenständliche

Auffassung (subiective) auf das materielle Dasein hinweise, während die

Vorstellung (obiective) das formelle Denk -Element enthalte463). Erklär

licher Weise beruht hierauf eine durchgängig wörtliche Uebereinslimmung

des Antonius mit Scotus in der Auffassung der prima und secunda intentto464),

sowie in Behandlung der Begriffe abstractum und concretum465),

womit eine dualislische Parallelstellung des „in anima" und des

„in rebus extra" sehr wohl sich verträgt46ü). Neu kommt nur hinzu,

dass Antonius mit der intentio auch die byzanlinischen Begriffe signatum

und exercitum in Verbindung bringt467). Die Begründung aber jenes

Causal -Verhältnisses, welches zwischen dem objecliven und subjecliven

Auftreten der Universalien besieht (Anm. 461), führt auch hier zur species

intelligibilis des Scotus 41i8) ; was jedoch das Verhältniss derselben zur

Wortbezeichnung und zu den Einzeln-Objecten betrifft, modiücirt Antonius

mentum, quia figmento nihit correspondel in re extra, universali aulem respondet ali

quid, a quo movetur inlellectus ad causandam talem inlenlionem Universale

effective est ab intellectu, sed malerialiter sive originalsler aul occasionaliler est a

proprietale in re comperta, quod non est verum de figmento (s. Anm. 99 f. u. 116).

462) Ebend. f. 3 I.B: Intellectus est, qui faeit universalitalem in rebus,

universale aulem denominal rem, non inlellectum, ergo est in re subiective, m inlellectu

aulem ut in efficiente (vgl. Anm. 127 u. 123). Hiezu aber unlen Anm. 469.

463) Ebend. f. 87 r. B: Dislinguitur in genere duplex polenlia, sc. subiectiva

et obiectiva: polenlia subiecliva sumitur in re per comparalionem ad materiam, de

qua fit; maleria enim est subiectum omnium formarum et in polenlia ad eas; sed

polenlia obiectiva atlenditur in re per comparalionem ad agens, quod polest ipsam

producere ad esse. Vgl. Anm. 105.

464) Ebend. f. 3 r. A: Universale est nomen coneretum (s. Anm. 128), sumitur

ergo tripliciler sicut alia conereta. Uno modo pro subiecto, i. e. pro re primae inlenlionis,

cui applicatur inlenlio universalis, et hoc modo universale est obiectum

primum inlellectus, et omnis scientia est universalium ; secundo modo sumitur

pro forma, sc. pro re secundae inlenlionis; lerlio modo sumitur pro aggregato ex

subiecto et forma (s. Anm. 107), et ittud est ens per accidens Universale aulem

secundo modo sumptum est de consideralione logici (s. Anm. 89 u. 106). f. 4 r. A:

Scienliu realis est de universali primo modo, quod sc. est res, sed logica est de

universali secundo modo, quod est inlenlio, ideo scienlia ralionalis vocatur (s. Anm.

87). Vgl. f. 4 v.B, f. 46 v. A, u. 0u. s. metaph. VII, 16. f. 40 r. B.

465) S. ort. vet. f. 9 r. A : Sicut est duplex abstractum, unum, quod abstrahit

a subiecto, aliud, quod abstrabit a forma, ut est in supposito, ita est duplex con

eretum per oppositum, unum, quod concernit suppositum, aliud, quod concernit

subiectum; exemptum primi humanitas et homo, exemptum secundi albedo et album

(vgl. Anm. 128).

466) Ebend. f. 4 v. B : Voco primam inlenlionem ipsam rem cognitam vel positam

in esse intellecto et cognito, voco aulem intentionem secundam quandam reiolionem

sive comparalionem inlellectus, qui comparat unam primam inlenlionem ad

aliam primam intenlionem, et sie secundun, diversas comparaliones formal diversas

secundas inlenliones Universale sumptum pro intentione nihit est in rebus extra,

sumptum pro subiecto inlenlionis est vere aliquid in rebui. Ebenso Qu. s.

metaph. VII, 16, f. 40 r. B.

467) S. art. vet. f. 5 v. B: Esse in rebus primae intentionis id exerret, quod

praedicari signal in secundis inlentionibus ; differenlia aulem est inler actum signatum

et exereitum in mullis u. s. f., s. Abschn. XVII, Anm. 605.

468) Ebend. f. 8 v. A: Ad ralionem generis requiritur, quod habeat plures

species actu, non quae existant actu vel polenlia, sed tantum actu concipiantur per

speciem inlelligibitem acceptam ab individuis quandoque exislenlibus (s. Anm. 110 ff.).

280 XIX. Antonius Andreas.

die Ansicht seines Lehrers dahin, dass der eigentliche Gegenstand der

Bezeichnung die Sache selbst schlechthin , d. h. abgesehen von Existenz

oder Nicht-Existenz und abgesehen vom Gedachtwerden , sei, und hiemit

die species intelligibilis erst durch ein Zurückbeugen des Intellectus

(reflexio), also nicht unmittelbar, erfasst werde469). Uebrigens nimmt er

auch den Begriff der verüas (vielleicht auf gleichzeilige Controversen

blickend, s. Anm. 398 u. 434) dualislisch nach einer objecliven und einer

subjectiven Seite, deren letztere gleichfalls ein Zurückbeugen in der Vor

stellung enthalte und in den Urtheilen conform mit dem sachlichen Be

stande auftreten müsse4"0), dabei aber jedenfalls nur dem formellen

Momente der Vorstellung (non subiective, formaliter] angehöre471).

Bezüglich des Princips der Individualion folgt Antonius, wie sich

nicht anders erwarten lässt, gleichfalls dem Scotus. Er nimmt nicht bloss

den Begriff der haecceüas beifällig auf472), sondern schneidet auch noch

entschiedener als Scotus die thomislische Ansicht dadurch ab, dass er

die Materie als ein lediglich Potenzielles von der reinen Actualität der

Form aufs schärfste trennt und zwischen beiden eine begriffliche und

reelle Verschiedenheit statuirt 473). Indem aber hiebei die räumlich aus

gedehnte Materie gemeint ist, erblickt er andrerseits eben jenen nemlichen

Gegensatz gegen die quidditalive Form, welche als solche allgemein ist,

auch in der individuellen Verschiedenheit und Eigenthümlichkeit der

Einzeln- Wesen, und so kommt er dazu, den Begriff der Materie in nichtphysikalischem

, vielmehr ontologischem Sinne in einen Causal-Zusammen-

Ebend. f. 66 r. A : Quaeritur, utrum nomen significet rem vel speciem

Kst una opinio, quod species intelligibitis immediale significatur per vocem (y. A)

Secunda opinio est, quod res primo significatur, non tumen secundum quod existit,

quia nec sie per se intelligitur, sed secundum quod per se concipitur ab inlellectu

Oico, quod res inlelligitur primo, species aulem per reflexionem .:. . , lltud, quod

proprie significatur per vocem, est res, non res ut intelligitur, nec res ut existens nec

ul non existens, sed res absolule, ut abstrahit ab istis et est extraneum Mi -quodlibet

itlorum. Ebenso f. 68 r. A. S. Anm. 126 f.

470) Ebend. f. 64 v. B: Est veritas in rebus, et est veritas in inlellectu

Verum in inlellectu est secundum inlellectus operalionem, secundum quam natus esl

inlellectus conformari obiecto ul mensuratum mensurae JVon est veritas in in

lellectu obieclive nisi refleclenle se super actum suum (f. 65 r. A) Veritas incomplexa

est formaliter habitudo conformitalis ad obieclum simpliciler inlelligibite.

Veritas aulem complexa ad obiectum complexum Compositio est, quando intellectus

apprehendit rerum idenlitalem, divisio vero, quando apprehendil

rerum diversitalem. Fast wörtlich ebenso Qu. s. metaph. VI, 6, f. 30 v. A.

471) S. art. ret. (. 45 r. A : Verum et falsum sunt in oralione sicut in signo

non subiecliVe el dicunt formaliler respectum conformitalis et difformitalis ad rem.

Vgl. Anm. 129, 133, 147.

472) 0u. s. metaph. I, 8, f. 8 v. A : In singuiori est duo considerare, sc. ipsam

singuioritalem, quae polest vocari haecceitas, el naturam subiectam singuioritali, quae

de se est indifferent ad esse hoc.

473) lle tribus pri»c. f. 41 r. A: Licet maleria sit ens in actu entitalivo, quia

est aliquid extra suam causam distinctum, tamen distinguitur contra actum formalem

completum et specificum Maleria est purum actuabite el polentiale, forma est

purum actualivum, el nihit unius ineluditur in ralione allerius, quia aliter nee ittud

esset purum actualivum, nec itiud purum actuabite Maleria dislinguitur realiler

a forma realitale positiva recepliva omnino allerius ralionis a forma (d. h. welche

einen in jeder Beziehung von der Form verschiedenen Wesensgrund enthält), et est

quid primo diversum ab ca.

XIX. Antonius Andreas. 281

hang mit der Häcceität zu bringen 474). Hingegen die physikalische

Malerie, welche nie als einheitliche Urmaterie exislire, finde eben nur

durch specifisch verschiedene Formen ihre beslimmte Qualificirung475);

und was die unkörperlichen Individuen (d. h. die Engel) betrifft, so ge

nüge die ihnen anklebende Passivität zur Erklärung ihrer Individualion476).

Ebenso zeigt sich Antonius als treuer Scolist in der Annahme einer pluralitas

formarum 4 7 7) , sowie in demjenigen, was er über intensio et

remissio formarum, bemerkt, wobei er die Gradabstufung in die Hefähigung

des Einzeln-Dinges, nicht aber in die Form selbsfc, verlegt478).

Ausser diesen allgemeineren Parteifragen muss aber auch noch eini

ges Einzelne , was in des Antonius Exegese (s. Anm. 447) vorkommt,

berührt werden. Bei Erklärung des Porphyrius 47!)) erwähnt er einmal

den aristotelischen Begriff der tabula rasa480), wiederholt auch betreffs

der einzelnen fünf Universalien fast den ganzen Commentar des Avicenna

und des Albert, sowie des Scotus Begründung der Fünfzahl 481), und

474) Qu. s. metapb. V, 5, f. 22 v. B: Quaedam est maleria, quae opponitur

formae tolius el ipsi quidditali et per conscquens est extra ralionem quidditalis formaliter;

el baec est maleria, quae est differentia seu proprietas individualis, quae

est causa propria haecceitalis et individualionis.

475) De tribus princ. f. 45 v. A : Non est una maleria numero omnium generabitium

et corruplibitium, quia impassibite est, eandem maleriam numero informari

simul formis substanlialibus contrarie el specifice dislinctis.

476) S. art. vet. f. 55 r. A: Angetus passet fieri sine erealione ereaturae

eorporalis, tamen in angelo est polenlia passiva, qua passet esse in loeo.

477) Qu. s. metaph. VII, 17, f. 41 r. A: Est una opinio, — quod est aliqua

forma mixti una realiler, sed ptures virtualiter conlinens multas perfecliones

Est atia opinio, quam reputo veram, (B) quod in quolibet vivo praeler formam

animali est alia forma communis cnrporis el mixti, et praeler Aas, quae sunt communes

Mi animali Tel vivo, sunt aliae partiales specificae dislinctae toi, quot organa

dislincta sunt. De tribus princ. f. 51 v B: In quoeunque animato nccesse est ponere

aliquam formam, quae est forma corporis mixti alia ab itio, qua est animatum —

f. 52 r. B : In quolibel vivo praeler formam animali est alia forma corporis et mixti,

el praeler has, quae sunt comn,unes Mi animali vel vivo, sunt aliae partiales sperificae

dislinetae M, quol organa dislineta. Vgl. Anm. 156.

478) De tribus princ. (. 53 r. A: Qualitas secundum se non suscipit magis et

minus, sed sub,cctum secundum itiom (B) Forma specifica est indivisibitis quantum

ad gradum specificum, divisibitis vero quantum ad gradum perfectionalem. S.

art. vct. f. 10 v. A : Quamvis esse specificum in se sit unun, et quasi indivisibile,

secundum quod abstrahit in suo conceptu ab omni gradu individuali, non obstat,

quin possit participari magis el minus secundum tales gradus. Ebend. f. 25 r. A :

Aliqua forma substantii,lis, ul puta forma ignis, non secundum esse specificum, sed

individuale, sc. secundum esse, quod habet in supposilis, habet aliquos gradus et

portiones, secundum quos magis et minus in diversis individuis parlicipatur. Vgl.

f. 36 v. B, f. 44 v. A, f. 62 r. A. S. Anm. 160.

479) Nach einer drei enggedruckle Cotumnen füllenden Lobpreisung der Logik

überhaupt kommt Andreas mit rhetorischem Schwulst (s. Anm. 448) auf die Isagoge,

von welcher er sagt (f. 2 v. B): De auctore huius libri polest dici ittud Matth. 7

„Bene omnia fecit, et surdos facit audire et mutos loqui" n. s. w.

480) S. art. vel. f. 4 v. A : Quidam exponunt (s. die Stelle Abschn. XIl, Anm.

86) „intellectum sofam", cui nihit correspondel in n extra, ut est inlellectus figmenti,

„intellectum nudum", qui est sine omni specie vel habitu, ut est tanquam

tabuio rasa, in qua nihit est depictum (s. Abschn. IV, Anm. 97), „inlell,'ctum

purum" vocant inlellectum angelicum vel divinum Per intellectum solum, nudum

el purum idem intelligitur, el verba ista aequipollent. Vgl. Anm. 377.

481) Ebend. f. 17 r. B, s. Anm. 162.

282 XIX. Antonins Andreas.

ausserdem erwähnt er einen neuen Memorialvers482). Bezüglich der

Kategorien führt er eine spitzfindige Dislinclion des aequivocum an483),

bezeichnet in ähnlicher Weise , wie wir es bei Pseudo - Thomas sahen

(Anm. 314), Quanlität und Qualität als absolute Accidenzien484), verwerthet

bei der Relalion einen Begriff, dem wir bei Raimuudus Lullus

begegneten (vor. Abschn., Anm. 58 u. 70), nemlich den der aequiparantia485),

und zeigt uns bei Besprechung der Gegensätze wieder

(vgl. Anm. 459 ff. u. 466) seine Hinneigung zum Dualismus486). In der

Lehre vom Urtheile finden wir Bemerkungen über das Verhältniss des

Urtheiles zum Syllogismus487), über Copula488), über eine Lückenhaflig

keit der aristotelischen Lehre489) und insbesondere über die modalen

Urtheile, bei welchen er an der älteren Eintheilung in modus nominalis

und adverbialis 490), sowie an der byzanlinischen Regel der modalen

Aussage festhält 4 9 1) , und auch die ältere einfache Figur aufnimmt492).

Und sowie er schon hierin byzanlinische Lehre beizog, so begegnen wir

auch überhaupt häufigen Erwähnungen jener logischen Theorie493), wor

unter besonders die Lehre von den consequentiae hervorragt 494) , bei

welcher er die mathemalische Form der Proporlionen förmlich als eine

Schluss -Weise erwähnt495).

482) Ebend. f. 9 r. B. Es ist jedoch nur der ersle von zwei zusammengehörigen

Versen, welche ich unten (Anm. 615) bei Burleigh anzuführen habe. Einen Prioritäts-

Streit über den Urheber solcher Verse wird wohl Niemand erheben, zumal da Vieles

auf Rechnung späterer Abschreiber fallen kann.

483) Ebd. f. 18 v. A: Aequivocum includit duplicem reiolionem, sc. habitudinem

ad aequivocans et ad aequivocatum.

484) Ebd. f. 43 v. B: Praedicamentorum quaedam sunt substanlia, quaedam

accidentia: substanlia aulem est unum praedicamentum tantum; accidenlium aulem

quaedam sunt absoluta, ul quantitas et qualitas, quaedum sunt respectiva, ut reliqua

seplem.

485) Ebd. f. 30 r. B: Retalivum aequiparantiae est aequivocum, quia proprie

sumptum est ali,juid retatum ad aliud secundum eandem formam, cuiusmodi

sunt „simite" et „aequale". Vgl. f. 10 r. A.

486) Ebd. f. 37 v. B: Opposilio in uno sensu sumpta dicitur univoce de contrarietale

et opposilione reioliva, in alio sensu dicitur univoce de contradiclione et

privaliva opposilinue. Primo modo est ens reale, secundo modo est iulenlio.

487) Ebd. f. 63 v. B; s. Anm. 93.

488) Ebd. f. 67 v. A u. B.

489) Ebd. f. 79 r. B: Aristoleles hie praelermisit mulliplices oppositiones, ubi

subiicitur nomen infinitum universalsler sumptum. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 450.

490) Ebd. f. 86 r. A : Duplex est modus, nominalis et adverbialis u. s. f. S.

ebend. Anm. 43.

491) Ebd. f. 84 r. A: In propositionibus modalibus modus ponitur a parle praedicali,

et ei addenda est negalio (v. A) In proposilionibus de modo ipsum

dictum subiicitur, ita quod eliam verbum est pars subiecli. S. ebend. Anm. 161.

492) Ebd. f. 87 r. A: Propler hoc, aliqui hubent hie figuram n. s. f., d. h. es

folgt die auch von Thomas (s. ebend. Anm. 541) aufgenommene Figur, welche uns

zuerst bei Withelm Shyreswood (s. ebend. Anm. 45) begegnet war.

493) So linden wir supposilio personalis f. 22 v. A u. f. 69 r. A, amplialio f. 70

r. B, 73 v. A, 80 v. B, distribuliv f. 83 r. B, appeliolio f. 73 v. B, calegoreumalice et

sgncalegoreumalice f. 8 r. B, 63 r. A, 80 v. B, sensus compositus et divisus (s. ebend.

Anm. 585) f. 76 r. A.

494) Ebd. f. 22 v. A, 39 r. A, 41 v. A, 86 r. A.

495) Ebd. f. 89 r. A: Tenet argumentum a commutata proporlione, quantum ad

contradicere et converti; sed nunquam lenet, quantum ad contradicere et sequi,

XIX. Franciscus Mayron. 283

In einer sehr eigenthümlichen Weise vertritt der Franziskaner

Franciscus Mayron (gest. 1325) den Scolismus, indem er in der

Universalien-Frage (— aber auch nur in dieser —) sich völlig auf einen

platonischen Standpunkt stellt, so dass uns hier ein ähnliches Verhältniss

wie bei Heinrich Göthals (ob. Anm. 36) hegegnet, d. h. Mayron wäre

gleichfalls unter anderen Zeitumständen sicher der exclusivste Platoniker

geworden, und auch ihn hinderte hieran nur die Auctorität des üblich

gewordenen Stoffes und andrerseits der Umstand, dass man damals Plato's

Schriften noch nicht besass. Allerdings macht es eineu fast komischen

Eindruck, wenn Mayron mit seinem platonischen Realismus zugleich eine

reichliche Durchführung der Ansichten des Scolus verbinden zu können

glaubt ; aber daneben könnte es uns selbst freuen , dass einmal Jemand

Selbstständigkeit genug besass , um gegen den allgemeinen Strom zu

schwimmen und auf eigene Faust sich für Plato zu erklären. Wir be

sitzen von ihm einen Commentar zum Petrus Lombardus und Quod-

Zt'fteta490), ferner eine Erklärung der Isagoge und der Kategorien, eine

Schrift De primo principio, Formalitales (s. jedoch unten Anm. 529),

sowie De univocalione enlü497).

Wenden wir uns zu den Hauptfragen498), so begegnen wir vorerst

einer ausschliesslich religiös-dogmalischen Tendenz, welche der Darstellung

der Logik bei Mayron zu Grunde liegt, da es sich dabei nur um die

Mittel zum Siege über die Anorthodoxie handle490). Sodann aber über

sed fit semper faliocia consequenlis, v. gr Sicut se habet homo ad non hominem

secundum consequentiam, sie animal ad non animal secundum consequentium ;

ergo permutalis: Sicut homo ad animat, sie non homo ad non animat; sed omnis

homo est animal; ergo omne non homo est non animat; folsum cst u. s. w.

496) Iltuminali doctoris fratris Francisci de Magronis in primum sententiarum.

Veneliis 1504. fol. tn secundum ebenso. In lertium ebend. 1506. In quartum

ebend. 1507. Quodlibettales [sie] quesliones fertitissimae iltuminali doctoris Franc.

de tiagronis. Veneliis 1507. fol. In einem anderen Venelianer Drucke v. 1520,

welcher mir nicht zugänglich war, sind auch einige der kleineren Schriflen, welche

Nuciarelli herausgab (s. folg. Anm.) enthallen.

497) Contenta in volumine per eximium artium et medicinac oralorem dom.

üiermgmum de Nuciarellis Romanum cotrecta et emendata, lector, insrnies: Passus

super universalia et praedicamenta ittuminali Francisci Maironis (ein ällerer Druck

dieser Schrift ist Bononiae 1479. 4). Formalitales eiusdem. lle primo principio complexo

eiusdem Francisci. De lerminis theologicis eiusdem. Formalitales Petri Thomae

(s. Abschn. XX). De secundis intentionibus llierongmi (d. h. des Nuciarelli selbst).

De entc et essentia divi Thomae. Tria principia rerum naturaiium Antonii Andreac

(s. Anm. 446). Expositio Francisci Maironis s. VIII libr. phgs. De cuiuscunque

scientiae subiecto Comelii Hispani. Super liliras de anima Joannis Scoli. De univocalione

entis Francisci Maironis. Veneliis 1517. fol.

498) Nemlich die Exegese als solche bietet in den Passas suprr universalia

nichts Erhebliches dar, indem nur zum Verständnisse des Wortioules stets „dubia"

oder „difficultales" (meislens vier oder acht) aufgolisrhl und glücklich oder un

glücklich gelöst werden. Jedes einzelne Glied der logischen Lehre heisst dnbei

ein passus, und die Isagoge enthält deren 40, die Kalegorien 65, und der un

vollendet gebliebene Commentar zu De inlerpr. nur 7.

499) Passus s. univ. f. 2 r. A: Ad ostendendum, quod veritas phitosophiae non

contradicit auctoritali divinae sapienliae , deerevi, passus communes phitosophiue

discurrere resecando superltua, quae in hac arle contineri videntur; pracslilulo fine

quadruplici, ... . ul muniliones ralionum pbitosophicarum contra veram phitosophiam

garrienlium destruantur, ul consitia argumentalionum infidelium adversus theo

284 XIX. Frauciscus Mayron.

rascht er uns mit der litterarischen Entdeckung, dass die Isagoge des

Porphyrius eigentlich nur eine zweite Auflage des platonischen „Sophistes"

sei . und da von Plato , auf welchen stets die christlichen Heiligen so

grosse Stücke gehalten, natürlich nur Kundgebungen einer Ur-Wahrheit

zu erwarten seien, so ergehe sich hieraus von selbst der hohe Werth der

Isagoge 500). Aristoteles hingegen gilt dem Mayron als unfähig zu allen

metaphysischen Fragen und als der neidvolle Verderber der platonischen

Ideenlehre501), welcher jedoch nur das Wort „Idee" durch schlechte Er

klärung in Misskredit gebracht haho, während die Sache selbst unzweifel

haft klar sei502); denn die Ideen seien eben die unveränderlichen Muster

bilder der Dinge in der Weisheit Gottes 503).

Darum findet Mayron, dass, wenn man die Universalienfrage bloss

auf den Gegensatz des esse in anima und des esse in re extra stelle,

jede der vier möglichen Annahmen unhaltbar sei: nemlich die Univer

salien können weder ausschliesslich in der Seele sein, da dann alle

Wissenschaften die objeclive Realität verlören , noch auch ausschliesslich

in den Dingen, da immerhin der Priorität der Objecte ein Posteriorisches

im Subjecte entsprechen müsse; ferner könne das Universale nicht zu

gleich theils in der Seele und theils in den Dingen sein , da diess der

Untheilbarkeit der Quiddität widerspreche; noch auch endlich könne man

sagen, dass das Universale in verschiedener Modalität in der Seele und

in den Dingen sei , denn das Gleiche gelte auch von der singulären

logiam insurgentium dissipentur, ut superbiae ingeniorum sublitium adversus

doctrinam calbolicam sr erigentium comprimautur, ut excellenliae inlellectuum

sublilium ad vnitatis noliliam renire cupientium ad Chrisli domini nostri servilium

adducantur. Ebend. f. 9 r. B: Cum in lerlio Sentenliarum votumus tractare de unitale

naturae humanae Chrisli, ul extoltamus suae incarnalionis mgsterium, oporlet, nos

scire, quid genns, quid species et differentia, ut sciamus dissolvere versulias

phitosophorum, proul ee erigunt infideles ad incarnalionis mgsterium impugnandum.

500) Passus s. un. f. 2 r. A : Occurrit primo inconsueta apud Lalinos phitosophin,

liber Ptatonis, qui dicitur Sophisles, qui, licel fuerit, sicut Boethius refert, editus a

Piolone, fuit tamen a Porphgrio repelitus, et ideo vulgo allegatur ihi Porphgrius; quia

tanmen auctoritas Piotonis est praestanlissima inler auctoritales omnium phitosophorum

i,pud sanctos nostros, ideo magis convenit in hoc libro allegare Plntonem, qui fuit

reputatus olim intcr phitosophos sicul Jupiler inler dcos; et secundum quod isle liber

fuit traditns a Piolone. prima veritas in eo contenta est. So nennt er gelegentlich

noch öflers den Plato als den Urheber des Inhaltes der Isagoge.

501) Sent. l, Dist. 47, qu. 3, f. 145 r. B: Aristoleles altribuit ideis quatuor

enndiliones. quas videlm negasse Ptato: prima est singutaritas , secunda, quod

esset ens astu existens, lerlia, quod esset separata localiler, quarta, quod mensuraretur

lempöre (v. A) Sed quare Aristoleles votuit sie facere, una assignatur

votuntas, quia habuit invidiam contra eum Aristoleles füil oplimus phgsicus,

sed pessimus metaphgsiens, iquia nescivil abstrahle, et ideo pessimam metapkgsicam

fecit.

502) Ebend. f. 145 v. A: Ideae non sunt imponendae Piotoni, sind eas imponil

sihi Aristoleles, qund sc. essent quaedam mon»tra in ae're subsistenlia singutaria

(B) Ralio, quare non ponuntur commm,iler ideae, non ost niii propler infamiam vorabuli,

quam sortitum est ex intellectu malo, quem Aristoleles imponit Pioloni; sed

dummodo res sil manifesta. de vorabulo non est curandum.

503) Ebend. qu. l, f. 144 v. A: Deus est sapiens per ideas; sunt raliones

incommutabites et aelernae, quia ad ipsas reducitur omnis incommutabitis veritas;

non dicunt aliquid absotutum formaliter, sed respectivum, quia idea, inquantum

idea, formaliler est exemptar, sed exemptar formaliler est ad aliud.

XIX. Franciscus Mayron. 285

Sinneswahrnehiuung; — kurz Mayron triü't merkwürdiger Weise mit

Aegiilius Romauus (Amu. 374) darin zusammen, dass die Universalien an

sich weder in der Seele noch in den Dingen seien, aber als posiliver

Rest bleibt ihm dabei die platonische Idee, welche weder ein Fabricat

der Seele noch ein Ding, sondern eben die Potenzialität des reellen Seins

sei504); und so habe auch der tradilionell gewordene (arabischej Aussprach

„intellectus agit universatüatem" nur den Sinn, dass die immer

hin relalive Vorstelluugs - Weise (obiectivum), nicht aber das gegenständ

liche Sein, durch die Denkthäligkeit erzeugt werde505). Wenn er aber

in der objecliven Welt die substantielle Allgemeinheit, welcher die ralio

nelle Priorität zukommt, dualislisch neben das Einzelnsein (supposüum,

s. Anm. lOi), 251, 407) und die empirische Priorität desselben hin

stellt D'"'), entscheidet er sich bezüglich der Erkennbarkeit des Singulären

dahin, dass in Folge einer gleichförmigen Vermittlung der Vorstellung

(uniformiter repraesentativum, A. h. der species inieilig ibitis des Scotus)

der Intellectus überhaupt das Einzelne eigentlich in allgemeiner Weise

erfasst507). Hiedurch streift er abermals an Aegidius (Anm. 379), indem

die secunda intentio sich zur Relalivität der Reziehung (respectus) zwi-

504) Ebend. qu. 4, f. 146 r. A: Fuerunt quatuor opiniones. Prima, quod unirersalia

sunt tantum in anima el nuliolenus in re extra, quia, quidquid est in rerum

natura, est sinr/uiore Secunda, quod unirersalia habent esse in rerum natura

et non in anima, quia non sunt extra sua parlicuioria Terlia, quod universalia

partim habent esse in re extra et partim in anima. Quarta, quod habent esse uno

modo in anima, sc. obiectiVe, et alio modo in rerum natura, sc. subieclive, quia inveniuntur

in suis particuioribus essenlialiler el obieclivaliter in inlellectu. Prima via

non polest stare, quia de entibus ercalis in anima nulio est scienlia realis, et tamen

umuis scienlia est de universali Nec secunda, quia priori repugnat, esse sine

posleriori, sed un,cersalia sunt priora Ncc lertia, quia eadem simplex quidditas

non polest esse ens ralionis et ens reale Nec quarta, quia eodem modo dicitur

de huc albedine singuiori, quod habet esse obieclive in anima et subiective in rerum

natura Ideo videtur dicendum, quod universalia secundum se non habent es-e

in anima nec in rerum natura, quia tola coordinalio praedicamentalis ,'idetur esse

incommutabitis omni consideralione nostra (B) Universale est non fabricatum

ab anima, eo quod abstrabit ab omni produclione; nec tamen per hoc est ens reale,

sed sotum natum esse ens reale, et sie conceditur esse reale in polentia et non

in actu.

505) Ebend. f. 146 r. B: Infinitae auctoritales auctorum sonant et dicunt, quod

intellectus focit universalitalem in rebus, el universalia sunt ab anima fabricata.

Dici polest, ut vitetur scandatum sequentium eos, quod inlellectus nostsr produiit

universalia in esse cognito, quod est esse obiectivum el secundum quid, et dal eis

esse co,iuitum, non esse simpliciter, el sie secundum tale esse polest dici corum causa.

506) Passus s. un. f. 10 v. B: Substantia polest dupliciler accipi; aul pront

dicitur a substando, et sie superiora prius substant, sicul prius sunt et prius eis

diffinilio convenit entis.per se; aul prout dicitur a subsistendo per modum suppositi,

et sie individua prius subsistunt, quia ralio supposili primo convenit individuo, et

communia nonnisi per individua suppositantur.

507) Sent. I, Dist. 3, qu. S, f. 27 r. A: Dicunt aliqui, quod sotum singuioria

inlelligimus, quia itio praecise intelligimus, quae movent ad inlellectionem sui

Contra istud arguo (B) lltud, quod intelligit per repraesentalivum uniformiler

repraesentans, non intelligit aliquid de his, quae insunt sibi per accidens.... Omne,

quod inlelliqil aliqua distincta, ut dislincta, non decipitur cirea distinctionem eorum;

sed intellectus decipitur cirea distinclionem singutarium, ergo non cognoscit ea uf

dislincta Necessario oportel dicere, quod ralionem particuioris cognoscimus satlem

in general,, et lalis cognitio parlicuioris sufficit ad cognilionem universalis.

296 XIX. Franciscus Mayron.

sehen Allgemeinem und Einzelnem gestaltet508); ja er erblickt darin

sogar nur gemeinsame höhere Merkmale, welche nicht das Wesen selbst

sind (non est essentiale), während die unmittelbare bejahende oder ver

neinende Aussage Sache der prima intentio sei 509). Nur verwahrt er

sich ausdrücklich gegen nominalislische Einseitigkeit und schliesst sich

vollständig dem Intellectualismus (— menlalis —) des Scotus an510), so

dass er auch das Gebiet des „conceptus" überhaupt erst von der secunda

intentio an beginnen und in aufsteigender Linie zum Allgemeinsten und

auch zu transscendentia (s. Anm. 273, 355) sich erheben lässt511).

Dabei aber blickt freilich wieder der Dualismus in der Annahme durch,

dass die Wahrheit einerseits ein Zustand der objectiven Dinge sei und

andrerseits in der Verknüpfung der Begriffe liege512).

Was das Princip der Individualion betrifft, schliesst sich Mayron so

wohl in der Unterscheidung zwischen esse und existere613) als auch im

Begriffe der haecceilas völlig an Scotus an514), wenn er auch mit dem

Wortausdrucke „modus intrinsecus" uns an Herveus (Anm. 416) erinnern

könnte515). Possierlich ist es allerdings, wenn er die Häcceität für pla

tonisch und zugleich für aristotelisch hält und den Porphyrius darüber

508) Passus s. uH. f. 10 r. B : Communicari et commune esse perlinent ad secundas

inlentiones, sicut esse universale, quae sunt respectus consequenles et

convenienles inferioribus et superioribus, ul ab invicem distinguuntur.

509) Sent. l, Dist. 23, qu. l, f. 82 v. A: Quandocunque aliquid est commune

et superius assignatur mullis el non est eis essentiale, ittud est secunda intentio ....

Quidquid praedicatur de superiori et inferiori affirmalive el e contra negalive, ittud

est prima intentio Ista propositio habet solum instantiam in secundis inlenlionibus,

quia dato, quod homo sil spccies, el bic bomo sit bomo, non tamen hie

homo est species.

510) Passus s. un. f. 2 r. B: Cum dicitur, quod pruedicabite est, quod est aptum

natum, de pturibus praedicari eel dici, non accipitur hie sotum diclio rocalis,

imo principaliter mentalis, cum actus praedicalionis sit principaliter in inlellectu,

sicut actus composilionis.

511) Senf. I, Prot.,qu.8, f. 5 v. B: Utrum a conceplibus simpliciler simplicibus

el primo diversis polest abstrahi aliquis conceptus communis. Sine argumenlis respondco,

quod non; quod tarnen est intelligendum de conceptu quidditalivo Conceptus

sunt in quadruplici genere ; primi sunt secundarum intentionum, alii communis simarum

passionum, alii habitudinum transcendentium, alii privalionum. Exemptum primi,

sicul a Petra et Marlina abstrahitur species, exemplum secundi verilas el bonitas,

lerlii identitas, diversitas, distinctio, quarti unitas et simplicitas.

512) Passus s. un. f. 10 r. A: Veritas dupliciler accipi polest: uno modo, proul

dicit ordinem rerun, ad intellectum, secundum quod ipsae sunt intelligibites, et sie

veritas est passio enlis ; alio modo, proul dicit habitudinem unius lermini ad alium

in complexione, el sie lermini secundum sc sumpli veritatem non habent, quia talis

veritas non est ad se, sed ad aliud.

513) Quodlib. 8, l, f. 18 v. A: Iltud est esse essenliae, quod perlinet ad cuiuslibel

entis ,]uidditalem, quia in rebus habenlibus essentiam quidditas et essentia idem

sunt, el in hoc differt ittud esse ab esse extslenliae, quia ittud non pertinet

communiler ad quidditalem. S. Anm. 135.

514) Passus s. un. f. 9 r. B : Species dicit lotam essenliam individuomm, quia

individua non adduril ad speciem nisi haecseitalem. quae nuliom dicit quidditalem

nec per consequens diffinilivam ralionem.

515) Senf. II, Dist. 34, qu. 4, f. 25 v. A: Proprietas individui non est quidditas

nec pars eius, sed est modus intrinsecus et est idem realiler cum natura, quam

individuat, quia nuliom naturam polest deus producere sine singuioritale.

XIX. Franciscus Mayron. 287

tadelt, dass er hierin von seinem Originale abgewichen seinl6). Die Angelologie

macht ihm mit Gottes Hilfe keine Beschwerde517). Gleichfalls

dem Scotus folgt er bezüglich der pturalitas /brmorum518).

Während aus dem Umkreise vereinzelter Bemerkungen (s. ob. Anm.

498) höchstens etwa erwähnt werden mag, dass Mayron neben aller Füg

samkeit unter die Auctoritäl der Tradilion doch an eine Moliviruug der

Zehnzahl der Kategorien denkt519), oder dass er für die Kategorie der

Qualität und ihre verschiedenen Unterarten eine eigene arbor Porphgriana

entwirft520), oder dass er bei der Relalion eine sprachliche und eine

sachliche Seite unterscheidet521), treten mit grösserer Wichligkeit seine

Erörterungen über das sog. principium identitalis und seine Behandlung

der formalitates hervor.

In erstercr Beziehung nemlich ist Mayron unter den Autoren des

Mittelalters (— betreffs der anliken Logik s. Abschn. VI, Anm. 136, Abschn.

XI, Aiim. 22, 81 u. 161, Abschn. XII, Anm. 138 — ) in der That der Erste,

welcher den Inhalt einer vielbesprochenen aristotelischen Stelle als einen

allerobersten Grundsatz unter dem Titel „primum principium complexum"

bezeichnet und unter Hinzufügung einiger byzanlinisch-grammalischer Be

merkungen genau formulirt: „De quolibet dicitur affirmalio vel negalio,

el de nullo ambo simul" 6^2). Sofort aber wendet er auch auf dieses

Princip dasjenige an, was er von den Universalien sagt (Anm. 504), d. h.

jener höchste Grundsatz sei an sich weder in der Seele noch in den

516) Passus s. un. f. 4 r. A: Opinio fuil Porphgril, quod istac proprietales

individuorum accidentales essent causa el ralio individualionis ipsius substanliae

Hie non est admitlendus dominus Porphgrius, quia itlud dixit a se, non ul habuit a

Halone vel Aristolele, nisi forte inlelligat per istas proprietales haecceitales (in dem

ganzen Drucke sleht überall „ecf,eifas" für haccceitas).

517) Sent. II, Di*t. 3, qu. 2, f. 9 v. A: Omnis angetus est in natura specifica,

cut non repvgnat, esse in pturibus; et si non repugnat, deus poleril facere.

518) Ebend. Dist. 16, f. 19 v. A: Utrum in corpore hominis sunt plures formae

substanliales Dico, quod omnes parles helerogeneae differunt specie Sunt

ptura individua parlialia et unum tndividuum tolale essentiale.

519) Passus s. un, f. 10 v. B: Cum omnes hodie supponant, decem praedicamentu

esse, ipsa non sunt neganda, et tuuc hubetur soio fides per auctoritalem, el istud

redigitur in obsequium Chrisli, quia, si intellectui Aristolelis se gralis subiugaverunt

tol sollerles, mullo mugis est subiiciendus inlellectus iugo Chrisli Tamen

sequendo dicta communia immerus iste praedicamentorum polest sie deduci u. s. w.,

s. Anm. 174.

520) Ebend. f. 16 r. B.

521) Senf, l, Dist. 29, qu. l, f. 94 r. B: Dieiditur reiolio in reiolionem secund

»m esse sl in reiolionem secundum dici Reioliva secundum dici ilin sunt, quae

sunt aliorum praedicamentorum et secundum se sunt absotuta Reioliva aulem

semndum esse sunt in praedicamento reiolionis qu. 2, f. 95 v. B : Uninersalite,'

omnis reiolio formaliter differt a suo fundamento (d. h. im Inleresse der Triuität).

522) De primo prine. f. 27 v. A: Quid est primum principium complexum? El

dicitur ab omnibus, quod est ittud, de quo phitosopbus tractat (s. Abschn. IV, Anm.

163 ff.), sc. „de quolibet dicitur affirmalio vel negalio, et de nullo ambo simuP'

Istud principium non est unum unitale simplicitalis, sed unitale inlegritalis, quia ista

proposilio est hgpolhelica copuioliva , cum coniungal duas propositiones calegoricos

per hanc dictionem „el" ; prima pars est universalis affirmaliva de praedicato

disiuncto, secunda pars est universalis negaliva de praedicalo copuioto ;

intcr duas parles est tulis ordo in essendo, qualis in proferendo, ita quod in ordine

naturae universalis affirmaliva praecedit universalem negalivam. Vgl. Sentent. t,

bist, l, qu. l, f. l r. B.

288 XIX. Franciscus Mayron.

objecliven Dingen , sondern als ewige Wahrheit dem Creatürlichen ent

rückt könne er nur accidentell in Seelen oder Dingen auftreten 52:)); er

sei nemlich formell und vorstellungsweise und musterbildlich (nicht aber

essenliell) im Geiste Gottes''24), keineufalls jedoch eine That der endlichen

menschlichen Vernunft525), sondern nur eine habituelle Eigenschaft der

selben 52B), und ebenso gelte er auch in den die vielheitlichen Dinge betreflenden

Urtheilen nur in jener obigen einfachen Form, denn durch

modifictrende Zusätze verliere er sofort seine Geltung52'): insoferne er

aber von allem Seienden , und somit auch von Gott selbst gelten müsse,

werde hiebei „ens" als univocum für Jedwedes gebraucht528).

Das zweite wichlige Moment aber ist, dass uns bei Mayron zum

ersten Male eine greifbare Probe davon begegnet, dass in der Schule des

Scotus sich in Bälde aus der Lehre desselben (s. Anm. 1 47 ff.) die Litteratur

der Vormulitates entwickelte. Allerdings ist die unter Mayron's

Namen gedruckte Schrift ein Erzeuyniss zweiter Hand 5211), und es ist

uns völlig unmöglich , auszuscheiden , was etwa von ihm selbst und was

von dem späteren Bearbeiter herrühre, zumal da, wie öfters deutlich ge

sagt wird , sich bereits Mehrere mit diesem Thema beschäftigt hatten ;

und auch eine vereinzelte Stelle des ächten Mayron, wo derselbe gele

gentlich auf diesen Gegenstand kommt, scheint sicher auf eine primilivere

523) Ebend. f. 27 v. B: htud primum prineipium, sicut reguio, habet esse obieclive

in intellectu; habet esse subiective in rerum natura, quia, ubicunque

inveniuntur lermini proposilionis , per se nole invenitur ; se rundum se non hnbet

esse in anima nec in rerum natura , quia eins veritas , cum sit aelerna , pruevenit

extra naturam animae et extra naturam cuiusiibel ereaturae, per accidens habet

esse in anima et per accidens habet esse in rerum natura.

524) Ebend.: Primum prineipium habet esse in menle divina formaliter, quia

lermini tnctuduntur formaliler in intellectu dieino, habet esse in mente divina

obieclivuliler, quia .... dicitur esse obiective in intellectu, quod ab intellectu pereipitur,

habet esse in mente dieina exempioriler Nen habet äse in menle

divina essentialiter, quia tunc non inveniretur nisi in intellectu divino.

525) Ebd. t'. 28 r. A : Num tstud primum prineipium est actus ralionis. Dicunt

aliqui, quod sie Sed contra istud arguo, quia actus intelligendi est causatus

et lemporalis et corruplibitis et quaedam qualitas, quae ad imum genus delerminatur

et est in polenlia nostrae votuntalis, ...istud aulem prineipium summe

necessarium non subiacet votuntali u. s. f.

526) Ebd. f. 28 v. B: Primum prineipium complexum est ittud, de quo est

primus habitus intellectus, quia, cum intellectus sit habitus principiorum, oportet ergo,

quod primus habitus sit de primo principio Primum prineipium iugreditur primam

demonstralionem.

527) Ebend.: Dicebant aliqui, quod primum prineipium lenel quontun,cunque

modi/icatum Sed si accipiatur modificalio quidditalive, ul dicatur „De quolit'et

quidditalive dicitur alfirmalio vel negalio", ista est lalsa, quia homo non est quid

ditalive alln,s nec non albus Licel de quolibel sit simpliciter necessarium dicere

iustum vel non iustum, non tamen cum modificalione adaequalionis.

528) De univoc. entis, (. 82 r. A : Quaeritur, utrum subiectum primi principii

complexi dictum de deo et ereatura habeal eundem conceptum Non accipitur hie

conceptus pro actu intelligendi, secundum quod non accipitur pro ente ralionis,

quaerimus aulem hie conceptum quiddilaln'um laitur subiectum primi prin

cipii, quod est ens, habel conceptum univocum de deo et ereatura.

529) Schon der Titel lautet (f. 21 v. Bl: Incipit tractatus formalitatum secun

dum doctrinam Francisci Maironis, und ausserdcm lesen wir einmal im Texle selbst

!f. 22 r. A): Quaniquam mulli explicuerunt divisionem entis, breviter tamen secundum

meulem l''ran,isci de Maironis haec est.

XIX. Franciscus Mayron. 289

Form der Lehre hinzuweisen 530). Aber trotzdem ist jene Schrift nach

Inhalt und Gestalt das älteste Document dieser Art, welches uns zu Gehot

steht, und so müssen wir ein wenig dabei verweilen.

Als üblich gewordener Gegenstand der formalitales wird von vorneherein

das Verhältniss zwischen formeller und realer Dislinclion (s. Anm.

149) bezeichnet531), und die Erörterung über den Begriff der formalüas

ist bereits polemisch gegen Diejenigen gewendet, welche ihn in Anbetracht

der Materie direct auf forma bezogen und daher bei Einer Form un

möglich von mehreren formalilates sprechen konnten , wohingegen das

Richlige der Hinblick auf essentia sei , welche ja gleichfalls mehrere

essentialia enthalte, so dass ebenso eine Vielheit von formalitales sich

sehr wohl mit der Einheit der Form vertrage532). Eine Unterscheidung

mehrerer Bedeutungen des Wortes forma, unter welchen die einen Abschluss

(perfectio") ausdrückenden als sachlich - reale abgewiesen werden,

führt dann dazu, formalüas sofort mit quidditas zu idenlificiren533), so

dass auch hier (vgl. Anm. 511) eine aufsteigende Linie vom Specielleren

bis zu lranscendentia fortschreitet534). Nun aber können ferner zur

Form noch neun verschiedene modi intrinseci derarlig hinzutreten, dass

durch sie die formalüas selbst nicht geändert wird535), und unter diesen

530) Senf, l, llisl. 8, qu. l, f. 44 v. A: Sunl quatuor gradus distinctionum non

ful,cicali ab intellectu sive ab anima. Primn est nsentiqlis, quando quidditas

cum sua existentia est distincta ab alia quidditale r, um sua existentia. Secunda est

realis, ut inler patrem et lilium. .... est inler rem et ran, Terlia est formalis

et ista est inler quidditalem et quidd,talem Quarta est quidditalis et modi

intrinseci, sicul intcr quidditalem hominis et eius finitalem. Vgl. Anm. 537 u. 539.

531) Formalit. f. 21 v. A: Sulent doctores communiler invesligare, utrum itio,

quai' distinguuntur formalitcr, dtslinguantur realiler.

532) Ehend. f. 21 v. B: /Yrnio videndum est, qutd sit formalitas Formalitas

non est ralio cunseqtlens conditionem formae adaequatae. Haec conctusio posita

est contra quorundam opinionem, qui dixerunt, quod sicul malerialitas dicitur a

maleria, sie formalitas dicitur a forma, et per consequens, .s,euf est una forma vel

ptures formae, ita est una formalitas vel plures formalitales, unde apud istos ponere

ptures formalitales sine pluribus formis erul contradiclio ; el ideo apud eos forma

litales consequebantur conditionem formae adaequatae. Cuius oppositum probatur

sie: Sicul se habet esscntiale ad esscntiam, ita se habet formale ad formam; sed cum

unitale essentiae stal pturalitas ralionum essenlialium ; igitur cum unitale formae stal

formalitatum pluralitas.

533) Klmnl.: Forma accipitur quadrup lieiter: uno modo pro perfeclione, quae

est pars rei substanlialis, secundo modo pro perfectione, quae non est pars rei

substantialis. sed accidentalis, lertiu modo pro perfeclione, quae consequitur

tnt nm naturam, el sie risibititas polest dici forma hominis, quarto modo

pro ralione d,ffin!lira seu quidditaliva. .... Et islis tribus modis (d. b. in den erslen

drei Bedeutungen) accipiendo „formaliler"' tantum Valet, quantum „realiler", .... tamen

non e converso Formalitas non est ralio diffiniliva rei adaequale Formalitas

est quidditas uniuscuiusque rei, sive ipsum sil diffinibite sive non.

534) Ebd. f. 22 r. A: Formalitales sunt in quadruplici differentia, quia quaedam

specialissima, ut humanitas el asineitas, secundae sunt subaliernac, ul animalitas,

lertiae sunt generalissimae , ut formalitas qualitalis et quanlitalis, quartae sunt

transcendentes, ut enlitas, unitas, veritas, bonitas.

535) f. 22 r. B : Modus intrinsecus est itle, qui adveiiiens alieui formae seu

quidditali non varial eius formalem ralionem Sciendum, quod nuvem sunt

genera modorum intrinsecorum, videlicel finitum el infinitum, actus el polentia, necessarium

el contingens, existentia, realitas et haecceitas.

I'KANTl., Gesch. 1II. 10

290 XIX. Franciscus Mayron.

nehmen haecceitas, existentia, realitas, welche hierauf in ziemlich nichts

sagender Weise definirt werden, eine hervorragende Stelle ein03u). Insoferne

aber hiebei der Modus von der Quiddität selbst oder ein Modus

von einem anderen oder an Einem Ding zwei entgegengesetzte Modi oder

Ein Modus an zwei Dingen unterschieden werden kann, findet schon hier

die „dislinctio" eine vierfache Verwendung53"). Und so beginnt nun die

Erörterung über dislinctio selbst, bei welcher stets ihr Gegensatz, d. h.

identitas, in Sicht bleibt. Als das Wesentliche der Dislinclion wird eine

gewisse Bezugsetzung (respectus) bezeichnet, welche stets auf ein Verhältniss

der Ungleichheit — disquiparantia — gerichtet sei538), und

indem nun sieben Arten einer solchen Dislinclion, welcher ebensoviele

Idenlitäten entsprechen, zu unterscheiden seien539), werden dieselben

hierauf ein/.eln besprochen, nemlich: ratione540), ex natura rei 54 1), formalüer,

wobei definüio, divitio, descriptio, demonslralio, und selbst die

byzanlinische reduplicatio (s. Abschn. XVJI, Anm. 262) als Mittel dienen542),

536) f. 22 v. B : Haccccitas nihit aliud est, nisi quidam mudus intrinsecus, qui

immediale contrahit el primo quidditalem ad esse, et nominatur differenlia indiridualis

(f. 23 r. A) Haecceitas adveniens naturae specificae facit eam hoc vel

individmim Existentia nihit aliud est, nisi ittud esse, medianle quo quidditas

exislil Realitas est quidam modus intrinsecus, med,anle quo realitantur omnia,

,l a n r sunt in aliquo.

537) f. 23 r. A : Quadruplex est distinclio in istis modis intrinsecis. Prima

est, qua modus dislingvitur o quidditatc, cuius est mo,tus Secunda est, quod

unus modus disparatus distinguitur ab alio modo disparato Terlia distinctio est

modorum oppositorum, ul finiti et infinili Quarta est duorum modorum eiusdem

ordinis, sicul haecceitas Soeralis et baecceitas Piolonis.

538) f. 23 r. B : Distinclio non est quid absotutum, sed quid respeclivum

(v. A) Respectus, quem dicit distinctio, est intrinsecus adveniens Respectus

distiuctionis est respectus disquiparantiae, quia respectus aequiparanliae (vgl. Anm.

485) nunquam babel extrema nisi unius ralionis.

539) f. 23 v. B : Modi dislinctionum sunt seplem, qu,miam, quae distinguuntur,

aut distinguuntur ralione, aut ex natura rei, auf distinctione formali, aul reali, aul

essentiali, aut distinctione se tolis subiective, aul dislincliom se tolis obiective

Sunt seplem modi idenlitatum , ä. h. die nemlichen sieben Arten, wie jene der

dislinctio.

540) Ebend. : Dislinguuntur ralione, quae dislinguuntur per actum coltalivum

vel comparalivum intellectus, „Soerales est Soerales", Soerales positus in subiccto

distinguitur a Soerale posito in praedicalo soio ralione.

541) f. 24 r. A: Dislinguuntur ex natura rei itta, quae habent esse praeler

opus intellectus; et sie dislinguuntur lolum et partes , effectus el causa, superius

et inferius.

542) f. 24 r. B: Dislinguuntur formaliter itio, quorum praedicata non ponuntur

in cadem diffinitione, sed in diversis, ul homo el asinus lila sunt idem for

maliter, quae de se invicem praedicantur Investigatur dislinctio formalis quatiior

modis, sc. diffinitione, dieisione, deseriplione, demonstralionc Diffinitivne,

quia itio, quae sie se habent, quod unum non ponitur in diffinilione allerius nec

est sua diffinilio, formaliter dislinguuntur Divisionr, quando aliquid commune

dividitur per differcntias oppositas, omne contentum sub uno membro distinguitur

formaliter ab omni conlento sub alio Deseriplio constal ex genere et differenlia

et propria passione, sed quae habent distinctas prnprias passiones, habent dislinetas

deseripliones Demonstralione, quandocunque aliquid esl demonstrabite de uno,

quod non de reliquo, talia distinguuntur formaliter, cum demonstraliones varientur

per media Alio modo polest invesligari per redf,plicalionem, nam reduplicalio

dicit causam formalem, arguendo sie: homo, inquantum homo, est auimat.

XIX. Franciscus Mayron. 291

dann realiter 543), essentialiter 544) , se totis suMeciive 545), und se

totis obiective 546). Nachdem sodann mehrere Zweitheilungen der Dinge

in bunter Verwirrung mit einigen Bestandtheilen des Organons in Ver

bindung gebracht werden547), und namentlich die für das Particuläre

dienenden synonymen Ausdrücke „particulare, singulare, natura, subsislentia,

substantia, hgpostasis, res naturae, suppositum, persona" ihre

specielle Besprechung fmden548), wird als Resultat des Ganzen zusammengefasst,

wie es zwei Arten der distinctio formalis, desgleichen zwei

Arten der identilas formalis, und ebenso zwei Arten der distinctio realis

gebe, sowie dass hei reeller und essenlieller Idenlität eben eine formelle

Dislinclion stattfmde und hierin die formalitas ihre eigentliche Auf

gabe habe549).

543) f. 24 v. B: Ilio d,stinguuntur realiler, quorum extrema distincta sunt res

posilivae, ita quod unum de allere non praedicatur abstraclive, quorum exislenlia

unius pole s l esse sine existenlia allerius Notanter dico „cuius extrema distincta

sunt res posilivae" ad removendum enlia ralionis, inler quae non ponitur dislinctio

realis.

544) f. 25 r. B : liio distinguontur essenlialiter, quae per aliquam polentiam

possunt esse separata, ut maleria et forma, accidens et subiectum, vel quando unum

non dependet ab alio, et quando unum est natura prius alio.

545) f. 25 v. B: lita distinguuntur se tolis subiective, quae in nulio realitale

quidditalive conveniunt quoad unum modum dicendi. Et itio dicuntur esse idem se

lolis subiective, quae quidditalive conveniunt in aliqua realitale polentiali et contrahibiti

per realitalem differentiae .

546) Ebend. : liio distinguuntur se tolis obieclive, de quibus non polest pracdicari

aliquod praedicatum quidditalive, sive ittud dicat realitalem polenlialem sive

non. liio vero sunt idem ebiective, de quibus polest praedicari tale praedicatum

quidditalive.

547) f. 26 r. B: De numero rerum quaedam dicuntur universales, quaedam parlicuiores,

et ista divisio habetur primo Perihermenias Quaedam dicuntur simpliciter

et quaedam secundum quid Quaedam sunt primae intenlionis et quaedam

secundae, et ista divisio babetur in Praedicamenlis et coincidit cum duabus

primis Quaedam sunt hoc aliquid, et quaedam quale quid, et coincidit cum

duabus primis, quia hoc aliquid idem est quod singuiore.

548) Ebend. : Quaedam nolanda sunt, quibus datur intelligi, quod particuioria

exctudunt de se universale, si sumatur proprie; sed differenler, sc. tndividuum, hoc

aliquid, parlicuiore, singuiore, natura, subsislentia, substanlia, hgpostasis, res naturae,

suppositum, persona Individuum sumitur ab indivisibititale Aliquid sumitur

a delerminalione Parlicuiore dicitur partibitc, unde dicit aliquam partem naturae

Singuiore dicitur a solitudine (v. A) Existcntia dicit actum essendi.

Substuntia dicitur quasi sub aliis stans, sicul accidvntibus Hgpostasis idnm

est quod substantia Res naturae dicitur participans naturam Suppositum

idem omnino significat, quod res naturae Persona est idem, quod individuum

subsistens.

549) f. 26 v. B: Aliqua esse distincta formaliter, conlingit duplicller. Uno modo,

quod unum non est diffinitio nec pars diffinitionis allerius; sccundo modo,

quod non habent eandem realitalem, sunt tamen aliquo modo idem aliqua idenlitale

singuiori Aliqua possunt esse idem formaliter duobus modis: uno modo

ex eo, quod aliquam realitalem universalem habent secundum quid et aliquam secundum

quale quid; alio modo ex eo, quod unum ponitur in diffinitione allerius.

Aliqua possunt esse dupliciler dislincta realiler, sc. uno modo, sicul res et res,

et sie distinguuntur proprie realiler; alio modo ex natura rei, et sie est distinclio

realis improprie liio , quae distinguuntur formaliler, distinguuntur realiler

dislinclione improprie dicta Ilio, quae sunt eadem formaliter, sunt distincta

realiler, et intelligo de identitale formali proprie dicta Cum distinclione formali

stat idenlitas realis et essenlialis, et sie sumitur formalitas proprie loquendo. Diese

19*

292 XIX. Durand v. Pourcain.

Wie wenig aber es dem wahren Thatbestaude entspreche, die Autoren

jener Zeit kurzweg in Thomisten und Scolisten zu gruppiren, zeigt sich

deutlich schon an dem Dominikaner Durand von Pourc,ain (gest. i. J.

1332), welcher in seinem Commentare zum Sentenliarius550) so ziemlich

seine eigenen Wege geht und bald sich weit von Thomas entfernt, bald

den Scotus entschieden bekämpft, und dennoch in anderen Beziehungen

an beide Richtungen anknüpft. Als Gegenstand der Logik gilt ihm ens

ralionis (vgl. bei Herveus, Anm. 395) , insofern dasselbe aus dem actus

rationis unter einer Namensbezeichnung hervorgeht und so zum Ausdrucke

der Vorstellung (obiective) wird, denn gegenständlich (subiective) sei das

ens rationis ebensowenig in der Seele, als man es etwa für ein Nichts

halten dürfe; und was dann in solchem ens rationis den objecliven

Dingen durch die Thäligkeit des Intellectus, sei es in einfachem Erfassen

oder im Zusammensetzen oder im discursiven Vergleichen (s. ebenfalls bei

Herveus, Anm. 398) zukommt, bilde die Hauptgruppen der Logik551).

Der menschliche Intellectus aber sei (im Vergleiche mit der nur auf Singuläres

gerichteten Sinneswahrnehmung) das Organ zur Erkenntniss sowohl

des Einzelnen als auch des Allgemeinen, und hierin gleichsam nur graduell

verschieden vom Denken Gottes 552). Indem aber so Durand (mit Augustinus)

die höchste Stufe des Intelligiblen in den „Ideen" Gottes er

kennt553), folgt er dennoch dem allgemeinen auliplatonischen Zuge

letzteren Grundsätze sind es auch, welche in der oben (Anm. 85) erwähnlen Schrift

eines Scolisten „Quaesliones miscelioneae de formalitalibus" lediglich als allgemein

güllig vorausgesetzt werden und in solcher Weise ihre unablässige Anwendung auf

das Trinitäts-Gezänke und andere theologische Fragen fmden.

550) Dn. Durandi a Sancto Portiano in Sententias theol. P. Lombardi commentariorum

libri quatuor. Antverpiae 1576. fol.

551) I, Dist. 19, qu. 5, 7, f. 66 r. A: Ens ralionis non est aliud, quam denominalio

obiecli ab actu rationis secundum ea, quae altribuuntur rei sotum, ul cognita

est, v. g. „esse universale, esse genus" dicuntur esse cntia ralionis, quia talia dicuntur

de re tantum, ul est obieclive eognita; ita quod ens ralionis non est penitus nihil,

nec dicitur ens ralionis, quia sit in anima subieclive. Ebend. 6, 11, f. 66 v. B :

Sicut dislinguimus triplicem actum intetligendi, sc. simplicem, componenlem et discursivum,

sie sunt enlia ralionis in lriplici differentia, quia quaedam conveniunt rei,

proul est eognita per inlellectum simplicem, sicul universale, genus et species. Quae

dam conveniunt rei, ul est inlellecta per inlellectum enunlialivum componenlem et

dividentem Alia vero consequuntur res, prout sunt obieclive in intellectu discursivo,

sicut antecedens et consequens, »gllogismus, enthgmema el simitia. De quibus

omnibus tanquam de enlibus ralionis eonsideral logicus. Man hüte sich, auf obiges

Wort „denominafto" ein allzu einseif,ges Gewicht zu legen; denn Nominalist ist

Durand, wie sich zeigen wird, durchaus nicht, wenn er auch einen entschiedenen

Inlellectualismus vertritt; dass die Begriffe nicht ausserhalb der Wortform exisliren,

hatte ja z. B. auch Scatus anerkannt.

552) I, Dist. 35, qu. 3, 16, f. 96 r. B : In nobis cognitio sensitiva est sotum

singuiorium et nullo modo umversalium, cognitio aulem intellectiva tanquam perfectior

est tam singuiorium quam universalium ; el multo magis cognitio inlellecliva

dei propler suam perfeclionem est non sotum universalium, sed eliam singuiorium,

quia cognitio dei ineludit perfeclionem omnium. S. Abschn. XVII, Anm. 517.

553) I, Dist. 36, qu. 3, 7, f. 98 r. A : Ideae sunt in deo, el propriissime sunt

in eo, quod omne agens per inlellectum habet penes se ralionem rei f,endae,

quam cognoscit et iuxta quam exempioriter rem producit, .... sed deus producit res

per intellectum et artem, ....ergo deus habet penes se raliones rerum, quas cognoscit

et iuxta yuas res producit, has aulem vocamus ideas. Die hierauf folgende längere

Erörterung schliesst sich hauptsächlich au Auguslin an.

XIX. Durand v. Pourcain. 293

seiner Zeit und bezeichnet die Ideenlehre als verfehlt554); hingegen

will er auch nicht unbedingt von Aristoteles sich ins Schlepptau nehmen

lassen 555).

Das esse intentionale als Erzeugniss der subjecliven Denkthäligkeit

bildet einen Gegensatz gegen das esse reaie556), welch letzteres bald als

tndividuum bald als suppositum bald als persona (vgl. Anm. 548) auf

tritt557). Aber insoweit Bezeichnung waltet, ist es nach beiden Seiten

hin stets Ein und das nemliche Object, welches bezeichnet wird, und nur

die Art und Weise der Bezeichnung ist verschieden, indem sie den (seit

Scotus eingebürgerten, s. Anm. 128) Gegensatz des Concreten und des

Abstracten zu Tag treten lässt558). Und so wird nun in der That der

thomislische Begriff des absirahere (Abschn. XVII, Anm. 493) für Durand

der entscheidende. Nemlich das Universale sei bei Leibe nicht der erste

vorgestellte Gegenstand des Denkens, noch gehe es ihm vorher, sondern

indem die denkende Betrachtung von den individuellen Momenten abstrahiren

muss, sei der Ausgangspunkt das Singuläre und erst der Ziel

punkt des Weges das Universale 559). Das Erzeugniss dieses Vorganges

erhalte dann seine Namensbezeichnung als Universale, und diese Thäligkeit

des intellectus abslrahens genüge überhaupt zur Erklärung (s. Herveus,

Anm. 408); denn, sowie es spasshaft (frivolum) sei, von einer „universalitas"

in den Dingen zu reden, da dieselben nur als singuläre exisliren

554) II, Dist. 3, qu. 2, 19, f. 137 r. B: Pluto erravit , si inlellexit , formas

separates esse universales praedicalione, praeler errorem, qui est in ponendo, eas

separatas esse a rebus.

555) I, Dist. 3, qu. 5, 29, f. 28 r. A: De inlentione Aristolelis dicendum, quod,

quidquid ipse inlenderit, de hoc non est tantum curandum, sicul de veritale.

556) II, Dist. 13, qu. 2, 6, f. 155 r. B: Esse intenlionale polest dupliciler accipi.

Uno modo proul distinguitur contra esse reale, et sie dicuntur habere esse intentionale

itio, quae non sunt nisi per operalionem inlellectus, sicul genus el species et

logicae inlentiones, el iste est proprius modus accipiendi inlenlionem Alio modo

dicitur aliquid habere esse inlenlionale iorge, quia habet esse debite.

557) It, ßisl. 3, qu. 2, 5, f. 136 v. A: Individuum, suppositum el persona

aliquo modo sunt idem et aliquo modo differunt. Quaelibel enim natura singutaris,

in quocunque genere sit, polest dici individua; suppositum aulem non dicitur nisi

natura singuioris in praedicamento substantiae, nee quaecunque talis, sed sotum

eompleta; persona dicitur ittud idem in natura intellectuali solum. Ergo omnis per

sona est suppositum, el omne suppositum est tndividuum, sed non vice versa. Vgl.

III, Dist. l, qu. l, 17, f. 211 r. A.

558) I, Dist. 34, qu. l, 15, f. 92 r. B: Suppositum el natura, h. e. coneretum

el abstractum, sive accepta in universali ul homo el humanitas, sive in singuiori ul

hie homo vel haec humanitas, non important aliud de principali stijnificalo, sed idem

penitus, ex modo tamen signipcandi suppositum seu coneretum aliquid connolat, quod

non coanotat natura Abstractum enim significat naturam sccundum se absque

habitudine ad aliquid el ideo ex suo modo significandi nihil connolal praeler na

turam, coneretum aulem significat per modum habenlis naturam ul „homo habens

humanitalem''.

559) I, Dist. 3, qu. 5, 28, f. 28 r. A : Universale, i. e. ralio vel intenlio universalitalts

aut res sub intentione universalitalis non est primum obiectum intellectus

nec praeexislit inlelleclioni, sed est aliquid formatum per operalionem inlelligendi,

per quam res secundum consideralionem abstrahitur a condilionibus individuanlibus,

in qua operalione inlelleclus abstrahens habet pro lermino a quo singutaria, a quibns

abstrahit, el pro lermino ad quem ipsum universale abstractum; el quia lerminus a

quo praecedit lerminum ad quem, ideo consideralio singutarium praecedit universale

abstractum ab ipsis.

294 XIX. Durand v. Pourc,ain.

(s. Anm. 400 f.), so bedürfe man auch wedor einer species intelligMlis

noch eines besonderen intellectus agens r,60); die erstere nemlich sei

ebenso überflüssig (— hiemit entfernt er sich von Herveus —), als eine

eigene species sensibilis für die Sinneswahrnehmung, und der Intellectus

empfange eben seine Vorstellungs - Gegenstände von der vorausgehenden

niedrigeren Potenz, d. h. von den Sinnen501); und desgleichen sei ein

intellectus agens nicht nothwendiger als ein sensus agens, welcher noch

von Niemandem statuirt worden sei, ja im Gegentheile die abstrahirende

••Betrachtung empfange ja passiv die Objecte ihres Thuns, und in solchem

Sinne müsse man eher von einem intellectus possibilis sprechen 5B2).

Indem aber die Denkoperalion bis zur Erkenntniss des Wesens (esse

essen!iae im Gegensatze gegen esse existentiae , s. Anm. 135) vordringt,

kann Durand auch darauf hinweisen , dass hiemit die Stufe einer Unab

hängigkeit des begrilllichen Denkens von der empirischen Existenz der

Objecte erreicht sei583). Aber dass im Intellectus Alles nur vorstellungs-

560) II, Dist. 3, qu. 7, 6, f. 140 r. B: Primum cognitum ab inlellectu non est

universale, sed singuiors Polenlia enim per smm actum non facil suum obiectum,

sed supponit, sicul visus quoad actum videndi praesupponit colorem. Sed universale

vel condilio universalis non praecedit actum intelligendi, imo fit per actam intelligendi

eo modo, quo polest sibi compelere fieri ; esse enim universale non est aliud , quam

esse inlellectum absque conditionibus singuioritalis et individualionis ita, quod esse

universale est solo, denominalio obiecti ab actu sie intelligendi Si dicatur, quod

inlellectus agens facit universalitalem in rebus, ...... non valet, quia ficlilium

est, intellectum agenlem ponere, et frivolum est, dicere, quod universalitas (man be

achte, dass „universalitas", nicht aber „universale" gesagt ist, denn dass eine gött

liche Idee im Singnlären verwirklicht werde, verneinte Durand wahrlich nicht) fiat

in rebus, quia universalitas non polest esse in rebus, sed sofum singuioritas Et

si dicatur, quod inlellectus agens non facit universale nisi quia cum phantasmale

causal speciem in inlellectu, non valet, quia nulio species est in inlellectu,

quae repraesental ei suum obiectum 12, f. 140 v. A: Universale est unum per

abstractionem a mullis et de mullis, de quibus dicitur, et in hac abstractione singutaria,

a quibus fit abstraclio, babent rntionem quasi lermini a quo et universale

ralionem lermini ad quem; sed lerminus a quo praecedit lerminum ad quem; ergo

intellectus abstrahens prius inlelligit singuioria, quam universale.

561) II, Dist. 3, qu. 6, 10, f. 139 v. A: Non est ponere speciem in sensu

Species enim coloris exislens in oculo nullo modo videtur nec vitleri polest ab ipso,

sicut quitibel experitur. Ilem talis species si ducerel in cognitionem allerius, hoc

facerel ralione simititudinis, unde communiter vocatur simititudo, et sie haberei ralio

nem imaginis; imago aulem ducens in cognitionem itlius, cuius est imago, est prima

cognitum, quod non polest dici de tali specie Quod aulem in inlellectu nostro

non sit ponere speciem talem, palet per eandem ralionem Sed sensus et inlel

lectus in nobis sunt polentiae ordinatae ; ergo per sotum actum prioris polentiae,

i. e. sensus, praesentutur sufficienter intellectui suum obiectum, nec oporlel ponere

aliquam speciem.

562) I, Dist. 3, qu. 5, 26, f. 27 r. B : Sicul non ponitur sensus agens, qui cum

obiecto causet actum sentiendi, sie non oporlel ponere iulellectum agentem ad hoc,

ul cum phantasmale moveat intellectum possibitem ad actum intelligendi Cum

intellectus agens non agal in pbantasmata aliqvid imprimendo vel aliquid abstrahendo

neque secundum rem neque secundum ralionem, nec ngal in inlellectum possibitem

nec sine phantasmule nec cum phantasmale , videtur, quod non debeal ipsum ponere,

nec Auguslinus unquam posuit ipsum Abstraflerv universale a singuioribus

non est operalio inlellectus agentis, quia talis abstractio est sotum serundum

consideralionem ; et ideo opus itlius polenliae est, cuius est considerare, quod non

convenit inlellectui agenti, sed possibiti.

563) I, Dist. 35, 7u. 3, 11, f. 95 v. B: Sicut res polest inlelligi quantum ad

XIX. Durand v. Pourcjain. 295

weise (obiective) vor sieh gehe, wiederholt er auf das deutlichste in

seinen Bemerkungen über die Wahrheit (vgl. bei Herveus, Anm. 397),

wobei er gegen Jene polemisirt, welche von einer gegenständlichen (sub

iective) Richtung im Intellectus sprechen 564).

Mit besonderer Vorliebe aber erörtert er die Frage über das Princip

der Individualion. Wolle man dasselbe in der Materie finden, so weist

Durand in ähnlicher Weise wie Herveus (Anm. 414) darauf hin, dass

ebensosehr es auch der Form zukomme, in Einem Individuum zu sein,

und es ihr in gleichem Grade wie der Materie widerspreche, in mehreren

zu sein , und umgekehrt auch die Materie mehreren einwohne und von

mehreren ausgesagt werde565), ja dass — ausser dem die Angelologie

betreffenden Bedenken — die Materie sogar in höherem Grade etwas

Gemeinsames sei , als die Form , indem Ein und dieselbe Materie selbst

zeitlich nacheinander in mehreren Individuen auftrete 566). Ferner die

Annahme, dass die .Quanlität Princip der Individualisirung sei, zeige sich

darum als unhaltbar , weil das quanlitalive Auftreten der Dinge nur die

Folge einer bereits stattgehabten Individualion sei 567). Und da nun

esse exislenliae, ita polest inlelligi quantum ad esse essentiae; sed ad hoc, qi,od

res intelligatur quantum ad esse essentiae, non reqtiiritur, quod res habeat actu itlud

esse; possum enim formare conceptum de rosa, quae nultum esse essenliae habet actu.

564) I, Dist. 19, qu. 5, 8, f. 66 r. A: Sicut communiler dicitur, veritas est conformitas

vel adaequalio intellectus ad mu. Qualiler cmlem hoc sit inlelligendum,

advertendum sst, quod non est intelligendmn de conformalionc intellectus et rei secundum

itlud, quod sunt essentialiter, cum res extra sil corpus, intellectus

aulem non Restut ergo, quod talis conformitas attendatur secundum aliquid,

quod est in inlellectu subieclive vel obieclive. Et diennt aliqui, quod allenditur

secundum id, quod est subiective in intellectu, quod est species rei, quae est similitudo

eius, vel secundum negantes species ipse esl actus intelligendi, qui est etiam

simititudo rei. Sed istud non videtur verum (B) Ita conformitas, in qua consislil

veritas, atlenditur secundum id, quod habet sc ad inlellectum obiectivc, et non

subiective. Est enim veritas conformitas eiutdem ad se ipsum secundum aliud et

',liiiil. esse, sc. esse intellectum et esse reale; reiolio eiusdem ad se ipsum

secundum esse apprehensum el secundum esse reale (v. A) Veritas est conformi

tas rerum, ul intellectae sunt, ad se ipsas, ut existunt (6, f. 66 v. B) Veritas

est in intellectu obiective, non quidem sicul obiectum cognitum princip aliter, sed

ul quidam modus conveniens rei sotum, ut est cognita, Vgl. II, Dist. 37, qu. l, 7,

f. 139 v. A.

565) II, Dist. 3, qu. 2, 6, f. 136 v. A: Prima est (sc. opinio), quod maleria

est primum et per se principium individualionis in habentibus maleriam Esse

m,ti'tn in pluribus per realem identitalem el dici de plmibus per praedicalionem essenlialem

est de ralione universalis, sie enim universale est unum in mullis; et per

oppositum tndividuum vel singuiore est in HlH! solo et dicitur de uno solo. Isto

aulem modo non ptus convenit maleriae esse in uno solo, nec ptus repugnal ei esse

in pturibus et dici de pturibus, quam formae; eliam maleria dicitur de hac et

de itta et est in itlis per modum, quo universale est in singuioribus.

566) t, Dist. 35, ,ju. 3, 5, f. 95 v. A: Quod maleria est principium individua

lionis, a forma aulem sumitur ralio universalitalis, valde dubium est, quia maior

eommunitas vidctur esse in maleria, quam in forma llem eadem maleria est

successive in diversis individuis, forma aulem non, propler quod minus videntur individua

distingui per maleriam, quam per formam, el per consequens minus constitui

in esse individuo, quia per idem videtur unumquodque constitui in se et ab

alio dislingui Ilem non omnia singuioria habent maleriam, sicut angels, ergo ex

maleria vel etus productione non polest assignari generalis ralio.

567) II, Dist. 3, qu. 2, 8, f. 136 v. B: Alia est opinio, quod in malerialibus

quantitas est principium individualionis, substantiac vero separatae se ipsis indivi

296 XIX. üurand v. Pourcain.

weder die Materie als ein bloss potenzielles Wesen der erschöpfende

Grund des Quanlitaliven sein könne, noch aber auch die Form, so werde

wohl die ergänzende Vereinigung von Materie und Form als Grund der

Quanlität zu betrachten sein (— ein Gedanke, welcher uns sehr an Bonaventura

erinnert, s. Abschn. XVII, Anm. 553 —), wenn auch mit dem

Vorbehalte, dass einige Wesen nur durch die ihnen anklebende Passivität

(s. bei Ant. Andreas, ob. Anm. 476) bereits ihre Individualisirung finden568).

Jedenfalls nemlich handle es sich um das Princip, in welchem zugleich

Quiddität und individuelles Auftreten begründet sei, und da nun zwischen

diesen beiden nur ein Unterschied im Denken beslehe, während sie sach

lich idenlisch sind (vgl. Anm. 560), sei es durchaus unnöthig, noch ein

anderweiliges Princip der Individualion zu suchen , denn es genüge als

innerer Grund (intrinsece, vgl. bei Herveus Anm. 416) ein Dieses-Sein

der Materie und ein Dieses-Sein der Form, wozu wohl ein äusserliches

Agens (z. B. in der Zeugung) hinzukommen könne, jedoch derarlig, dass

dann das materielle Auftreten nur begleitweise (concomüalive, vgl. ob.

Anm. 62) wirke569). So genüge dann auch bezüglich der Engel, welche

sämmtlich unter Eine Species fallen (vgl. hingegen ob. Anm. 308), die

numeräre Wiederholbarkeit der Form570).

duantur Haec aulem posilio deficit, quia subiectum naturaliler prius est

accidente, sed compositum ex maleria et forma subiectum est quanlitalis ;

quaulitas sequitur substanliam tam tndividuum exislenlem secundum ordinem naturae.

568) I, Dist. 8, qu. 4, 16, f. 40 r. A : Maleria non est causa Malis seu ralio

recepliva quanlitalis, quia maleria est pura polenlia in genere substanliae

Relinquitur ergo, quod, mm maleria non sit Malis ralio recipiendi quantitalem,

nec forma simitiler, de qua nolum est, quaelibet barum est partialis

causa, quae sui unione ad eonstitulionem supposili supplent vicem unius Malis

causae Nihitominus tamen nihit prohibet, maleriam et aliquas formas substanliales

ex alia causa esse quantas in composito, ex itio sc. causa, quod

omnis forma substanlialis sub anima est capax passionis.

569) II, Dist. 3, qu. 3, 14, f. 137 r. A: Dicendum ergo, quod nihit est principium

individualionis, nisi quod est principium naturae et quidditalis Natura

universalis et individua sunt idem secundum rem, differunt autem secundum ralionem,

quia, quod dicit species indelerminale, individuum dicit delerminale; quae delerminalio

et indelerminalio sunt secundum esse et intelligi; universale enim est unum

solum secundum conceptum, singuiore vero est unum secundum esse reale, nam sicut

actio intellectus facit universale, sie actio agentis naturalis lerminatur ad singuiore.

Ergo eadem principia secundum rem et differenlia solum secundum ralionem sunt

quidditalis et individui Nihit enim existit in re extra nisi individuum vel sin

guiore, ergo esse individuum non convenit alicui per aliquid sibi additum, sed per

ittud, quod est. Per quid ergo est Soerales individuum ? Per ittud, per quod est

existens, et haec intrinsecae sunt haec maleria et haec forma. Quod si quaeras,

per quid forma est haec, dico, quod per itlud, per quod est in re extra, et hoc est

extrinsece agens, maleria aulem concomitalive Idem dico de maleria, nisi quod

sua individualio ptus der1endet a forma, quam e converso. Substanliae aulem separatae

nullo modo intrinsece individuantur nisi se ipsis Cum natura communis diversis

individuis sit sotum una secundum ralionem et diversa secundum rem , non oportel

praeler naturam et principia naturae quaerere alia principia individui, sed eadem, ul

sunt existentia, sicul natura communis et individuum sotum differunt ul concepta et

exislens Convenientia est sotum secundum ralionem, sicul el unitas naturae se

cundum speciem est sotum unitas ralionis Forma per se ipsam intrinsece est

haec, et non per hoc, quod recipitur in maleria, nisi concomitalive.

570) Ebend. qu. 3, 7, f. 137 v. B : Differentia secundum absotutam ralionem

fcrmae est specifica; differenlia aulem formae a forma, secundum quod haec et una

XIX. Durami v. Pourrain. Walter Burleigh. 297

Steht hiemit Durand in dieser Frage ganz nahe an Scotus, so folgt

er hingegen völlig der thomislischen Lehre der unitas /brmae 5 7 1) , da

die Eine Form zugleich Princip einer untergeordneten Mehrheit sein

könne072). Aber die intentio et remissio verlegt er wie Antonius An

dreas (Anm. 478) nur in die qualitaliven Formen, und auch dort nur

auf Grundlage der Befähigung des Substrates573).

Desgleichen begegnen wir in Walter Burleigh (gest. i. J. 1337),

über welchem bis jetzt in der Geschichte ein missliches Dunkel schwebte,

einem sehr eigenthümlichen Autor, indem derselbe, wie kein Anderer,

einen aristotelischen Conceptualismus und einen realislischen Platonismus

gleichsam als zwei Theile der Philosophie dualislisch nebeneinander ver

tritt. Von seinen Schriften gehören hiehcr Expositio super artem velerem574),

ein Commentar zur zweiten Analylik575) und De intensione et

remissione formarum516); eine Monographie De novem generibus accisive

singuioris, est numeralis sotum Quod in substanliis separalis non polest

esse differenlia nisi secundum absotutam ralionem formae negandum est 14, f.

138 r. A: Non repugnal naturae angelicae, pturificari secundum numerum in eadem

specie, quod omnis niilura, quae producitur ab agenle actione ilerabiti, polest

pturi/icari secundum numerum; sed omnis ereata natura est huiusmodi, eliam substantiae

separatae.

571) II, Dist. 17, qu. l, 3, f. 159 v. B: Anima inlellecliva unitur corpori sicut

forma Anima est, quo vivimus, senlimus, movemur et inlelligimus. IV, Dist. 43,

qu. 2, 15, f. 392 v. B : Unitus super entitalem addit indivisionem. Vgl. ebend. Dist.

44, qu. l, 10, f. 396 r. A.

572) I, Dist. 2, qu. 2, 18, f. 24 r. B: Forma substantialis est immediatum

principium generalionis seu introduclionis formae in maleriam Polenlia

animae nutritiva et generaliva sunt itlem, quod essentia animae, nec obstat, quod

nutrire et generare sunt ptures actus, quiu, cum sint subordinali, possunt esse ab

eodem principio.

573) I, Dist. 17, qu. 6,- 8, f. 58 v. A: Gradus semndum magis et minus non

conveniunt formi, substantialibus, sed tantum accidentalibus, non quanlitalibus, sed

qualitalibus, non omnibus, sed istis, quae concernunt diversam kabitudinem subiectorum

et agentium. Ebend. qu. 7, 39, f. 60 r. B: Forma inlensa et remissa acquisitae

per motum possunt esse parles unius formae numero, et quae non est una

indivisibititale, sed conlinuitale suarum parlium, quae non sunt simul, sed successive

et una supervenientc alia desinit esse, et hoc modo signari possunt.

574) (Ohne Titelbiott) Praectarissimi viri Guallerii Burtei anglici super

arlem velerem Porphgrii et Aristolelis exposilio sive seriptum feliciter incipit. Venrths

1485. fol. Da dieser äusserst sellene Druck bisher keinem Geschichtschreiber der

Phitosophie zugänglich gewesen zu sein scheint, erklärt es sich, dass man den

Burleigh entweder ganz überging oder schiefe und widersprechende Urtheite (Tiedemann

und Tennemann) über ihn fällle. Der 118 Blätler enthaltende Druck ist

zwar ursprünglich nicht paginirt, ich witl jedoch zu etwaiger Controlle im Fol

genden die Foliatur einschalten. Der Commentar super Porphgrium füllt f. l — 15,

jener super praedicamenta (. 16—61, super sex principia f. t>2 — 80, super perihermenias

t. 80—118. Vgl. Anm. 356.

575) Zusammen gedruckt mit der obigen gleichnamigen Schrift des Robert

Capito, s. Abschn. XVII, Anm. 334. Es ist jedoch für uns hier unnöthig, näher

auf diesen Commentar einzugehen , da derselbe schlechlerdings nur ein paraphrasirendes

Excerpt des aristolelischen Originales ist, dessen einzelne Hauptsätze (d. h.

„conef»stones") Burleigh in d,rselben Weise wie Robert Capito (ebend. Anm. 337)

sorgfälligst formulirt und auch numcrirt.

576) Veneliis 1496. fol.

298 XIX. Walter Burleigh.

dentium scheint wenigstens nie gedruckt worden zu sein877), unrt ob er

den Vorsatz , De universalibus zu schreiben , wirklich ausgeführt habe,

wissen wir nicht578).

Was die Aufgabe der Logik betrifft, schliesst auch er sich an eine

oft erwähnte Stelle Avicenna's an, und indem der dorlige Conceptualismus

auf die Begriffe der prima und secunda intentio führt, äussert er sich

hierüber in einer Weise , welche völlig mit Herveus (Anm. 396 ff.) und

somit theilweise auch mit Ihirand (Anm. 551) übereinslimmt , ja es gilt

ihm ebenso wie dem Herveus (Anm. 399) ens rationis als idenlisch

mit intentio secunda; aber, während er mit Ausdrücken des Scotus

(Anm. 96) diese begriffliche Sphäre in die Mitte zwischen übjeclivität und

Sprachausdruck stellt, so dass die Logik weder de rebus noch de vocibus

sei, entschlüpft ihm doch wiederholt die Redewendung, welche uns ähn

lich schon einmal bei Pseudo-Thomas begegnet war (Anm. 289), dass die

„res secundae intentionis", d. h. „res" intenlional genommen , der Ge

genstand der Logik seien579). Auch denkt er ähnlich wie Roger Baco

(Abschn. XVII, Anm. 563) an eine natürlich angeborene Logik 580) und

spricht mit den Scolisten von einer logica docens und n/ens581), sowie

er dem Scotus darin folgt, dass der Syllogismus die Hauptsache sei582).

Indem er ferner nach dem nemlichen Vorhilde ein entschiedenes Gewicht

auf die significatio legt (vgl. Anm. 129 ff.) und in derselben die formelle

577) Expos, in libr. pbgs. Arist. (s. Anm. 589): Alias raliones multas feci ad

hanc conelusionem in tractutu de novem generibus accidenlium.

578) Exp. s. art. vet. (f. 24 r. A): De ista tamen maleria (d. b. das Verhällniss

von prima und secunda substanlia) plenius apparebit in tractatu de universalibus deo

concedenle.

579) Ebd. (f. l v. A): Videndum est, de quibus est logica, utrum de rebus aut

de conceplibus aul de vocibus, et quid debel esse subiectum in logica. Et dicendum

secundum Avicennam, quod logica cst de intentionibus secundis adiunclis prtmis

(Abschn. XVI, Anm, 74) Sciendum est, quod intenlio, secundum quvd nunc loquimur,

est idem quod conceptns rei, et conceptus rei duplex est, sc. primus et

secundus, v. g. possum habere de homine unum conceptum, quo concipio humanam

naturam absotule, et conceptum, quo concipio naturam humanam in ordine ad

itio, quae participant eandem naturam Conceptus primus dicitur prima inlentio,

conceptus secundus secunda inlenlio. Unde prima intenlio est conceptus immediale

abstractus a rebus, sed secunda intentio est conceptus abstractus a conceptu primo

vel a conceplibus primis. Nomina enim rerum existentium extra animam sunt primae

inlentionis, ut „Aomo" , sed conceptus abstracti ab islis significantur per nomina

secundae intenlionis, ut „genus, species, subiectum, praedicatum" et buiusmodi

Logica est de rebus secundae inlenlionis, ut sunt secundae intentionis, quia in logica

non delerminatur de rebus nec de vocibus nisi per habitudinem ad intentiones secundas

JVon delerminatur de vocibus in logica nisi inquantum significant res, ut

eis insunt inlenliones secundae sive ens ralionis, et non est aliud intelligendum

per ens ralionis, quam res secundae intentionis. S. Anm. 586 u. 597 ff.

580) (f. 2 r. A) Si dicitur, quod itle, qui primo invenit logicam, aequisivit

hanc scientiam sine logica, sciendum, quod logica polest haben dupliciler,

sc. usualiler vel arlificialiter Nulio scientia polest haberi artificialiter absque

logica, quia quicunque seit arlificialiter aliquam conelusionem, seit, se scire itiom.

581) (f. 107 r. B) vgl. Anm. 90 u. 452.

582) (f. l v. B) Si aulem loquimur de primo subiecto in logica primitale principalitalis,

sie dico, quod subiectum primum in logica est sgllosiismus demonstmlivus,

quia eius nolilia principaliter inquiritur in logica. S. Anm. 93.

XIX. Walter Burleigh.

Seite der menschlichen Rede erblickt583), unterscheidet er nicht bloss

-eine prima und secunda impositio (unter letzterer die grammalischen

Namen der Worte verstehend), sondern theilt auch sehr eigenthümlich

das Gebiet der „alten" Logik ein , indem es gewisse gemeinsame Worte

seien, unter welche in der Isagoge Begriffe, in den Kategorien Sachen,

und in der Lehre vom Urthcile Worte selbst subsumirt werden 584).

So sehr jedoch hiebei ein unverkennbarer Conceptualismus festge

halten wird , welcher sogar von nouiinalislischen Logikern beifällig aufge

nommen werden könnte, so will Burleigh dennoch hierüber die realislische

Geltung der Universalien nicht bei Seite schieben. Ja er polemisirt un

ablässig gegen die „Modernen", welche den objecliven Bestaml der Uni

versalien vernachlässigt hätten, d. h. wenn wir uns an die bei Thomisten

(s. Abschn. XVII , Anm. 362) und bei Scolisten (ob. Anm. 87) recipirte

Unterscheidung der realen und der sermocinalen Wissenschaften erinnern

und dabei bedenken, dass die Logik mit Einschluss der Universalienfrage

dem sermocinalen Gebiete zugewiesen wurde, so erblickte eben hierin

Burleigh eine Einseiligkeit, und während er bezüglich der Logik selbst

sich in Uebereinslimmung mit den Vertretern der intentionalilas , also

mit Thomisten, Scolislen, auch mit Herveus u. s. f., befindet, bekämpft er

die Ausschliesslichkeit einer bloss logischen Geltung der Universalien und

theilt im Hinblicke auf Physik und Metaphysik mehr den Standpunkt jener

Scolisten und Halbscolistcn (Richard Middleton, Alexander v. Alessandria,

Wilhelm Brito, Antonius Andreas, auch Johann v. Jandun, s. Anm. 230,

248, 258, 457, 426), welche das „causando" und das „praedicando"

nebeneinanderstellten. Von Wichligkeit aber ist dabei für uns insbeson

dere der Umstand, dass Burleigh in solcher Polemik stets den Ausdruck

„moderni" gebraucht, denn es sind dieses die ältesten Stellen, in welchen

die Vertreter der sermocinalen oder ralionalen Disciplinen (im Gegen

satze gegen die realen Wissenschaften) mit diesem Namen bezeichnet

werden 585).

In solchem Sinne also ist es zu verstehen, wenn Burleigh den Mo

dernen, gerade wie wenn dieselben die Realität der Universalien wirklich

bereits verneint hätten, die Behauptung entgegenstellt, dass die Univer

salien nicht ausschliesslich in der Form von Begriffen und Worten in der

Seele seien, sondern auch ausserhalb der Seele bestehen und nur so ein

srlbstständiges Dasein (d. h. nicht in subieclo) haben , sowie dass eben

derarlige unabhängig von der Seele exislireude Dinge („res", vgl. Anm.

583) (f. 59 r. A) Vox est maleriale in proposilione proiota et respectus ad significatum

per voccm est formale in proposilione, et ideo, si significata sunt et fiunt

diversa, respectns ad significata erunt diversi, et sie non manebit proposilio eadem,

quantum ad suum formale, quamvis maneal eadem, quantum ad suam maleriale.

584) (f. 2 r. A) In libro Porphgrii determinatur de ,'ocibus communibus sulis

conceplibus ponendo, quod universalia non habent esse extra animam; et in libro

Praedicamentorum delerminatur de vocibus communibus rebus solis (hiezu Anm. 593)

et in libro Perihermenias de cocibus communibus solis vocibus, ut de nomine

et verbo Nomina rerum sunt nomina primae impositionis et nomina vocum sunt

nomina secundae impositionis. Nomen primae impositionis dividitur in nomen primae

inlentionis et nomen secundae inlenlionis; nomen primae intentionis est commune

rebus, nomen secundae intentionis est commune conceplibus.

585) S. Abschn. XX.

300 XIX. Walter Burleigh.

579) die Prädicate in den Urtheilen seien 5sB). D. h. indem er an die

objective Werkstätte der Natur denkt und so die tradilionelle Dreigliederung

der Universalien stärker als Andere betont587), weist er darauf

hin , dass die artmachenden Unterschiede jedenfalls in einem objecliven

Thatbestande vorliegen, da im entgegengesetzten Falle die Dinge objecliv

sämmtlich einander gleich wären, ferner dass, wenn der Unterschied

zwischen Allgemeinem und Einzelnem nur in der subjecliven Auffassung

läge (s. bei Durand, Anm. 558), der artmachende Unterschied und die

Form idenlisch wären, während man das reale Moment der Gestaltung der

Dinge und den subjecliven Begriff von einander unterscheiden müsse58*).

So ist es erklärlich, dass Rurleigh gerade im Commentar zur Physik, d. h.

in einer realen Disciplin, seine Polemik gegen jene Modernen übt, da,

wenn die Universalien lediglich Itegrill'e wären, selbst die obersten Gat

tungsbegriffe einerseits unter die noch höhere Gattung der begrifflichen

Auflassung fielen, und andrerseits in ihrer Zahl von der Zahl der auf

fassenden Menschen abhingen, wohingegen die platonische Annahme richlig

sei , dass die von den Einzelndingen getrennt exislirenden Universalien

durch den intellectus agens getrennt von aller Singularität erfasst werden

586) (f. 19 v. B) Apparent duo contraria diclis modernerem. Primum est, quod

universalia de genere substantiae sunt extra animam, quia ittud, quod dicitur de

subiecto et non est in subiecto, est universale de genere substantiae, sed omne ens

non exislens in subiecto est extra animam, quia si esset in anima, essel in subiecto;

cum srgo substanlia secunda non sit in subiecto, sequitur, quod non est in anima;

unde si nihit esset universale nisi vox vel eonceptus, sequeretur, quod omne

universale esset in subiecto et per consequens nihit essel itlud, quod dicitur de sub

iecto et non est in subiecto. Secundum contrarium Hmdernis est, quod propositio

componitur ex rebus extra animam, nam id, quod dicitur de subieeto et non est in

subiecto, praedicatur in proposilione, et ittud est res extra animam. Ebenso f. 93 r. A.

Hiezu Anm. 599 ff.

587) (f. 65 r. B) Quaedam sunt universalia, quae sotummodo praedicantur de

singuioribus faclis a natura, et talia universalia sotum fiunt a natura, et quaedam

fiunt a natura el ab arle Omnis communitas est naturalis (s. Gitbert,

Abschn. XIV, Anm. 461 ff.) Universale est triplex secundum dominum Albertum

a. s. w. (s. Abschn. XVII, Anm. 379).

588) (f. 9 v. B) Dicunt moderni, quod differenliae non sunt nisi eonceptus in

anima, quia si essent res extra animam, universalia kaberent esse extra animam,

quod habent pro inconvenienti. Sed quid de hoc sit dicendum, deliberare non inlendo

; dico tamen, quod res extra animam distinguuntur per differenlia, suas et

non per solos conceptus, quia, si nultus conceptus esset, adhuc homo differrel ab

asino per differenlias suas. Ilem eonceptus in anima sunt accidentia (vgl. ob. Anm.

102 n. Abschn. XVII, Anm. 392), sed substantiae non distinguuntur ab invicem per

soio accidentia, imo essentialiter . Si quis velit pariere, quod differenliae non sunt

nisi conceptus, ipse habet ponere, quod quaelibet res extra animam habet distingui

per se ipsam a qualibel re extra animam, el non per aliquam differentiam superadditam,

et sie habet ponere, quod res extra animam non dislinguuntur ab inncem

realiler per differenlias, sed sotum conceptualiter per differenlias seu per conceptus.

Poncntes vero, quod universalia non sunt extra animam alia a rebus singuioribus, el

ponentes, quod res extra animam non distinguuntur per dilferentias suas, habent

ponere, quod differenliae non sunt realiler nisi formae rerum; unde ralionalitas

hominis est idem realiler, quod anima hominis, el haec ralionalitas est idem, quod

haec anima. Et sie polest dici, quod res extra animam dislinguuntur realiler per

formas suas el distinguuntur conceptualiter per conceptus suarum differentiarum.

f. 93 r. B: Universale realiler est differens a singuioribus conceplibus, a quibus

abstrahitur. Vgl. Anm. 591.

XIX. Waller Burleigh. 301

und so die ganze Quiddität des Individuums repräseuliren 589); denn der

Behauptung, dass überhaupt nur Individuen exisliren (s. Anm. 400 f.,

560) , stehe entgegen , dass die Absicht der von den denkenden Seelen

unabhängigen Werkstätte der Natur auf die Erhaltung der Species ge

richtet sei, welch letztere hiemit ausserhalb der Seele bestehe, und ein

Beweis hiefür liege auch im privatrechllichen Verkehre, z. B. in der Slipulalion

, wo häutig nicht ein beslimmtes Einzeln-Individuum Gegenstand

des Versprechens sei090). Bezeichnend aber ist es, dass Burleigh aus

jener Annahme, dass lediglich Einzelnes exislire , nur eine Vernichtung

der „Metaphysik" folgert, weil die substantielle Realität der Gattungen

und Arten, welche im Wesen (esse) allerdings nicht vom Singulären ge

trennt sind, eben völlig verschieden sei von der subjecliven Auffassung

des Begriffes, welcher gerade im Wesen vom Singulären getrennt ist, —

kurz weil Begriffe nicht Substanzen sind591). Und der schlagendste

589) Expos, in libr. phgs. Arist. (Venet. 1482. fol., der Druck ist nicht pagi-

»irt; was ich anzuführen habe, fmdet sich f. 5 u. 6): Si nihit sit universale nisi

conceptus, tunc genus generalissimum de genere substanliae erit conceptus in anima,

se,! Minis conceptus in anima est in genere et habet genus supra se; ergo genus

generalissimum haberei genus superveniens Ilem sequitur, quod tol erunt genera

generalissima in genere substantiae, quol sunt homines habenles nolitiam itlius gem'iis

Genera et species dantur in responsione ad quaeslionem quaerentem quid

est Species est composita ex causis, sc. ex genere et differenlia, quae sunt

eausae intrinsccae speciei Quando dicitur, quod inlellectus facit universalitalem

in rebus, debet inlelligi, siml Piolo posuil universalitalem in re extra animam,

qm,m Pioto posuit universale existere per se seorsim a singuioribus, intellectus veru

agens facit, universale inlelligi per se seorsim absque hoc, quod eius singuiore inlelligatur

(liiamris universale sit extra animam, tamen non est pars individui,

quia effectus particuioris stmt eausae parlicuiores Universale est de quidditale

individui.

590) Ebend. : Dicunt isti, quod species nihit aliud est, quam quidam conceptus

simplex exislens in anima, quia extra intellectum non est nisi singuiore Ipsis

obviando arguo lllml, quod natura prima intendit, non est singuiore, sed ittud

est aliquid extra animam, ergo aliquid est extra animam, quod non est singuiore

Dicunt isti, quod natura inlendit primo mu singuiorem, alii vero dicunt, quod

natura non inlendil hoc singuiore, puta Soeralem, inquantum huiusmodi, sed inquantum

homo. Sed iltud non valet Illml, quod appelitur appelitu naturali ad conservandum

tndividuum in esse, est res extra animam tllml est extra animam,

cirea quod fiunt promissiones et contractus reales, ut emplio vendilio, donalio, sliputalio;

sed contractus non semper fiunt cirea individua, ergo extra animam est aliqua

res alia a natura individuali hlnr tamen raliones non essent hie ponendae,

nisi quia quidam asserentes , se scire logicam supra omnes mortales , respondent

dicentes, quod sie dicendo „promitto libi bovem" promilto libi unam rem singuiorem

extra animam. Vgl. unten Anm. 798, 879, 885.

591) Exp. s. art. vet. (f. 23 r. B) Moderni dicunt, quod nihit est substantia nisi

singuiore, et probant, quod genera et species, quae dicuntur esse in praedicamento

substanliae, dicuntur substanliae secundae, tamen non substanliae in rei

veritate, sed sotum nominantur vel dicuntur substantiae sncundae (v. A) Quaero,

an haec species homo sit eadem res omnino in Soerate et Piotane, an alia et alia;

non est dms, quod alia, quia tunc essent tol species, quol sunt individua, quod

esset inconreniens Universalia non sunt secundum esse separata a singuioribus,

sed conceptus in anima sunt secundum esse separali a singuioribus exislenlibus sxtra

animam, ergo secundae substantiae, quae sunt unirersalia respectu primarum substanliarum,

non sunt conceptus in anima; uultus conceptus in anima est substanlia

(K) Si nih,l sit substantia nisi substantia singuioris, sequitur, quod

nulio est scientia de substanlia, et sie destrueretur metaphgsica.

302 XIX. Walter Burleigh.

Beleg dafür, dass nach seiner Ansicht die Realität der Universalieu einem

ganz anderen wissenschaftlichen Gebiete angehöre, liegt darin, dass er

gerade in der Logik es ausdrücklich ablehnt , auf diesen Punkt einzu

gehen 592), sowie hinwiederum es sehr erklärlich ist, wenn er die Kate

gorien gleichsam näher an die Metaphysik rückt, weil ja in derselben

(vgl. Anm. 584) von den realen Dingen als Trägern der intenlionalen

Worte die Rede sei 593).

Das Kunststück, zugleich in der Metaphysik augustinischer Platoniker

und in der Logik arabisch-aristotelischer Conceptualist zu sein , ist uns

allerdings in dem philosophisch kurzsichligen Mittelalter längst nichts

Neues mehr; hingegen dass Burleigh in so crasser Weise einem solchen

unversöhnten Dualismus huldigte, hat man bisher noch nicht gewusst.

Auf Grundlage aber dieser Einsicht müssen wir nun bezüglich der Logik

in Kürze noch Einiges erwähnen, worin er wieder mit den so eben ge

tadelten „Modernen" brüderlichst übereinslimmen muss, zumal da die

selben doch sämmtlich die Objeclivität des Seienden zugestanden. Vor

Allem nemlich findet er, dass die Universalien, selbst wenn sie nur in

der Seele exisliren , jedenfalls bloss vorstellungsweise (obiective) be

stehen594), und mit einer überraschenden Wendung, welche uns an

Aegidius (Anm. 374) und an Mayfon (Amn. 504) erinnert, sagt er, die

vorstellungsweise Existenz komme eben demjenigen zu, was weder in der

Seele noch ausser der Seele sei595). Auch die üblichen Begriffe similitudo

und reflexio wendet er an596), womit zusammenhängt, dass er für

den Fall der objecliven Realität der Universalien den Unterschied zwischen

prima und secunda intentio durch die Ausdrücke „primus conceptus"

und „secundarius conceptus" formulirt, jedoch immer wieder mit der

realislischen Wendung (vgl, Anm. 579 u. 586) , wornach „res" begriff-

592) (f. 3 r. B) Dort formulirt er nur die sich ergebenden Fragen sowohl für

den Fall, dass die Universalien in inlellectu, als auch für jenen, dass sie extra

animam seien, aber nicht mit einem Worte deutet er dabei seine eigene Ansicht

an. Und anderwärts sagt er (f. 9 v. B): Sed quia ista quaeslio non perlinet ad

logicam, cirea eam non insisto hie.

593) (f. 16 r. A) Dicit Boethius, quod in hoc libro inlenlio est phitosophi, de

primis rerum nominibus et de iwcibus significanlibus res disputare (s. Abschn. XII,

Anm. 84) Alia est opinio Avicennae et Averrois, quam eredo veriorem, quod

in hoc libro delerminatur de rebus principaliter el ex consequenli et secundario de

vocibus; dicit enim Avicenna etc. (folgt die Stelle Abschn. XVI, Anm. 83)

(B) Dico ergo, quod liber praediramentorum cst de rebus, secundum quod eis insunt

inlenliones secundae, sc. intentio generis generalissimi et suballerni el inlenlio specici

et sie de aliis. Ebenso f. 19 r. B, u. 21 r. A.

594) (f. 59 r. B) Liecl universale non haberet esse existere extra animam, sieut

dicunt moderni, tamen non cst dubium, quin secundum omnes universale babeal esse

obiectioe in inlellectu, polest enim intellectus inlelligere leonem in universali non inlelligendo

istum leonem.

595) (f. 52 v. A) Quae neque existunt in at,iu,u neque extra animam el intelliguntur

ab anima, dicuntur habere esse obieclivum in anima et nullum aliud esse.

596) (f. 81 r. A) Passio animae accipitur pro disposilione intellectus, sc.

pro simititudine rei in inlellectu repraesentanle rem extra animam ; nam res

extra per prius intelligitur, quam passio, quae est in anima, quia res extra inlelligitm

direcle et passio animae indirecte per reflexionem. S. Abschn. XVII, Anm.

398 u. 500.

XIX. Walter Burleigh. 303

lieh erlässt und „res" durch Species bezeichnet wird507). Ja mit einer

gewissen Hefligkeit erinnert er an die alte aristotelische Lehre, welche

wahrlich Niemand verleugnet hatte, dass die menschlichen Urtheile schliesslich

auf einen objecliven Thatbestand (res} angewiesen sind59**); und

wenn vielleicht Einige mittelst läppischer Sophistereien darauf hinwiesen,

dass in den Urtheilcn nicht mehr die Dinge selbst, sondern eben die

subjeclive Auffassung der Dinge auftrete, lässt er sich hingegen zu der

extremen Ausdrucksweise hinreissen, dass wenigstens in einigen Urtheilen

res de re praedicatur (vgl. Abschu. XIV, Anm. 287), während in anderen

Begriffe von Begriffen und wieder in anderen (grammalischen) Worte von

Worten ausgesagt werden599); aber fast in demselben Athemzuge gesteht

er den Modernen zu, dass in allen Urtheilen das Formelle der Satzver

bindung eben doch im Intellectus liege und nur das Materielle, über

welches geredet werde, eine äussere Objeclivität sei000), und dass, wie

bereits bei Aristoteles zu lesen ist, der vom Intellectus herrührenden

„Copula" eine objecliv vorliegende Verbindung oder beziehungsweise

597) (f. 80 v. B) Nomen primae intenlionis est nomen rei, quae non est nata

esse signum, pro quo supponit Nomina secundae intentionis sunt nomina ad

piocitum siynificontia conceptum vel intenlionem animae f•.'l itlud dico supposito,

,tuod tmiversalia sint soioe intenliones animae, ut plures dicunt; supposito tamen,

quod uniuersalia sint res extra animam, quod verius est, dicendum, quod nomen

primae intenlionis est nomen rei, ut cadit sub primo conceptu inlellectus, et nomen

secundae intenlionis est nomen rei, ut cadit sub secundario conceptu intellectus,

». g. nomen „homo" significat rem extra, ul concipitur absolule, et nomen

„species" significat rem, ul comparatur ad inlellectum per individua, quibus est quid

commune.

598) (f. 16 v. A) Quod aulem proposilio possit componi ex rebus, probatur

Conceptus animae significant res; ita est datum ullimum significatum, et

iltud non polest esse conceptus, ergo est res, dislinguendo rem contra vocem et conceptam

(B) Si nihit ex parle rei correspondel , tunc est quid ficlilium

Ex eisdem componuntur proposiliones, de quibus fiunt quaestiones, sed quaesliones

fiunt de rebus extra animam Demonstrationen in scientiis realibus sunt ex rebus.

Ergo aliqua proposilio est, quae nec est composita ex vocibus nec ex con

ceplibus, et per consequens composita est ex rebus.

599) (f. 16 r. B) S» propositio componeretur ex rebus, sequeretur, quod inler

subiectum et praedicatum passet avis voiore , et intcr subicctum et praedicatum »slms

proposilionis „Parisiis est floma" essenf ecntum mitiaria, ilem quod subiectum passet

comedere praedicatum Ad itlud dubium recolo me dixisse et in seriplis reliquisse,

quod intellectus polest facere proposilionem ex quibuscunque, quia pro

posilio non est uliv.d, quam composilio aliquorum per inlellectum ad invicem.... aut

divisio aliquorum ab invicem; sed intellectus polest ad invicem componere res,

... . et polest eliam componere voces el conceptus Et ideo aliqua propositio com

poni tur ex rebus extra animam, aliqua ex vocibus, aliqua ex conceplibus (f. 17

r. A) Credo, quod ittud indubitanter sit verum, quod in aliqua propositione praedicatur

res de re, el in aliqua conceptus de conceptu, ct in aliqua vox de voce.

600) (f. 17 r. A) In omni proposilione est aliquid maleriale el aliquid formale:

formale in proposilione est coputa et itio coputa est in intellectu, quia est compositio

vel divisio inlellectus ; malerialia vero in proposilione sunt subiectum el praedicatum.

Dico ergo, quod nulio proposilio est composita ex rebus tolaliter extra

animam, quia formale est in mente vel in inlellectu, malerialia aulem sunt extra

animam Propositio composita ex vocibus habet esse extra animam, propositio

vero composita ex conceplibus est totaliler in intellectu, el propositio composita ex

rebus partim est in inlellectu et parlim extra inlellectum; quantum ad suum formale

est in inlellectu, sed quantum ad malerialia est tolaliler extra inlellectum.

304 XIX. Walter Burleigh.

Nicht-Verbindung (idetililas oder diversitas exlremorum, d. h. des Subjedes

und Prädicates) „entspreche", indem die Urtheilsbildung einer

seits von der Objeclivität und andrerseits vom Willen des Menschen

provocirt werde 60 1). Nur verbleibt hierin bei Burleigh immer jener

dualislische Zwiespalt, welcher ihn auch dazu führt, Wahrheit in

doppeltem Sinne zu nehmen , nemlich als Uebereinslimmung der Dinge

mit dem Denken und als Uebereinslimmung des Denkens mit den

Dingen 802).

Bezüglich des Princips der Individualion slimmt er völlig mit Durand

(s. Anm. 569) überein , indem auch er eine Häcceität der Materie und

der Form annimmt 603) , sowie ihm gleichfalls (vgl. Anm. 567) die

Quanlität als eine abgeleitete Folge der Materie gilt904). Ebenso ver

hält es sich betreffs der unitas formae (Anm. 571 f.), welche er als

untrennbare Umschliessung mehrerer Formen fasst605), und desgleichen

betreffs der intensio et remissio formarum, welche auch hier wie

hei Durand (Anm. 573) von den Substanzen ausgeschlossen bleibt 606)

und nur bei den qualitaliven Formen je nach Fähigkeit des Substrates

601) (f. 17 r. B) th,hium est, au ipsi copuioe existenti in intellectu correspondcul

aliquid in re aul non. Dicendum, quod copuioe copuionti extrema proposilionis

vere adinvicem correspondel aliquid in re, sc. idenlitas extremorum vel identitas

i- n e um, pro quibus extrema supponunt, el divisioni vel negalioni copuioe ... .

correspondel diversitas extremorum Sed coputae coputanti extrema propositionis

false adinvicem nihit correspondel in re nisi ipsa extrema Et si quaeratur, a

quo ergo movetur intelkctus ad fabricandum huiusmodi copulum vel dirisionem,

dicendum, quod non movetur nisi ab extremis ipsis m propositione el a votuntale

imperante intellectui ad copuiondum extrema. Vgl. f. 82 r. B.

602) (f. 82 r. A) Veritas primo modo est idem, quod conformitas rei ad virtulem

cognoscenlem, per quam manifestal se intellectui talem, qualis est, el

talis veritas est duplex, sc. ereata et inereata; (B) veritas, quae est adaequalio

rei ad virtulem cognilivam ereatam, sc. ad iulellectum nostrum , est ittud, per quod

res est nata de se facere veram exislimalionem Veritas aulem sccundo modo,

quae est adaequalio virtulis cognoscenlis ad rem cognitam, est in virtule cognoscenle

sicut in subiecto, el talis est duplex, sc. quaedam complexa el quaedam incomplexa.

603) (f. 24 r. A) Species de genere substanliae componitur ex genere el differenlia

el ex omnibus superioribus ad ipsum, el huius ralio est, quod effectus particuioris

sunt causae particuiores el effectus universalis sunt causae universales,

sed tndividuum est effectus particuioris el species est cffectus universalis, el ideo

tndividuum non componitur nisi ex bac maleria et hac forma, quae sunt causae

particuiores Quamvis substantiae secundae sint vere res extra animam, ex hoc

non sequitur, quod substanlia singuioris sit composita ex substantia universali et

substanlia particuiori (v. A) Non oportet, quod annihitando tndividuum annihitetur

species hominis, quia species hominis non est pars Soeralis, quia

Soerales non componitur nisi ex hac maleria et hac forma.

604) (f. 32 r. A) Ouaul,tus est quoddam compositum ex maleria el forma inhaerens

substantiae ralione maleriae, sub ralione cuius substantia extenditur el habel

parlem extra partem. (Vgl. f. 34 r. A.)

605) (f. 24 v. A) In genere infimo speciei specialissimae inctuduntur omnia

genera superiora nec separantur ab eo, sed hoc non est iterum conslituere. Vgl.

f. 70 r. B.

606) (f. 8 r. A) De differentiis substantiae verum est, quod non suscipiunt

magis et minus, di/ferenliae tamen per se accidentium bene suscipiunt magis el

minus.

, , ...:, , XIX. Walter Burleigh. / | 305

zugelassen wird 607) , welch letzteres dann Gegenstand physikalischer Er

örterungen istB08). ,

Was endlich noch einige einzelne Punkte der Exegese des Ürganons

betrifft('09), so denkt vorerst auch Burleigh betreffs der Isagoge an die

Möglichkeit, dass das Universale als solches neben den übrigen fünf eigent

lich ein sechstes sei B10), begnügt sich aber doch bei Avicenna's Begrün

dung der Fünfzahl611); ferner schliesst er sich Denjenigen an, welche,

wie Antonius Andreas berichtet (s. Anm. 480), bei Erklärung einer viel

besprochenen Stelle zwischen intellectus solus und nudus und purus

unterschieden B 1 2) ; auch folgt er dem Avicenna in der Erörterung , ob

Gattungs- und Art-Begriff relaliv seien613), sowie dem Albert in der An

nahme, dass die Gattung nicht Stoff, sondern Potenz sei614); die Eigentliumlichkeiten

des Individuums erscheinen bei ihm durch die zwei Verse

ausgedrückt:

Forma, figura, locus, lempus, cum nomine sanguis,

Patria sunt seplem, quae non habet unus et afier615).

Die Kategorien knüpft er trotz obiger realislischer Wendung (Anm. 593)

dennoch mit Albert an die Isagoge an616), entnimmt dann die Er-

607) (f. 29 r. A) Substantia suscipit magis et minus maleriuliler et subieclive,

quia est subiectum formae habenlis gradus distinctos secundum magis et minus: sed

nulio substantia suscipit magis et minus formaliler, quia nulio substantialis forms

neque individualis neque specifica habet gradus dislinctos secundum magis et minus .

unde non debet suslineri, formas elementorum suscipere magis et minus.

(f. 49 v. A) Nulio forma suscipit magis aut minus, sed forma suscipitur in subieeto

secundum magis et minus, secundum esse magis prrfectum et minus perfectum. Ebenso

f. 63 v. B. : ,

608) In dieser Beziehung trifft mit Burleigh der Zeitgenosse desselben Jacobus

deForlivio, welcher auch mehrere medicinische Commentare zu Avicenna schrieb,

in einer oft wörtlichen Uebereinstimmung zusammen. Die Schrift Jacob's De intensione

et remissione formurum ist mit der gleichnamigen Burleigh's gedruckt (s.

Anm. 576). Beide Verfasser besprechen nur die physikalischen Qualitäten, und

zwar insbesondere Warm und Kalt, wobei sie die Gradabstufungen weder aus theitweiser

Addilion noch aus Mischung mit dem Gegensatze, sondern durchgängig nach

den aristolelischen Principien erklärt wissen wollen.

609) Burleigh's Commentar zur Vetus logica ist mit grossem Fleisse und reicher

Belesenhrit geschrieben; er verfahrt überall archilektonisch eintbeitend, numerirt

slets übersichtlich die conctusiones (ähnlich wie Antonius Andreas, s. Anm. 447),

schliesst sich bei der Isagoge an Avicenna und Albert an, verflicht in die Kate

gorien zahlreiche Belegslellen aus der Metaphysik, folgt bei den sex principia Gitbert's

wieder völlig dem Albert, und benützt De inlerpr. hauptsächlich den Boethius.

(Im Commentare zur Physik ist Robert Capito sein Führer).

610) (f. 2 r. B) Universale est hie subiectum accipiendo universale, secundum

quod est commune ad itio quinque et sie loqtlendo de universali iorge concedo,

ijuod est dare sextum universale (s. Al. sehn. XVI, Anm. 172 ff., vgl. Abschn. XI,

Anm. 134).

611) (f. 2 v. A), s. Abschn. XVI, Anm. 94.

612) (f. 3 v. B).

613) (f. 5 r. A), s. Abschn. XVI, Anm. 113 ff. •

614) (f. 22 v. B), s. Abschn. XVII, Anm. 422.

615) (f. 7 r. A) Quodlibet Individuum constat ex mullis aecidenlibus, quorum

collectio non polest simul reperiri in alio individuo (s. Abschn. XI, Anm. 43)... t.

Seplem sunt proprietales, unde versus: „Forma, figura etc." Nur der erste

der zwei Verse findet sich auch bei Antonius Andreas (s. ob. Anm. 482).

616) (f. 16 r. A) Subiectum conlenlivum tolius scienliae traditae in libro Praedi-

Gesch. III. 20

306 XIX. Walter- Burleigh. Armand von Beauvoir.

örterung iiher aequivocum und analogon aus Albert und die doppelte

Bedeutung des ersteren aus Antonius Andreas617), sowie die Entschei

dung einer Controverse über ens wieder aus Albert618), bekämpft aber

offenbar die Unterscheidung, welche von Einigen (Pseudo-Thomas und

Antonius Andreas, s. Anm. 314 u. 484) zwischen absoluten und relaliven

Kategorien gemacht worden war619). Sowie er aber in der Lehre vom

l'rtheile betreffs der modalen Worte bereits die spätere Formalion der

byzanlinischen Logik aufgreift620) und auch bei der Umkehrung der mo

dalen Urtheile die dortigen Memorial-Verse verwendet621), so finden wir

überhaupt bei ihm, — ähnlich wie bei Antonius Andreas, s. Anm. 490 ff. —.

eine sehr reichliche Benützung der byzanlinischen Logik, sowohl der ur

sprünglichen als auch der jüngeren Gestaltung derselben622); ja in Bezug

auf Entstehung der OMigatoria musste uns Burleigh schon oben selbst

als Quelle dienen 623).

Auch die Thomisten, deren Thäligkeit in diese Jahrzehnte fällt, be

flissen sich durchaus nicht einer so strengen Schul-Observanz , als man

nach der oberflächlichen Gegenüberstellung des Thomismus und Scolismus

glauben sollte. So finden wir, dass der Dominikaner Armand von

Beauvoir (oder de bello visu, gest. i. J. 1334), von welchem wir

eine Schrift De declaratione di/ficilium lerminorum 624) und einen Commentar

zu Thomas De ente et e**enti«62&) besitzen, auf das Unzweicamentorum

est ens dicibite incomplexum ordinabite in genere inlelligendo per genas

coordinalionem praedicamentalem (vgl. Abschn. XVII, Anm. 429).

617) (f. 17 v.B), s. ebd. Anm. 432 u. ob. Anm. 483.

618) (f. 6 v. A), s. Abschn. XVII, Anm. 415.

619) (f. 21 r. B) Quidam modernorum dieunt, quod de islis decem praedicamentis

non sunt nisi duo realiler distincta, sc. substantia et qualitas, sed hoc est contra

Aristolelem et omnes alias phitosophos, qui dicunt, decem esse res primas.

620) (f. 112 r. B) Modi facienles proposilionem modalem videntur esse dieliones

denominanles proposilionem, cuiusmodi sunt „neecsse, impossibite, conlingens, possibite,

venim, scitum, dubitatum, conelusum, demonstratum" et huiusmodi. S. Abschn.

XVII, Anm. 588.

621) (f. 117 r. A), es sind die, ebd. Anm. 40 u. 44, angeführten Verse.

622) So begegnet uns suppositin personalis u. simplex a. malerielis f. 23 r. B,

29 v. B, 37 v. A, 42 v. B, 49 r. A, 59 v. B, 84 v. B, 95 r. A, 103 v. A ; appeltalio

f. 27 v. A; amplialio t. 87 r. A, 97 v. B, 100 r. B; distribuliv f. 94 r. A, 95 r. A;

calegoreumalice und sgncalegoreumalicc f. 87 v. A, 109 v. B, Hl v. A, 112 T. B;

beim hypathelischen Urtheite die Hinzufügung von temporalis, causalis, localis (s.

Abschn. XVII, Anm. 583) f. 89 r. B; sentus compositu» et divisus (s. ebd. Anm. 585)

f. 99 r. A, 111 r. B, 117 v.B} Aequipollenz der modalen Urtheite mit kalegorischen

(s. ebd. Anm. 595 n. ob. Anm. 193) f. 91 v. B; eonsequenlia formalis u. bona

(s. Abschn. XVII, .Anm. 615) f. 54 v. B, 58 r. A, 83 r. A, 91 r. A, 92 r. A,

103 r. B. . l •

623) S. Abschu. XVII, Anm. 626.

624) Saerarum lillerarum professor vximius Armandus ordinis praedicotorii

fraler De dectaralione difficitium lerminorum, tam theologicalium quam philosophiae

ae logicae. Coloniae 1502. 4. (nicht paginirt). Das Ganze zerfällt in drei

„tractatus", deren ersler in 6 Capp. als Einleitung dient, während der zweile in

302 Capp. den Umkreis der Logik im Ganzen an die Lehre von der inteuliu an

bindet; der dritte „de cognilione dei" berührt uns hier nicht mehr.

625) (Ohne Titelblatt) Ineipit seriptum sive exposilio fratris Armandi ordinis

praedicalorum super libeltum de enle et essenlia compositum per sanctum Thomam

de Aqmno doctorem angelieum. paduae 1482. 4.

XIX. Armand von Beauvoir. . 307

deuligste sich selbst als Thomisten bezeichnet 626) , aber trotzdem in

manchen wesentlichen Punkten andere Bahnen einschlägt. Indem er die

arabische Unterscheidung zwischen incomplexa und complexa aufnimmt627),

gilt ihm für letztere das sog. prinvipium identitatis (vgl. bei Mayron,

ob. Anm. 522) als oberster Grundsatz, und entsprechend für erstere

ebenso der Begriff des ens 628). Diesen aber nun theilt er sofort dua

lislisch, indem das real Seiende, welches nicht von der denkenden Seele

entspringe, wohl aber in der Seele und ausserhalb der Seele sein könne,

Sache der prima intentio und der realen Disciplinen sei , während das

ralionell Seiende als Erzeugniss der Seele nur innerhalb der Seele vor

stellungsweise bestehe und als secunda intentio Gegenstand der Logik

sei, eine Zweitheilung, welche mit dem grammalischen Unterschiede zwi

schen prima und secunda impositio (vgl. bei Burleigh , ob. Anm. 584)

sachlich völlig coincidire 629). So wird der Begriff der intentio bei

Armand das ausschliesslich entscheidende Moment, welches als einheit

licher Grundton sich durch das ganze Gebiet der Logik hindurchzieht.

Vorerst nemlich hält er die subjeclive und die objeclive Bedeutung der

intentio auseinander, deren erstere darin beruhe, dass irgend ein Dar

stellendes (repraesentans} , d. h. eine (scolislische) species intelligibilit

oder ein actus intelligendi oder ein formirter Begriff, welcher verbum

mentale heisse, den Weg zum Erkennen bahne630), während die letztere,

626) De decior. diff. lerm., Prooem.: In hoc tractatu in propriis viribus vetut in

arundineo baculo nun confidens vesligiis doctorum inhaereo meliorum et praecipue

doctoris communis reverendissimi et praeciorissimi sancti Thomae, cuius seriptura sal

condiens est doctrinam aliam qualemeunq ue ; hanc qui sequitur, non ambuiot in

lenebris u. s. w.

627) Tr. t, c. l : Incomplexis respondet conceplio inlellectus, quae est secundum

primam operalionem intellectus, sc. simplicium intslligenlia; complexis vero respondet

conceplio inlellectus secundum secundum operalionem, quae est simplicium apprehensorum

compositio vel divisio in proposilione.

628) Tr. t, c. 2: Primum aulem principium demonstrabitium et enunliabitium,

ad quod omnia alia resolvuntur, fundatur super esse et est de quolibel „esse vel

non esse". Ergo modo consimiti lerminus incomplexus, ad cuius conceplionem omnes

eoncepliones incomplexorum reducuntur, est ens, quod ab actu essendi sumitur. C. 4 :

Omnes concepliones simplicium et incomplexorum resolvuntur in ens secundum Avicennam

(s. Abschn. XVI, Anm. 32 u. 193).

629) Tr. I, c. 3: Omne ens vel est ralionis tantum, quod est sotum in anima

et ab anima, et hoc ens nihit aicit posilive et subicctive in anima, sed obiective

solum Vel est ens reale, et hoc est, quod non est ab anima, sed polest esse in

anima et extra animam, nec dependel ab operalione inlellectus praecise Ad

primum ergo genus vel modum enlis pertinent omnes secundae inlentiones, ut genus,

species, el nomina, quae designantur nominibus secundae impositionis apud grammalicos

et secundae inlentionis apud logicos, et de talibus proprie est logica. Ad secun

dum aulem modum perlinent omnes res , quae significantur nominibus primae imposilionis

et in logica vocantur primae inlentiones; el de omnibus talibus entibus sunt

omnes scienliae reales. Ebend. c. 6: Secundum grammalicos omne nomen est primae

imposilionis vel secundae, el secundum logicos primae inlenlionis vel secundae; el hoc

realiler idem est, licet voces sint diversae.

630) Tr. II, c. 268: St intentio accipiatur ex parte intelligenlis, sie dicitur in

lenlio omne ittud, quod per modum repraesentanlis ducit intellectum in cognitionem

uniuscuiusque rei ; et quia species intelligibites et actus intelligendi, conceptus menlis

formatus , quem nos verbum mentale dicimus , repraesentalive ducunt in cognilionem

rerum, ideo quodlibet eorum hoc modo inlentio vocatur et quaecunque simititudo

»ive quodcunque exemptar realiler repraesentando ducens in cognitionem rerum.

20*

308 XIX. Armand von Beauvoir.

welche er hauptsächlich erörtern wolle, auf die erkannte Sache selbst

sich beziehe und hier dann entweder bloss formal abstract oder aber

materiell coBcret bezeichnet werden könne "•' 1). Denke man aber in

letzterem Falle lediglich (absolute) an die Sache als objective selbst, so

sei allerdings von keiner intentio mehr die Rede, sondern nur dann,

wenn mau das Verhältniss (habitudo) der Sache zum Erkenutnissacte ins

Auge fasse I'3i;. Jedoch eben das Moliv einer Unterscheidung zwischen

prima und secunda intentio könne nicht aus der subjectiven Bedeutung

der intentiu entnommen werden, da diess auf eine zeitliche Reihenfolge

entweder in der denkenden Seele oder in den auf successive Objecte

angewiesenen Denkacteu führen würde, sondern nur in der objecliven

Bedeutung linde sich der Unterschied, dass einerseits (prima intentiu)

den realen Dingen an sich Etwas zukommt, was nicht selbst wieder em

Erseugniss des Denkens ist, und andrerseits ihnen Etwas vorstellungs

weise (secunda intentio) zukommt, so dass hiemit innerhalb der erwähnten

habitudo der Dualismus zwischen res und ralio das Entscheidende ist633).

Was hingegen den Begriff des intentionale betrefle, so seien jene obigen

Momente, welche in der subjecliven Seele als repraesentantia wirken,

das wesentlich Intenlioaale, während das objeelive Ding an sich erst von

jenen her seinen Namen bekomme und somit nur ein denominalives

Intenlionale seis31). •, , ; , • ,,• . ,. '

Bei solcher Auffassung, welcher man übrigens eine gewisse Schärfe

631) C. 269: Secundo accipitur intentio ex parle rei intellectac, — el sie

loquimur hie de intentione in proposito. Haec aulem inlentio dupliciler accipitur el

invenitur. Uno modo formuliter et tunc signi/icatur in abstracto, ul hoc ,mmen

„inlentionalitas", el haec habitudo in abstracto praecisc signilicat pumm «,.-

ralionis. Alio modo accipitur malerialiler et tunc significatur in conc,elo; iiisn

ergo res mlellecta malerialiler in conereto dicitur intentio sive res intellecta, sive

ens reale, ul honio, iopis el buiusmodi.

632) C. 270: Haec aulem res intellecta, quando est verum ens reale, .... du

pliciter considerari polest. Uno modo absotule, ul est res praecise non habende

respectum ad intellectum, et sie nulio res dicitur intenlio .... Alio modo polest con

siderari r um habitudi'ue ad actum intelligendi, inquantum est intellecta, el sic quaedam

habitudo ipsam conseqsutur, quae formuliler intentio dicitur. , 0 , . ,, ,,

633) C. 271: Ordn iste, undc aliquae dicuntur prIimae intentiones el aliuuas

secundae, non polest sumi ex parte Melliiienlis,"quia sie species intelligibilis, quae

esl primum repraesentulivum inlelligendi, esset prima intentio, et actus intelligendi,

qui est sec.undum, essel secunda intentio, el verbum mentale esset lertiu, quae sunt

falsa. Nec polest sumi ex purle actus intelligendi, quia sie Soerales esset primus

intellcctus el piolo secundus ...... Oporlet, quod iste ordu , accipiatur ex parle rei

i,dellectae, inquantum est inlelleeta; num quaedam sunt inteiligibitia, quia sunt

vera entia realia, quae conveniunt rebus non ex opere intellectus, ..... el haec omnia,

quae sie rebus conveniunt, dicuntur primue inlentiones et nomina talium dicuntur

eliam numina primae imposilionis secundum .gron,malicos Alia sunt, quae con

veniunt rebus, secundum quod swil obiective in. jntellectu et non aliler, .....el ista

dicuntur secundae inlenliones Et sie sunt duo modi essendi generales, sc. se

cundum n'n,, et iste est primus, et secundum ralionem, el iste est secundus; ita

eliam ab islis duobus generibus sumiiur divisio inlentionum.

634) C. 273: Intentionale polest accipi dupliciter, sc. essenlialiter et denominalive

Intenliones, quae sunt ex parle inlelligentis , sunt .species inlelligibites,

actus iulelligendi, conceptus formatus, et dicuntur intenlionalia vel inlenlionata essenlialiter,

quia sunt intentiones rerum. liio aulem, quorum sunl intenliones et quorum

sunt repraesentaliva, dicuntur esse inlentionalia denominalive.

XIX. Armand von Beauvoir. 309

der Dislinclion nicht absprechen kann , versteht es sich von selbst , dass

Armand (ebenso wie alle Uebrigen mit Ausnahme Mayrons) grundsätzlich

gegen den Platonismus polemisirt 635) und das Verhältniss zwischen

Sinneswahrnehmung und [Iniversalien nach aristotelischer Tradilion auffasst636).

Auch zieht er sich betreffs der Universalien eigentlich auf die

Unterscheidung zwischen c.ausando und praedicanAo (s; Anm. 248, 258,

426, 457) zurück, nur stellt er der causalüas die abslractio gegenüber,

welch letztere er (abgesehen von objecliver Immaterralität) neben der

praedicatio der Logik auch in der Physik und in der Mathemalik aner

kennt037). In Bezug auf das Princip der Individualion folgt er dem

Thomas638), welchem er betreffs der Angelologie durch die Ansicht des

Aegidius (ob. Anm. 382 f.) auf die Beine hilftli39); während bei unitas

formae ein einfacher Anschluss an Thomas genügt640); aber die intensio

et remissio formarum erinnert uns an Durand641).

Die Durchführung aber des Begriffes der intmtio durch das Gebiet

der Logik gestaltet sich bei Armand in folgender eigenthümlicher Weise.

Zunächst erörtert er jene Worte, durch welche eine generelle Modalität

des objecliven Seienden ausgedrückt sein soll , d. h. die thomislischeh

635) Expos, s. Hb. de ente .et ess. f. 16 A: Necessitas ponendi ideas a Piotane

est duplex, una ex parle cognilionis, alia ex parle dclionis exlerioris Sed ista

necessitas nulio est, quia, licet ponamus, quod scienlia sit de necessariis et sempilernis,

non oportet tamen propler hoc, quod ponantur separatu' secundum rem; sed

sufficit, quod ponantur separata secundum ralionem et consideralionem ralionis. Alia

causa necessitalis est ex parle aclionis, sed nec ista valet, quia ad istas operaliones

faciendas sufficit agens universale, quod est coetum cum disposilione maleriae.

Dect. diff. lerm., 7V. II, c. 276: Secundum Piotonicos, qui ponunt universalia subsislenlii,,

universale esset prius quam parlicuioria, unde secundum eos parlicuioria

non sunt nisi parlicipalione universulium subsislenlium, quae dicuntur ideae.

636) 7V. II, c. 235 : De prioritale cognilionis diversa in inlellectu et in sensu

respectu universalis et particuioris . . . . . naturaliter quoad nos el in sensu priora

sunt cognilione singutaria, universalia aulem posleriora; in inlellectu aulem s

converso. • i'.i• l i•• •• '• ' "i '' ' '

637) 7V. II, c. 275 : Universale sumitur tripliciter. Est enim quoddam univer

sale causalitale; alio modo dicitur universale abstraclione , abstractio autem est

duplex 'Quaedam sunt abstracta a maleria secundum esse; alio modo

secundum inlellectus consideralionem. ,'. . . Hoc aulem polest fieri tripliciter: uno modo

.... absque hac maleria sensibiti, et talis abstraclio vocatur phgsica ' Alio

modo . . .. intellectus considerat non sotum sine hac maleria sensibiti, sed eliam sine

consideralione sensibitis maleriae, sed non sine maleria intelligibiti, el talis abs

traclio vocatur mathemalica Teriio modo •...'. , . est abstractum communitale

praedicalionis, ....el sie universale sumptum dicitur, quod est aptum natum de pluribus

praedicari. Vgl. Robert Capito, Abschn. XVII, Anm. 344." :l^' -1 '•''''

638) Expos, s. Hb. de enle et ess. f. 11 A u". B. < .' •• cui: . '

639) Ebend. f. 18 A: Simitiler de qualibel specie angelica, qude de se est communicabitis

pturibus, quia si essent plures angeli in eadem specie, cuitibel eorum

esset communicabitis. Sed quia tola talis perfeclio specificata in uno individuo conlinetur,

ideo, alteri non communicutur nec communicari polest eliam virtule divma, el

sie patet sotulio ad obieclionem.

640) Ebend. f. 13 A: Secundum ponenles pluralitalem formarum in uno supposilo

alia forma est itio,' per quam corpus est corpus, et alia, per quam animal est

animat. Sed secundum ponentes unam formam est eadem forma realiler, et quia

islius opinionis fuit sanctus Thomas, idco dicit, qusd anima non est alia forma ab

itio, per quam corpus est corpus.

641) Derl. diff. lerm. Tr. II, c. 261; s. ob. Anm. 673

310 XIX. Armand von Beauvoir.

sechs transcendentia6*^). Dann folgen die Worte der prima intentio,

welche eine specielle Modalität der geschaffenen Dinge bezeichnen, d. h.

die Kategorien, wobei sich uns allerdings das Bedenken erhebt, ob die

selben wirklich zur Logik gehören können, denn sie sind nicht bloss (wie

bei Burleigh, A um. 593) näher an die Metaphysik gerückt, sondern sollen

nach Obigem (Anm. 629) ja wesentlich den realen Uisciplinen anheim

fallen643). Aber erklärlich ist es dann, dass Armand in der Einzeln-

Erörterung, welche ihn auch (wie Mayron) auf die Synonyma substantia,

subsistentia, quiddüas, natura führt044), in reichem Maas.se über den

Umkreis der Logik hinausgreift und Fragen aus der Physik, Ethik, Meta

physik und Theologie disculirt 645). In logischer Beziehung ist zu er

wähnen, dass er bei der Kategorie der Relalion den scolislischen Begriff

der aequiparantia verwerthet646) und bei den sog. Postprädicamenten,

für welche er den Gilbertus Porretanus reichlichst benützt, auch die

byzanlinischen Worte „alietas" und „diversitas" beizieht64'?).

Indem nun der Umkreis der secunda intentio folgt, ist vorerst von

denjenigen Begriffen die Rede, welche sich auf incomplexa (Anm. 627 f.)

beziehen. Dieselben aber werden nach einem eigenthümlichen Gesichtspunkte

eingetheilt648), so dass zuerst jene zur Erörterung kommen, welche den

obigen transcendentia und den Kategorien gemeinsam sind ; als solche wer

den vierzehn (unter ihnen z.B. auch univocum, aequivocum} aufgezählt649)

642) Tr. II, c. 1: Nomina, quae exprimunt modum entis consequentem generaliler

omne ens et addunt hunc modum exprimendo ipsum varie super ens, sunt quinque

transscendentia, et ens, ad quod addunt hunc modum, est sextum transscendens ;

horum aulem sufficienliam, significalionem et di/fercntiam ab invii'em ponit sanctus

Thomas (s. Ahscln,. XVII, Anm. 515), d. h. ausser ens sind es die fimf Begritfe

r,'s, tmun,, aliquid, verum, banum (s. ob. Anin. 273 u. 355, vgl. 511), welche

Armand nun c. 2-28 in metaphysischer und theologischer Beziehung ausführlich

erörlert.

643) C. 29: JVunc dicendum est de nomiuibus primae inlenlionis, quibus exprimuntur

speciales modi essendi enlium realium, quae nomina dicuntur de itlis,

quae conveniunt omni enti erealo; et vocantur a logicis decem rerum genera sive

decem praedicamenta.

644) C. 32 n. 42. Vgl. ob. Anm. 548.

645) Bei Besprechung der Substanz zieht er (c. 50 ff.) nicht bloss generalio

und corruplio bei, sondern auch vita, und zwar insbesondere rilu coulempioliva, bei

der Quanlität (c. 53) aelernitas und infinitum, bei der Qualltät (c. 73 ff.) mittelst

des Begriffes der virtus nicht bloss die drei theologischen Tugenden, sondern über

haupt das ganze Gebiet der Moraltheologie , bei passio (c. 150) die ganze Psycho

logie, bei reiolia (c. 175 ff.) die Trinitätslehre, bei molus (c. 238) die vier aristo

telischen Principien, u. s. f.

646) C. 174; vgl. ob. Anm. 583. n .•

647) C. 205 f. S. Abschn. XVII, Anm. 213, 217, 266.

648) C. 264: Postquam expediti sumus de nominibus primae intmlionis, accedendum

est ad decioralionem nominum sive vocabulorum secundae inlenlionis

In secundis inlen lionibus quaedam sunt communes omnibus transcendenlibus et omnibus

decem rerum generibus, sicut hoc, quod dico praedicabite et multa alia; quae

dam sunt sotum communes decem generibus rerum, sicul hoc, quod dico genus et

species et multa alia; quaedam sunt specialiler pertinenles ad unicum genus, ul hoc,

quod dico suppositum, quod in genere substantiae sotum invenitur.

649) C. 265: Ouae sunt communes transcendentibus et decem ,teneribus, occurrunt

. . . . quatuordecim, et sunt hacc: intenlio, transcendens, universale, abstractum,

coneretum, praedicamentum , praedicabite, praedicatum, subiectum, subilcibüe, univo

cum, aequivocum, analogum, dcuominalivum.

XIX. Armand von Beauvoir. Petrus Paludanus. 311

und einzeln erklärt650). Sodann reihen sich diejenigen an, welche

nur den zehn Kategorien gemeinsam sind, und als solche treten die

Universalien auf, deren Zahl jedoch hier durch Hinzufügung von par

ticularis, singularis, Individuum, auf acht steigt651). Und zuletzt folgen

jene, welche nur einer einzelnen Kategorie zukommen, nemlich entweder

der Substanz652) oder (Lei theologischen Fragen) der Qualität oder

der Relalion 653). Indem aber nun auch noch jene secunda intentio,

welche sich auf complexa bezieht, an die Reihe kommen soll, wird hiebei

zunächst die Lehre vom Urtheile, die Syllogislik und die Topik beigesteckt654),

und den Schluss machen in Bezug auf „condüiones complexorum"

in merkwürdigem Wirrwarr das sog. dictum de omni und die

byzanlinische Reduplicalio 655).

Auch der Dominikaner Petrus Paludanus (oder de palude,

gest. i. J. 1 342), welcher bei den Theologen als hervorragender Vertheidiger

des Thomismus gegen Durand gilt, entfernt sich theilweise von den

Ansichten des Thomas. In seinem Commentare zum 3. u. 4. Buche des

Petrus Lombardus656) begegnen wir wohl dem auch von Thomas aufge

nommenen Aristotelismus betreffs der universalia in re657) und des

650) Ueber intn,tiu wird gehandelt c. 266—273, über inmser,iil,'ns K. 274,

über universale c. 275—277, über abstractum u. coneretum c. 278 f., über praedicatum,

praedicabite, praedicamentum, subiectum, subiicibile c. 280, über die übrigen

vier c. 281.

651) C. 282: Huns dicendum restal de nominibus secundae inlentionis, quae

conveniunt incomplexis i•!.... sunt communes omniin,s praedicamenlis Istorum

nominum est triplex differenlia, cum res in praedicameuto exislens possit sumi in

universali, quod dicitur respectu parlicuioris, et in particuiori, quod dicitur respectu

universalis, item quaedam possunt convenire rei, proul sie vel sie consideratur. Zur

ersten dieser drei Arlen werden nun gerechnet genus, species, differentia (c. 283—285),

zur zweiten parlicuioris, singuioris, tndividuum (c. 286), zur dritlen accidens, proprium

(c. 287).

652) C. 288: Modo restat dicendum de nominibus secundae inlentionis, quae

sotum conveniunt Ais, quae sunt de praedicamento substantiae. Als solche folgen

nun suppositum, hoc aliquid, res naturae, hgpostasis (c. 289—291).

653) C. 292: Nunc dicendum est de nominibus secundae inlenlionis, quae con

veniunt rebus de genere qualilalis De itlo solo hie delermino, cuius usus est

apud theologos, secundum quod dicunt, in deo esse multa altributa. C. 293: De

nominibus secundae inlenlionis, quae conveniunt reiolionibus Unum tale nomen

habet usum apud theologos ...., sc. hoc nomen „nolio" (bis c. 296).

654) C. 297 : ltrstat dicendum de nominibus secundarum intenlionum, quae complexis

conveniunt. Als solche folgen nun in äussersler Kürze (bis c. 299) oralio,

enunlialio, proposilio, praemissa, conelusio, definilio, deseriplio, argumentum, sgllo

gismus (nur die Dreitheitung desselben in demonstralivus, dialecticus, soplrislicus),

enthgmema, induclio, exemptum.

655) C. 300: Dicendum de nominibus secundarum intenlionum, quae rnnsenmnt

quibusdam conditionibus complexorum, wobei (bis c. 302) erörlert werden dici per

se, dici de omni, dici de nullo, und reduplicalio (s. Abschn. XVII, Anm. 262 n. 608 f.),

welch letztere beispielsweise auf die vier aristatelischen Principien und auf Urtheite

über Accidentelles bezogen wird.

656) Praeciorissimi doctoris domini Petri de Palude seriptum super lertium

sentenliarum. Paris. 1518. fol. und Exaclissimi et quam maxime probali ac ciorissimi

doctoris Petri de Palude quartus scufenf«ornw liber. Paris. 1514. fol.

657) III, Dist. 22, qu. l, f. 108 r. A: Homo nomen est speciei in genere sub

stantiae, sed in malerialihus sota substanlia composita est per se in genere sub

312 XIX. Petrus Pahidanus.

Verhältnisses zwischen Denkeinheit und materieller Einzelnheit658): aber

zugleich verwendet auch er (wie so viele Andere, s. Anm. 291, 375, 409,

469) die scolislische species intelligibilis als Darstellung der Objecte

und Veranlassung des Denkens, jedoch mit dem sonderbaren Zusatze,

dass dieselbe in ihrem gegenständlichen (subiective) Vorhandensein im

Denken von anderer Art und Natur sei, als der äussere Gegenstand

selbst859). Bei der Frage aber über das Princip der Individualion wendet

er sich am Weitesten von Thomas ab, indem er den auch von Gottfried

v. Fontaines eingewendeten Gegengrund gegen die Quanlität (s. ob. Anm. 66)

anfährt und dem posiliven Gehalte nach so ziemlich die Ansicht des

Scotus (Anm. 142) und jene des Anton ius Andreas (Anm. 473) miteinander

verbindet, d. h. er verlegt die Individualion überwiegend in die Form

als das Actuelle660), wenn auch die Potenlialität der Materie als zweites

Moment hinzutrete661), während bei den Engeln Gottes Schöpferkraft sich

au der blossen Form genügen lasse662). Hingegen was unüas formae

betrifft, slimmt Paludanus wieder völlig mit Thomas überein603), und

•• ' ,i.. .

stantiae, (B) Homo et equus in singuioribus universaliter non sunt substantia,

i. e. forma, sed situ// totum quoddam ex hac maleria et hac ralione.

658) III, Dist. 5, qu. 2, f. 34 v. B: lltud animal, quod est hamo, non est

commune omni animali, sed proprium huic, et licet significat in communi aliquid

unum ralione, non tamen unum re, nec verificatur de una re pro mullis.

659) IV, »ist. 49, qu. l, f. 227 r. B: fiuplex obiectum cognitivae polenliae:

unum quidem commune, inquantum est polenlia, aliud aulem proprium, inquantum

esl talis polenlia Obiectum intellectus, ut intellectus, est ens, ul autem coniunctus,

ens maleriale (v. A) Hanc aulem speciem, quae dicitur faecre cognilionem,

sive sit actus ipse sive principium eins in eodem subiecto existens , non

possumus dicere esse eiusdem speciei etim obiecto, prout ipsa est in inlellectu, quia

nihit subieclive exislens in inlellectu, sive sit species sive actus sive habitus, polest

esse eiusdem speciei vel naturae cum re exteriori, quae per eam intelligitur ,':....

(. 228 r. A: Nec tamen inler obiectum et actum est simititudo formalis, sed tantum

eittunlis Species est necessaria ad repraesentandum obiectum el ad eliciendum

actum et determinandum.

660) III, Dist. 6, gu. 2, f. 36 v. A : Dicunt, quod suppositum habet esse formaliter

suppositum per qudnlitalem Contra hoc tamen a quibusdam argnitur,

(B) quia quantitas aut quodcunque accidens non polest esse ralio individualionis

substanliae Socfales non est homo vel substanlia nisi per suam substantiam,

et simitiler Pioto (f. 37 r. B) Tenent alii, quod suppositum non differt

realiler a natura, cuius est suppositum, ul Soerales ab humanitale (v. A) Sie

igitur, licet ad esse individui substanliae habenlis maleriam el formam cancurrat tam

maleria quam forma, principalior tamen est forma, per quam principalius substanlia

est substanlia et hoc aliquid Et si quaeratur, per quid haec forma est, dicitur,

quod ab agente efficienter disposilive, subiective a maleria, formaliter aulem et complelive

a se ipsa.

661) III, Dist. 30, qu. 3, f. 175 r. A: fn rebus malerialibus substantialibus sunt

duo principia rei intrinseca, quorum unum dicitur polentia simpliciler, sc. maleria,

aliud aulem dicitur actus simpliciler sive id, secundum quod aliquid dicitur

actu esse simpliciter, sc. forma. . \

662) IV, Dist. 12, qu. 2, f. 50 r. A : Deus polest faecre formam sine maleria el

non e converso, quia maleria non est esse formae nec est causa formalis ipsius.

forma aulem vel est ipsum esse vel est causa formalis ipsius, et deus non polesl

faecre ..... esse sine forma absotule nec esse substantiale sine forma substanliali.

^12663),IM, Bist.' 24, qu.*3,y. 131 v. A: Esse vel est idem existcntiae cum esse

assentiae vel est ei proporlionabite, unde"mirum est, quod in uno enle aliqui

ponunt plures formas substanliales.

XIX. Graliadei von Ascoli. 313

folgt auch dem Aegidius (ob. Anm. 387) bezüglich der intensio et remissio

/brmarum864).

Wieder ein anderes ganz eigenthümliches Bild eines Halb-Thomismus

zeigt uns der Dominikaner Johannes Gratiadei von Ascoli (gest.

1341), indem derselbe der thomislisclien Lehre gleichsam ihre realislische

Seite abzugewinnen sucht und hiedurch zu Anklängen an gegnerische

Richtungen geführt wird. Wir besitzen von ihm einen ziemlich ausführ

lichen Commentar zur Velus logica 66o); einer selhstständig von ihm verfassten

„Logica", welche er dort einmal cilirt666), müsste erst in den

handschriftlichen Schätzen der Bibliotheken nachgespürt werden. — Schon

was die principielle Stellung der Logik betrifft, theilt Graliadei den

Standpunkt des Franziskaners Roger Baco (Ahschn. XVII, Anm. 561),

dass dieselbe zu den praktischen Wissenschaften gehöre, weil sämmtliche

ralionelle Disciplinen abgesehen von ihrer Unter-Eintheilung sich jedenfalls

um ein „opus" rationis drehen 667), und auch wenn man nicht mit Un

recht sage, dass die Logik nur modus sciendi sei und daher weder zu

den speculaliven noch zu den praklischen Zweigen gehöre, sondern alle

umfasse, so müsse man dennoch, insoferne einmal jene Alternalive be

stehe, sie in höherem Grade dem praklischen Gebiete zuweisen 668). So

liegt ihm auch für ens rationis das Eintheilungsmoliv nur in „operalio"

rationis, und indem er diese (wie Herveus und Durand, s. Anm. 398

u. 551) dreigliederig als einfaches Erfassen, Zusammensetzen, discursives

Vergleichen eintheilt , ergiebt sich ihm natürlich die Reihenfolge äer

664) III, Dist. 27, qu. l, f. 147 v. A: Licet subiectum dicatur de minus tali fieri

magis tale, non tamen subiectum dicitur intendi et remitli, sed forma ipsa, secundum

quam subiectum dicitur fieri de minus tali magis tate; sed forma non passet dici

intendi proprie, nisi eadem forma, quae füil remissa, poslea esset intensa, ...:cum

est habitus in gradu.

665) Commentaria Graliadei Escuioni ordinis praedicalorum in tolam arlem

velerem Aristolilem [sie]. Vmet. 1493. fol. Das Buch ist nicht paginirt, daher ich

nur nach den „Lecliones", in welche die Commentare der einzelnen Bücher (Praedirabitia,

Pruedicamenta, Sex principia Gitbert's, Periermenias in zwei Büchern, vgl.

Abschn.XVII, Anra. 442. u. ob. Anm. 574) ehigetheitl sind, ciliren kann. Uebrigens

ist der Druck durch eine Menge der nachlässigsten Druckfehler entstellt, ein Missstand,

welcher bekanntlich bei den Venelianer Incnnabeldrncken nur äusserst selten

vorkömmt; bei Anführung der Quellenslellen corrigire ich Solches slillschweigend.

666) Praedicab. Lect. 7. S. die Stelle unten Anm. 680.

667) Prooem., woselbst nach Eintheitung der Wissenschaft in specuioliva und

praclica und nach Unterabtheitung der ersteren in Melaphysik, Physik, Mathemalik

gesagt wird: Scienliarum vero practicarum distinclio oporlet quod sumatur secundum

dislinclionem operum; opus aulem triplex polest assignari, sc. mechanicum, morale,

et opus ralionis Cirea opus ralionis versantur scientiae ralionales. Utrum

autem ars ralionalis sit dividenda in grammalicam , rhetoricam et logicam, sicut quidam

dividunt (s. ob. Anm. 87 n. Abschn. XVII, Anm. 363), vel polius sit dividenda

in logicam, rhetoricam et poelicam, sicut dividunt alii (s. ebend. Anm. 293), an magis

comprehendat omnes quatuor, non perlinet ad praesenlem locum, quia de sola

itta parle agimus, quae proprie logica vocatur.

668) Prooem. qu. l : Logica vidctur proprie dicenda esse non quidem scienlia

praclica nec specutaliva, sed modus' el regüio generalis omnis scienliae tam praclicae

quam specuiolivae, inquantum earum quaelibet est considerans veritalem Quanrivis

aulem proprie loquendo ipsa logica sit modus el regüio scienliarum, si tamen velimus

ipsam trahere ad denominalionem scienliac specutalivae aut praeticae, magis est dicenda

scienlia praclica, quam specuioliva.

314 XIX. Graliadei von Ascoli.

Bücher des Organons (Kategorien, De interpr., und „nova logica", für

welch letztere er die arabische Unterabtheilung aufnimmt); aber insoweit

es sich dabei um die Isagoge handelt, spricht er mit möglichster Schärfe

die Unterscheidung aus, dass die prima operalio rationis, d. h. das ein

fache Erfassen, einerseits als prima intentio zu den Kategorien und

andrerseits als secunda intentio zu den Universalien führe, und so die

tradilionelle arabische Auffassung des Gegenstandes der Logik sich be

währe, wenn auch das principiellere Ueberaewicht (principalius) auf die

secunda intenlio falle 6Bi)). Scheint aber hiedurch die Stellung der Kate

gorien innerhalb der Logik immerhin wieder bedenklich zu werden (vgl.

bei Burleigh und Armand, ob. A um. 593 u. 643), so hilft sich Graliadei

mit der Distinclion, dass das ens rationis entweder wirkliches Erzeugniss

des Denkens oder nur behufs denkmässiger Anordnung in die geislige

VVerkstätte (operalio) beigezogen sein könne, und somit in letzterem wei

teren Sinne die Kategorien sicher zum ens rationis gehören070); nemlich

nur das ens schlechthin an sich genommen sei Gegenstand der Metaphysik,

die Logik aber als modus sciendi bringe es eben unter die dem Denken

angemessene Anordnung ü 7 1). In solchem Sinne hält er daran fest, dass

ens rationis Gegenstand der Logik sei, und polemisirt ausdrücklich gegen

die scolislische Ansicht, welche den Syllogismus in den Vordergrund

669) Prooem.: Logica aulem cum cirea ens ralionis versetur, oporlel quod secundum

eius dislinclionem dividatur; ens vero ralionis dislinguitur secundum diversam

ralionis operalionem ; est aulem triplex operalio ralionis: simplicium inlelligenlia,

composilio et divisio simplicium apprehensorum, discursus ralionis a nolo

ad ignolum. Et de ente, quod perlinel ad lerliam operalionem , agitur in tola- arle

nova ; de ente, quod perlinet ad secundam operalionem, agitur in libro Periermenias ;

sed de ente, quod pertinel ad primam, ....in libro Praedicamentorum. Ars aulem

nova, quae tola versatur cirea raliocinalionem, oportet quod dislinguatur secundum

diversam consideralionem eius; polest aulem raliocinalio dupliciler considerari, nnn

quidem modo simpliciter sine applicalione ad maleriam aliquam, et alio modo

mm applicalione ad maleriam specialem u. s. f., d. h. Ersteres entbalte die erste

Analylik, Letzteres die zweite Analylik, Topik und Sophislik (nach arabischem

Vorhitde wie bei Albert, s. Abschn. XVII, Anm. 459) 0uitt vero liber Porphgrii

non videtur esse inctusus in tota divisione logicae, sciendum est, quod

simplicia apprebensa, quae perlincnt ad primam operalionem ralionis, sunt duplicia,

quia quaedam sunt , ,/,cir vocantur primae intentionis , ut substantia , quanlitas et

simitia, quaedam vero, quae vocantur secundae intentionis, ul genus, species et simitia.

De utrisque his logicus considerat, quamvis consideret principalius de Ais, quam de

primis; unde el pro tanto dici consuevit, quod logica est de secundis intenlionibus

iunclis primis; de primis ergo agitur in libro Praedicamentorum, sed de secundis in

Porphgrio, non quidem omni modo, sed cum reduclionc ad certum numerum praedicabitium.

Die Haupteintheitung des ens ralionis ebenso Periherm. Lect. 1.

670) Praedicam. Lect. 1: Ens ralionis sumi polest dupliciter: uno quidem modo

ita, quod ens ralionis appelletur id sotum, quod est a rotione inslitutum aul factum;

alio aulem modo sumi polest magis iorge, ut ens ralionis dicatur omne id,

quod polest esse sub ordine ralionis ipsum trahenlis ad suam operalionem , el serundum

hunc modum et decem praedtcamenta continentur sub ente ralionis.

671) Ebend. : De ente dupliciler est loqui: uno quidem modo simpliciler et se

cundum se, et alio modo secundum quod habet ordinem ad ipsam ralionem. El primo

modo considerat dc enle primus phgsicus (d. h. die Metaphysik), secundo aulem modo

de enle habet considerare logicus, unde el logica pro tanto vocatur scienlia ralionalis

Non est inconveniens, sed valde necessarium, esse tales secundas scienlias coramunes,

quales sunt metaphgsica et logica, quarum una est vere et simpliciler scienlia,

alia vero, ut puta logica, est scien,ii reguio et modus.

XIX. Graliadei von Ascoli. 315

stellte; denn nicht der Syllogismus, sondern nur ens rationis sei es, auf

welches die obersten Principien der Logik, nemlich das sog. principium

identüalis (vgl. bei Mayron und Armand, ob. Anm. 522 u. 628) und die

sog. regula de quocunque (vgl. bei Albert, Abschn.XVll, Anm. 438), sich

beziehen, und ausserdem behandle die Logik auch die dem Syllogismus

vorangehenden Zweige um ihrer selbst willen, insoferne sie (— dieses

Moliv ist dem Aegidius entnommen , s. ob. Anm. 369 —) als modus

sciendi überall da eintrete, wo die menschliche Vernunft dem Irrthume

verfallen könne672); und eben diese Irrthumsfähigkeit bestehe auch be

züglich des objecliv sachlichen Gehaltes der prima intentio, A. h. der Ka

tegorien, so dass es unmöglich sei, diese aus der Logik auszuschliessen673).

Den Sprachausdnick , welcher in der scolislischen significatio liegt, will

Graliadei hiebei principiell nicht sehr hoch anschlagen, denn das Moment

der Bedeutsamkeit der Worte sei eben eine Darstellung (repraesentatio),

auf welche sich- die forma dictionis mittelbar beziehe 674), und wohl nicht

ohne Absicht betont er somit, wie Armand (Anm. 630), die innere Sprache,

d. h. das verbum meiUaie675).

Nun aber fasst er auch die secunda intentio , welche doch ein Erzeugniss

der denkenden Seele sein soll (Anm. 670), zuletzt völlig gegen

ständlich ; nemlich mit einer Dislinclion , welche trotz wesentlicher Ab

weichung uns dennoch an Armand (Anm. 630 ff.) erinnert, sagt er, das

672) Prooem. qu. 2: Quaeritur, utrum subiectum logicae sit ens ralionis aul

tantum sgllogismus Subiectum logicae est ens ralionis Constat salis evi

denler, quod sgllogismus non est subiectum principiorum maximc universalium logicae,

nam ista sunt maxime umversalia: „De quolibet est affirmalio vel negalio uero"

et „Quantto allerum de allere praedicatur, quaecunque de praedicato dicuntur, eadem

et de subiecto dicuntur", quorum principiorum non est sgllogismus sublectum, sed ens

ralionis De praedicamenlis et enunlialione considerat logicus non solum in ordine

ad sgllogismum, quod facil in arle nova, sed eliam secundum se, quia logica de

itlis omnibus eliam secundum se delerminare debet, in quibus ipsa ralio errare polest

Si ens ralionis est subiectum lolius trivii, oporlet eliam quod sit subiectum

supremae partis eins, quae pro tanto relinet sibi soli nomen logicae Unde sgllo

gismus non est principale inlentum in logica tola, sed est principale intentum respectu

aliorum conlentorum sub enle ralionis. Praedicam. Lect. l : Communiler consuevit dici,

quod omnia considerata in logica pracler sgllogismum considerantur sotum in ordine

ad sgllogismum Constat aulem, quod sine ullo respectu et ulta habitudine ad

sgllogismum polest ralio errare in ordine rerum praedicamentalium.

673) Praedicam. Lect. l : Quaeritur, utrum logicus considerel de decem praedica

menlis sotum ralione secundarum inlenlionum Dicitur enim, quod logica est

scientia inlenlionum et non scienlia rerum Sed ista opinio non piocet mihi; manifestum

est enim, quod ralio polest errare non sotum in rebus praedicamentalibus quoad

inlenliones secundas, sed eliam quoad ipsarum proprietalem Secundae inlenliones

dicuntur ab Avicenna pro tanto esse subiectum logicae , quia in eis reservatur ralio

enlis ralionis, quod est subiectum in logica, et non quia a subiecto logicae exrtudantur

inlenliones primae.

674) Periherm. Lect. 2: Non debet poni, quod significalio sit essenlialis forma

weis, quantumeunque detur, quod aliqua significalio naturaliler et inseparabititer concomiletur

vocem .... Dicendum est, quod forma diclionis magis convenienler ponitur

esse ralio significandi, quam signi/icalio, quia signi/icalio non est aliud, quam

quaedam repraesentalio.

675) Ebend.: Duplex est diclio et duplex verbum, quia est verbum vocale, quod

profertur sensibiti voce, et est verbum mentale, quod profertur non voce, sed menle

inlelligenle ipsam rem.

316 XIX. Graliadei von Ascoli.

Universale könne einerseits an sich unabhängig von der intentio iinwersalitalis

genommen werden, habe aber dann wieder ein doppeltes Sein,

nemlich entweder ein reales, welches ausserhalb der Seele ist, oder ein

esse intentionale (s. ebend. Anm. 634), welches in Folge einer species

intelligibilis in die Seele verlegt werde; oder andrerseits werde das

Universale mit dar intentio Universalitatis verbunden anfgefasst und man

sage dann, es sei so in der Seele; aber da man ja die Universalität

nicht der species intelligibiliit zuschreibe, sondern dem durch sie vorge

stellten Gegenstande und dieser letztere in den Urtheilen das allgemeine

Prädicat werde (s. bei Burleigh, ob. Anm. 579, 586, 599), so sei das

Universale auch in diesem Sinne ausserhalb der Seele, sowie die intenlio

universulitalis nur causal in die Seele verlegt werden dürfe, indem

auch sie gegenständlich ausserhalb sei und somit in einem tradilionell

gewordenen arabischen Ausspmche mit Recht der Accent auf die Worte

„in rebus" (vgl. bei Scotus, ob. Anm. 101) zu legen -sei676). Wenn

sonach Graliadei die Universalien so sehr realislisch nimmt, dass er sogar

je nach den Gegenständen von körperlichen oder von spirituellen Univer

salien spricht677), so dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch hier

der Ausdruck „res universalis" erscheint67*). Aber platonisch ist die

ser Realismus wahrlich nicht, denn es knüpft sich an denselben die üb

liche Polemik gegen Plato679), sondern er ist vielmehr eine scolislische

676) Praedicab. Lect. 1: Quaeramus, utrum universalia sint extra . inlellertum

vel sint solum in inlellectu De universali loqui possumus dupliciler: uno quidem

modo simpliciler quantum ad naturam suam non considerando ipsam, ut est coniuncta

inlenlioni unnersalitalis, et alio modo loqui possumus quantum ad naturam coniunctam

inlenlioni universalitat! s Primo modo sccundum diversum esse polest inreniri

in inlellectu et extra inlellectum; secundum esse inlenlionale est in inlellectu

informato specie vel simititudine , sed secundum esse reale non est in inlellectu

Secundo modo .... dici consuevit, quod universale est in inlellectu; sed si de hoc

velimus sublililer indagare veritalem, videbimus manifesle, quod eliam universale sie

sumptum est realiler extra intellectum Cum inlellectus attribuit homini universalitalem,

oporlel quod intelligat ipsum hominem; cum aulem inlelligit, oporlet quod

informetur specie vel simititudine hominis ; universalitatem aulem non attribuit huic

simititudini vel speciei hominis, sed homini repraesentato per ipsam , quia simititudo

hominis non praedicatur de hominibus singuiorit,us , sed de eis praedicatur ipse homo

Palet , quod universale quantum ad suam naturam coniunctam universalitali est

extra inlellectum Inlenlio universalitalis non est in inlellectu sicut in subiecto,

sed sicul in causa; sicut aulem in subiecto est in re habente esse extra inlellectum,

inquantum apprehenditur ab inlellectu. Auctoritas aulem commentatoris (A. h. des

Averroes, s. Abschn. XVI, Anm. 181), non enim dicit „intcllectus faci t universalitatem

in speciebus rerum", scd in ipsis „rebus".

677) Ebend.: Quia inlellectus est pure virtus spiritualis nulli organo corporeo

affixa, ideo, quamvis omnia, quae sensu cognoscuntur, sint corporea, non tamen omnia,

quae inlellectu cognoscuntur, sunt corporea, sed quaedam sunt spiritualia, sicut an

gelt, et quaedam sunt corporalia, sicut ista sensibitfa. Secundum hoc dicendum est,

quod non omnia universalia sunt corporalia nee omnia incorporalia , sed universalia

rerum sensibitium sunt corporea, et universalia rerum spiritualium sunt incorporea.

678) Ebend.: De rebus universalibus agitur a logico, secundum quod in ipsis

atlenditur praedicamentalis ordo, ordo aulem praedicamenli inler genera, species et

di/ferenlias versatur.

679) Ebend.: Hato, prout ei imponitur ab Aristolele (vgl. ob. Anm. 502), posuit,

universalia ita esse extra inlellectum, quod votuit eliam ea esse per se exislenlia a

singuioribus separata ...... Sed ista opinio sie inlellecta, sicut sonat, est omnino impussibilis.

XIX. Graliadei von Ascoli. . 317

Uebertreibung, welche allerdings bei einem Halb-Thomisten sich sonderbar

ausnimmt. . ,

Trotzdem aber behauptet er mit den Thomisten, dass das Princip der

individualion in der Materie liege, molivirt jedoch diesen Standpunkt

dadurch, dass, während vom Gattungsbegriffe zum Artbegrifl'e ein Fort

schritt der Vervollkommnung führe , der Uebergang vom letzteren zum

Individuum auf einer Verengung und Begränzung beruhe, welche Schranke

bei den Naturdingen nur in der Materie ihren Grund habe, sowie man

im Allgemeinen von sämmtlicben Individuen (also auch von den immate

riellen, d. h. von den Engeln) sagen könne, dass eine Beslimmtheit (delerminatio)

des Wesens das Princip der Individualion sei 680). Sowie

aber letztere Wendung bereits nicht mehr weit von der haecceüas des

Scotu.s entfernt ist, so drückt er auch die reale Auffassung des Indivi

duums, — abgesehen von der logischen , welche im Einzelnen stets den

Artbegriff erfasst, — wieder in scolislischem Sprachgebrauche aus681).

Aus der Einzelu-Exegese, bei welcher Graliadei in ziemlich breitspu

riger Diclion das tradilionelle Material (besondeis Aviceuna) benutzt, mag

erwähnt werden, dass er getreu seinem Standpunkte das ens ralionis

als höheres Allgemeines über den fünf Universalien u82) und ebenso über

den zehn Kategorien betrachtet 6S3), dass er gelegenttich mit Burleigl

(Anm. 612) die Begriffe intellectus purus, nudus, solus erörtert884), fer

ner ebenso wie Armand (Anm. 653) die theologische Wichligkeit der

Kategorie der Relalion hervorhebt685), sodann den Sex principia Gilberl's

eine principielle Stelle neben den Kategorien zuzuweisen sucht686),

f>80)'Praedicab. Lect. 7: Polest dubituri, quid sit principium individualionis;

videtur enim, quod forma, quia per idem habet res esse et esse tm,/m, sed unumquodque

habet esse per formam f'.'.«f dicendum, quod in rebus malerialibus princi-

[,iuM individualionis non est forma, sed maleria, ...... quia per contraetionem generis

ad speciem ipsum genus deducitur, ad certum perfeclionis yradum, sed per contraetioneu,

speciei ad tndividuum polius itle gradus perfeclionis, qui ponitur in specie,

li,iiilntitr et constringitur, sed perfeclionis limitalio et constriclio suae iolitudinis

est proprie ex eo, ex quo et per quod aretatur et constringitur iolitudo formae, hoc

aulem non est nisi maleria, uude individualio speciei in rebus materialibus attribuilur

maleriae. In logica aulem nostra d,ximus, quod communiler in omnibus principium

individualionis est delerminalio essenliac ad esse.

681) Ebene!.: Logice loquendo non addit tndividuum aliquid supra speciem rea

liler, sed autum secundum ralionem; si aulc.n, non logice, sed realiler loquamur, dicere

possumus, quod tndividuum itio addit supra speciem, sine quibus indiniduum esse non

polest in re. Vgl. ob. Anm. 137 u. 252.

682) Prooem. qu. 3: Quia unius scientiae debel poni unum subiectum et non

quinque, non quinquc ergo universalia, sed aliquid unum comprehendens quinque universqlia

debel poni subiectum in hoc libro Unde oportel dicere, quod ms ralionis

tractum ad ralionem praedicabitis de pturibus sit subiectum in Porphgrio.

683) Praedicam. Lcct. l : Ens ralionis sub ralione ordinabitis in praedicamento

est subiectum huius libri.

684) Praedicab. Lect. 1.

685) Praedicam. Lect. 12: ttulio huius praedicamenli (d. h. relulivni*) habet

quoddam singuiore inler raliones aliorum praedicamentorum accidentium, quia ipsa

manet in deo, alia vers praedieamenta ad divina transtata non manent secundum

raliones suas, sed transeunt in substantiam.

686) Sex princ. Lect. l : Distinguitur aulem ita liber hie ab alio, quia subiectum

libri praedicamentorum est ens ralionis indelerminali generis, sed in hoc libro est sub

iectum ens ralionis generis extrinsecus advenientis.

318 XIX. Graliadei von Ascoli. Johannes Baconthorp.

und der Lehre vom Urtheile ihre Selbständigkeit (vgl. Anm. 672) ge

genüber der Syllogislik gewahrt wissen will 087j.

Nur Weniges ist über den Karmeliter Johannes Bacouthorp

(gest. i. J. 1346) zu berichten, welcher iii seinem dickleibigen Commentare

zum Sentenliarius 68s) die logischen Fragen nur ganz gelegentlich

in Kürze berührt. Wenn er von theologischer Seite als Averroist be

kämpft wurde, so liegen diese Streiligkeiten bekanntlich im Gebiete der

Psychologie (unilas intellectus) und haben an sich mil der Logik Nichts

zu schaffen. Die Universalien verlegt Baconthorp mit ausgesprochener

Polemik gegen Plato in die objecliven Dinge derarlig, dass der univer

selle Gehalt gleichsam als Potenlialität vor aller Aclivität des Denkens den

Realgrund der Vorstellung bilde und dann von der Denkthäligkeit durch

Abstreifen der materiellen Bedingnisse erst zum eigentlichen Universale

erhoben werde689), so dass in Bezug auf diesen Vorgang auch hier (vgl.

Anm. 403, 432) zwischen genus naturale und genus logicum unter

schieden wird61"1). Auch der Begriff der Wahrheit fällt dann folgerichlig

in die Objecte, insoferne dieselben als erkannte mit ihrem eigenen Wesen

übereinslimmen691). Das Princip aber der ludividualion erblickt er in

jeuer Form, durch welche die Materie substanlielles Dasein bekomme,

woneben begleitweise das quanlitalive Dasein der Materie hergehe und

den Grund der Vervielfälligung enthalte, und er glaubt bei dieser

Auffassung sich in Uebereinslimmung mit Thomas zu finden692). In-

687) i'enlmm. Lect. l : Consuevit dici, quod scienlia huius liM pro tanto ordinatur

ad scienliam libri Posleriorum, quia enunlialio, de qua agitur in libro hoc, est

malerialis pars demonstralionis Sed ista posilio fundatur super inconvenienli

molivo, nam enunlialio non est pars demonstralionis nec ullius sgllogismi, Bist ut

subinduit ralionem proposilionis ; in hoc aulem libro non agitur de enunlialione sub

ralione proposilionis, sed sub ralione propria enunlialionis.

688) Doctoris resotuli Joannis Bacconis Anglici Carmelitae radianlissimi opus

super quattuor senlenliarum libris. Mediotani 1510. fol. 4 Bände.

689) I, Prot. qu. 2, f. XI v. B: Universale praecedit omnem actum inlellectus

possibitis et omnem speciem impressam Facit enim inlellectus agens de universali

in polenlia universale in actu f. XII r. A: Universale non oportet quod

kabeat aliquid, in quo sustenletur subieclive, aut aliquid, quo medianle formaliter

inhaereat, sed sufficit, quod habeat aliquid, cui innitatur, ne suum esse obieclivum

sit ficlicium f. XII v. B : Si universalia haberent esse extra animam, sicut posuit

Pioto, non indigeret Aristoleles ponere inlellectum agenlem; sed certum est, quod

universalitas praecedit molionem inlellectus et omnem eius actum exercitum

f. XIII r. A: Quidditas rei malerialis formaliler de se est intelligibitis, sed quam diu

est sub condilionibus malerialibus , non polest mon,ere inlellectum, sed sotum est in

polenlia ad movendum.

690) II, Dist. 3, qu. l, f. XXXIII ff.

691) I, Dist. 19, qu. l, f. CXXVII r. B: Ego aulem diea, quod.... polest accipi

veritas non pro itio adaequalione aut conformitale , quam importat actus inlelligendi

ad rem in esse cognito vel cognoscibiti ibi praecise sislendo, sed pro itio adaequalione,

quam ipsa res in suo esse cognito importat ad se ipsam in sua reali exislenlia extra,

sic inlelligente, quod veritas formaliler est ipsa reclitudo aut conformitas, quam

ipsa res ul intellecta importat ad se ipsam in rerum ndtura extra.

692) III, Dist. 11, qu. l, f. XXXIX r. B: Dico, quod forma est principium individualionis

nec de hoc debet esse opinio alia (v. A) Cum maleriae sit duplex

subsistenlia, se. substanlialis et quanlitaliv a, sicut per subsistenliam quanlitalivam est

indiriiliium de genere quantitalis , ita per substanlialem subsislenliam , quae est per

formam, erit aliquod individuum de genere substanliae , et ita esse tndividuum substantiae

est per se et primo per formam, sicut necessario et concomitanter per quanXIX.

Johannes Baconthorp. Petrus Aureolus. 319

et remissio formarwm bespricht er in der gewöhnlich üblichen

Weise 693).

Hingegen ein hervorragender Autor, welcher wahrlich nicht in der

bequemen Schablone „Thomisten und Scolisten" untergebracht werden

kann, ist Petrus von Verberia, genannt Aureolus (gest. nicht

vor d. J. 1345), von welchem wir einen Commentar zum Petrus Lombardus

und Quodlibeta besitzen 694). Derselbe bekämpft nach einigen

Kichtungen den Scolismus sowie nach anderen den Thomismus und liebt

es überhaupt, der Krilik der Standpunkte Anderer seinen eigenen nach

folgen zu lassen, welcher im Ganzen ein vermittelnder genannt werden

kann.

Sehr eigenthümlich ist schon seine Ansicht über die Aufgabe der

Logik : nemlich der eigentliche Gegenstand derselben könne weder in den

secundae intentiones liegen, da mit diesen sich auch Grammalik und

Rhetorik und in gewissem Sinne selbst die Metaphysik sich beschäflige,

noch iui Syllogismus , da dieser nur einer der mehreren Theile der Lo

gik sei, noch aus dem gleichen- Grunde im modus sciendi, noch auch

in ens rationis , da auch hierüber andere Disciplinen mitsprechen695).

Allerdings sei jedes Schlussverfahren in Theorie und Praxis ein logi

sches B96), aber natürlich sei darum noch nicht die ganze Logik nur

eine Syllogislik , sondern Gegenstand der Logik sei das Wort als Aus

druck der begrifflichen Gedanken (vox expressiva conceptus), denn die

Betrachtung des Logikers erstrecke sich genau so weit, als der Wortaus

druck, insoferne derselbe einfache Begriffe oder deren Zusammensetzung

oder discursive Vergleichung derselben betrelle , und was über diesen

begrifflichen Gehalt der Worte hinausgehe, falle bereits anderen Disciplilitalem

(B) Ilem hoc untu,i Thomas; non enim voluit, quod quunlitas esset principiutn

individualionis, sed mullitudinis.

693} I, Dist. 14, qu. l, f. CIX r. A. und III, Dist. 15, qu. \, f. XLVIII r.

694) Petri Aureoli Verberii Commentaria in primum librum Sentenliarum. Romae

1596. Desgleichen in secundum ebend. 1605, ebenso in lerlium und in quartum.

Ferner Quodlibeta sexdecim. Romae 1605. ful.

695) Sent. l, Prof., p. 65 B: Communiter consuetum est dici de logica, mbiectum

esse in ea modum sciendi vel inlenliones secundas vel sgllogismum lltud non

est subiectum in logica, quod est commune logicae et aliis quibusdam scienliis; sed

consideralio secundarum inteulionum compelit eliam grammalico et rhetorico, modi

namque »ir/n,ficandi sunt secunda inlenlio Praelerea ens in anima est secunda

inlenlio, secundae namque inlenliones non habent esse nisi in anima obieclive, sed c«x

in anima est proprie de consideralione primi phitosophi Nee in ea subiectum est

sgllogismus; ittud enim non est subiectum logices, quod non aequat tolam consideralionem

ipsius, sed ..... sgllogismo destructo duae partes principales (d. h. Caleg. u.

De inlerpr.) logicae remanerent Nec modus sciendi polest esse subiectum; modus

enim sciendi non est aliud, quam modus demonstrandi conctusiones et demonstralionum

principia assumendi; sed haec est una pars logicae tradita in libro Posleriorum, ergo

non est subiectum in tola (p. 66 A) Nee ens ralionis polest poni subiectum;

«ullum enim subiectum excedil consideralionem logici, cum modus significandi et parles

oralionis et coagruum et incongruum, quae considerat grammalicus, sint enlia ralionis,

et simitiler, quae considerat rhetor.

696) Ebend. p. 9 A: Forma consequenliarum et bonitas est de consideralione

logici Docens aliquem modum conctudendi ulitur Mo in quacunque maleria

Quia consequenlia el itiolio est una de secundis intenlionibus, ergo non perlinel ad

realem artificem Consequentiarum scienlia in omni maleria logic« est.

XIX. Petrus Aureolus.

neu aoheim, nemlich der Grammalik die fignificatio (— gegen Scotus.

s. ob. Anm. 12911'. —) oder der Rhetorik die psychologische Wirkung; auch

spreche nicht ,hloss die Etymologie des Wortes „Logik" , sondern auch

die Auctoritäl des Aristoteles für eine solche Auflassung B97). Dürfen

wir somit diese Ansicht als einen nominulislischen Aristolelismus bezeichueu,

so ist dabei sehr zu beachten, dass Aureolus die Logik als eine

praklische Geschicklichkeit betrachtet, deren ordnende Funclion ihren

Zweck in der Verwirklichung der übrigen Wissenschaften besitze, was

sich nicht hloss in der Doppelstelluug des docere und uti (vgl. Anm.

90, 452, 581), sondern insbesondere darin zeige, dass die Logik die

einzige Disciplin sei, welche ihren Gegenstand nach seinen drei genann

ten wesentlichen Thcilen selbst verferligt (operatur). so dass es sich da

bei nur um eben diesen, nicht aber um modus sciendi oder um intenlio

secunda handelt 1)68).

Eben aber jener begriffliche Gehalt der Worte führt ihn auf einge

hende Erörterungen über die intentio, betreffs deren er vorerst drei ver

schiedene Meinungen Anderer erwähnt, um sie zu krilisiren und dann

seine eigene auszusprechen. Allerdings haben wir im Bisherigen eine

weit grössere Anzahl von Ansichten über jenen vielbestrittenen Begriff

gesehen , und andrerseits könnte selbst ein leiser Zweifel übrig bleiben,

ob jede der drei Auffassungen gerade in dem Wortausdrucke, in welchem

sie Aureolus anführt, bei Einem der uns zugänglichen Autoren wiederer

kannt werden müsse ; doch als Docnment jener Zeit, in welcher Aureolus

schrieb, sind uns seine Angaben nicht unwichlig, denn gröbliche Irrthümer

scheinen bei ihm nicht ruitunterzulaufen. Die erste Ansicht, dass

die intentio nur actus intelligendi sei, welcher sich auf die Dinge richte

697) Ebend. p. 66 A: Dicendum est ergo, quod vox ut expressiva conceptus est

subiectum in ea. Illud enim , quod adaequal consideralionem logici , et e converso

i'uius species in part Aus logicalis scienliae sunt subiecta, ittud, inquam, est subiectum

lolius logicae; sed vox expressiva conceptus est huiusmodi. Nam vocum quaedam est

incomplexa conceptus simplicis expressiva, quaedam vero complexa expressiva

conceptus componentis et dividenlis, quaedam discursiva, sc. sgllogismus, et haec

subilcitur in logica nova. Et secundum lioc consideralio logici non excedit vocem

expressivam conceptus, nec adhuc exceditur, quia grammalicus non considerat vocem

ut expressivam conceptus, sed modos concipiendi, quos exprimunt modi significandi:

simitiler rhetor non considerat oralionem ul expressivam conceptus, sed ul impressivam

delectalionis et assensus Logica dicitur a logos, quod est sermo, ergo

est subiectum in ea Oralio ut expressiva conceptus, et non aliler, est subiectum

veri et falsi Praeterea Aristoleles ubique in logica sua consideralionem hanc

inctusit, ac si consideraret de vocibus conceptuum expressivis.

698) Ebend. p. 37 A : Logica est habitus praclicus, habet enim respectum

reguionlis in ordine ad actus inlellectus aliarum scienliarum et dirigit alias scienlias.

Logica et similes non habent pro fine actum proprium medianlibus ipsis elicitum,

sed actum aliarum scienliarum Nultus arlifex dividitur in docenlem et

ulentem, nisi sit praeticus Nultus specuiolis'us habitus operatur suum obiectum,

astrologia enim non facit coelos, sed logicns per habitum logicae facit oraliones

veri expressivas Subiectum enim logicae non est modus sciendi nec inlenlio

secunda, ut aliqui dicere votuerunt, sed oralio veri et conceptuum expressiva. Cuius

species sunt tres, sc. dictio conceptus simplicis expressiva, et proposilio complexorum

conceptuum expressiva, et sgllogismus discursivorum conceptuum expressivus

Constat aulem, quod non sotum ista spemiotur logica, imo et operatur;

ergo est habitus practicus, non specuiolivus.

XIX. Petrus Aureolus. 321

(lendit) und so entweder concret das äussere Sein derselben betreffe

oder abstract in der inneren Sphäre des Denkens die Aehnlichkeiton der

Dinge und deren Nameiisbezeichnuug enthalte , gehört offenbar der scolislischen

Richtung an (s. Scotus Anm. 106 u. 128, Antonius Andreas Anm.

456, 462, 465), obwohl „lendere" auch bei Herveus (Anm. 396), „con

cret und abstract" auch bei Armand (Anm. 631), und „denominalio"

auch bei Durand und Armand (Anm. 551 u. 634) sich findet099). Hiebei

aber tadelt Aureolus vor Allem eben das denominalive Verhältniss,

da dann die Begriffe kein anderes inneres Sein hätten, als etwa auch ge

malte Dinge durch das Gemaltwerden bekommen 700), und so werden wir

uns wohl wieder hüten müssen, den Aureolus als reinen Nominalisten zu

bezeichnen. Die zweite Meinung ist unverkennbar jene des Herveus (s.

Anm. 395 bis 399 , 403) , nemlich dass die intentio eine relalive Bezie

hung der Objecte auf das Denken sei , wobei die Realität an sich einen

Gegensalz gegen die Denkauffassung bilde , aber zugleich mittelbar als

ens ralionis das Substrat der vorstellungsweisen intenlio secunda sei 701),

und auch das Bedenken des Aureolus, dass dann überhaupt noch ein be

sonderes Verhältuiss (habüudo) nothwendig sei und insbesondere die Uni

versalien nur concrelive bestehen, slimmt wörtlich mit Herveus überein

(Anm. 396), wenn auch der Einwand, dass die secunda intentio von den

Kategorien ausgeschlossen sei, eher den mit Herveus verwandten Burleigh

(s. Anm. 593), als den Herveus selbst (vgl. aber Anm. 399) trifft702).

699) Sent. I, Dist. 23, art. l, p. 527 A: Dixerunt aliqui, quod inlenlio .;...

est actus inlellectus, qui pro tanto intcntio appeliotur, quia in alind lendit el obieclire

procedit, intellectiones aiilem quaedam sunt de rebus secundum esse, quod habent

extra, quaedam aulem sunt de rebus praesupposita prima intelleclione,

sicul inlelleclio vuircrsaliliilis Dixerunt ergo isti, quod intentio accipi polest in

abstracto vel in conereto , et in abstracto nit aliud est , quam quaedam rei cognilio,

quam habet intellectus penes se, in conerelo vero res ipso sit cognita (B) Se

cundum sie ponentes logica, quae considerat secundas intenliones, tractat de intelleclionibus

non ut sunt verae res, sed ul sunt rerum similitudines res ipsas denominantes.

700) Ebeod. urt. 2, p. 530 A: Evidenler deficit, quod ait, accidenlia inlel

lectus esse formaliler et in abstracto inlenlionem primam et secundam, et obiectum

tantum denominalive dici; (p. 531 A) qnod imaginatur , quod res concepta denominetur

tantummodo ab actu inlellectus et non capial esse inlentionale ptus, quam

Caesar, qui pingitur, capit J pictura.

701) Art. l, p. 52!s A: Dixerunt alii, quod inlenlionulitas in abstracto est quidam

respectus ralionis leuens se ex parte rei inlellectae in ordine ad inlellectun,

ipsum (B) Dicunt enim, quod habitudo rei cognitas ad in tum intellectus sit

intenlionalitas in abstracto , et ista pturificabitur secundum dislinclionem et ordinem

intelligibitium obiectorum, quod secundae inlentiones non habeant esse reale, imo

dividantur contra tnt,im esse reale p. 529 A: Dixerunt quoque, quod secundae

inlentiones non habent esse alicubi subicclive, nec in inlellectu , mm non sint actus

nec species, nec in rerum natura, sed tantummodo in intellectu obiective, quod

homo et animal non sunt formaliler primae intentiones , sed sunt immediata fundamenta

primarum intenlionum, et simititer nec universale aut parlicuiore sunt secundae

inlentiones, sed sunt fundamentum immediatum secundarum inlentionum,

(B) quod secunda inlenlio, si aceipitur in abstracto, nullo modo polest fundari super

rem extra immndiale exislenlem, sed super secundum genus inlelligibitium, quae sunt

enlia ralionis.

702) Ari. 2, p. 532 A: Animal aut homo, secundum quod huiusmodi, non sunt

primae intentionee , nisi ultra addatur eis reiolio aul habitus inlellecli ad actum in-

PBANTL, Gesch. HI. 21

322 XIX. Petrus Aureolus.

Endlich für die. dritte Ansicht, dass die prima intentio sowohl in der

Seele als auch ausserhalb derselben, und nur die secunda als Act des

Denkens in der Seele sei703), wobei Aureolus tadelt, dass mit der se

cunda intentio der Gegenstand der Logik erschöpft sein solle704), kön

nen wir aus der uns zugänglichen Litteratnr nur auf Armand (Anm. 629.

632) oder etwa auf firaliadei (Anm. 669) hinweisen. Seine eigene Mei

nung aber knüpft Aureolus an die hei dieser Controverse jedesmal wie

derkehrende Stelle des Avicenna , welche er von einem ausschliesslicheu

Conceptualismus aus interpr,Hirt 700); nemlich sowie die intentio weder

, der Denk-Act selbst, noch eine hlosse Beziehung sein könne , so sei sie

sicher Nichts anderes, als der vorstellungsweise Begriff (conceptus obiectivus)

, welcher Denkauffassung und Gegenstand derselben untrennbar

verbunden in sich enthalte und nur in einer Verschiedenheit der Rang

folge einerseits nicht reflectirt prima intentio und andrerseits reflecürl

secunda intentio heisse ; und erst die Vergleichung dieser beiderlei Arteu

der Begriffe unter sich führe innerhalb des ausgesprochenen Wortschatzes

zu einer gegenseiligen Relalivität, welche aber eben darum sich auch bis

in den Syllogismus hinein erstrecke 766),

Die nähere Erklärung aber dieses „Begriffes", welcher gleichsam an

. .Stelle,.der .tntefttto .U'cten soll, knüpft sich .an .eine Bekämpfung der scolellectus.....-

((l. 533 .A) .'f " • opinio dicit de universali et genere ei specie et di/ferenlia,

quod ista nec in abstracto, utpole universalitas, nee in conereto dicendo

universales sunt secundae inlentiones formaliter et in abstracto, sed tantummodo per

modum substrali et quasi concreliee, (B) quod homo et animal per hoc fien,

inlenliones in (onereto, quia stsbiiciuntur, universale vero simililer secundae inlentiones

fdum'iirr per hoc, quod subilciuntur tali habitudini, quae est inlenlionalitas in abstracto

(p. 534 B) Ait, secundas intentiones non esse in praedicamento.

703) Art. l-, p. 530 A: Alii dixerunt, quod prima inlenlio est ipsa rcra res

vel e&islens extra vel eliam in inlellectu subieclive, secunda vero intentio est ipsemel

n,ltis, inquantum e»t quodammodo obitrtun,. \

704) Art. 2, p. 538 A: Ail. logicam esse de lecundis inlenlionibus tanquam de

subiecto adaequato; hoc mim sture non polest. •l• ,-i, «

f* 705) Ebend. p. 530 B: Avicenna dicit, ...quod logica est de secundis inlenlio-

( nibus adiunclis primis; sed manifestum est, quod logica nan coniungit actum inlellectus

\ ,aetui inlellectus, sed conceptus secundarios conceplibus primis; ergo manifestum

\ est, quod secunda et prima intenlio non stint sctus inlelligendi, sed obieclivus

' conceptus. . ... . .. •, -, H « 1 - •,. , . -. .

706) Ebend. p. 539 A: Palet, quod intentianes n,Sn sunt ipse actus inlelligendi,

ul limjit opinio prima et h-,iia, nec eliam obiectum cagnitum, ut fundat reiolionem

ad actum inlelligendi sie, et huiumodi reiolio sit inlenlionalitas abstracta, ut posuit

opinio .secunda ; sed est ^,semet conceptus obieclivus per inlellectum formatus cioudens

indislinjuitxitiler canceplionem passivam et rem, quae concipitur per ipsam. Et idem

.estdtcta inlenlio, quod conceptus, et inlenlio prima idem, quod conceptus primi ordinis,

quos inlellectus formal circa res non reflectendo se super suos conceptus; in

lenliones vero secundae conceptus secundi ordinis, quos intellectus fabricat refleclendo

et redeundo super primos conceptus Sunt aulem omnes istae inlenliones huiusmodi

in praedicamento reiolionis , sicul palet , quod universalitas est reiolio universalis ad

parlicuiore et simitiler parlicuioritas reiolio ad universale, et affirmalio et negalio

sunt quaedam reioliones, coanexio eliam extremorum in medio Considerat ergo

logicus de islis non,,ut sunt quaedam enlia ralionis, sed proul reducuntur ad

oralionem enunlialivaa>,vet.:sgllogisticam vel dicibitem incomplexam. Ebend. p. 541 A:

Sgllogismus , quomodocunquc accipiatur, semper importat respectum, el polest dici,

quod sgllogismus reiolive dicilur ad conctusionem. Vgl. ebend. Dist. 36, art. 2,

p. 836 B. ,

XIX. Petrus Aureolus,

lislischen species intelligibilis, wobei Aureolus schärfer zu Werke, geht,

als Durand (s. Anm. 560 ff.). Nemlich allerdings sei zum Erkennen ein

esse intentionale erforderlich, aber man irre sehr, wenn man von einer

forma specularis als einer im Denken, oder in der Sinneswahrnehmung

gegenständlichen Realität spreche, sondern die objecliven Dinge selbst

seien es , welche ein erscheinendes Dasein (esse apparens) haben und

vom geisligen Blicke erfasst als begriffliche Vorstellungen (notitia oMectiva)

auftreten707); nicht bloss in den Irrthum des Platonismus verfalle

man, wenn man gegenständliche Formen als reale Eindrücke, auf welche

der Intellectus blicken müsse, annehme708), sondern auch die Richlig

keit aller Urtheile, welche ja auf unmittelbarem Anblicke Beruhen, müsse

man verneinen, weil die species intelligibilis des Subjectes nie jene des,

Prädicates ist709). Das Erfassen überhaupt (compfehensio) könne aller

dings ein sinnliches oder ein denkgemässes sein, der Unterschied beider

aber liege nicht in den Gegenständen, sondern nur in einer Modalität

des Erscheinens, insoferne die Sinnesobjecte quanlitaliv materiell erschei

nen und das Denken hievon abstrahirt 7lu); letzteres aber bestehe nicht

darin, dass die Vorstellung selbst sich sachlich von den materiellen Be

dingungen wegwende, denn dieselben seien ja sämmtlich Erkenqtnissobjede,

sondern die Abstraclion sei nur eine Modalität des Erkenneus be

hufs der Universalisirung 711); und in diesem Sinne .sei das Erkennen

an sich unmittelbar wohl auf das Allgemeine gerichtet, aber bei dem

Singulären verbinde sich hiemit die auf einer Empfänglichkeit beruhende

707) Sent. t, Dist. 9, art. l, p. 320 A: Omnis inlelleclio exigil rem positam in

esse inlenlionali, et itio est forma specutaris, de qua isti loquuntur, sed deficiunt a

veritale, quod habeat esse reale, quod sit subiective in intellectu vet phantasmale,

.... quod per itiom procedat inlellectus ad res, cum itio sit vera res, quam

inlellectus specuiotur (B) Res ipsae conspiciuntur mente, et ittud, quod intuemur,

non est forma alia specutaris, sed ipsamel res habens esse apparens, et hoc est menlis

conceptus sive nolilia obiectiva. • - i 'l -

708) Ebend. p. 319 A : Nulta forma realis' etcislens • subicclive' in intellectu vel

in phantasmale est ponenda, ad quam aspiciat inlellectus, cuius produclio diclio appelletur.

Forma ilio, 'quam nos 'adspicere e£perimur, dum inlelligimus'rosäfn simpliciler

aut florem, itio non est aliquid reale impressum inlellectui subieclive aul phantasmalt,

sed nee aliquid reale subsislens, sed est ipsamet res habens ' esse inle,lttonale

conspicuum (B) Redirct, quantum ad hoc, error Piotonis dicenlis, quod inlellecths

adspicit ad exempior, non ad ipsas res; ergo imfossibite est, quod talis forma 'realis

ponatur. Vgl. Anm. 721. ' .,..,.'..

109) Sent. t, Dist. 35, p. 2, art. 4, p. 784 A : Si species est id, ad quod prima

inlelleclio detcmiinatur, .tequitur, quod omnis proposilio et omnis enuntialio erit /ofso;

species namque praedicali non est species subiecli in aliqua proposilione, inlellectus

aulem enuntiat de hoc, quod adspicit, cum dicit „homo est animal".

710) Ebend. p. l, art. l, p. 752 ß: Comprehensio est quid commune ad intelligere,

imaginari e[ sentire ; differunt aulem ista non propler alia i'l alia aiiprehensa,

s,'d di/ferunt in modo apparendi. Sensui namque et itnaginalioni apparent res

sub conditionibus quanlitalis , irilelligere vero abstrabit ab isto modo quanlita

liv/) et maleriali. , ,. ... • .. , .. .«• •,

711) Ebd. p. 4, art. l, p. 808 A: Patct, quod est dictum, sntellectum abstrahere

a condilionibus malerialibus ; abstrahit quidem non obieclive, cum nulta sit malerialis

condilio, quam inlelligere non possit, sed abstrahit modaliler quantum ad modum

cognoscendi. ."•i• •• • '

21*

324 XIX. Petrus Aureolus.

Signatur des Individuellen (signabilitas passiva), welche keineswegs Sache

des Denkens selbst sei712).

Indem also erscheinendes Wesen (apparens) und Erkennen in ihrer

wahren Bedeutung sich wechselseilig einsehliessen ' 1:t), treffe die Be

slimmtheit der Objecte mit einem gewissen unabhängigen Elemente (06-

solutum) im Menschen zusammen (coincidü), welches keineswegs eine

blosse nackte Möglichkeit sein könne , die in lediglicher Passivität zum

Belmfe ihrer Bethäligung auf eine species intelligibilis warten uiüsste,

denn durch eine solche würden ihr nie die Objecte selbst gegenwärlig,

deren sie doch nothweudig eben deswegen bedarf , weil nur von ihnen

dem Erkennen Etwas eingeprägt werden kann , was dann in demselben

unabhängig auftritt ' 14j. Nemlich zum wirklichen Erkennen gehöre erstens

als Vorbedingung ein erscheinendes Object, zweitens als Fundament eine

gewisse Gestaltung des Intellectus , in welcher das übject sich abbildlich

ausprägt, und drittens als Vollendung die Auffassung der Erscheinung

selbst (apparitio); und das Begreifen (concipere) besiehe eben in jener

Gestaltung des realen Abbildes in seinem erscheinenden Wesen 7 1 5). So

ergibt sich folgende präeise Unterscheidung: Begriffliche Auffassung (conceptio)

ist jener Denkact, welcher das (abbildlich) gestaltete Object in Be

zug auf den schaffenden Denkuct selbst und in Bezug auf das Endziel,

d. h. auf die wahre Einsicht, betrachtet; Begriff aber (conceptus) ist das

in solcher Weise gesetzte Object; Wort oder Kundgebung (dictio , locutio)

ist der Denkact, insoferne er das Object in Bezug auf den schaffen

den Denkact selbst betrachtet; Einsicht (intellectio) ist das Endziel, für

welches das Ganze vor sich geht71?).

712) Ebd. ai-/. 4, p. 826 B: Inlellectus est per se et ,mmcdtali. universaliun,,

singuiorium vero non sine sensulione vel imaginalione passiva, quia signatum initinduum,

inijuantum signatum, converlitur in talem signaltönem vel signabilitalem passivam,

quam facit imaginatw vel sensus et nuliolenus intellectus. Ebenso Sent. n,

Dist. 11, art. 2, p. 144.

713) Ebend. p. l, art. t, p. 753 A: Apparats connotat inlelligere tanquam ittuä,

cui apparet, sed e converso inlelligere connolat ipsum tanquam id, quod apparet

(den von Aureotus hier oft gebrauchlen Ausdruck connolare s. Abschn. XVII,

Anm. 598).

^ 714) Ebend.: Ista formalis ralio, quae connolat delerminatum aliquid,

oporlet, quod fundetur vel polius quod coinridat et delerminetur per aliquod absotutum

in ereatura, quod quidem non polest esse nuda polenlia Mellectus respectu inlelligibitium

omnium (p. 753 B) Praesenlia obiectorum est necessaria ad omnem

comprehensionem, sed non esset necessaria, nisi imprimeretur aliquid absotutum

ab obiecto in intellectum et celeras comprehensivas polenlias (p. 754 B) 0uamvis

ergo per spsciem vel per absolutum forte possint res esse praesentes, nihitominus

per agere auf recipere speciem non possunt res esse praesentes, cum baec sint quidam

respectus. Ergo non est possibite, quod inlelligere formaliler sit pali vel recipere

speciem aul agere per eam.

715) Ebend. p. 756 B: Ad inlelligere actuale tria concurrunt: unum quidem

quasi praevium, sc. polenlia obiecti in esse apparenli; aliud vero ut fundamentum,

sc. inlellectus informatus simititudine , sequitur enim inlellectum sie informatum apparilio

obiecli; lerlium vero ut complementum, sc. apparilio. Unde non est aliud con

cipere aliquid, nisi formare iltud per simititudinem realem exislenlem in intellectu.

formare — inquam — in esse apparenli inlellectui ipsi. Sie inlelleclio formalionem

exigit per modum praevii, formaliler vero consislil in reali similitudine, conuolaliee

vero in ipsa apparilione.

716) Senf. I, Dist. 9, art. l, p. 323 A: Actus inlellectus appeliotur conceplio,

XIX. Petrus Aureolus. 325

Was aber die Frage über die Erkenntniss des Singulären betrifft,

theilt Aureolus folgerichlig weder den Standpunkt des Thomas, noch je

nen des Scotus71'), sondern indem er zwischen tndividuum vagum (s.

Abschu. XVII, Anm. 406) und sulstratum, unterscheidet und ersteres nä

her an die Universalien rückt718), gilt ihm bei letzterem die Individuali

tät selbst als ein eigener Begriff, welcher getrennt neben dem Wesens

begriffe des Individuums hergeht719); denn die Quiddität sei immerhin

gewissermaassen ein Qualitalives, welches als das Wesen eines concreten

Trägers (huius) ausgesagt werde, während beim Individuum der Begriff

als ein Dieses-Sein (Aoe) selbst aufgefasst werde und die individuelle To

talität enthalte720).

Während dem Aureolus bei solcher Auffassung des Begriffes und

des individuellen Wesens der Platonismus so sehr als unhaltbar erscheint,

dass er ihn sogar eine Windheutelei (vaniloquium) nennt721), kann er

in der Universalienfrage die übliche Dreigliederung annehmen, indem die

Aussage das post rem, die ratio universalis das ante rem und die concrete

Existenz das in re repräscnlirt 722); und sowie ihm ontologisch als

inquantum adspicil rem formatam sub habitudine producenlis et sub habitudine eins,

cui producitur in esse apparenli. Concipere enim est 'producere intra se Quia

per actum inlellectus res producitur in esse apparenti intra ipsum inlelligenlem, merito

tolum hoc appeliotur conceplio, et res sie posita appeliotur conceptus; nclns

aulem inlellectus, inquantum adspicit in ralione producentis rem huiusmodi apparenlem,

intantiim appeliotur formalio vel diclio vel loculio; actus vero inlellectus, in

quantum est ittud, cui res itio formatur et cui producitur in esse apparenli et relucenli,

intantum dicitur inlelleclio v'el intuiliv.

717) Sent. l, Dist. 35, p. 4, art. l, p. 805 A: Aliqui dicere votuerunt, singuiore

maleriale ab inlellectu nostro primo et direcle cognosci non passe, indirecle aulem et

per quandam reflexionem (s. Abschn. XVII, Anm. 500) (B) Dixerunt vero alii,

quod inlellectus nosler singuiore inlelligit directe, imo primo, quam universale (s. ob.

Anm. 119).

718) Ebend. p. 812 B: Palet, quomodo inlellectus nosler inlelligit singuiore;

vagum enim inlelligit per se , sicut et universale, non est enim communicabite nec

cognoscibite demonstrando aut designando ; singuiore vero substratum non in

lelligit nisi ponendo differenliam intcr actum imaginalionis designalivum et ittud, .

ad quod talis actus demonstralivus delerminatur.

719) Sent. II, Dist. 9, qu. 3, art. 3, p. 1 14 B: Concipiendo hunc hominem nihit

addo in conceptu ad hominem, sed sunt duo concepti,s omnino separali, nec unus

allerum ineludit, ncc unus se habet ad allerum per addilionem. Ebend. Dist. 12, art.

3, p. 164 A.

720) Sent. III, Dist. l, art. l, p. 336 A: Differt aulem a conceptu supposili

(d. h. des Singulären, vgl. ob. Anm. 109 u. 251) conceptus naturae , quia conceptus

supposili ab omni abstrahit qualitale et concipitur ut hoc et ut tolum; quidditas aulem

de se qualitas est quaedam et concipitur non ul hoc, sed ul huius, quod in suo con

ceptu completo habitudinem quandam importat.

721) Senf. I, Dist. 35, p. 2, art. 2, p. 777 A: Nosler inlellectus non sotum

novit universalia, imo et singuioria, in quae sub propriis ralionibus non polerat deducere

nolilia idearum, quas Pioto ponebat. Ebend. Dist. 36, p. 2, art. 3, p. 855

B: Ideac, sicut inlellexit Pioto, sunt aliquid monstruosum et vanitoquium. Vgl.

Anm. 708.

722) Sent. H, Dist. 11, qu. 3, art. 2, p. 138 A: Universale polest tripliciter

accipi: vel universale in praedieando, quod est poslerius et abstrahitur a rebus; ....

eel species universalis in intellectu, quae sit species repraesentans universalem ralionem;

lerlin modo polest accipi in existendo , quia ad ptura se exlendit unum

exislens eliam existendo parlicuioriter.

326 XIX. Petrus Aureolus.

letzte Basis der Universalien ante rem die Ideen 'der göttlichen Intelli

genz gelten 723), so weist er für die Logik darauf hin, dass die blosse

conformitas der Objecte wohl ein Mittel, nicht aLer das Endziel des uni

versellen Begriffes sei 72*).

Nach dem so ehen (Anm. 720) Bemerkten kann es uns nicht uner

wartet sein, sondern nur als folgerichlig erscheinen, dass sich Aureolus

bezüglich -des Principes der Individualion völlig an den Scolismus anschliesst

725) und Lei der entitas positiva des Scotus sowohl für die

materiellen als auch für die immateriellen Individuen begnügt726). Hin

gegen hält er in Folge seines Conceptualismus mit den Thomisten die

unitas formae aufrecht 727), allerdings mit dem vermittelnden Zugeständ

nisse, welches bereits1 Aegidius (oh. Anm. 384 f.) gemacht hatte, dass zu

einer einheitlich abschliessenden Form mehrere andere als unentbehrliche

integrirende Theile sich vereinigen können 72s). Aber weil eben (wie bei

Aegidius) eine solche Mehrheit nur Sache der Denkauffassung sei, ver

wahrt er 'sich mit grösster Entschiedenheit gegen die formalüates des

Scotus, deren realislische Seite den Begriff unfähig mache, der Ausdruck

der Quiddität zu sein 729), da man dabei nothwendiger Weise die ein-

TOT-r-,Trv-;". ,', •, ••',... .'. . ,',,.. ,,. „. , . . • ; .' , "• -. •

1 723) Slfnt. l, Dist. 36, an. 2, p. 848 A: Individua, species et genera ife prae-

' dieamento substanliae habent dislinctas ideas, celera vero non, quamvis habeant aliqv.

aliler cr/ideas mm itlis, ' a quibus separari non possunt in divina intelligenlia.

Ebend. art. 3, p. 854 A: Illud, quod omnia imitantur, et ipsum nihit imilatur, ha

bet proprie ralionem ideae et principbliler , sed omnia imitantur essentiam deitalis

it: s.' f. '"•"..•

724) Sent. II, Dist. 3, qu. 2, art. 2, 'p, 63 B: Licel conformitas sit medium,

quo deveiüm'us lid c'anceptum uhivershlis, tamen inlellectuk non sistit ullimale in ilio

coriformiiale . se,f in co'nceptu universalis, quöd hon inctudit intrinsece itiom conformitalem.

"

• 725) Senf.' II,' Dist.^Q, qu.' 3, art. 3, p. 114 A: Quasro er<jot quid sit prfacipium

individualionis Realiler loquendo quaeslio nulla est , cum quaeritur-, 'q[tld äddil

Individuum ad rälionem speiiei, quoniam omriis res eo, quod' est, singularitb* vst, et

eo ipso, quod cst (ndifferehs et communis ralio, est concepta. Ideo quaerere aliquid,

per qvidres, quae i'xtra' inlellectum est, est singularis , nihit est quaerere (B)

Tunc cum qu'aeritur", per quid est res singutaris , dico, quod ouinis res est se ipsa

singuioris el-per nihit aliud, sed per itiom.

726) 'Ebend. p. 114 B:1 Iridwldmiul: iit quantis habe't,quod'possit'cöhilbere secum

qliud mdi'viduu'm et quod Hit divisum ab omret aliö' individUo in sfecie ista per

• ralivnem qhamiMts ' Vn non' quanlis, puta in angelis et huiusmodi^ individuum

habet per propriam entitalem, quod sit dislinctum ab omni individüo. •' '

'727) Ouddl. 3;' aM.''l, p. 19 B: tfoniia est nAitas fundamentsiläer, h&m'est causa

indivisiönis compositi et fimddmerituhi . . . . -. Si forma est unitas ^ forma alslem no«

uliquid positnum -nisi entitäs, seqüitur, quod nullä raliö potiliva imparletür per imtlälem,

nisi ralio enlitalis formala, ' et per consequens ' iii' formä roltB ehtitalis et unitalis

non dicunt. duas raliones nositivas, sed unam. '"'•"' '''"'•

728) Sent'. II, Dist. l6, qu!2, art. 3, p. 217 A'r Simplhitbs fonhae polest inlelligi

'dufllicilef: yvel qmd non resolvitur fn formas , h. e.in partes, quarum quaelibel sit

'/orm'A; 'el-hoc modix c'oncedo .'. . J .''."tfek ferma dicitur simplex, quia exctudit realilales,

tquarumana''e'lcctusa''priih'i) possit remanere. De tali simpiicitale loquendo non repulo

inconveniens, quod forma aliqua, quantumeunque simplex, habeat in se tales riealitales,

' 'ut habeaht in se' aliqüid, quvd' cum 'uliö in eodem inlegral ralionem indivisibitis for

mae, quöU 'quitiilm sit'üÜimata realitas, per quam forma capial propriam terminalio-

''n'eni ab' alid forma, 'qua ' aniota"re'maneat forma truncata non -Velinen* rälionem et

distinelionem förm'ae.' tioH non est impossibite 'nec repugnkt simpticitali formae ipsim.

729) Senf. II, Dist. 3, qu. 2, art. 3, p. 64 B: Genus et 'diflerenlia exprimunt

XIX. Petrus Aureolus. Wilhelm Occam. 327

heitliche Wesenheit in eine reale Vervielfälligung zerreissen müsse 730):

Und da eben diese Wesens-Einheit in der Form liege, welche wohl einer

Gradabstufung ihrer Spannkraft fähig sei , aber nicht zerbrochen werden

dürfe731), so könne von einer intensio et remissio furmarum nur rela

liv im Hinblicke auf die Fähigkeit der concreten Träger der Formen die

Kede sein 732).

Haben wir somit den Aureolus als einen Autor kennen lernen , ge

gen welchen ein Albert und ein Thomas, sowie manche Andere, unver

gleichlich weit zurückstehen, und hat sich uns bisher überhaupt znr Ge:

nüge gezeigt, dass die bis jetzt bestehende Behandlung der Geschichte

der Scholaslik dem wahren geschichtlichen Sachverhalte nicht entspricht,

indem man den üblichen Anschauungen der Theologen folgend etliche

Autoren als Hauptfiguren ausschliesslich darstellte und die mannigfach ver

schlungene Parteistellung vieler anderer schlechthin ebenbürliger Autoren

ignoriren zu dürfen glaubte , so führt uns nun der geschichtliche Faden

zu Wilhelm Occam (gest. i. J. 1347), bei welchem jene Missstände

der bisherigen Geschichtschreibung sich in erhöhtem Maasse fühlbar ma

chen ; denn was durch den Hass der Theologen über ihn in Umlauf ge

setzt wurde , dass er nemlich die Universalieu als flatun vocis bezeichnet

habe, findet sich in seinen Schriften gar nicht, und was er in der Uni

versalienfrage wirklich behauptete, haben vor ihm und gleichzeilig meh

rere Andere gleichfalls ausgesprochen, und endlich was ihm in der That

omnino eändem realitalem, ut nulio distinctio sii apud itio in esse, sed tantum apud

inlellectum p. 65 A : Si ponerentur plures realitales in una re vel ptures gradus

sive ptures formalitales, ut dicunt alii, aut essent aliquid extrinsecum respicienles

realitalem, aut essent aliquid intrinsecum. Si primo modo, tunc conceptus generis

et differenliae nun exprimerent quidditalem rei , sed aliquos modos adiacenles rei;

oporlet ergo, -quod dicant aliquid intrinsecum, et tunc erit allerum ul actus, allerum

ut polenlia. Vgl. Sent. IV, Dist. 11, qu. 4, art. l, p. 107 B.

730) Quodlih. l, p. 2 B: Fuit quorundam opinio (s. be'i Scatus, Anm. 154), qüöd

in eadem re simplici possunt esse ptures formalitales dislinctae ex natura rei, et aliqui

vocaverunt eas modos reales, aliqui raliones reales, aliqui inlenliones, aliqui

quidditalivas raliones , el omnes idem exprimere tnlendunt ...... p. 3 B: ImpoSsibite

est et contradiclio, quod in eadem re omnino simplici sint ptures modi auf rationes

reales, inlenliones, formalitales, quidditales, sive quocunque nomine censeantur, quin

proporlionaler sint ptures res el essenliae. Ebend. p. 8 A : Omnis formalitas extra

inlellectum est aliqua realitas el aliqua essenlia, et ita nun differunt in aliqua re

formalitas et realitas Nunquam mulliplicatur extra intellectum formalitas, quin

mulliplicetur realitas.

731) Sent. II, IHst. 15, art. l, p. 203 B: Forma non est aliud, quam actualio

el lerminalio ac distinctio maleriae. Non est enim imaginandum, quod forma sit res

aliqua praecise acceptabilis, et quod adveniat maleria mediante unionc,. quae est retulio.

sed uniune. quae est indivisio in aliquo lerlio; unde forma individitur maleriae,

st sx ipsis sie ihdivisis ac indislinclis resultat unitas ipsius compositi ipsis exislenlibus

in composilo..... Aliud est formam intendere el remitlere et diminuere, et aliud

esl ipsam frangere, ut sie fracta amittat passe dare effectum formalem subiecto et

maleriae ; et hoc, quia, ut sie est fundamentata, non salvatur in ea ralio formae.

732) Senf. I, Dist. 17, p. 3, art. 2, p. 452 A: Formae in abstracto possunt dici

maiores seu perfecliores, sed magi, et minus adverbialiter non dicuntur . , . . .

Realitales, lecundum quas sil formae intensio, non distinguuntur specifice ,lec numr.-

raliter nec aliquo modo in actu Forma non est subiectum molus inlensionis,

quia non suscipit gradum Formae non susgipiunt magir et minus in se, sc. in

ordine ad essenlialia praedicata, respertn vsro suhiecti dicuntur magis et minus.

328 XIX. Wilhelm Occam.

allein eigenthümlich ist, hat his jetzt überhaupt Niemand gewusst, nemlich

dass bei ihm die byzanlinische Logik zur grundsätzlichen Basis geworden

ist. Auch die Ansicht, dass mit Occam die Periode einer Auflösung der

Scholaslik beginne , dürfte als schief bezeichnet werden , insoferne sie

gleichfalls schliesslich auf einem theologisirenden Standpunkte beruht.

Denn in jenem einzigen Gebiete, welches innerhalb der zwitterhaften mit

telalterlichen Bestrebungen dem philosophischen Impulse am nächsten liegt.

nemlich in der Logik, beginnt gerade durch und nach Occam erst vollends

das üppigste Dickicht scholaslischer Litteratur; und wenn andrerseits

Occam die Incommensurabilitäl des philosophischen Denkens und der dog

malischen Theologie förmlich zum Grundsatze erhebt und somit eine Schei

dung der Gebiete auch gegenüber den oben (Anm. 10 ff. u. 25) er

wähnten Censuren vertritt733), so dass er für alle Gegenstände religiöser

Auffassung jeden Versuch einer syllogislischen Begründung und Formulirung

als unzureichend oder als widerspruchsvoll abweist734) und folglich

hiefüf nur die unmittelbare Myslik des Glaubens übrig lässt, so ist er in

dieser Beziehung allerdings ein Gegner des Thomismus und jener selbstgenügsamen

theologischen Katheder- Weisheit , welche das logisch Unge

reimte logisch zusammenreimen will; aber der Thomismus ist ja nicht die

ganze Scholaslik, und die Unmittelbarkeit der Myslik tritt nicht erst durch

Occam als etwas Neues ein , sondern nachdem bekanntlich schon Hugo

von St. Victor735) und seine Anhänger lediglich das innere Moliv des

praklischen Glaubens betont hatten, waren es ja seit Honaventura 73B) vor

Allem die Ordensgenossen Occam's , nemlich die Franziskaner, welche

überhaupt der hierarchischen gelehrten Theologie den Rücken kehrten

und in der Religion eine praklische Seelen-Arznei erblickten. Hiemit

hängt auch die Opposilion der Franziskaner gegen die Päpste zusammen,

an welcher sich bekanntlichst Occam in derarliger Weise betheiligte, dass

ihm die Sympathien aller Unbefangenen zugewendet sein müssen ; aber

sowie jene Tendenzen mit real-polilischen Zeitverhältnissen untrennbar ver-

733) Dialogus (gedruckt s. 1. et s. a. (öl.) P. l, L. II, c. 22: Asserliones praecipue

phitosophicae, quae ad theologiam non perlinent, non sunt ab aliquo solemnitee

condemnandae seu inlerdicendae, quia in talibus quitibet debet esse liber, ut libere

dicat, quod sibi ptacet. Et ideo, quia dictus arehiepiscopus damnavit el inlerdixit

opiniones grammalicales, logicales. et pure philosophieas, sua scntenlia fuit lemeraria

reputanda. Ebend. : Opinionem Thomae de unitale formal: in homine inler alias londemnavit,

el tamen tu scis, quod ptures Parisiis ipsam publice lenent et defendurif

et docent, et ita de mullis aliis. Ebend. c. 21: Excommunicantes polestalem, quum

non habebant, indebite usurpaverunt. Andere specielle Beispiele unten Anm. 791, 802,

828. 839, 871, 1039, besonders aber 964.

734) Hauptsächlich ist es das „Centitogium theologicum" (gedruckt als Anhang

des Commentares zum Senlenliarius), in welchem Occam dieses Verfahren durch

gängig übt und hiedurch den Forscher zu einer Vergleichung mit Abäiord's „Sie

et JVtm" reizt. Derjenige aber, welcher jene Schrift Occam's in geschichtlichem

Inleresse zum Gegenstande eines speciellen Studiums machen wollte, müsste un

umgänglich vorerst sich mit Petrus Hispanus und den oben vorgeführlen Erwei

lerungen der byzanlinischen Logik völlig vertraut gemacht haben ; denn dort allein

liegt der syllogislische Schlüssel aller im Cenlilogiuro aufgcthürroten Beweise und

Gegenbeweise.

735) S. Abschn. XIV, Anm. 43 ff.

736) S. Abschn. XVII, Anm. 552.

XIX. Occam (Schriften). 329

bunden waren , ebenso kann aus denselben in litterarischer Beziehung

noch durchaus kein „Verfall der Scholaslik" geschlossen werden.

Unter den zahlreichen Schriften Occam's gehören hieher: der Commentar

zum Petrus Lomhardus 737), die Quodlibeta13*}, und insbesondere

zwei Bearbeitungen der Logik, nemlich die Exposüio aurea super artem

velerem (den Porphyrius, die Kategorien und Du interpret. enthaltend),

welche wir in einer jüngeren Redaclion besitzen 73!'), und die Summa

tolius logicae, welche uns gleichfalls nur in einer Form überliefert ist,

die von späteren Occamisten herrührt740). Indem aber Occam in all sei-

737) Das Titelbiott ioutet: Tabuioe ad diversas huius operis magistri Guithelmi

de Ocham super quatuor libros senlentiarum annotaliones et ad Centitogii theologici

eiusdem conctusiones fäcile reperiendas apprime conducibites. Nach diesem Register

aber folgen ohne neues Titelbiott: Argulissimi alquc ingeniosissimi tam phitosophicarum

quam theologicarum dißcultatum disquisitoris magistri Guithelmi de Ockam

anglici super quatuor libros sentenliarum sublitissimae quaestioues etc. Gedruckt ist

das Ganze Lugduni 1495. fol.

738) Ohne Titelbiott: Venerabilis inecploris fratris Guilhelmi de Ockam anries,

saerae theologiae magistri, veritatum serutaloris acerrimi, de «laleriis plurimis grammalicalibus,

logicalibus, phisicalibas, mathemalicalibus. metaphisicalibus et polissime

theoloaicalibus Quollibeta numero seplem feliciler initium sumunt. Am Schlusse Argenlinae

1491. fol.

739) Exposilio aurea et admodum ulilis super Arto» velerem edita per venerabitem

inceplorem fratrem Guitielmum de Occham cum quacstionibus Alberti pami de

Saxonia. Bononiae 1496. fol. Jedoch am Schlüsse des Buches lesen wir: /-.f sie

est finis tum expositionum super lolam artem velerem secundum meulem venerubitis

inecploris Guilielmi de Occham tum profundissimarum quarslionum Alberti

parvi etc., und es ist hieraus nach der üblichen Bedeutung der Worle „ad mentcm"

zu schließen, dass das Ganze nicht aus erster Hand von Occam herrührt (vgl. ob.

Arn» 529), sondern allenfalls auf nachgeschriebenen Heften beruht; auch wird ja

in jenen Theiten des Commentares, welche nicht dem Albert de Saxonia angehören,

öfters der „renerabitis inceplor" oder „venerabitis expositor Ocham" seihst genannt

(z. B. Praedicam. c. 3 zweimal), und bei der arbor Porphgriana (Praedicab., De

specie) lesen wir die ergötzlichen zwei Uislicha: Smn litis genitrix, solis sed nota

perilis, Per n,e quam plures erubuere viri; Sed decm et splendor nilidissimus Ocham

Ingenio cioram me facit esse suo. — Uebrigens ist der Druck nicht paginirt, und

ich kann daher nur im Grossen nach Capiteln ciliren. ,

740) Der älteste Druck ohne Titelblatt beginnt: Quam magnos veritalis sectaloribus

afferal fructus etc. Am Schlusse vor der Capilel-Uebersicht sleht: Explicit

tractatus logicae frutris Guitlermi Ockan divisus in tres -parles et unaquaeque pars

per capituio dislincta est. Impressum est hoc opus Pari, in vico ciouso Brunelli.

1488. fol. Der dort gedruckte Text erscheint nun durchgängig wörtlichst idenlisch

in den jüngeren Ausgaben , nemlich in Summa tolius logice Magistri Guielmi [sie]

Occham Anglici logicorum argulissimi nuper correcta; am Schlusse: Explicit maqna

constructio logicae fratris Guielmi Occham etc. Veneliis 1508. 4, und desgleichen in

Logicorum aculissimi summa lolius logicae magistn Guitelmi de Occham etc. am

Schlusse wie so eben. Veneliis 1522. fol. (ebenso auch Veneliis 1591. 4; seihst

Haure'uu, De ta pbit. scot. II, p. 421, macht ganz falsche Angaben, denn es exislirt

nicht neben einer Summa logiees noch eine Maior Summa logices, sondern der Text

dieser sämmtlichen Drucke ist schlechthin idenlisch). Aber wenn der aufmerksame

Leser alsbald entdecken muss, dass dieser Text unmöglich in seiner Tolalität so

aus Occam's Händen hervorgegangen sein kann, so geben nur die genannten jün

geren Drucke (in den Dcdicalionen und am Schlusse) den Aufs, htuss, dass wir eine

Uebflrarheitung der ächlen Summa Occam's vor uns haben, welche gegen Ende des

16. Jahrh. in Oberitalien veranstallet wurde, als dnrtselbst .sich eine förmliche

Schule des occamislischen „Nominalismus" etablirte. Man druckle ja damals in

solchen Dingen nur dasjenige, was man brauchte und wie man es brauchle. d. h.

330 XIX. Occaro (Schriften). «

nen Schriften sich selbst ausserordentlich oft wiederholt und dabei in die

Wiederholungen wieder anderweilige Gesichtspunkte einflicht, welche an

derwärts abermals wiederholt sind, so bietet die Darstellung seiner Logik

bezüglich des Quellen-Nachweises eigenthümliche Schwierigkeiten dar, wel

chen ich nur durch manigfaehe Vor- und Rückweise einigermaassen ab

helfen kann, so dass der Leser, welchem es um die Sache zu thnn ist,

hiemit gebeten sein mag, diesen wechselseiligen Verweisungen wirklich

nachzugehen. Jedenfalls jedoch wird es das Geeignetste sein , wenn ich

vorerst Oceam's Auffassung aller damaligen Controverspunkte (d. h. inlentio,

conceptut, species intelligibUis , Universalien , Princip der Individualionl

u. dgl.) cnllecliv aus sätnmllichen einschlägigen Schriften darzu

stellen versuche, und erst hernach die einzelnen Theile und Lehren der

eigentlichen Logik folgen lasse, wobei ich niich an die Anordnung der

Summa totius logicae werde halten müssen.

Vor Allein schliesst sich Occam denjenigen an, welche die Logik zu

den praklischen Disciplinen zählten (s. Roger JJaco Abschn. XVII, Anm.

561 , Graliadei ob. Anm. 667 f. und besonders Aureolus ob. Anm. 698,

häufig ohne mit diplomalischer Treue ein alleres Original als solches reproduciren

zu wollen (sogar manche Drucke pioulinischer und lerenlianischer Comüdien welche

man damals in Oberitalien wirklich auffnnrte, dienen hiefür als Beispiel). Kurz es

zeigt sich (s. z. B. die Kehrseite des Titelbiotles und den Schtuss, d. h. f. 81 T.B,

der Ausgabe r; 1522), dass der Cölesliner Marcus de Benevenlo, „infer cos,

,]uos nominales vocant, minimus" das Werk üccam's, welcher als „Inceptor (vgl.

vorige Anm.) saerae schoioe inviclissimorum Nominalium" galt, neu redigirte; denn

während er derjenige genannt wird, „qui aetale rtösfro veram Nominalium academiam

in Italia suscitavil", sagt er seihst in der an Johannes Antonius de Mbergalis Rononiensis

gerichtelen Dedicalion : „Quio huius veridici dogmalis princeps Magisler

Guitelmus de Occham ex online fratrum minurum Summam quandam tolius logicae

mira doctrina miroqtle ordine composuit, ideo eam libi proposui, quam iuxta modutum

mei ingenioli libi tucidam feci; '; certe ioborem nun medioerem humeris meis

imposui , quem tamen pro le votui tolerare, et si hinc aliquam ulititalem iuvenes

asportaverint, non mihi , sed libi gralias habeant etc." Von diesem Marcus von

Benevent rührt nun nicht bloss jener Prolog her („Quam magnos veritalis" etc.),

welcher in allen Ausgaben vorangestellt ist, sondern auch sämmtliche Tilelüberschriften

der einzelnen Capitel und ausserdem manigfaehe Erweilerungen des Lehr

stoffes, welche sich bald' deutlicher bald undeutlicher als spälere Zusätze verrathen.

Wenn wir z. B. l, 10, f. 5 r. B lesen „Nune de alia divisione nominum, quibus

sehoioslici frequentur utuntur, est dicendum", so kann dies unmöglich Occam selbst

geschrieben haben; oder wenn III, 3, 38, f. 70 v. A gesagt wird „Ideo ad islius

summae complelionem, quae de omni modo anjuendi generalem tradit noliliam, sunt

aliqua persm,tanda el primo disserendum est de obligalionibus", so bedarf es nach

solchem Gestandnisse keines weiteren Beweises, dass die dort eingereihten Oblii/nliones

und Insolubitia eine spälere Interpoiolion sind. Aber wenn ich somlt in

der Dnrstrllnng der Summa' tntim, logicae mit möglichster Vorsicht verfahren und

vorerst krilisch das Spälere ausscheiden soll, so bleibt, wie die Dinge einmal

liegen, zur Beantwortung dc-r Frage, ob Etwas noch von Occam selbst herrühren

könne oder nicht, häufig nur das Kriterium des subjecliven Gefühles übrig; und

wenn auch der Leser hoffentlich zu mir das Vertrauen hegt, dass ich mich in

diese ganze Litleratur hinreichend hineingelebt habe, um mein Gefühl möglichst zu

schärfen, so möge doch bei mangelnden ausseren Zeugnissen hiemit meine Irr

thumsfchigkeit ausdrücklich vorbehallen sein. Entzogen aber soll dem Leser darum

Nichts werden, sondern was ich für unächt halle, wird eben später in Abschn. XX

bei den übrigen Interpoiolionen seine Darsleltung finden. (Uebrigens cilire ich die

-^umma nach der Ausgabe von 1522.) • . •> ""»ni,i ', •

XIX. Occam (Parteistellung). 331

theilweise auch Aegidius ob. Anm. 365; die gegnerische Ansicht aber hei

Herveus ob. Anm. 395); es liege nemlich in sämmtliehen drei sog. sermocinalen

Wissenschaften, d. h. in Grammalik, Rhetorik und Logik, we

sentlich eine Richtschnur der willkürlichen Thätigkeiten des Intellectus,

welche sich von der Aufgabe der Ethik nur dadurch unterscheide, dass

die letztere als dictativa sage, dass Etwas gethan oder nicht gethan wer

den solle, während die sermocinale Richtschnur als ostensiva eine An

leitung gebe, wie das Werk des Geistes zu verrichten sei741); denn um

„Werke", wenn auch nur um die inneren geisligen, d. h. um die intenliones,

handle es sich in der Logik jedenfalls742), und nur insoferne

diese Werke wesentlich in den Urtheilen, d. h. in „sermones", beruhen,

könne man sagen, dass jener Bruchtheil der Logik, welcher nicht die Urtheile,

sondern die Begriffe (Kategorien) zum Gegenstande habe, nicht

praklisch, sondern speculaliv sei743), — eine Sonderstellung der Katego

rien , welche unö sehr entschieden an Burleigh (ob. Anm. 593), an Ar

mand (ob. Anm. 643) und an Graliadei (ob. Anm. 670) erinnert. ' .

Indem aber so dem Occam die Logik eine wissenschaftliche Beslim

mung innerer geisliger Vorgänge ist, und er sie sonach in üblicher Weise

(s. Abschn. XVII, Anm. 362 u. ob. Anm. 87, 629) als ralionalis den rea

len Wissenschaften gegenüberstellt und ausdrücklich ihre formale und

doctrinelle Unabhängigkeit von denselben betont744), nimmt er in ächt

741) Sent. Prolog, qu. 4, 11 N: I.ogica, rhelorica et grammatica sunt vere noliliae

practicae et non specutalivae , quia vere dirigunt inlellectum in operalionibus

suis, quae sunt mediante voltmtate in sua polestale, sicul logica dirigit inlellectum

in sgllogivando, discurrendo et sie de aliis. Polest tamen disli,uiui de practica, quia

quaedam est dictaliva et quaeaam tantum oslensiva; prima est itta, quae delerminale

dictat, aliquid esse faciendum vel non faciendum, et isto modo nec logica nec

rhetorica est practica nec eliam ars quaecunque mechanica, quia niltta darum dictat,

quod domus est facienda Oslensiva non dictat aliquid fugiendum aul persequendum,

sed tantum oslendit, quomodo opus fieri polest; et eodem modo logica

et aliae artes sunt tantum ostensivae et non dictalivae, sunt tamen directivae,.habentque

tales artes frequenter non praxim pro obiecto, sed obiectum präxis. Hiezu

Anm. 820.

742) Expos, aur. Prooem.: Logica est dicenda practica, quia, cum scienlia

logicae tractet de sgllogismis, propositionibus et humsmodi, quae nonnisi a nobis fieri

possunt, sequitur, quod est de operibus nostris, non quidem exterioribus, nisi forte

secundario, sed de inlenlionibus, quae vere opera nostra sunt; et per eonsequens itio

scienlia practica est, et non speculaliva.

743) Ebend. Praedicam. Prooem.: hle liber (d. h. Calegoriae) pro aliqua sui

parte est specuiolieus et pro alia sui partc est praclicus, cuius ralio est, nam aliqua

pars est de operibus nostris, sicul itta, quae est de sermonibus, qui sunt opera nostra

(Näheres über sermo s. unten Anm. 754, 769 ff., 777 f., 792, 797), et itio est

practica; alia pars non est de operibus nostris et itta est specuioliva. Et inler

omnes libros logicae Aristolelis isle est minus praclicus et magis specuiolivus, et ideo

quod dictum est in libro Porphgrii (vorige Anm.), quod logica est magis practica,

est intelligendum quantum ad maiorem sui partem , non aulem quantum ad umnem

sui partem; accipiendo logicam, sicut tradita est ab Aristolele; nec est inconveniens,

aliquam partem logicae esse praclicam et aliam specuiolivam, cum multa ex practicis

e specutalivis dependeant. • '

744) Expos, aur. Prooem.: Ista scienlia (d. h. logica) dicitur ralionalis, ceterae

aulem reales, quia dclerminal de his, quae sine ralione esse non possunt, aliae

aulem scienliae de rebus extra animam exislentibus delerminant. Summa toi. log.

III, 2, 22, f. 53 r. A: 1'nlrni aliqualiter apparere, ..... ad quam scientiam debeant

332 XIX. Occam (Parteistellung).

aristotelischem Geiste den Standpunkt ein, dass das Erkennen in einem •

Verwirklichungsprocesse vom Potenliellen zum Actuellen fortschreite, wornach

der Mensch Nichts singuläres denkend erfassen könne, ohne zugleich

die Real-Potenz der Universalität mitzubesitzen 745). So erkennt er an,

dass für den erkennenden Menschen auf Erden (im Unterschiede vom

Jenseits) die sinnliche Erkenntniss des Einzelnen , welche er ausdrücklich

als intuitiva bezeichnet, nicht überflüssig 'sei 74u), sondern im Zusammen

hange mit dem tiedächtnisse eine nuerlässliche Voraussetzung des denken

den Erkennens bilde747), welche selbst mit unmittelbarer Evidenz ausge

rüstet sei 748) und zu ihrer dislinctiven Deutlichkeit nicht erst eines defmitorischeu

Allgemein-Begrifles bedürfe 74a). Kurz, wir befinden uns bei

Occam auf der Basis eines aristotelischen Empirismus, welcher mit dem

Zugeständnisse , dass alles menschliche Wissen von der Sinneswahrneh-

; mung und von den Einzehi-Objectcn anhebt, zugleich die Forderung ver

knüpft, dass jede Wissenschaft als solche nur von Universellem handle,

eine grundsätzliche Auffassung, welche in byzanlinische Terminologie ein

gekleidet ist, wenn Oceam sagt, dass allerdings die Bestandtheile der Ur-

I theile mittelst suppositio an Stelle singulärer Individuen stehen, aber für

die Wissenschaft doch nur die lermini universales werthvoll sind 750).

perlinere tales „Homo est species, Ralionale est differenlia hominis, Album est accidens"

et huiusmodi. Videlur enini , quod tales ad logicam non perlinent, cum

tales sciri non possunt, nisi perfecte sciatur natura signi/icali per subiectum

Sequeretur eliam, quod, si tales proposiliones per se ad logicam pertinerent, logicus

non passet perfecte scire logicam, nisi cognoscerel naturam omnium reram. imo eliam

nisi cognosceret omnes conctusiones et omnia principia omnium scientiarum

Proplerea dicendum est, quod de talibus propositionibus non se habet logicus intromitlere

nisi forte gralia exempli; polest enim logicus de talibus bene exemplificare

in tradendo nolitiam logicae , sed non pertinel ad logicum , scire eas. llicxn unlen

Anm. 797 u. der Schtuss der Anm. 843.

745) Sent. I, llist. 3, qu. 5 BB : Intellectus procedit de polenlia ad actum,

unde non r1 t aliquis, qui intelligat aliquam rem singutarem quamcunque, quin

.inlim intelligal ret possit inlelligent ens communissimum.

746) Sent. Prolog, qu. l V: Sofa nolilia intuitiva intellectiva non sufficit ad

iudicium tanquam causa proxima, ita quod inlellectus ita habet cognoscere singulorio

Ei ideo sensiliva non superflnil. quamvis soio nolilia intuiliva intellecliva

sufficeret, si esset possibite, eam naturaliter esse pro statu isto sine nolitin intuiliva

sensitiva, sicut est in angelis et anima separata. S. Anm. 786.

747) Ebend. qu. l LI. : lulelleclira est memoria et actus recordandi proprie

dictus, supposito, quod inlellectus non tantum cognoscal nnirersalia, sed eliam

intuilive cognoscal itio, quae sensus cognoscit Omnis cognilio intellecliva praesupponit

necessario imaginalionem sensilivam tam sensus exterioris quam inlerioris.

748) Ehend. qu. l E: Si aliquis videat intuitive Koeralem et albedinem exislen

lem in Soerale, polest evidenler scire , quod Soerales est albus ; si autem tantum

cognoscit Sueralem et albedinem exislenlem in Soerale abstractive, sicut aliquis polest

imaginari in absentia eorum, non sciret evidenler, quod Soerales esset albus, et ideo

non est proposilio per se nota.

749) Seiti.'l, Dist. 3, qu. 7: Ulrum singuiore passet dislincte eognosci ante

cognitionem entis vel cuiuscunque universalis Dico. quod res polest dislincle

eognosci sine ralione eins diffinitiva.

750) Expos, aur. Praedicab. De specie : Omnis disciplina incipit ab indioiduis

Ex sensu, qui non est nisi singutariniu , fit memoria, ex memoria experimentum,

et per experimentum accipitur universale, quod est principium arlis et scientiae ,

et ita sicut omnis cognitio nostra ortum habet a sensu, ita omnis disciplina ortum

haM ab individuis, licet nulio doctrina tractare debral de singuioribv, signanter seu

XIX. Occam (Parteistellung). 333

D. h. Occani vertritt durchaus nicht einen sensualistischen Empirismus,

sondern erkennt die ideale Funclion des Intellectus an, welche von Er

fahrung zu Wissenschart führt und srhliesslich darauf beruht, dass der

Intellectus das Vermögen ist, durch welches wir auch Nicht-Sinnliches

erfassen 751).

Aber innerhalb einer jeden Stufe jenes Ueberganges von potenliellem

Wissen zum actuellen erblickt Occam (auf Grundlage der allgemein recipiirten

arabischen Tradilion) einen wesentlichen Unterschied, je nachdem

entweder in erster Linie eine beifällige Zuslimmung und ein Wissen nur

auf incomplexa, d. h. auf die Bestandtheile eines Urtheiles, gerichtet ist,

oder in zweiter Linie complexa, d. h. Urtheile , zum Gegenstande hal;

und zwar solle nur dieses Letztere, welches stets eine innere Gedanken-

Verknüpfung involvire, im eigentlichen Sinne ein „Wissen" (— res extra

non scitur —^) genannt werden752)- Nemlich ein blosses Erfassen (actus

apprehensivus) finde sowohl betreffs der incomplexa als auch auf

Grundlage dieser betreffs der complexa statt, hingegen seien es ausschliesslich

nur complexa, bei welchen die höher liegende Thäligkeit

des Urtheilens (actus iudicativus) eintrete und eine Beislimmung bei •

Wahrem oder Nichtbeislimmung bei Falschem mit sich bringe753); und

somit ergebe sich ein „Wissen" nur bei complexa, und zwar auch bei

diesen nur dann, wenn der objeclive Thatbestand der Verbindung mit der

scientiu proprie dicta est de individuis , sed de unirersalibus pro indiuiduis

Licel quarumlibet proposilionum scientiarum realium pro maiori parle tam

suhiecln quam praedicata supponant pro rebus singuioribus, tamen mayis itioe prupositiones

sunt notae ct rtioni ulites , quae componuntur ex lerminis universalibus.

751) Seilt. Prof, qu. l Il II: Inlellectus nosier pro statu isto non tantum cognoscit

sensibitia, sed eliam in parlicuiori et intuilive cognoscit aliqua intelligibilia,

quae nulto modo cadunt sub sensu, cuiusmodi sunt intellecliones, actus votuntatis.

delectaliu, tristitia et huiusmodi, quae polest homo experiri inesse sibi, quae

tamen non sunt sensibitia nnlns, (Diese Unterscheidung zwischen dem Gebiele des

Sinnlichen und jenem des Witlens hat Aehulichkeit mlt Kant's Grundsätzen.)

752) Quodl. III, 6: Actus assentiendi est duplex sicut actus sciendi: unus quo

aliquid scitur esse vel non esse, sicut sein, quod tapis non est asinus et tanmen nec

scio iopidem nec usinnm ; n l ins est actus, quo aliquid scitur de aliquo, de

quo habetur scientia Loquendo de ipso assensu dico, quod itle actus non habet

pro obiecto complexum Loquendo vero de actu secundo sciendi vel assentiendi

dico, quod itle actus est proprie complexivus, quia itle actus est, quo aliquid

verum scitur, sed res extra non scitur, non enim scio iopidem vel asinum. Vgl.

ebend. V, qu. 6.

753) Sent. Prolog, qu. l O : lntcr actus inlellectus sunt duo actus, quorum unus

est apprehensivus et est respectu cuiusque, quod polest lerminare actum polenliae

intelleclivae, sies sit complexum sive incomplexum, quia non sntum apprehendimus

incomplexa, sed eliam proposiliones, demonstraliones, tam necessarias quam possibites,

et elium universaliler omnia, quae respiciuntur a polenlia intelleetiva. Alius

actus polest dici iudicalivus, quo inlellectus non tantum apprehendit obiectum, sed

,'lium illi assenlit vel dissentit, et ille actus est tantum respectu complexi, quia nullt

assentimus per intellectum, nisi quod verum existimamus, nec alicui dissentimus, nisi

falsum reputamus. Et sie palel , quod respectu complexi polest esse duplex actus,

sc. apprehensivus et iudicalivus (so findet das lradilionelle boethianische Wort

„iudicium" — s. z. B. ob. Anm. 330 u. 368 — allmälig eine manigrachere Ver

wendung) (T) JVon omuis actus ivdicalivus praesupponit in eadem polentia

noliliam incomplcxana lerminorum , quia praesupponit aclum apprehensivum ,' et actus

apprehensivus praesupponit respectu alicuius complexi noliliam incomplexam terminorum.

Vgl. auch Anm. S93.

334 XIX. Occam (Parteistellung).

subjecliven Beislimmung des Intellectus in Einklang steht754); denn auch

"hei dem Verstehen eines Syllogismus sei Ein und derselbe Äct des Den

kens einerseits ein Wissen, insoferne er auf die Schluss-Verbindung und

hiedurch mittelbar auch auf die verbundenen Begriffe gerichtet sei , und

andrerseits zugleich nicht ein Wissen, insoweit er nur die Begriffe als

unverbundene zum Gegenstand habe755).

Ersehen wir nun schon hieraus, dass für Occam's Auffassung der

Logik das Urtheil ein principielles Uebergewicht besitzen muss, so wird

uns ein ziemlich verschlungener Weg, welcher den Denkact überhaupt

betrifft, an manigfachen Punkten wieder die gleiche Perspeclive zeigen.

Betreffs aber all jener Fragen, welche sich um die Denkthäligkeit selbst

drehen, geht Occam mit obiger (Anm. 744) Scheidung der ralionalen und

der realen Disciplinen grundsätzlich so weit, dass er die Erörterung über

die Existenzweise der geisligen Erzeugnisse, d. h. die Besprechung der

Frage, ob die intentiones, termini, Urtheile, Schlüsse u. dgl. in der Seele

gegenständlich oder vorstellungsweise exisliren, geradezu der Metaphysik

zuweist 756) und somit für die Logik als solche einen reinen selbststän

digen Boden gewinnen will, welcher von Metaphysik ebenso unberührt

bleiben soll als voii Theologie (welcher Art dieser posilive Boden der

eigentlichen Logik als solcher sei, wird sich unten, Anm. 780 ff., zeigen).

Aber trotzdem lässt er selbst in seinen logischen Schriften aus prakli

schem 'Bedürfnisse sich dazu hinreissen, über derarlige Fragen zu spre

chen, indem er sich mit den zu seiner Zeit bestehenden Parteistellungen

auseinandersetzen will ; und ausserdem geben für uns , die wir uns ge

rade um diese Controverspunkte zu allermeist interessiren müssen, die

übrigen Schriften Occam's ein hinreichendes Material.

Kurz also, wenn auch an sich es Aufgabe des Metaphysikers sei,

die Existenzweise der psychischen Vorgänge und Werke zu beslimmen,

so sej doch jedenfalls unbedingt daran festzuhalten , dass es sich hiebei

nicht , um äussere Gegenstände (res extra animam) , sondern um etwas

Inneres' in der Seele handle; und wenn nach Einer Meinung (offenbar

Aegidius, s. ob. Anm. 376 f.) eine blosse qualüas animae zu Grunde ge

legt werde, welche auf einer zur supposüio des Singulären befähigten

754) Sent. III, qu. 4 R: Hoc nomen „scientia" vel „conceptus" significal non

tantum ipsam qualitalem in anima, sed eliam coexislenliam obiecli el conformitalem

obieeti ad scientiam, obieeti inquantum complexi, non incomplexi , ita quod ad hoc,

quod itio qualitas sit in anima, sive sit actus asscntiendi sive sit habitus ex aclibus

assentiendi, non denolatur scientia, nisi quando ittud1 'complexum, respectu cuius est,

habs t esse eo modo, quo inlellectus sibi assentit.

755) Ebend. I, Dist. l, qu. I L: Inlellectus uno actu seit conelusionem, et per

consequens non tantum inletligit conctusionem itlo actu , sed eliam lerminos ittius

conctusionis; el tamen itlo actu seit conctusionem et Mo actu non seit aliquid incomplexum

itlius conctusionis ; et ita idem actus respectu conelusionis dicitur scientia

et respectu lermini non dicitur scienlia.

756) Expos, aur. Prooem.: Ista scienlia (d. h. logica") principaliler tradit noliliam

conceptuum et intenlionum per animam fabricatarum non extra se, quomodo fabricantur

res arlificiates, sed intra se. Verututamen qualia sint talia fabricata, sc.

cumstttodi sint sgllogismi, propositiones, lermini et hurusikodr^ dy 'sc. sint subieclive

in anima exislenles an aliquo alio modo, non ad logicam, sed ad metaphgsicam

perlinet, et ideo hine est pertranseundum. Das Nemliche wird auch von den Univfcrsalien

gesagt, s. Unleti Anm. 777, 780 f.

, iQccarM (Parteistellung). 335

similüudo rei beruhe, während eine andere Ansicht (d. h. Scotus. .s. ob.

Amp. 110ff.).,von ejner eigenen species repraesentqns spreche, so ent

halte die let/tere Annahme sicher etwas völlig Ueberflüssiges (hierüber

sogleich Näheres), und es empfehle sich am meisten eine dritte Meinung

(es ist die des l)nruinl , oh. Anm. 551 u. 556 IV., und des Armand, oh.

Anm. 630, welche hierin den Herveus, ob. Anm. 393, bekämpfen), nemlirh

dass man einfach nur auf actus intetiigendi zu recurriren brauche,

denn in diesem liege es begründet, dass beim Erkennen vorerst ein Einzelu-

Gegenstaud ergriffen (apprehendi) und als psychisches Moment (pas-

«o animae) festgehalten werde, welches bereits an und für sich, nemlich

phne willkürliche Fixirung ein.es, beslimmten Wortes, geeignet sei, durch

xuiil)o*ilio sich auf das Einzeln-Ding /.u beziehen 757). Sowie schon Du-

,ra,n,d die, sqolislische species intelligibilis als „überflüssig" bezeichnet hatte

(s. ob. Anm. 561) und auch Aureolus dieselbe entschieden bekämpfte (ob.

Aiuu. 707 ff.), so verbindet Occam gewissermaassen die Ansichten beider;

denn Trage man, ob eine dergleichen species, sei es als der Deuklhätigk.

eit vorhergehend oder als durch dieselbe hervorgerufen (non sine actu

intelligendi), anzunehmen sei, so sei zu bedenken, dass man überhaupt

nie ohne Noth eine Mehrheit statuiren dürfe, eine Nöthigung aber hierin

nicht vorliege ; hingegen zweifelhaft könne noch bleiben , ob etwa neben

dem Denkacte (praeter actum intelligendi) dennoch ein anderweiliges Mo

ment angenommen werden müsse, wenn auch die Wahrscheinlichkeit da

für spreche, dass es ein sogenanntes „idolum" ' als ein dem äusseren Ge

genstande Aehnlid!es sei , in welchem (in quo) letzterer , sei es gegen

ständlich oder vorstellungsweise, erkannt werde758). Doch äussert sich

,,, .757) Ebend. Perierm. Prooem.: Qualis aulem sit ista passio animae, an sc. .-.<l

res extra animam vel aliquid ens fictum existens obieclive in anima vel aliquid existens

realiler in anima tantum, non perline( ad logicum,, sed ad metaphgsicum. Verumtamen

uliquas opiniones , quae cirea istam difficuitalem ponuntur , volo recitare.

Posset aulem esse una opinio talis, qupd ,'st aliqua qualitas animae (über qualitas

animae s. Anm. 762 u. 865) ili^tinctu realiler ab actu inlelligendi , quae est

obiectum intellectus lerminans actum intelligendi, et ilio qualitas est vera similitudo

rei extra, propler quod repraesentat ipsam rem et pro ipsa supponit ex natura

sua, sicul vox supponit pro rebus ex inslitulione Alia passet esse opinio, quod

est aliquid subiicibile vel praedicabite, ex quo componitur proposilio in menle, quae

correspondel propositioni in voce, et quod itio passio est species rei, quae naturaliler

repraesental rem et polest in propositione pro re naturalistcr supponere. Sed hacc opinio

videtur magis irralionabitis, quam prima, quia talis species non est ponenda propler superfluitalem

Alia possei esse opinio, quod passio animae est ipse actus intelligendi.

Ista videtur mihi probahilior omnibus opinionibus Oui vuli lenere praedictam opinionem,

polest supponere, quod inlellectus apprehendens rem singuiorem elicit unam cognitionem

in se, quae est fantum itlius singuioris, quae vocatur passio animae polens ex natura sua

supponere pro itio re, unde sicut vox ex institulione pro re supponit, ita intentio

,i'sn ex natura sua supponit sine omni institulione pro itio re, cuius est (über diese

„insl»iufto" s. Näheres unlen Anm. 774,781,782,791, 806) llios tres opiniones

reputo iirobabites ; quae tamen sil vera vel falsa , studiosi disculiant. ttoc tamen

npiid me est omnino certum , quod nec passiones animae nec universalia aliqua sunt

res, extra animam et de esse rerum singuiorium, sive sini conceptae sive non.

758) Sent. I, Dist. 27, qu. 2 l '. Manifestum est, in inlellcctu esse actum intelligehdi..

el i,liam habitum , sed ulnim species aliqua praevia actui sit ponenda in

anima vel non, est dubium. Utrum eliam praeler actum intelligendi sit aliquis conceptus

formatus per actum intelligendi vel etiam sit aliquis conceptus habens tantum

esie obiectivum, est dubium. U(rum eliam sit aliqua species in inlellectu, quae non

336 XIX. Occam (Parteislellung).

Occam auch wieder weit zuversichtlicher, wenn er unter Wiederholung

des Molivs , dass die speciea intelligibilis für das unmittelbare sensuale

Erkennen (intuitio, s. oben Anm. 746) eine imnöthige Vervielfälligung sei,

entschieden hervorhebt, dass für den Fortschritt zum abstracten Erkennen

ein Mittelglied notlnvendig sei , welches man aber nicht in einer species

intelligibilis suchen dürfe, sondern in einem psychischen Besitze (habi-

U,s) anerkennen müsse, da der Intellectus aus dem Sinnes-Eindrucke ein

Gebilde (fictum) als Bleibendes erzeuge (vgl. Anm. 768) , was jedenfalls,

möge man es idolum oder simulacrum oder imago oder phantasma

nennen, nur vorstellungsweise (oMective), nie aber gegenständlich (suftirriit'i')

cxislire, und daher auch nicht reell von dcn äusseren Dingen ge

trennt sei, sondern gerade die Dinge selbst, auch wenn sie nicht mehr

gegenwärlig sind, bezeichnet759). Ja, diese Kraft des Intellectus, nach

vorhergegangenem Sinnes-Eindrucke etwas dem Gegenstande Aehnliches

(simile, imago} vorstellungsweise zu bilden (fingere), sei der Objeclivität

derarlig adätjuat, dass der Intellectus, wenn er eine reale Schöpferkraft

besässe, das nemliche Ding als objeclives erzeugen würde760); und so

wie der ausübende Künstler über die bloss vorstellungsweise Existenz

possei esse sine actu intelligendi, est dubium. De primo dubio et lertio dico, quod species

neutro modo dicta est ponenda in inlellectu, quia nunquam ponenda est pturalitas sine

necessitale (vgl. folg. Anm. u. 768), sed quidquid polest salvari per talem speciem,

polest salvari sine ea aeque facititer Sed de sccundo dubio est mihi magts dubium,

hoc tamen est mihi probabite, quamvis nnn affirmem, quod in mlellectu praeler ipsum

arliiii, inlelligendi, quando intelligit aliquid .communc ad ptura, est aliquid vel subieclive

vel obieclive , quod est aliquo modo simile rei extra inlellectae, quod a mullis

vocatur quasi quoddam idotum, in quo ipsa res cognoscitur, quamvis rem singuiorem

cognosci in itlo non aliud sit , quam ipsum idotum cognosci. Die Lösung dieses

Zweifels s. Anm. 768.

759) Ebend. H, qu. 15 C: Est una opinio, quae ponit, quod necessarium est ponere

spreiem impressam intellectui ad hoc, quod intelligat; quod probatur mullipliciter

(folgen acht Molive). ..... (O) Ad coguilionem intuiliv am babendam non oportel ali

quid ponere praeler inlellectum et rem cognitam, et nuliom penitus speciem, .... quia

frustra fit per ptura, quod polest fieri per pauciora, sed per intellectum et rem cognitam

sine omni specie polest f,eri cognilio intuitiva (Q) Ad kabendum noliliam

/• abstractioam oportet necessario ponere aliquid primum praeler obiectum et inlellectum;

aliquid in virtule phantastica relinquitur mediante cognilione intuitiva sensus

\ parlicuioris, quod prius non fuit, quia aliter in absentia rei sensibitis non possei

phantasia habere actum cirea itlud (R) ltlml, quod relinquitur, non esl species,

sed habitus (vgl. Anm. 784) (SS) Quando dicitur, quod intellectus agens fufä^

nhii-rrsnl,1 in actu, verum est, quod facit quoddam esse f,ctum et producil quendam

conceptum in esse obiectivo fi nullo modo subieclive. Ebend. qu. 17 S: fi;

\ phantasia aliquid manet, sed ittud non est obiectum actus , sed habitus quidam incl,

n uns ad phantasiandum obiectum prius sensatun, ..... SimulScfa," phantasmata,

idnln, imagines, non sunt aliqua realiler distincta a rebus extra, sed dicunt rem

ipsam, secundum quod lerminal ipsum actum sensus inlerioris in absentia rei sensi

bitis. Zu letzterem Anm. 765.

760) Ebend. I, Dist. 13, qu. l l' Intellectus noster primo inlelligit intuilive

aliquid singuiore realiler existens , quo inlellecto polest idem intellectus fingere ali

quid consimite prius intellecto, sed ittud sie fictum non polerit habere esse subiectirurn,

snl tantum esse obiectivum, et ideo ittud sie fictum est tantum tale, quale

fuit prius intellectum in esse obieclivo et non est in esse subiertivo, sed erit quasi

imago simitlima rei prius inlellectae in esse obiectivo, in tantum quod si intellectus

haberet vim produclivam realem, sicut habet »im fictivam, ittud productum vere esset

eiusdem ralionis cum itlo praeintellecto. Hiezu Anm. 808.

XIX. Occam (Parteistellung). 337

z. B. des Hauses, welches er ersinnt, auch hinausschreiten und dasselbe

reell herstellen könne761), so erfasse auch der Intellectus in denjenigen

seiner Gehilde, welchen ein äusserer Gegenstand entspricht, denselben mit

solch adäquatester Aehnlichkeit, dass ein solches Gebilde in höherem Grade

durch supposüio sich auf die Einzelndinge beziehen und dieselben ge

meinsam umfassen kann, als diess eine angebliche blosse qualüas animae

könnte762).

, .Hiemit aber sind wir bereits in das Gebiet eines bedenklichen

Schwankens eingetreten, welches bei Occam sogar im Gebrauche der ent

scheidenden Partei-Slichworte erscheint. Nemlich wenn wir auch den

ächt aristotelischen Geist anerkennen, welcher den Verwirklichungsprocess

des Wissens vom Sinnes-Eindrucke beginnen lässt und durch Gedächtniss,

Phantasie und psychische Gebilde hindurch zum Erfassen des Allgemeinen

führt, so ist bei üccam dennoch jener Begriff „fictum" ein gar zweischnei

diges Ding, und sowie er selbst die doppelte Möglichkeit offen liess, dass

das itli,luii, sowohl subjecliv als auch objecliv exisliren könne (Anm. 758),

so lenkt er auch die entschiedene Behauptung, dass es nur vorstellungsweise

exislire (Anm. 759), durch die Erwägung jener völligen Congruenz,

welche zwischen dem psychischen Gebilde und dem äusseren Dinge be

stehe, und mit Benützung der byzanlinischen suppositio (welche freilich

für ihn das Hauptmoment ist) selbst wieder dahin hinüber, dass wir mit

telst der idoia die Dinge so, wie sie sind, erfassen u|id folglich „gegen

ständlich" denken (Anm. 762). So werden wir nicht bloss das gleiche

unentschiedene Offenlassen jener zwei Möglichkeiten wieder betreffs der

Universalien fmden (Anm. 810), sondern wir werden uns auch nicht wun

dern dürfen, wenn Occam anderwärts geradezu behauptet, dass die intenliones

oder Universalien u. dgl. eine gegenständliche (subiective) Existenz

haben l63). Der Sinn hievon ist dann allerdings nicht etwa das Bekenntniss

eines Realismus, sondern nur das so eben Gesagte, d. h. die uns

sehr an Aureolus (Anm. 713 f.) erinnernde Betrachtung, dass die psychi

schen Vorgänge völlig der Aussenwelt adäquat sind und somit das Subjeclive

objecliv ist und umgekehrt764). , .

761) Expos, aur. Perierm. Prooem.: Arlificem excogitare domum, antequam pro-

.-.1,11, HlHl est, arlificem habere domum in esse obieclivo tantum, sed est, ipsum

babere arlem vel scientiam domus, quae est vere qualitas mentis , et talis scienlia

„domus" vocatur.

762) Ebend.: Est dislinguendum de ficlis, quia quaedam sm,l ficta, quibus in

re extra nun polest consimite corresp andere , sicul chimaera : aliqua dicuntur

ficta, quibus in esse reali correspondent vel correspondere possunt consimitia, el huiusmodi

vocantur universalia Universale fictum vel idotum plus distinguitur a re,

quam quaecunque res lHM ab alia, et tamen in esse inlentionali magis sibi assimiiotur,

in tantum quod, si possei realiter produci , sicut polest fings, esset sibi con

stmite poslea ad extra, et per eandem ralionem magis polest supponere pro re et

esse communis et esse id, in quo res inlelligitur, quam inlentio vel aliqua alia qua

litas. Vgl. Anm. 809 u. besonders Anm. 865.

763) Es ist eigenthümlich, dass die letztere Anschauungsweise gerade in den

Quodlibeta an den beiden Stellen, welche allein hierüber sprechen, festgehalten

wird (s. Anm. 768 u. 812); neben die andere Ansicht hingeslellt findet sie sich

auch im Commentar zum Sentenliarius (s. Anm. 787 u. 810).

764) So sehen wir, dass auch ein so bedeulender Mann, wie Occam immerhin

in seiner Zeit war, vuu den eigentlich philosophischen Grundfragen keinep kioren

PBANTL, Gesch. III. 22

338 XIX. Occam (Parteistellung).

Dieses Zusammentreffen der subjecliven Auffassung und des objecliven

Thatbestandes liegt nach Occam's Ansicht schliesslich im actus intelligendi

(Amn. 757), und sowie er schon betreffs der vorstellungsweisen Existenz

der entia rationis behauptet, dass dieselben allerdings weder die äusseren

Dinge selbst, noch aber auch reell von ihnen geschieden seien 76S), so

erinnert er daran, dass das ens ralionis als in der Seele auftretend eben

doch exislire und somit in diesem Sinne eiu ens reale heissen könne 766),

ja er nennt die dem sachlichen Befunde richlig entsprechende qualüas

mentis (gelegentlich einer Aeusserung über die Gegensätze) ausdrücklich

sofort eine „res" 7t'7). Aber er fasst diese res nur als eine in der Denk

werkstätte erzeugte; nemlich das obige Bedenken (Anm. 758) , ob neben

dem Denkacte noch etwas Anderweiliges anzunehmen sei, löst er dahin,

dass die von Mehreren (und , wie wir sahen , auch von ihm selbst) getheilte

Annahme eines eigenen Gebildes (fictum) genau genommen als

eine zwecklose Vervielfälligung überflüssig sei, da es genüge, den actus

intelligendi als solchen festzuhalten; denn dieser sei an sich bereits die

similitudo der Gegenstände und als ein signum rei (oder als intentio

oder passio animae oder cone-eplus, vgl. folg. Anm.) sowohl zur Namen

bezeichnung als auch zur suppositio geeignet, und jede intentio über

haupt sei wahrhaft eben ein tK-lltH intelligendi und in sachgemässer

Uebereinslimmung mit der Objeclivität ein ens reale (s. Anm. 766) oder

eine qualitas animae, welcher eine gegenständliche (subiective) Existenz

zukomme 7B8).

Begriff hat, und somit auch er ebensowenig als z. B. Scatus (s. oben bei Anm. 104)

ein „Phitosoph" genannt werden kann. Allerdings müssen wir hiebe! auch be

denken, dass gerade über Subjeclivität und Objeclivität kaum Jemand unkiorer war,

als Schelling; auch Hcgel's Taschenspieler-Kunststück wird hierin jetzl wohl keinen

besonnenen Denker mehr- täuschen.

765) Seilt. Prolog, qu. l, 3 M: Ens ralionis nee est idem cum re nec distinguitur

realiler ; et hoc secundum opinionem, quae ponit entia ralionis obieclive in anin,a.

Hiezu Anm. 759 gegen Ende.

766) Quodl. V, qu. 21 : Ens reale aliquando accipitur pro mmi vera re existente

in rerum natura , et sie ens ralionis est ens reale; aliquando accipitur pro ente

exislenle sotum extra animam, et sie ens ralionis non est ens reale. Hiezu der

Schtuss der Anm. 865.

767) Ebend. qu. 17: Omnis oppositio realis est inler• res , quia , si sit extra

^ .animam, est inler res extra animam; si sit in anin,a, est intcr res in auima, sive

sit inler signa complexa sive incomplexa; semper enim est inter res, quia inler veras

qualitales mentis.

768) Ehend. IV, qu, 19: Dicunt aliqui , quod intentiones primae et secundae

, ,.sunt quaedam enlia ficta, quae tantum sunt obiective in mente et nullibi subiective.

"' Contra": Quando proposilio verificatur pro rebus, si duae res sufficiunt ad eins veritalem,

superfluum est ponere aliam rem; praeterea tale fictum impedit cogailionem

rei, ergo non est ponendum propler cognitionem praelerea tale fictum non

est ponendum, ut habeatur subiectum et praedicatum in proposilione universali, quia

actus intelligendi sufficit ad hoc Ideo dico, quod tam intentio prima quam

secunda est vere actus intelligendi, quia per actum polest salvari, quidquid salvatur

'i 'perfictum; eo enim, quod actus est simititudo subiecti, polest significare et supponere

pro rebus extra, polest esse subiectum et praedicatum in prnposilione, polest esse

genus et species, sicut fictum. Ex quo palet, quod intentio prima et secunda realiter

distinguuntur, quia inlentio prima est actus inlelligendi significans res, quae non sunf

signa; inlentio secunda est actus significans intentiones primas (über diese Unter

scheidung der intentio s. unten Anm. 776 ff.) ; Palel ex diclis, quod tam inXIX.

Qccam (Parleistellung). 339

Getreu aber dem Standpunkte , dass die wesentliche Aufgabe der

Logik die sermones seien (Anm. 743), verlegt Occam den actus intelli-

,i,'Hili grundsätzlich in das Urtheil , und zwar spricht er dabei , uns an

Armand's und Graliadei's verbum menlale erinnernd (s. ob. Anm. 630 u.

675), von einer „propositio mentalis". Nemlich vor dem in Worten

ausgesprochenen Urtheile gehe stets ein inneres von jedem speciellen

Sprach-Idiome unabhängiges Urtheil voraus, dessen Bestandtheile dasjenige

seien, was bald similituAo bald intentio bald quaütas mentis bald inlellectus

bald conceptus heisse769), und in diesem inneren Urtheile, —

im Unterschiede vom gesprochenen od-er geschriebenen Urtheile —, halte

der Intellectus vorstellungsweise Subject und Prädicat auseinander, wäh

rend er dieselben zugleich auf Ein und das Nemliche beziehe, ähnlich

wie man zwei Zeichen für Ein bezeichnetes wählen könne 770), d. h.

z. B. „allgemeiner Mensch" und „einzelner Mensch" seien essenliell nur

im Urtheile Eins, weil Ersteres von Letzterem wesentlich ausgesagt

werde771); und es werde auch die Wahrheit eines ausgesprochenen Ur-

I heiles erst dadurch erprobt, dass nach Anhörung desselben eine ent

sprechende propositio mentalis als wahr erkannt werde772). Besitzt aber

hiemit jenes innere Urtheil eine grundsätzliche Priorität gegenüber dem

lenliones primae quam secundae sunt vere entia realia ei sunt vere qualitales subii'ctive

exislenles in anima. Summa t. log. I, 12, f. 6 r. A : Inlentio animae vocatur

quoddam ens in anima natum significare aliquid Illud aulen, existens in anima,

quod est signum rei, ex quo propositio mentalis componitur (s. Anm. 777 f.) ad

modum, quo proposilio vocalis componitur ex vocibus, aliquando vocatur inlentio

animae, aliquando conceptus animae, aliquando passio animae, aliquando simititudo

rei Sed quid est in anima id, quod est tale signum? Dicendum est, quod cirea

istud sunt diversae opiniones. Aliqui enim dicunt, quod non est nisi quoddam fictum

per animam; alii, quod est quaedam qualitas sub,eclive existens in anima distincta

ab ,n', l u inlelligendi ; alii dicunt , quod est actus intelligendi. Et pro istis est ralio

itio, quod frustra fit per ptura, quod polest fieri per pauciora (vgl. ob. Anm. 758);

Annm aulem, quae salvantur ponendo aliquid distinctum ab actu intelligendi, possunt

salvari sine tali distinclo, eo quod supponere pro alio et significare aliud ita polest

compelere actui inlelligendi sieul itli ficto; ergo praeter actum intelligendi non oportel

poIlere aliquid aliud,

769) Summa t. log. I, 12, f. 6 r. A: Quando aliquis profert propositionem vocalem,

prius formal interius propositionem unam mentalem, quae nullius idiomalis est,

intantum quod mulli formant frequenler interius propositiones aliquas, quas famen

propler defectum idiomalis exprimere nesciunt. Parles talium proposilionum mentalium

vocantur conceptus, intenliones, simititudines, inlellectus. Sent. Prolog, ifn. l , 2 Y:

Omne subiectum propositionis in mente est intellectio vel aliqua qualitas inhaerens

menti. Vgl. Anm. 797 gegen Ende u. Anm. 809.

770) Sent. t, Dist. 2, 'f"• 3, D: Possunt esse aliqua nomina vel conceptus, quae

dislinguunt subiectum et praedicatum, quae nata sunt esse in intellectu obiective, quia

sof«» intellectus polest facere proposilionem praeler propositionem proiotam et seriptam

et alia huiusmodi; et ita in intellectu distinguuntur, quae tamen redueuntur ad unum

in esse, sicut duo signa redueuntur ad aliquod unum signatum, quae tamen non sunt

realiler itlud unum signatum.

771) Ebend. qu. 4EE: Haec est falsa de virtule sermonis „homo universalis et

homo parlicutaris sunt unum essenlialiter", sed sunt unum essentialiler, quia

unum essentialiler praedicatur de reliquo et importal esscntiam allerius, nec tamen est

realiler de essentia allerius.

772) Quodt. III, qu. 11: Propositio vocalis est vera, quando ex eius proiolione

auditor rst natus concipere et formare proposilionem mentalem veram; hoc aulem

sotum cst in fine psoioliuuis et non in principio nec in medio.

22*

340 XIX. Occam (l'arteistellung).

in Worten ausgesprochenen Urtheile, so liegt diese nach Occam's Ansicht

darin hegründet, dass die Zusammenfassung im (Jrtheile eine geislige ist

und aus Begriffen (conceptus oder intentiones) hervorgeht, und wir

könnten somit Occam uls einen Conceptualisten des Urtheiles bezeichnen,

indem er entschieden (im Gegensatze gegen Thomisten, oh. Anm. 289,

gegen Burleigh. oh. Amn. 586 u. 599, und gegen Graliadei, ob. Anm. 676)

daran festhält, dass res non de re praedieatur, und ihm die sprachlichen

Bestandtheile des Urtheiles nur als Zeichen gelten, welche an Stelle einer

bezeichneten Sache stehen7'3). Die Worte nemlich seien im eigentlichen

Sinne durchaus nicht Zeichen der Begriffe, sondern ursprünglich und

primär bezeichne der Begriff oder ein psychischer Vorgang die Dinge auf

„natürlichem" Wege (— dieses Moliv einer natürlichen Einwirkung, auf

welches Occam immer wieder zurückkommt, hatte schon Herveus hervor

gehoben, s. ob. Anm. 395 —), und erst secundär bezeichne das Wort

in Folge einer willkürlichen Einrichtung (voluntaria inslitutio, vgl. Anm.

781 f., 791, 806) jene nemlichen bereits von der intentio bezeichneten

Dinge , so dass hiemit aus einer Aenderung der Bezeichnung eines Be

griffes nothwendig eine entsprechende Aenderung der Wortbezeichnung

folge, hingegen umgekehrt ein Wort durch Willkur in seiner Bezeichnung

geändert werden könne , ohne dass hiedurch der entsprechende Begriff

sich ändere774); und wolle man etwa hiegegen die Syucutegoreumata

oder die negaliven Worte als Einwand benützen, da diese nicht auf

773) Ebend. qu. 5: Videndum, an sit propositio mentalis; ..... quod probo sie,

quia, ubicunque est complexio sive compositio vffra vel fdlsa, itii est propositio ; sed

in menle est huiusmodi complexio Proposilin mentalis non componitur ex rebus

extra animam, sed ex conceplibus Si aliqua propositio componeretur ex rebus

extra, aliqua possei componi ex anima intellectiva et corpore, et sie aliqua proposilio

possei esse homo In ista proposilione „canis comedit panem" (vgl. die Slelle

aus Seneca, Ep. 48, Abschn. VIII, Anm. 66) subicctum vere comederet praedicatum;

et simuiter est in ista propositioue „Rupertus persequitur Johannem" (ähnliche Bei

spiele s. bei Burleigh, ob. Anm. 599) Omnis proposilio componitur ex nomine

el verbo, .... sed nomina et verba non sunt res extra animam, sed signa rerum

Omnis proposilio vera affirmaliva el vera per idenlitalem rei significatae per subiectum

et pruedicatum, quia ulitnur vocibus pro rebus el lerminis non pro se, sed pro

re, quam significant, quia inlellectus, licet intelligat res extra, tamen non componit

res extra, sed intenliones rerum ad invicem non pro se, sed pro re

significata.

774) Summa f. log. I, l, f. 2 r. B: Dicimus, voces esse signa subordinata con

ceplibus vel inlentionibus unimae, non quia proprie accipiendo hoc vocabulum „signum"

ipsae voces significent ipsos conceptus primo et proprie, sed quia voces imponuntur

ad significandum itio eadem, quae per conceptus mentis significantur, ita quod conceptus

primo naturaliler aliquid significat el secundario vox itlud idem significat, intantum

quod voce inslituta ad significandum aliquid significatum per conceptum mentis,

si conceptus itle mutarel significatum s,mm, eo ipso ipsa vox sine nova institulione

suum significatum permutarel Conceptus sive passio animae naturaliter (vgl.

Anm. 776, 778, 781 f., 784, 788, 791, 810) significat, quidquid significat; terminus

aulem proiotus vel seriptus nihit significal nisi secundum votuntariam institulionem

(vgl. Anm. 757, 781); 'ex quo sequitur alia differenlia , sc. quod terminus proiotus

vel seriptus ad piocitum polest mutare suum significatum , lerminus aulem conceptus

non mutal suum significatum ad piocitum cuiuscunque. Expos, aur. Perierm. Prooem. :

Primo passio significul res el postea vox non passionem animae, sed ipsas res, quos

passio significat, significat, ita quod si passio significata mutaret, et vox sua mutaret

significata. Die gegentheitige Ansicht des Scolus s. Anm. 126.

XIX. Oecam (Parteistellung). 341

natürlichem Wege durch Abstraclion von äusseren Dingen begrifflich ge

wonnen und 7.u realer Bezeichnung verwendet werden können, so sei zu

erwiedern, dass in diesen Fällen dennoch gleichfalls eine Abstraclion und

eine Begrifl'sbildung stattfinde, nur dieselbe gemeiniglich von den bereits

üblichen Worten selbst ausgehe775).

Durch diese Erwägungen über den Sprachausdruck ist nun bei

Occam auch dasjenige bedingt, was er über impositio und intentio, deren

Wechselbeziehung wir schon bei Burleigh (Anm. 584) und bei Armand

(Anui. 629) trafen, in zahlreichen Wiederholungen erörtert. Nemlich wenn

durch die Worte entweder Dinge oder subjeclive Auffassungen oder auch

Worte selbst ihre Bezeichnung (significare) finden können, so sollen Worte

secundae impositionis diejenigen hcissen , durch welche im Sinne der

Grammalik die Worte selbst bezeichnet werden, oder vielmehr in genauerer

Fassung diejenigen, durch welche willkürlich gebildete Zeichen (im Gegen

satze gegen die natürlichen Zeichen, welche die intentiones sind, s. Anm.

774) bezeichnet werden. Alle übrigen Worte seien primae impositionis

im weiteren Sinne, so dass dann auch sämmtliehe Syncategoreumata den

selben beizuzählen seien; hingegen in engcrem Sinne dürfe man zu den

Worten primae impositionis nur die categoremalischen zählen (d. h. jene,

welche wesentliche Bestandtheile des Urtheiles sind , s. die beiden folg.

Anm.); eben dieselben aber seien entweder primae intentionis, wenn sie

ein Ding, oder secundae intentionis, wenn sie eine subjeclive Auffassung,

nemlich einen conceptus oder eine intentio u. dgl. bezeichnen776). Wie

775) Sent. I, tHsl. 2, 7n. 8 K: Diceretar, quod conceptus sgncalegoreumalici et

connotalivi et negalivi non sunt eonceptus abstracli a rebus ex natura sua supponenles

pro rebus vel ipsas modo distincto significantes ; verumtamen possunt tales

conceptus imponi vel conceptus abstraht a vocibus, et iia fit de facto vel semper vel

communiler tunc ab islis vocibus sie significanlibus abstrahit inlellectus conceptus

communes praedicabites de eis.

776) Sent. t, Bist. 22, qu. l C: Quaedam nomina primo significant res extra,

quaedam significant primo eonceptus menlis, quaedam ipsas voces significalivas ;

et est antiqua distinctio, quod nomina quaedam sunt primae impositionis, quaedam

sunt nomina secundae imposilionis. Nomina secundae imposilionis sunt itio, quae

imponuntur ad significandum nomina ipsa, . ... .cuiusmodi sunt Nomina primae imposilionis quaedam sunt nomina primaiestain„lennolmieonni,s veetrbquuma"e.

dam nomina secundae inlenlionis : prima sunt itio, quae significant veras res,

:,e, muln sunt itta, quae sign,ficant conceptus menlis, sicut „genus, species, universale".

Summa t. log. I, 11, f. 5 v. B: Nominum ad piocitum signi/icantium quaedam sunt

nomina primae imposilionis, quaedam sunt nomina secundae impositionis. Nomina

secundae impositionis sunt kuiusmodi „nomen , pronomen , coniunclio , verbum,

casus , numerus , modus , lempus" et huinsmodi , accipiendo itio vocabuio itlo modo,

quo ulitur eis grammalicus Strictc aulem dicitur nomen secundae imposilionis

ittud, quod non significat nisi signa ad piocitum instituta, ita quod non polest compelere

inlentionibus animae, quae sunt naturalia signa; cuiusmudi sunt talia „figura,

coniugalio" et huiusmodi Nomen primae imposilionis polest dupliciter sumi.

Large, et sie omnia nomina, quae non sunt nomina secundae imposilionis, sunt nomina

primae imposilionis; et sie talia signa sgncalegoremalica „omnis, nullus, aliquis, quilibel"

et huiusmodi sunt nomina primae impositionis. Aliler polest accipi stricle , et

tunc soio nomma calegoremalica, quae non sunt nomina secundae impositionis, vocantur

nomina primae impositionis. Nomina aulem primae impositionis stricle accipiendo sunt

in duplici differenlia, quia quaedam sunt nomina primae inlenlionis, et quaedam sunt

nomina secundae intentionis. Nomina secundae inlentionis dicuntur itta, quae praeche

imposita sunt ad significandum tnlenliones animae, quae sunt signa naturalia et alia

342 XIX. Occam (Parteistellung).

sehr aber hiebei das grundsätzliche Gewicht wieder auf das Urtheil, und

zwar im Gewände byzanlinischer Doelrin (nemlich betreffs der supposüio,

s. auch Anm. 798), falle, ersehen wir daraus, dass Occam von der

secunda intentio, deren reale oder nicht-reale Geltung er auch hier dem

Metaphysiker überlässf. (s. Anm. 756), nur die in der Seele liegende

Aussagbarkeit fordert, wornach Begriffe wie z. 1i. genus auf die Namen

der Dinge .angewendet werden, und zwar mittelst der suppositio simplex

(s. Akschn. XVII, Anm. 203), d. h. für einen Gemeinbegrilf und nicht für

das von ihm Bezeichnete , während hingegen durch die intentio prima

nur mittelst der suppositio personalis die bezeichneten Dinge selbst, d. h.

abgesehen von jener Aussagbarkeit, erfasst* werden777). Noch deutlicher

und schärfer drückt sich Occam wiederholt dahin aus, dass intentio über

haupt jenes psychische Moment sei, welches als supposilionsfähig ein

Bestandtheil eines inneren Urtheiles sein könne ; und zwar umfasse die

intentio prima in weiterem Sinne nicht bloss die catcgorematischen

geisligen Zeichen der Dinge, sondern auch die innere Auffassung der

, Svncategorcumata; hingegen im engeren Sinne erstrecke sich dieselbe

nur auf die wesentlichen Bestandtheile des Urtheiles, insoferne dieselben

sich durch suppositio auf Dinge, nicht aber auf Zeichen, beziehen; und

ebenso umfasse die intentio secunda, welche wesentlich in den Zeichen

der intentiones primae liege, im weiteren Sinne sowohl die natürlichen

(s. Anm. 774) als auch die in den Syncategoreumata ausgesprochenen

willkürlichen Zeichen, so dass in solchem Sinne die intentio secunda

nur im Wortausdrucke beruhe; aber in engerem Sinne bedeute sie nur

die auf natürlichem Wege gewonnenen Zeichen, welche von den inten

liones primae ausgesagt werden7 '8). Darum dürfe man auch nicht sagen,

signa ad piocitum instiluta (Näheres s. Anm. 778) vel consequenlia talia signa; et

talia nomina sunt „genus, species, universale, praedicabite" et huiusmodi, quia talia

nomina non sunt nisi intentiones animae, quae sunt signa naturalia aut signa voluntarie

instituta. Ein Beispiel hievon Quodl. VII, qu. 16: „Persona" est nomen primae

inlenlionis, quia significal res , quae non sunt signa Tam nomen secundae inlenlionis

quam primae intentionis est nomen primae imposilionis , et ideo quamvis

„persona" sit nomen primae imposilionis, cum hoc stat, quod sit primae intenlionis.

__- 777) Sent. I, Dist. 23, qu. l D: Intentio prima vocatur res realiler exislens,

( inlenlio aulem secunda vocatur aliquid in anima rebus applicabite praedicabite de

\ nominibus rerum, quando non hubent supposilionem personalem, sed simplicem, sicut

\ sunt „species, genus" j Utrum aulem talia sint realiler et subitsctive in anima an

!obieclive tantum, non rejert ad propositum nec hoc spectal delermindre ad logicum,

qui tamen principaliter dislinctionem intcr nomina primae et secundae inlenlionis habet

considerare , quia logicus praecise habel dicere , quod in ista propositione ,,fiomo est

species" subiectum supponit pro uno communi et nan pro aliquo significalo suo ; utrum

aulem ittud commune sit reale vel non sit reale, nihit ad eum, sed ad metaphgsicum.

• • • l^,Somen secundae intentionis est itlud, quod imponitur ad significandurft talia de

nominibus reru^praedicabitia, quando supponunt simpliciler et non pro suis significatis

'..."] (J)tHaec est differentia intcr nomina primae inlenlionis et secundae, quod

nomina primae ,hfenlionis sunt itio, quae, quando sugponunt personaliter, praecise

stant ,pro rebus non inquantum pniedicabitia, de aliis; nomina secundae intentionis

stant pro aliquibus praedicabitibus de rcJ,us.^>Vgl. Äii"rh. 781 u. 796.

778) Quodl. IV, qu. 19: I.arge dicitur inlenlio prima esse signum intensibite

. existens in anima, quod non significat intentionem vel conceptus in anima vel alia

signa praecise; el isto modo non sofum calegoreumata mentalia, quae significant

res, quae non sunt significalivae , sed eliam sgncalegoreumata mentalia et verba et

coniunctiones et huiusmodi dicuntur primae inlentiones Sed stricte dicitur prima

XIX. Occam (Parteistellung). 343

dass kurzweg die Kategorien sämmtlich intentiones primae seien (wie

die allgemein recipirle Annahme lautete), sondern, wenn man bei den

Kategorien auch au das Verhältniss einer Ueber- und Unter-Ordnung, d. h,

eben an eine Urtheilsverbindung denke , zeige sich , dass in einigen Be

ziehungen eine Kategorie als gemeinsamere Gattung einer anderen über

geordnet werden könne, welch erstere dann darum als secunda intentio

zu bezeichnen sei; denn das Entscheidende bleibe immer, dass die in

tentio prima Dinge , nicht aber Zeichen , hingegen die intentio secunda

nur solche Dinge, welche Zeichen sind, bezeichnet779).

Sind somit die intentiones sevundae, wie sich im Anschlusse an die

allgemein geltende arabische Tradilion von selbst versteht, nichts Anderes

als die Universalien,_so liegt in demjenigen , was wir bisher betrach

teten, bereits der innerste Kern jener Auffassung verborgen, welche Occam

in der Universalienfrage in bunt verschlungener Ausführung vertritt. Fas

sen wir neu dich rückblickend alle diejenigen bisher angeführten Stellen,

in Eins zusammen, in welchen Occam den byzanlinischen Begriff der supposüio

beizieht (Aum. 750, 757, 762, 768," 773, 777, 778), so erkeninlentio

nomen mentale praecise natum esse extremum proposilionis et supponere pro

re , quae non est signum Simuitcr targe accipiendo dicitur inlenlio secunda

animae conceptus, quue sunt naturalia signa rerum, miusmodi sant inlentiones primae

stricle acceptae, sed eliam prout signa mentalia ad piocitum siguificanlia signa sgncalegoreumalica

mentalia; et isto modo forte non habemus nisi vocale correspondens

inlenlioni secundae. Stricte aulem accipiendo dicitur intcntio secunda conceptus, qui

praecise significal inlentiones naturaliler significalivas, cuiusmodi sunt genus, species,

differentia et alia huiusmodi lta de intenlionibus primis, quae supponunt pro

rebus, praedicatur unus conceptus communis, qui est intentio secunda. Summa t.

log. l, 12, f. 6 r. B: Sufficiat, quad inlenlio est quoddam in anima, quod est signum

naturaliler significans aliquid, pro quo polest supponere, vel quod polest esse pars

propositionis mentalis. Tale aulem duplex est. Unum, quod est signum alicuius rei,

quae non est tale signum, et ittud vocatur inlenlio prima Large dicitur

inlentio prima omnc signum inlenlionale exislens in anima, quod non significat inlenliones

vel signa praecise, et itlo modo verba mentalia et sgncalegoremata

mentalia, adverbia, coniunctiones et huiusmodi possunt dici intentiones primae. Stricle

aulem vocatur intentio prima nomen mentale natum pro suo signi/icato supponere.

Inlenlio aulem secunda est itio, quae est signum talium intenlionum primarum, cuius

modi sunt tales intentiones „genus, species" et huiusmodi. Hiezu die betreffende

Stelle in Anm. 768.

779) Quodt. V, qu. 21: Utrum quodlibel praedicamentum sil prima inlenlio vel

secunda Praedicamentum dicitur dupliciler: uno modo accipitur pro primo et

communissimo in linea praedicamentali ; et isto modo quodlibet praedicamentum est

prima inlentio vel nomen primae inlenlionis Alio modo accipitur pro tolo ordine

aliquorum ordinalorum secundum superius et inferius, el sie praedicamentum componitur

etc incomplexis, ex quibus proposiliones affirmalivae et negalivae natae sunt

conslitui Et sie loquendo de praedicamenlis in eo sunt aliquae inlenliones primae

et aliquae inlentiones secundae; nam in praedicamento qualitalis el reiolionis est hoc

commune genus qualitas, nam omne, quod genus est, est qualitas menlis secundum

rei veritalem; simittler hoc commune genus est conceptus reiolivus el ideo est in

geilere reiolionis Intentio prima bene est superior ad inlenlionem secundam, nam

ens in communi est inlenlio prima el tamen est superior ad inlentionem secundam,

quia omnis intentio secunda esl ens et non e converso Ad intenlionem primam

sufficit, quod significel aliquas res, quae non sunt signa, licet cum hoc significel

multas res, quae sunt signa. Inlenlio aulem secunda non significat aliquam rem,

quae non est signum (über „res" in diesem Sinne s. Anm. 767). Ein Duplicat dieser

ganzen Slelle s. unten Anm. 865.

344 XIX. Occam (Parteistellung).

nen wir sofort, dass Occam das Wesen der Allgemeinbegriffe in der

Supposilions-Fähigkeit erblickt (s. unten bes. Änm. 781, 797 f., 800, 806),

in welcher ihm ja auch die Differenz zwischen subiective und oMective

gleichsam als gelilgt erscheint (s. Anm. 762—764). Und diese principielle

Unterordnung der Universalienfrage unter den byzantinischen Be

griff terminus ist die besondere Eigentümlichkeit der Ansicht Occam's;

denn dass die Universalien wenigstens in einer dualislischen Nebenstellung

neben einem realen Sein auf subjecliver Seelenthäligkeit beruhen und im

Urtheile prädicaliv auftreten, hatten schon Alexander v. Alessandria (Anm.

248), Radulph Brito (Anm. 258), auch Aegidius (Anm. 403), Johannes

.landun (Anm. 426, 432), Antonius Andreas (Anm. 457) und Baconthorp

(Anm. 690) hervorgehoben; ferner dass diese fubjeclive Seite an den

Universalien das Entscheidende sei, trafen wir bereits bei Durand (Anm.

560), Burleigh (Anm. 597), Armand (Anm. 632) und Graliadei (Anm.

669); und endlich dass die subjeclive Function wesentlich im Sprachausdrucke

und der Namenbezeichnung wirke, hatten schon Durand und

Armand wenigstens zugegeben (Anm. 551 n. 634), sodann aber Aureolus

förmlich als Princip ausgesprochen (Anm. 697). Somit können wir

in all diesen letzteren Wendungen bei Occam Nichts erheblich neues fin

den, wenn auch spätere Nachkommen, welche den thatsächlichen geschicht

lichen Verlauf nicht kannten oder ignorirten , sich einzig gerade diese

Seite aus Occam herauslasen und denselben so als den wahren Hort eines

nachmals sogenannten „Nominalismus" (s. z. B. Anm. 782) verehrten,

woraus dann eine theologische Polemik gegen den Occamismus erwuchs,

welche unbemerkt bis zum heuligen Tage auf die Geschichtschreibung der

Philosophie einen bedingenden Einfluss ausübte. Hingegen der wahre

geschichtliche Thatbestand liegt darin, dass Occam das Haupt der „Terministen"

war (— wir werden später diesen Parteinamen als einen übli

chen finden —), und nur dadurch hat er sowohl einen wirklich neuen

Standpunkt eingenommen, als auch auf den weiteren Verlauf der Logik

einflussreich gewirkt.

Da die Universalien für die Logik nichts Anderes sind als „termini"

der Urtheile (vgl. Anm. 777 f. 797 u. bes. 798), so sind dem Logiker

eigentlich alle anderweiligen Fragen über die Existenzweise derselben

völlig gleichgüllig780). Aber wenn auch dergleichen Untersuchungen hur

den Metaphysiker berühren (Anm. 756 u. 777), so muss doch zur Vermei

dung schlimmer Irrthümer auch die Logik hierauf eingehen , und ip die

ser Beziehung ist daran festzuhalten , dass alles äusserlich Exislirende

schlechthin singulär ist (— diesen Grundsatz, welchen wir schon bei Herveus,

Anm. 400 f., und bei Durand, Anm. 560, trafen , wiederholt Occam

unablässig -r-), und daher das Universale nie zu den äusseren Dingen

gehören noch auch ein Theil eines Dinges sein kann, sondern nur eine

unkörperliche psychische Veranstaltung (instüutio oder intentio oder conceptus

formatus) ist, welche die äusseren Dinge bezeichnet und zur sup-

\ Sent. t, Dist.1, qu. 4AA: Pures logicus non habet disputare, utrum uni- \-

versalia, qyae sunf lermini proposilionum, sint res extra animam vel tautum in anima

vel in voce vel in seriplo; et ideo non dislinguit, sed aliquando attribuit rei, quod /

convenit universali lermino proposilionis et aliquando e converso.

XIX. Occam (Parteistellung). 345

positio für das Bezeichnete (nicht aber für sich selbst, vgl. Anm. 777,

796 u. 877) fähig ist, ähnlich wie auch in den Worten eine solche Ver

anstaltung der Bezeichnung liegt, nur mit dem Unterschiede, dass die

Worte, welche gleichfalls das von der intentio Bezeichnete bezeichnen

(Anm. 774), aus einer lediglich willkürlichen Veranstaltung hervorge

hen781), so dass man in diesem Sinne auch von einem doppelten Uni

versale sprechen kann, nemlich von einem natürlichen (naturale, vgl.

Anm. 757 u. 774 f.) und einem willkürlichen , welches in den Worten

liegt782).

Die Werkstätte der Natur beabsichligt nur singuläre Dinge (s. Herveus,

Anm. 401, und Durand, Anm. 560, sowie die gegnerische Arisieht

Burleigh's, Anm. 590), indem nur solche ursprünglich und an sich er

zeugt werden783). Im Denken aber entstehen die Universalien, indem

durch die Gegenstände auf lediglich „natürlichem" Wege ohne eigenes

Zuthun des Intellectus oder des Willens aas dem ersten Erfassen und

Festhalten (habitus, vgl. Anm. 759) des Gegenstandes bei ungehindertem

Gedankenlaufe von selbst ein zweiter Denkact veranlasst wird (causatur,

vgl. Scotus, ob. Anm. 116, und Herveus, ob. Anm. 408), welcher vor-

781) Expos, aur. Praedicab. Prooem.: Quamvis praedictae quaesliones non

ad logicum, sed ad metaphgsicum sint pertinentes, quia tamen ex earum ignorantia

mulli modern» in mulliplices errores in logica sunt eiopsi, ideo de ipsis quid sit

dicendum, est docendum Quaelibel res imaginabilis exislens per se sine omni

addilione est res singuioris et una numero, quia omnis res per se vel est cadem

vel diversa ab alia Nultum universale est extra animam exislens realiler in substanliis

individuis nee est de substanlin vel esse earum, sed universaliler est tantum

in anima vel est universale per inslitulionem , quomodo vox protata . ... est universalis,

quia de pluribus est praedicabitis non pro se, sed pro rebus, quas signifivat

JVon sunt nisi quaedam inlenliones vel conceptus formali per inlellectum exprimentes

esse rerum et significanles eas, et non sunt ipsae res, sieut signum non est suum

significatum, nec sunt partes rerum (s. Anm. 794 f.) , non ptus, quam vox est pars

significali sui, sed sunt quaedam praedicabitia de rebus non pro se, quia .... non

supponunt pro se, sed pro suis significalis , quae sunt res singuiores Praeler

ista ipsae voces correspondenles possunt aliquomodo genera vel species appellafi pro

tanto, quia omne itlud , quod significatur per intenlionem vel conceptum, in anima

significatur per vocem et e conveno; tamen hoc non est nisi ad pioätum inslituenlis.

Universalia non sunt corporalia, quia non sunt nisi in mente , in qua non est

aliquod corporale.

782) Summa t. log. I, 14, f. 6 v. B: Universale duplex est. Quoddam est uni

versale naturale, quod est signum naturale praedicabite de pluribus ad modum, quo

fumus naturaliler significat ignem et gemitus infirmi dolorem el risus inleriorem taeliliam;

el tale universale non est nisi inlenlio animae, ita quod nulta substanlia extra

animam nee aliquid accidens extra animam est tale universale; el de tali loquar in

capitulis sequenlibus (also ist dieses das logische Universale). Aliud est universale

per votuntariam institulionem, et sie vox protata, quae est vere qualitas una numero,

est universalis, quia est signum votuntarie inslitutum ad significandum plura; unde

sieut vox dicitur cammunis, ita polest dici universalis, sed hoc non habet ex

naturo, rei, sed tantum ex piocito instituentium. Ebend. 22, f. 9 v. A: De tali

universali, quod est universale ad ptacitum , non loquor, sed de itlo , quod ex

natura sua habet, quod sit universale. So also steht es mit dem angeblichen

„Nominalismus" Occam's derarlig , dass ihm das Sprachliche nur ein seenndäres

Witlkürliches jst.

783) Senf. I, Dist. 2, qu. 4 X: Agens naturale in agendo intendit veram rem

singutarem, quia ittud intendit, quod per se et primo producitur, sed res singuiorii

per se et primo producitur.

346 XIX. Occam (Parteistellung).

stnllungsweise auf ein Sein gerichtet ist, welches dem vorher gegenständ

lich ergriffenen Sein adäquat ist784). So fällt die thomistische „reflexio"

(".'ihnlich wie hei Scotus , Anm. 124) bei richliger Erwägung des intuili

ven Erfassens (s. Amu. 740) von selbst hinweg 7*5); denn bezüglich der

Reihenfolge der Entstehung ist das erste Erkannte stets ein Singuläres,

d. h. ein concretes Ding, nicht aber ein Zeichen (wie z. K. ein Begriff

oder ein Wort), da es ausserhalb der Seele nur siuguläre Dinge gibt;

aber auf diese erste intuilive Erkenntniss folgt unmittelbar ein erstes abstractes

Erfassen, welches bereits den Charakter der Gemeinsamkeit trägt,

und soweit dann dieses Gemeinsame dem Singulärcn adäquat ist, tritt

das Erkannte als ein Universale mit diesem ihm gehörenden Vorrange

auf7s6). Versteht mau unter abstracteui Erlassen ein Absehen von der

vielheitlichen Singularität, und folgt man dcr wahrscheinlichen Annahme,

dass die Univcrsalicn eine gegenständliche Existenz in der Seele haben

(s. Anm. 763 u. 768), so wird in Folge dessen, dass das Universale dem

Singulären adäquat ist, das abstracte Erkennen und das sinnlich intuilive

Erkennen das nemliche sein; hingegen wenn man Ahstraclion als cm Ab

sehen von: Existenz oder Nicht-Existenz des Gegenstandes nimmt, so un

terscheidet sich dieselbe vom intuiliven Erlassen, da letzteres auf ein

jeweilig Exislirendes gerichtet ist; aber dennoch liegt auch dann der Un-

784) Kbrm!. II, qu. 25 P : Universalia et intentiones secundae causantur naturaliter

sine omni activitale intellectus et votuntalis a noliliis incomplexis lerminorum

lier istam riun,. (/H/« primo cognosco aliqua singuioria in particuiori intuilive vel

abstraclive, et buc causatur (vgl. Anm. 806) ab obiecto vel Iiabitu derelicto ex primo

actu, et tmbiln nolitia stalim ad eins praesentiam, si nnn sit impedimentum, sequitur

naturaliter alius aetus dislinctus a primo terminatus ad aliquid tate esse obiectivum,

quale prius vidit in esse subiectivo, el itle actus secundus pruducit universalia et inlentiones

secundas.

785) Seal Prolog, qu. l DU: Proprie loquendo et stricte nulla est inlelleclio

reflexa, quia reflexiv slririe sampln inctudit necessafio ad minus duo, sicut pulet in

molu locali reflexn ; accipiendo tamen reflexionem iorge concedo, quod itio intelleclio

est reflexa, cum hoc tamen stat, quod est intuitiva.

786) Quodl. I, qu. 13: Utrum primum cognitum ab intellectu primitale generalionis

sit singutare. Et videtur primo, quod non, quia universale est primum el

proprium obiectum inlellectus tn oppositum: Idem omnino est obiectum sensus

el inlellectus; sed singuiore est primum obiectum sensus tali primitale Sciendum

est, quod hie capitur singuiore pro re, quae est unum numero et non est signum,

....quomodo diclio seripta, conceptus et vox » Secundo sciendum est, quod non

mlelligitur ista quaestio de quacunque cognilionc singuioris, quia quaecunque cognilio

universalis sie est singuioris, .....sed de cognilione propria simplici et singuiori . . . .

Dico tunc primv, quod singuiore praedicto modo accipiendo est primo cognitum,

(JuM res f. r /tu an nnum, quae non esl signum, tali cognilione primo mlelligitur,

sed omnis res extra animam es( jinguiore, Secundo dico, quod cognilio simplex

el propria singularis el primo, tali primitale est intuitiva Tertio dico, quod

cognitio prima abstracliva primitale generalionis et simplex non est cognitio propria

singuioris, sed communis, ..... sicut de veniente a remolis palet, quod causal sensalionem,

virtule cuius possum tantum iudicare, quod ittud visum est ens; manifestum

est, quod in Mo casu cognilio abstractiva, quam habeo primo primitale generalionis,

est ,',utiuIxi entis el nullius inferioris , el per consequens non est conceptus proprius

singuioris ...... Intuitiva est propria cognitio singuioris non propler maiorem assimiiolionem

uni quam allen, sed quia naturaliler ab uno el non ab allero causatur

Conceptus generis nunquam abstrahitur ab uno individuo ..... Universale est obiectum

primum primitale adaequalionis, non primitale generalionis. Vgl. Anm. 806 u. 810

a. Ende.

XIX. Occam (Parteistellung). 347

terschied beider Erkenntnissweisen nur in ihnen selbst, d. h. nur in der

geisligen Funclion, nicht aber etwa in den Objecten derselben l87).

Das Universale ist somit keinenfalls eine ausserhalb der Seele exislirende

Einzeln-Substanz, denn ausserdem könnte jedes eonerete Wesen

ein Universale sein, sowie auch mit der Vernichtung eines Individuums so

fort die ganze Gattung untergehen müsste; sondern das Universale ist nur

eine psychische intentio, und wenn man diese nach richliger Auflassung

mit actus intelligendi idenlificirt (Anm. 757 u. 768), so ist sie ein na

türliches Zeichen, welches ebenso, wie z. B. durch Seufzen Schmerz be

zeichnet wird, als Hestandtheil eines inneren Urtheiles, d. h. als lerminus,

einen äusseren Gegenstand bezeichnet und hiemit nur der prädicaliven

Aussage dient, während Substanzen als solche, wie sich von selbst ver

sieht, nicht Prädicat oder Subject eines Urtheiles sein können, wenn man

nicht auf sophislische Spielereien verfallen will788). Die Gemeinsamkeit

aber (communitas) , welche dabei den Universalien als ausgesagten zu-

787) Senf. Prolog, qu.l Z: Nolilia abstractiva polest accipi dupliciler: uno modo,

quod sit respectu alicuius abstracli a mullis singuioribus ; el sie cognilio abstractiva

nun est nisi cognilio alicuius universalis abstrahibitis a mullis, el si universale

sil vera qualitas existeus in anima subiective , quod polest leneri probabititer, concedendum

est, quod ittud universale possit videri intuilive et quod cadem est nolilia

intuitiva et abstractiva..... Aliter accipitur cognilio abstracliva, secundum quod abstrahil

ab exislenlia el non-existenlia ....... Nolilia intuiliv n est talis, quod ss

Soerales in rei veritale sil albus , polest evidenler eognosci, quod Soerates est

albus; el universaliler omnis nolilia incomplexa lermini- vel lerminorum seu rei vel

r i'r un,, virtule cuius polest evidenler eognosci aliqua veritas conlingens, maxime de

praesenli, est nolilia intuitiva. Abstracliva aulem est ista, virtule cuius de re conlingenti

non polest sciri evidenler, utrum sit vel non sit, et per ittum modum abstrabil

ab exislenlia et non-existentia Aliquando propler imperfeclionem nolitiac intuitivae

polest accidere , quod nulioe vel paucae veritales contingentes de re sie

intuilive cognita possint eognosci (CC) Omne ittud el sub eadem ralione, quod

erit obiectum intuitivae, polest esse obiectum abstraclivac, et manifestum est, quod

quidquid reale polest eognosci abstractive, polest eliam cognosci intuilive (GG)

Ideo dico, quod nolilia intuiliva et abstractiva se ipsis differunt, el non penes obiecta

et penes causas suas quascunque, quamvis naturaliler nolitia intuiliru non possil esse

sine exislentia rei, nolilia aulem abstracliva polest esse naturaliler ipsa re simpliciter

destructa.

788) Summa f. log. I, 15, f. 6 v. B: Quod nullum universale sit aligua substantia

extra animam existens, evidenler probari polest Nultum universale est

substanlia singuioris el nna numero; si enim diceretur, quod sie, sequitur, quod

Soerales erit aliquoa universale, quia non est maior ralio, quod unun, universale sit

una substantia singuioris, quam alia Sequeretur, quod deus non passet unum

tndividuum simpliciler annihiiore, nisi celera individua destrueret, quia, si annihitarel

aliquod tndividuum, destruerel lolum, quod est de essentia itlius Nultum uni

versale est substanlia, qualilereunque consideretur ; unde consideralio intellectus non

facit, quod aliquid sit substanlia vel non- substanlia, quamvis significalio lermini

faciat, quod de Mb, non pro se, praediectur hoc nomen „substantia" vel non praedicetur

Quodlibet universale est inlentio animae, quae secundum unam probabitcm

opinionem ab actu inlelligendi non dislinguitur ; unde dicunt, quod inlentio,

qua intelligo homines, est signum naturale significans hominem , ita naturale , sieut

gemitus est signum infirmitalis vel dolori, ; el est tale signum, quod polest stare pro

hominibus in proposilionibus mentalit,us, sicul vox polest stare pro rebus in proposilionibus

vocalibus Quod autem substanlia non sit nuta praedicari, palel.

quia, si sie, sequeretur, quod propositio componeretur ex substantiis particuläribus

el per consequens subiectum erit Romae et praedicatum Oxoniac (bezüglich des Letz

leren vgl. A um. 599).

348 XIX. Occam (I'arteistellung).

kommt, ist nicht etwa eine objeclive Wesens-idenlität des Universalen und

des Singulären, sondern beruht lediglich auf dem Begriffe des „Zeichens"

'signum), welches ja als solches mehrerera Bezeichneten gemeinsam ist 789);

und daher wird bei Erkenntniss eines Universale hinwiederum nicht ausschliesslich

oder einseilig bloss der geislige Begriff erkannt , sondern zu

gleich mit ihm gemeinsam auch das Singuläre, auf welches er sich be

zieht700). Aber dabei dürfe man sich durch das Wort „singularis" nicht

täuschen lassen, denn dasselbe habe einen doppelten Sinn : nemlich einer

seits bedeute „s-ingulare" dasjenige, was Eines und nicht Vieles ist, und

in diesem Sinne sei Alles und Jedes ein Singuläres , mag es ein Ding

oder ein Zeichen oder eine intentio oder ein Universale sein, indem auch

letzteres irgend Ein beslimmtes psychisches Moment ist, und somit gebe

es in diesem Sinne, da für die' Philosophie Nichts zugleich Eines und

Vieles ist (— anders in der Theologie, welche ja lehrt, dass 1—3 ist,

vgl. Anm. 733 ' —), fiherhaupl gar kein Universale; hiegegen andrerseits

bedeute „singulare" dasjenige, was in der Einheit seines Seins auch nur

Eines (nicht aber Vieles) „bezeichnen" kann, und in diesem Sinne besiehe

ein Unterschied oder selbst ein Gegensatz zwischen dem Singulären und

dem Universale, insoferne letzteres, während es allerdings Eines ist, zu

gleich wesentlichst den Beruf hat, Mehreres zu bezeichnen, und somit

gebe es von Natur aus sowohl singuläre als auch universelle intentiones

animae, eine Unterscheidung, welche bei den Worten nur auf willkürli

cher Einrichtung (Anm. 7*57, 774, 781) beruhe, daher auch die Singu

larität, vermöge deren ein Wort „terminus discretus" ist, als dritte Be

deutung des „singulare" genommen werden könne791).

789) Expos, aur. Praedicab. de genere: Iltud, quod praedicatur de pluribus

differenlibus specic, non est aliqua res, quae sit de esse itlorum, de quibus praedirutnf.

sed est una intenlio in anima naluraliler significans omnes itios res, de qui

bus praedicatur Et idco genus non est commune ptuhbus per tdentitatem in eis,

sed per quandam communitalem signi, quomodo »dem signum est commune ad plura

signata Divisio praedicabitium non est divisio primo rerum, quae sint in genere

substanliac, sed est divisio nominum vel conceptuum vel inlentionum in anima.

790) Sent. I, Dist. 2, qu. 4 Q: Secundum unam opinionem intellectus intelligendo

hominem, non inlelligendo aliquem hominem singutarem, non intelligil rem

unam de genere substantiae, sed tantum intelligit quendam conceptum menlis

Sed secundum alium opinionem vere intelligitur quitibet homo singuioris, non cognilione

propria nec aequivalenti. sed communi tuntum.

791) Expos, aur. Perierm. C. 5: Vox est singuioris in se, sc. quia est una res

et non ptures ; polest tamen esse universalis per significalionem et praedicalionem.

Singuiore accipitur dupliciter: uno modo pro co, quod est unum et non ptura,

et isto Modo qunelibet res, sive sil signum sive signatum sive vox sive conceptus, diritur

singutaris, et sie nulio res est universalis quia nihit est unum et plura

secimdum phitosophus, quamvis secundum theologos passet concedi, sed de hoc non

est modo curaudum (d. h. die Trinitäts-Lehre liegt ausserhalb der Phitosophie)....

Alio modo uccipitur pro eo, quod non est praedicabite et quod non signi/icat ptura,

et universale dicitur per oppositum ittud, quod praedicatur de pturibus et est signum

plurium et ptura sit!ni/ii'nt, quamvis ipsum in rei veritale sil unum et non ptura,

et isto modo secundo accipiendo singuiore et universale non est idem Intenlionum

animae quaedam sunt universales et quaedam singuiores, voces aulem non

sunt singuiores nee universales nisi per inslitulionem sive ad piocitum. Summa t.

log. I, 14, f. 6 v. B : Sinauiore polest sumi dupliciler. llno modo hoc nomen „singutare"

siqni/ical ittud, quod est unum et non ptura; et hoc modo lenenlei, quod uni

versale est quaedam qualitas menlis praedicabitis de pluribus, non tamen pro sc, sed

XIX. ;0ccam (Parteistellung). 349

Kehrt somit Occam betreffs der Universalien .ebenso wie bei intentio

(Anm. 778) immer wieder auf die Aussagbarkeit, auf „diei de pluribus",

und somit grundsätzlich (vgl. Anm. 768) auf das Urtheil zurück™2), so

ist es schliesslich eben dieser nemlid,e Standpunkt, welchen- er in peinli

cher Ausführlichkeit und unter serupulöser Formulirung aller möglichen

Fragen, aller Gründe und Gegengründe, bei der üiscussion über die. Uni

versalien im Commentar zu Petrus Lombardus vertritt. Folgen wir dem

dorligen Verlaufe (einige anderweilige Belegstellen aus anderen Schriften

bei einzelnen Punkten nicht vernachlässigend), so begegnet uns als erste

die Frage, ob die Universalieu wirkliche Dinge ausserhalb der Seele seien,

welche den einzelnen Dingen, deren gemeinsame Prädicate sie sind, we

sentlich innen einwohnen , während sie von denselben real verschieden

sind; und indem nun gegenüber dem Standpunkte der subjecliv psychi

schen Auffassung diese Frage dennoch im Hinblicke auf die Wesens-Einheit

gleichnamiger Individuen und auf die Unvergänglichkeit der Allgemeinbegriü'e

manigfach bejaht werde 79!i), bemerkt hiegegen Occam vorerst,

pto Mis pluribus, dicere babent, quod quodlibel universale est vere et realiter singutare

(diess beruht auf einer schou von Middleton, ob. Anm. 230, benützlen Stelle

Avicenna's) Aliler accipitur nomen „singuiore" pro omni eo, quod est unum et

est signum alicuius singuioris nec est natum esse signum pturium. Et sie nullum

universale est singuiore, quia quodlibel universale natum est esse signum pturium.

Unde vocando universale aliquid, quod non est unum numero, quam acceplionem

mulli tribuunt universali, dico, quod nit,it est universale, nisi forte ubutctur vueabulo

dicendo, poputum non esse unum numero et esse universale; sed puerite esset.

Dicendum est igitur, quod quodlibel universale est una res singuioris, .et ideo non est

universale nisi per significalionem, quia est signum pturium Forma, quamvis in

comparalione indivitiuorum sit uninersalis, tamen in comparalione auimae, singuioris,

in qua imprimitur, est individua, ipsa enim est una ex formis, quae sunt in intellectu.

Quodl. V, qu. 12: Ulrum universale sit singuiore Logice loquendo tripliciter

accipitur singuiore et indiridnum. Uno modo dicitur singuiore, quod est una

res numero et non .ptures res; alio modo dicitur singuiore res extra animam, uuoi'

est una et non ptures nec est signum alicuius; lerlio modo signmu yroprium

uni, quod vocatur le,miuus diseretus ...... Universale est singuiore et individuum

primo modo, quia vere est una qualitas menlis singuioris el non est plures qualitales.

Sed secundo modo non est singuiore, quia nullo modo, est res extra animam

quodcunque unüersale; similiter universale non est singuiore lertio modo, quia uni

versale est signum naturale vel voiuntarium ammune pturibus .et. non tantum uni.

S. Anm. 839. . . . .

792) Expos, aur. Praedicab. de specic: Ordo praedicamentalis non comiionitu,

ex rebus extra animam, sed ex conceplibus et intenlionibus in anima, quae non ba

bent aliquem ordinem, nil,i quod unum est communius el dicitur de pluribus el ittud

vocatur superius, el aliud est minus commune et dicitur de paucioribus el ittud est

inferius Species conlinet individua non sicut quoddam lolum, de cuius essentia

sint individua, sed contineri hie idem est quod de pturibus praedicari.

793) Sent. t, Dist. 2, qu. 4 A: Quaero, utrum ittud, quod immediale i'l proxime

denominatur ab inlenlione universalis el univoci sit aliqua vera res extra ani

mam intrinscca el essentiulis itlis, quibus est univoca et communis, dislincta realiter

ab itlis. Primo, quod sit vera res essenliulis et iutrinseca itlis, quibus est communs,

videtur, quia isti duo homines, universalts el particuioris sciticet, cui accidit

univocalio, sunt unum essentialiler ; sed ittud, quod est unum . essentialiter cum aliquo

ente reali extra animam, est vefc res el essenlialis alicui rei Secundo, quod

sit res dislincta realiler, videtur, quia impossibite est, eandem rem esse corruplibitem

el incorruplibitem ; sed universalia sunt ituorruplibitia, ergo non sunt eaedem

res cum singuioribus. Ad oppositum: unum el ens sunt ex rebus universalibus,

quae non habent esse extra animam Ad istam quaestionem ,'st una opinio,

350 XIX. Occam (Parteistellung).

rlass bei solcher Annahme die l'niversalien bereits singularisirt, d. h. zu

concreten Einzeln-Dingen gemacht seien, bei welchen eine angebliche communicabilüas

(thomislische Ansicht, s. Absclm. XVII, Anm. 380—392 u.

494) einerseits zweifelhaft bleibe und andrerseits eine Singularisirung oder

örtliche Vervielfälligung doch nicht ausschliesse ; ferner dass die Universalien

dann nur Summanden oder Theile (vgl. Anm. 781, 799 f.) des We

sens der Einzelndinge sein könnten, wornach in einem Individuum ebenso

viele „res" stecken müssten, als Universalien von ihm ausgesagt werden;

ausserdem dass das Universale nicht Gegensätze in sich aufnehmen könne,

was doch bekanntlich bei Substanzen wesentlich der Fall sei; endlich

dass mit der Vernichtung Eines Individuums der Untergang der ganzen

Gattung verbunden sein müsste794). Ueberhaupt ja sei die Annahme einer

derarligen Existenz der Universalien weder zur Erklärung des Urtheiles

nöthig oder zulässig, weil der Theil (— Theile aber seien in solchem

Sinne die Universalien —) nicht wesentlich vom Ganzen prädicirt werden

könne, noch bedürfe man derselben zum Behufe der realen Disciplinen,

weil für diese das Unheil allein genüge (s. sogleich Anm. 797 f.), noch

auch endlich zum Behufe der Defmilion , da diese immer etwas vom dequodlibel

universale univocum est quaedam res existens extra animam realiler

in quolibet singuiori el de essenlia cuiustibel singutaris dislincta realiler a quolibel

singutari et a quolibel alio universali Pro itio opinione arguunt mullipliciter,

d. h. es werden nun dreizehn Gründe für dieselben angeführt.

794) Ebend. D: Ista opinio est simpliciter falsa et absurda; ideo arguo contra

eam primo sie: rlulta una res numero non variata nec mulliplicata est in pturibus

supposilis vel singuioribus nec eliam quibuscunque individuis erealis simul et semel,

sed talis res si ponerelur, esset una numero, ergo non esset in pturibus singuioribus

nee de essenlia itlorum Sed res singuioris et universalis per se sunt duae res

dislinctae realiler et aeque simplices, vel res universalis est magis simplex, ncc maiorem

pluralitalem rerum intrinsecam itutudit una quam alia , sc. res universalis quam

singuioris; igitur si res singutaris est una numero, res universalis erit una numero.

St dicitur, quod itio res universali!, est realiler communicabitis mullis et est

realiler in mullis, non sie aulem res singuioris, el ideo, quamvis non inctudat intrinsece

maiorem pturalitalem rerum, non tamen est una numero sicul res singutaris, con

tra quaero, quomodo est communirabitis mullis el quomodo est in mullis Si dicitur,

quod ipsa non variata in se nec mulliplicata communicatur mullis et distincta

remanet realiler ab itlis , talis communicabititas vel exislenlia in mullis non eaceludit

unitulem numeralem Omnis res faciens numerum cum alia re dislincta est una

res numero vel ptures res numero ; sed talis res universalis si ponatur, vere facil nu

merum cum re singuiori; ergo ipsa est ona res numero vel ptures res numero; sed

non est ptures res numero ; ergo est una numero Si diritur , quod itio res

unirersalis est de essenlia Soeralis el non tola essentia Soeralis, quiu tunc non esset

res alia a Soerale , ergo est pars essentialiter Soeralis , ex Mo sequuntur multa ab

surda Sequeretur , quod tol essent res realiler dislinctae in quolibel singuiori,

quol sunt unnersalia praedicabitia univoce de eodem Omnis res extra animam

in genere substantiae est suscepliva contrariorum; ergo si sit aliqua substanlia uni

versalis, vere eril suscepliva contrariorum; sed nultum universale est susceplivum con

trariorum; ergo nultum tale universale est res realis in genere substanliae. Summa t.

log. n, 2, f. 25 v. B: Si humanilus sit alia res a singutarilmt et sit de essenlia

singuioriam , ergo tdem non vuriatum esset in pturibus, et ita nnum non variatiim

numeraliler esset in diversis loris; quod est falsum. Simitiler idem non variatum

damnatum in iuda el salvatum in Christo, et ita aliquid esset damnatum el miserum

in Christo; quod est absurdum, Simitiler tunc deus non possei aliquid tndividuum

annihitare, nisi destruerel omnia individua eiusdem generis.

XIX. Occam (ParteistellungX 351

finirten Gegenstande Verschiedenes ist795). Hiezu aber fügt er noch einen

anderen Einwand, welcher nach der Lehre von consequentia formulirt ist

und auf der Theorie der suppositio beruht (vgl. Anm. 777 u. 781); uemlich

falls das Universale in dem angegebenen Sinne eine „res" wäre,

d. h. nicht bloss ein Zeichen für ein Bezeichnetes, so müsste es befähigt

sein, für sich selbst supponirt zu werden ; dann aber käme man bei der

Folgerung „Mensch ist eine Species, also ist Thier eine Species" oder bei

dem Urtheile „Die niederste Species ist eine Substanz" zu falschen Be

hauptungen, sowohl wenn man nach suppositio personalis, als auch wenn

man nach mppositiu simplex verfährt; also könne das Universale nicht

eine res sein 796). Ausserdem müsse um der logisch Ungeübten willen

bemerkt werden, dass der Bestand der realen Disciplinen durchaus nicht

einen Einwand gegen die Subjeclivität der psychisch erfassten Universa

lien in sich schliesse (wie Burleigh gemeint hatte, s. ob. Anm. 591 u. 598);

denn vor Allem habe jede Wissenschaft, möge sie real oder ralional sein,

nur Urtheile zum Gegenstande, weil Urtheile allein es seien, welche „gewusst"

werden (s. Anm. 754), wobei es für die Wahrheit des Urtheiles

gleichgüllig sei, ob es aus Geschriebenem oder aus gesprochenen Worten

oder innerlich ans Begriffen bestehe; Worte ja seien bei jeder Wissen

schaft üblich , der Unterschied hingegen liege nur darin , dass bei den

realen Disciplinen die Worte (oder lermini) durch suppositio auf concrete

einzelne Dinge, bei den ralionalen durch suppositio auf Begriffe,

und bei den grammalischen Theorien durch supposüio auf Worte selbst

795) Sent. l, ». a. O. : Ideo dien aliler ad quaestionem, quod nulio res realiler

distincta a singuioribus rebus et intrinsera eis est universalis el communis eis, quia

talis res non esset porienda nisi ad salvandam praedicalionem essentialem unius de

allero n-l ad salvandam scienliam de rebus et diffiniliones rerum , quas omnes innun

a l arguenles pro opinione Pialonis. Sed primum non valet, quia so ipso, quod

ponitur intrinseca ,lu et distincta a re singuiori, oportet, quod sit pars rei, sed pars

non tn,t,'sl praedicari essentialiter de re Nec propler secundum oportel pone,e,

quill ad babendum scieuliam realem sufficit habere propositiones per se, quae possunt

haben sine tali alia re Nec oporlet talem rem ponere propler lerlium (F)

quia nunquam diffinilio et diffinitum sunt eadem res; sicul enim non sunt idem lerminus,

ita non sunt eadem res, hoc non obstanle, quod pro eadem re supponunt (letz

teres ebenso Summa t. log. l, 20, f. 8 v. B. und hiezu Anm. 848). •i .

796) Ebend. Ab inferiori ad superius est bona consequenlia (s. Abschn. XVII,

Anm. 623), quando sc. superius et inferius supponunt pro rebus celeris, quamvis non

sequttur, quando supponunt pro se tpjis ; ergo .lequitur „hon,o est species, ergo animal

est species''; quaeru ergo, quomodo supponit „animal" ; aul personaliler, el tunc

baec est falsa, quia nultum animal est species; aut simpliciter , el tunc est falsa,

quia tunc animal supponit pro Mo communi, et Ma res communis non est species

speciulissinia, sed genus Praelerea si haec sit vera „species specialist.ima est

substantia" , aut substantia supponit simpliciter aut personaliter: si simpliciter, tunc

haec est falsa, quia tunc species specialissima esset genus generalissimum; si personul,ler,

adbuc est falsa, quia tunc supponit pro suppositis et singuioribus, et per consequens

species specialissima essel aliquid singuiore. Ideo dico, quod nulio res talis est, quae

sit universalis et intrinseca itlis, quibus est communis. Summa t. log. \, 66, f. 21

T. B: Suppositiu simplex est, quando terminus supponit pro intentione animac (s.

unten Anm. 877 u. 879), quae aliquando est communis pturibus per praedicalionem,

atiquando vero est propria um; et ralio Imius est, quod nihit est aparle rei, quando

sil simpliciter singuiore. linde error iltorum, qui eredebunt, aliquid esse in re praeler

singuiore, el quod bumanitas distincta a singuioribus est aliquid in individuis el

de essentia eorum, induxit eos in itlos errores et mullos alias logieales.

352 XIX. Occam (Partcistellung).

sich beziehen (vgl. Anm. 776); jene iiuieren Urlheile aber, welche allen

ausgesprochenen Urtlteilen zu Grunde liegen (Anm. 769), seien eben nur

aus solchen lernt int zusammengesetzt, welche Begriffe sind797). Darum

solle man auch , mit Soph»stereien , welche dem jurislischen Gebiete der

Slipulation entnommen sind .(s. oh., Anm. 590),, nicht weiteren Unfug trei

ben; denn sowie jene derarligen Beispiele sich einfach durch suppositio

confusa tantum (s. Abschu. XVII, Anm. 205 II'.) lösen , so kommv über

haupt in den (Jrtheilen Alles auf die suppusitio an, deren Kenntniss in

allem Detail allerdings Sache des Logikers sei798).

Die zweite Frage, welche dahin geht, ob die Universalien als wirkliche

797) Sent. a. a. O. qu. 4 Ml Scienlia realis non est semper de rebus tanquam

de -itlis, quae immediale sciuntur, sed de aliis pro rebus tantum supponenlibus

Proptcr ahquos inexereitalos in logica seiendem est, quod scienlia quaelibet, sive sit

realis sive ralionalis, esl tantum de propositionibus lanquam de itlis, quae sciuntur,

quia soioe proposiliones sciuntur Sicul proposilio proiota vere componitur ex

vocibus et propositio seripta vere componitur ex srripturis , ita propositio tantum

eoncepta componitur tantum ex intelleclionibus vel concepiibus seu intentionibus animae

Stcut propusitio proiota scitur, ita propositio in mente, quae nullius

1 l min u1' est, vere scitur Scientia aliquarum talium proposilionum proiotarum est

realis et aliquarum ralionalis, et tamen itio scita el omnes parles islorum vere sunt

voces, quia, cum partes aliquarum supponunt et stant non pro se ipsis vocibus, sed

pro rebus extra, puta pro subieclis, ideo itiorum proposilionhm scienlia dicitur reatIs;

aliae aulempartes aliarum propositionum stant pro ipsis eonceplibus menlis, ideo scienlia

itiorum polest dici ralionalis vel logicalis ; el istarum propositionum proiotarum, e. g.

„homo est vox bissglioba", polest dici grammalica. Et tamen omnes proposiliones tales

el partes earum sunt voces, et sotum dicuntur ad diversus scientias perlinere, quia

partes pro diversis supponunt, quia aliquae supponunt pro rebus, aliquae pro concepiibus

menlibus, el aliquae pro ipsis vocibus. Ergo eodem modn proportionabililer de proposilionibus

in menle, quae vere possunt sciri a nobis, quia omnes lermini itiorum sunt

tantum conceptus el non sunt ipsae substantiac extra In istn propositione in

menle „omne corpus componitur ex maleria el forma singuiori" non fit suppositio

pro aliquo corpore universali, quia nultum tale corpus est,.... sed scientia isto modo

est de rebus singuioribus, quia pro ipsis singuioribus lermini supponunt. Ebeud. N:

\,l,il refert ad scientiam realem, an lermiui propositionis scitae sint res extra animam

vel tantum sint in anitua, dummodo stent et supponavt pro ipsis rebus extra;

el ita propler scientiam realem non opportel ponere tales res universales distinctas

realiler a rebus singuioribus. Hiezu Anm. 843 a. Ende.

798) Ebend. X : S« prolerviatur, quod haec est vera „aliquis promitlit, se

daturum nilen aliquem equum" , tunc quaero : aut iste promitlil alleri rem aliquam

singuiorem aut universalem aut conceptum. Non rem singutarem, quia non plus

nnum, quam nimm, el ita vel nultum equum promitlil el ita possei lenere promissum

nullum equum dando, vel promitlit quemlibel equum et ita non passet lenere promis

sum nisi dando quemlibel equum. Si promittal rem universalem, habetur propositum.

Si conceptum, boc non est verum, quia promitlit veram rem Ista cavitiolio non

esset hie pouenda, nisi quia aliqui putantes, se scire logicam, ponderurent talia puerilia,

propler quae ponuntur multa absurda cirea suppositionem lerminorum Est

faliocia figurae dictionis commutando unum modum supponendi in alium l»

ista propositione „equum" supponit confuse tantum vel aliquo modu consimiti, qu,a

non supponit conluse el distribulive Saepe terminus praedicatus habet supposi

lionem confusam tuntum v,'t aliquam, quantum ad praedicata , consimitem cum signo

distribulivo praecedenli; verumtumen utrum n sermonis habeat suppositionem confusam

tantum vel non, ad praesens non curo, el ideo ista omittantur, quia pertinent ad logicos.

Ignoranlia tamen istorum facit multa difficitia el in lbeologia el in aliis scienliis

realibus, quae, si ista pueritia essent perfeete scita, essent valde facitia. Hiezu

d. Schtuss d. Anm. 879; vgl. auch Anm. 806; die logische Lösung aber des juri

slischen Beispieles s. nulen Anm. 885.

XIX. Occam (Parteistellung). 353

äussere Dinge in den Individuen, von welchen sie reell verschieden

seien, mittelst einer Vervielfälligung reell exisliren , liegt eigentlich näher

an der Controverse über das Princip der Individualion, wurde aber jeden

falls nur von Halh-Thomisten auf Grundlage Albert's (s. Abschn. XVII, Anm.

378, 381 f., 393) bejaht; denn soweit unsere Kenntniss der verschiede

nen Parteistellungen reicht, finden wir diese Ansicht hauptsächlich von

Herveus (ob. Anm. 411 u. 416), theilweise auch von Gottfried von Fontaines

(ob. Anm. 66) und von Aegidius (ob. Anm. 382 f.) vertreten; Occam

aber bekämpft dieselbe darum, weil im Hinblicke auf die Verschiedenheit

der Individuen dann zuletzt ebenso viele niederste Arten statuirt werden

müssten, als es Individuen gibt, und weil auch hier das Universale zu

einem real verschiedenen wesentlichen Theile des Einzeln-Dinges gemacht

werde, während das Bestehen eines Theiles im Wesen , wenn überhaupt

zulässig, nur in der prädicaliven Aussage der Artbegrifl'e im Vergleiche

mit den Gattungsbegriffen gefunden werden könne799), sowie man bei

Allem stets das Verhältniss der Aussage und der Supposilions-Fähigkeit

als einzig richliges im Auge behalten müsse800). ;

Die Beantwortung hingegen der dritten Frage, welche gleichfalls in

das Princip der Individualion hinüberspielt, nemlich ob die Universalien

etwas ausserhalb der Seele Bestehendes seien , welches nur formaliter

(nicht aber real) vom Individuum verschieden sei, ist direct gegen Scotus

799) Senf. I, Dist. 2, qu. 5 A: Quaero secundo, utrum universale el univocum

sit vera res extra animam realiler d,slincta ab individuo, in eo tamen realiler existens

realiler mulliplicata et variata (B) Est una opinio, quae imponitur doctori sublili

a quibusdam, sicul ab aliis opinio recitata in praecedentc quaeslione (d. h.

\,nu. 793) sibi imponitur (sonach bestanden damals sogar darüber Meinungsver

schiedenheilen, was Lehre des Scatus sei und was nicht; jedenfalls aber waren die

beiderseiligen Referenten, auf welche sich hier Occam beruft, ziemlich unwissende

Menschen, wahrscheinlich ächte Thomislen); et esl opinio, quod universale est vera

res extra animam dislincta realiler ab una di/ferenlia contrahenle, realiler tamen

mulliplicata el variata per talem differenlium contrahenlem. Sed ista opinio videtur

esse simpliciter falsa, quia (C) humanitas Soeralis realiler dislinguitur a differentia

contrahenle itiom humanitalem (A. h. wenn zum Universale die Individuation

als etwas Verschiedenes hinzutreten soll) Si humanitas sit alia el alia, ergo

tol erunt species specialissimae, quol sunt individua (D) Dico ad quaestionem,

quod in individuo non est aliqua natura ut"versalis realiler distincta a differenlia

contrahenle, quia non passet ibi poni talis natura, nisi esset pars essentialis ipsius

individui Simititer si in individuo essent talia duo realiler dislincta, non videtur

tnctudere contradictionem , quin unum istorum passet esse sine allero, el tunc possei

esse gradus individualis sine natura contracta vel e converso, quorum utrumque est

absurdum Universale aliquo modo significal parlem, quando est genus ad multa

composita dislincta formis specificis; et ideo universale non est realiter pars,

et ideo non oporlet, quod realiter mulliplicetur.

800) Expos, aur. Praedicab. De specie: Sicut genus non est de esse speciei nec

pars eius, ita species non est de esse individui, sed est quaedam min, l in in anima

significans ipsa individua, el est praedicabitis de eis non pro se, sed pro ipsis indi-,

viduis, quia praedicatum non supponit pro se, quia tunc denotaretur, quod Soerales

esset hoc praedicatum commune „Aomo", quod est manifesle falsum, sed „Aomo"

supponit pro ipsis individuis Ideo species non est realiler in individuo. Summa

t. log. t, 20, f. 8 v. A : Genus non est aliqua res extra animam exislens de essentia

itlorum, de quibus praedicatur, sed est quaedam intenlio animae praedicabitis de

mullis, non quidem pro sr, sed pro rebus, quas significat.

PKAHTL, Gesch. III. 23

354 XIX. Occam (Parteistellung).

gerichtet801). Und zwar wendet Occam gegen denselben ein, dass es im

Umkreise der natürlichen Dinge üherhaupt keine formale Unterscheidung

ohne eine reale geben könne (anders verhalte es sich freilich bei der

Trinität, vgl. Anm. 791), dass der änssere fiegenstand, welcher als sol

cher singnlär ist, nicht zugleich gemeinsam sein könne, dass es (wie oben

Anm. ROO) zuletzt so viele Arten als Individuen geben müsste, oder dass

entweder alles Singuläre ein Universale wäre oder es kein Universale

gäbe (wie oben Anm. 794) und somit der Unterschied der Individuen ge

lilgt werde, dass von Natur aus nicht das Allgemeine als das Frühere

beabsichligt werde, sondern gerade das Singuläre (ob. Anm. 783), endlich

dass in den Urtheilen das Prädicat zugleich sein eigenes Subject wäre,

weil ja der höhere und der niedere Begriff real das Nemliche seien802).

801) Sent. l, Dist. 2, qu. 6 A: Quaero lertio, utrum aliquid, quod est univer

sale et univocum, sit realiler extra animam ex natura rei distinctum ab individuo,

quamvis non realiler Dicitur, quod in re extra animam est natura eadem realiter

cum differeulia contrahente ad ,lelerminatum tndividuum, dislincta tamen formaliter,

quae de se nec est universalis nec particuioris, sed incomplele est universalis

in re, et complele secundum esse in inlellectu. Et ista opinio ' est, ul ererfo, opinio

sublilis doctoris, qui alios in sublilitale iudicil execllebal (s. ob; Anm. 100, 102,

121 f.) Et est de inlentione istius doctoris, quod praeler unitalem numeralem

est unitas realis minor imitale numerali (Anm. 141) Non est ergo ista enlitas

maleria vel forma vel comp,mtum. inquantum quodlibel istorum est natura, sed est

ullima realitas entis, quod est materia, et entis, quod est forma, et enlis, quod est

compositum (Anm. 147) (D) Pro conctusione principali istius opinionis arguitur

mullipliciler (folgen neun Gründe). l . ••

802) Ebend. E: Contra istam opinionem polest argui duplici via. Primo, quod

impossibite est, in ereaturis aliqua differre formaliter, nisi dislinguantur realiter (s.

Anm. 817) (F) Secunda via polest argui contra praedictam opinionem, quod

non est vera, eliam posito, quod esset talis dislinctio; primo sie: quandocunque convenit

alicui realiter unum oppositum, reliquum oppositomm sibi non convenit

realiler; sed per le omnis res extra animam est realiter singutaris una numero,

, .. ergo nulio res extra animam est realiler communis nec una unitale opposita

unitali singuioritalis (G) Secundo principaliler iuxta istam viam arguo sie,

quia, si natura isto modo esset communis, sequerctur, quod tol essent species et

genera, quol sunt individua (H) Si dicatur, quod res non est complele univer

salis, sed solum secundum quod est considerata ab inlellectu, contra quaero de itlo,

quid immediale denominatur universale. Aul est praecise una res extra animam, aut

erit praecise ens ralionis, aul est aggregatum ex ente reali et ente ralionis. Si detur

primum, habetur, quod res singuioris est simpliciter complele universale contra dictum

proprium Si detur secundum, sequitur, quod nulio res esl universalis nee complelive

nec inchoalive Si detur lertium, stabit, quod quol sunt individua,

tol erunt genera generalissima (J) Tertio arguo sie: humanitas in Soerate et

humanitas in Piotane realiter distinguuntur, ergo utraque itiorum est realiler una

numero, et per consequens ncutra est communis (M) Quae sunt una res in

ereaturis, non sunt allerius et allerius ralionis; sed differenlia individualis et natura

contractu sunt una res Socrales inctuderel aliquid allerius ralionis ab illo, quod

est in Piolone, quod falsum est, quia tunc Soerales et Piolo non essent simpliciter

eiusdem ralionis (O) Quod natura est prior naturaliler huc rntitale, ul haec

est, hoc non est verum (R) Iltud. quod est universale et univocum, non est

aliquid realiler ex parle rei, distinctum formaliter ab individuo, quia tune

quandocunque praedicatur superius de inferiori, praedicaretur idem de se, quia superius

et inferius essent eadem res (in Bezug auf Letzteres vgl. Anm. 8]2). Summa

f. log. II, 2, f. 26 r. A: Nec valel dicere, quod humanitas Soeralis non •diilinguitur

a Soerale realiler, sed formaliter tantum; quia talis dislinctio non est ponenda in

ereaturis, quamvis aliquo modo possei poni in divinis; el hoc, quia in ereaturis im

.XIX. Occam (Parteistellung). 355

Die gleichen Einwände richtet Occam auch anderwärts gegen die Srolisten

mit specieller Bezugnahme auf das Princip der Individualion, bezüg

lich dessen er in ganz ähnlicher Weise, wie Durand (oh. Anm. 569) und

Burleigh (ob. Anm. 603) im Gegensatze gegen die Häcceität des Scotus an

eine maleria parlicularis in Verbindung mit einer forma partinularis

denkt803), woraus folgt, dass Individuen gleicher Art lediglich mittelst

ihrer selbst in einem Gemeinsamen zusammentreffen, was durch die intentio

in einem Zeichen des Wesens ausgedrückt wird , sei es als ein

Substanlielles oder sei es als eine der übrigen neun Kategorien ; denn

dass man das Universale selbst auch ein Accidens nennen könne, betreffe

nur das psychische Auftreten desselben, nicht aber das Wesen des durch

die intentio Bezeichneten 804).

Durch die vierte Frage werden die vorhergehenden drei zusammen

allgemeiner dahin formulirt, ob das Universale überhaupt in irgend einer

Weise sachlich ausserhalb der Seele exislire; und aus einer Aufzählung

possibite est dare aliquam rem unam numero, quae sit realiler plures res et quaelibel

ittarum, sicul est in divinis, nam divina essenlia est tres personae etc.

803) Summa t. log. t, 16, t. 7 r. B: Videtur tamen aliquibus, quod ^. universale

aliquo modo est extra animam et in individuis, hon quidem dislinctum ab las rea

liler, sed tamen formaliler; unde dicunt, quod in Soerale est natura humana, quae

contrahitur ad Soeralem per unam differenliam individualem , quae ab ilio natura

non dislinguitur realiler, sed formaliler, unde non sunt duae res, una tamen non est

formaliler alia. Sed haec opinio videtur esse irralionabitis, quia in ereaturis non

polest esse aliqua distinctio qualileretmque extra animam, nisi ubi sunt res dislinctae.

Ilem eadem res non est rommunis el propria Ilem si natura communis

esset eadem realiler omni differenliae individuali, ergo tol essent realiler naturae

communes, quol sunt differenliae individuales Ilem quaelibet res se ipso, et

non per aliud, dislinguitur, a quocunque dislinguitur (v. A) Dicendum est igitur,

quod in ereaturis nulio est talis dislinclio formalis Et ideo non est imaginandum,

quod in Soerale sit humanitas vel natura humana distincta a Soerale quocunque

modo, cui addatur una differentia individualis contrahens itiom naturam, sed quidquid

imaginabile substanliale existens in Soerale vel est maleria particuioris vel forma

particuioris vel aliquid compositum ex his, et ideo omnis eisentia et quidditas el

quidquid est substantiae, si sil realiler extra animam, vel est simpliciter et absolule

maleria vel est forma vel compontum ex his.

804) Ebend. 17, f. 7 v. A: Mullis non parvae auctoritalis viris videtur, quod

universale aliquo modo sit extra animam el de essenlia substanliarum parlicuiorium,

ad quod probandum nonnulios raliones el auctoritales adducunt. Unde dicunt, quod,

quando aliqua realiler conveniunt el realiler differunt, per aliud conveniunt et per

aliud differunt, ergo inctudunt aliqua praeler ista, quibus distinguuntur

Ilem ptus conveniunt Soerales et Pioto, quam Soerales et asinus (s. ob. Anm. 99),

ergo in aliquo conveniunt Soerales et Ptato, in quo non conveniunt Soerales et asinus.

Ilem si universale non esset substantia, omnc universale esset accidens

Et ad istas railones respondeo Concedendum est, quod Soerales per idem convenil

specificc cum Piotone et differt numeraliler ab eodem, sed sufficit, quod

se ipsis conveniant Loquendo de vi vocis el secundum proprietalem sermonis

concedendum est, quod nultum universale est de essenlia cuiuscunque substantiae •

omne enim universale est inlenlio animae vel aliquod signum votuntarie inslitutum,

tale autem non est de essenlia substantiae Sed magis proprie loquendo debel

concedi, quod universale exprimit vel explicat essenliam substanliae, h. e. naturam,

quae est substanlia Habent Hecre itli, qui ponunt, intentiones animae esse

qualitales menlis, quod omnia universalia sunt accidenlia, non tamen omnia universalia

sunt sigua accidentium, sed aliqua sunt signa substanliarum tantum et itio

conslituunt praedicamentum substunliae, alia aulem conslituunt alia praedicamenta.

(Betreffs des Letzteren vgl. Anm. 812.)

23*

356 XIX. Occam (Parteistellung).

verschiedener Meinungen, wobei wir deutlich nicht bloss den Thomismus

und den Scolismus, sondern auch Baconthorp, Aegidius. Durand, Burleigh,

Mayron, Herveus und Aureolus wiedererkennen , liest sich Occam in sei

ner Weise heraus, dass Alle ehen doch in irgend einer Beziehung das

Universale mit dem Singulären idenlificiren und somit dem ersteren einen

sachlichen Charakter beilegen s05). Hingegen nach seiner eigenen Ansicht

müsse durchweg daran festgehalten werden , dass in der Aussenwell

schlechthin nur Singuläres exislire (s. Anm. 781 u. 783) und dass dieses

unseren Intellectus reize („movet", vgl. Anm. 784) , welcher dann den

Gegenstand vorerst verworren und hierauf deutlich (confuse und distincte,

vgl. Anm. 786 f.) erfasse; und es liege somit alle Universalität lediglich

im subjecliven Intellfictus, wie schon Aristoteles mit Recht gegen Plato

bemerkt habe , und nur durch willkürlichen Sprachgebrauch (voluntaria

inslüitiio, s. Anm. 757 u. bes. 782) könne eine äussere Substanz als uni

versell bezeichnet werden; denn das richlige Verhältniss des Gemeinbe

griffes zu dem entsprechenden äusseren Einzelndinge liege immer nur

(vgl. Anm. 798) in der supposüio personalis 806).

805) Senf. I, Dist. 2, gu. 7 A: 0uarte quaero, utrum itlud, quod est universale

et commune univocum, sit quomodocunque realiler a parte rei extra animam

(B) Omnes, quos vidi, concordant dicentes, quod natura, quae esl aliquomodo uni

versalis, satlem in polentia et incomplele (diess bei Baconthorp, s. ob. Anm. 689),

est realiler in individuo, quamvis aliqui dicant, quod dislinguitur realiler (so die

strengen Thomisten und auch die Mehrzahl der Halbthomisten), aliqui, quod tantum

formnliler (so die Scolislen) , aliqui , quod nullo modo ex natura rei, sed tantum

secundum ralionem vel per consid,'ralionem inlellectus (s. bei Aegidius, Anm. 379, bei

Durand, Anm. 559 i'., und bei Burleigh, Anm. 58S). Unde dieunt aliqui, quod in

ereaturis est quaedam forma, quae secundum rem et naturam nultam unitalem habet

in se omnino, *ed in se est naturaliter divisa et habet sotum unitalem secundum inletlectum

ralionis (s. bei Mayron, Anm. 509 u. 515) (C) Vult ergo ista opinio,

quod forma generis non eit simplex ex se, sed ex se est divisa, sed forma speciei

ex se est una simplex et ut sie est universalis, sed ipsa forma ul signata in hoc

supposito est parlicuioris ; ita quod ista opinio ponit , quod tam forma generis quam

speciei subsislit in ipsis singuioribus, quamvis aliler et aliter. Alii autem ponunt,

quod res secundum esse suum in e/fectu est singuioris et eadem res secundum esse

suum in inlellectu est universalis (s. bei Herveus, Anm. 402) (E) Alii aulem

moderni ponunt, quod eadem res sub uno conceptu est universalis et sub alio conceptu

est singuioris (s. bei Aureotus , Anm. 70f5) (F) Sie ergo omnes istae

opiniones ponunt, quod universale et stnguiore sunt eadem res realiler nec differunt

nisi secundum ralionem; omnes conveniunt in hoc, quod universalia sant aliquo

modo a parle rei ita, quod sunt universalia realiler in ipsis singuioribus. Pro ista

conctusione polest argui mullipliciler (d. h. es folgen nun zweiundzwanzig Gründe).

806) Ebend. F : Omnis res posiliva extra animam eo ipso est singuioris, et haec

res sie singuioris est apta nata movere inlellectum ad concipiendum ipsam confuse et

ad concipiendum ipsam dislincte. Et voco conceptum confusum, quo inlellectus non

dislinguil unam rem ab alia, et sie Soerales movet intellectum ad concipiendum

hominem, et per illn.n, intellectus non distinguit nec distincle cognoscil Soeralem a

Piotone ; eliam movet intellectum ad concipiendum ipsum modo non confuso, et

sie dico, quod hie Soerales est homu (G) /Von videtur, quod aliqua res extra

animam sit substantia universalis , nisi forte per votuntariom inslitulionrm

(S) Nulin res extra animam, nee per sc nec per aliquid additum reale vel ralionis

nec qualilereunque consideretur vel intelligutur, est universalis, quia tanta est impossibititas,

quod aliqua res sil extra animam quocunque modo universalis, nisi

forle per inslitulionem votuntariam, quomodo ista vox „homo" est singutaris et uni

versalis, quanta est impossibititas, quod homo per quameunque consideralionem- vel

XIX. Occam (Parteistellung). 357

Gilt hiemit als feststehend, dass die Universalien nicht ausserhalb der

Seele exisliren , • so ist endlich als Gegenstand einer fünften Frage noch

die Erörterung übrig , oh dieselben eine vorstellungsweise oder eine ge

genständliche Existenz in der Seele haben; und indem Occam auch hier

wieder verschiedene Meinungen aufzählt, welche uns nach Maassgabe un

serer Kenntniss der Parteien auf Aureolus, auf die Scolisten, auf Burleigh

und auf Durand zurückweisen, und dabei bemerkt, dass man nicht vor

schnell conceptus und intelleclio idenlificiren solle (s. Anm. 753), dass

die Annahme einer species intelligibilis überflüssig sei (Anm. 758), fer

ner dass die Universalicn ebensowenig Dinge (Anm. 784) als etwa bloss

willkürliche Veranstaltungen (Anm. 781 f.) seien 807), so wendet er sich

zunächst äusserst entschieden gegen die Annahme eines gegenständlichen

Seins (subiective) der Universalien, indem er mit den gleichen Moliven,

ja mit den nemlichen Worten, wie oben (Anm. 759 f.), im Interesse der

vorstellungsweisen Existenz der Universalien den Begriff des „Fictums"

festhält808), und abermals darauf hinweist, dass in dem inneren, von

secundum quodcunque esse sil asinus (T) Phitosaphus primo probat, quod universalia

non sunt substantiae, secundo, quod non sunt talia exempioria, qualia posuil

rin l n (Y) Res polest intelligi non tantum confuse. sed eliam perfecle el dislincle

nullo superiori intellecto; el quando dicitur, quod Soerales non polest intelligi nisi

intellecto animali, dico, quod isln polest dislingui, — q,nn „animali" polest sup

ponere simpliciler, et tunc est falsa, quia tunc denolat, quod Soerales non polest

intelligi nisi inlellecto hoc communi animali, et hoc est simpliciler falsum; vel polest

supponere pro re et personaliler, el sie concedo.

807) Sent. l, Dist. 2, qu. 8 A : Quinta quaero, utrum universale univocum sit

aliquid reale exislens alicubi subiective, .... quia universale primo movel intcllectum.

Possent esse diversae opiniones, quarum multas reputo simplieiter fatsas

Prima opinio passet esse, quod universale est conceptus menlis et quod iste conceptus

est realiler ipsa inlelleclio (s. bei Aureotus, Anm. 706 n. 716) Contra istam

opinionem polest argui. quia conceptus non est ipsa inlelleclio (C) Secunda

opinio polest esse, quod universale est ,pecies aliqua, quae, quia aequaliler respicit

omne singuiore, dicitur universale, et ita est universale in repraesentando el tamen

singuiore in essendo (so die Scolisleo). Sed ista opinio videtur esse fatsa, quia

talis species non est necessaria (D) Alia possei esse opinio, quod aliqua est

vera res sequens actum inlellectus, qui esset simititudo rei el propler hoc esset universalis,

quia aequaliler omnia respicerel (s. bei Burleigh, Anm. 585 ff.). Sed

null a talis est ponenda (E) Quarta passet esse opinio, quod nihit est universale

ex natura sua, sed tantum ex institulione illo modo, quo vox est universalis, quia

nulio res ex natura sua habet supponere pro alia re nec vere praedicari de alia re,

sicul nec vox, sed tantum ex insliMionc rotuntaria (s. bei Durand, Anm. 551)

Sed haec opinio non videtur vera , quia tunc nihit ex natura sua esset species vel

genus nec e converso.

808) Ehend. E: Universale non est aliquid reale habens esse subieclivum nec in

,iiii,iin nec extra animam, sed tantum habet esse obieclivum in anima et est quoddam

fictum habens esse tale in esse obieclivo, quale habet res extra in esse subieclivo,

el hoc per istum modum, quod intellectus videns aliquam rem extra animam fmgil

consimitem rem in menle, ita quod, si haberet virtulem produclivam, talem rem in

esse subieclivo, numero distinctam a priori, produceret extra, et esset consimitiler

el proporlionabitiler sicut est de artifice Et isto modo universale non est per

generalianem, sed per abstraclionem, quae non est nisi fictio quaedam. (F) Figmenta

habent esse in anima et non subieclivum, quia tunc essent verae res; ergo sunt

aliqua, quae tantum habent esse obieclivum. Simititer propositioaes , sgllogismi et

huiusmodi, de quibus est logica, non habent esse subiectivum; ergo tantum habent

esse obieclivum, ita quod eorum esse est eorum cognosci; ergo sunt intin, entia habenlid

tantum esse obieclivum Simitiler omnes quasi dislinguunt intentiones

358 XIX. Occam (Parteistellung).

speciellen Sprachidiomcn unabhängigen, Urtheile, (Anm. 769) nur Begriffe,

nicht aber Dinge, als Subject oder Prädicat auftreten (A^im. 788), sowie

dass der vom Intellectus gebildete Begriff von Natur aus universell sei,

während die Worte hiezu einer willkürlichen Veranstaltung bedürfen

(Anm. 781 f. u. 791), und endlich dass jenes subjeclive Gebilde nicht

ohne Realität sei (Anm. 762), sondern ihm ein adäquates Wirkhches ent

spreche su9). Aber unmittelbar hernach spricht er mit der nemlichen

llnentschiedenheit , welche wir schon oben (Anm. 758) trafen, von der

Möglichkeit, dass die Universalien dennoch auch eine gegenständliche Exi

stenz haben, indem ihnen auch dann jene „natürliche" (s. Anm. 774) Be

fähigung der Bezeichnung und der Supposilion u. dgl. im Vergleiche mit

der willkürlichen Sprachbedeutung immerhin zukomme; und er sagt aus

drücklich, dass ihm principiell nur daran liege, die Universalien im Ge

gensalze gegen die äusseren Einzelndinge , aus welchen sie geschöpft

werden, als psychische Erzeugnisse festzuhalten, mögen sie dann als sol

che gegenständlich oder vorstellungsweise exisliren 810), obgleich ihm an

derwärts hinwiederum das erklärliche Bedenken aufsteigt, dass bei ge

genständlicher Geltung die Universalien sehr nahe an die platonisch«

Ideenlehre (vgl. Anm. 806) gerückt würden811)- Aber sowie wir schon

secundas ab inlentionibus primis non vocando inlentiones secundas aliquas reales

qualitales in na im n ; ergo mm non sint realiler extra, non possunt esse nisi obieclive

in 1 I a im a.

809) Ebend. F: Idem est subiectum in propositione universali el particuiori

non tantum in proposilionibus in voce, sed eliam in propositionibus in menle, quae

nullius linguae s mil: et in itlis non subiicitur aliqua res ; ergo tantum conceptus ;

passet ergo dici, quod sicul vox est universalis et genus et species el tantum per

tnslitulionem, ita conceptus sie fictus et abstractus a rebus singuioribus praecognitio

est universalts ex natura sua; et polest aliquis uli isto modo loquendi vocando conceptum

et universale sie fictum lltud sie fictum vere est obiectum cognitum ab

intellectu, et propler ista pati'st esse lerminus proposilionis et supponere pro omnibus

itlis, quorum est imago vel simititudo , et hoc ert esse universale el commune ad

itio (H) Universale non est figmentum tale, cui non correspondel aliquid consimile

in esse subiectivo, quale iltud fingitur in esse obiectivo Si fingatur

domus in menle, antequam producatur, non est figmentum sicut chimaera vel ali

quid tal,'.

810) Ebend. Q: Cut non piocet ista opinio de talibus fictis in esse obiectivo,

polest tenere, quod conceptus el quodlibet universale est aliqua qualita, exislens subiective

in menle, quae ex natura sua est signum rei extra, sicut vox est signum rei

ad piocitum instituentis, et tunc polest dici, quod per omnem modum, sicut voces et

signa voluntarie instituta significant el consignificant , ita sunt quaedam

qualitules exislenles in menle subicclive, quibus ex natura sua competunt talia, qualia

competunt vocibus per voluntariam inslitulionem Et secundum istam opinionem

debet concedi, quod quodlibel universale el genus generalissimum est vere res singnioris

exislens res delerminali generis, est tamen universalis per praedicalionem non

pro se, sed pro rebus, quas significat Verumtamen ista opinio possei diversimode

poni Quamlibet istarum opinionum repulo probabitem, sed quae Marum

sit verior, relinquo iudicio aliorum. Hoc tamen leneo, quod nultum universale, nisi

forle sit universale per votuntariam institulionem, est aliquid existens quocunque

modo extra animam , sed omne itlud, quod esl universale praedicabite de pturibus

ex natura sua, est in menle vel subiective vel obieclive (R) lltud, quod

movet (s. Anm. 784 u. 806) inlellectum primo, non est universale, sed singuiore,

el ideo singuiore inlelligitur primo primitale generalionis (über Letzleres das

Nähere Anm. 786).

811) Sent. t, Dist. 35, au. 5 G : Generis el differenliae et aliorum universaXIX.

Öccam (Parteistellung). 359

oben bemerken mussten (Anm. 76ä f.), dass es in diesem Punkte bei

Occam an der nöthigen Klarheit gebreche, so stützt er einmal sogar aus

drücklich die gegenständliche Existenz der Universalien gegen Einwände,

welche er selbst gegen Scotus und dessen Anhänger erhoben hatte: nem

lich wenn gesagt werde, dass dann die Universalien als Qualitäten des

Denkens nur arcidentcll wären, so erwidert er in gleicher Weise wie

dort (s. A um. 804) ; oder wenn man entgegenhalte, dass nicht das Nemliche

von verschiedenen Kategorien ausgesagt werden könne, so hilft ihm

wieder die Lehre von der Supposilion aus der Klemme, denn das Urtheil

„die Substanz ist eine Qualität" bestehe zu Recht, sobald das Subject

desselben nach suppositio materialis oder simplex gelte, nicht hingegen,

wenn nach suppositio personalis ; oder endlich wenn man einwende,

dass dann das Nem liehe zugleich niederer und höherer Begriff wäre

(s. Anm. 802), so verweist er darauf, dass ja auch z. B. das Wort

„dictio" ein Nomen sei und doch zugleich als Begriff höher liege, als

der Begriff des Nomens812).

Glauben wir hiemit Occam's Auffassung der Universalien in genü

gender Weise dargelegt zu haben, so ist durch dieselbe die Entscheidung

anderer Controversen folgerichlig von selbst bedingt. So mussten wir

schon oben die Frage über das principium individualionis nicht bloss

nebenbei berühren (Anm. 799), sondern eigentlich im Sinne Occam's be

reits beantworten (Anm. 802—804); und in völliger Uebereinslimmung

mit dem dort Angeführten erklärt Occam , das Princip der Individualrsirung

liege lediglich darin, dass die Individuen sich durch sich selbst (se

ipsis) unterscheiden, und ebenso verhalte es sich auch mit demjenigen,

worin sie unter sich zusammentreffen , denn genau genommen solle man

nicht sagen , dass sie „in" Etwas (in aliquibus) zusammentreffen , son

dern richliger „durch" Etwas (aliquibus} , und diess seien eben die In

dividuen selbst, indem sie durch sich selbst (se ipsis) zusammentreffen;

eben dadurch ja könne der abstrahirende Intellectus Universalien erfas

sen, welche nicht etwa erdichtete Gebilde (purum figmentum, vgl. Anm.

762), sondern supposilionsfähig seien813). Indem aber so die Singulariflum

non suni ideae, nisi poneretur, quod universalia essent quaedam res subiective

existentes in anima et sotum communia rebus extra per praedicalionem.

812) "0uorfi. V, qn. 13 : Universale sotum est in anima, et non obicclive tantum,

sicut prius ostensum est (s. Anm. 768) ; ergo subieclive ; ergo est qualitas

menlis Sed contra : quia hoc dato tunc omnia praedicamenta essent accidenlia ;

praelerea idem non praedicatur de diversis praedicamenlis; praeterea

sequitur, quod idem sit superius ad se Ad primum istorum concedo, quod om

nia universalia sunt accidenlia ; tamen non sunt omnia signa accidentium, sed aliqua

universalia sunt signa substantiarum Ad aliud dico, quod idem non praedicatur

de diversis praedicamenlis, quando praedicamenta stant personaliter et significalive

; sed quando supponit malerialiter aul simpliciler, non est inconveniens , idem

praedicari de diversis praedicamenlis. tI mir. si-in ista proposilione „substanlia est

qualitas" subiectum supponit malerialiter vel simpliciler, itio est vera;'et simititer

ista „quanlitas est qualitas"; sed si supponant personaliler, tunc non sunt verae

Ad aliud dico, quod eadem difficnttas est hie, sicut de isto nomine „d,cjio" et Aoc

non,ine „nomen", quia hoc nomen „diclio" est unum contentum sub nomine, quia est

nomen et non omne nomen est hoc nomen „diclio", -et tamen hoc nomen „diclio" est

quodammodo superius ad omnia nomma. vi • • "

813) Sent. t, Dist. 2, 7u. 6 EE: Ad ittud, quod innuitur, quod si omnis

360 XIX. .Occam (Parteistellung).

tät dem Singulären unmittelbar von selbst und ohne allen anderweiligen

Zusatz zukommt814), so könne man auch den Begriff der Quiddität in

dem Sinne nehmen , dass er das ganze aus Stoff und Form bestehende

Wesen bedeute, wornach z. B. zwischen „Mensch" und „Menschheit" nur

ein sprachlicher Unterschied (mittelst eines Syncategoreuma) bestehe, wäh

rend andrerseits, wenn man unter der Quiddität nur die Form versiehe,

allerdings zwischen ihr und ihrem Träger unterschieden werden müsse,

wenn auch für die Angelologie wieder der Vorbehalt nöthig sei , dass

die Quiddität eines Engels idenlisch mit dem betreffenden Engel selbst

ist 8 1 5). Nimmt man aber in jenem ersteren Sinne essentitt und exislentia

als gleichbedeutend816), so sind die scolislischen „formalüates" eigent

lich im Principe von vorneherein schon weggefallen, da nach Occam's

Auffassung, wie wir auch schon oben (Anm. 802) sahen, Nichts formell

diversitas esset numeralis, non ptus possei intellectus abstrahere a Soerale et Piolone

aliquid commune, quam a Soerale et linea, et quodlibel universale esset purum figmentum

inlellectus (s. die nemlichen Worte bei Scatus, ob. Anm. 99), dico ad primum,

quod ex hoc ipso, quod Soerales et Pioto se ipsis differunt solo numero et

Soerales per substantiam suam est simitlimus Pioloni, omni alio cireumseripto intellectus

polest abstrahere aliquid commune Soerali ct Pioloni, quod non erit commune

Soerali et albedini ; nec eil alia causa quaerenda nisi quia Soerates est Soerales et

Pioto est Piolo et ulerque est homo De virtule sermonis non debel concedi, quod

Soerales et Pioto in aliquo conveniunt nec in aliquibus, sed quod conveniunt aliquitius,

quia se ipsis, et quod Soerales convenit cum Piolone non in aliquo, sed aliquo, quia

se ipso. Si tunc dicatur, quod Soerales et Piolo conveniunt in homine, dico, quod

„homine" polest supponere vel simpliciter vel personaliler. Primo modo polest concedi,

quia hoc non est aliud dicere, quam quod homo est quoddam commune praedicabite

de Soerale et Ptatane. Si aulem „homine" supponit personaliter pro alia re, sie est

simpliciler falsum, quia in nullo homine communi nec in alia re conveniunt, sed con

veniunt rebus, quia hominibus, quia se ipsis.

^. , 814) Ebend. P: Quaelibet res singuioris se ipsa est singuioris, quia singuioritas

immediate convenit Mi, cuius est Sienl iltml, quod est singuiore, se

habet ad esse singuiore, ita quod est universale, se habet ad esse universale ; ergo

sicut itlml, quod est singaiore, non polest per aliquid additum sibi fieri universale

vel commune, ita ittud, quod est commune, non polest per aliquid sibi additum fieri

singuiore; ergo quidquid est singuiore, per nihit additum est singuiore se ipso

Omnis res extra animam est realiler singuioris et una numero.

/ • 815) Sent. IV, qu. 11 E: Quidditas uno modo accipitur pro omnibus, quae sunt

de essentia rei, quae faciunt unum per se, et isto modo quidditas est unum compo-

\^.. sitero praecise ex maleria et forma, nec est aliqua differentia intcr hanc humanitalem

et hunc hominem vel humanitalem ct hominem, nisi quia humanitas ineludit

aliquod sgncalegoreuma ex usu loqnendi aequivalenter vel virtualiler, propler quam

inctusionem polest aliquid praedicari de homine, quod non de humanitale. Alio modo

accipitur quidditas pro forma ullima, qua aliquid differt ab alio, quod non est idem

cum itlo ; et de quidditale sie accepta est verum, quod quidditas differt ab eo, cuius

est quidditas, et quod in separalis (d. h. z. B. bei den Engeln) est idem quidditas

cum eo, cuius est quidditas. Quodt. II, qu. l : Essenlia angeli nunquam dislinguebatur

ab eius exislenlia. Uebrigens war auch die oben (Anm. 13) erwähnte Verurtheitung

derjenigen Sätze, welche für die Angelologie Anstoss erregten , schon im

J. 1325 in Paris zurückgenommen worden ; s. D'Argentre', Coll. iudic. de nov. error.

I, p. 208 u. 217.

816) Quodl. II, qu. 7: Sicut existenlia polest esse exislenlia et polest non esse

existentia, ita essenlia polest esse essenlia et polest non esse essentia. Unde idem

omnino sighificatur per unum et consignificatur, quod per reliquum Exislenlia et

essenlia idem omnino significant. Summa tol. log. III , 2, 27 , f. 53 v. B : Utrum

esse et existentia rei sint duo extra animam dislincta inler se? mihi videtur, quod

non sunt talia duo, nec esse existenliae aliquid significal dislinctum a re. .;;

XIX. Occam (Begriff). 36.1

unterschieden werden kann, was nicht real verschieden ist, noch auch

umgekehrt, und somit identitas und dislinctio völlig gleichmässig in das

individuelle Wesen selbst verlegt werden817). — Bezüglich der Frage

über unitas formae kann und muss sich Occam in Folge seines Conceptualismus

an Diejenigen anschliessen (s. Gottfried v. Fontaines, Anm.

70, Johannes v. Paris, Anm. 74, Alexander v. Alessandria, Anm. 254,

Aegidius, Anm. 384, und Herveus, Anm. 421), welche eine letzte total

abschliessende Einheit neben einer durch sie verbundenen Vielheit der

Formen anerkannten818), sowie er desgleichen die intensio et remissio

formarum nicht in die Form selbst, sondern in den Grad der Receptionsfähigkeit

des concreten Wesens verlegt819).

Ist uns somit durch das Bisherige der Standpunkt, welchen Occam

in den damaligen logischen Controversen einnahm, möglichst nach allen

Seiten ersichtlich geworden, so möge nun noch desselben umfassendes

Compendium der Logik zur Darstellung kommen, in welchem wir

wohl eine Summe gar manigfacher Bestrebungen erblicken dürfen, die auf

successive Fortbildung der byzanlinischen Logik gerichtet waren ; denn

dass in dem sämmtlichen Detail der vielen Unterabtheilungt-.n des Ganzen

alles Einzelne ein persönliches Erzeugniss Occam's sei, ist nicht nur nicht

nachweisbar, sondern geradezu unglaublich. Occam benützte, wie sich

von selbst versteht, die damals umlaufende Theorie der Logik, welche

seinem grundsätzlichen Standpunkte adäquat war, und mag dieselbe, wäh

rend er sie zu einem grösseren Compendium verarbeitete , in manchen

Punkten präciser formulirt, ja gewiss auch bereichert haben; aber hierin

überall auszuscheiden, was Occam's und was Anderer Eigenthum sei, ist

uns nach Maassgabe der vorhandenen Quellen nicht verstattet ; ja es läuft

unleugbar in den gedruckten Texten auch manches Spätere mitunter (s.

Anm. 739 u. 740), was uns Vorsicht in der Darstellung gebietet. Indem

ich aber die in der Summa tolius logicae vorliegende Anordnung

und Reihenfolge des Stoffes sicher für eine von Occam selbst her

rührende halten muss , folge ich hiemit dem Verlaufe der Capitel der

selben und füge an einzelnen Stellen, wo es nöthig ist, anderweilige

Belege aus der Expositio aurea oder den beiden anderen Werken

Occam's bei.

817) Expos, aur. Praedicab. De genere: proprie et stricte loquendo nihil dislinguitur

ab aliquo per aliquid nisi per se ipsum vel intrinsecum sibi, situt homo non

dislinguitur ab asino nisi per se ipsum vel per aliquam parlem essenlialem sui.

Sent. l, Dist. 2, qu. 3, B: Nihit reale polest dislingui nec esse idem ralitme cum

aliquo reali, ita quod, sicut distinclio ralioni* et identitas ralionis se habet ad enlia

ralionis, ita differenlia realis et identitas realis se habet ad cntia realia, et hoc

forle non exctudendo dislinclionem formalem et idenlitalem, ubi debet poni. Ideo dico,

quod nulio res nec a se ipsa nec a quacunquc alia polerit dislingui vel esse eadem

ralione. Vgl. Anm. 828.

818) Quodl. II, qu. 10: Ilominis est tantum unum esse tolale, sed ptura esse

parlialia. Sent. II, qu. 9 CC: Secundum opinionem, quam reputo veram, in homine

sunt ptures formae substanliales, sallem forma corporeitalis et anima inlellectiva. Vgl.

ebend. qu. 22 H, u. IV, qu. 7 E.

819) Sent. I, Dist. 17, qu. 4 C: Forma non suscipit magis et minus, quia forma

nihit recipit, sed magis in aliquo recipitur realiter. Vgl. Sent. III, qu. 6 D u. R, sowie

Expos, aur. Praedicam. C. 9.

362 XIX. Occam (Begriff).

Nach einem kurzen Proömium, in welchem die Logik als ein im

Gehrauche sich steigerndes Werkzeug (s. Anm. 741) bezeichnet wird 820),

beginnt Occam, wie wir nicht anders erwailcn durften (s. Anm. 780 und

meine dort vorhergehenden Bemerkungen), sofort mit der Erörterung über

terminus s21) , bei dessen Eintheilung, welche jener des Urtheiles

(Anm. 770) parallel geht , das Hauptgewicht auf terminus conceptus,

d. h. intentio oder dergleichen (Anm. 768 f.) gelegt wird 822) ; denn un

ter drei Bedeutungen des lerminus sei diejenige die eigentliche und präcise,

dass derselbe als ein „Bezeichnendes" entweder Subject oder Prädical

eines Urtheiles sei (vgl. Anm. 773 u. 778), daher die Syneategoreuni.

H, l oder die Interjeclionen u. dgl. in diesem Sinne nicht lermini seien,

und auch andere Fragen, wie z. B. über die Casus obliqui, nicht der

Logik, sondern der Grammalik anheimfallen 823). Insoweit aber jener

geislig innerliche Begriff (lerminus mentalis) von dem ausgesprochenen

(lerminus vocalis) unterschieden werde, habe letzterer mit ersterem den

noch einige Eigenschaften gemeinsam, wie z. B. Casus oder Numerus,

während andere Eigenthümlichkeiten, z. B. grammatisches Geschlecht oder

Conjugalion, nur dem letzteren angehören 824). Aus der hierauf folgen-

820) Summa !. log. Prooem., f. 2 r. B : Logica enim est omnium arlium aplissimum

instrumentmn, sine qua nulio scientia perfecle haberi polest , quae non more

malerialium instrumentorum usu erebro consumitur, sed per cuiustibel allerius artis

vel scientiae studiosum exereilium continuum recipit inerementam,

821) l, l, f. 2 r. B: Omnes logicae tractalores inlendunt adstruere, quod argumsnta

el sgllogismi ex proposilionibus et propositiones ex lerminis componuntur;

unde lerminus aliud non est, quam pars propinqua proposilionis.

822) Ebend.: Triplex est lerminus: seriptus, prolutus, conceptus .... Terminus

conceptus est intenlio seu passio animae aliquid naturaliter significans vel consignificans

nata esse pars proposilionis mentalis. Die hierauf folgende längere Stelle

über das Verhältniss zwischen Wortausdruck 'und Begriff habe ich bereits oben,

Anin. 774, angeführt.

823) C. 2, f. 2 v. A: Terminus tripliciler accipitur. Uno modo pro

omni eo, quod polest esse copuio vel extremum propositionis calegoricae Aliter

omne incomplexum vocatur lerminus Terlia modo accipitur praecise et magis

stricte pro itlo, quod significalive sumptum polest esse subiMum vel praedicatum

alicuius proposilionis • el hoc modo nullum verbum nec coniunctio nec adverbium nec

inlerieclio est lerminus ; multa eliam nomina non sunt termini, ul nomina sgncalegoremalica,

quia talia, quamvis possint esse extrema propositionis, si sumantnr malerialiter

vel simpliciler, tamen, quandu sumuntur significalive, non possunt esse extrema

Quomodo nuleni el respestu quorum verborum obliquus polest esse subiectum,

el respectu quorum non, perlinet ad grammalicum, cuius est constructiones

vocum considerare.

824) C. 3, f. 2 v. B: Accidentia communia convenicntia tam nominibus mentalibus

quam vocalibus et seriplis sunt casus et numerus Accislenlia vero propria no

minibus vocalibus et smplis sunt genus el figura ; talia enim accidenlia nominibus

propler necessitalem significalionis non conveniunt (f. 3 r. A) Simitiler de ver

borum accidentibus est dicendum. Accidenlia communia sunt modus, genus, numerus,

lempus el persona Accidenlia aulem propria vertris ad plueitum institulis sunt

coniugalio el figura. Ebenso Quodt. V, qu. 8: Ulrum omnia accidentia grammalicalia

lerminorum vocalium competant mentalibus Omne, quod accidit lermino mentali,

aecidit lermino vocali, sed non e converso, quia aliqua accidunt lern,inis voca

libus propler necessitalem significalionis el expressionis (darunter versteht er Casus,

Numerus und Comparalivform der declinirbaren Worle, sowie Modus, Genus, Tem

pus, Persona, Numerus der Verba), et itta conveniunt lerminis mentalibus ; alia accidunt

lerminis vocalibus propler ornatum sermonis vel propler congruitalem (nemlich

XIX. Occam (Begriff). 363

den Unterscheidung zwischen Categoreumata und Syncategoreumata mag

hervorgehoben werden , dass Occam die letzteren mit den Ziffern ver

gleicht, deren Werth durch ihre Stellung sich ändert825). Hernach reiht

sich ein längerer Excurs an über die seit Scotus (ob. Anm. 128) in der

Logik eingebürgerten Begriffe „concretum" und „abstractum" , welchen

wir für ächt occamisch halten müssen, da dem hauptsächlichen Kerne nach

das Nemliche auch anderwärts bei Occam vorkömmt826): nemlich der

wesentliche Unterschied zwischen concreten und abstracten Worten liege

in der suppositio derselben, in welcher sie verschiedentlich entweder

sich gegenseilig berühren oder von einander abweichen können827);

jedoch seien sie vom Standpunkte der Bezeichnung aus zuweilen auch

wahre Synonyma 828), was in manchen Fällen durch Verbindung des con-

Genus und Figura der declinirbaren Worte und Conjugalio und Fignra der Verba),

,- 1 itio non conveniunt lerminis mentalibus.

825) Summa t. log. t, 4, f. 3 r A: Terminorum quidam sunt calegoremalici et

.luidn.nl syncategoremalici, gut non habent finitam significalionem et certam nec

significant aliquas res distinctas a rebus significalis per calegorema, simt in algorismo

cifra per se posita nihit significat, sed addita alleri Ifigurac facit eam significare.

826) Quodt. V, qu. 9 : Aliqua sunt conereta et abstracto, quae sie se habent,

quod coneretum significal aliquam rem et supponit pro itio, quam nullo modo abstrac

tum significat nec pro itta supponit : exemptum est de iusto et iustilia Secundus

modus principalis est, quando coneretum et abstractum sunt sgnongma, ut calor

et caliditas Terlius modus est quando abstracta ad piocitum instituenlinn,

n-t ex usu loquenlium inctudunt aliqua sgncalegoreumata vel delerminaliones

adverbiales, ut „humanitas" tantum valet sicut ,,f,omo, inquantum homo"

,hmrtus modus est, quando abstracta non supponunt nisi pro mullis simul sumplis,

conereta aulem supponunt pro uno solo ; exemptum „popuf»s" et „popu/ar«s".

Coneretum et abstractum primo et lerlio et quarto modis ita conveniunt numinibus

mentalibus, sicut vocalibus, et per consequens talia mentalia variantur per conereta

et abstracto Sed secundo modo sotum variant nomina vocalia, et non men

talia. Vgl. auch Anm. 885 u. 918.

827) Summa t. log. t, 5, f. 3 r B : Coneretum el abstractum sunt nomina consimite

principium secundum vocem habentia, sed non consimititer lerminanlia . . .. .

Quandoque coneretum aliquam rem significal vel connolal sive importal sive dat inlelligere,

pro qua eliam supponit, quam abstractum nullo modo significat nec aliquo

modo supponit pro eodem, ut „iustus" el „iuslilia" Sunt aulem ad praesens

talium nominum tres differenliae, quasi tres species inferiores. Prima est, quando abs

tractum supponit pro accidenle vel forma quacunque realiler inhaerente subiecto, et

coneretum supponit pro subiecto eiusdem accidentis vel formae, vel e converso ; primo

modo est de talibus „albedo, album" e converso aulem „ignis, igneus" Secunda

differentia est, quando coneretum supponit pro parte et abstractum pro toto

vel e converso, sicut in istis „anima, animatum" Terlia differenlia est, quando

coneretum et abstractum supponunt pro dislinctis, quorum tamen neutrum est subiectum

nec pars allerius Tales lermini quandoque se habent, sicul causa et effectus,

quandoque, sicut signum et signatum, quandoque, sicut locus et locatum.

828) C. 6, f. 3 v. A: Nomen coneretum et abstractum quandoque sunt sgno

ngma. C. 7, f. 4 r. A: Sie se habent adinvicem homo el humanitas, sicut se habent

Soerales et Soeraleitas ; hanc enim ponunt consimitiler fingentes tale abstractum de

hoc nominc „Soerafes" sicut de hoc nominc „Aomo"; sed „Soer,«ies" nuliom rem dislinctam

realiler nec formaliler (vgl. Anm. 817) signiftcut, quae non significatur per

hoc nomen „Soeraleitas" secundum sie fingenles, nec e converso ; ergo nihil

signi/icatur per hoc nomen „homo", quin significetur per hoc nomen „humanitas", et

e converso Sed quamvis haec fuerit inlenlio Aristolelis, tamen secundum veritalem

theologorum non est sie dicendum (d. h. besonders betreffs der Trinitä t, s.

364 XIX. Occam (Begriff).

creten Wortes mit einem Syncategoreuma (z. B. mit „totus") bewerkstel

ligt werde, zugleich aber dann zu Sophismen und unnöthigen sprachlichlogischen

Schwierigkeiten führen könne829), sowie andrerseits auch

iluunlitalive Momente des durch die Worte Bezeichneten in Frage kom

men können830). Wenn aher sodann mit einleitenden Worten, welche

den Stempel der Unächtheit an der Stirne tragen , noch ein Unterschied

zwischen „absoluta" und „connotativa" erörtert wird , so ist möglicher

Weise auch inhaltlich das Ganze nur ein Zusatz des späteren Heraiisge

hers, wenn uns auch der Begriff „connotatum" in der Fortbildung der

byzanlinischen Logik schon früher (Absehn. XVII, Anm. 598) begegnete,

und selbst Occam anderwärts eine solche Dislinction , und zwar in rei

cherer Gliederung (s. Anm. 846 u. bes. 917 ff.) berücksichligt 831)- Jeden

falls bespricht hernach Occam noch als Momente der willkürlichen Sprachoinrichtung

zunächst die schon oben angeführten Unterschiede zwischen

prima und secunda impositio 832), woran sich als Incidenzpunkt prima

und secunda intentio anschliesst 833), und sodann die Verhältnisse des

Anm. 733). Vgl. Sent. I, Dist. 2, qu. 3, F: Quaedam sunt sgnongma, quia simpliciler

idem signi/icant et connotant, ita quod nihit significatur et connolatur per unum,

quin eodem modo significetur et connoletur seu consignificetur per reliquum; et sie

deitas et deus, homo sl humanitas, et multa talia sunt »gnongma Aliler homo

et humanitas non sunt sgnongma, et hoc, quia reliquerunt in dubio, quantum est ex

impositione istorum nominum, an haec sit vera „homo est humanitas" vel falsa.

829) C. 8, f. 4 v. B : Stint quaedam nomina abstracta vel esse possunt ad pioci-

, u m inslituta ita , quod abstractum in significando aequivaleat conerelo sumplo

cum aliquo sgncalegoremale vel nun aliqua alia diclionc vel diclionibus In

lnllt,ns magis pulo difficultalem vocalem dependenlem ex logica, quam realem, propler

quod nesciens logicam qualernos innumeros cirea talia inuliliter replerel faciens difficultalem,

übi nulta est (f. 5 r. A) : Sie mim concedunt erudili in logica, quod

hoc signum „tolus" ineludit suum distribuibite, ul aequivaleal isli „quaelibet pars",

quando sumitur sgncalegoremalice ; unde itio „Tolus Soerales est minor Soerale"

aequivalet isli „Quaelibet pars Soeralis est minor Soerale'' (s. Abschn. XVII,

Anm. 252).

830) C. 9, f. 5 r. B: Quaedam sunt abstracta, quae non supponuM nisi pro

mullis simul sumplis, conereta aulem pro uno solo verificari possunt, statt se habent

„poputus" et „popuioris".

831) C. 10, f. 5 r. B: Poslquam de nominibus conerelis et abstraclis discussum

est, nunc de alia divisione nominum, quibus schoiostici frequenter utuntur, est dicendum

(s. ob. Anm. 740). Unde sciendum est, quod nominum quaedam sunt mere absotuta,

quaedam sunt mere connolaliva. Mere absotuta sunt itta, quae non significant

aliquid principaliler et aliud vel idem secundario, sed quidquid signiftcatur per tale

nomen, aeque primo significatur, sicut palet de hoc nomine „animal" Nomen

aulem connolalivum est itlud, quod significat aliquid primario et aliquid secundario ;

huiusmodi sunt omnia nomina reioliva, omnia nomina perlinentia ad genus

quantitalis, eliam talia nomina „unum, bouum, verum, inttllectus, polenlia,

actus etc."

832) C. 11, f. 5 v. B: Posilis divisionibus, quae possunt competere tam lerminis

naturaliter significanlibus quam lerminis ad piocitum institulis, dicendum est de quibusdam

divisionibus competenlibus lerminis ad piocitum inslitulis. Est igitur prima

divisio talis: nominum ad piocitum significantium quaedam sunt nomina primae impositionis,

quaedam secundae imposilionis. Das Weilere ist schon oben, Anm. 776,

angefahrt.

833) C. 12, f. 6 r. A: Quia dictum est in praecedenti capitulo, quod quaedam

>unl nomina primae inlenlionis et quaedam secundae inlentionis, et quia ignoranlia

vocabulorum mullis est errandi occasio , ideo incidentaliter videndum est , quid sit

XIX. Occam (Begriff). 365

Synonymen und Homonymen834), womit der Abschnitt De dtvisionibus

terminorum seinen Schluss findet.

Ein nichtssagender Uebergang, — sei es dass er von Occam oder

vom Herausgeber herruhre — , führt dann vorerst zu rlen termini secundae

intentionis , d. h. 'IM den Universalien835), bezüglich deren

die allgemeinen Erörterungen , welche den sämmtliche fünf umfassenden

Gemeinbegriff „Universale" betreffen s36), bereits oben ihre Verwen

dung gefunden haben s37). Nachdem die Fünfzahl der Universalien

in üblicher Weise begründet worden838), treten dennoch wieder Be

merkungen über Individuum, sinyulare, suppositum (vgl. bei Mayron,

Anmerk. 548) voraus, welche drei Begriffe für die Logik, nicht aber

für die Theologie, synonym seien 839). Aus der Erläuterung der einzel

nen fünf Universalien , welche in der Expositio aurea weit ausführ

licher ist und sich mehr Satz für Satz an den Commentar Avicenna's

anschliesst, als in der S,nn um, mag höchstens die auch ander

wärts wiederholte Bemerkung hervorgehoben werden , dass der Gat

tungsbegriff nicht als Materie des Artbegriffes zu betrachten sei 840) ;

et quid primo, quid secunda. Das Weilere s. gleichfalls oben, Anm.

768 f. u. 778.

834) C. 13, f. 6 r. B: Soio vox vel aliquod signum ad piocitum institutum est

aequivocum vel univocum Kst aulem itio vox aequivoca, quae significans plura

non est signum subordination uni conceptui Unum est aequivocum a casu,

aliud est aequivocum a consitio Univocum aulem dicitur omne itlml. quod est

subordinatum uni conceptui. Vgl. Quodl. IV, qu. 16. u. Expos, aur. Praedicam. De

aequie., woselbst auch die Unlerscheidung zwischen aequivocans und aequivocal

u m (s. bei Alumnus Andreas, Anm. 483, und bei Bmleigh, Aum. 617) aufge

nommen ist.

835) C. 14, f. 6 v. B: Cum igitur non su/ficial logico tantum generalis nolilia

lerminorum, sed oporleat cognoscere lerminus in speciali magis , ideo postquam de

dnisionibus generalibus lerminorum tractatum est, de quibusdam conlenlis sub aliqua

itiorum divisionum persequendum est. Est igitur primo tractandum de lerminis secundae

intenlionis, ...... el ideo de itlis. quae ponuntur quinque universalia , ,'st

modo dicendum. ,

836) Ebend. : Primo tamen dicendum est de hoc communi „universale", quia

pruedicatur de omni universali el eliam de sinuuiori (vgl. Armand, ob. Anm. 651).

Expos, aur. Praedicob. Prooem.: Universale dicitur subiectum libri Porphgrii , non

qu,a ipsum vere sit subiectum, sed quia ipsum praedicatur de subicctis, sc. de genere,

specie etc. Vgl. Burleigh, ob. Anm. 610.

837) C. 14—17; s. ob. Anm. 782, 788, 791, 803 f.

838) C. 18, f. 8 r. A.

839) C. 19, f. 8 r. B: Apud logicos hnec nomina convertibitia sunt: individuum,

singuiore, suppositum; quamvis apud theologos singuiore el suppositum non convertantur

(s. Anm. 733), sed in hoc capitulo dicendum est de istis nominibus Mo

modo, quo logici utuntur eis. Apud logicum tripliciler accipitur individuum etc.,

d. b. es folgt nun die nemliche Aufzähtung dreier Bedeutungen, welche wir oben

(Anm. 791) aus einer Stelle der Quodlibeta betreffs des „singuiore'' trafen.

840) C. 20, f. 8 v. A: Genus non est pars speciei .... nec genus importat maleriam

Improprie tamen ulendo vocabul» polest dici, quod genus dicit aliquando

maleriam, quod non est aliud, quam dicere, quod in quolibet significalo per tale genus

invenitur maleria eiusdem ralionis. Expos, aur. Praedicab. Prooem.: Falsum est, quod

communiler dicitur a modernis, quod genus dicit partem malerialcm et differentia

dicit parlem formalem, quia de ralione generis non est ptus significare partem malerialem,

quam formalem, sed tolum, differentia vero aliquando dicit partem malerialem.

Sent. I, Dist.S, qu. 20: Genus non est proprie maleria, sed dicitur maleria mein

366 XIX. Occam (Begriff).

,lenn alles Uebrige bewegt sich nur in dem gewöhnlichsten Fahr

wasser 841).

Mittelst eines auf die Schüler berechneten Ueberganges, welcher in

solcher Form vielleicht auf Rechnung des Herausgehers fällt, kommen

nun noch anderweilige termini secundae intentionis el secundae imposilionis

an die Reihe, welche entweder allen Universalien oder einigen

oder einer Verknüpfung einiger oder nur Einem Universale bezüglich

eines anderen zukommen können (— eine Eintheilung, welche uns einigermaassen

an Armand, Anm. 648 ff., erinnert —); und zwar sollen zuerst

diejenigen folgen , welche bei einer Verknüpfung mehrerer Universalien

in Betracht kommen , nemlich definüio und descriplio 842). Betreffs der

Definilion, auf welche wir unten, Anm. 1012 ff., noch einmal zurück

kommen müssen, unterscheidet Occam auf aristotelisch-arabischer Grund

lage eine sachliche (quid rei) und eine sprachliche (quid nominis); die

erstere bedeute im engeren Sinne ein Urtheit, welches in Kürze lediglich

das natürliche Wesen in seiner Totalität ausdrücke , und dieselbe könne

entweder mit Beihilfe einiger Casus obliqvi ausgesprochen werden und

sei dann de/inüio naturalis, oder ohne solche Sprachmittel, in welchem

Falle sie definüio metaphgsicalis sei ; keinenfalls aber dürfe neben diese

beuten Arten eine definüio logicalis als dritte gestellt werden, denn die

Logik (s. Ami). 744 u. 797) habe es nur mit Zeichen, nicht aber mit

Dingen, zu thun und schreibe nur die Verfahrungsweise vor843); die

pborice, quia sicul materiae praecxistenti advenit forma el facil unum cum ca. ita

generi advenit differentia et facil unam diffinitionem cum ea proprie dictam vel

per additamentum. Expos, aur. Praedicub. De differ. : In diffinitioni' genus est loco

maleriae respectu differentiac, i. e. habet respectu differentiae aliquam condilionem

maleriae, quia, sicul maleria est prior ipsa forma et forma advenit maleriae, ita in

diffinitione genus, quod est quaedam intenlio sive conee'ptus in anima, praecedit differentiam

el differentia advenit sitii.

841) Wie z. B. die Erörterungen f,ber die Reiolivität der Gattungs- und Artbegrift'e

c. 22, f. 9 r. A, vgl. Expos, aur. Praedicab. De specie und Sent. I, Dist. 8,

qu. 3 f. oder ebend. 11, qu. 9 KK: Non est di/ferentia intcr genus el speciem quantum

ad significare lotum, quia tam genus quam species signilicant iolum, sed

genus signilicat plura tata, quam species.

842) C. 26, f. 10 r. B: Quoniam logici non sotum utuntur praediclis vocabulis

secundai' intentionis, sed eliam mulli lermini alii secundae intentionis el secundae

impositionis in usum logicorum reniunt, el ne studiosi per ignorantiam signi/icalionis

eorum in inquisitione veritalis retrudantur, volo nunc compenaiose de aliquibus eorum

ad instruclionem simplicium pertractare. Terminorum aulem, quibus utuntur logici,

quidam sunt communes omnit,us universalibus, quidam sunt proprii aliquibus eorum,

quidam competunt aliquibus eorum simul acceplis, quidam competunt uni respectu allerius.

Termini vero, qui competunt pluribus simul acceplis, sunt di/finitio, deseriplio

el alia huiusmodi.

843) Ebend.: Diffmilio dupliciter accipitur, quia quaedam est diffinitio exprimens

quid rei, et quaedam quid nominis. Diffinitio exprimens quid rei dupliciter ac

cipitur: uno modo targe, el sie comprehendit diffinilionem stricte sumptam et diffinilionem

deseripliram ; aliter accipitur stricte, el sie est sermo compendiosus exprimens

lotam naturam rei nec aliquid extrinsecus rei declorans. Hoc aulem polest fieri du

pliciter. Nam quandoque in tali sermone ponuntur casus obliqui exprimentes partes

rei esscntiales, sicut si diffiniam bominem sie dicendo „homo est substantia composita

ex corpore el anima intellectiva", el itio polest vocari diffinitio naturalis. Alia

est diffinilio, in qua nullus casus obliquus ponitur; ..... talis est ilio diffinilio no

minis „substantia animata sensibitis ralionalis", .....et ista polest vocari metaphg

XIX. Oc,cam (Begriff). 367

sprachliche Definilion hingegen sei nur eine erklärende Erweiterung eines

Wortausdruckes 844). Anderwärts reducirt er diese beiden Arten der

Definilion auf die schon hei Alhert (Abschn. XVII, Anm. 478) vorkom

mende Unterscheidung einer definüio formalis und matm'ofe 84ri). oder

er zieht hinwiederum auch eine Eintheilung der Worte in absoluta, connotaliva

(s. Anm. 831 u. 917 ff.), pos$iMlia, impossibilia, relaliva, adverbia

u. dgl. bei 840). Das Wesen der Beschreibung (descriptio) liege

in der Angabe accidenteller und eigenthümlicher Merkmale, und in der

„beschreibenden Definilion" seien dieselben mit den substanliellen Eigenthümlichkciten

vermischt84'). Jedenfalls aber sei das definitum nicht

als real idenlisch mit definüio zu nehmen (s. ob. Anm. 795 am Schluss),

da man nur sagen könne, dass beide reell das Nemliche bezeichnen s4s),

und darum sei das Definirte ein Begriil', welcher mit der Defmilion in

einem rein umkehrbaren Urtheile beliebig die Stelle tauschen könne,

während in anderem Sinne genommen allerdings das Definirte nichts

Anderes als eine singuläre äussere Sache sei849).

sicalis Ex quo palet, falsum esse, quod aliqui dicunt, quod hominis quaedam

est diffinilio logicalis, quaedam naturalis, quaedam metaphgsicalis, quia loqicus, cum

n n n t ruf l »l de rebus, quae non sunt signa, nun tractat de homine nee habet hominem

diffinire, sed habet docere, quomodo aliae scientiae tractanles de homine ipsum diffinire

habent.

844) Ebend. f. 10 v. A : Diffinilio aulem exprimens quid nominis est oralio explicite

deciorans , quidquid per unam diclionem importatur implicite , sicul si quis

volem, nli,mi docere , quid significel hoc nomen „nlbnn,", 1lirnt, quod idem signific.al

quod haec oralio „aliquid habens albedinem".

845) Sent. Prolog, qu. 2, 6 L : Diffinilio aliquando datur per principia essenlialia,

et itio est formalis . . . . , Aliae aulem diffinitiones datae per alias causas sunt

diffinitiones maleriales el istae ul in lduribus sunt diffiniliones exprimentes quid

nominis, non exprimentes quid rei. Vgl. ebend. I, Dist. 8, qu. 5 f. Eine ganz andere

Bedeutung der formalen und der materialen Delinilion s. unten Anm. 1015.

846) Quodt. V, qu. 19: Diffinilio proprie dicta (A. h. expriiuens quid rei) est

oralio lonaa composita ex genere proprio et differenliis essenlialibus significanlibus

parles essenliales diffinili Diffinilio exprimens quid nominis est oralio expliciti'

deciorans , quid per unam dictionem importatur. Höchst ansführlich wird hierauf

über die Unterschiede dieser beiden Defmltionen gehandelt: erstere nemlich sei

sotum nominum absotulorum (z. B. homo, leo) , ferner sotum possibitium und solun,

a nm i!, a m sumptorum significalive ; hingegen letzlere könne auch connotalivorum et

reiolivorum, sowie impossibitium und ebenso verborum, adverbiorum, coniunctionum

sein.

847) Summa t. l. I, 27, f. 10 v. B : Deseriplio est sermo compendiost,s comppsitus

ex accidenlibus et propriis, v. gr. „homo est erecle ambuiolivus iotus

habens ungues" (c. 28) Deseripliva aulem diffinilio .est mixta ex substantialibus

et aceidentalibus , v. gr. „homo est animal ralionale mortale erecle ambuions tatos

habens ungues".

848) C. 26, f. 10 v. A : Diffinitio non est eadem cum diffinito, quia secundum

omnes diffinitio est sermo mentalis , vocalis , vel seriptus , el per consequens non est

eadem realiler cum diffinilo sive cum re nec cum una dictione; tamen diffinilio significal

idem cum diffinito, et sie inlelligunt recte loquentes, quando dicunt, quod diffi

nilio el diffinitum sunt idem realiler, h. e. significant idem realiter.

849) C. 29, f. 10 v. B: Diffinitum dupliciler accipitur: uno modo pro itlo, cuius

parles vel essenlia per diffinilionem exprimuntur, el sie diffinitio est ipsarum rerum

singuiorium . . . . . el substantia particuioris diffinitur. Alio modo accipitur diffinitum

pro aliquo convertibiti cum diffinitione, de quo diffinitio adaequale praedicatur, et sie

diffinitum est una diclio convertibitis cum difffnilione significans Mud idem praecise,

XIX. Occam (Begriff).

Hierauf nun sollen jene lermini secundae intentionis et secundae

impositionis folgen, welche sämmtlichen Universalien zukommen 850). So

wie jedoch nicht ersichtlich ist, warum dem so sei, so werden auch die

ührigen Gesichtspunkte obiger (Anm. 842) Eintheihmg nicht weiter be

rücksichligt , und wir linden in einer unorganischen Reihenfolge , Im

welche vielleicht Occam selbst nicht verantwortlich ist-, eine Erörterung

mehrerer in der Logik überhaupt üblicher Termini. Nemlich zuerst wird

an dem Begriffe „subiectum" die reale und die logische Bedeutung un

terschieden und letztere von einem weiteren Sinne durch einen engen

und engeren bis zum engsten verfolgt851), worauf das Gleiche mit „praedicatum"

geschieht, wiihrend die Frage über das Verhältniss der Copula

zum Prädicate als eine hloss sprachliche hei Seite geschoben wird K52);

hingegen folgt die entschiedene Betonung des Grundsatzes, dass es sich

beim Prädicate für die Logik nie um reale Inhärenz, sondern eben nur

um das Verhältniss der Aussage handle 85:l). Dann reiht sich plötzlich

„significare" an, dessen mehrere Bedeutungen in die sehr lockere Ver

bindung mit den Universalien kommen , dass letztere stets Mebreres be

zeichnen s54), und schwerlich ist der Zusammenhang ein innigerer, wenn

quod significal diffiuitio. (Fast wörtlich ebenso Quodl. V, qu. 20) Sleut dictum

est de diffinito, ita dici debel de deseripto.

850) C. 30, f. II r. A : Dicto de ierminis, qui non competunt alicui universali,

cuiusmodi sunt diffinitio et deseriplio et huiusmodi (quia nultum universale est diffinilio

vel deseriplio, sed quaelibel diffinitio vel deseriplio ex pturibus universalibus

est composita) dicendum est nunc de lerminis convenienlibus omnibus universalibus,

cuiusmodi sunt subiectum, praedicatum et huiusmodi.

851) Ebend.: Subiectum dupliciler accipitur: hoc quidem ad exislentiam, hoc

aulem ad praedicalionem. Ad exislenliam dicitur aliquid, quod realiler subsislil

alleri rei inhaerenti sibi et advenit'nli realiler Dicitur subiectum per

praedicalionem, quod est pars propositionis praecedens coputam ; et subiectum

sie acceptum polest mullipliciler accipi. Primo tarae omne itlud , quod polest iu

quacunque proposilione veru vel lalsa subiici Secundo stricle , quod subiicitur

alleri in praedicalione directa Tertio strictius pro itlo, quod est subiectum

in ennctusiaue demonstrata, quae scitur vel est nata sciri Strictissime pro aliquo

primo primitule aliqua intcr talia subiecta.

852) C. 31, f. 1] r. A: Sicul subiectum dicitur itio pars proposilionis , quae

praeecdit copuiom, ita itio pars, quae sequitur, dicitur praedicotum. Votunt tamen

aliqui dicere, quod praedicatum est copuio cum itlo, quod sequitur copuiom ; qualitercunque

tamen sit, quia hoc dependet ex sumplionc vocabuli, quod est ad ptacitum,

ideo pertranseu. Praedicatum tamen mullipliciler dicitur u. s. f.; nemlich diese

Dislinclion des Prädicates entspricht genau jener des Subjecles.

N53) C. 32, f. 1 1 r. B : Sicut aulem praedicatum praedicatur de subiecto , ita

praedicatum dicimus esse in subiecto, convenire subieeto el inhaerere subiecto et

buiusmodi, quae non sunt intelligenda, acsi praedicatum realiler inhaererel subiecto

illo modo, quo albedo inhaerel parieli, sed omnia talia significant idem, quod praedicari,

nee aliter accipienda sunt; aecidenlia omnia .' possurit dici esse iu

substantia sicul in subiecto non quidem per realem int,aerentiam secundum opinionem

mullorum, sed per praedicalionem veram.

854) C. 33, f. 11 r. B: Significare mullipliriter accipitur apud logicos. Nam

uno modo dicitur signum aliquid significare , quando supponit vel natum est pro

aliquo supponere, ita quod de pronomine demonstrante ittud medianle hoc verbo „est"

idem nomen praedicatur; haec enim vera est „itle est albus" demonstrando Soeralem

Aliter accipitur siqnificare , quando itlud signum in aliqua propositione

de praelerito vel praesenti vel futuro vel in alia propositione vera de modo polest

pro itlo supponere, et sie album .... significal eliam ittud, quod polest esse album.

XIX. Occam (Begriff). 369

hierauf „dividi" nach älterer Tradilion erörtert wird855). Ebenso wenig

vermögen wir einzusehen, warum nun „totum" und „pars" in realem

und in logischem Sinne folgen850), oder aus welchen Moliven sodann

die Erklärung der „opposüa" hieher gestellt sei, betreffs deren zu be

merken ist, dass hier von einer dritten Art der Entgegensetzung der

Urtheile gesprochen wird, welche eintrete, wenn die Subjecte zweier

Urtheile, deren Qualität verschieden ist, im Verhältnisse einer Subalternalion

stehen857). Endlich in unerklärlicher Verbindung werden noch

einige Worte über die logische Bedeutung des Begriffes „passio" an

geknüpft 858).

Jedenfalls nahm Occam hierauf den Uebergang zu den lermini primae

intentionis , d. h. zu den Kategorien, bei welchen es sich zu

nächst, — abgesehen von ihrer logischen oder realen Geltung — , um

zwei Begriffe handle, welche allen Kategorien gemeinsam seien, nemlich

um ens und u/mm 8o9). Dass „ens" nur homonym, nicht aber synonym,

Aliler accipitur, quando ittud dicitur significari, a quo ipsa vox imponitur vel

primo significatur per conceptum principalem vel voceui principalem, et sie dicimus,

quod album significal albedinem Quarto modo accipitur significare communissime,

quando aliquod signum, quod natum est esse pars propositionis vel natum est esse

oralio vel propositio, aliquid importal sive principaliler sive secundario Signi

ficare igitur secundum aliquam sui significalionem compelit universali cuitibet; uni

versale i',iin, secundum Damascenum in logica sua (s. Abschn. XI, Anm. 50, denn

nur Porphyrius ist es, aus welchem Damascenus geschöpft hat; s. ebend. Anm. 171)

i'.--f. quod multa significat ; omne enim universale vel significat ptura primo modo

vel secundo modo alia vero universalia significant ptura lerlio vel quarto modo.

855) C. 34, f. 11 v, A: Non aulem solum universale significal ptura, sed eliam

dividitur in plura. Sed sciendum est, quod dividi mullipliciler accipilur

Sunt auiem secundum Damascenum in logica sua octo modi dividendi (s. ebend.

Anm. 170).

856) C. 35, f. 11 v. B: Tolum mullipliciter dicitur. Uno modo dicitur totum

aliquid complectens plures parles, sine quibus in rerum natura esse non polest

Mil,'r accipitur tnt,im pro aliquo communi ad multa, et sie logici communiler

nliu,litr Et quol niodis dicitur lotum, tol modis dicilur proporlionabitiler pars.

857) C. 36, r. 11 v. B: Post pracilicta dicendum est de oppositis. Et sciendum

est, quod hoc nomen „opposita" significal tam res extra animam quam in anima

(lH(H!l signa rerum. Sed omnes res extra animam, quae non sunt signa, si sint oppositae,

non opponuntur nisi contrarie vel secundum unam opinionem aliquae res

reiolive opponuntur Sed si loquamur de oppositione, quae est inler signa rerum,

cuiusmodi sunt conceptus et voces et seripturae, sie secundum peripalelicos hoc nomen

„opposita" dicitur tam de complexis quam incomplexis. Complexorum aulem oppositorum

polest triplex modus assignari. Quae dam enim opponuntur contradictorie

Aliquae proposiliones opponuntur contrarie . . . . . Tertii modi opposilionis non habemus

nomen impositum, est aulem, quando aliquae proposiliones non sunt contradictoriae

neque contrariae, sed inferunt proposiliones contradictorias vel una infert contradictoriam

allerius et propler hoc nullo modo possunt s inm t esse verae, sicut ......

„Nullum animal currit, Aliquis homo curril" Oppositorum aulem incomplexorum

quatuor modi ponuntur u. s. f. (d. h. es folgen die tradilionellen vier Arlen).

858) C. 37, f. 12 r. B: Restat nunc de uno vocabulo, quo logici tractando de

demonstralione (s. Abschn. XVII, Anm. 475; frequenler utuntur, disserere, sc. de hoc

vocabulo ,,/<u.s.w,," Secundum quod logici loquuntur de passione, sciendum est,

quod passio non est aliqua res extra animam inhaerens alicui, cuius dicitur passio,

sed passio est quoddam praedicabite mentale vel vocale vel seriptum Passio

semper supponit pro itlo eodem, pro quo subiectum supponit, quamvis aliquid aliud

ab itlo significet aliquo modo.

859) C. 38, f. 12 v. A: Dirin de lerminis quibusdam secundae inlenlionis et de

PRAHTL, Gesch. III. 24

370 XIX. Occam (Begriff.

von Allem ausgesagt werde und in solchem Sinne verschiedenen Eintheilungen

unlerliege suo), erörtert er auch anderwärts unter Beiziehung der

Lehre von der Supposilion *ul) ; und desgleichen bespricht er „unum",

welches als passio entis mehrere ühliche Bedeutungen hahe su2), an einer

anderen Stelle auf gleicher Grundlage betreffs seines Wcchsclverhältnisses

•M ens , da nur hei suppositio personalis diese beiden Begriffe sachlich

idenlisch seien s63). Indem dann die Erklärung der Kategorien selbst

folgen solls04), erörtert Occam in einer längeren Stelle, von welcher

wir ein anderweiliges Duplicat bereits oben, Anm. 779, trafen, die Be

deutung des Begriffs praedicamentum ; ncmlich nach Einer Meinung be

deute Kategorie das Verhältniss einer wechselseiligen lieber- und Unter-

Ordnung (es ist dicss die Auffassung, welche wir seit Albert, Abschn.

XVII, Anm. 429, hei Pseudo-Thomas, ob. Anm. 311, hei Mayron, Anm. 520.

und bei Burleigh, Anm. 616, recipirt fanden; dass Occam sie verwirft,

s. sogleich unten Anm. 868), wobei dann dasjenige, was an sich intentio

prima sei, um der Aussage willen als intentio secunda bezeichnet wer

den könne, wohingegen nach einer anderen Ansicht die Kategorien nur

als die erste gemeinsame Grundlage jener Aussagen , welche eine Unteroder

Ueber-Ordnung enthalten, genommen werden (s. gleichfalls Anm. 868);

jedenfalls aber müsse daran festgehalten werden, dass die Kategorien

ebenso wie alle übrigen ücnkuperalionen, während sie eniia rationis

sind, in Wahrheit wirklich exislireu 865). Nur ist bei Letzterem, wie

quibusdam secundae impositionis, videndum est de lerminis primae intenlionis. Primo

tamen dicendum est de quibusdam rommunibus omnibus, sive sint res, quae non sunt

signa, sive sint res, quae sunt signa (vgl. ob. Anm. 779), cuiusmodi sunt ens

et unum.

860) Ebend. : Accipitur hoc nomen „ens", secundum quod sibi correspondct

unus canceptus communis omnilms rebus praedicabitibus in quid Tamen hoc

nomen „ens" est aequivocum, quia non praedicatur de omnibus sibi subiicibit,bus,

quando significalive sumitur, secundum unum conceptum , sed sibi diversi conceptus

respondent Ens dividitur, quia hoc quidem est secundum accidens, ittud vero

secundum se Simititer phitosophus dividit ens .... in ens in polenlia et ens

in actu.

861) Quodl. V, qu. 14: Huic nomini „ens" correspondet unus conceptus com

munis praedicabitis de omnibus rebus Hoc nomen „ens" <sl aequivocum, quia

licet praedicetur univoce de omnibus subiicibitibus, et hoc, sive supponat simpliciter

sive personaliler, tamen non praedicatur de omnibus subiicibitibus significalive acceplis

secundum unum conceptum, sed bvic, nomini diversi conceptus conespondent. Expos,

aur. Praedicab. De specie: Ens non dicitur univoce de decem praedicamenlis, sed

aequivoce.

862) Summa t. log. l, 39, f. 12 v. B: Unum aulem est passio enlis, quia

significat aliquid, quod non eodem modo significatur per ens, quamvis aliquo modu

signilicatur per ens Unum tamen mullipliciter dicitur ; tamen ad praesens

sufficiat, ponere tres modos unius, quibus logici utuntur frequenler, ä. h. es folgen

nun unum numero, unum specie, unum genere.

863) Senf. I, Bist. 2, qu. 3, K : Ens et unum, si supponant personaliler, polius

sunt una res et una natura, quam dicant eandem naturam, et »i sie supponant, non

aliter dislinguuntur ens et unum, quam ens et ens, et unum et unum. Si aulem

supponant simpliciter vel malerialiler, sie non sunt una res nec una natura, sed dicunt

eandem naturam et dislingmmtur intcr se, sicut duo conceptus vel duo nomina, quae

non sunt sgnongma.

864) Summa t. log. t, 40, f. 13 r. A : Post praedicta restat dicere de inferioribus

ad ens, quae sunt decem praedicamenta.

865) Ebend.: Hoc nomen „praedicamentum" est nomen secundae imposilionis

XIX. Occam (Begriff). 371

sich für Occam von selbst versteht, nicht von der äusseren Existenz der

concreten Dinge, welche als solche stets singulär sind, die Rede, sondern

bei den Kategorien handelt es sich um bezeichnende Worte und somit

um Denkanffassungen und Begriffe, welche gemeinsam von Allem, was

unter sie fällt, ausgesagt werden s66) , und zwar derarlig, dass Ein und

der nemliche Gegenstand durch mehrere Kategorien bezeichnet werden

kann 86 ')• Eben jene Auffassung aber, wornach man bei den Kategorien

einseilig auf das Verhältniss einer Ueber- oder Unter-Ordnung blickte,

müsse nicht bloss zu einer missbräuchlichen Erweiterung des Begriffes

„Gattung", sondern auch zu der Uebertreibung führen, dass man für die

Kategorie des Wann eine quandeitas oder für jene des Wo eine ubeitas

ersann und in gleicher Weise auch bei allen Adverbien, Präposilionen u.

dgl. verfahren musste, während nach der richligen und ursprünglichen

vel intentionis sicut hoc nomen „genus", quamvis itio , de quibus praedicatur, sint

incomplexa primae intentionis. Verumtamen praedicamentum dupliciler accipitur: uno

modo pro tolo ordine aliquorum ordinalorum secundum superius et inferius ; alio

modo accipitur pro primo et communissimo in tali ordine. Et hoc secundo modo

accipiendo „praedicamentum" quodlibel praedicamentum est unum incomplexum primae

inlentionis, et hoc quia significat res, quae non sunt signa. Accipiendo aulem „prae

dicamentum" primo modo polest dici, quod in aliqua tali ordinalione sunt incomplexa

primae intentionis et in aliqua incomplexa secundae inlentionis, vel polest dici, quod

aliqua talia sunt primae intenlionis et aliqua secundae inlenlionis, sicut secundum

opinionem, quae ponit, quod inlenlio vel conceptus est qualitas subiective existcus in

mente (betreffs dieser Meinung vgl. Anm. 757 u. 762) , tunc hoc commune „genus"

est in praedicamento qualilulis vel retalionis ; nam amne genus est qualitas secundum

itiom opinionem, et hoc commune „genus" est secunda intenlio vel nomen secundae

intentionis , hoc aulem commune „cofor" est prima inlenlio , et simititer de mullis

uliis (B) Verumtamen sciendum, quod secundum opinionem, quac ponit, quod

inlentio vel conceptus sive passio animae est qualitas menlis, non ideo aliquid dicitur

ens ralionis, quia non est vera res existens in rerum natura, sed ideo dicitur

ens ralionis, quia non est nisi in ralione, qua mens ulitur pro alio vel inlelligitur

aliud; et sie omnes propositiones et consequentiae et lermini mentales sunt enlia ralionis,

et tamen sunt vere et realiler existentia in rerum natura et entia perfecliora

et realiora, quam qualitas quaecunque corporalis (über diese objeclive Realität der

logischen Funclionen s. oben Anm. 764 u. 766 ff.).

866) Expos, aur, Praedicam. Prooem.: In hoc opere (d. h. Calegoriae) haec

intenlio est, de primis rerum nominibus et de vocibus res significanlibus disputare,

non ideo quod secundum aliquam proprietalem figuramque formantur, sed in eo quod

significantes sunt In grammalica delerminatur de vocibus delerminando

congruitalem et incongruitalem in oralione In libro vero Praedicamentorum delerminatur

de vocibus, quales res sionificent, ostendendo Et ignoranlia inlen

lionis Aristolelis in hoc libro facit mullos modernes errare eredentes muH a hie dicta

pro rebus, quae tanmen pro solis vocibus et proporlionabititer pro inlentionibus seu

conceplibus in anima vult intelligi. Ebend. Cap. 4: Ista non est divisio rerum extra

animam, quia res extra animam non praedicantur de pluribus, non enim praedicatur

nisi vox vel conceptus vel aliquod signum ad piocitum institutum; sed ista est divisio

vocum sive conceptuum sive intenlionum in anima iVaHa est substanlia realiler

extra animam nisi sotum substantia particuioris (s. Anm. 781). Et ista est divisio

incomplexorum, ex quibus componuntur propositiones et ex quibus lineae praedicamentales

componuntur. Ebenso Cap. 7. Ebend. Praedicab. De specie: Non dicit (sc.

Aristoleles) decem praedicamenta esse decem res intrinsecas omnibus aliis rebus, sed

l a »l um quod sunt decem principia, i. e. decem communia praedicabitia de aliis conlenlis

sub se, non pro se, sed pro aliis.

867) Ebend. Praedicam. Cap. 7: Praedicamenta sunt distincta, non tamen consimililer

distinguuntur res significatae per ipsa, sed eadem res, satlem aliqua, significatur

per diversa praedicamenta, quamvis non eodem modo.

24*

372 XIX. üccam (Begriff).

(d. h. eigentlich, wie wir oft genug sahen, arabischen) Ausicht die Kate

gorien als incomplexa Nichts weiteres, als die einfachen Grundlagen und

Bestandtheile der Urtheile seien *8*).

Die Zehnzahl der Kategorien molivirt Oceam in seinem Couipendium

völlig nach der allgemein üblichen Weise sua); aber an emem anderen

Orte erhebt er sich zu der wahrhaft merkwürdigen liöhe der einzig rich

ligen Auffassung, dass es in objectiver Hinsicht überhaupt nur drei Kate

gorien gebe, nemlich Substanz, qualitalive Beslimmtheit und Uelalion s7v).

Ja auch in der Einzeln-Erörterung der Kategorien , welche im Uebrigen

Nichts bemerkenswerthes enthält, blickt hauptsächlich im Compendiuui die

ser grundsätzliche Gedanke überall insoferne durch, als Occam stets nach

zuweisen sucht, dass für die Philosophie im Sinne des Aristoteles, d. h.

abgesehen von den Interessen der christlichen Dogmalik, keine der übri

gen neun Kategorien eine selbstständige von der Substanz unterschiedene

Sache sei, sondern jede derselben nur den Wortausdruck einer Inhärenz

enthalte871). Mit erklärlicher Vorliebe stützt er einzelne Begründungen

868) Summa /. log. l, 41, f. 13 r. B : Ponuntur aulem ab omnibus auctoribus

decem praedicamenta ; sed in modo ponendi, ut nübi videtur, mulli moderni discordant

ab antiquis ; nam mulli ponunt, quod in praedicamento sunt multa ordinata secundum

superius et inlerius ; undc, ut talem praedicaliouem habeant de adverbiis, fingunt

nomina abslracta, sicut de „quando", quod est adverbium, fmgunt tale abstractum

„quandeitas", de „nl'i" „ubeitas" et sie de aliis. Sed antiqui non posueruut talem

ordinem in quolibet praedicomento, et ideo hoc nomine „praedicamentum" el simitiler

talibus nominibus „genus, species" et consimitibus ,minus iorge ulebantur , quam

faciunt mulli moderni, unde ipsi dicentes , semper superius praedicari de tnleriori,

exlendebant praedicari ad verba, extendebant eliam praedicalionetu ad praedicalionem

adverbiorum et proposilionum Intenlio antiquorum mihi videtur ralionabitior

(v. A) Secundum inlenlionem antiquorum existenlia in praedicamenlis

non sunt nisi quaedam incomplexa , ex quibus affirmalio et negalio natae sunt

conslitui.

869) EbeDd. f. 13 v. A: Sumitur aulem dislinclio itlorum praedicamentorum . . . .

distinclione inlerrogalionum de substanlia sive de indiriduo substantiae (B) MM

aulem incomplexa non sunt in alitiuo praedicamento, propler quod coniunctiones et

sgncalegoreumata in nullo praedicamento reponuntur; per talia enim ad nuliom quaeslionem

respondetur. Vgl. Quodl. V, qu. 22.

870) Sent. l, Dist. 8, qu. 2 D : Quaedam sunt genera, quae significant res simpliciter

et absotule sine omni connotalione ; et si ita essel , passet dici , quod sunt

tantum tria genera generalissima, sc. substanlia, qualitas et respectus Alio modo

dicitur genus omne praedieabite primo modo dicendi per se et in abstracto de alio,

isto modo possunt dici dccem genera generalissima. Dass ich meinerseits jene Drei

zahl der Kategorien unbedingt für die einzig mögliche phitosophische Constraclion

der aristolelischen Kalegorien halle, gioube ich im I. Bande genügend dargelegt zu

haben; und auch die Bemerkungen, welch» Fr. Brentano (Von der mannigfachen

Bedeutung des Seienden nach Aristoleles. Freiburg 1862. S. 74 u. 183) dagegen

richtele, schienen mir nicht geeignet, meine Ansicht nmzustossen.

871) So z. B. bezüglich der Quanlität Summa t. log. l, 44, f. 15 v. A: Est

alia opinio, quae mild videtur de mente Aristolelis, sive sit haerelica sive catholica,

quam volo nunc recitare, quamvis nolim asserere; et ideo, quia istam opinionem

posui, quando seripsi super phitosophiam , non seripsi eam tanquam meum, sed tanquam

Aristolelis exposilioni magis consonam, ul mihi videtur, et eodem modo sine

asserlione nunc recitabo eam. Est igitur itio opinio, quam mulli i'atholici ponunt et

theologi lenent et lenuerunt , quod nulio quantitas est realiler dislincta a substanlia

et qualitale, sive tales propositiones „substanlia est quanlitas" vel „quantitas est

qualitas"' sint concedendae sive non. Oder betreffs der Kategorie des Wann ebend.

c. 59, f. 20 r. B : Secundum viam Aristolelis , ut mihi videtur, huc praedicamentum

XIX. Occam (Begriff). 373

auf die Lehre von der Supposilion 872); den Gilhertus Porretanus aber

betreffs der sechs letzten Kategorien beizuziehen , hält auch Occam (wie

Scotus, ob. Anm. 176) mit Recht für unnöthig 873).

Den letzten Abschnitt des ersten Haupttheiles bildet hierauf die aus

führliche Lehre von der supposilio, welche hier gewissermaassen als

ein Mittelglied zwischen Begriff und Urtheil erscheint, insoferne sie eine

proprietas terminorum ist, welche dem terminus eben nur in der Satz

verbindung zukommt874). Die ganze Darstellung aber beruht sichtlich

auf einem längeren Betriebe und einer manigfachen Umarbeitung des by

zanlinischen Stoffes (s. z. B. unten Anm. 922), und wahrscheinlich müs

sen wir diesem Umstande es auch zuschreiben j dass hier die übrigen

proprietales terminorum, mit Einschluss der Exponibilia erst bei der

Lehre vom Urtheile zur Sprache kommen und mit derselben innig ver

woben werden (s. unten Anm. 906 ff.); denn dass diese Gruppirung des

Stoffes erst von Occam selbst ersonnen sei, möchte ich bezweifeln. Nur

die appellatio (vgl. Abschn. XVII, Anm. 64, 129, 228 u. 601) will Occam

nicht als ein Gegenstück der Supposilion (wie bei Petrus Hispanus) gel

ten lassen , sondern dieselbe derarlig in die letztere verflochten wissen,

dass sowohl die Subjects- als auch die Prädicats-Begriffe dieser „Suppo

silion im weiteren Sinne" anheimfallen 875). An die genauer formulirte

Definilion der Supposilion reiht sich die besondere Warnung , dass die

wahrhaft sachgemässe Aussagbarkeit in keiner Weise verletzt werde876).

„quando" non importal aliquam rem dislinctam a substanlia et qualitnle, sed importat

itios easdem res , quamvis non nominaliler, sed adrerbialiler tantum. Auch

führt Occam überall sowohl für diese aristatelische als auch für die gegnerische

Auffassung die Molive und ebenso die Folgerungen an; insoferne aber dabei auch

theologische Fragen mitspielen und insbesondere bei der Kategorie der Reiolion

das Trinitäts-Gezänke hereinragt („filialio und „palernitas", womit sich auch Occam

abquält), so mögen all diese Dinge ohne Neid den Theologen überlassen bleiben,

welche für ihr eigentbümliches Gebiet auch in anderen Schriften Occams Manches

über Quanlität (üuocH. IV, qu. 30 u. 32), über Reiolion (ebend. qu. 16 u. 22 f. und

VII, qu. 5), über die sechs letzten Kalegorien (ebend. VII, qu. 9 — 12) und deren

Verhältniss zur Reiolion (Sent. I, Dist. 30, qu. 2 u. 3) benützen könnten.

872) Z. B. Expos, aur. Praedicam. Cap. 12: Hoc nomen „ad aliquid" vel „reiolivum"

si praecise supponeret personaliler et pro rebus et non pro signis rerum,

baec esset falsa „Hoc nomen scienlia est retalio"; sed supponit praecise pro

nominibus ipsis vel signis rerum. Vgl. ebend. c. 17.

873) Summa t. log. I, 57 ff. Auch in der Exposilio aurea verzichtet er auf

diese Ergänzung.

874) Summa f. log. I, 63, f. 20 v. B : Dicto de signi/icalione lerminorum restat

dicere de supposilionc , quae est proprietas conveniens lermino, sed nunquam nisi in

proposilione.

875) Ebend.: Supposilio aecipitur dupliciter, se. iorge et strivle. Large accepta

non dislinguitur contra appeltalionem, sed appeliolio est unum conlentum sub supposilione;

aliler accipitur stricle, secundum quod dislinguitur contra appeliolionem; sed

sie non intendo hqui de supposilione, sed primo modo; et sie tam subiectum quam

praedicatum supponit.

876) Ebend.: Dicitur aulem supposilio, i. e. pro aliis posilio, ita quod, quando

lerminus in propositione stat pro aliquo, ulimur itlo lermino pro itlo, sc. de quo

sive pronomine demonstranle ipsum itle lerminus vel rectus Ulms lermini, si sit

obliquus, verificatur (f. 21 r. A) Est aulem una reguio generalis, quod nun

quam lerminus in propositione , sallem quando significalive accipitur, supponit pro

aliquo nisi de quo praedicatur vere ; ex quo sequitur, quod falsum est, quod aliqui

ignoranles dicunt, quod coneretum a parle praedicali supponil pro forma, sc. quod

374 XIX. Occam (Begriff.

In der Eintheilung der Snpposilion schliesst sich Occam völlig an die jün

gere Formalion der byzanlinischen Logik an (s. Abschn. XVII, Anm. 596) ;

nur die (Jnterabtheilung der supposüio confusa erscheint bei ihm in

jener nemlichen Weise, welche wir bei Shyreswood trafen (s. ebend.

Anm. 61); auch ist in dem Wortlaute der Definilionen der drei obersten

Hauptarten der Einfluss jener zahlreichen Erörterungen ersichtlich, welche

über significatum (supposüio personalis), über intentio (supp. simplex)

und über vox (svpp. materiaiis) üblich und nothwendig geworden

waren877). Während aber aus diesen Defmilionen folgt, dass jeder Be

griff in jedem Urtheile zur supposüio personalis befähigt sein kann, hin

gegen supposüio simplex und malerialis nur unter gewissen regelmässigen

Bedingungen statthaft sind878), knüpfen sich hieran äusserst scrupulöse

Controversen über die Art der Supposilions-Fähigkeit in einigen tradilio

nellen Beispielen, zu deren Lösung Occam auch die den späteren Autoren

(s. Abschn. XVII, Amn. 605) angehörende Unterscheidung zwischen exercüum

und signatum verwendet 879).

in itta „Soerales est ajbus" litlera „albus" supponit pro albedine, nam haec est simpliciler

falsa „albedo est alba". Die metaphorische Supposilion s. unlen Anm. 891.

877) C. 64, f. 21 r. A : Supposilio prima dividitur in supposilionem simplicem,

personalem et malerialem. Supposilio personalis universaliter est itio, quando ler

minus supponit pro suo significato, sive ittud significatum sit res extra animam sive

vox sive inlentio animae sive seriptum sive quodcunque aliud imaginabite, ita quod,

quandocunque subiectum sive praedicatum proposilionis supponit pro suo signi/icato

(vgl. Anm. 781), ita quod significalive lenetur, semper est suppositio personalis

SM/i;lo.M'f/() simplex est, quando lerminus supponit pro inlentione animae, »ed non

lenetur significalive, e. g. „homo est species" Ex hoc palet falsitas opinionis

communiter dicentium, quod supposilio simplex est, quando lerminus supponit pro

suo significato, quia intentio animae proprie non est significatum tsrmini, quiu

talis lerminus significat veras res et non inlenliones animae. Suppositio maleriaiis

est, quando lerminus non supponil significalive, sed supponit vel pro voce vel pro

seriplo, sieut „Aomo est nomen".

878) C. 65, f. 21 r. B: Terminus in quacunque propositione ponatur, polefst hahere

supposilionem personalem, nisi ex rotuntale ulenlium arctetur ad aliam, sicut ler

minus aequivocus in quacunque proposilione polest supponere pro quolibel significalo,

nisi arctetur ex votuutale ulentium ad significatum certum. Sed lerminus non in

omni proposilione polest haberv suppositionem simplicem vel malerialem, sed tunc

tantum, quando talis lerminus comparatur alleri extremo, quod respicil intentionem

animae vel vocem vel seriptum ...... Polest ergo reguio ista dari, quod quando ler

minus polens habere istam triplicem suppositionem comparatur extremo communi vocibus

proiolis sive seriplis, tunc propositio, in qua ponitur, est distinguenda, eo quod

talis lerminus polest habere suppositionem personalem vel malerialem; quando vero

comparatur extremo significanti intentionem animae, est dislingnenda , eo quod polest

habere supposilionem personalem vel simplicem; quando vero comparatur extremo

communi omnibus praedictis, tunc est distinguenda, eo quod polest habere suppositio

nem personalem, simplicem vel malerialem.

879) C. 66, f. 21 v. A : Sed contra praedicta polest obiici mullipliciler. Primo

sie: haec <»f vera „Homo est dignissima ereaturarum" (s. Abschn. XVII, Anm. 206);

quaero, quam supposilionem habeal iittera „homo"; non personalem, quia quaelibel

singuioris est falsa (d. h. es gibt hier keinen descensus ad singuioria , s. ebend.

u. ausführlicher im byzanlinischen Originale Abschn. XV, Anm. 73); ergo habet

simplicem; sed si supposilio simplex essel pro intentione animae, itio esset falsa, quia

inlenlio non est dignissima ereaturarum PraeHrea: Haec est vera „Color est

primum obiectum visus", et quaelibel singuioris est falsa, ergo habet simplicem sappositionem;

sed si supponeret pro animae inlenlione, itio esset faisa Praelerea:

Vox non praedicatur de voce nec inlenlio de inlentione Ad primum istorum

XIX. Occam (Begriff). 375

Die Einzeln-Erörterung beginnt mit der supp. materialis , welche

folgerichlig auch auf ganze Sätze ausgedehnt, aher mit tmnöthiger Spitz

fmdigkeit in zwei Arten unterschieden wird880); sodann folgt in glei

cher Tragweite supp. «mpfe881), und hierauf supp. personalis, welche

einer ausführlicheren Besprechung unterworfen wird. Nemlich vorerst

scheidet Occam von dieser Supposilion alle Syncategoreumata und alle

Verba aus und weist darauf hin , dass zusammengesetzte Subjecte oder

Prädicate nicht in ihre Bestandtheile aufgelöst werden dürfen 882). Nach

dem er sodann durch Defmilionen die Eintheilung in discreta und com

munis, welch letztere in determinata und confusa, und deren letztere

abermals in confusa tantum und confusa et distributwa zerfällt, festge

stellt hat883), erörtert er mit Uebergehuug der discreta diese einzelnen

dicendum, quod opinio dicentium, quod in ilin „Homo est dignissima ereaturarum" subiectum

habet supposilionem simplicem, est falsa; imo habet tantum suppositionem per

sonalem Ad secundum dicendum est, quod omnes tales „Color est primum

obicctum visus" et ceterae tales multae sunt simpliciter falsae de virtule sermonis,

tamen Mae, quas inlendebal phitosophus per eas, sunt verae Phitosophus et

mull, alia accipiunt frequenler actum exereitum pro actu signato et e converso.

Est aulem actus exereitus , qui importatur per hoc verbum „esl" vel aliud

huiusmodi; actus aulem signatus est itle, qui per hoc verbum „praedicari" importatur

vel per hoc verbum „subiici" vel „verificari" vel „compelere" vel aliquod

huiusmodi (es folgt sodann die schon oben, Anm. 796, angeführte Stelle über

supposilio simplex) Ad lerlium dicendum est, quod vox praedicatur de voce et

intenlio de intenlione, non tamen pro se, sed pro re (s. Anm. 788 f.) Si aulem

adtn,f obiiciatur, quod haec est vera ,,Piper venditur hie et Romoe", et tamen nulio

singuioris est vera, nisi secundum quod supponil simpliciter et non pro inlenlione

animae, dicendum est, quod nultus vult enlere ittud commune piper,

sed quitibet inlendit emere rem singuiorem (s. Anm. 798 u. 885).

880) C. 67, f. 22 r. A : De supposilione, maleriali sciendum est, quod

cuitibet, quod polest esse pars proposilionis, compelere polest; omne enim tale polest

esse extremum proposilionis et pro voce vel pro seriplo supponere. Et de nominibus

quidem manifestum est; .... hoc eliam idem palel de adverbiis, verbis, pronominibus,

ooniunclionibus , praepositionibus et interieclionibus, sicul ,,1'cm' est adverbium"; ....

simititer aulem proposiliones et oraliones talem supposilionem habere possunt , quod

palet in istis „Homo est animal'' est propositio vera Polest aulem dividi

suppositio malerialis, quia quaedam est, quando vox vel seriptum supponit pro se,

sicut „Homo est nomen"; quandoque aulem vox vel seriptum vel conceptus non

supponit pro se, sed pro voce vel seripto, quam tamen vocem vel seriptum non significat,

sicut . . . „Animal praedicatur de homine".

881) C. 68 ebd.: Sicut aulem cuitibel complexo polest compelere supposilio

malerialis, ita cuitibel complexo vel incomplexo significalivo vel consignificalivo polest

compelere supposilio simplex.

882) C. 69 ebd. : Nunc accedendum est ad supposilionem personalem, cirea quam

sciendum est, quod calegorema sotum, quod est extremum propositionis, significalive

sumptum supponit personaliler. Per primum exeluduntur omnia sgncalegoremata

Per secundum exctuditur omne verbum, quia nunquam verbum polest esse extremum

propositionis, quando accipitur significalive Per lerlium exeluditur pars extremi,

quantumeunque sit nomen et calegorema, sicul hie „Homo albus est animol" nec litlera

,,fio»,o" supponit nec litlera „albus", sed totum extremum]. ... Per quartum exctuduntur

calegoremata talia, quando supponunt simpliciler vel malerialiler.

883) C. 70, f. 22 r. B : Suppositio aulem personalis polest dividi primo in suppo

sitionem diseretam et communem. Supposilio disereta est, in qua supponit nomen

proprium alicuius vel pronomen demonstralivum significalive sumptum, et talis suppolilio

reddit proposilionem singuiorem .... Supposilio personalis communis est, quando

lerminus communis supponit; dividitur in supposilionem confusam et delerminatam.

Supposilio determinata est, quando contingil descendere per aliquam disiunclivam

376 XIX. Occam (Begriff).

Arten, insoweit bei denselben keine „relaliven" Begriffe verwendet wer

den (dieselben folgen weiter unten, s. Anm. 890) ; und zwar beschränkt

er die supp. determinata auf jene Urtheile, welche weder ein distribuirendes

Zeichen der Allgemeinheit noch eine Negalion enthalten884); da

bei aber erhebt er bezüglich einiger Beispiele wieder haarspaltende Be

denken, indem er z. B. bei Sätzen, welche sich um den jurislischen Be

griff der Stipulalion drehen (vgl. ob. Anm. 798), betreffs der Supposilion

einen wesentlichen Unterschied zwischen „Equus tibi promülitur" und

„Promüto libi equum" herausgrübelt , oder z. B. in Bezug auf die Supposilions-

Fähigkeit der abstracten Worte und der ihnen entsprechenden

concreten Ausdrücke, welch beide zuweilen wirklich synonym sein kön

nen (s. ob. Anm. 826 ff.), sieh auf den Unterschied der Bezeichnung stützt,

je nachdem durch dieselbe das Ding selbst oder eine intentio getroffen

wird 885). Die hierauf folgende supp. confusa tantum ist ihm nur durch

ad singuioria Supposilio personalis confusa est supposilio personal» lermini

communis, quae non est delerminal a ; et itio dividitur, quia quaedam est supposilio

confusa tantum et quaedam est confusa et distribuliva. Suppositio confusa tantum

est, quando lerminus communis supponit personaliter et non conlingit descendere ad

singuioria per disiunclivam nulio varialione facto a parte allerius extremi, sed per

proposilionem de disiuncto extremo, et contingit eam inferri ex quacunque singuiori.

Supposilio confusa et distribuliva est, quando conlingit aliquo modo descendere

copuiolive , si lerminus communis habeal multa conlenta et ex nullo uno formaliler

infertur.

884) C. 71, f. 22 v. A: Islis visis videndum est, quando est, quod lerminus habet

mann supposilionem personalem et quando aliam ; et primo videndum est de lerminis

non reiolivis, secundo de reiolivis (vgl. Abschn. XVII, Anm. 202) Est ergo

primo sciendum , quod, quando in proposilione calegorica nultum signum universale

distribuens lolum extremum propositionir additur lermino communi nec mediale nec

immediale, i. e. nec a parte eiusdem extremi nec ex parte extremi praccedentis , nec

negalio praecedit nec aliqua diclio inctudens aequivalenler negalionem , semper talis

lerminus supponit delerminale.

885) C. 72, f. 22 v. B : Cirea praedicta polest dubitari primo, qualiler supponit

litlera „Aomo" in ista „Soerales fuit Aomo", posito quod Soerales non sit Se

cundo est dubium de islis „Homo albus est Aomo", posito quod nultus sit albus

Tertio, qualiler subiectum supponit in talibus „Equus libi promitlitur"

Simititer quarta dubitalio est de talibus „Ille privatur visu" Quinta est, qualem

supposilionem habet praedicatum in itio „Genus et species sunt substantiae"

Sexta est de istis „Ar U:/ est res extra animam" Seplima est de islis „Ille bis

fuit albus" Ad primum Merum dicendum est, quod in omnibus talibus termini

supponunt personaliler, pro quo est notandum, quod tunc lerminus supponit personaliter,

quando pro significalis suis, quae sunt, vel pro Ais, quae fuerunt significata vel

erunt vel possunt esse, supponit (diess fällt eigentlich der Lehre von der amplialio

anheim, s. Abschn. XVII, Anm. 225) (f. 23 r. A) Ad secundum dubium dicendum

est, quod de virtule sermonis concedendum est, si nultus Aomo est albus , quod

subiecta pro nullo supponunt, et tamen sumuntur significalive Ad lertium di

cendum est , quod tales proposiliones „Equus libi promitlitur" et simites de virtule

sermonis sunt falsae, quia quaelibel singutaris est falsa et non conlingit descen

dere ad singuioria disiunctive, sed tantum per disiunctum praedicatum (B) Stricle

loquendo de virtute sermonis litlera ,,equus" non supponit confuse tantum, quia non

supponit, cum sit pars extremi; quia in itio „Equus libi promitlitur" litlera

„equus" est subiectum, et non est pars subiecli, et ideo oporlet, quod supponal de

lerminale, cum neque signum nec negalio nec aliquid inctudens tale praecedat, et

ideo oporlet, quod contingal descendere ad singuioria disiunclive. Sed in itta „Pro

mitle libi equum" litlera „equum" non est extremum, sed est pars extremi, quia ittud

lolum est praedicatum „promitlens libi equum", quia ittae aequivalent „Promitlo libi

XIX. Occam (Begriff). 377

die Stellung des Zeichens der Allgemeinheit bedingt, so dass hier der

Sprachgebrauch eine entscheidendere Rolle spielt, als die logisch begriff

liche Bedeutung der Satztheile 8s6). Bei der supp. confusa et distributiva

holt er erst hier die Eintheilung derselben in mobilis und immobilis

nach (s. Absclm. XVII, Anm. 61), und verlegt die erstere in jene allge

meinen Urtheile, sowohl bejahende als auch verneinende , welche weder

Excepliv- noch Exclusiv-Sätze sind noch auch durch die Stellung der Ne

galion ein Hinderniss enthalten , und um des negaliven Gehaltes willen

zieht er auch die Ausdrücke „differt, alivd" zu dieser Art der Supposilion

bei887); die letztere aber, d. h. die immobilis, wird auf die Subequum"

et „Ego sum promitlens libi equum", ...... et ita non oporlet, quod supponat

delerminatc Ad quartum dicendum esf , quod in talibus „Ilie privatur

»,s«" litlera „visu", quod est pars extremi, non proprie supponit; supponit

,-iiin, confuse et distribulive aliquo modo et aliquo delerminale , sc. pro itlis , quae

aliquando fuerunt, quia aequivalel isti „Ille null nm visum habet et aptus natus est

habere visum" (v. A) Ad quintum dicendum est, quod de virtule sermonis haec

est falsa „Genera et species sunt substanliae" et tunc litlera „substanliae" supponit

personaliter et delerminale , quia hoc nomen „substanlia" non imponitur ad significandum

intenliones animae , sed veras substanlias (s. Anm. 774) Ad sextum

dicendum est, quod diversi diversimode utuntur talibus abstractis: nsm aliquando

utuntur eis pro rebus, aliquando pro nominibus ; si prinio modo, debet dici, quod

supponunt pro itlis, pro quibus supponunt sua conereta Proprie loquendo talia

conereta et abstracta, si abstracta imponantur ad significandum praecise res , sunt

nomina sgnongma (B) Alii aulem dicunt, quod omnia talia nomina abstracta

significant reioliones ralionis et pro itlis supponunt. (Auch anderwärts kommt Occam

auf diese Unterscheidung zu sprechen, nemlich Expos, aur. Praedicam. Cap. 17:

Est rrguio logicorum, quod lerminus secundae , — d. h. ein Abstractnm wie z. B.

caecitas — , si supponit personaliter, supponit pro lerminis , quorum est naturale

signum vel ad ptacitum inslitutum, si supponit pro se ipso Si supponit simpliciler

, supponit pro inlenlione , cui subordinatur in significando.) Ad seplimum

dubium dicendum est, quod in itta .,Soerales bis fuit albus" ponitur una diclio aequivalenter

inctudens negalionem, rc primo fuit albus et aliquo tempore post non

erat albus et poslea fuit albus, et ideo nec subiectum nee praedicatum supponit

determinale.

886) C. 73, f. 23 v. B : Videndum est de suppositione confusa tantum, cirea

quam diversae reguioe dantur. Una est: Quando lerminus communis sequitur signum

universale affirmalivum mediale, tunc stat confuse tantum , i. e. semper in unirersali

affirmalivu praedicatum stal confuse tantum ; sed quantumeunque signum uni

versale ponitur a parle subiecti, si tamen proposilio non sit universalis affirmaliva

nec signum universale distribuit tolum subiectum , praerticatum non supponit confuse

tantum Alia reguta datur, qunndo signum universale vel ineludens aequivalenter

signum universale praecedit lerminum a parle eiusdem extremi, ita tamen, quod non

delerminat tolum praecedens coputam, facit ittud , quod sequitur a parle eiusdem,

stare confuse tantum Sed utrum ittud sit tenendum de virtule sermonis vel non,

non enro ; tamen secundum usum loquenlium, propler quem multum valet talia scire,

oportet sie dicere (f. 24 r. A) Terlia reguio polest dari, quod semper subiectum

exctusive affirmalive supponit confuse tantum.

887) C. 74, f. 24 r. A: Cirea supposilionem confusam et distribulivam dantur

regutae diversae, et primo de suppositione confusa et distribuliva mobiti: quarum

primn est, quod in omni proposilione universali affirmaliva et negaliva, quae non est

errtusira nec excepliva, stat subiectum confuse et distribulive mobititer Secunda

est. quod in omni tali universali negaliva praedicatum, si sit distribulive non impeditum,

stat confuse et distribulive. Terlia est, quod, quando negalio delerminans

compositionem principalem praecedit praedicatum, stat confuse et distribulive

Quarta reguta est: ittud, quod sequitur immediale hoc verbum „dilferl" vel hoc verbum

„dislinguitur" vel parlicipia eis correspondenlia vel hoc nomen „aliud" vel ei

378 XIX. Occam (Begriff).

jecte der Exceptiv-Sätze beschränkt, und zwar nur für den Fall, dass

diese Supposition nicht als eine absoluta , sondern als eine limitata zu

nehmen ist sss). Doch drangen sich ihm auch hiebei wieder spitzfindige

Zweifel über die Supposilion der Prädicate auf, falls in einem Urtheile

die Worte „bis" oder „incipü, desinü" vorkommen (s. Abschu. XVII,

Anm. 254 u. 263), und er findet, dass hier eine eigene Art der Supposition

obwalte, welche keinen technischen Namen habe und nur theilweise

mit der confusa tantum verwandt sei, was er jedoch an einer anderen

Stelle durch eine anderweilige Dislinclion wieder sehr modificirt 889).

Indem sodann die Supposition der relaliven Begriffe folgt (vgl. Abschn.

XVII, Anm. 212—220), gibt er kur/, die Eintheilung und die charakteriaequivalens,

stal confuse et distribulive (s. Abschn. XVII , Anm. 266) Est igitur

universaliter dicendum, quod, quidquid facit lerminum stare confuse et distribu

live, est signum universale vel negalio vel aliquid ucquivalens negalioni.

888) l'! l"' ml. f. 24 r. B: Cirea suppositionem confusam et distritnilirum immobi

lem est sciendum, quod semper subiectum fafcm suppositionem habet in propo silione

excepliva. Hiezu II, 18, f. 31 r. B: Distinguendum est de suppositione con/usa et

distribuliva, quia quaedam est absotuta, sc. quando lerminus distribuitur pro quolibel

suo conlento , ita quod non ptus pro uno , quam pro allero ; et talem supposilionem

confusam et distribulivam non habet lerminus sive subiectum in propositione excepliva.

Alia est limitata et articutata, quando sc. lerminus pro aliquo contento distribuitur,

et hoc non accidit nisi quando itio proposilio calegorica aequivalel uni copuiolivae

compositae ex una affirmalica et alia negaliva, sicul accidit in propositione excepliva.

Si autem itio excepliva fuerit negaliva , tunc tam subiectum quam praedicatum supponunt

confuse et distribulive, sed limitale. S. unlen Anm. 935.

889) l, 75, f. 24 r. B: Polest aulem dubitari de talibus „Soerates desinil

esse albus, Soerales bis fuit Romae, Soerales incipit esse gramn,alicus" et huiusmodi,

quomodo praedicata in eis supponunt; quia enim non supponunt delerminale , palet,

quia non contingit descendere per disiunctieam Polest dii:i, quod lermimts praedicatus

in talibus proposilionibus vel eliam ittud , quod sequitur verbum adteclivum

vel substanlivum , non habct suppositionem ncc delerminatam ncc confusam et distribulivam,

sed unam aliam, pro qua tamen nomen non habemus Ilio suppositio

convenit cum confusa tantum, quia, sicul quando lerminus supponit confuse tantum,

a quolibel pronomine demonstrante aliquid singuiore contentum sub subiecto ad termi

num communem contingit adscendere, sie contingit in proposito; differt autem a

suppositione confusa tantum, quia non contingit descendere ad disiunctum ex nominibus

propriis tantum itlorum, pro quibus lerminus communis supponit; non enim se

quitur „Soerales incipit esse grammalicus, ergo Soerales incipit esse itle vel itle" demonstrando

omnes grammalicos. Jedoch II, 19, f. 31 v. B lesen wir: Difficultas est

de suppositione praedicali (d. h. bei incipit und äesinit) ; el est sciendum, quod prae

dicatum in tali propositione universali affirmaliva supponit confuse tantum;

stmulier eliam in universali negaliva stal confuse el distribulive; sed in propositione

non universali stat delerminale. Verumtamen suppositio delerminata el confusa

el distribuliva duplex est. Una est, quando conlingit descendere ad itio , pro quibus

lerminus supponit vel supponere polest, per pronomina demonstraliva, sicul in ista

„Homo curril" litlera „homo" supponit pro hoc homine el pro itlo, et sequitur

bene „Homo currit, itfitur boc currit'' demonstralo itlo homine et „ittud currit" demonstrato

alio Aliquando aulem contingit descendere per pronomina

demonstraliva simul sumpta cum Mo communi, sub quo debei esse descensus. Prima

modo non supponit praedicatum delerminale; non enim seqnitur „Soerales incipit esse

albus, igitur incipit esse hoc vel hoc" quocunque demonstralo Secundo modo prae

dicatum supponit delerminale; nam bene sequitur „Soerales incipit esse albus, ergo

incipit esse hoc album vel itlud album" Et si dicatur, quod „hoc album et hoc"

demoustrando idem convertuntur , igitur ab uno ad reliquum est bona consequentia,

dicendum est, quod haec reguio, quod ab uno convertibiti ad reliquum est bona con

sequentia, habet multas instanlias. S. unten Anm. 938.

XIX. Oceam (Begriff, Unheil). 379

slischen Merkmale derselben an ; es handelt sich nemlich zuerst um die

retativa subslantiae, welche entweder identitalis oder diversüvtis sein

können, deren erstere entweder non reciproca oder reciproca sind, und

sodann um die relaliva accidentis 890). Endlich noch wirft er, wie

auch schon Andere gethan hatten (s. Abschn. XVII, Anm. 596), einen Blick

auf die „uneigentliche" Supposition, welche auf Metapher und Synekdoche

oder Antonymie oder dgl. beruhe und bei krilischer Lectiire der Autoren

häufig beachtet werden müsse 891).

Den zweiten Haupttheil nimmt die Lehre vom Urtheile ein, deren

wesentliche Gliederung Orcam darin erblickt, dass zuerst über die ver

schiedenen Eintheilungen des Unheiles , hierauf über die Wahrheit der

sämmtlichen Arten desselben, und zuletzt über die Umkehrung derselben

gehandelt werden soll 892). Dabei aber müssen wir von vorneherein

als höchst beachtenswerth hervorheben , dass Occam , während er in der

Exposiiio aurea eine sorgfällige und getreue Worterklärung des aristote

lischen Buches darbietet, hier in seinem ausführlichen Compendium die

Lehre des Aristoteles völlig bei Seite schiebt und die ganze Darstellung

des Unheiles durch das Material der byzanlinischen Logik absorbiren

lässt Diese letztere hatte sich sonach allmälig zu einer derarligen Gel

tung emporgerungen, dass man die üblichen Haupt-Themata der aristoteli

schen Tradilion, wie z. B. die conträre und contradictorische Entgegen

setzung, nun für unwichlig bezüglich der Lehre vom Urtheile halten und

890) I, 76, f. 24 v. A: Videndum est de suppositione reiolivorum, non aecipiendo

retalivum itlo modo, qun logicus accipit, sed quo grammalicus, quod reiolivum

est rei ante tatae recordalivum Quoddam vocatur reiolivum substantiac et quoddam

accidenlis; reiolivum substantiae vocatur „is, itle, «lem" (das Pronomen „qui",

welches nach üblicher Tradilion hicher gerechnet wurde, hehandell Occam bei den

connolaliven Begriffen, s. Anm. 922); retalivum accidenlis .Jnlis, föf" el huiusmodi.

Reiolivorum substanliae quaedam sunt identitalis, quaedam diversitalis ; reiolivorum

identilalis quaedam sunt reciproca, quaedam non reciproca. Non reciproca

semper supponunt pro itlo, pro quo supponunt sua anlecedentia ; ... . sicul

,,Soerales currit et itle disputal" .' unde sciendum, quod tale reiolivum nunquan,

debel poni in eadem calegorica cum suo anlecedente Cirea reioliva idenlitalis

reciproca est sciendum, quod d,fferunt in hoc ab aliis, quia possunt poni in eadem

calegorica cum suo anlecedente et in alia, sicul palet de istis „se, suum", nam bene

dicitur ,,Soerales videt se" Semper tale retalivum habel talem suppositionem

el supponit pro eis, pro quibus supponit suum anlecedens (B) Cirea reiolivum

diversitalis est sciendum, quod dicitur ideo, quia non verificatur pro eudem, pro quo

suum anlecedens, sicul „Allerum itlorum est verum et reliquum falsum" litlera

,,reliquum" verifivatur pro Mo, pro quo non verificatur hoc anlecedens „allerum"

Cirea reioliva accidentium est sciendum, quod tale retalivum non supponit nee

verificatur pro itlo, pro quo suum anlecedens supponit, sed pro aliquo simiti vel

aequali, sicul „Soerales est albus et talis est Pioto".

891) C. 77, f. 24 v. B: Oportct aulem cognoscere, quod, sicul est suppositio propria,

sc. quando lerminus supponit praecise pro eo, quod significal proprie, ita sup

posilio impropria est, quando lerminus accipitur improprie. Mulliplex aulem est supposilio

impropria, sc. antonomalica, alia est sgncedochica, ulin est metapliorica

Multum ulile est, cognoscere, quando lerminus accipitur proprle,

quia vix invenitur aliquod vocabutum, .quin in diversis libris sanctorum el phitosophorum

aequivoce accipiatur.

892) II, l, f. 25 r. A: Poslquam dicta sunt aliqua de lerminis, nunc dicendum

est de proposilionibus ; et primo ponendae sunt aliquae dirisiones, secundo videndum

est de veritale proposilionum , quid requiritur et sufficit , lertio de conversione propositionum.

380 XIX. Occam (Urtheil).

dafiir die byzanlinischen proprielales terminorum mit Einschluss der Exponibilia

zum eigentlichen Gegenstande der Erörterungen über das Urtheil

machen konnte ; dass man statt dessen all jene Dinge in die Lehre von

Consequentia hineinschob, wird sich unten zeigen, s. Anm. 1029. Für

Occam liegt hierin allerdings nach Allem, was wir im Obigen sahen, eine

strenge Folgerichligkeit; denn sowie er iiherhaupl (auch in den Parteikontroversen)

grundsätzlich vom terminus und von der Supposilions-

Fähigkeit desselben ausgegangen war, so ist ihm auch bei allen Punkten,

welche betrefl's des Urlheiles in Frage kommen , zuletzt die Supposilion

der entscheidende Grund-Ton, so dass er alles Uehrige anderwärts unter

bringen muss, — ein Verhilltniss, von welchem wir uns alsbald bei

jedem Schritte überzeugen werden. Nur hat die Supposilion, wie er

anderwärts ausdrücklich hervorhebt, hier im Urtheile eine andere Funclion,

als bei den Kategorien (vgl. ob. Anm. 866), indem bezüglich der Satzver

bindung die Worte nicht so fast für die Dinge supponiren, sondern über

wiegend für Worte, d. h. insoferne aus denselben als Worten Wahrheit

oder Falschheit hervorgeht s93).

Unter den Eintheilungen der Urtheile führt Occam zuerst die Schei

dung in kategorisches und hypothelisches Urtheil an, bei welch letzterem

er aus der jüngeren byzanlinischen Tradilion (s. Abschn. XVII, Anm. 583 f.)

die Vermehrung der Unterarten desselben, jedoch mit Ausnahme der propositio

localis , aufnimmt894). Hierauf lässt er die Eintheilung in Inhärenz-

und modale Urtheile folgen , und bei letzteren schliesst er sich

gleichfalls beifällig an jene spätere Vermehrung der modalen Ausdrücke

an (s. ebcnd. Anm. 588), ja er fügt noch aus dem Umkreise seiner eige

nen beliebten Dislinclionen die Begiifle conceptum, prolatum, scriptum

hinzu, indem er überhaupt meint, dass Aristoteles nur um der Kürze

willen sich auf vier Formen der Modalität beschränkt habe 895). Die

gleiche Einwirkung der damaligen jüngeren Litteratur (s. ebend. Anm. 604,

und bei Scotus, ob. Anm. 186) zeigt sich auch in der hiernach folgenden

Unterscheidung, dass einige categorische Urtheile, d. h. nemlich sämmtliche

893) Expos. our. Praedicam. Prooem.: In libro Perihermmias delerminatur de

vocibus. secundum quod reritalem vel falsitalem proposilionis sunt causalivae. Ebend.

Perierm. Prooem. : Phitosophus hie loquitur principaliter de vocibus supponenlibus pro

vocibus, quamvis forle incidenter delerminat de vocibus supponentibus pro rebus. Vgl.

Anm. 753.

894) Summa t. l. a. a. O.: Una divisio propositionum est, quod proposilionum

alia est calegorica alia hgpothelica: hgpolhctica dividitur in quinque species

secundum opinionem communem, sc. in copuiolivam, disiunclivam, condilionalem,

causalem et lemporalem. S. unten Anm. 955 — 961.

895) Ebend.: Alia divisio proposilionum est , quod quaedam est propositio de

inesse et quaedam modalis Et est sciendum , quod quasi omnes sophistae eoncordant

in hoc, quod tantum sunt quatuor modi, sc. necessarium, impossibite, conlingens

et possit,ite (s. Abschn. XVIt, Anm. 161); sed tales modi sunt ptures,

quam quatuor praedicti , nam .... alia proposilio est vera, alia est scita , alia est

falsa, ulia ignola, alia seripta , alia proiota, alia concepta (über die letzteren drei

s. ob. Anm. 769 f. n. 797), simitiler alia est eredita, alia opinata, alia dubitata,

et sie de aliis Et si quaeratur , quare phitosophus non tractavit de islis nec

ittas connumeravit inler proposiliones modales, dicendum est, quod phitosophus brevitali

studens, quia itio, quae de aliis diclt, possunt islis applicari, noluit de istis

pertractare. S. xmten Anm. 914 ff.

XIX. Occam (Urtheil). 381

exponibleu Sätze, äquipollent mit hypothelischen seien 8!Ui). Wenn aher

sodann über die Eintheilung in Bejahung und Verneinung hier nur mit

zwei Worten hinweggeeilt wird897), so finden wir bei Occam anderwärts

einige Bemerkungen, welche überraschend richlig sind und wahrhaft einen

lieferen Einblick in das Wesen der Negalion beurkunden; er hält nenilich

nicht nur getreu seinem allgemeinen Standpunkte daran fest, dass auch

sämmtliche Negalionen auf Rechnung der subjecliven Auffassung zu setzen

seien 8a5), sondern er erkennt auch die affirmalive Bedeutung der negaliveu

Begriffe an 8!1:'), und dass er dieselbe wenigstens bei jenen Worten,

.welche mit dem privaliven „in" zusammengesetzt sind, nicht in die un

endliche Weite schweifen lässt, erhellt daraus, dass er z. B. für d;is

Prädicat „ungerecht" als logische Voraussetzung die reale Möglichkeit des

Gerecht- oder Uugerecht-Seins fordert, sowie hinwiederum aus der Unter

scheidung einer dreifachen Funclion der privaliven Ausdrücke (J00). Die

Eintheilung der Urtheile nach der Quanlität gibt er in jener Vollzähligkeit

an, welche in der byzanlinischen Logik üblich war, nimmt aber dabei

auch Gelegenheit, betreffs einiger Beispiele die Controverse zu entschei

den, zu welcherlei Quanlität dieselben zu rechnen seien901). Ausserdem

896) Ebeod. : Terlia divisio propositionum calegoricarum polest esse itio, quotl

nlm proposilio calegorica est aequivalens proposilioni hgpolhelicae, n! in non;

istae propositiones sunt exctusivac et exceplivae el reduplicalivae et quaedam

aliae. S. untea Anu,. 917 ff.

897) Kbrml. f. 25 r. B: Alm divisio proposilionum est, quod quaedam est affitmaliva

et quaedam negaliva.

898) Expos, nur. Praedicam. Cap. 17: Privaliones et eliam negaliones non sunt

a parte rei distincte a rebus positinis, quia nitiil est a parte rei extra animam nisi

res, el ideo si privat,u vel negalio non sit res, non est a parte rei.

899) Quodl. V, qu. 7: Conceptus negalivus aliquid significal negalive, aliquid

affirmalive ; exemptum: „non albedo" significat negalive albedines, de quibus nun

veri/icatur nec pro itlis supponit; affirmalive aulem significat omnia alia ab aU,edine

et de itlis praedicatur affirmalive el pro itlis supponit, quia quocunque alio demoustrato

ab albedine hacc est vera „hoc est non albedo".

900) Expos, aur. Perierm. II, c. l : liiffereulia est inler praedicatum infinitum

el inter praedicutum pricalmum. Nam praedicatum inlinitum dicitur de pturibus, sc.

de omnibus existenlibus , de quibus non dicitur nomen privalivum, sicut „iniustum"

non polest dici de quolibet, quod non est iustum, quia non dicitur de asino , sed

tantum de hominibus. Et de tali praedicalo privalivo tales reguioe sunt. Ab affirmalnu

de praedicalo finito sequitur negalivu de praedicalo privalivo Ab affirmaliva

de praedicaln privalivo sequitur negaliva de praedicato finito. Summa t. log. III, 3,

9, f. 60 v. A : Nomina privaliea sunt in triplici differenlia. Aliquod enim praecise

d,cit privaliouem lurmae et carentiam in subiecto, cui additur, et aequivalet

,wmini infinito, sicut „inconuplibite" Alia sunt, quae important formam in

aliquo eounutando delerminatum subiectum, s,cut „iniustus" Alia sunt,

quae importan!, non esse in aliquo formam tulem nec esse passe connolando deleiminatum

subiectum, sicul „caecus".

901) Summa t. l. II, l, t. 25 r. B: Alia divisio est, quod quaedam est universalis,

quaedam particuioris, quaedam indefinita, quaedam singuioris Tumen de

muH ,x propositionibus polest esse dubium, quontae sint Ilio est singuioris „Isti

currunt", quia subiectum est pronomen demonstralivum vel lerminus communis sumptus

cum pronomine demonstralivo Haec est indefinita „Allerum itlorum currit", sicul

,lla est universalis „Ulrumque itlorum currit" Quando relulivum refert nom»n

diseretum, tunc reddit proposilionem singuiorem; quando refert nomen commune, tunc

reddit indefinitam; el ideo itio „Soerales currit el ille disputal" est singuioris, sed

secunda pars istius copuiolivae ,,Homo currit el itle dispulat" est indefinita

382 XIX. Occam (Unheil).

führt er noch eine Eintheilung an, welche auf dem Tempus des Verbums

beruht und somit der ampliatio angehört au2), und endlich eine läppische

Eintheilung je nach easus rectus oder casus obliquus 903).

In den zweiten Gegenstand der Lehre vom Urtheile, nemlich in die

Frage über die Wahrheit derselben , verflicht nun Occam sämmtliche

proprielales lerminorum, sowie den ganzen Umkreis der Exponibilia.

Während nemlich das singuläre Urtheil einfach auf den Begriff der Supposition

(im Gegensatze gegen objecliv reale Idenlität oder Inhärenz) be

gründet wird 904), und das Gleiche auch heim parlicularen und beim un

beslimmten Urtheile geschieht, insoferne diese beiden nach supposüio

personalis, nicht jedoch nach supp. materialis oder simplex, unter sich

logisch synonym sind 905) , stellt sich ihm schon bei der Erörterung des

allgemeinen Unheiles das Gebiet der distributio ein (s. Abschn. XVII,

Anm. 238 —255), in welches theilweise auch die restrictio (ebend. Anm.

231 ff.) hereinspielt. Denn als das Wesentliche des allgemeinen Unheiles

betrachtet er die distribuliven „Zeichen der Allgemeinheit", deren Eintheilung

bei ihm im Vergleiche mit Petrus Hispanus (ebend. Anm. 239)

Ilioe sunt parlicuiores ,,Non omnis bomo cu,rit" el „Nonnullus homo est animal"

De talibus propositionibus „Homo est species" el universaliter, quando lerminus

supponit mulerialiler vel simpliciler (s. Anm. 877), polest dici, quod sunt singuiores

vel indefinitae. Uebrigens ist zu beachten, dass Occam die Memorial-Verse der

byzanlinischen Logik (s. Ahschu. XVlI, Anm. 108 u. 153) verschmäht ; vgl. Anm.

»41 u. 955.

902) Ebend. f. 25 v. A: Est etiam alia divisio propositionum , quia quaedam

proposiliones sunt de praesenli, quaedam de praelerito, quaedam de futuro,

quaedam secundum formam vocis sunt de praesenli el tamen aequipollent proposilionibus

de praeterito vel de futuro, ut tales „Hoc est praeleritum, hoc est futurum".

S. Anm. 912.

903) Ebend.: Alia divisio est, quod quaedam propositiones sunt de recto el

quaedam de obliquo; el quandoque obliquus ponitur a parie subiecli, ut „Hominem

vidct asinus", quandoque a parte praedicali, ut „^»mus est hominis". S. Anm.

913, 942, 971.

904) C. 2, f. 25 v. B: Ad veritalem proposilionis singuioris, quae non aequivalet

mullis proposilionibus, non requiritur, quod subiectum el praedicatum sunt idem rea

liler, nec quod praedicatum a parte rei sit in subiecto vel insit realiler ipsi subiecto,

nec quod uniatur ipsi subiecto a parte rei extra animam; sed sufficit et requiritur,

quod subiectum et praedicatum supponant pro eodem. Ebenso Expos, aur.

Praedicab. De genere: Per istam propositionem „Soerales est albus" non denolatur,

quod Soerales sil vox, quantumeunque vox hie praedicetur, sed denolatur in tali

proposilione, quod ittud, pro 9110 subiectum supponit, sit ittud, pro quo praedicatum

supponit Quando subiectum et praedicatum habent supposilionem personalem el

supponunt non pro se ipsis, sed pro suis significalis, tunc non requiritur, quod sub

iectum et praedicatum sint idem, sed oportet, quod supponant pro eodem.

905) C. 3, f. 26 r. A: Videndum est, quid requiritur ad reritalem indefinitae el

parlicuioris Si non voectur propositio indefinila vel particuioris, nisi quando ler

minus supponit personaliter, tune semper indefinita et particutaris convertuntur

Et ad veritalem talis sufficil, quod subiectum et praedicatum supponant pro aliquo

eodem, si sit propositio affirmaliva et non addatur signum universale a parle praedicali;

sed si talis sit negaliva, requiritur quod subiectum et praedicatum non

supponant pro omni eodem Sed secundum aliam opinionem aliter debet dici

Qui ponit, quod omnis propositio est indefinita, in qua subiisitur lerminus communis

sine signo, sive supponat simpliciler sive personaliler sive malerialiter, debet consequenler

dicere, quod non semper parlicuioris el indefinita convertuntur, sicut

iilae non eonvertuntur „Homo est species" et „Aliquis homo est species'1.

XIX. Occam (Urtheil). 383

einigermaassen modificirt erscheint, namentlich durch eine spitzfindige

Unterscheidung, wornach man bei den distribuliven Worten der Accidenlien

nur an eme disjunctive oder copulalive Distribulion von Art-Formen

oder dgl. (vgl. ehend. Anm. 253 u. 589) denken dürfe 906). Indem so

dann zuerst die umfassenderen distribuliven Zeichen „omnis, nullus" und

detfen Synonyma an die Reihe kommen, wird eine allgemeine Bemerkung

über den syncategoreumalischen Charakter derselben, sowie eine ziemlIch

einfällige grammalische Unterscheidung zwischen „omnis" und „quilibet"

vorausgeschickt'"17), und hierauf die Regel der Wahrheit der allgemeinen

Urtheile angegeben, welche abermals lediglich auf der Supposilion beruht,

woran sich polemische Erörterungen über die Annahme, dass „omnis"

sich stets wenigstens auf drei Objecte beziehen müsse, und über einige

tradilionelle Beispiel-Sätze mit Einschluss des Grundsatzes, dass „omnis"

nicht im Prädicate stehen könne, anknüpfen 90s). Dann folgt über „uler-

906) C. 4, f. 26 v. A : Proposiliones universales sunt in mulliplici differenlia secUndum

mullitudinem signorum universalium. Sunt mim aliqua signa universalia

distritmliva indifferenler tam pro substantia quam pro accidente, sicut „omnis, quilibet,

nultus, quisque, ulerque, neuler" et sie de aliis; alia sunt distribuliVa pro accidente

, ut „quoelibel (zu lesen „qualisiibel", s. Abschn. XVII, Anm. 239 u. 253},

quoliescunquc" et si forle sint aliqua alia talia. Sed ista dislinclio polest intelligi

bene el male; si enim intelligatur, quod „quaelibel" (ebenso) sit signum distribulivum

pro accidenle, sicut „omnis" vel aliquod tale pro substantia et accidenle, falsum est;

si aulem intelligatur, quod sit aliquo modo distribulinum, sc. disiunclive sub disiunctione

vel copuiolione inler species vel aliquo modo tali, polest concedi, Alia

ponitur dislinclio signorum universalium, quod quaedam sunt distribuliva pro partibus

subiectivis et quaedam pro partitms essentialibus »el integralibus ; prima sunt, sicul

„omnis, nultus, ulerque, neuler", secunda sunt, sicut „lotus'' Alia ponitur divisio

signorum, quod quaedam possunt distrikuere pro quocunque, sicul „omnis, nultus" el

huiusmodi, quaedam pro duobus tantum, sicul „neuler, ulerque".

907) Ebend. : Primo ergo dicendum est de itlis, quac distribuunt pro substanlia

et accidente et pro partibus subieclivis el pro quocunque Nultum signum per' se

signi/ical aliquid nec impon,tur ad signi/icandum aliquid delerminale , sed sie inslituitur,

ul faciat ittud , cui additur, stare pro omnibus suis significalis el non pro

aliquibus tantum; el ideo dicitur sgncalegoreuma Hoc signum „omnis" di/fert

ab istis „quitibet, unusquisque", quia hoc signum „omnis" non polest addi nisi lermino

consimilis casus ; sed itta signa ,,quitibet, unusquisque" possunt addi

lermino consimitis casus el dissimitis, unde bene dicitur „Quitibel homo cumf"

et „Quilibet itlorum chrrit".

908) Ebend. : Ponendae sunt aliquae reguioe communes istis signis Bsl

primo sciendum, quod ad veritalem talii nniversalis non requiritur, quod subiectum

el praedicatum sint idem realiler, sed requiritur, quod praedicatum supponat pro

omniin,s itlis , pro quibus supponit subicctum £a; hoc palet falsitas quorundam

dictorum , quae a quibusdam ponuntur : unum est, quod hoc signum ,,omnis" exigit

tria appeliota (vgl. Abscln,. XVII, Anm. 241); nam ponatur, quod uHus sotus angetus

inlelligal et nultus homo ; tunc est vera „omnc intelleclivum ereatum est angetus".

Aliqui solvunt male hoc sophisma ,, Omnis phoenix est" (s. ehend. Anm. 242)

dicentes , iitam esse falsam co quod litlera „omnis" exigit tna appetiota Ex

islis eliam sequitur , quod falsum est, quod aliqui dicunt , quod st sil unum album

tantum et tantum unum nigrum et tantum unum medium, quaeliuet istarum est falsa

„Omne album est, Omne nigrum est, Omne medium est" (f. 27 r. A) Palet,

quod omnes tales de virtule sermonis sunt falsae „Omne animal est sanam" • posito

quod unus leo sit sanus el unus bos el unus homo, el sie de aliis, simitiler et ista

„Omne animal fuit in area fioae" (s. ebend. Anm. 235), et sie de mullis aliis,

quia babent multas singuiores falsas nec praediratum compelit omnibus itlis, pro

quibus supponit subiectum Secundo sciendum, quod omnis propositio universalis,

384 XIX. Occam (Unheil).

que" und „neuler" (vgl. ebend. Anm. 248 f.) die selbstverständliche Regel

der Wahrheit und die ausdrückliche Bemerkung, dass dieselben stets zwei

Objecte erfordern909), worauf bei „totus" (ebend. Anm. 252 u. 267) der

Unterschied des categoreumatischen und des syncategoreumalischeu Ge

brauches dieses Wortes, welches überhaupt sehr verschiedene Anwendun

gen linde, hervorgehoben und in Kürze das hiebei übliche Sophisma be

sprochen wird910). Die distribuliven Zeichen der Accideutien (s. ebend.

Anm. 253 11'.) ferligt Occam äusserst schnöde ab , indem sie einerseits

eigentlich gar keine selbstständigen Zeichen seien und andrerseits auch

selten Anwendung fänden911;.

Hierauf lässt er jene Urtheile folgen, deren Verbum im Futurum oder

Präteritum steht (s. ob. Anm. 902). Dieselben bilden nach älterer und

jüngerer byzanlinischer Tradilion (s. Abschn. XV11, Anm. 226 f. u. 600)

eigentlich nur einen Bruchtheil der Lehre von der Amplialion ; aber so

wie Occam sich der technischen Ausdrücke „ampliatio" oder „ampliativus"

u. dgl. überhaupt nicht bedient, so behandelt er hier auch nur jene

Seite, welche sich auf das Tempus der Verba bezieht, Anderes anderswo

in; qua praedicatum sumitur universaliler, est falsa, si praedieatum et sub,ectum verificetur

de pturibus conlentis; si aulem praedicatur praecise de uno solo conlento et

simitiler subiectum , tunc possei esse proposilio vera, sicut, st non essel nisi unum

animat, puta unus bomu , haec esset vera ,,0mnis homu esl omne animal" (dieser

formalen Spielerei lässt sich eiue vernünflige Wendung geben, z. B. „Alle Körper

sind sämmlliches Schwere") Terlio scicndum, quod hoc sitinum „onmis"

polest accipi distribulive vel colleetive: si lenctur distribulive, sicul „Omnes

apostoli dei sunt duodecim" (vgl. ebend. Aum. 240;, denutatur, .;««'f hoc praedicatum

..d,uniefim" ci're dicitur de quolibel , de quo vere praedicatur hoc subiectum

„apostoli" Si a iürm lenetur collective, tunc denotatur, quod praedicatum

competal omnibus simul sumplis.i

909) C. 5, f. 27 r. B: Consequenler delerminandum est de signis distribulivis

non pro quibuscunque , sed pro duobus tantum, cuiusmodi sunt „ulerque" et „neu

ler" Ad veritalem talis requiritur, quod praedicotum vere competal utrique illo-

,n ,n demonst,alorum, si sit affirmaliva, vel negetur ab utroque , si sit negaliua

Differt proposilio universulis, in qua ponitur hoc signum „ulerque", ab ilio, in qua

ponitur hoc signum ,, onmis", quia nunquam polest talis uuiversalis , in qua ponitur

„ulerque" a parte subiecli, esse vera, übi ponitur praedicatum universaliler sumptum.

Causa imit"1 diversitalis est, quia hoc signum „omnis" polest addi lermino habenti

unum suppositum (s. vorige Anm.) , sed litlera „ulerque" requirit semper duo

supposita.

910) C. 6, ebend.: De signo distribulico pro partibus integralibus , cuiusmodi

ponitur „totus", est sciendum, quod hoc signum polest aliquando sumi calegoreumalice

vel sgucalegoreumalice. Si sumatur calegoreumalice , sie significal idem quod

„perlectum" Si aulem tenctur sgncalegoreumalice, sie est unum signum distribulivum

pro partibus proprie diclis importalis per lermmum, cui additur, ut

ista propositio ,,Talus Soerales est minor Soerule'' (s. Abschn. XVII, Anm. 252) aequivalel

isti „Quaelil,el psrs Soeralis est minor Soerale" (v. A) Yerumtamen est

sciendum, quod aliquando, sire ex usu sive ex usu sermonis vel ex benepiocito ulenlis,

„tolus" tantum distribuit pro parlibus integralibus, non pro esseulialibus ,

quandoque aulem distribuit pro omnibus partibus, sive sunt essenliales sive integrales

sive qualescunque.

911) Ebend. f. 27 v. A: De signis aulem, quae sunt distribuliva accidentium,

cuiusmodi sunt „qualecunque, quantumlibel", est sciendum, quod huiusmodi non sunt

proprie signa, sed sunt aequicalentia uni composito ex aliis signis, sicul „quantumlibel"

idem est quod „habens de omni specie quantitulis aliquam quanlitalem"

lsta aulem signa non sunt multum usitata in llleologia, ideo pertranseo de eis.

XIX. Oceam (Unheil). 385

unterbringend (s. unten Anm. 937—939). Die betreffenden Regeln lie

gen näher an der jüngeren Formalion dieser Lehre 912). Bei den Urtheilen,

deren Subject oder Prädicat ein casus obliquus ist (ob. Anm. 903),

verzichtet er schliesslich selbst darauf, sichere Regeln ihrer Wahrheit auf

zustellen 913).

Während sodann das hypothelische Urtheil, welches hier seine pas

sendste Stelle gefunden hätte, «rst am Schlusse dieses ganzen Haupttheiles

erscheint (s. Anm. 955 ff.), reihen sich die modalen Urtheile an, in deren

Eintheilung er abermals der jüngeren Tradilion folgt (s. Abschn. XVII,

Anm. 585, und bei Scotus ob. Anm. 187); nur subslituirt er die Ter

minologie „cum dicto" und „sine dicto" und setzt den sensus divisus

der modalen cum dicto als synonym mit den modalen sine dicto91*).

Indem er auch hier die schon oben (Anm. 895) erwähnte Vermehrung

der modalen Ausdrücke benützt, knüpft er beim sensus composüus dieser

Urtheile die Regel ihrer Wahrheit einfach an die Begriffe der betreffen

den Modalitäten selbst, weist aber zugleich in äusserster Spitzfindigkeit

auch auf Beispiele allgemeiner modaler Urtheile hin, welche wahr sind,

obwohl die ihnen entsprechenden singulären unrichlig sind915). Beim

912) C. 7, ebend. : Videndum est de propositionibus de praelerito et futuro. Pro

quo sciendum est, quod ..... subie'ctum polest supponere pro eo, quod est , vel pro

eo, quod fuit, si sil propositio de praelerito; aut pro eo, quod est,- vel pro eo, quod

erit, si sit propositio de futuro; et sive sie sive sie, si proposilio sit affirmaiiva,

requiritur, quod praedicetur sub propria forma, i. e. praedicatum praedicetur de eo,

pro quo supponit subiectum Unde ilio est differenlia inler proposiliones de praesenti

et proposiliones de praelerito et futuro, quod praedicatum in propositione de

praesenli stat eodem modo, quo stat subiectum, nm aliquod additum impediat; sed

in propositione de praelerito el futuro est varialio, i/uia praedicatum non tantum

supponit pro itlo vel itlis, pro quo vel quibus verificatur in propositionibus de prae

lerito et futuro, sed requiritur, quod ipsum praedicatum verificetur de itlo, pro

quo subiectum supponit. • . i . •

913) C. 8, f. 27 v. B: Ad veritulem propositionis , cuius allerum extremum est

lerminus obliquus, requiritur, quod subiectum el praedicatum non supponant pro eodem

vel sallem non pro nnmi eodem; aliquando tamen possunt supponere pro eodem secundum

diversitalem verborum et regiminis casus obliqui; nec est fäcile in his

generalem reguiom et certam dare.

914) C. 9, ebend.: Aliquando dicitur proposilio de modo, quia accipitur dictum

talis proposHionis cum tali modo, sicut potest de islis „Omnem bominem esse animat,

est necessdrium" . . Mio, aulem dicitur propositio modalis, in qua ponitur modus

sine tali dicto propositionis. Proposilio modalis primo modo dicta semper est dislinguenda

secundum compositionem et divisionem. Et in sensu composito denotatur

semper, quod talis modus verificatur de proposiliane itlius dicli, sicut.... denolatur,

quod itle modus „necessarium" verificetur de ilio proposilione „Omnis bomo est

animal" Sed sensus divisus talis propositionis semper aequivalet tali proposilioni

acceptae cum modo sine tali dicto, sicut ista in sensu diviso „Soeralem

esse animat, est scitum" aequhalel isti „Soerales scitur esse animal". Etwas modificirt

und mlt einer älleren Tradilion verflochten (s. Abschn. XVII, Anm. 43) er

scheint diese Eintheitung Expos, aur. Perierm. H : Aliqua proposilio est modalis modo

nominali , sicul „Possibile est, omnem hominem currere" ; aliqua est modalis

modo verhals, sicut „Omnis homo polest currere" ; aliqua est modalis modo adverbiali,

sicul „Homo necessario currit"' Si proposilio sit modalis modo nomi-

' nuli, ..... dislinguitur secundum compositionem et divisionem u. s. f.

915) Summa t. l. a. a. O. f. 28 r. A: Talis universalis de necessario polerit

esse necessaria el vera, quamvis tamen quaelibet eius singuioris sit conlinaens vel

fulsa, sicut haec est vera el necessaria in sensu composito „Omne verum contingens

PBANTL, Gesch. III. 25

386 XlX.'-'Occam (Unheil).

divisus, d. h. bei den modalen Urtheilen sine dicto besiehe die

ses letztere Verhältniss nicht, die Erprobung ihrer Wahrheit aber sei

eben doch nur nach dem semsus composüus vorzunehmen , da es sich

darum handle, ob die betreflende Modalilät wirklich von dem ganzen Satze

ausgesagt werden könne .Jl6).

Mit jenen Urtheilen nuu, welche äquivalent mit hypothelischen sein

sollen (s. Anm. 896), kommen die Exponibilia an die Keihe ; Üccam aber,

oder vielmehr wahrscheinlich eine von ihm schon vorgefundene reichere

Fliege dieses Zweiges, vermehrt dieselben sofort durch den Begriff der

lermini connotativi et relativ^11), dessen erste Keime uns wohl in

dunkler Spur schon oben hei jüngeren Formen der byzanlinischen Logik

im sog. connotatum begegneten (Absehn. XVII, Anm. 598). Es sollen

nemlich connotalive oder relalive Begriffe zunächst diejenigen sein, welche

einer Verdeutlichung (exposüio) durch eine sog. Wort-Ueliuilion bedürfen

(z. B. „Weiss ist, was Weisse hat"'), indem ein concretes Wort durch

Benützung des ihm entsprechenden abstracten exponirt werden soll

(— dass das Verhältniss zwischen „abstract" und „concret" gleichsam ein

Lieblingsthema Occam's war, s. ob. Anm. 826 ff. u. 885 —); und zwar

seien zur Exposilion eines solchen Urtheiles stets zwei Urtheile erforder

lich, z. B. der Satz „Sokrates ist weiss" werde expouirt durch „Sqkrales

ist" und durch „dem Sokrates haftet die Weisse an"; ja auch die Aus

drucke „incipü, desinit" u. dgl. seien eigentlich lüeher zu rechnen01*).

esse verum, est necessanum"', et tamen quqelibet singuioris est falsa SimiUler

aliquando est talis proposilio universalis impossibitis, et tame» q uaelibet singuioris

est possitiitis et conlingens, sicut palet de ista „Utrumque istorum esse verum, est

verum" demonstralis duabus contradictoriis contingentibus SulJtcit scire, quid

requiritur ad reritulem lnlivm proposilionum, in sciendo, qu,d requiritur ad hoc,

quod aliqua proposilio sil necessuria, et ad hoc, nund sit conlingens vet vera vel

impossibitis eel scita rel iynutu vel credita, et sie de aliis.

916) C. 10, f. 28 r. B : Cirea proposiliones modales sine dklo proposilionis, quae

,ii,ii,un, aequivulent proposilionibns sumylis cum dicto in sensu divisionis, ... .. est

sciendum, quod fufes «ton conilertuntur cum primis, imo polest una itiorum esse vera

sine alia et e converso Ad ve,ttülem talium propositionum requiritur, quod praedicotum

sub propria forma con,petal Mi, pro quo subiectum supponit, vel pronomini

demonstranli itiud, pro quo subicctum supponit, sc. quod modus expressus in tali

propositione vere praedicetur de tali proposilionc de inesse, in qua ipsummet praedicatum

praedicatur de pronomiuc demonstranle ittud, pro quo subiectum supponit

(v. A) Semndo nolandum, quod tules prvposiliones de modo consimililer se kabent

ad suas singuiores, sicut propossttones de inesse Praedicta eliam sunt inlelligenda

de aliis proposilionibus mudalibus, sicut de islis „Omnis homo scitur a le esse

antmoi". •

917) C. 11, f. 28 v. A: Dicendum est de prepositionibus aequivalentibus proposilioniuus

hgpolllelicis Quaelibet calegorica, ex qua sequuntur ptures proposiliones

calegoricac tanquam exponenles eam, i. e. exprimenles, quid itta propositio de sua

forma importat, polest dici aequivalens proposilioni hgpolheticae ; huiusmodi sunt

exolusivae, exceplivae et reduplicalivae, et hniusmodi sunt eliam propositiones , in

quibus ponuntur lermini cunnidaliri i'l reiolivi, sicut sunt itioe „Aliquid album currit,

Omne album es( corpus, Omne agens producit aliquid, Omnis De istis primo est dicendum. Vgl. Anm. 831 u. 846. quanlitas est in loco".

918) Ebend.: Terminus proprie dicitur connotalivus vel reiolivus, qui habet quid

nominis, i. e. diffinilionem exprimentem quid nominis, ita quod non polest sciri quid

nominis ipsius, nisi habende uralionem, quae significut aliquid primario et aliud secundario,

sicut d,lfiuil,u albi exprimens quid nominis est „habens albedinem"

Ha quando aliquid per aliquem lerminum connotatur vet consignificatur, pro quo tamen

XIX. Occam (Urtheil). 387

Ferner sollen die negaliven Begriffe, z. B. „Nicht-Mensch", als connotalive

gelten, welche durch zwei oder mehrere Urtheile exponirt werden 919),

sowie die privaliven, z.B. „blind", welche wenigstens dreier exponirender

Urtheile bedürfen920), und desgleichen die erdichteten Begriffe, bei deren

Exposilion das Eine der beiden Urtheile stets ein unwahres sein müsse921).

Endlich sogar das Pronomen „qui", welches in der früheren Tradilion

zur suppositio retalivoi-um gehört hutte (s. Abscbn. XVII, Anm. 212 ff. u.

vgl. ob. Anm. 890), wird nun diesen connotaliven Begriffen beigezählt;

die Regeln der Exposilion dieser Relaliv-Sätze beruhen auf einer Unter

scheidung der Quanlität derselben, wobei Occam auf den möglichen Dop

pelsinn der allgemeinen Urtheile , welche „qui"' enthalten ; hinweist und

zugleich deutlich davon Zeugnis» gibt, dass mit solcher Umbildung des

byzanlinischen Materiales sich schon Viele vor ihm beschäfligt hatten 9'i2).

Anderes noch über die connotaliven Begriffe s. unten Anm. 1015.

lalis lerminus supponere non polest, quia de tali non verificatur, semper talis lerminus

vel est connotalivus vel retalivus, ut itle lerminus „alium"; simititer est

de »imo, cavo (s. Abschn. IV, Anm. 482) Quaelibet proposilio, quae habet

talem lern,inum, est hnbens exponcntes exprimenles, quid importatur per talem proposilionem

Sufficit dicere de aliquitms, ul per itios sciri pussil proporlionabililer

de a/its, quomodo exponuntur Quandocunque ponitur in propmitmne coneretum.

cui correspondel abstractum importans rem informanlem aliam r cm, semper ad verilui,'

m talis propositionis requiruntur duae proposiliones, quae possunt vocari exponenles

eius, et una debet esse in recto et alia in obliquo, sicut «d reritalem islius

„Soerales est albus" requiritur, quod haec sit vera „Soerales esl", et quod baec sit

vera „Soerali inest albedo" (f. 29 r. A) Et de talibus propositiombus sunt eliam

omnes proposiliones, in quibus ponitur hoc verbum „incipif vel „desinil", simitiler

eliam, ubi ponitur casus nblnlirus absolutus et uhi ponitur numerus pturalis , et sie

de mullis aliis, de quibus foret longum pertractare. Jedoch aber incipit und desinit

s. ob. Anm. 889, und bes. unten Anm. 937 ff.

919) C. 12, f. 29 r. A: Eliam proposiliones, in quibu» ponuntur lermini cennotativi

privalim et inftniti. sunt acquivalenles .pr-oposilionibus hgpolhelicis; et eliam

omoes taies sunt rere connolalivi , eo quod 4n eorum diffinilionibus exprimenlibus

quid nomin» debet poni aliquid in -pecto et aliquid in obliquo n't in recto cum

negalione praecedente Quaelibet uulem talis propinitto,in'qua ponitur talis

terminus, duas ad minus habet exponentes et aliquando ptures, quod facitiler palet;

tsJa „Asinus est non Aomo" aequivalel istis „Asinus est aliquid" et „Asinus

non est Aomo".

920) C. 13, f. 29 r. B: Proposilienes affirmaliv ae, in quibus ponuntur lermini

privalim, qui non sunt aequivalentcs lernrinis infinitis, plures habent exponenles,'

quam duas. Unde ista ..Istc est coecus" habet istas exponcntes: „Iste est aliquid"

et „Iste est natus videre" et „Iste nunquam polerit »idere". • .

921) C. 14, ebend : Proposiliones, in quibus ponuntur lermini fiels, quibus nihit

correspondet in re, quale fingunt significare, ptures habent exponenles: tales enim

lermini vere sunt connotalivi ('.A) lita est falsa de virtute sermsnis „Chimaera

est non ens" et quaelibel consimitis , quia quaelibel talis habet tales eaeponenles

„Chimaera est aliquid" et „Illud est non ens'', quarum prima 6st falso-. Et si dieatur,

numquid ista est vera „ff,smaers est chimaera", el videtur, quod sit vera, quia praedicatur

idem de se, dicendum est, quod de virtule vacis itio est falsa, si ler

minus supponal signifiealive, eo quod falsum implicatur.

922) C. 15, f. 29 v. A: In quacunque proposilione, quae secundum vocem est

calegorica, ponitur hoc reiolivum „gut", pro ilta dandae sunt pltires exponentes, quia

quaelibet tulis aequivalet uni copuiolivae Quando talis proposilio est singuioris,.

inilefinita vel particuioris , semper ilta proposilio aequivalet uni coputalit'ae campositae

ex anleecdente el hoc pronomine retalive „itlud" vel uomine proprio et allere

extremo, .... sicut „Homo, qui est albus, curril" aequivalet isli „Homo est albus et

25*

388 XIX. Occau» (Urtheil).

Hierauf folgen jene Exponibilia, welche schon bisher üblich waren,

und zwar zuerst die Reduplicaliv-Sätze , wobei sich Occam der späteren

Tradilion anschliesst (s. Absclm. XV|I, Anui. 608 f.) , indem er neben dem

eigentlich reduplicaliven Gebrauche der Worte „inquantum" u. dgL auch

einen „specificativen" anerkennt9-3;. Ausscrdem kommt hier noch neu

die Unterscheidung hinzu, dass die Aussage in diesen Urtheilen entweder

auf blossen begleitenden Umständen (concotnüaalia) oder auf einem Gausalnexus

beruhen kann, und nach diesem Gesichtspunkte werden nun die

älteren und neueren Regeln der Reduplicalion modilicirt, wobei bezüglich

der bejahenden Urtheile auch die Lehre von der Consequentia heigezogen

wird 924). Rei den verneinenden Urlheilen gestalten sich die Regeln

verschieden, je nachdem die Negalion zum Prädicate gehört923), oder vor

dem Reduplicaliv-Zeichen steht 926). Die specificaüve Bedeutung aber dieitle

currit" Sed si talis proposilio est universalts, est distinguenda secundum

amphibologiam , quia pelest habere duplicem sensum. UHu» sensus est, per quem

denotatur, quod, de quocunque dicitur ittud lolum, quod praeecdit verbum principale,

de eodem praedicatur primusu et non ptus denotatur; el itle sensus vocutur a mullis

sensus compositionis vel converlibitis cum tali sensu. Alias sensus est, per quem

denotatur, quod Mud, quod sequitur hoc incomplexum „quod" vel ,.qui", praedicatur

universaliler de aulecedcule, el qu,ul sequitur praedicatum, universalsler verificatur

de eodem. V. gr. per istam „Otunis bomo. qui est Mus, curnl" in uno sensu de

notatur, quod aliquis bu,uo est all,us et quod quitibel talis currit; in alio vero sensu

denolatur, quod itioe dnae sunt verae „Omnis homo est albus" el „Omnis homo

curril".

923) C. 16, ebend. : Propositio vocatur reduplicaliva, in qua ponitur haec dictio

„snquantum" vel acquivalens (als Synonyma des „inquantum" werden weiler unten,

f. 30 r. A, genannt : secundum quod und ul und sub ralione) el lenetur reduplicalive,

quia secundum aliquos polest leneri specificalive et sie nun facil proposilionem

reduplicalivam, et aliquando polest leneri reduplicalive Reduplicalio aliquando

est nll!,u,i,lu:u, quando sc. negalio nun praeecdit eam, ul „Soerales, inquantum homo,

non curril", el aliquando est negatu, quando sc. negalio praeecdil eam, ul „Soerales

non currit, inquantum homo"' (dns negaliv reduplicalive Urtheit war bei Petrus

Hispanus weit richliger gefasst, s. Abschn. XVII, Anm. 262).

924) Ebend. f. 29 v. B: Propositio affirmaliva reduplicaliva polest distingui,

eo quod polest reduplicoliu fieri gralia concomuantiae vel gralia causae, Si

fial gralia concomitantiae , tunr ad veritalem Mius requiruntur quatuor proposition,'s

tanquam exponenles: t), gr. ad veritalem istius „Soerales, inquantum homo,

est coloratus" requiritur veritas istius „Sosrales est coloratus". el istius „Soerales

est homo" et istius „Omnis homo est coloratus" el islius „Si aliquid est homa, ali

quid est coloratum" S« uuiem fial reduplicalio gralia causae , tunc ad veritalem

praeler quatuor praedictas exponenles requiritur , quod ittud, super quod

cadit reduplicalio , exprimal causam rei importatae per praedicatum Colligi

polest reguio talis, quod a propositione reduplicaliva ad suam praciacenlem est semper

consequentia formalis Alia reguio, quod arguendo ab inferiori ad superius

sine distribulione a parle subiecti principalis est bona consequenlia.

925) Ebend. f. 30 r. A : Reduplicaliva negaliva, in qua reduplicalio non est negata,

cuiusmodi sunt tales propositiones „Homo, inquantum risibilis, non est asinus",

gralia concomitanliae habel quatuor exponentes istas „Homo est risibilis,

Homo non est asinus, Nultum risibile est asinus, Si aliquid est risibite , ipsum

non est asinus" Si aulem fiat reduplicalio gralia causae, sie requiritur, quod

praedicatum principale prius vel primo negetur ab Mo, super quod cadit reduplicalio,

quam a pronomine demonstrante iltud, pro quo subiectum principale supponit.

926) Ebend.: Reduplicaliva, in qua reduplicalio negatur, est contradictoria

talis reduplicalivae, in qua reduplicalio est affirmata Unde ad veritatem istius

„Soerales non est homo, inquantum albus" suffielt veritas istius „Soerales non est

XIX. Occam (Unheil). 389

ser Urtheile wird in das Verhältniss der Unterordnung verlegt, in wel

chem der reduplicirende Begriff zum Subjecte steht 927).

Aehnlich verhält es sich betreffs der Exclusiv-Sätze, indem Occam

auch hier überwiegend der jüngeren Formalion folgt (s. Abschn. XV11,

Anm. 606; vgl. ehencl. Anm. 260), zugleich aber manche noch neuere

Erweiterung aufnimmt. So hebt er bei der Eintheilung der Exclusiv-

Worte (tantum , solum) nicht bloss den Unterschied der categoreumalischen

und der syncategoreumalischen Bedeutung hervor , sondern subslituirt

auch für eine frühere Dreitheilung eine Zweitheilung, indem er es

nicht mehr als besondere Unterart gelten lässt, dass die Exclusiv-Partikel

zur Copula gehöre; auch unterscheidet er grundsätzlich* zwischen einer

ursprünglichen und einer secundären Bedeutung jener Parlikeln 928). Die

Regeln der Exposilion jener Urtheile, in welchen die Parlikel zum Subjecte

gehört, slimmen, soweit -es sich um die ursprüngliche Bedeutung

handelt, mit der üblichen Tradilion überein929); wenn aber sodann die

secundäre Bedeutung in drei Fälle zerlegt wird, so zeigen die hiefür

aufgestellten Regeln mehr Unsinn als Scharfsinn930). Auch bei jenen

Aoroo" et islius „Soerales non est albus" et istms „Aliquid album non esl homo" ei

istius „.Von, si Soerales est, album esl" (dieses Ganze ist so dumm, dass wir den

sonst scharfsinnigen Occam kaum durch die überwälligende Macht einer herrschen

den Schul-Tradilion entschuldigen können).

927) Ebend.: Si aulem talis dictio non lenctur reduplicalive , sed specificalive,

tunc non requiritur, quod itlud, cui additur talis dictio „inquautum", subiiciatur

universaliler praedicato principali, sed requiritur , quod ittud, super quod cadit reduplicalio,

imporlet ittud, ralione cuius compelit praedicatum principale primo subiecto.

V. gr. in ista „Ignis , inquantum calidus , calefacit" specificative

„calidus" importat calorem, per quem ignis calelacit primo.

928) C. 17, f. 30 r. B: Ilioe dicliones „tantum, sofum" faciunt proposiliones cxctusivas

; sciendum tamen , quod haec diclio „sotum" aliquando accipitur sgncalegoreumalice

et tunc est diclio exelusiva, aliquando lenetur calegoretsmalice et tunc

importat, ittud, quod importatur per lerminum sibi additum, esse solitarium Ali

quando dictio exctusiva ponitur a parte subiecti. et aliquandu a parte praedicali sire

a parfe composilionis Dictio exelusiva aliquando significat vet habet unum

officium ex primaria inslitulione, aliquando aliud ex secundaria inslitulione.

929) Ebend. : Quandocunque diclio exctusiva lenetur secundum primariam inslitulionem

et ponitur a partc subiecti, semper denolat, quod praedicatum vere praedicatur

de subiecto et removetur ab omni illo, de quo non praedicatur subiectum, i. e.

si proposilio sit affirmaliva; et ideo habet duas exponentes , sieul ista

„Tantum homo est animal" habet istas „Homo est animal" et „Nihit aliud ab homine

est animal". Si aulem sit negaliva, sicut ista „Tantum homo non est

usinus", habet istas exponentes „Homo non est asinus'' et „Omne aliud ab homme

est asinus".

930) Ehend. f. 30 v. A: Diclio exctusiva secundum suam secundariam imposilionem

sive institulionem polest triplex esse: una est, quae praecise exctudit

praedicatum ab omni distributo, de quo non dicitur subiectum; alia, quando prae

cise exctudit ea, quae non importantur per ea, quae importantur per subiectum, nec

sunt parles eorum; lerlia est, quando praecise exctudit maiorem pturalitalem, quam

sit expressa per subiectum Unde ista „Tantum omnis honle currif .....polest

sumi improprie et tunc habet islas exponenles „Omnis homo curril" et „Aliquis

bos curril" Juxta secundam acceplionem impropriam huius proposilionis

„Tantum Soerales est albus" exponenles „Soerales est albus" et ,,Nihit

aliud a Soerale extrinsecum est album" duae possunt simul stare. (B) Juxta lerliam

acceplionem impropriam de itio „Tantum unum animal est homo'' ex

ponenles sunt istae „Unum est" et „Non sunt ptura, quam unum". Solche Beispiel

390 XIX. Occam (Unheil).

Urtheilen, in welchen die Exclusiv-Pai tikel zum Prädicate gehört, ist die

Reglung der uneigentlichen Bedeutung neben der eigentlichen entweder

überflüssig oder einfällig931). Ein Ersatz von zweifelhaftem Werthe ist

es hiefür, wenn sodann die Supposilions-Fähigkeit der Subjecte und Pridicate

dieser Urtheile untersucht wird932); und vollends wenn sodann

noch drei Regeln folgen, deren erste der. Lehre von Consequentia ange

hört, während die zweite eine unnöthige Wiederholung enthält und die

dritte sogar eine Couibinaliou der Exclusiv-Sätzc mit den Formen der

Modalität versucht, so möchte ich hiefür lieher den Herausgeber Occam's,

als diesen selbst verantwortlich machen93*). i • ! :• ..• ':' •

Bei den Excepliv-Säfezen, betreffs deren ein paar sprachliche Bemer

kungen über „nisi" und „praeter" vorausgeschickt werden , sind die

üblichen Regeln, welche in neuerer und älterer Tradilion auftraten (s.

Abschn. XVII, Anm.607, vgi ebcnd. Atom. 261), ziemlich kurz erledigt934);

Sätze, wie ^Tontum omnis homo currit" oder 'Obiger „Tantum homo 'non esI asinus",

sollle man allerdings von einem vernunftbegabten Menschen nicht erwarten;

man hätte ja statt des Letzleren z. B. auch sagen können „Nur die edlen Metalle

roslen nicht" oder sonst dergleichen. Aber der Leser mitteiolterlicher „Phitoso

phie" (!) muss eben gar Vieles ertragen können.

931) Eb«nd.. f. 30 v. B: Dicto de dietione exctusiva, quando ponitur a pa,rle

subiecli, diceudum est de ea, quando ponitur a parte praedicali. Et sciendum est,

quod polest accipi proprie et improprie. Si proprie, tunc denolatur , quod praedicatum

dicitur de subiecto, el quod omne ittud, de quo non verificatur praedicatum,

removetur a subiecto, sicul per istam „Homo est tantum animal" denotatur, quod

homo sit animal et quod non sit aliud ab animali. Quando vero accipitur improprie

el transsumplive, tunc exctudit omne aliud verbum a subiecto , sicut per istam

„Homo tantum videl" denotatur, quod homo vitlel el non audit nec pereipit.

932) Ebend.: Qualiter lermini sapponant in proposilionibus exclusivis, est scien

dum, quod, quando dirlin exctusiva ponitur a parle subiecti el subiectum sumitur

sine distributione el est lermiuus cown,onis , tnnc subiectum supponit confuse tanturn

(f.. 31 r. A) tIuumln exelusiva est negaliva , subicrlun, supponil sicut in

exctusiva uffirmalivu , et praedicalum similiter Quando dic,lio exctusiva ponitur

a parte praedisali . subiectum supponit in ilin sicul in sna praeiacenle (über

„praeiacens" s. Abschn. XV11, Anm. 260), el idem est de praedicato.

933) Ebend. f. 31 r. A: Ab exelusiva ad universalem de lerminis transpssilis

est bona conse,fvenlia el e converso (B) Quaelibet exctusiva habet duas exponenles,

unam affirmalivum et aliam negalivem ; el ideo opposita exclusivae habet duas

c&usas veritalis, quia »eritas utriusque exponentis est causa veritalis negalivae ex

ctusivae Quamdo' dictum proposilionis exctusivae ponitur respectu alicuius modi

facienlis proposilionem modalem, itio.propositio est dislingnenda, sicut ista „Tantum

hominem esse Soeralem, est verum", quia littera „tantum"' polest continue proferri

cum tolo vel disconlinue. Auf solchem Wege gibt es kaum ein Ende in Combinalioaea

des byzantinischen Wustes; deun warum soll min. nkht aücb bei den reduplicaliven

oder bei den excepliven Urtheiten oder bei „incipit, desmif^ u. s. f.

die Modalitälen, des necessarium, possibite , verum , scltum, opinatum u. s. f. nntersaohen-

Oder hat vielleicht Einer der modernen Lobredner des Mitteiollers Lost

hiezu ? \, . ,... .. -, ' , , , • '• ,. , , ,.nl-,, '• • ,

934) C. 18t f, 31 r. B: Talia sgriealesforeumata .„praeler, nisi" et ssmitia faciunt

proposiliosle.s, in quibus ponvntur, esse exceplivas .,... Lillera ,flisi" aliquando

lenetur execidive el tunc facit.propositionem hgpollulicam ..;.'. Diclio „praeter" aliquando

lenetur diminulive , sicul „Decem praeler quinque sunt quinque" Ad

veritalem excepliaae reqmnlur, quod praedicatum removeatur a porte extra capta, el

quod insit. cuitibet alio contento sub subiecto, si sit affirmaliva; si sit negaliva, sequitur

oppositiim — . Habet ä\uas exponenles, •'. 'sicvt ista .„Omnis homo prae

XIX. Occam (Unheil). 391

hingegen wird die Supposilions- Fähigkeit der in solchen Urtheilen vor

kommenden Begriffe casuislisch erörtert, und hiedurch findet eine obige

(Anm. 888) Angabe über die Supposilion ihre Ergänzung935). Ausserdem

ist auch hier eine Anzahl Regeln hinzugefügt, deren Autorschaft mir1

gleichfalls nicht sicher festzustehen scheint; dieselben betreffen theils

die Lehre von Consequentia, theils sind sie selbstverständliche und über

flüssige Folgerungen aus (lem Wesen der Excepliv-Urtheile936).

Indem aber Occam hierauf ,die Worte „incipit, desinü" anreiht, folgt

er doch wieder der älteren Tradilion (s. Absehn. XVII, Anm. 263), ob

gleich er dieselben theilweise schon zur Supposilion beigezogen hatte (ob.

Anm. 889), ja andrerseits sogar geneigt zu sein schien (ob. Anm. 9 1 8),

sie grundsätzlich zu den connotaliven Begriffen zu rechnen; nach der

jüngeren Tradilion hätte er sie jedenfalls bei der ampliatio erörtern

müssen (s. Abschn. XVII, Anm. 600), wenn er die letztere nicht über

haupt sehr wesentlich beschränkt hätte (s. ob. Anm. 912). Die Unter

scheidung, welche man früher bei jenen Begriffen angenommen hatte, je

nachdem die Veränderung allmälig oder sofort bleibend eintrete, lässt er

als eine gleichgüllige fallen, wiederholt aber die üblichen Regeln, nur

mit dem Zusatze, dass „incipit", wenn es in weiterem Sinne genommen

werde, ein bereits vorhergehendes Dasein des betreflenden Zustandes

nicht völlig ausschliesse 987). Was über die Supposilion des Subjectes

ler Soeralem currii" habet istas „Soerales non currit" et „Omnis homo alias a Soerale

currit".

935) Ebend. : Praedicatum in excepliva affirmaliva habet supposilionem confusam

tantum, sed subiectum habet supposilionem cenfnsam et distribulivam; ta

men distinguendum est u. s. f.; es folgt nemlich nun die schon oben, Anm. 888,

angeführte Slelle.

936) Ebend. v. A: Tales reguioe, quod a superiori distributo ad snur« inferiva

est bona consequcntia, et ab universale ad singuiore est bona consequenlia, non .uml

generaliler verae, sed oporlet addere, quod ittud inferius non sit extra captum

Si praeiacens exceplivae sit vera, excepliva est falsa Nunquam excepliva est

propria,,nisi eius praeiacens sit universalts Non semper ab universali ad indefinitam

vel particuiorem est bona consequentia ..... JVon cmlitn'l propositioni univer

sali contradicit proposilio indefinita nec parlicutaris Sunt aliquae proposiliones

universales contrariae, quae tamen non habent aliquas proposiliones calegoricas subcontrarias

Semper itlud, quod excipitur in excepliva, debel esse aliquid enntenl

a in sub subiecto Quando ittud, super quod cadit exceplio , est commune, ad

veritalem talis exceplivae non requiritur, quod praedicatum insit universalsler itli,

super quod cadit exceplio, si sit execpliva negaliva, vel ojuod removeatur universaliler,

si sit affirmaliva.

937) C. 19, f. 31 v. A: Omnis proposilio, in qua ponitur aliquod istorum vertn,

nim „tncipit, desinil", habet diversas exponenles , quia quaelibet aequivalet uni

copuiolivae. Tamen ab aliquibus (vgl. Abschn. XVII, Anm. 263) diversimode assignantur

exponentes respectu diversorum, unde dicunt, quod aliler exponitur respectu

successivorum et permanenlium. Sed quamvis sie passet esse ad votuntalem ulenlium,

non tamen videtur multum ralionabiU'; ideo dir a, quod respectu cuiuslibet possunt

habere easdem exponenles Proposilio, in qua ponitur hoc verbum „incipil", ha

bet d,ms exponenles, quarum una est de praesenti affirmaliva et alia de praelerito

,u'i/ulirn , sie«f exponenles, istius „Soerales incipit esse albus" sunt istae „Soerales

est albus" et „Soerales anle immediale non erat af/mt" Hoc verbum „incipit"

polest dupliciler accipi , sc. stricte et proprie , et tunc exponitur, sicut dietum est;

aliler polest accipi iorge el improprie , et tunc sie exponitur „Est et non diu antc

fvil", sicut dicimus, quod haec arbor incipit florere liio propositio, in qua

ponitur hoc verbum „desinit", duas bo,bel exponentes : una est proposilio de prae

392 XIX. Occam (Urtheil).

und Prädicates solcher Urtheile gesagt wird , dient gleichfalls zur Er

gänzung dessen , was wir oben (Anm. 889) bezüglich der Supposilion

sahen938). Endlich werden als völlig parallel mit incipit und desinü

laufend auch die Formen des Verbums „fieri" besprochen 939), welchen

aus späterer Formalion dieser Lehre (s. bei Scotus ob. Anm. 186) leicht

noch viele andere Verba hätten beigefügt werden können.

Der dritte Theil der Lehre vom Urtheile soll sonach über die Um

kehrung handeln (s. Anm. 892), und es Verden dabei all die nemlichen

Arten der Urtheile wieder vorgeführt, für welche so eben die Gesichts

punkte der Wahrheit festgestellt worden waren. Bei sämmtlichcn aber

wird es dem aufmerksamen Leser nicht entgehen , dass in den Beispiel-

Sätzen dem umzukehrenden Urtheile das umgekehrte stets mit „ergo"

oder „igitur" angefügt wird, und somit Occam sich auf dem Standpunkte

Derjenigen befindet, welche schon früher die Umkehrung überhaupt zur

Consequentia gerechnet hatten (s. Abschn. XVII, Anm. 616, und Scotus

oh. Anm. 194). Nach der üblichen Eintheilung der Umkehrung in simplex,

per accidens und per contrapositionem , wobei zu bemerken ist,

dass Occam auch von einer Umkehrung „im weiteren Sinne" spricht940),

kommen zuerst die einfachen Inhärenz-Urtheile an die Reihe, bei welchen

jedoch Occam trotz besonderer Berücksichligung der singulären und un

beslimmten Urtheile dennoch von den scharfsinnigen Bemerkungen des

Scotus (ob. Anm. 196—199) keinen Gebrauch macht, sondern z. B. un

gestört der tradilionellen Lehre folgt, dass das parlicular verneinende

Urtheil gar nicht umgekehrt werden könne 941). Hingegen inil Scotus

(Anm. 200) widmet er besondere Erörterungen jenen Urtheilen, in welchen

senli affirmaliva , et alia de futuro negaliva cum hoc additamento „immediale

posl".

938) Ebend. f. 31 v. B: Cirea supposilionem lerminorum in talibus proposilionibus

est sciendum, quod subiectum !n l i um propositionum supponit eodem modo, sicul

in suis praeiacenlibus. Sed difficultas est de supposilione praedicali u. s. f. Diess

wurde schon oben, Anm. 889, angeführt.

939) C. 20, f. 32 r. B: Sie eliam proposilio, in qua ponitur hoc verbum „fit''

vel ei aequivalens, quale est hoc verbum „factus esl" vel „factum esl" vel huiusmodi,

habet duas exponenles , quarum una est de praesenli et alia de praelerito vel

de futuro.

940) C. 21, f. 32 v. A: Conversio est triplex, se. simplex, per accidens, et per

transposilionem seu eontraposilionem lerminorum Polest magis targe sumi conversio

simplex, quando est mutua conversio, sicul quando singutaris

convertitur in particuiorem et e converso Polest aliler vocari conversio per ac

cidens, sc. quando non est conversio mutua, sicut bene sequitur ,.0mms homo est

albus, igitur album est homo" Conversio per contraposilionem est, quando lermini

finiti mutantur in lerminos infinitos. f. .

941) Ebend.: Universalis negaliva de recto convertitur simpliciler targe accipiendo

conversionem simplicem Simitiler singuioris affirmaliv a convertitur in parlicu

iorem et indefinitam et singuiorem Simitiler singutaris negatk'a convertitur in

universalem negalivam vel singuiorem negalivam Simitiler tam indefinita quam

singuioris sive parlicuioris affirmaliva converlitur tam in particuiorem quam singu

tarem vel indefinitam Universalis affirmaliva converlitur per accidens

Parlicuioris negaliva non converlitur neque per accidens nec simpliciler Eodem

modo indefinita non converlitur. Auch hier verschmäht Occam die byzanlinischen

Bnchstaben und Memorialverse; vgl. Anm. 901 u. 955.

XIX. Occam (Urttaril). 393

ein Casus obliquus vorkommt942). Sodann folgen jene Urtheile, deren

Copula oder Verbum im Präleritum oder Futurum steht, und es werden

auch hiefür eigene Regeln der Umkehrung aufgestellt , welche auf den

obigen Regeln der Amplialion (Anm. 912) beruhen943). Indem hierauf

die Umkehrung der exponiblen Sätze erörtert werden soll, womit sich

gleichfalls schon Scotus beschäfligt hatte (s. Anm. 196), fmden wir hier

zunächst eine ziemlich nichtssagende allgemeine Bemerkung844), und dann

die betreffenden Regeln für die rcduplicaliven Urtheile9*5), hierauf für

die exclusiven946) und für die excepliven847) und zuletzt auch für die

Urtheile mit incipit und desinit 94s).

942) Ebend. : De propositionibus in obliquo non est enden: modo dicendum, sed

in itlis oportel frequenter mutalionem facerc ex parle vocis praeler transmutalionem

lerminurum, et cum hoc additur frequenler participium verbi, sicul sie arguende

„Nultus bnmo est in domo, ergo nultum existens in domo est homo" Quando in

tali propositione ponitur adverbialis delerminalio, itio in conversa non debel esse

delerminalio verbi, sed polius parlicipii eiusdem verbi, et sie „Creans sempef est

deus, ergo aliquid, quod semper est deus, est creons". Vgl. Anm. 903,

913, 971.

943) C. 22, f. 32 v. B: Cirea conversionem de praelerito et de futuro, ....quando

subiectum supponil personaliter, i. e. significalive, sciendum est, quod, quando subiectum

supponit pro eo, quod est, tunc itio proposilio debet converli in aliquam proposilionem

de praesenli accepto subiecto cum hoc verbo „fuil" et hoc pronomine „qui",

et non in proposilionem de praelerito. Unde ista conversio non valet „Nultum album

fuit homo, ergo nultus homo fuit albus", sed sie „ergo nullus, qui fuit homo,

est albus" Si aulem subiectum proposilionis accipitur pro eo, quod fuit, sie est

simpliciler converlibitis in unam de praelerito Ista aulem, quae dicta sunt de

propositione de praelerito, applicanda sunt proporlionabitiler proposilioni de futuro

Si subiectum sit lerminus communis vel inetudens lerminum communem cum pronomine

demonstraliv o, et praedicatum sit pronomen demonstralivum.sine addito vel proprium

nomen, tunc, si subiectum accipitur pro eo, quod est, converlitur in unam de prae

senli sine alia mutalione, sicul sequitur „Album erit Soerales , ergo Soerales est

albus" ; si aulem accipitur subiectum pro eo, quod erit vel fuit, convertitur

absofule de praelerito vel de futuro, et est mutua conversio.

944) C. 23, f. 33 r. A : Proposilio habens exponenles habet consimitem conversio

nem cum suis exponenlibus , et si omnes exponenles eodem modo convertuntur, ita

exposita eodem modo convertetur; si aulem una exponens convertatur uno modo et

alia alio modo , tune habebit conversionem consimitem cum conversione unius et non

cum conversione allerius. Tamen magis in speciali videndum est de islis.

945) Ebend.: Propositio reduplicaliva non convertitur in reduplicalivam, sed in

unam non reduplicalivam, cuius subiectum erit unum aggregatum ex praedicalo priori«

et itlo, super quod cadil reduplicalio , cum reduplicalione medianle hoc pronomine

„quod", sicul ista „Animal, inquantum homo, esl risibite" converlitur in istam „Aliquid,

quod, inquantum homo, est risibite, est antmal".

946) Ebend.: Exctusiva non converlitur in exctusivam; non enim sequitur

„Tantum animal est homo, ergo tantum homo est animal", sed ista converlitur in

universalem, sicul sequitur ,.Tantum animal est homo, ergo omnis homo est animal".

Et sicul dictum est de conversione proposilionum de praelerito et futuro, ita

dicendum est de conversione exctusivarum de praelerito et futuro.

947) Ebend. B : Excepliva non convertitur in exceplivam, sed in unam

non exceplivam , cuius subiectum erit unum aggregatum ex praedicqto exceplivae et

parle extra capta mediante hoc tolo „quod non esl", sicut „Omnis homo praeler Soeralem

currit" converlitur in istam „Currens, quod non est Soeraics, est homo".

948) Ebend.: Propositiones , in quibus ponuntur haec verba „incipit, desinil",

non convertuntur in simites, sed dantur tales proposiliones sie converli „Aliquis

homo incipit esse albus, ergo aliquid, quod incipil esse album, est homo".

394 XIX-. Occam (Unheil).

Mit besonderer Ausführlichkeit behandelt Occam die Umkehrung der

modalen Urtheile, welcher wir auch schon bei der jüngeren Formalion

der byzanlinischen Logik und bei Scotus begegnet waren (s. Abschn. XVII,

Anm. 587 f. u. ob. Anm. 201). Dass dabei überall jener Unterschied

zwischen sensus cvmpos.üus und sensus divisus (s. ob. Anm. 914) zu

Grunde gelegt wird, versteht sich von selbst; ausserdem aber kehrt auch

stets die Regel wieder, dass, was in Bezug auf Modalität von dem um

zukehrenden Urtheile gelte, in gleicher Weise von dem umgekehrten Urtlieile

gelte. So seien die Nothwendigkeits-Urtheile im sensus compo

situs ebenso umkehrbar wie die Inhärenz-Urtheile (anderer Meinung war

Scotus), hingegen im sensus divisus könne die Umkehrung nur durch

eine Abänderung der Worte bewerkstelligt werden949). Ebenso verhalte

es sich bei den Möglichkeits- Urlheilen, insoferne man „possibilis" im

Sinne von „non impossibilis" nehme und bei Gemein - Begriffen die

Supposilions - Fähigkeit derselben beachte950). Die Umkehrung der Unmöglichkeits-

Urtheile sei im sensus compositus die nemliehe wie bei den

Inhärenz-Urtheilen, aber im sensus divisus treffe sie mit jener der Nothwendigkeits-

Urtheile zusammena51). Die Zufälligkeits - Urtheile („'«mtin*

gens", welches somit hier nicht als synonym mit possibile genommen

wird, wie bei Petrus Hispanus, s. Abschn. XVII, Anm. 165) seien zu

unterscheiden, je nachdem bei der Umkehrung die Qualität unverändert

bleibe oder geändert werde; im ärsteren Falle treffe die Umkehrung beim

sensus compositus mit jener der Inhärenz-Urtheile zusammen, während

C. 24, f. 33 r. B: Videndum est, quomodo propositiones modales convertuntur,

et primo de conversione proposilionum de necessario Quando modus ponitur

cum dicto , propositio est distinguenda secundum composilionem et divisionem

(s. ob. Anm. 914) In sensu composito .... fafes propositiones convertuntur sicut

suae de messe, quia in conversione talium arguitur semper per istam reguiom „Si

unum convertibitium est necessarium, et reliquum erit necessarium" vel per istam „Si

anlecedens est necessarium, et conseqtlens erit neccssarium" Sciendum est eliam,

quod phitosophus in primo Priorum probat tantum, istas de necessario converti in

sensu composito vei eis aequivulentes et non alias (vgl. hingegen unten Anm. 985,

und bei Scatus ob. Anm. 201) Cirea conversionem proposilionum de necessario

sumptarum in sensu diviso est sciendum, quod non sunt conecrlibiles nulio inutalione

facta ex parle vocis praeler transpostiionem lerminorum; non enim sequitur per naturam

conversionis „Nullus homo de necessitale est asinus, ergo nultus asinus de

necessitale est homo".

950) C. 25, f. 33 v. A : Cirea conversionem proposilionum de possibiti est primo

sciendum, quod in hoc capitulo accipiendum est semper possibite, quod est commune

ad necessarium et ad contingens^ quod non est necessarium, ut possibite sit idem

quod non impossibite Sie aulem accipiendo possibite est sciendum, quod eaedem

reguioe , quae dictae sunt de conversione propositionum de necqssario, accipiendae

sunt cirea conversionem proposilionum de possibiti; nam sumpta in sensu com

posito est eodem modo convertenda sicut sua de inesse, quia st unum converlibite

est possibite, el reliquum Quando subiectum propositionis de possibiti est

lerminus communis vel inctudens lerminum communem, proposilio est distinguenda, eo

quod subiectum polest supponere pro his, quae sunt, vel pro eis, quae possunt esse

(vgl. Abschn. XVII, Anm. 225 tf.).

951) C. 26, f. 33 v. B: Propositiones de impossibiti acceptae in sensu composito

convertuntur sicul suae de inesse, quando itioe de inesse convertuhtur simpliciler,

quia si unum convertibite est impossibite, el reliquum Si aulem propo

sitio de impossibiti sumatur in sensu divisionis, tunc convertibitis est sicut itio

de necessario. . '•

XIX. Occam (Unheil). 395

beim sensus divisus es auf die Supposilions - Fähigkeit der Begriffe an

komme95^); im letzteren Falle könne es sieh nur um den sensus divisus

handeln,953). Endlich hei den übrigen Modalitäten (scitum, opinatum

u. s.;.f.) sei zu untersuchen, oh dieselben in dem umzukehrenden Urtheile

bedingt seien durch ihre Zulässigkeit im umgekehrten Urtheile, oder ob

das umzukehrende hierin -vom umgekehrten unabhängig sei ; beim senms

eomposüus könne im ersteren Falle keine simplex conversio, im letz

teren Falle aber gar keine Umkehrung stattfinden ; hingegen beim sensus

divisus. .treffe die Umkehrung solcher Urtheile wieder. ,, mit 'jener- der

Inhärenz-Urthcile zusammen954). !!?'„•' ': •«;•; • • in1

Da aber nun mit der Lehre von der Umkehrung' eigentlitih die Auf

gaben erledigt sind, welche von Anfang für die Lehre : vom Urtheile vor

gesteckt waren (ob. Anm. 892), so macht es allerdings den Eindruck

eines • tosslichen Nachhinkens, wenn nun doch noch besondere Erörterun

gen über das hypothelische Urtheil und dessen Unterarten folgen. Warum

diese Gruppe nicht schon oben vor den modalen Urtheilen (d. h. nach

Anm. 913) ihre angemessene Stelle gefunden habe, 'ist 'schlechterdings

nicht, einzusehen, und ich glaube, dass diese Verschiebung des richligen

Zusammenhanges nur der arrangirenden Hand des Herausgebers zuzu

schreiben ist , welche ohnediess hiebei deutlich genug hervortritt (s. so

gleich ; Anm. 961 f.). Das hypothelische Urtheil wird vorerst in jene

unulirl,r.n fünf Unterarten wie schon oben eingetheilt (d. h. wieder mit

Weglassung der proposüio localis , s. Anm. 894), und die Bemerkung

hinzugefügt, dass scheinbare andere Arten sich auf jene zurückführen

952) C. 27, ebend.: Captendum est contingens ad utrumlibel, ut itio sola proposjlio

dicatur contingens, quae nec est nccessaria nec impossibitis Talis propositio

habet duas conversiones , unam in lerminis et aliam per oppositas qualitales;

ideo primo videndum es.t de prima Proposiliones de conttngentt sumptae in sensu

composilionis et eins aequivalentes eonvertuntur sicul suae de inesse, quando suae de

inesse convertuntur simpliciter; et höc est, quia si unum convertibite est conlinijens,

et'reliquum.. . .. Si aulem itta de contingenli sitmalur in »ensu dirisn, tanc,

si itio proposilio habeat pro subiccto lerminum communem vel uliquid inctudens ler

minum communem vel eliam participium vel aequivalens ei, itio pröposilio est

dislinguenda, eo quod subiectum polest supponere pro his , quae sunt , vel pro 'hü,

quae conlingent esse.

953) C. 28, f. 34 r. B: De conversione proposilionum de contingenli per oppositas

qualitules est sciendum, quod quaelibel pröposilio de conlingenti ad utrumlibet, si

sumatur in sensu divisionis , converlitur per oppositas qualitales, i. e. affirmaliva in

negalivam ei e oonverso, sicul sequitur „Omnis bomo contingenler currtt, ergo

omnis komo conlingenler non curril". ' t '

954) C. 29, f. 34 v. A : Restat dicere de conversion« proposilionum modalium,

quae non ab omnibus conceduntur esse modales, quae tamen vere sunt modales^' sicul

d,rtum est prius (s. Anm. 894) ; et quia sunt quasi innumerabites, idco non inlendo

diecre de omnibus in speciali, sed volo dare aliquas regutas generales Quando

aliquod »omen modale non polest verificari de uno conrertibiti sine hoc, quod verificetur

de reliquo, talis proposilio mo,talis sumpta in sensu compositn non convertitur

simpliciler, quanvis sua de inesse convertatur simpliciler; si aulem possit veri/icari

de antecedenle sine hoc, quod verificetur de Konsequenle, talis pröposilio sumpta in

sensu compvsito non converlitur, .... quia ista reguta non est generaliter vera „Si

unum convertibitium est scitum, ergo reliquum est scitum" Proposiliones modales

in sensu diviso et eis aequivalenles convertuntur sicut ittae de ihesse\ ithi aliqua

adverbialis delerminalio additur verbo. M : 'l• .1 .";. ' •' »•

396 XIX. Occam (Unheil).

lassen, wie z. B. die Prohibiliv-Sätze auf causale955). Indem sodann die

genauere Erörterung der proposüio conditionalis auf die Lehre von

Consequentia verschoben wird956), unterliegen die übrigen vier Arten

einer ziemlich ungleichmäßigen Behandlung, da die Casuislik der Moda

litäten in willkürlicher ön vollständigkeit durchgeführt und dort oder da

ein beliebiges Bruchstück aus den Consequentiae eingestreut wird; in

solcher Weise folgen unter Angabe der Regeln der Wahrheit zuerst

die proposüio copulativa'!b1}, dann disiunctiva95^, hierauf causaii*959)

und zuletzt lemporalis960). Wenn aber sodunn dennoch, d. h. trotz der

ausdrücklichen Angabe in Anm. 894 u. 955, als sechste Unterart die

localis besprochen wird 961), welche allerdings von Anderen noch beige

zogen worden war (s. Abschn. XVII, Anm. 583 f.), so muss ich diess eben

darum entschieden als eine Interpolalion des Herausgebers bezeichnen.

Und das Gleiche gilt mir von einigen am Schlusse angehängten Bemer

kungen über Adverbien und Conjunclionen962).

955) C. 30, f. 34 v. B: Postquam transcurrendo de propositionibus calegoricis

et de proprietulibus eamm est tractatum. nunc de proposilionibus hgpothelicis et

proprietalibus earum sunt aliqua pauca addenda Propositionum hgpolhelicarum

quinque assignantur species: conditionalis, copuioliva, disiuncliva, causalis, lemporalis

(hier wie oben, Anm. 894, ist, — abgesehen von der gleichioutenden Aufzähtung

der fünf Arlen — , das Wort „quinque" Dicht als Ziffer, sondern mlt Bucbstaben

gedruckt, und sonach eiu Urucklehler nicht wahrscheinlich) Sunt multae

propositiones hgpolhelicae praeler praedictas, quae tamen ad praedictas reduei

debent, unde ista „Soerales phitosophatur , ne sit ignorans" aequivalel isli „0usa

Soerales non vult esse ignorans, Soerales phitosophatur".

956) C. 31, f. 35 r. A: 0uia condilionalis aequivalet uni consequenliae, ita quod

tunc condilionalis est vera , quando anlecedens infert consequens et non aliler , ideo

differatur usquc ad tractatum de consequentiis (s. AnmtlOlO ff.) Est aliquando

condilionalis necessaria, et quaelibel pars eins est impossibitis, sicut „Si Soerales est

asinus, Soerales est rudibitis".

957) C. 32, ebend. : Ad veritalem copuiolivae requiritur, quod utraque pars sit

vera, et ad necessitatem copuiolivae requiritur, quod utraque pars sil neces

saria n. s. w. Ebenso bei possibititas und .impossibititas A coputaliva ad utramque

parlem est bona consequentia Quandoque ab allera parle coputalivue ad

lotam polest esse bona consequentia gralia maleriae.

958) C. 33, f. 35 r. B : Ad veritalem disiunclivae requiritur , quod allera pars

sit vera; et hoc est inlelligendum, quando propositiones sunt de praesenti et non de

fnturo nec aequivalentes propositionibus de futuro Ad possibititalem disiuncti-

»ae sufficit, quod allera pars sit possibitis; sed ad hoc quod disiuncliva sit impos

sibitis, requiritur , quod utraque pars sit impossibit,s 0/,postfa contradictoria

disiunctivae est una coputaliva composita ex contradictoriis parlium ipsius disiuncli

vae Ab aliqua parle disiunclivae ad lolam est bonum argumentum , et e converso

est faliocia consequenlis A disiuncliva cum negalione allerius parlis ad

alleram parlem est bonum argumentum.

959) C. 34, ebend.: Ad veritalem causalis requiritur, quod quaelibel pars sit

vera, et simul cum hoc, quod antecedens sit causa consequentis Ad necessitalem

causalis requiritur necessitas utriusque partis ; sed ad impossibititalem causalis

non requiritur impossibititas nec falsitas alicuius parlis, sed suf/icit, quod anlecedens

non possit esse causa consequenlis. , • •i" , •'

960) C. 35, f. 35 v. A: Ad veritalem lemporalis requiritur veritas utriusque par

lis vel pro eodem lempore vel pro diverso Ad necessitalem lemporalis requiritur

necessitas utriusque partis Ad impossibititalem lemporalis non requiritur im

possibititas alicuius partis, sed sufficit, quod partes sint incompossibites.

961) C. 36, ebend.

962) C. 37, f. 35 v. B.

XIX. Occam (Argumentalion). 397

, De,o dritten Haupttheil des Compendiums bildet die Lehre von der

Ar.giimentation,welche in vier Unterabtheilungen zunächst die eigentliche

Syllogislik , dann die aristotelische Lehre vom definitorischen Wissen,

hierauf die Topik mit Einschluss der Consequentiae und zuletzt die Sopbislik

enthält. .Occam bleibt dabei seiner ganzen grundsätzlichen Stel

lung, : welche : er , für die Logik überhaupt eingenommen hatte, nur gelreu,

wenn .er in der ersten und dritten dieser Unterabtheilungen wieder iu

möglichst, reichem Maasse das Material der byzanlinischen Logik mit der

aristotelischen; Lehre durchgängig verflicht. Nur drängt sieb uns auch

hi,T abermals die Bemerkung auf, dass Solches sicher nicht individuelle

Erfindung des Occam allein sei, sondern schon gar Manche, vor ihm,

welche sich unserer Forschung entziehen, Bausteine zu dieser Gestaltung

der .Lehre von der Argumentalion geliefert haben müssen. • : • . •.

Occam unterscheidet vom Syllogismus im engeren Sinne, wornach

derselbe der edelste und grundlegende Tbeil der Argumentalion ist983),

den' Syllogismus 'im weiteren Sinne, welchen er somit in .einen eigent

lichen demonstraliven, einen topischen wahrscheinlichen , und einen nach

Form oder Inhalt verfehlten eintheilen kann ; dabei aber macht er gele

gentlich dem wissenschaftlichen Betriebe das unübertreffliche Zugeständniss,

dass Glaubens-Arlikel für diejenigen Philosophen, welche Weltkinder

sind (sapientes mundi), nicht nur nicht als Beweisgründe gelten, sondern

nicht einmal Anspruch auf Wahrscheinlichkeit haben964). Er wendet sich

nun sofort zu den Formen des kategorischen Schlusses, wobei er an der

Dreizahl der Figuren festhält und die Berechligung einer vierten Figur

aus dem neinlichen Grunde wie Scotus (ob. Anm. 207) abweist965). Die

Ableitung der Modi der einzelnen Figuren stützt er, wie schon Albert

nach arabischem Vorbilde gethan hatte (Abschn. XVII, Anm. 463), auf

die mathemalisch möglichen Combinalionen zweier Urtheile966).

963) HI, l, C. l, 'f. 36 r. A : Nunc ad lertium tractatum de argumenlis est accedendum

, et quia infer omnes species argumentalionis sgllogismus oblinet principatum,

ideo de sgllugismo est primo dicendum.

964) Ebend.: Sgllogismus accipitur aliquando pro uno communl omni sgllogismo,

ita quod sgllogismorum quidam sunt demonstraliv!, quidam topici, qui

dam nec lopici nec demonstralivi Demonstralivus est ule, in quo ex proposilionibus

necessariis evidenler nolis polest accipi prima nolilia conctusionis

fopiei,s est sgllogismus ex probabitibus, quae videntur omnibus vel pturibus ml maxime

sapiehlibus; et sie arliculi fidei nnn sunt principia deman'stralionis nec

conctusionis, nec sunt probabites, quia omnibus vel pturibus vel sapientibus apparent

falsi, et hoc accipiendo sapienles pro sapienlibus mundi et praecipue innilenlibus ralioni

naturali, quia itlo modo accipitur sapiens in desrriplione scienliae vel phitosophiae

(vgl. ob. Anm. 733) Sgllogismus, qui nec est demonstralive nec topicus,

polest il , mii, IfH/'u quidam est ex improbabitibus, quidam non ex improbabitibus, sive

quidam peccal in maleria, quidam non peceat in maleria.

965) C. 2, f. 36 r. B: Tantum sunt tres figurae , et non est apponenda

quarta figura, quia, si medius lerminus praedicatur in prima proposilione et subiicitur

in secunda, non erit nisi transposilio propositionum positarum in prima figura, et

ideo non sequitur aliqua couelusio, quam itio, quae sequitur ex praemissis disposilis

in prima figura.

966) C. 3, f. 36 v. A: Erunt sexdecim combinaliones , quarum ituodecim peccabunt

contra praedicta principia (d. h. gegen die bekannten Grundgesetze der ersten

Figur) Palet , quod tantum sunt quatuor modi ulites sive ulitium combinalio398

XIX. Occam (Argumentalion).

Nachdem er bttreffs der ersten Figur hervorgehoben , dass die

Schiiissfähigkeit ihrer Modi immer zuletzt auf dem sog. üictum de omni

et de nullo herahe und dabei mir eine Zweideuligkeit des Ausdruckes

ein lliini,'i niss bereite, wofQr man sogar Regeln aufstellen könne, welche

im Ganzen anf die bekannte spätere Formulirung „Zum re tum sensu

lriplex modo lerminus esto" hinauslaufen 967), zählt er die indirecten

Schlussweisen dieser Figur auf, fügt aber hiebei zu den fünf theophraslisrhrii.

welche er auf Umkehrung und Umstellung der Prämissen zurück

führt, noch vier neue hinzu , welche auf vollständiger Ausnützung des

Schlnss-Satzes beruhen und nach der üblichen Gestaltung der Nomenclatur

die Namen Barbari, Barbaris, Celaront, Celantog (— wenn ich um der

Kürze willen mich so ausdrücken darf —) tragen müssten 9u8); auch

weist er nach der Besprechung einiger Sophismen, welche kaum Erwäh-

,unn. Ebenso bei der zweiten Figur, C. 10, f. 39 r. A, sowie bei der dritten,

C. 14, f. 39 v. B.

967) C. 4, f. 36 v. B : Quando praemissac disponuntur in modo et figura,

semper est bonus sgllogismus, nisi aequivocalio impediat vel amplnbologia. ' Als

Beispiele folgen dann. Sätze der Theologie, besonders betreffs der Triuiti,l, und

hierauf (11.5, f. 37 v. B) mehrere Regeln der Vorsicht: Ad videndum, quflndo ,discursus

nnn reguiotur per dici de omni vel de ,mttn, intelligendae sunt hae reguioe:

Quandocunque minor habet aliquam exponenlem negalivam, talis discursus non

polest reguldri per diei de omni vel de nulle..... Quandocunque in minore denolatur;

prasdicatum dici de sublecto, cum al,qu« modo dcterminante composUionem non expresso

in maiore , qui modus yositus vel nun positus varial propositionem qv.antnn,

ad veritalem vel falsitatem, taiis discursus non regutatur (f. . 38 ,r. ^) Qu,andocurique

per maiorem non denoiatuf, praedicatum vere affirman vet vere nigdri de

pronomine demonstrdnte quodcunque," qubd. est realiler- idem cum significato per subiectum,

tunc uccipiendo subirctum aliquid tale non eiit syllogismus reguldlus

Quando in minore ponilur aliqais modus, qui denotalm compeiere toli proposilioni,

st in maiore hoc non denoletur, non semper talis discursus reguiobitur Alia

reguio est, quod nultus lerminus in praemissis vel in conctusione , (B), Alia regula est, quod nuttum sgncalegorquma, nisi fqrsleu.mastiugr.vvamequuinviovceer.

sale vel parlicuiore qddituq, sublecto, addatur vel auferatur in minor& vel conctusione

praeter ilio, quae sunt in maiore. ..... .. , , .{.. ' ,

968) C. 6, f. 38 r. B : Isluc conelusiones (A. h. die vier aristatelischen ersten

Modi) siu,l primo sequenles ex praemissis; mediale tamen et secundario sequuntur

aliae conctusiones. Nan\ in primo modo praeler universalem conelusionem sequitur

conctusio particuioris et conversa conctusionis universalts • et ita tres conctusiones

sequuntur in primo modo, et Ullimo, conctusio ponitur sequi in itlo modo, qui dicitur

Baralipton. 'Ex 'praemissis aulem disposilis in secundo mo.o^o sequuntur quatuor con

ctusiones: prima universalis negalivd, secunda conversa itlius univ.ersatfs^et iunc

habetur itle modus, qui dicitur Ceiontes; lertia est particuioris suballerna primae uni

versalis; quarta est parlicuioris et negaliva de lerminis transposilis , quae est sub

allerna secundae conctusionis universalis. Ex praemissis vero in.lerlio modo sequuntur

duae conclusiones, sc, particuioris directa , et secundario conversa itlius, et tunc

habetur itle modus, qui dicitur Dabitis. Ex praemissis in quarto modo non sequitur

nisi una conctusio, quia particuioris negaliva non convertityr • sed itio eadern con

ctusio patlicularis negaliva sequitur ex universali affirmaliva .de 'terminis transposilis

ipsius minoris et universati negalivd convena maioris ipsius, proposilionibus trans

posilis conctudentibus conctusionem indirectam; simititer ex conversa maioris et mi

noris transposilis pracmissis et indirecle conctudenlibus ; et tunc habentur itli duo

modi Fapesmo et Frisesomorum. Omnia aulem praedicta probantur per istas regutas,

quae semper sunt verae „Quidquid sequitur ad conseguens , sequitur ad anlecedens''

et „Qvidquid sequitur ad consvquens cum addita propositione, sequitur ad anteeedcns

cum eadem propositione". Vgl. Pseudo-Thomas, ob. Anm. 342.

XIX. Occam (Argumentalion). 399

nung verdienen !)u9), mit Recht darauf hin, dass der Obersatz in der

ersten Figur unter Umständen auch ein singuläres Urtheil sein kann9'0).

Ferner aber verauiasst ihn seine Fürsorge für jene Urtheile, in welchen

ein Casus obliquus vorkommt (vgl. Anm. 903, 913, 942), nun auch zu

untersuchen , ob und wann in der ersten Figur mittelst solcher Urtheile

geschlossen «erden könne, und er tindet, dass diess der Fall sei, wenn

der Casus obliquus im Obersatze steht und in der nemlichen Stelle, iu

welcher er dort ist, im Schlusssatze wiederkehrt, sowie ausserdem noch

bei vier anderweiligen besonderen Constellalionen der Begrille971). Bei

der zweiten Figur denkt er gleichfalls an die möglichste Ausbeutung des

negaliven Schlusssatzes und lügt somit noch mehr neue Modi, als Pseudo

Thomas (ob. Anm. 342), zu den aristotelischen hinzu, nemlich vier Schluss

weisen, welche Cesares, Camestros, Cesaro, Cesaros heissen müssten11 '2),

während er bezüglich der Reduclion der üblichen Modi auf die erste

Figur bei Baroco dem tradilionellen Standpunkte folgt073). Die Casus

ooliqui liegen ihm aber auch hier wieder so sehr am Herzen, dass er.

969) C. 7, ebend. : Per praedicta possunt solvi multa argumenta (z. B.)

„Omn,, auimat, si est sensihile, est corpus Uliimatum; iopis esl animal, si est sensibite;

ergo tapis est corpus animatum" (die Lösung) Moior est distinguendu

secundum compositionem et divisionem (s. Anm. 914 u. 949) vel secundum amphibologiam.

970) C. 8, f. 38 v. A: Eliam sequitur evidenler, si maior sit singuioris aftirmaliva

vel negaliva; bene enim sequitur (z. B. beim vierten Modus) „Soerales

non cunit, Aliquid album est Soerales, ergo aliquid atbum non cunif" (die Beispiele

für die ersten drei Modi sind ganz einfällig, wie beim erslen: „Soerutes est albus,

Omnis homo est Soerales, ergo omnis homo est albus") Ideo talis sgllogismus

est bonus sicut itle, qui regulatur per dici de omni vel de nullo, quia eliam

subicctum singuiore supponit pro omni suo significato. • '•' ' •« •

971) C. 9, ebend.: Cirea sgllogismum de obliquis est sciendum, quod , quando

maior est de obliquo et minor de recto , semper sequiHir conelusin de obliquo et re-

,juioi,', per dici de omni vel de nullo , dummodo obliquitas cadat a parle eiusdcm

extremi in conctusione, a parle cuius cadit in maiore, e. g, „Omnem hominem

videt asinus , Soerales est homo , ergo Soeralem videt asinus" „Nultus homo

est astni, Soerales est homo, ergo Soerales non est asini" Procler praedictos

modos reguiotos in quatuor casibus est bonus discursus: (ich witl an

Stelle der iongathmigen Formulimng für jeden der vier Falle nur Eines der Bei

spiele Occam's auswählen) „Xullins hominis esl asinus, Omne risibite est hnn,inin,

ergo nullum risibite est asinus" ,,JVuf us asinus videl hominem, Omne risibite

videt asinus, ergo nultum risibite est homo'' „Omnis homo est animat, Soeralem

videt homo, ergo Soeralem videl animal" „Omnis homo cnrrit, Soerales- vi

del hominem, ergo Saerales videl currentem". • ' •i'•

972) C. 10, f. 39 r. B : Sicut ex praemissis in prima figura aliquando sequuntur

ptures conctusiones, ita est cliam in secunda figura. Unde ex praemissis

sgllogismorum universalium sequuntur quatuor conctusiones, sc. duae directae universul,'

s nc^alivae et suae suballernae (die Ausgaben haben „umerrsalit, negalica et sua

suballernu", es geht jedoch aus der Parallele mlt der erslen Figur unzweifelbaft

hervor, was Occam wolle), et duae indirectae, sc. cunversa primae conctusionis universalii

et suballerna eiusdem. Ex praemissis aulem sgllogismorum parlicutarium

sequitur nnn solu conctusio , sc. particuioris negaliva, quia itta non est concert,bitis

(s. Anm. 941). Sed ex praemissis transposilis lerminis non sequitur uliqua conctu

sio in secunda figura, quia tunc praemissae essent in lertia figura dispositae.

973) t). 11, f. 39 v. A: (luartus modus reducitur per impossibite ad primum

modum primae figurae arguendo ex contradietorio conctusionis et maiore, mferendo

contradictorium minoris.

400 XIX. Occam (Argumentalion).

die sie betreffenden fünf Schlussweisen noch früher zu erwähnen sich

beeilt974), ehe er den jedenfalls wichligeren Grundsatz nachweist, dass

auch in der zweiten Figur aus bejahenden Prämissen ein Schluss möglich

sei, wobei er jedoch die Sache etwas ungeschickt angreift975). Hei der

dritten Figur weist er wie Pseudo-Thomas (a. a. 0.) auf die Umkehrbarkeit

des Schlusssatzes in Darapli, Disamis und Dalisi hin978), und

fügt gleichfalls die beim Vorkommen eines Casus obiiquus statthaften

Schlussweisen bei977). Gleichsam als Anhang zu den drei Figuren be

spricht er den sgllogismus expositorius, aber in ganz anderer Weise

als Scotus (ob. Anm. 206); denn üccam beschränkt denselben ausschliesslich

auf die dritte Figur und slimmt nur darin tbcilweise mit der früheren

Tradilion überein , dass er zugleich Singularität beider Prämissen fordert

und negalive Untersätze ausscbliesst !)7*'). Ausserdem noch widmet er,

974) C. 12, rbrml. : Sgllogismus ex obliquis valet in sccunda figura Bei

spiele der fünf Fälle sind: „flultum equum videl asinus, Omnem hominem videt

asinus, ergo null n s homo est equus" ,flultus asinus est hominis, Omnis bos

est hominis, ergo nullus bos est asinus" „Omnis homo est animat, Nullus asinus

est animalij, ergo nultus asinus est hominis" „Omnis asinus est animat, Nullius

hominis est animat, ergo nullius hominis est asinus"..... Nultus homo videl asinum,

Omne risibite est asinus, ergo ,m |l um risibite videl homo".

975) C. 13, f. 39 v. B: Quautvis dictium sit superius, quod ex affirmalivis non

conlingit arguere in seennda figura , tamen ab Mn reiiuio generali sunt duo casus

excipiendi. Primus, si medius lermmus sit lerminus discretus, ...... sieut „Omnis

homo est Soerales, pioto est Soerat,'s,. ergo Piolo est homo" (abgesehen Ton der uQübersteiglichen

Dummheit dieses Beispieles ist Occams Meinung überhaupt nur bei

singuläreu Urlbeiten, welche sich umkehren iossen, haltbar; gesetzt z. B. man

liesse folgende zwei Urtheite Irolz der in ihnen liegenden Uebertreibung als wahr

gellen „Alle moderne Krilik beruht ursprünglich auf Lessing" und „Der grösste

Genius des vorigen Jahrhunderts ist Lessing", so könnle mitlelst der nöthigen Vor

kehrungen ganz normal geschlossen werden „Auf dem grössten Genius des vorigen

Jahrhunderts beruht alle moderne Krilik") Secundus casus est, quando medius

lermmus sumitur cum signo universal», ....bene enim sequitur „Omnis homo est omne

risibite, Soerales est omne risibite, ergo Soerales est homo" (wesentlich ebenso)

In duobus praedictis casibus non sotum conlingil arguere ex universalibus affirmalivis,

sed eliam ex omnibus affirmalivis parlicutaribus. Ein Verdienst Occam's ist

jedenfalls der Hinweis auf die singulären Urtheite (vgl. Anm. 970); nur müsste eine

Logik, welche hierauf näher einginge, auch die Umkehrb.arkeit dieser, sowie der

parlicuioren, Urtheite präciser ins Auge fassen. , . ,,.„! ..,.:.

976) C. 14, f. 40 r. A : Sicul in prima figura aliqui modi coneludunt indirecte,

ita eliam in lertia figura; nam quitibel modus affirmalivus conctudit dm,s conctusiones,

sc. n,mm directam et suam conversam; modi aulem negalivi conctudunt tantum unam.

977) C. 15, f. 40 r. B, woselbst unter mehreren Beispielen folgende vor

kommen: „Omn,s asiuus est hominis, omnis asinus est animat, ergo aliquod animal

est hominis" „Omnis asinus est animal, Omnis asinus est hominis, ergo hominis

est animal" „Nullus asinus est Soeralis, Omnis asinus est Piolonis, ergo Pioto

non est Soerales" u. s. w. , ,

978) C. 16, f. 40 v. A : Sgllogismus expositorius est , quando arguitur ex dualms

singuioribus in lertia figura , quarum singuiorium subiectum supponit pro aliquo

uno numero, quod non est ptures res, ..... hoc addito, quod minor sit affirmaliva,

quia, si minor sit negaliva, non valel sgllogismus Unde omnes tales sgllogismi

sunt boni „Soerales non est aggregatum per accidens, Soerales est homo albus, ergo

homo albus non est aggregatum per accidens. (An einer anderen Stelle, II, 27, f. 34

r. A, polemisirt Occam gegen jene Theologen, welche den sgllogismus expositorius

Überhaupt als solchen verneinen, indem sie in ihm stets irgend ein Sophisma er

blicken: Sgllogismus expositorius est ex se evidens nec indiget ulleriori probalione,

XIX. Occam (Argumentalion). 401

entsprechend seinem Verfahren hei der Lehre vom Urtheile (s. Anm. 912

u. 943), denjenigen kategorischen Syllogismen eine besondere Erörterung,

in welchen Urtheile vorkommen, deren Verbum im Prätcritum oder im

Futurum steht, und er zeigt durch die drei Figuren hindurch, in welcher

Weise und mit welcherlei Supposilion derarlige Schlüsse möglich seien979).

In peinlichster Ausführlichkeit aber bespricht er die modalen Syllo

gismen, indem er auch hier sich bei der schlichten und doch umfassenden

Auseinandersetzung des Aristoteles (Abschn. IV, Anm. 558 —578) nicht

begnügen zu können glaubt , sondern diese ganze Lehre durch seine be

liebte Unterscheidung zwischen sensus composüus und sensus divisus

(s. oh. Anm. 914 u. 949 ft.) umformen will. Wenn wir auch im Ver

gleiche mit den übrigen Autoren des Mittelalters , welche aus der ihnen

wohlbekannten Analylik des Aristoteles diese ganze schwierige Gruppe

hinwegliessen oder in oberflächlicher Kürze abmachten, bei üccam den

hingebenden Fleiss und die Verschwendung eines einseiligen Scharfsinnes

anerkennen müssen, so hat derselbe dennoch gerade durch jenen byzan

linischen Formalismus das Ganze derarlig ertödtet, dass für eine be

sonnene Wissenschaftslehre oder Logik hieraus keinerlei Frucht erwachsen

kann, während die philosophische Basis, welche bei Aristoteles diesem

Formen-Getriebe im Begriffe der Möglichkeit einwohnt, vielleicht noch

heutzutage einer Wiedererweckung und Ausbeutung werth wäre (und

zwar in anderer Weise , als die „induclive Logik" thut , wenn sie diese

Fragen berührt oder streift). Occam verfährt bei seiner unfruchtbaren

Casuislik in Trennung des sensus composüus und des sensus divisus

und nötigenfalls in Beiziehung der Supposilionsfähigkeit der amplialiven

Worte (vgl. Anm. 950 u. 952) derarlig, dass er nicht die drei Schluss

figuren zum obersten Eintheilungsgrund macht, sondern sich nach den

Arten und Unterarten der modalen Schlüsse richtet und jede einzelne

derselben nach der Reihe der drei Figuren erörtert. So behandelt er

(— die Einzeln-Darstellung dieser ganzen Lehre darf ich wohl füglich in

den Raum der Anmerkungen verlegen, da ich ausserdem im Texte nur

das Nemliche in deutscher Uebersetzung wiederholen müsste —) zuerst

el ideo multum errant, qui negant talem sgltagismum in quacunque maleria, nisi

possent ibi oslendere faliocitu«; et quia sgllogismi expositorii , qui sunt ex se

evidenles, frequenter negantur a modernis theologis , ideo contra tales non est disputandum,

cum .negant per se nola.)

979) C. 17, f. 40 v. A: Videndum est, quomodo sgllogizandum est ex propositionibus

de praelerilo el futuro (In der ersten Figur) Quando medius lerminus

est lerminus commuriis, si subiectum maiori» supponit pro his, quae sunt, minor debet

esse de praesenli ...... sie arguendo nOmne album fuit Soerales, Pioto est albus,

ergo Pioto fuit Soerales'' Cirea propositiones de futuro si subiectum maioris

accipßur pro' his, quae erunt, minor debet esse de futuro; si accipitur pro his, quae

sunt, minor debet esse de praesenti C. 18, f. 40 v. B: Ex ambabus praemissis

de praelerilo in secunda figura sequitur conctusio de praesenli, quando .... utriusqu'e

subiectum supppnit pro his, quae sunt, sieut „Nultum album fuit homo, Omne

nigrum fuit homo, ergo nullum nigrum est album" C. 19, f. 41 r. A: In lertia

/i',n,-u , si subiectum utriusque praecise accipitur uniformiter, semper sequitur con

ctusio de praelerito, subiecto eonctusionis acceplo pro eo, quod fuit Si aulem

maior sit de praelerito et minor de praesenli, si subiectum maioris supponit pro his,

quae simt, sequitur conctusio de praelerito, subiecto eonctusionis sumptu pro his,

quae sunt.

PHAMTL, Gesch. III. 26

402 XIX. Occam (Argumentalion).

jene Syllogismen, Welche aus zwei gleicharligen modalen Urtheilen gebildet

werden, d.h. entweder aus zwei Nothwendigkeits-Urlheilcn980) oder aus zwei

Möglichkeits-Urtheilen 9s1) oder zwei Zufälligkeits-(ctmlinjfl) Urtheilen 982)

980) C. 20, f. 41 r. B : Quando dictum proposilionis ponitur mm modo , itio

proposilio est distinguenda secundum composilionem vel divisionem vel secundum amphibologiam

Cirea primam figunim est sciendum , quod, quando praemissae de

necessario sunt acceptac in sensu composito, semper cst bonus »gllogismus infereus

consimitem conctusionem quantum ad sensum compositum Sed quando omnes

propositiones. sumuntur in sensu diviso , tunc semper sequitur conctusio directa;

sed Mi quinque modi primae figurae conetuilentes indirecte non conctudunt in uniformi

conelusione de necessitate, praemissis sumplis in sensu diviso Si aulem maior

sumatur in sensu composito et minor in sensu diviso , sequitur conctusio in sensu

diviso Si aulem maior sumatur in sensu diviso et minor in sensu composito,

sequitur conctusio in sensu diviso et in sensu composito C. 21, f. 41 v. A:

Quando omnes proposiliones de necessario in secunda figura sumuntur in sensu com1-

posito, ....semper sequitur conctusio de necessario sumpta in sensu composito

Si autem omnes praemissae sumantur in sensu diviso, non semper vqtel sgllogismus.

Si aulem maior sumatur in sensu composito et minor in sensu dieiso, valet

discursus respectu conctusionis sumptue in sensu dieiso Si aulem maior sumatur

in sensu diviso et minor in sensu composito, non sequitur conctusio in sensu com

posito C. 22, f. 41 v. B: In terlia figura, quando omnes praemissae sumuntur

in sensu composito, len,'l sgllogismus sicul in suis de inesse Si aulem omnes

sumantur in sensu diriso, omnis discursus valel et sgllogismus, quia itio de ne

cessario semper convertitur in itlam de inesse Si aulem maior sumatur in

sensu composito et minor in sensu diviso, non sequitur conctusio in sensu dieiso nec

in sensu composito Si aulem maior sumatur in sensu dtviso et minor in sensu

composito, semper sequitur conctusio in sensu diviso. :

981) C. 23, f. 42 r. A : Dicendum est de uniformi generalione sgllogismorum de

possibiti, et accipio hie possibite pro possibiti, quod est commune omni proposilioni,

quae non est impossibitis (vgl. Anm. 950) In omni figura, si accipiantur omnes

propositiones de possibiti in sensu composito, non valet sgllogismus, quia non

sequitur „Omne coloratum esse album , est possibite, Omne nigrum esse coloratum,

est possibite, Ergo omne nigrum esse album, est possibite" Sed si itio de possi

biti sumatur in sensu diviso, tunc est itio proposilio distinguenda penes modum

aequivocalionis (vgl. Abschn. XVII, Anm. 225 ff.), quod, si subicctum maioris

accipitur 'pro Ais, quae possunt esse, qualilereunque sumatur subiectum minoris,

semper est sgllogismus untformis bonus; si aulem subivctum maioris supponit

pro Ais, quae sunt, tunc talis »gllogismus uniformis non valet Si aulem maior

sit de possibiti in sensu composito et minor de possibiti in sensu diviso, nulio se

quitur conctusio Si aulem maior accipitur in sensu diviso et minor in sensu

composito, non sequitur conelusio C. 24, f. 42 r. B: In secunda figura, si subiecta

utriusque supponant praecisc pro Ais, quae sunt, sgllogismus non valet Si

aulem subiectum utriusquc accipitur pro Ais , quae possunt esse, sie non lenet sgllo

gismus, quia negativa de possibiti non converlitur in negalivam de possibiti

C. 25, f. 42 v. A: In lerlin figura, si utraque praemissarum sumatur in sensu diviso

et subiectum utriusque supponat pro Ais, quae sunt, sequitur conctusio de possibiti,

sumpto subiecto pro eo, quod polest esse...... Simititer si subiectum utriusque sup

ponit pro Ais, guae possunf esse, sequitur conctusio de possibiti, subiecto sumpto pro

eo, quod polest esse Si aulem subiectum in maiore sumatur pro eo, quod est,

et in minore pro eo, quod polest esse, et simitiler e concerso, lenet sgllogismus.

Si aulem maior sumatur in sensu diviso et subiectum supponat pro eo , quod

polest esse, et minor sit de possibiti in sensu composito, sequitur conctusio in sensu

dMso,

982) C. 26, f. 42 T. B: Cirea uniformem generalionem sgllogismorum de corilingenli

non necessario (vgl. Anm. 952) esl primo sciendum, quod in nulio figura est

talis uniformis generalio conveniens , si omnes propositiones sumantur in sensu com

posito, quia ex conlingenlibus polest sequi tam necessarium quam impossibite.

Sieul itta de possibiti habet duplicem acceplionem, ita et itio de eonlingentt.

.1

XIX. < 1lvam (Argumentalion). 403

oder aus zwei Unmöglichkeits - Urtheilen 983) oder aus zwei Urtheilen,.

in welchen anderweilige Ausdrücke der Modalität (z. B. scitum,

opinabile und dergl., s. Anmerkung 895 und 954) vorkom

men 984). Dann aber folgt die lange Reihe der verschiedenen Combinalionen,

nemlich: ein Inhärenz- und ein Nothweudigkeits-Urtheil 985J,

Si subiectum maioris sumaiur pro Ais, quae contingunt, uniformis est bonus respectu

conctusionis de conlingenti, subiecto eodem modo sumplo Si aulem maior sumatur

in sensu composito el minor in sensu diviso , sgllogismus non valel Simuiler

si maior accipitur in sensu diviso el minor in sensu composito, non valet

C. 27, f. 43 r. A : In secunda figura uniformis generalio de conlingenti non valet, et

hoc qualitercunque combinentur proposiliones, quia universalts negaliva de conlingenli

non est convertit,itis in aliquam universalem C. 28, ebend. : In lertia

figura, si ambae praemissae sumantur in sensu diviso el subiectum utriusque supponat

pro his, quae sunt, sequitur conelusio de conlingenti, subiectq sumplo pro co, quod

contiugit Simititer si subiectum utriusque praemissae supponat pro his, quae

contingunt , sequitur conelusio, de conlingenti , subiccto sumplo pro his , quae contingunt

Simitiler si subicctum in una supponat pro his, quae sunt, el in alia pro

his, quae contingunt, sequitur consimitis conctusio Si maior accipitur in sensu

diviso et minor in sensu composito, »gllogismus non valet. Simititer si subiectum

propositionis acceptae in sensu diviso supponat pro his, quae conlingunt, non valel

sgllogismus.

983) C. 29, f. 43 v. A : De uniformibus propositionibus de impossibiti est

sciendum, quod, si omnes propositiones sumantur in sensu composito, talis discursus

non valel Simitiler si omnes proposiliones de impossibiti sumantur in sensu

diviso, non valel talis discursus.

984) C. 30, ebend.: Restat videre, quando, ex aliis mofalibus contingit arguere.

Pro sensibus compositis talium proposilionum est ista reguio generalis, quod

quando atiquod tale nomen modale polest verificari de praemissis absque hoc , quod

verificetur de conelusione, imo potest vere removeri a conctusione, uniformis ex talibus

in sernu composito non valet; ....quando aulem de praemissis non polest verificari

talis modus, nisi eliam verificetur de conctusione, uniformis ex talibus semper lenet,

sicut .... „Omnem hominem esse animal , est opinabite , Soeralem esse hominem, est

opinabite, Ergo Soeralem esse animat, est opinabite" ,. Si aulem tales praemissae

sumantur ambo in sensu diviso, in prima figura semper est sgllogismus reguiotus

Si autem maior talis uniformis in prima figura sumatur in sensu composito et minor

in sensu diviso cum aliquo modo, lenct respectu conctusionis in sensu diviso

Sed in secunda figura pauci tales discursus valent, si omues praemissae sumantur in

sensu diviso ln lertia figura, quando ambae praemissae sumuntur in sensu diviso

et modalis infert suam de inesse, semper sequitur conelusio in sensu diviso.

985) C, 31, l- 44 r. A: Dicendum est de sgllugismo mixto ex proposilione de

inesse el modali de necessario Ex maiori de necessario sumpta in sensu diviso

et minore de inesse semper sequitur conctusio de necessario in sensu diviso

Sed si conctusio sumatur in sensu composito,, discursus non valet (B) Si aulem

maior in tali mixtiqne sumatur in sensu composito, non semper valet talis mixtio,

sed op orlet, quod minor subsumpta sit de inesse simpliciter, quia si minor est de

inesse ul nunc, non valel mixlio (die Unterscheidung zwischen inesse simpliciler

und esse ut nunc fliesst aus der Lehre von Consequentia , s. Absclm. XVtl, A um.

618 f.) Si nui,'ii, maior sumatur de inesse et minor de ; necessario in sensu

diviso vel aequivalenli ei, discursus non valet Si aulem minor sumatur in sensu

composito, eliam non valel discursus; notandum est aulem, quod si maior sit

de inesse sia,pliciler, talis mixlio valel Phitosopbus aliquando loquitur de itlis

de necessario in sensu diviso et aliquando in sensu composito (vgl. hingegen ob.

Anm. 949 und bei Scatus Anm. 201) , Sciendum est igitur, quod, si maior sit

de inesse simpliciler, mixtio lenet, sive minor sumatur in sensu diviso sive in sensu

composito C. 32, f. 44 r. A: In secunda figura, si itio de necessario sumatur

in sensu composito, ad hoc quod mixtio sit bona, requiritur, quod ilio sit de inesse

simpliciter; si enim esset de inesse ul nunc, qualiscunque fuerit de necessario, non

26*

404 XIX. Occam (Argumentalion).

ein Inhärenz - und ein Möglichkeits -|Urtheil 986), ein luhärenz- und

ein Zufälligkeits-Urtheil 98 '), e'n luhärenz- und ein Unmöglichkeitsconctusio

de necessario Quando negaliva est de necessario el in affir

maliva accipitur sub medio aliquid inferius ad medium, .... semper discursus est

bonus Sed si affirmaliva sit de necessario in sensu composito el universalts

negaliva de inesse, non sequitur conelusio de necessario . . . . In quarto modo secundae

figurae, sive propositio affirmaliva sit de necessario sive negaliva, non sequitur con

elus,o de necessario C. 33, f. 45 r. A: Quando aulem debet fieri mixtio in tertia

figura, st illu de necessario sumatur in sensu composito, mixtio non valet generaliler,

sive maior fuerit de necessario sive minor Tamen si minor sit de inesse

simpliciler, lenet mixtio Sed si illu de necessario sumatur in sensu diviso,

quando maior est de necessario et universalis, semper sequitur conctusio in sensu

diviso Si aulem maior sil particuioris affirmaliva , valet mixtio Si aulem

maior sit particuioris negaliva, discursus valet.

986) C. 34, f. 45 r. B : De mixlione de inesse el de possibiti ...in prima figura

... sciendum est, quod , st itln de possibiti sumatur in sensu composito, sive maior

fuerit de possibiti sive minor, non valet talis mixtio universaliler Tamen si

minor sit de inesse simpliciler sive maior, valet mixlio; simititer si in sgllogismo

negalivo sumatur aliquid inferius ad medium; ....sed in sgllogismo a/firmaliva non

sufficit accipere inferius .S; aulem itio de possibiti sumatur in sensu diviso,

aut maior est de possibiti aut minor, aut subiectum stat pro his, quae sunt, vel pro

his, quae possunt esse; si primo modo, semper est mixtio bona; si aulem

subiectum supponit pro bis, quae possunt esse, adbar mixtio valet Si aulem

minor sit de possibiti et maior de inesse, non valet mixlio C. 35, ebead. : In

sensu composito, sive fuerit negaliva sive affirmaliva de possibili, nulta sequitur conetusio

in secunda figura .... Si aulem itio de possibiti in sensu diviso sumatur, non

valet talis mixlio C. 36, (. 45 v. A: Si aulem in lertia figura itio de possibiti

sumatur in sensu composito, sive fuerit affirmaliva sive negaliva, non sequitur nniversaliler

aliqua conelusio de possibiti Quando tamen utraque est affirmaliva,

sequitur conelusio de possibiti sumpta in sensu diviso Si aulem maior sit de

inesse et minor de possibiti, si subiectum sumatur pro his, quae sunt, tunc valet

mixlio, si utraque fuerit universalis Si aulem minor de possibiti fuerit particu

ioris el subiectum sumatur pro his, quae possunt esse, non valet mixtio.

987) C. 37, f. 45 v. A: Videndum est, quomodo valet mixlio ex de inesse el

contingenti non necessario, el primo in prima figura Si Mu de eonlingenti

sumatur in sensu composito, sive fuerit maior sive minor, non sequitur conctusio de

eonlingenti, nec sequitur in sensu diviso Quamvis maiore existcnte nega

liva de possibiti et sumplo in minore aliquo inferiori sub medio lermino , sequitur

conctusio de possibiti, non tamen itta reguio est vera, si maior Si aulem itio de contingenti sumatur in sensu diviso , si sitsitmadieore,onaliunlgesnutbi.

iectum accipitur praecise pro his, quae sunt, aut pro eis, quae cantingunt : si primo

modo, est »gllogismus reguiotus; si aulem subiectum maioris praecise supponit

pro his, quae contingunt, non valet mixtio; st aulem supponit tam pro his,

quae sunt, quam pro his, quae conlingunt, sie est mixtio bona .... Si aulem minor

sit de contingenti, non sequitur universaliler conelusio Tamen si maior sit de

inesse simpliciter, sequitur conctusio de contingenti, el hoc, si minor sit sumpla in

sensu composito vel diviso; hoc tamen inlelligendum est: si maior sit affirmaliva,

sequitur conctusio de conlingenli; si aulem maior sit negaliva, sequitur conctusio

de possit,iti C. 38, f. 45 v. B: Si itio de eonlingenti fuerit negaliva in secunda

figura et sumatur in sensu composito, quamvis itta de inesse sit de inesse simplic,

ler, non sequitur conctusio de conlingenli Simitiler st affirmaliva fuerit de conlingenli

, non sequitur conctusio de conlingenli in sensu composito ; simitiler eliam,

quamvis affirmaliva sil de inesse simpliciter Si aulem negaliva fuerit de inesse

et affirmaliva 'de eonlingenti, non sequitur conctusio de eonlingenti Si aulem itio

de conlingenli sumatur in sensu diviso, si negaliva fuerit de eonlingenti , non sequi

tur conctusio de contingenti; si aulem affirmaliva fuerit de contingenti, sequi

tur conctusio de possibili C. 39, f. 46 r. A: 0uando itio de eonlingenti in lerlia

figura sumitur in sensu composito , non sequitur generaliter conctusio nec de contin

XIX. Occam (Argumentalion). 405

Urtheil988), ein Inhärenz - Urtheil und ein Urtheil anderweiliger Moda

lität989), ein Nothwendigkeits - und ein Möglichkeits - Urtheil 990), ein

genti nec de possibiti in sensu composito Tamen si utraque sit universalis affir- •

maliva et subiectum itlius de conlingenli supponit pro his, quae sunt in actu, et ac

cipitur in sensu diviso, sequitur conctusio de possibiti in sensu diviso ; si aulem

subiectum itlius de conlingenti sumatur pro his, quae contingunt, non sequitur con

ctusio.

988) C. 40, ebend.: Videndum est, an ex itio de inesse et de impossibiti possit

fieri sgllogismus mixtus Semper itio de impossibiti aequivalel alicui proposilioni

de necessario , et ideo ex praediclis cirea mixlionem necessarii et de inesse

polest palere, quomodo polest argui ex propositione de inesse et de impossibiti. Vgl.

Anin. 983.

989) C. 41, f. 46 r. B : Dicendum est de mixtione propositionum de inesse el

de aliis proposilionibus modalibus, et primo in prima figura Quando aliquis

modus posilivus accipitur, cuiusmodi sunt „scitum, notum, demonstrabite, per se

nolum, rerum", raro vel nunquam , si maior sumatur in sensu composito et minor

de inesse, sequitur conctusio de tali modo in sensu composito, sive minor sit de in

esse simpliciler sive ut nunc Videndum est, an talis modus possit compelere

proposilioni universali, et si competat, an cuitibet consequenli ad itiom universalem,

vel non. Si non, nunquam talis discursus valet; huiusmodi aulem sunt „scitum,

dubitatum, per se notum, ereditum, opinatum, concessum" Si aulem talis mo

dus non possit compelere uni propositioni universali, nisi competat cuitibet conse

quenli, tunc lenet sgllogismus; talis aulem modus est litlera „verum" Si aulem

talis modus sit negalivus, ut litlera ,,/alsufl,", tunc non valet talis mixlio. Sed si

itio de modo sumatur in sensu diviso, semper talis mixlio valet respectu proposilionis

de consimiti modo in sensu diviso C. 42, f. 46 v. A : In secunda figura, si

talis de modo accipitur in sensu composito, raro vel nunquam valet sgllogismus,

quando modus aliquid addit ultra istum modum „verum", cuiusmodi sunt tales modi

„scitum, demonstratum, per se notum" Si aulem itio de modo accipitur in sensu

diviso, raro vel nunquam valel mixlio, sive affirmaliva sive negaliva fueril de modo.

tjuamris ex talibus proposilionibus de modo sumplis in sensu diviso vel eis

aequivalenlibus sit omnino idem modus arguendi in prima figura, sicut si omnes propositiones

esscnt de inesse, non tamen sie arguendum est ex eis in secunda figura,

el ralio est, quia tales propositiones non convertuntur sicut itioe de inesse

C. 43, f. 47 r. A: In lerlia figura, si itio de modo sumatur in sensu composito, non

valet mixtio respectu conctusionis de modo consimiti, addendo aliquid super hunc

modum „verum" sumptum in sensu composito S« aulem itio de modo sumatur

in sensu diviso, si maior sit de inesse et minor de modo, non valet mixtio; st

aulem maior fueril de modo el minor de inesse, si maior fuerit universalis, est mix

lio bona ; simililer si maior fuerit parlicuioris , Valet mixlio Ideo sciendum

est, quod in sgllogismo expositorio (s. Anm. 978) semper, si maior sit de modo

et minor de inesse, valel mixtio; sed si maior fuerit de inesse et minor de modo,

non valet.

990) C. 44, f. 47 r. B: De mixlione necessarii el possibitis in prima figura, quando

utraque sumitur in sensu composilo, si maior fuerit de necessario et minor de

possibiti, sequitur conctusio de possibiti in eodem sensu; el eodem modo, si

maior fuerit de possibiti Quando itta de necessario sumitur in sensu composito

et itio de possibiti in sensu diviso, si maior sit de necessario, sequitur con

ctusio de possibiti sumpta in sensu diviso; simulier si itta de necessario sit

minor; sed si subiectum maioris accipitur pro his, quae sunt, praecise, et subiectum

conctusionis pro his, quae possunt esse, non valet talis mixlio Quando

itio de necessario sumitur in sensu diviso et itio de possibiti in sensu composito, ....

si maior sit de possibiti, non sequitur conelusio de necessario nec de inesse, sed de

possibili sumpta in sensu composito; sed si maior sit de necessario, non valel

mixtio Utraque praemissa sumpta in sensu diviso, si maior fuerit de ne

cessario, non valet mixlio; sed si maior fuerit de possibili, valet mixlio

C. 45, f. 47 v. A: In secunda figura, si itio de necessario sumatur in sensu compo

sito, si negaliva fuerit de necessario, sequitur conctusio de possibiti Simititer

406 XIX. Occam (Argumentalion).

Nothwendigkeits- und ein Zufälligkeits-Urtheil CJ91), ein Nothwendigkeitsund

ein Unmöglichkeits-Urtheil 992), ein Nothwendigkeits- und ein Urtheil

st utraque sumatur in sensu composito Simitiler si affirmaliva fuerit de necessario

Simitiler si itio de possibiti sumatur in sensu composito Quando

itio de necessario sumitur in sensu dicisu et ilio de possibiti in sensu composito, et

tunc sequitur conctusio de possibiti Simitiler si utraque sumatur in sensu com

posito C. 46, ebend.: In lerlia figura, si itio de necessario sumatur in sensu

composito et itio de possibiti simitiler, sequitur conctusio de possibiti Si

aulem utraque sumatur in sensu diviso, si maior fuerit de necessario , non sequitur

conctusio de possibiti, nisi subiectum conctusionis sumatur pro eo , quod polest esse ;

si aulem maior fuerit de possibiti, semper sequitur conctusio' de possibiti,

sumpto subiecto conctusionis pro eo , quod est Si itio de necessario sumatur in

sensu composito et sit minor, sequitur conelusio de possibiti,;'..... si aulem itio de

necessario sit maior, sequitur conctusio de possibiti in sensu diviso, subiecto sumpto

pro eo, quod polest esse. Si aulem itio de possibiti sumatur in sensu diviso et ilio

de necessario in sensu composito, si itio de necessario fuerit maior, sequitur conctu

sio de possibiti, subiecto sumplo pro eo, quod polest esse; si aulem itio de necessa

rio fuerit minor, sequitur conelusio de possibiti.

991) C. 47, f. 47 v. A: De mixlione necessarii et conlingenlis in prima

figura, ss utraque sumatur in sensu composito, si maior "fuerit de neces

sario affirmaliva et minor de contingenli, non sequitur conelusio de contingenli;

simititer si maior fuerit negaliva de necessario; sed si in minore sumatur sub

iectum inferius ad subiectum maioris, semper sequitur conctusio St aulem maior

fuerit de contingenti, non sequitur Quando itio de necessario sumitur in sensu

composito et itio de contingenti in sensu diviso, ss itio de necessario sil maior,

in sgllogismo affirmalive non sequitur conctusio de conlingenti; ss maior fuerit

de eonlingenli, si subiectum maioris sumatur praecise pro his, quae sunt, mir!

mixtio; si sumatur praecise pro his, quae contingunt, non valet Quando

itio de conlingenti sumitur in sensu composito et itio de necessario si itio de necessario fuerit maior, non sequitur; si maiorinfuseernistu dediveiosno,

lingenli, non valet mixlio i.,n,unlu utraque sumitur in sensu diviso, si

maior fuerit de necessario, non valet; si maior fuerit de contingenli, semper

sequitur conctusio de eonlingenli C. 48, f. 46 r. A: In secunda figura, si utra

que sumatur in sensu composito, non valet mixlio .. 0uando illn de necessitale

sumitur in sensu composito et itio dc eontingenli in sensu diviso, semper talis mixtio

non valet Quando itio de contingenti sumitur in sensu composilo et itio de ne

cessario in sensu diviso, .... talis mixlio non valet (,ainnlo utraque sumitur

in sensu diviso, .... si ncgaliva fuerit de necessario, non sequitur conctusio;

si affirmaliva fuerit de necessario , sequitur conelusio de inesse et de possibiti , non

aulem de contingenli C. 49, ebeßd.: In lerlia figura, quando utraque sumitur

in sensu composito, semper sequitur conctusio de possibiti, sed non de con

lingenti Quando itio de necessario sumitur in sensu composito et itio de con

lingenti in sensu diviso, si itio de necessario fuerit maior, si subiectum minoris

supponat pro eo, quod est, non sequitur conctusio de contingenti, sed de possibiti;

si sumatur pro eo, quod contingit, non sequitur; .... si aulem maior fueril

de eonlingenli , si subiectum maioris supponal pro eo , quod est, sequitur conelusio

de contingenli; si pro eo, quod contingit , non sequitur 0uando illn de

contingenti sumitur in sensu composito et itio de necessario in sensu diviso,

valet respectu eonctusionis de possibiti Quando utraque sumitur t« sensu, diviso,

si maior fuerit de necessario, non sequitur conctusio de contingenti; ....

si maior fuerit de conlingenti et subiectum maioris sumatur pro eo , quod est, sequitur;

st auiem pro his, quae conlingunt, non sequitur conctusio de con

lingenti.

992) C. 50, f. 48 r. A : 0uod , sieut dictum est prius (vgl. Anffl. 983 u. 988),

quaelibet propositio de impossibiti aequivalet alicui proposilioni de necessario , ideo

ad sciendum, quando mixtio necessarii et inipossibitis valeat et' quando non/ eporlel

scire aequivalentiam propositionis de impossibiti et propositionis tfe, necessario.

XIX. Occam (Argumentalion). 407

anderweiliger Modalität993), ein Möglichkeits - und ein Zufälligkeits-

Urtheil 994), ein . Möglichkeit»- und ein Unmöglichkeits-Urtbeil995), ein

Möglichkeits- und ein Urtheil anderweiliger Modalität096), ein Zufälligkeits-

993) C. 51, f. 48 r. B: De mixtione propositionum de necessario et de aliis

modis ab islis quttuor in prima figura, quando ambae praemissae sumuntur in

sensu diviso (zu lesen composito), raro vel nunquam valet mixlio respectu conelusio

nis de alio modo, quam de necessario Tamen, quando unus modus est inferior

ad necessarium , tunc semper sequitur conelusio de necessario .... Quando aliquis

modus non polest compelere anlecedenli, nisi competal consequenli, tunc in tali mix

lione sequitur conctusio de tali modo ; huiusmodi aulem sunt „cognoscibite, eredibite,

apprehensibite" Si aulem utraque sumatur in sensu diviso, semper valet »gllo

gismus, quando Hin de modo infert suam de inesse, sicul in itlis de inesse, respectu

conctusionis eiusdem modi , de quo est maior; st aulem itio de modo non inferal

suam de inesse, tunc non valet mixlio C. 52, ebend. : In secunda figura,

quando utraque proposilio sumitur in sensu composito, raro vel nunquam valet mix

lio, nisi modus sit inferior ad necessarium Simitiler si itio de necessario suma

tur in sensu diviso, non valet mixlio Simititer 'si utraque sumatur in sensu

diviso C. 53, ebend. : In lerlia figura, si utraque sumatur in sensu composito,

raro vel nunquam valet talis mixlio Si aulem itio de necessario sumatur in

sensu diviso, non ratet Si aulem utraque sumatur in sensu diviso, si maior

sit de necessario et minor de alio, semper sequitur conctusio de necessario ; st

aulem moiqr fueril .de alio et minor de necessario, sequitur conctusio de eodem modo,

de quo est maior.

994) C. 54, f. 48 v. A: De mixlione de possibiti et conlingenti in prima

(iijvra, si utraque sumatur in sensu composito, nulio sequitur conelusio,

nec eliam valet, si allera sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso

Quando utraque sumitur in sensu diviso, si maior sit de possibiti et minor de

conlingenli, si subiectum maioris supponit pro his, quae possunt esse, et subiectum

minoris supponit tam pro his, quae sunt, quam pro his, quae contingunt, sequitur

conctusio de possibiti; st aulem subiectum maioris supponat pro his, quae

sunt, praecise, non valet mixtio Si maior sit de contingenli et minor de possi

biti, si subiectum maioris supponat tam pro his, quae sunt, quam pro his, quae

conlingunt, valet sgllogismus respectu conctusionis de conlingenli ; si aulem supponat

pro his, quae sunt , «oB n,l,'l C. 55 , ebend. : In secunda figura , si utraque

sumatur in sensu composito, non valet mixlio, nec valet, si allera praemissarum

vel utraque sumatur in sensu diviso C. 56, ebend. : In lerlia figura , si

utraque propositionum sumatur in sensu composilo, non valel mixlio, nec va

let, si allera sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso Si aulem

utraque sumatur in sensu diviso , si subiectum itlius de possibili supponat pro his,

quae possunt esse, et sit maior, sequitur conctusio de possibiti.

995) C. 57, f. 48 v. B: De mixtione possibitis et impossibitis polest palere

ex itlis, quae dicta sunt cirea mixlionem necessarii et possibitis. Vgl. Anm.

988 u. 992.

996) C. 58, ebend.: De mixlione propositionis de possibiti et aliorum modorum

in prima figura talis mixtio non valet, si ambae praemissae sumanlu,

in sensu composito Tamen quandocunque aliquis modus sumptus est inferior

ad necessarium, cuiusmodi sunt „demonstrabilc, per se nolum", semper ex tali maiore

de modo et minore de possibiti sequitur conctusio de possibiti, et si maior fueril de

possibiti Proporlionabitiler dicendum est de itio mixtione, quando allera sumi

tur in sensu diviso el allera in sensu composito. Si aulem utraque sumatur in sensu

composito (zu lesen diviso) et maior fueril de possibiti et minor de alio modo , qui

infert unam de inesse, sequitur conctusio de possibiti; st aulem itio de

possibiti fuerit minor, raro vel nunquam valel mixtio C. 59, ebend. : Si utra

que iliorum proposilionum sumatur in sensu composito, non valet mixtio, si itle

modus non sit inferior ad neces,arium, in secunda figura Simitiler si allera

sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso, si itio de modo non inferal

itiom de necessario, non valet mixlio ; si inferal eam, valet respectu conelusionis de

possibiti, Si aulem utraque sumatur in sensu diviso et itio de modo non inferat

408 XIX. Occam (Argumentalion).

und ein Urtheil anderweiliger Modalität997). Obwohl aber Occam mit

diesem letzleren die modalen Syllogismen ausdrücklich abschliesst 998),

fand der Herausgeber noch eine Bemerkung über die Combinalionen

der anderweiligen Modalitäten für nötbig 9ylJ).

Sodann aber fügt Occam noch die exponiblen Schlüsse hinzu, und

er ist in der Geschichte der Logik, soweit uns bis jetzt »die Quellen zu

gänglich sind, der Erste, welcher die Exponibilia in solcher Weise mit

dem categorischen Syllogismus verbindet. Nach einer allgemeinen maassgebenden

Bemerkung1000) führt er zuerst das Reduplicaliv-Urtheil durch

die drei Figuren bezüglich der Schlussfähigkeit hindurch und zeigt, dass

in der ersten Figur bei reduplicalivem Obersatze, dessen Reduplicalivittam

de necessario, non valel C. 60, ebend. : In lertia figura , si utraque

sumatur in sensu composito , si itio de modo non inferat itiom de necessario , non

valet mixtio ; sed si inferat . mixlio est bona Si aulem itio de possibili

sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso, si itio de possibiti fuerit maior,

non sequitur conelusio de possibiti, si itio de modo non inferat necessariam;

simitiler non valet, si minor fuerit de possibiti Si aulem itio de possibiti sumatur

in sensu diviso et itio de alio modo in sensu composito, si itio de possibiti fue

rit maior, non sequitur conctusio, sed si itio de possibiti fuerit minor

St aulem utraque sumatur in sensu diviso , valet mixtio respectu conelusionis de

possibiti.

997) C. 61, f. 49 r. A : De mixtione conlingentis et aliarum modalium in

prima figura, si utraque sumatur in sensu composito , si itio de modo non in

ferat ittam de necessario, mixlio non valet ; si aulem inferat, mixtio est bona.

Si aulem itio de contingenti sumatur in sensu composito et alia in sensu di

viso , si itio de contingenli fuerit maior, non valet mixtio; si aulem itio de

modo inferat ittam de necessario, mixlio est bona; simititer dicendum est, si itio de

conlingenli sit minor. Si autem iila'de contingenli sumatur in sensu diviso, si sit

maior , semper sequitur conelusio de possibiti , quando minor Si anlem utraque sumatur in sensu diviso , si maior fueriintferdte scuonalmingdeenliin,esssee.

quitur conctusio de possibiti, quando minor infert suam de inesse; si aulem

itio de conlingenli fuerit minor, non valet C. 62, ,;bend. : In secunda figura,

si utraque sumatur in sensu composito, non valet mixtio, nisi itta de alio modo

inferal itiom de necessario; si oulem inferat, mixlio est bona Si aulem

itta de conlinifenli sumatur in sensu composito et itta de alio modo in sensu diviso,

si itio de conlingenti fuerit negaliva, non valet mixtio; simitiler si affirmaliva

fuerit de contingenti Si aulem itio de contingenli sumatur in sensu diciso et alia

in sensu composito , non valet mixtio , et si utraque sumatur in sensu diviso,

eliam mixlio non valel C. 63, ebend. : In lerlia figura , si utraque sumatur in

sensu composito, non valet mixlio , nisi itio de alio modo inferat itiom de ne

cessario ConsimitÜer est dicendum, quando itio de conlingenli sumitur in sensu

composito et alia in sensu diviso. 'Si aulem itio de conlingenli sumatur in sensu

diviso et subiectam supponat pro Ais, quae sunt, et fuerit universalts , et alia de

modo inferal suam de inesse, sequitur conelusio de contingenli.

998) C. 63 , ebend. : Et ista de mixlionibus ad praesens sufficiant , quamvis

multa causa brevitalis sunt omissa (jedenfalls seit Anm. 980 eine hübsche brevitas).

999) C. 64, f. 49 r. B: Si aulem mixlio fiat ex proposilionibus modalibus aliorum

modorum, aul utraque propositio sumitur in sensu composito aut sub alio

et alio sensu. Si primo modo, raro vel nunquam valet mixlio ; si autem praemissae

sumantur in alio sensu, tunc , si minor inferat suam de inesse, semper con

elusio sequitur de eodem modo, de quo est maior.

1000) C. 65, ebend.: Videndum est, quomodo sgllogismus fit ex proposilionibus

ptures exponentes habenlibus Ulendum est ista reguta generaliler : Quandocunque

quaelibet exponens conctusionis vel ipsa conctusio sequitur ex aliquibus exponi'ntibus

praemissarum vel ex una exponente unius praemissae et alia praemissa,

semper est bonus »gllogismus et aliler non.

XIX. Occam (Argumentalion). 409

Partikel nicht mit einer Negalion verbunden ist, stets ein reduplicaliver

Schlusssatz erreicht wird, mag der Untersatz reduplicaliv sein oder nicht;

dass hingegen in der zweiten Figur beide Prämissen Reduplicaliv-Sätze

sein müssen, um einen reduplicaliven Schlusssatz zu gewinnen, und dass

in der dritten Figur nur der Obersatz reduplicaliv sein darf 1 00 1). Dann

folgen die Exclusiv-Urtheile, welche nur in der ersten Figur bei paar

weiser Combinalion einen exclusiv«n Schlusssatz geben, hingegen weder

in der zweiten noch in der dritten1002). Was endlich die Excepliv-

Urtheile betrifft, so gilt ein excepliver Schlusssatz nur dann als zulässig,

wenn in der ersten Figur der Untersatz allein excepliv ist, während in

den beiden anderen Figuren überhaupt ein Excepliv-Schluss nicht möglich

ist 1003). — Wenn aber dann trotz einer deutlichen Bezeichnung des

Abschlusses der Syllogislik1004) doch noch ein paar nichtssagende Zeilen

über die hypothelischen Schlüsse folgen1005), so fällt diess natürlich

gleichfalls auf Rechnung des Herausgebers.

Ueber die zweite Unterabtheilung des dritten Haupttheiles darf ich

mich sehr kurz fassen, denn Occam entwickelt dort100li) nur den Inhalt

der zweiten Analylik des Aristoteles in getreuer und verständiger Para

phrase , so dass auch die seit den Arabern und Albertus Magnus beson

ders hervortretenden Fragen über per se1007), über causa1008), über

passiones und dignitales 1009); über demonstralio quia und demon-

1001) Ebend.: Ex isto palet, quod semper in prima figura ex maiore redupliet

minore reduplicaliva vel non reduplicaliva sequitur conctusio redupliealiva,

sieul sequitur „Omnis homo, inquantum ralionalis, est susceplivus disciplinae ; Animal

est homo, inquantum ralionale; Ergo animat, inquantum ralionale, est susceplivum

disciplinae" Quae aulem dicta sunt , intelligenda suul , quando reduplicalio sumitur

proprie et manet non negata; si enim reduplicalio fuerit negata in maiore el

affirmala in conclusione, non valet discursus In secunda figura, quaecunque

praemissa sumatur cum reduplicalionc et alia sine, non sequitur canciusio reduplicaliva

; sequitur tamen condusio , in qua negatur reduplicalio ; . . . ; . si aulem

omnes praemissae sinl reduplicalivae , ifa quod in utraque reduplicalio cadens super

idem sit a/firmaliva, sequitur conclusio reduplicaliva. In terlia aulem fiqura, si maior

universalts fuerit reduplicaliva el alia non, sequitur conclusio reduplicaliva; .... sed

si minor fuerit reduplicalivn, non sequitur.

1002) C. 66, f. 49 v. A: Cirea exclusivas sciendum est, quod in prima figura

ex omnit,us exctusivis conlingit inferre exctusivam; sed ex maiore universali el

miuore exctusiva sequitur conclusio particutaris, sed non exctusiva. In secunda /igura

ex omnibus exctusivis non sequitur exctusiva In lertia figura ex omnibus exctusivts

non sequitur exctusiva.

1003) C. 67, ebend.: Cirea exceplivas est sciendum, quod ex omnitius exceplivis

in prima figara non sequitur conctusio excepliva Simuiler ex maiore excepliva

et minore non excepliva sive de inesse non sequitur generaliler conctusio Similiter

in secunda figura et lerlia non valet.

1004) Ebend.: Et ista de sgllogismis ad praesens sulficiant.

1005) C. 68, ebend.: Dicto de sgllogismis calegoricis dicendum est de sgllo-

,lismis bgpothelicis n. s. f. (es folgt aber nur die Angabe des sog. modus ponens

und modus tollens beim condilionalen Urtheite). Dass die hypolhelischen Syllo

gismen ihre Erledigung erst bei der Lehre von Consequenlia finden sollen , sahen

wir schon oben Anm. 956.

1006) III, 2, C. 1—41, f. 49 v. B — 56 v. B.

1007) C. 7, f. 50 v. A; vgl. Abschn. XVII, Aum. 473.

1008) C. 15, f. 51 v. B.

1009) C. 12, f. 51 r. B, n. C. 35 ff., f. 55 f.; vgl. ebend. Anm. 475.

410 XIX. Occam (Argumentalion).

stratio propler gw'd1010), sowie über die Demonstrirbarkeit der Defini

lionen1011) hier nichts Bemerkenswerthes darbieten. Nur ist hervor

zuheben, dass Occam bezüglich der Definilion selbst, welche er schon

oben bei der Lehre vom Begriffe erörtert hatte (s. Anm. 842 fT.) , nun

das dort Gesagte theils modiftcirt theils erweitert. Nemlkh hier unter

scheidet er nicht bloss die sachliche Definilion (quid rei), welche für

Wort-Disputatiouen gleichgüllig sei, von der sprachlichen (quid nominis),

welche bei connotaliven Begriffen (s. Anm. 917 ff.) ihre passende Ver

wendung finde, sondern er zerlegt auch die erstere in diejenige, welche

ausser dem innersten Wesen ihres Gegenstandes keinen weiteren Zusatz

enthält, und in jene, welche mitlelst eines äusserlichen Zusatzes (per

addilamentum) ausgesprochen wird lul2); bei ersterer gibt er die be

kannte Regel, dass Gattungsbegriff und artmachender Unterschied die

wesentlichen Bestandtheile bilden1013), bei letzterer weist er auf die

Verschiedenheit der Denkauffassung des ursprünglichen Begriffes und

jenes Zusatzes hin1011). Die Defmilion aber der connotaliven Begriffe

unterscheidet er abermals, je nachdem derselben wirkliche Dinge ent

sprechen oder nicht, und im ersteren Falle sei streng genommen über

haupt nur eine sprachliche Definilion möglich, welche zuweilen von

Einigen als formalü bezeichnet werde, während eine sachliche Definilion

derselben, welche man dann materialis nenne, nur als eine uneigentliche

1010) C. 19 f., f. 52 r. B; vgl. ebend. Anm. 477.

1011) C. 30 f., f. 54 v. A v. B. , • . , ;i . •i:!

1012) C. 28, f. 54 r. A: Diffinitionum quaedam est diffinilio exprimens quid

,unnmii, et quaedam cst diffinitio quid rei. Diffinitio exprimens quid rei non

est necessaria disputanti scienti significatum vocabuli, quia talis diffinitio non

tönfut« exprimit, quid nomen significal , sed exprimit eliam, quid res est. Talis

aulem diffinilio duplex est ; quaedam enim talis est, quae nit,it importal extrinsecum

rei alio modo, quam importat rem; et talis diffinilio vocatur diffinitio propriissima

dicta, quae non polest esse nisi substanliarum Alia est diffmitio importans quid

rei, quae simul eum hoc, quod importat rem, importal vel exprimit aliquid aliud,

quod non est de essentia rei, sicul est diffinilio animae, quae est ista „Anima est

actus corporis phgsici organici" (Arist. de an. II, l, p. 412 a 27;, quae importal

animam et oorpus , quod non est pars animae; et ista vocatur diffmilio per

additamentum, et tales diffinitiones importantes quid rei convertuntur cum nominibus

mere absolulis affirmalivis. Aliae sunt diffiuitiones importanles quid nominis , quae

non sunt nisi oraliones exprimentes, quid nomina significant; et tales diffiniliones

proprilssime sunt nominum negalivorum et connotalivorum et respeclivorum.

1013) C. 29, f. 54 r. B: Diffinilio exprimens quid rei, non data per additamentum,

semper continet pro prima parte aliquod genus diffiniti el pro alia parte vel

aliis partibus conlinet differenliam vel differentias essentiales vel aliquos obliques

significanles per se et primo partes rei.

1014) C. 32, f. 55 r. A : Diffinitio data per additamentum non sotum explical

essenliam rei, sed. etiam simul cum hoc explical aliquid aliud a re , el hoc vel ne

galive vel affirmalive; et ideo talis diffinitio non sotum componitur ex aliquo praedicabili

per se , .- sed eliam componitur ex aliquibus praedicabitibus, quae

sunt passiones diffiniti. Et ideo ad sciendum, quomodo diffmitio talis scitur de äiffinito,

videndum est, quomodo diversac partes diversimode sciuntur de eodem......

¥. gr. si baec sit diffmilio albedinis „color disgregalivus visus" (Arist. Top. III, 5,

p. 119 a 29), prima particuta, quae est genus albedinis, nullo modo polest deniunstrari

de albedine, sed' tantum polest fieri evidenler nota per nolilian, intuilivam et

non per sgllogismum (s. ob. Anm. 748 f.), secunda aulem parlivuta. polest fieri nota

per experientiam, si enim nultus experiatur, albedinem disgregare visumt nultus sciret,

an albedo esset disgregaliva visus. . in ;. ';•,.-i•

XIX. Occam (Argumentalion). 411

betrachtet werden dürfe; im letzteren Falle, d. h. bei erdichteten Be

griffen, könne natürlich ohnediess von einer sachlichen Definilion keine

Rede sein1015).

Die dritte Unterabtheilung, in welcher jene Argumentation besprochen

werden soll, deren Form nicht eine streng syllogistisehe ist, beginnt so

fort mit der Lehre von Consequentiae , welche Occam , wie wir sahen,

auch schon in dem Bisherigen zuweilen berücksichligt hatte (s.Anm.924,

933,936). Zweifellos aber ist es, dass er auch diese Gruppe auf Grund

lage einer reicheren Litteratur darstellte, welche mV zu seiner Zeit aus

früheren Anfängen erwachsen war ; denn wenn schon dasjenige, was wir

oben (Abschn. XVII, Anm. 610 — 624) sahen, eine gewisse schuünässige

Durchbildung dieses Stoffes verräth, so zeigen sich hier Modificalionen

und Erweiterungen jener Lehre, welche von Occam offenbar als allgemein

bekannte benützt und verarbeitet werden. So befindet sich Occam schon

bezüglich der Eintheilung der consequentia auf einer vergleichsweise

neuen Basis; er stellt nemlich die Unterscheidung der consequentia simplex

und consequentia ul nunc an die Spitze und lässt hiedurch alle

übrigen Eintheilungen gekreuzt werden; diese letzteren beruhen zunächst

darauf, dass die consequentia entweder bereits durch das logische Verhältniss

der in einem Urtheile enthaltenen Begriffe gegeben ist, — consequen

tia per medium intrinsecum —, oder dass sie sich erst auf anderweilige

allgemein geltende Gesetze der Logik berufen muss, — consequentia per

medium extrinsecum —; ferner wird hiemit wieder die Eintheilung in con

sequentia formalis und consequentia malerialis derarlig in Verbindung

gebracht, dass die erstere entweder nur auf medium extrinsecum oder

auf einer Verflechtung der beiden media beruhen' soll, während letztere

gar keines Mediums, sondern nur der im Urtheile vorkommenden Begrifl'e

selbst bedürfe; ausserdem noch seien die Unterschiede der Supposilion

der Begriffe und der Quanlität, Qualität und Modalität der Urtheile als

Eintheiiungsmolive der Consequenzen zu betrachten"110). Doch dass gerade

1015) C. 33, f. 55 r. B: Non solum aulem diffinita absotuta dißniuntur, sed

eliam diffinita connolaliva; et ilio sunt in duplici di/ferentia ; quaedam enim sunt

talia, de quit,us significalive sumplis impossibitiler praedicatur esse , euiusmodi sunt

„chimaera, Iiireocereus , vacuum" et kuiusmodi; aliu sunt, de quibus non impossibiliter

praedicatur esse, sicut „album, nigrum, risibile , calefactivum" Prima habent

praecise diffiniliones exprimenles quid nominis Alia aulem connotaliva

possunt kahere duplicem diffinilionem : unam, quae exprimit quid nominis tantum, et

.'t1,u11. quae exprimit quid rei ; itta aulem, quae exprimit quid nominis tantum, est

propriissima diffinitio talis diffiniti, propler quod vocatur a nonnullis diffinilio forma

lis et diffinitio secundum speciem; alia exprimens quid rei non est propriissima, . . . .

quia tale connotalivum non habet nisi diffinilionem exprimentem quid nominis tan

tum, et propler hoc talis diffinilio vocatur diffinitio malerialis ab aliquibus.

1016) III, 3, l, f. 57 r. A : Habito de sgllogismo demonstraliva agendum

est nunc de argumentis et consequenliis, quae non habent formam sgllogislicam

Et primo praemitlendae sunt quaedam dislinetiones de conseqtlentiis Consequenliarum

quaedam est ut nunc et quaedam est simplex Aliquando consequentia

lenet per medium intrinsecum, quando lenet virtule alieuius propositionis formatae

ex eisdem lerminis, sicul i,ta consequentia „Soerales currit, ergo homo curn'i"

lenel virtule islius mediae „Soerales est homo"; sed tunc lenel consequenlia per

medium extrinsecum, quando lenet per aliquam reguiom generalem, quae .non ptus

respicit illos lerminos, quam alius Consequentianim quaedam est malerialis el

quaedam formalis: consequenlia formalis est duplex, quia quaedam lenet per medium

412 XIX. Occam (Argumentalion).

über diese Eintheilung eine bunte Manigfaltigkeit der Theorie in den

Schulen umlaufen mochte, bezeugt uns Occam selbst, indem er anderswo

eine ganz abweichende Unterscheidung der consequentia formalis an

führt1017). Die zahlreichen Regeln aber, welche sodann Occam über die

verschiedenen consequentiae vorführt, zeigen uns ebenso wie die ältere

Formalion dieser Lehre (Abschn. XVII, Anm. 623) einen grundsätzlichen

Hinblick auf den Umkreis der Topik in Benützung der Begriffe der DeliniüoM,

Beschreibung, Interpretalion u. dgl., sind aber zugleich für Jeden,

der die gewöhnliche Lehre vom Urtheile inne hat, so selbstverständlich,

dass man es als ein überflüssiges Unternehmen bezeichnen möchte, die

selben in solcher Ausführlichkeit zu registriren (ich verzichte daher auch

hier darauf, den Inhalt der Anmerkungen im Haupl-Texte zu wieder

holen).

Diese Regeln beziehen sich zuerst auf die consequentiae per medium

intrinsecum ; diese aber können entweder aus einem allgemein bejahenden

auf ein allgemein bejahendes Urtheil schliessen, sei es dass sie von den

Prädicaten jeder Art gelten1018), oder dass sie nur bei gewissen relaliven

extrinsecum, quae respicit formam proposilionum, et quaedam tenel per medium

intrinsecum immediale el mediale per medium extrinsecum, respiciens condiliones generales

proposilionum Consequenlia malerialis dicitur, quando lenet praecise ralione

lerminorum et non ralione alicuius medii Aliquando conctuditur praecise

praedicatum de subiecto non delerminato, an praedicatum sit genus vel species vel

differentia; aliquando conctuditur cum tali delerminalione Aliquando infertur

consequens, in quo subiectum supponit personaliler el significalive, et aliquando

infertur consequens, in quo subiectum supponit simpliciter vel malerialiler Ali

quando infertur consequens, quae est proposilio universalis, et aliquando proposilio

parlicutaris Aliquando infertur proposilio affifmaliva et aliquando negaliva

Consequentiarum quaedam est ex antecedenle affirmalive et consequenle affirmalive,

quaedam ex utroque negaliva, quaedam ex anlecedenle affirmaliro et consequenle negalivo,

quaedam e converso Aliquando consequens est proposilio de inesse, ali

quando est proposilio de necessario el sie de aliis.

1017) Sent. t, Dist. 4, qu. l K: Consequenlia formalis est duplex : aliquando

lenel ralione complexorum, et talis consequentia est sgllogismus, quia ubicunque et

ex quibuscunque lerminis fiat sgllogismus habens tales praemissas sie dispositas, ibi

est bonus sgllogismus. Simitiler ab exctusiva ad universalem de lerminis transposilis

est bona cunsequenlia, simitiler a coputaliva ad allerem partem Aliquando

cunsequenlia est formalis praecise ralione lerminorum , quia sciticet lermini ipsi se

habent ad invicem sie vel sie, el isto modo ab univrrsali ad singutarem est bona

consequenlia quia lerminus unus continetur ab alio.

1018) Summa t. l. a. a. O. c. 2, f. 57 r. B: Dicendum est primo de regulis,

per quas lenent consequenliae, quae lenent per medium intrinsecum, ei cirea

hoc primo de regulis, per quas lenent consequenliae conctudenles conctusionem

universalem affirmalivam ex affirmaliv a, in qua lermini supponunt significalive et personaliter

A superiori distributo ad inferius distributum est bona consequentia ;

quando praediealio superioris de inferinri est necessaria, tunc est consequentia

simplex; quando aulem praedicalio esl conlingens , tunc est consequenlia ut nunc ;

verumtamen quando tam antecedens quam consequens sunt de possibiti vel

contingenli, accepto subiecto utriusque pro eo, quod est, vel pro eo, quod conlingit,

est generaliler consequentia simplex A diffinito distributo ad diffinilionem

distributam est bona cunsequenlia el e converso A deseriplione distributa ad

deseriptum distributum est bona consequenlia et e converso A nominis inlerpretalione

distributa ad nomen inlerpretatum distributum est bona consequenlia et e

eonverso Ab uno converlibitium distribulo ad reliquum distributum est bona

cunsequenlia et e converso Praedictae regutae inlelligendae sunt in proposilionibus

de inesse et de modo in sensu diviso , non in itlis de modo sumplis

XIX. Occam (Argumentalion). 413

Prädicaten stattfinden1019), oder sie enthalten einen Schluss aus einem

allgemein verneinenden Urtheile auf ein allgemein verneinendes, und zwar

abermals entweder bei jedwedem Prädicate1020) oder nur bei relaliven

Begriffen 1021) , oder endlich sie schliessen aus Bejahendem auf Ver

neinendes oder umgekehrt, welch beides einer näheren Aufzählung der

Regeln nicht bedürfe; hingegen ist noch die Abfolge parlicularer und

unbeslimmter Urtheile durch besondere Regeln zu normiren1022). Hierauf

in sensu composito; in talibus enim videndum est, an modus possit compelere

anlecedenli, nisi competat consequenli; et tunc est bona consequentia et cum modn

veritalis tenet , non aulem cum modo necessitalis vel possibilitalis , quia in consequenlia

ut un,u: ex necessario polest sequi conlingens et ex possibiti A differentia superiori distrit,ula ad inferius distributum est boimnpaossciobnistee.

quenlia A oonvertibiti cum superiori distribulo ad inferius distributum

A d,ffinilione superioris et deseriptüme et nominis interpretalione distributa ad in

ferius distributum Quando contingit inferrv diffinitum vel deseriptum vel inlerpretatum

cum distrit,ulione, conlingit inferre diffinilionem et deseriplionem et nominis

inlerpretalionem cum distnbulione.

1019) C. 3, f. 57 ».B: Dicendum est de regulis, per quas iufertur universalts

affirmaliva non respectu omnium praedicalorum, sed respectu aliquorum Ab uno

reiolivotum, quae sunt simul natura, distributo ad reliquum distributum respectu huius

verbi „esl" est bona consequentia et non respectu aliurum praedicatorum , unde bene

sequitur „Omnis paler est, ergo omnis fitius est" A lolo distributo ad partem

distributam respectu huius verbi „esl" est bona consequenlia, sicut sequitur „Omnis

domus est, ergo omnis paries est" St concretum praedicatur de conerelo distri

buto, et abstractum praedicabitur de abstracto distribulo, sicut „Omne iustum est lm

niim, ergo omnis iustitia est bona (zu lesen bonitas)".

1020) C. 4, ebend. : Reguioe, per quas lencnt consequenliae inferentes universa

lem negalivam ex negaliva respectu quorumquc praedicatorum A supe

riori distribulo ad inferius distributum negalive est consequentia simplex, „Nultus

bomo currit, ergo nulius homo albus curril" A diffinitione ad diffinitum

cum distribulione eliam negalive et a deseriplione ad deseriptum, el e converso

A differentia superioris ad inferius et a differenlia superioris ad inferius negalive

cum distribulione lenet consequenlia.

1021) C. 5, f. 58 r. A: JVon respectu quorumeunque praedicalorum deserviunt

regular tales : Ab uno reiolivorum, quae sunt simul natura, ad reliquum negalive cum

distnbulione est bona consequenlia A nomine partis distributo ad nomen lolius

disiributum Si coneretum negatur universaliter de conereto, el abstractum de

abstracto A negalione prioris d,stribuli ad negalionem posterioris, sicut „Nulta

substanliv est, ergo nultum aecidens est" A negalione subiecli seu denominali

ad negalionem denominantis, sicul „Nultum corpus est, ergo nultum album esl".

1022) C. 6, ebend.: Restal dicere, quomodo universalis affirmaliva infertur ex

negaliva el e converso ; sed quia ista possunt palere ex praedictis, ideo dicendum

est de consequenliis inler particuiores et indefinites, quia particuioris et indefinita

convertuntur semper, quando lermini supponunt personaliler et significalive (vgl.

Anm. 901) A di/finitione ad diffinitum est bona consequentia a parte subiecli et

eliam a parle praedicali affirmalive el e converso A deseriplione ad deseriptum

el e converso A nominis interpretalione ad nomine interpretatum Ab inferiore

ad superius est bona consequentia sine distribulione et affirmalive, el talis est sin,-

plex Ab inferiori ad superius postposita negalione est bona consequentia, sed non

simplex, nisi quando praedicalio superioris de inferiori est nccessaria Ab uno

convertibilium ad reliquum Ab aliquo sumpto cum delerminalione ad ipsum

sumptum sine delerminalione; tamen aliquando de lolo aggregato ex delermi

nalione et delerminabiti praedicatur allera pars , aliquando utraque pars, aliquando

neutra, v. gr. de itlo lolo „homo albus" praedicatur utraque pars A proposilione

sumpta cum adverbio delerminanle operalionem ad ipsam sine delerminalione

sumptam valcl consequentia a/firmalive, sicut „Soerales velociter currit, ergo Soerales

curnl" A propostlio,le universali affirmaliva ad quamlibet indefinitam, parlicu

414 XIX. Occam (Argumentalion).

folgen die consequentiae per medium exlrinsecum, und zwar sowohl

wenn Bejahendes aus Bejahendem1023), als auch wenn Verneinendes aus

Verneinendem lt)24), als auch wenn Bejahendes aus Verneinendem oder

umgekehrt geschlossen wird1025). Sodann werden specielle Regeln der

eonsequentia betreffs der modalen Urtheile formulirt, wobei natürlich

wieder, wie schon früher (s. Anm. 950 11'. u. 980 11'.), in der Unterschei

dung des sensus vompositus und des sensus divisus das hauptsächliche

Moliv liegl; zuerst wird der Fall ins Auge gefasst, dass die Modalität

des Urtheiles im Schliessen unverändert bleibt, d. h. dass z. B. von einem

Nothwendigkeits-Urtheile nur wieder auf ein Nothwendigkeits-Urtheil ge

schlossen wird1026); sodann folgen die Schlüsse, welche von einem mo

vei singulurem affirmalivom, de cuius subiecto vere praedicatur subiectum universalis,

est bona consequcntia respectu eiusdem praedicali, nulio varialione exislenle

a paele delerminalionis''. . . . . A nomine numeralt respectu huius verbi „esl" ad nomen

parils, -..''. .sieut '„Quatuor sunt, ergo duo sn«f"..... A nomine colleclivo ad nomen

parlis Quando sunt duae contrarietales , si unum extremum unius contrarietalis

praedicatur de uno extremo allerius contrarietalis, reliquum extremum praedicabitur

de reliquo; -sicut „luslilia est virtus, ergo iniuslilia est vilium" Si generalio

alicuius bona est, ipsum quoque bonum est ; ferner ebenso beim Prädicate „matus"

und beim Subjecle „corruplio" .

1023) C. 7, f. 59 r. A: Dicendum eti nunc de regulis infcrenlibus affirmalivam

ex affirmaliva per medium extrinsecum Si principule de principali, et coniugatum

de coniugalo et casus de easu et e converso ; et vocatur coniugatum coneretum et

principale abstractum, st coneretum et abstractum significant idem (s. Anm.

826 ff., 885, 918) Si aliqua consequentia sit bona, eodem addito utrobique

adhuc erit bona Quod dicit sapiens, est verum; sed istn reguio non est

generalis nisi de autore, qui errare non polest Si simpliciler ad simpliciter, et

magis ad magis et maxime ad maxime Si singuiori' de singuiori, et pturale de

plurali Si pturale de pturali, et singutare de singuiori.

1024) C. 8, f. 59 v. B: De regulis, per quas lenent consequenliae inferenles

negeliwim ex negalira. Et est unu reguio compleclens multas, quae est talis: A diffinilione

ad diffinitum, a deseriplione ad deseriptum, a nominis inlerpretalione ad inlerpretatum,

ab uno converlibili ad reliquum, et e converso lenel consequenlia, sive

praeponatur sive postponatur negalio ;...... Ab inferiori ad superius postposita negalione

est bona consequenlia A negalione inferioris ad negalionem superioris

sumpli cum signo universali affirmaliva vet stanle immobi liler est bona consequentia,

sicul „Sverales non est isle homo, ergo Soerales non est omnis Aomo" Si „differre,

esse aliud, distingui" significent idem quod „non esse idem", tales consequen

liae' sunt bonae ;..... verumtamen polsst dislingui de „esse non idem", quia uno

modo polest esse lerminus retalivus, alio modo lerminus mere infinitus ...J, A nega

lione alicuius ad negalionem eiusdem cum aliqua delerminal,one est bona consequen

lia, sicul „Soerales non est homo, ergo Soerales non est homo albus".

1025) C. 9, f. 60 r. B: De regulis deservienlibus consequenliis inferenlibus negalivam

ex affirmalivu et e converso Ex affirmalione contrarii sequitur negalio

allerius contrarii A negalione contrarii ad positiunem allerius est bona consequen

lia A posilione habitus sequitur negalio privalionis et e converso (dann folgt

die schon oben, Anm. 900, angeführle Stelle) AI) affirmalica de praedicalo

infinito ad negalivam de praedicalo finito Ad affirmalivam de praedicato finito

sequitur ncgaliva de praedicalo infinilo Ad negalivam de praedicalo finito sequi

tur aßrmaliva de praedicato infinito Ad negalivam de praedicato infinito sequilur

affirmaliva de praedicalo finito Ab affirmaliva de specie specialissima ad

negaMam de alia specie specialissima condividente est bona .. consequenlia Ab

affirmalivu de uno genere ad negalivam de alio genere non suballerno est bona con

sequenlia.

1026) C. 10, f. 61 r. A: JVunc dicendum est de quibusdam regulis deservienlib'u's'

consequentiis ex propositionibus de modo Üe consequentiis ex proposilio

XIX. Occam (Argumentalion). 415

dalen Urtheile auf ein Inhärenz-Urtheil fibergehen1027), und zuletzt die

jenigen, welche von Einer Modalität auf eine andere Modalität hinüberschliessen1028).

Sowie aber ersichtlich ist, dass die bisher angeführten Regeln der

consequentia nichts Anderes enthalten, -als was die aristotelische Tra

dilion in Bezug auf Umkehrung, Entgegensetzung und Aequipollenz der

Urtheile dargeboten hatte1029), so reiht nun 'auch Occam betreffs der

modalen Urlheile wirklich sofort die Aequipollenz und Entgegensetzung

derselben an, :wie wenn Solches unbedingt nur zur Lehre von consequentia

gehören könnte. Nachdem er zu diesem Behufe eine Eintheilung

nibus de necessario est una reguio taLis : . Ab inferiori ad superius sine distribulionc,

tam a parte subiecti quam a parte praedicali, affirmalive est bona conse

quenlia, sicul „Soerales de necessitale est homo, ergo Soerales de necessitale est animal"

quando nccessarium sumitur in sensu diviso Semper ab itla de

necestario in sensu composito vel ei aequivalenti ad aliam de necessario in senm di

viso vel ei aequivalentem est- bonu consequenlia et e converso, sicut „Soerales

dc necessitale est homo, ergolbaec est necessaria „„Soeratcs est Aon,o"" ct e converso".

Cirea consequcntias, quae fiunt ex proposilionibus de possibiti est sciendum, quod

singuiore de subiecto, quod est nomen proprium vel praccise pronomen demonstralivum,

sumptum in sensu diviso infert Mam de possibiti sumptam in sensu composito et\e

converso; si subiectum fuerit lerminus communis, si stat pro eo, quod

est, consequentia non valet, sicut non M'qnttur „Hoc album polest esse nigrum,

ergo hacc est possibitis „Hoc album est nigrum" ; si aulem slet pro eo, quod

polest esse, ab itio in sensu diviso ad aliam in sensu composito non valet conse

quenlia Cirea propositiones de contingenli sciendum est, quod itio de conlingenti

sumpta in sensu composito et secunda in sensu diviso convertuntur, si subiectum

sit pronomen demonstrali,'um vel nomen proprium; si aulem suhiectum sit ler

minus communis, non oporlet Cirea itiom de impossibili sciendum est,

quod, quando subiectum est pronomen demonstralivum, itio in sensu composito et itio

in sensu diviso convertuntur; sed si subiectum sil lerminus communis,

non aequivalent Cirea alias modales u. s. f., ncmlich genau dasselbe wie bei

contingens und impossibite.

1027) C. 11, f. 6.1 v. B: Cirea consequenlias ex una de inesse et alia de modo.

Hin de necessario, sive sumitur in sensu diviso sive in sensu composito, semper

infert itiom de inesse, sed non e converso llla de possibiti, sive sumatur

in sensu diviso sive in sensu composito, non infert suam de inesse tlln de

contingenli, si sumatur in sensu composito, ..... non infert suam de inesse ;

simititer si sumatur in sensu diviso liio de impossibiti in sensu composito non

infert suam de inesse, sed semper contradictoriam suae de inesse; ..,,.. sm"l,iri si

sumatur in sensu diviso Cirea alias modales sciendum est, quod raro cel nunquam

itioe de inesse inferunt itios de modo, tamen frequenler itioe de modo

inferunt itios de inesse; st sit talis modus, qui non polest compelere nist propositioni

verae, consequenlia est bona ab itio de modo ad suam de inesse^ ..

1028) 'C. 12, f. 62 r. A: Videndum est de consequenliis ex proposilionibus diversorum

modorum liio de necessario semper infert ittam de possibiti ..... Ilta

de necessario non infert iltam de conlingenli, modo conlingenliae manentc aff,rmalivo,

nec e converso liio de necessario infert contradictorium itlius de impossi

biti. . .' . . Multae proposiliones de aliis modis inferunt itios' dc necessario, sed non e

converso, sicut sequitur „Omnem Iiominem esse risibite, est demortstrabite ; ergo

omnem hominem esse risibite, est necessarium" ...... Ilio de possibiti non in ff rt

ittam de contingenti, sed e converso Omnis propositio, in qua ponitur alius

modus, qui non polest compelere nisi proposilioni verae, mfert ittam de possibiti.

Reguio generalis est: A propositione de uno modo ad propositionem de alio

est semper bona conseqtlentia, quando modus consequentis praedicatur de modo anlecedenlis

universaliter sumpto.

1029) S. oben bei Anm. 892.

416 XIX. Occam (Argumentalion).

der Modalitäten in widersprechende (repugnantes) , subalternirende (secundum

superius et inferius) und disparate (impertinentes), sowie die

nöthige Berücksichligung der Quanlität und Qualität vorausgeschickt 1 030),

bespricht er ziemlich lückenhaft und in willkürlicher Auswahl einige

Momente der Aequipollenz der .Nothwendigkeits-Urtheile1031), hierauf der

Zufälligkeit -Urtheile1032) und zuletzt der Unmöglichkeits-Urtheile l033).

Diese Mängel der Darstellung ergänzen sich uns allerdings durch Das

jenige, was Occaui über diesen Gegenstand in der Expositio aurea

entwickelt, woselbst er durch die Erklärung des aristotelischen Textes

1030) C. 13, f. 62 r. B : Cirea proposilionum modalium aequipollentias et repugnanlias

sunt variae dtfficultaies Modorum quidam sunt repugnanles, quidam

.a a i superius et inferius se habenles, quidam sunt imperlinenles. Repugnanles sunt,

sicut necessarium et impossibite, possibite et impossibile, necessarium et conlingens,

ad utrumlibel et impossibite, necessarium et inopinabite, demonstrabite et indemonstrabite,

et tales mulli ; secundum superius et inferius se habentcs sunt, sicut necessa

rium et possibite, necessarium et scibite, necessarium ei demonstrabite ; imper

tmenles sunt, sicut dubitabite et possibite, et huiusmodi Modorum repugnanti um

quidam sunt immediali, sicul se habent possibite et impossibite , quia omnis

proposilio vel ost possibitis aul impossibitis; quidam sunt n,ediuli, sicol necessarium

et impossibite Modorum quidam sunt simpliciler affirmalivi, sicul necessarium,

quidam simpliciter negalivi, sicut impossibite, quidam non simpliciler affirmalivi

nec simpliciler negalivi, sicut conlingens In modaiibus quaedam sunt

proposiliones simpliciter primae, quarum aequipollenliae non sunt quaerendae, et sunt

omnes proposiliones, in quibus ponontur modi simpliciler affirmalivi vel non simpli

citer affirmalivi, tamen non negalivi; de aliis propositionibus modalibus quae

rendae sunt aequipollenliue In propositionibus quandoque modus affirmatur et

quandoque negatur.

1031) C. 14, ebend.: Primo aulem dicendum est de proposilione, in qua ponitur

itle modus „necessarium", de qua dicendum est, quod necessarium aut non negal

modum aul negal modum. Si primo modo, semper talis proposilio aequivalel alicui

proposilioni de necessario, sicut ista „Necesse est, non omne animal esse ho

minem" aequivulel isli „Necesse est, aliquod animal non esse hominem" Si

aulem modus necessitalis negatur et non signum (der gedruckle Text gibt ganz Ver

kehrles, sowie überhaupt gegen den Schtuss des Buches -id, die Druckfehler in

bedenklicher Weise vermehren)-, tunc modus necessitalis mutandus est in modum,

quem infert, sc. in possibitem affirmalivum, et residuum in contrarium, sicut ista

„Non necesse est, omne animal esse hominem" aequivalel isli „Possibite est, aliquod

animal non esse hominem". Si autem modus non negetur , sed signum sotum, modus

mutabitnr in possibilem affirmalivum, unde ista „Nultus homo de necessitale est ani

mal"' aequipollel isli „Omnis homo polest non esse animal":.... Sicul dictum est de

propositionibus de necessario respectu proposilionum de possibiti, ita dicendum est

proporlionabititer de propositionibus de possibiti respectu propositionum de necessario.

1032) C. 15, f. 62 v. A: Istarum proposilionum „Contingit, omnem hominem

esse animal" non est aequipollentia quaerenda, quia sunt primae ; possunt tamen

tales propositiones exponi, sicul ista aequivalel isti „Pbssit,itc est, omnem ho

minem esse animat, et possibite est, nultum hominem esse animal" Ideo semper

aßrmaliva et negaliva de contingenti, modo conlingenti remanente affirmalivo, eonvertuntur

Quando aulem dictum proposilionis de conlingenti mutatur in contradictorium,

tunc parlicuioris aequivalet uni disiunctivae.

1033) C. 16, f. 62 v. B: Proposilionum de impossibiti quaelibet aequiva

lel opposito alicuius de possibili; et cum dicitur, quod „impossibite" aequivalel

isli „non possibite", facililer polest sciri per praedicta, cui aequivalel propositio de

impossibiti tju,unlti nulio negalio negal modum impossibititalis, tunc ilio de impossibiti

aequivalel uni de necessario Si aulem modus impossibititalis sit negatus,

tunc mutabitur modus impossibititalis in modum possit,ititalis.

XIX. Oceam (Argumentalion). 417

veranlasst war, die erforderliche Casuislik erschöpfender durchzuführen ;

und somit darf ich wohl zur Vervollständigung auf seine dorligen An

gaben über die Aequipollenz der modalen Urtheile1034), sowie wenigstens

auf die versinnlichende Darstellung der Entgegensetzung derselben hin

weisen 1035).

Indem aber Occam als einen Gegenstand der consequentia auch noch

diejenigen Urtheile beizieht, bei deren Begriffen nicht eine suppositio

personalis , sondern eine suppositio simplex oder materialis obwaltet

1034) Expos, aur. Perierm. II (gegen Ende): Cirea proposiliones modales sunt

duo videnda: primum est de aequipollenlia , semndum de repugnanlia Aequipollenlia

habetur, quando per addilionem negalionis tola proposilio negaliva redditur

allerius quantitalis vel qualitalis vel modi , quam fuerit propositio praecedens

De. possibiti . . . . modus aliquando negatur, aliquando non negatur. Quando non negatur,

aequipollenlia accipienda est sicut in itlis de inesse Si autcm modus

negatur, tunc aul negalio praecedit tam modum quam signum, aut unum eorum

Si primo modo, aut signum ittud est universale aul parlicuiore. Si sil universale

et modus negatur, sie aequipollel utii parlicuiori de necessario Si aulem signum

sit parlicuiore, tunc aequivalel uni universali negalivae de necessario et uni particuiori

de impossibiti Si aulem negalio tantum praeecdit talem modum, sc. possibile,

tunc si proposilio sumatur in sensu divisionis et sit universalis, aequipol

lel universali negalivae de necessario; st sumatur in sensu composito, tunc aequipollet

uni parlic-uiori negalivae de necessario Si aulem signum sit parlicu

iore, tunc in sensu diviso aequipollel uni parlicutari de necessario; sed in

sensu composito aequivalel uni universali negalivae de necessario Si autcm ne

gatur modus necessitalis, tunc si negalio praecedit modum et sit signum particuiore,

in sensu diviso aequivalel uni parlicutari negalivae de necessario; in sensu

composito aequipollet uni universali negalivae de possibiti Si aulem signum sit

universale, tunc in sensu diviso aequipollet universali negalivae de possibiti;

in sensu composito aequivalet uni particuiori negalivae de possibiti Si aulem

negetur modus impossibititalis, tunc si signum sit universale, in sensu diviso aequi

valel uni universali negalivae de possibiti ; in sensu composito aequivalet uni

universali de possibiti Si aulem signum sit parlicuiore, consimitiler aequivalet

parlicuiori de possibiti tam in sensu composito quam in diviso. Et ista ad praesens

sufficiant de aequipollenlia proposilionum modalium, quamvis multa alia dici possent.

Die byzanlinischen Memorial-Verse bleiben auch hier unberücksichligt, vgl.

Anm. 901 u. 941.

1035) Ebend. : Cirea repugnanliam propositionum modalium est sciendum, quod

u. s. f. Nemlich die weitschweifigen Regeln concentrirt Occam in folgende drei

Figuren :

Necess. omne A est B contrar. Necess. nultum A est B

Aliqu. A polest esse B' subeontr.

Ferner ebenso :

Imposs. est, omne A e. B

Possib. est, aliqu. A non e. B

und desgleichen:

Omne A Polest e. B

Aliqu. A necess. e. B

PBANTL, Gesch. III.

Aliqu. A pol. non esse B

Imposs. e., nultum A e. B

Possib. e., aliqu, A e. B

Omne A pol. non e. R

Aliqu. A necess. non e. B

27

418 XIX. Occam (Argumentalion).

(s. ob. Anm. 877), d.. h. Urtheile, in welchen die Universalien oder

sonslige intentiones secundae ausgesagt werden 1036) , so hat er

hiemit einen zwar sehr eigenthümlichen , aber doch nicht unmolivirten,

Uebergang zur Topik gewonnen , insoferne in dieser in der That die

ursprüngliche Quelle der Quinque voces liegt (s. Abschn. IV, Anm.

707 ff., Abschn. V, Anm. 83 f., Abschn. XII, Anm. 167). Und indem

er so von der Verbindung der consequentia mit der Topik einen

umfassenderen Gebrauch macht, als die Früheren (Absclm. XVII, Anm.

618), bespricht er zunächst völlig an der Hand der aristotelischen

Topik in grosser Ausführlichkeit die Begriffe genus, proprium, definitio

, species, differentia, idem ,el diversum1**3'), und wird dann

durch die gleiche Quelle auch auf inductio geführt, bezüglich deren

wir ihm das ehrende Zeugniss nicht versagen dürfen, dass er we

nigstens eine Ahnung von dem Werthe des Iuduclions - Beweises in

sich trug, sowie er ja auch grundsätzlich sich in ächt aristotelischem

Geiste über die Erkenntniss des Siugulären äusserte (s. oben Anm.

745) oder dem singulären Urtbeile selbst eine Stelle im kategorischen

Syllogismus vorbehalten wissen wollte (ob. Anm. 970). Die Bemer

kung, welche er einmal anderswo macht, dass der Erfahrungs- Beweis

dem Syllogismus ebenbürlig sei 1038), erhält somit bei ihm eine etwas

beslimmtere Form, insoferne er wenigstens im Slile der Regeln der consequentia

den Versuch macht, das logische Verhältniss, welches zwischen

einem allgemeinen Urtheile und den unter dasselbe fallenden singulären

Urtheilen besteht, in eine formulirte Fassung zu bringen; und indem er

diess zunächst bei den gewöhnlichen Inhärenz- Urtheilen und denjenigen,

deren Verbum im Präteritum oder Futurum steht, unternimmt, erheben

sich ihm nur theologische Schwierigkeiten bezüglich des zukünflig Mög

lichen1039); für die modalen Urtheile aber gilt ihm der Uebergang vom

1036) Summa t. l. a. a. O. C. 17, f. 63 r. A: Nunc videndum est de consequentiis

ex proposilionibus, m quibus aliquis lerminus supponit simpliciler vel malerialiler,

ut sunt consequentiae inferenles tales conctusiones „Album est accidens Soeralis,

Homo est species talis generis, Risibite est proprium hominis, Substantia animata

sensibitis est diffinilio animalis, Canis est aequivocum" et huiusmodi Est igitur

reguio generalis talis: lltud contingenter veri/icatur de aliquo, ergo est accidens eius.

Alia reguio: Hoc verificatur de hoc et non est proprium itlius nec genus nec

differentia nec species nec diffinilio nec aliquid commune omnibus , ergo est accidens

eius.

1037) C. 18—30, f. 63 r. A — 68 r. B.

1038) Quodl. V, qu. 2: Eadem conctusio non sotum specie sed numero polest

evidenler sciri per demonstralionem et experientiam et per eundem habitum numero.

Hoc probo, quia per experienliam aequiritur aliquis habitus veridicus conctusionis et

nullus alius a scienlia, et per demonstralionem acquiritur scienlia eiusdem con

ctusionis.

1039) Summa t. l. a. a. O. C. 31, f. 68 r. B: Inductio est a singuioribus

ad universale progressio ; ad hoc aulem, quod /iat inductio, requiritur, quod tam in

singuioribus quam in universali sit idem praedicatum et solum sit varialio a parle

subiectorum Sunt igitur istae reguioe: Quaelibel uuiversalis a/firmaliva

vera de praesenli, non aequivalens proposilioni de futuro, et de inesse habet aliquam

singuiorem veram St omnes singuiores alicuius proposilionis sint verae, universalis

est vera Si universalis affirmaliva sit falsa, oporlet, quod aliqua singuioris

sit falsa Cirea universalem de praelerito sunt reguioe intelligendae sicut de uni

• XIX. üccam (Argumentalion). 419

Singulären zum Allgemeinen nur beim sensus divisus als überhaupt

statthaft, während beim sensus compositus nur die Nothwendigkeits-

Urtheile einen solchen Induclions - Schluss zulassen i040). Nachdem er

aber hierauf aus der aristotelischen Topik noch den Begriff des Homo

nymen erläutert hat1041), fasst er zum Abschlusse noch eine An

zahl allgemeiner Regeln der consequentia zusammen1042), welche uns

allerdings an die ältere Formalion dieser Lehre (Abschn. XVII, Anm.

621) erinnern und in dieser Form vielleicht auch nur eine Zugabe des

Herausgebers sind.

Wenn aber hierauf in einer Weise, welche unverkennbar den Interpolator

verräth (s. die schon oben, Anm. 740, angeführte Stelle), noch

als ergänzender Anhang die Lehre von Obligationes und Insolubilia bei

gefügt wird1043), so muss ich diese kleine Gruppe dem folgenden Ab

schnitte vorbehalten, in welchem wir überhaupt manigfache Erweiterungen

der byzanlinischen Logik treffen werden, wenn ich auch nicht in Abrede

stellen will, dass Occam sich mit diesen Dingen, deren erste Keime ja

bereits vorlagen (s. Abschn. XVII, Anm. 625 f.), wirklich selbst beschäf

ligte. In der Form, in welcher sie in dem Compendium Occam's gedruckt

erscheinen, sind sie jedenfalls späteren Ursprungs.

versals de praesenli. Sed cirea induclionem proposilionis universalis de futuro estprimo

sciendum, quod dicendum est eodem modo de inductione proposilionis de futuro necessariae

et impossibitis, sinnt de itlis de praesenli et de praelerito. Sed cirea induclionem

proposilionis universalis de futuro in maleria conlingenti aliler dicendum est secundum

veritalem et fidem, et aliler secundum inlentionem Aristolelis ; nam Aristoleles

ponit, quod nulio propositio contingens de futuro est vera nec aliqua contingens de

futuro est falsa (s. Abschn. IV, Anm. 239); sed ve,-itas fidei ponit, quod conlingentia

futura sunt scita a deo n. s. w. (auch in Expos, aur. Perierm. entwickelt

Occam gelegentlich der propositiones futurac conlingenles einen iongen Excurs über

praedeslinalio und praescienliu dei, welchen wir ebenfalls den Theologen überiossen).

1040) C. 32, f. 68 v. B : Cirea induclionem propositionum universalium de

modo esl primo sciendum, quod si propositiones universales accipiuntur in sensu diviso,

eodem modo inducuntur, sicut universales de inesse , et ideo omnes tales

inducliones sunt bonae C. 33, f. 69 r. A : Videndum est, quomodo omnes singuiores

de modo sumptae in sensu composito se habent ad universales de modo

sumptas in sensu composito Semper singuiores de necessario tales inferunt uni

versales de necessario, nisi in singuioribus subiiciantur pronomina demonstraliva

sumpta cum subiecto proposilionis universalis C. 34, f. 69 r. B : Cirea induc

lionem universalium de possibiti est sciendum, quod ex singuioribus non sequitur

universalis C. 35, f. 69 v. A: Singuiores de conlingenli non inferunt univer

salem de contingenti.

1041) C. 36, f. 69 v. A.

1042) C. 37, f. 70 r. A: Nunc ponendae sunt reguioe generales consequenliis

desereienles Ex vero nunquam sequitur falsum Ex falsis polest sequi verum

Ss aliqua consequenlia sit bona, ex opposito consequentis sequitur oppositum

antecedenlis . . . . Quidquid sequitur ad consequens, sequitur ad antecedens ; . . . .

non tamen quidquid sequitur ad anlecedens, sequitur ad consequens Quidquid

stat cum antecedente, stat cum consequenle Quidquid repugnat consequenli, repugnat

untecedenli Ex necessario non sequitur contingens Ex possibiti non

sequitur impossibite Et istae duae reguioe sunt inlelligendae de consequenlia

simplici; tamen consequenlia ut nunc bene polerit sequi Ad impossibite

sequitur quodlibel Necessarium sequitur ad quodlibet.

1043) C. 38—45, f. 70 v. A — 71 v. B.

27*

420 XIX. Occam (Argumentalion).

Endlich die letzte Unterabtheilung der Lehre von der Argumen

talion1044) enthält eine getreue Darstellung der aristotelischen Sophistici

Elenchi, welche nichts Bemerkenswerthes für uns darbietet.

Welch grossen Einfluss aber Occams Parteistellung und seine ganze

Entwicklung der Logik auf die nächsten Generalionen ausgeübt habe,

werden die folgenden Abschnitte deutlich darthun können.

1044) III, 4, C. 1—18, f. 72 r A — 81. v. B.

REGISTER.

Abano Petrus de 243.

absotule Kategorien 252, 282.

absolutum 324, 364, 367.

abstracto 100, 212, 260, 268, 293, 346.

abstractum — coneretum 215, 242, 265,

279, 293, 308, 321, 363, 386.

accidens s. Isagoge.

accidens logicum 244.

actus apprehcnsivus 332.

inlelligendi 265, 307, 320, 335,

338, 347.

ralionis 206, 292.

adminicutaliva logica 258, 274.

adunalio 101.

ad utrumlibet 131.

Aegidius r. Lessines 196 f.

Romanus 257 ff.

aequiparanlia 153, 282, 310.

aequivocum 46, 282, 306, 365.

aggregatum 209, 234.

Albertus Magnus 89.''

de Saxonia 203.

Alexander Alesius 75.

v. Alessandria 240 f.

alietas 137, 310.

alius 53, 72, 377.

Amalric von Ben 6.

amplialio 19, 31, 56, 89, 134, 186, 227,

382, 384, 393.

an 24.

analogen 93, 103, 306.

Analylik erste 105 f., 230 f.

zweite 85 ff., 106 f., 118, 232,

'234, 409.

Ancona Auguslinus von 274 ff.

Andly Heinrich von 180.

Andreas Antonius 276 ff.

Angelologie 184, 189, 217, 240, 271,

281, 295 f., 309, 312, 317, 360.

anima, in nnima u. extra animam 260,

273, 279, 284 f., 334.

anlepraedicamenta 103.

anlipiotonische Richtung 125, 236, 240,

249, 292 f., 309, 316, '318, 325,

358.

Antoli 4.

Antonius Andreas 276 ff.

•apparens, apparitio 323 f.

appeliolio 19, 31, 57, 83, 106, 135, 373.

appelo 134.

applicdre 204.

aptiludo 100.

Armand von Beauvoir 306 ff.

Ascoli Joh. Graliadei von 313 ff.

Auguslinus Triumphus v. Ancona 274 ff.

Aureotus Petrus v. Verberia 319 ff.

Auvergne Petrus von 238 ff.

Withelm von 75 ff.

Auxerre Lambert von 25 ff.

Avendeath Johannes 3.

Baconthorp Johannes 318.

Baco Roger 120 ff. '

Baldnin 8.

Barbara, Ceiorent u. s. f. 15 f., 49, 84,

154, 230, 398.

Basingstokes Johannes 5.

Beauvais Vincenz von 77 ff.

Beauvoir Armand von 306 ff.

Ben Amalric von 6.

Benevento Marcus de 330.

Bernhard von Tritia 196.

bis 133, 378.

Bologna Gerhard von 241 1

Bonaventura 119 t.

Brabant Heinrich von 5.

Siger von 234 f.

Brito Herveus 264 ff.

Olivier 201.

Radulph 241 f.

Burleigh Walter 297 ff. '

byzanlinische Logik 10 ff., 129 ff., 224 ff.

379 ff.

Caplto Robert 85 ff., 121.

caret 133.

casus obliqui 230, 362, 382, 385, 393,

399.

causalis 129, 253, 396.

causando — praedicando 235, 240, 242, 273,

278, 299, 309.

causis de 8 f. ' •'!'•'!

422 Register.

celeri 225.

Ciopwel Richard 199..

cognosco, scio 226.

colleclio 101, 110, 190, 210.

Colonna Aegidius de 257 ff.

communicabititas 100, 350.

communis natura 126.

communitas 110, 213, 347.

comparare 212.

Comparativ 71.

complexum — incomplexum 78, 93 , 307,

310 f., 332.

comprehensio 323.

conecpta res aliler et aliler 199.

conceplio 324.

Conceptnalismus 206, 237, 278, 299,

344 f.

conceptus 206, 240, 259, 261, 286,

338 ff., 357.

formatus 344.

obieclivus 322 ff.

primus ei secundarius 302.

concomitanlia 388.

coneretum s. abstractum.

conformitas 326.

confuse 212, 356.

Conjunclionen 23, 396.

connolalivus 364, 367, 386, 410.

connotatum 134.

conseculiv 23. f

consequenlia 137 ff., 154 f., 186, 227 ff.,

254, 282, 351, 388, 390, 392, 396,

411 ff.

consideralio 261.

consignificalio 58 f., 216.

contingens 14, 44, 105, 132, 394.

conlingenter 22, 44.

conlinue 133, 225.

convenienlia 126, 250.

Copuio 12, 42, 252, 2S2, 303.

copuiolio 18, 31, 55, 227, 232.

copuioliv 24, 226, 39ö.

Correctorium fratris Thomae 189, 243.

corrumpi — generari 226.

eredibite 131.

Cnrtraco Siger de 234 f.

David von Dinant 6.

Defensorium fratris Thomae 200, 243.

Dennilion 89, 107, 290, 366 f., 410.

demonstralio polissima 107, 119, 232,257.

quia et propler quid 107,

153, 410.

denominalio 242, 292, 321.

denominalivum 46.

denudare 212, 250.

deseriplio 290, 366 f.

desidero 133.

desinit nnil incipil 22, 70, 135, 226,

377, 391, 393.

Dialeklik 26.

divlio, loculio 324, 359.

differentia s. Isagoge.

differt 72, 133, 378.

dignitales 107, 119, 232, 257, 409.

Dinant David von 6.

disjuncliv 24, 396.

disposilio 100.

disputalio 143.

disquiparanlia 290.

dislincle 356.

distinclio 290 f., 361.

dislinctum formaliter 220 f.

dislinguitur 133.

distritutlio 20, 31, 60 ff., 83, 136, 186,

227, 229, 231 f., 382, 384.

diversimode inlelligere 248.

divisio 290, 369.

Docking Thomas 201.

Dominikaner n. Franziskaner 233.

Dnns Scatus 202 ff.

Durand v. Pourcain 292 ff.

Etenchi sophislici 19, 30, 50, 85, 107,

118, 155, 232, 235, 420.

ens 101, 224, 252, 288, 306, 369 f.

ralimis 259, 265 f., 274 f., 292, 298,

313 f., 317, 319, 321, 338.

reale 338.

cnthgmemalicus 138.

entitas actualis 212.

delerminaliv a 220.

positiva 218 f., 326.

quidditaliva 219 f.

cnuntiabititas 60. .

ennntialio 104, 252.

Erfahrungs-Beweis 418.

esse diminutum 197.

essenliae u. exislenliae 217, 261,

268 f., 294.

formale u. maleriale 268.

inlenlionale 293, 323.

signatum 237.

essenlia— exislentia 116, 193, 2 1 7, 268 f.,

294, 360.

est 22.

et 24, 232.

excepliv 21, 69, 137, 228, 390, 393.

Syllogismus 409.

exctusiv 21, 68, 136, 226, 228, 389, 393.

Syllogismus 409.

exereitum — signatum 136, 279.

existentia s. essentia.

actualis 212.

exponibitia 22, 67 ff., 135 ff., 152, 226,

256, 381 f., 386, 393.

exponibler Syllogismus 408 (l'.

extraneum et intraneum principium 270.

falsum, verum 14, 44, 380.

ficliones intellectus 207.

fictum 336 ff., 357, 359.

Fidanza Johann von 119 f.

Register. 423

fieri 135, 392.

figmenta 275.

fiatus vocis 327.

Fontaines Gattfried von 196 ff.

Forlivio Jacobus de 305.

forma particuioris 355.

specutaris 323.

formae inlensio et remissio 223 , 263,

273 f., 281, 297. 304, 309,

312, 319, 327, 361.

unitas 96, 185, 188 f., 194 f.,

199f.,221ff.,23«,241,243ff.,

251, 2Ü3, 271 f., 297, 304,

309, 312, 326,361.

formalis hgica 239.

Formalislen 181.

formalitales 220 f., 241, 245, 272, 288 ff.,

326, 360.

formaliler 216, 248, 280, 353.

Franciscns Mayron 283 N'.

Franziskaner u. Dominikaner 233.

Futurnm 56, 135, 385, 393, 401, 418.

Galenische Schtussfigur 30, 106, 231,

264, 397.

generari — conumpi 135, 226.

Gent Heinrich von 190 ff.

genus s. Isagogc.

naturale et logicum 267, 274, 278,

318. ,

Gerhard von Bologna 241.

Gitbertus Porretanus 29, 81', 103, 252,

263, 317.

Göthals Heinrich 190 ff.

Gattfried von Fontaines 196 ff.

Graliadei Job. von Ascoli 313 ff.

Grosselesle Robert 85 ff., 121.

Gundisalvi 3.

habitudo HO, 308.

bnbitu» 345.

haecceitas 219, 269 , 280 f., 286, 290,

296, 317.

Bslbentadt Konrad von 201.

Halesius Alexander 75.

Hammer der erste 264.

Heinrich von Andly 180.

von Brabant 5.

Göthals v. Gent 190 ff.

Herveus Natalis 264 ff.

hie i't nunc 115, 262.

hoc 128.

homonym s. aequivocum.

hgpostasis 291.

hypathelisch s. Syllogismus n. Urtheit.

Jacobus de Forlivio 305.

de Ravanis 201.

Jandun Jobann von 273 f.

;1f•"i! 268.

idem 53, 220 f.

idenlitas 53, 361.

adaequata 221.

identitas formalis 220, 291.

id,dmn 335 ff.

ignoro 226.

llle 53.

imago 336.

immediale 133.

implicalio 58.

impositio prima et secunda 149,151,299,

307, 341, 364 f.

impossibite—possibite 14, 44, 105, 132,

153, 235, 394.

it,rr»liiiuliunlis logtca 249.

incipit s. d,'sin,t.

incommunicabite 115, 237.

incomplexum s. complexum.

indifferens 100, 110.

indi/fi'i'cnlin 235.

indirecte Schtussweisen 255, 398 f.

Individualion s. principium individualionis.

tndividuum 365.

vagum 101, 253, 325.

induclio 418 f.

Infinitalion 104.

infinitus 20, 66, 71.

inquantum 70, 137, 388.

insotubitia 419.

inslitulio votuntaria 340 Il., 356 ff.

inlellectio 324, 357.

inlell,'etns agens et possibitis 294, 300.

inlensio et remissio formae s. formae.

inlenlio prima et seconda 91, 100, 112,

149, 151, 199, 204, 208 f.,

214,235,242, 244 f., 248 f.,

259, 261, 265 ff., 273, 275,

279, 285 f., 293, 298 f., 302,

307 f., 314 f., 319ff., 331,

338 ff, 355, 364 f., 370.

univsrsalitalis 110 f., 247, 275,

316.

inlenlionalis 277, 308. , . .

inlenlionalitas 265, 299.

intraneum et extraneum principium 270.

intrinsecus modus 286, 289, 296.

iHtuiiints 332, 336, 346.

inr,'nliu -— iudicium 253 f.

medii 105, 119, 154, 256.

lonninorum 49. .

Johannes Avendeath 3.

Baconthorp 318.

Basingstokes 5.

Duns Scatus 202 ff.

v. Fidanza 11!) l .

Graliadei T. Ascoli 313 ff.

v. Jandnn 273 f. .

v. Neapel 274.

Parisiensis 200. , - .

Peccam 188.

irradialio 87.

Isagoge 15, 28, 46, 80, 100 ff., 151 f.,

223 f., 244, 250f., 281, 284, 305,365.

424 Register.

iml,rulivu* 332

iudicium — invenlio 253 f.

Jurislisches 301, 352, 376.

Kabbaio 155 I.

Kategorien 15, 29, 46, 81, 102, 116,

224, 252, 287, 302, 305,

310, 314, 321, 331, 343,

369 ff.

Dreizahl der 372.

reiolivennd absotute 252, 282.

Kitwardby Robert 185 ff.

Konrad von Halberstadt 201.

Lamarre Withelm 189 f.

Lambert von Auierre 25 ff.

Lossines Aegidius von 195 f.

Liber de causts 8 f.

Lincoln Robert von 85 ff., 121.

lucalis propositio 129, 253, 395.

Logik adminicuioliva 258, 274.

alte u. neue 4, 26, 206, 276.

byzanlinische 10 ff., 129 ff., 224 ff.,

379 ff.

docens et ulens 204 f., 258, 277,

298, 320.:: .". .

formalis 239.

incertitudinalis 249.

natürliche 122.

praklische 122, 313, 320, 330.

Lultus Raiumndus 145 ff.

Marcus v. Benevento 330.

Marsitius v. Padua 273.

mutenu particuioris 355.

signata 115.

Mayron Franciscus 283 ff.

medii inventio 105, 119, 154, 256.

Memorial-Verse 13 ff., 27, 41, 43 f., 46,

48. f., 117, 252 ff., 305.

mentalis 286, 307, 315, 339, 362.

Middleton Richard von 235 ff.

modal, s. Syllogismus u.' Unheit.

moderni 255, 299, 302. .

madi indirecti 255, 398 f.

modus admbiiil,s u. nommul,s 14, 130.

inlelligendi 215 f.

intrinsccus 286, 289, 296. ,. • . .

procedendi 109, 266.

seiend« 121, 204, 239 f., 258 f.,

277, 313 ff., 319. f. ...

significandi 215 I.,. 234.

Moses Ben Nachman 156.

innlio intellectus 268. .: • <• ,

mulliplicabite 1 00. 1 1 , , .

Murbeka 5. ' ,s ' •.

Natalis Herveus !264 lV. • . ,

natura formalis 100... .. ,

ne 24. .• ... ,.!-,,;. '„.'l

Neapel Johannes von 274.. i '!

necessarium 14, 22, 44, 132,

iii',vssitti* diminnlu 2112. , •

Negalion 381. . ,

neuler 21, 64, 384.

•Ht!, l 64.

nisi 23, 390.

Nominalismus u. Realismus 99, 344 f.

non 22.

nolitia obiectiva 323.

nultus 21, 63 f., 383.

numerositas essentiae 269.

uttieclive—subiective 208, 249, 251, 279,

285, 292, 295, 302, 336 f., 357.

obligatoria 143 f., 155, 306, 419.

Occam Withelm 327 ff.

occasionaliter 211, 278.

Olivier Brito 201.

omnis 20, 61 ff., 136, 225, 252, 383.

opinabititer 59.

opinor, opinatum 131, 231, 380, 395,

407 f.

opus ralionis 313, 320, 331.

Padua Marsitius von 273.

Patudanus Petrus 311 f.

Paris Johannes von 200.

passio 107, 232, 261, 369.

onimae 335, 338. .... .;

inlenlionalis 211.

Peccam Johannes 188.

perfecliones diversae 272,

perseitas 232.

persona 291, 293.

Petrus v. Abano 243.

Aureolus v. Verberia 319 ff.

v. Auvergne 238 ff.

Hispanus 33 ff.

Patudanus 311 f.

Piotonismus 125, 191, 283.

pturalitas formarum 188 f., 194, 199 f.,

221 ff., 238, 242, 245 f., 263, 271,

281, 287, 326 f., 361.

Porphyrius s. Isagoge.

Porretanus s. Gitbertus.

possibite s. imposMite.

postpraedicamenta 103.

Pourcain Durand von 292 ff.

praedicakite 46.

praedicabititas 192.

praedicando s. causando.

praedicatum 368.

prtmum 107.

praemissa 48.

praeler 21, 69, 390.

Präleritum 56, 135, 385, 393, 401, 418.

principium identitalis 287 f., 307, 315.

.M, i individyalivais 97. 115, 119,

128, 184 f„ 189,194,198,

200,217ff.,237,240(243f.,

251, 262, 269 ff., 280 f.,

286 f., 295 f., 304,309, 312,

317 f., 326, 353 ff., 359 f.

intraneum et esctraneum 270.

Prohibiliv-Sätze 396.

Register. 425

promilto 133 f., 376.

proposilio s. enuntialio u. Urtheit.

causalis, lemporalis, localis, ralionalis

129, 253, 395.

mentalis 339.

propnum i

Psellus 10 ff.

Pseudo-Thomas 118 f., 244 ff.

qualistibet 20, 66, 72.

qualitas animae 334, 337 ff.

substanlialis 100.

quandeitas 371.

ijuant,m 53.

quantustibet 20, 66, 72.

gui 53, 226, 387.

quidam 253.

quidditas 88, 95, 100, 289, 310.

fyuil(tel 383.

guin 23.

quiqueliquique 180.

ifuoft>sc«nij«ce 66.

Radulph Brito 241 f.

Haimundus Lullns 145 ff.

ralio universalitalis 207.

raliocinalis — realis 203, 331, 351.

proposilio 129, 253.

Raranis Jacobus de 201.

realis s. raliocinalis.

— sermocinalis 79, 91, 122, 331.

Realismus s. Nominalismus,

reduplicaliv 70, 137, 226, 228, 256, 290,

388, 393.

Syllogismus 408 f.

referre 260.

reflexio 111,191,213, 275, 280, 302,

346.

reiolio 32, 53 ff.

Reioliva 53 ff., 226, 379, 386.

reiolive Kategorien 252, 282.

repraesentando 235.

repraesentanlia 308.

repraesentalio 315.

res de re non praedicatur 248, 298, 303,

340.

rati,mis 338.

secundae inlentionis 248, 298, 303.

universalis 316, 338, 350 f.

— vox 206.

respectus 247, 285, 290.

restriclio 19, 31, 56, 58 ff., 83, 131, 136,

186, 227, 232, 382.

Richard Ciopwel 199.

T. Middleton 235 ff.

Robert Capito 85 ff., 121.

Kitwardby 185 ff.

Roger Baco 120 ff.

scio, cognosco 226, 231, 395, 408.

Scatus Dnns 202 ff.

st'cundo inlellecta 109.

secundum quod 70, 137.

PBANTL, Gesch. III.

sensus compositus et divisus 130 f., 152,

226, 230 f., 385 f., 394 ff., 401 ff.,

414.

sermo 104, 149, 331, 339.

sermocinalis s. realis.

Shyreswood Withelm 10 ff.

si 23, 138.

Siger von Brabant 234 f.

signabititas passiva 324.

.•,ignutum s. exereitum.

significalio 17, 31, 51, 83, 124, 215, 234,

298,315,320, 341,368.

significatum 374.

signum rei 338 ff., 348.

Simeon Ben Jochai 156.

simititudo 100, 237, 260 f., 268, 276,

302, 335, 338 f.

simuioerum 336.

singutaris 348, 365.

singuli 225.

sive 24.

sotus 21, 232.

Sophislici Etenchi s. Etenchi.

species s. Isagoge.

aequisita 211.

informans 210, 214, 260.

inlellisibitis 111, 113, 210 ff„

237, 246, 248, 251, 261,

265 ff, 276, 279 f., 285,294,

307,312,316, 323 f., 335 f.,

357.

repraesentans 335.

sensibitis 294.

singuioris et universalts 126.

specificalive 137.

spondeo 133. ' •':''

Stephan Tempier 1 84 f.

Slipuiolion 301, 352, 376.

subieclive s. obieclive.

subiectum 368.

snbsiilenlid — substantia 291, 310.

substanliale 103.

substantialitus singuioris 218.

substratum 325. •!•

sui, sibi, se 53.

Summuioe 25, 225.

Superioliv 71.

supposilio 17 f., 31 , 51 ff., 83, 131 ff.,

186, 332, 334, 337 f., 342 f., 345,

351 ff., 363, 370, 373 ff., 380,

382 f.

suppositum 209, 241, 285, 291, 293, 365.

Syllogismus 15 f., 29 f., 48 f. , 84, 227,

230 f., 253 ff., 397 ff.

conversivus 254.

conversus 106.

excepliver 409.

exclusiver 409.

exponibler 408 f.

.•: . expositorius 142, 231, 400.

27**

426 Register.

Syllogismus Figuren Combinalion der 105,

397.

vierle 30, 106, 231,

264, 397.

hypolhelischer 117,231,256,

409.

modaler 231, 401 ff.

Modi theophraslische 48,

105 f., 255.

reduplicativer 408 f.

sgncalegoreumata 12, 1 9 ff., 67 ff., 83,

89, 117, 224, 341, 363 f.

sgnolon 97, 217.

synonym 93, 103, 365.

tabuio rasa 261, 281.

tuli» 53.

tamen 21.

tantum 68.

Tempier Stephan 184 f.

lemporalis proposilio 129, 253.

lendere 265, 321.

ler 133. ;.

lerminalio 265.

Terministen 181, 344.

lerminorum proprietales 17 ff., 3l ff.,50ff.,

82 f., 132 ff., 153.

lerminus 150, 344, 347, 351 f., 362 ff.

conceptus 362.

diseretus 142, 229, 348.

mentalis 362.

tromcendens 106, 254.

universalts 332.

vocalis 362.

theophraslische Schtussmodi 48, 105 f.,

255.

Thomas von Aquino 107 ff.

Pseudo-H8M44ff.

Docking 20l1. , „i,. 'M . \,

Topik 16, 30, 50, 84, 107, 155, 4l2,

418.

tolus 20, 66, 72, 369.

transcendentia 245, 257, 286, 289, 310.

Tritia Bernhard von 196.

Triumphus Auguslinus 274 ff. , ,,",.

ubeitas 371. \ ,,,

Uebersetzungen aus d. Griechischen u.

Arabischen 3 ff.

Umkehrung s.: Urtheit. , , . ,

unitas communitalis 267.

formae s. formae.

signata 218.

univenale 46.

accidit 110.

naluralc 345.

Universalien 76, 79 f., 87 f., 93ff., 109 ff..

124 ff., 182, 192 f., 207 ff., 234ff,

239 f., 246 ff., 250 f•! 260 ff. , 26S.

278 ff., 284 ff, 293 ff., 311 , 310.

318, 325 f., 343 ff.. 365 f.

universalitas 100, 110, 285, 293.

univocum 46, 93, 103, 365.

unun» 370.

Urtheit 12 ff, 27 f., 42 ff., 81 8., 103 f..

117, 152, 224 ff., 252, 282

379 ff.

Aeqnipollenz 13, 28, 43, 82, 104,

253, 415 f.

condilionales 104.

copulalives 104.

disjunclives 104.

hypathelisches 13, 27, 43, 82,

117, 129 f., 152, 253, 380,

395 ff.

modales 13 f., 28, 44, 82, 104 f.,

117, 130 ff 152, 227, 230,

253 f., 282, ;iu6, 380 f., 385 ff.,

394 ff., 41 4, 416, 419.

singuläres 390, 418.

Umkehrung 15, 27, 43, 82, 152,

228 f., 254, 392 ff.

uf 137.

ulerque 21, 64, 383 f. . . .

vel 24.

Verberia Petrus Aureotus von ,'il'( Ii'.

verbum mentale 307, 315.

veritas 280, 318.

Verse s. Memorial.

verum, falsum 14, 44, 380.

Vincenz von Beauvais 77 ff.

vox expressiva conceptus 319.

- res 306, 340.

Walter Bnrleigh 297 ff. , t ,:

Withelm von Auvergne 75 ff.

Lamarre 189 f.

Occam 327 ff.

Shyreswood 10 ff.

Druck von C. P. Melzer in Leipzig.