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GESCHICHTE
DER
LOGIK
ABENDLANDE.
VON
Dr. CARL PRANTL,
PROFEssOR AN DER UNIVERsITÄT UND MtTGLtED DER AKADEMIE ZC MÜNCHEN.
DRITTER BAND.
LEIPZIG,
V E R L A U VON S. HIRZEL.
1867.
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VORWORT.
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Seit dem Erseheinen des zweiten Bandes ist wohl eine längere Zeit,
als mir selbst und vielleicht auch dem Publicuni lieb war, verflossen, bis
nunmehr allerdings noch nicht • der Schluss des Ganzen, sondern nur die
gegenwärlige Fortsetzung hervortreten konnte. Die Entschuldigung, auf
welche ich hiefür Anspruch machen möchte , wird der billig denkende
Leser darin finden, da'ss eine derarlige Arbeit bei der erdrückenden Masse
des Materiales unmöglich rasch fortschreiten kann, wenn sie nicht in sol
cher Weise gerathen soll, dass über , kurz oder laflg ein anderer Forscher
sich wieder _ die pemliche Aufgabe stecken müsste. Nothwendig musste
ich das Ziel im Auge haben, die ganze Untersuchung, deren Schwierig-
• keit hauptsächlich in der fast unglaublichen Menge ihrer Gegenstände liegt,
möglichst zu einem wissenschaftlichen Abschlusse zu bringen, soweit
wenigstens unsere gegenwärlig erreichbare Kenntniss dieses ganzen Litteraturzweiges
diess verstattet.
Ohne den Vorwurf der Unbescheidenheit befürchten zu müssen, darf
ich wohl sagen, dass ich eine Entdeckungsreise in bisher fast unbekannte
Gegenden der Litteratur unternommen habe; und dass keine dergleichen
Bedenken, wie sie bei manchen Reise-Berichten betreffs der Wahrheit des
Erzählten auftauchen können, etwa auch hier Platz greifen möchten, dafür
glaube ich mit ängstlicher Gewissenhafligkeit durch den sicher nirgends
fehlenden Quellen -Nachweis gesorgt zu haben.
Aber sowie ich Grund zu der Meinung habe, dass mir aus dem
Umkreise des gedruckten Materiales wohl nichts Wesentliches entgangen
sein dürfte, ebensosehr kann durch dasjenige, was. gegenwärlig noch in
Handschriften verborgen liegt, nicht nur manche wünschenswerthe Berei
IV Vorwort.
cherung oder Ergänzung meiner Forschung sich ergeben, sondern mög
licher Weise auch das eine oder andere Ergehniss derselben umgestossen
werden. Dass ich die gelehrten Genossen meiner Studien hiemit nur
bitten kann, nach diesen beiden Seiten sich zu bethäligen, versteht sich
von selbst. Herr S. Barach hat aus Wiener Handschriften eine ergän
zende Bestäligung zu meinem zweiten Bande veröffentlicht; die Bibliotheken
Frankreichs und Englands würden ohne Zweifel noch viele Veranlassung zu
Demjenigen darbieten, was mir Mfn Interesse der geschichtlichen Wahrheit
als wünschenswert!) und erforderlich erscheint. Blosse Behauptungen aber,
wie sie z. B. ein französischer Gelehrter gegen einen principiellen Punkt
meiner Untersuchungen :gekehrt 'hati'(s.. S. 18X"'dieÄen !nid»t dazu, die
Wissenschaft in solch schwierigen Fragen zu fördern. '.,,: i ,|, , •• .
l Dass ich mit der Fortsetzung ' und schliessliehen Erledigung des Ge-
'sammt-Umkreises meines Themas unablässig beschäfligt bin, bedarf keiner
weitern Beteuerung. Ich habe mir1 einmal diese Lebensaufgabe gestellt
und kann nur hoffen , dass mich die Kraft zur Vollendung des Ganzen
nicht verlassen möge.1 .•:.!. .;i m: . •': ' '. M.l . l ,:••
München, im Decembe'r 1066i
C. Prantl.
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T, ";! ! ÜBERSICHT DES tNHALTES; ,' '.!!,..."-l ;.
Seile
XVII. Abschnitt. Erstes Auftreten des byzantini
schen, aristotelischen und arabischen
StoffeStini lateinischen Abendlande . . . ' l — 144
Wiedererwachen des Altertbumes in Bezug auf Phitosophie 1. , ; . .;,
Uebersetzungen aristolelischer und arabischer Schriften 3. Alte
und neue;Logik 4. Antoli, Johannes Basingstokes, Heinrich von . - l yty
Brabant 5. David von Dinant und Amalric von .Ben, Balduin (i.
Das 'Buch De causis 8. Die Mächt des neuen Stoffes 9.
Die byzanlinische Logik des Pseltus; ihr ällester ioteinischer
Bearbeiler Withelm Sbyreswood 10. Die ioteinischen Memorial-
Verse 13. Die Lehre von proprietales lerminorum 17. Die sgncalegoreumata
19. Lambert von Auxerre als zweiler Vertreter ' •
dieser Logik 25. Petrus Hispanns nur Uebersetzer 34. Druck-'
ausgaben seiner Summutae 35. Inhalt derselben 41. Proprietales
lerminorum: supposilio 51, amplialio, restriclio 56, appeliolio 57, '
restrielio 58, distribulio 60. Exponibilia 67. Lücketa in der Ge-!, ' ""'
schichte der Logik 74. '•'' ''''•'' ' ' ''''1
Die aristolelisch-arabische Logik 74. Alexander Alesiusj Wit- '
heim jon Auvergne 75. Vincenz v. Beauvais 77 ; die Universa
lien 79, die Kalegorien und deren Ergänzung aus Gitbertus'"'
Porretanus 81, beim Urtheite spätere Interpoiolionen 82; Syl-'!, !"
logislik 84. Robert Capito von Lincoln 85.
Albertus1 Magnus, umfassender Stoff- Lieferant und unverstän
diger Cömpitalör 89; Sleltung der Logik 91 ; widerspruchsvolle" Ml1
Aeusserungen über die Universalien 93; die Einheit der Wesens-"' ' ' !i
form und das Princip der Individualion 97; die Isagoge lOOj"""
die Kalegorien und Gitbertus Porretanos 102; das'Urthell' 103;
die Analyliken 105; die Topik und Sophistik 10l Thomas1 Tort': !" '
Aquino, abhängig von Albert 107; gleichfalls Widersprüche in
Auffassung der Universalien 109; Princip der IndividUäliön'llS;
De enle et essenlia, Kalegorien, Urtheit 116; zweite Analylik; •"-' !
Sophislik 118. Pseudo-thomas 118. Bonäventura 119. Roger "'•
Baco 120; seine angebliche Werthschätzung der Erfahrung 123J :l--
Myslik in der Universalienfrage "125." ''''•'''• 'i11 ' ":•' '':"-l "
vi Uebersicht des Inhaltes.
Allmälige Erweiterungen der byzanlinischen Logik durch den
fortgesetzten Schulbetrieb (die Autoren nicht näher bekannt) 129;
zunächst beim hypathelischen und modalen Urtheite 130; so
dann bei den proprietales lerminorum 132; hauptsächlich aber
Entstehung der Lehre von den Consequenliae 137; leise Spuren
der späteren Obligatoria 143.
XVIII. Abschnitt. Raimundus Lullus 145—177
Isolirle Steltung desselben 145. Seine zahlreichen Schriflen 146.
Geringschätzung der gewöhnlichen Logik 149; dennoch Bearbei
tungen derselben anf byzanlinischer Grundioge 150. Seine Ars
maijna 155; ob dieselbe auf kabbalislischer Quelle beruhe 155.
Das Alphabelum 157; die Figurae 158; die principia und regutae
162; die Tabuio generalis 163; die weiteren Manipuiotionen 166; / !l f '
die applicalio 169; die Technik der Anwendung der, grossep , j
Kunst 171; die Encyclopädie der Wissenschaften 172, Die, ...,
Nova logica als Mlttelding zwischen der gewöhnlichen Logik
und der Ars magna 175; Ein catalonisches CÖmpendiüm 176. " ,
XIX. Abschnitt. Allmälige Formulirung verschie
dener Partei-Ansichten ...... . . '. ,r' ,178—420
Wirkung der gesammteu neuen Stoff- Zufuhr 178. Schul
unlerricht; Heinrich von Andly 180. Die bunle Parleispaltung;., i . ,,
welche weder, durch „Nominalismus und Realismus" noch,iduflch .,,•!!
„Thomismus und Scolismus" . ausgedrückt . werden kann 181.
Die arabische Drei-Steltung der Universalien antf ren,, in n, . ,, |.
fost rem bei sämmtlichen Autoren 182. Kein Piotonismus, nur
die Auctorili,l aristolelisch -arabischer Slellen und des byzan
linischen lerminus 183. ; ^,, i i .. ,
Der erste Anstoss der Streiligkeilen im principium individualionis,
Stephan Tempier 184, und gleichzeilig in der unitas
formae, Robert Kitwardby 185. Johannes Peccam 188. Withelm,
Lamarre 189. Heinrich Göthals von Gent,, ein Musler der Un,-; n ..[
kiorhelt 190. Vertheidiger des Thomas: Aegidius von Lcssin',s
195, Bernhard von Tritia, Gattfried von Fontaines 196; ;das,'.: : .i
Defensarium fratris Tbomae des Jobannes Parisiensis 200. Thor
mas Docking, Olivier Brito, Jacabus de Ravanis, Konrad von. ,.,
Halberstadt 201. .. ., 1 -, ;i:,:,. . '.. : •' ,-.'. :.. ,•
Duns Scatus; sejne .Schriften 202.,; Steltung und Aufgabe der i,,,.,
Logik 203. Conceptualismus 206. Die Universalien in den Dingen ,! ,..
and formell im Denken 207; intenlio prima und secunda 208;, , .; ,
die species intelligibitis 210; modm signifiaandi-215. Das Princip,, .. ,.,.,(
der Individualion, haecceitas, enlitas posiliva 217. Formalitalen, ,.
Identität und Nicht-Idenlität 220. Pluralitas formarum 221;,; »n- ,
lensio et remissio formae 223. Isagoige 223; Kategorien, Uithei|., :,,,,,
224; Aufnahme byzanlinischen Stoffes 225; Krilik der gewöhB-, ,, .. :|
liehen Lehre über die Umkehrung, der Ürtheite 228; iSyliogis- •;.. ,'i
Uebersicht des Inhaltes.
rm,s mlt Beiziehung byzanlinischer Tradilion 230; zweile Ana-' -
lylik, Sophislik 232. ü ••"
Sleigerung der Parlei -Unlerschiede 232. Dominikaner und
Franziskaner 233. Zunächst Gradabstufungen eines Uebergcwichtes
der scolislischen Lehre. Siger von Brabant im Anfange
seines Auftrelens Scatist 234; Richard von Middleton gegen ei
nige Annahmen des Scolus und jedenfalls gegen Uebertreibungen
des Scolismus polemisirend 235; Petrus von Auvergnc mit scolislischen
Ergänzungen zum Thomismus 238; Alexander von ''
Alessandria in engerem Anschlusse an Scatus 240, sowie in
gleicher Denkweise wahrscheinlich auch Gerhard von Bologna '
und Radalph Brito 241. Dann hingegen manigfalliges Ueberwiegen
des Thomismus: Petrus von Abano 243; mehrere uns!
unbekannte Autoren, deren Schriften später für Erzengnisse des
Thomas selbst gehalten wurden 244 ; ein solcher Pseudo-Thomas ' •
auch der Verfasser einer Summa lolius logicae, nicht unwichlig ' ;
betreffs der Syllogislik 250; Aegidius Romanus manche scolislische
Elemente beimischend 257, besonders in der species in- ; '
lelligibitis 260, im Princip der Individualion 262 , und in • der ""
unitas formae 263.
Fortsetzungen dieser Richtungen in abermaligen Varialionen: i1
Herveus Natalis, zwischen Thomas und Scolus slehend in'der-' ""
Frage über intenlio 264, sowie über die Uaiversalien 267; hin^1 •
gegen etwas näher dem Thomismus im Princip der Individualion -
und in der unitas formae 269. Johannes Von Jandun in einiger : '
Hinneigung zu Halb-Scolisten 273.; 'Johannes von Neapel 274.
Anguslinus Triumphüs vou Ancona, betreffs der inleulin Anhänger
des Thomismus 274. AntonWs Andreas Vorkämpfer des Scolis- ••'
mus, jedoch mlt einigen thomisliscben Modificalionen 278. • ''•• :•'•'
Hierauf mehrere Autoren, deren jeder einzelne füi» sich gleich-'-"
sam eine Parlei repräsenlirt : Ffanctecus Mayron, wohl scolisiisch, •"
aber mit einer .nur darch die allgemeine Zeitströmung gehemmten1'.'
Richtung zum P1atonismus 283, zugleich der erste mltleioller- "
liehe Vertreler des Princips' -der Idenlität und des Widerspruches • : \
287, und Bearbeiter, der formalitales 288. Durand von Pourcain,. '
polemisch gegen Scatus und gegen" Thomas seine eigenen 'Wege ""
gehend in Auffassung des ens ralionis und des abstrahirenden
Denkens 292, sowie dem Scolus sich nähernd im Princip der
Individualion 295. Waller Burleigh, der Vertreter einer ganz
eigenthümlichen Gleichberechligung des aristatelischen Conceptualismus
und des realislischen Piotonismns 297. Armand von
Beauvoir, einen ähnlichen Dualismus, besonders betreffs der intentio,
auf thomislischer Grundioge durchführend 306. Petrus
Patudanus, in den Universalien Halbthomist, im Princip der In
dividualion Scolist, in der unitas formae Thomist 311. Johannes
Graliadei von Ascoli, ein bis zur realislischen Uebertreibung des
Scolismus fortschreilender Halbthomist 313. Johannes Bacontborp,
halbthomistischer Objeclivismus 318. Petrus Aureolus,
viii Uebersicht des Inhaltes.
durch Polemik gegen Thomas und gegen Scolus auf einen ver
mitlelnden Standpunkt geführt 319; seine Betonung der vox expressiva
conceptus 319, sein Conceptualismus und doch Bekäm
pfung der species inteliigibitis 320, scolislisches Princip der
Individnalion und thomislische m,itas formae 326.
Withelm Occam, bisher durch theologisirende Geschichtschrei
bung entstellt 327 ; seine Schriflen 329. Die Logik eine prak
lische Discipliu 330 ; dabei aristolelischer Empirismus 332.
Letzler Grund der actus intelligendi 335; psychische Gebitde :i
(fictum, idotum, simuioerum) den Objecten schlechthin adäquat •i
336. Eben hindurch aber ein Schwanken zwischen Subjeklivismus
und Objeclivismus 337. Der actus inlelligendi ein inneres Urlheit : . ,
339; Verhältniss des Wortausdruckes zum inneren Vorgange 340. •: - ,
Impositia .prima und secunda, sowie inlentio prima und secunda
341. Die Universalien 343; nicht „Nominalisl", sondern „Ter- .,..
minist" 344. Abstrahirende Thäligkeit 346, ausgedrückt im ieiv,i. ,1 . ,.
minus 347; hiemit Uebergewicht des Urlheites 349. Krilik der .1 ,1
Ansichlen Anderer über die Universalien 349, besonders des
Scatus 354. ,: In der eigenen Auffassung betreffs der objecliven
Geltung der Universalien abermals ein Schwanken 358. Das
Princip .der Indivjdualion 359. Die unilas formae 361. , ..••!•. .'l
Occam'fl.Cpmpendium der Logik 361.. Die Lehre vom lerminus , ..;,:!
362. Die Unjversalieu 365, Definilion und Beschreibung 366; .. .1 t
anderweilige Zusätze 368. ; Die , Kategorien, 369 [, ursprüngliche
Dreizahl derselben 3,72. ;, Die Lehre:, von, der ..supposilio 373.
Das Urthe.it auf, by/.-",liuischcr .Grundlage 379; Eintbeitungen
desselben 3.8.0,, .'die .Negalion 381 ; die Wahrheit der Urtheite 382;
das modale Ufthejl 3S5/,,, die, exponiblen Urtheite 386; die Um- ',;,
kehrung der Krtheile, 392, besonders der modalen 394; da»,.
hypathelische Unheit 3%. Die , Argumentalion 397; der ka*- , ill
tcgoriseho Syllogismus 397,; .die,, modalen Schlüsse 401;; die.j .,,,,-
exponibleni:SieWü»se 408. . Die zweite Analylik 409;. die Defii,
nilion 41ft,| Die;Lehr,e von Consequentiae 411, wobei die Aequi-,,n .,;)
pollenz und,, Entgegensetzung der Urtheite 415. Die Topik 418, ! •,:,.,
die Induction, 418. Obligatoria und Insotubitia (spätere Intern, n .\ '_
poiolionen),419. Die Sophisük 420. :„.,. ,,,,,,.. ,r,-,,, .. .-,m, ,,.,
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XVII. ABSCHNITT.
ERSTES AUFTRETEN DES RYZANTINISCHEN, ARISTOTELISCHEN UND
ARARISCHEN STOFFES IM LATEINISCHEN ARENDLANDE.
Hatten die beiden vorhergehenden Abschnitte die Aufgabe, zwei
Gruppen der Litteratur zu schildern , welche vom 1 3. Jahrhunderte an
den Verlauf der Logik dauernd beeinflussten, — nemlich das byzanli
nische Compendium des Psellus und die das Organon betreffenden Lei
stungen der Araber —, so kann nun der geschichtliche Faden wieder
da anknüpfen, wo wir ihn am Schlusse des XIV. Abschnittes verliessen,
d. h. an der Grünzscheide des 12. und des 13. Jahrhunderts. Nur muss
selbstverständlicher Weise die allbekannte Thatsache hinzugenommen wer
den, dass gleichzeilig mit den byzanlinischen und arabischen Erzeugnissen
auch die sämmtlichen uns zugänglichen Schriften des Aristoteles und eiii
grosser Theil der Commentatoren desselben dem Mittelalter kund wurden,
so dass hiemit für die Logik all dasjenige , was ich im IV. und im IX .
Abschnitte ausführlich darzustellen versuchte, nunmehr einen belangreichen
Theil der dreifachen neuen Stoff-Zufuhr ausmachte.
Aber eben bezüglich dieses letzteren Quellenkreises drängt sich eine
Bemerkung auf, welche nicht bei Seite gelassen werden kann, selbst auf
die Gefahr hin, dass es fast als lächerlich erscheinen mag, Dinge beson
ders hervorzuheben, welche ohnediess Jedermann weiss. Sowie jedoch
häufig gerade die bekanntesten Thatsachen nicht in ihrer ganzen Trag
weite erfasst werden, so kann auch wohl nicht oft genug hervorgehoben
werden, dass das sogenannte Wicdererwachen des Alterthums für Philo
sophie, Mathemalik und Naturwissenschaften grösstentheils bereits im 13.
Jahrhunderte eben durch das Bekanntwerden des Aristoteles und der ara
bischen Littcratur stattfand. Und wenn auch die Geschichte der Logik
am betreffenden Orte es wahrlich nicht unterschätzen wird, dass von der
Zeit der eigentlichen Renaissance an ein frischerer naturalislischer Hauch
weht und allmälig gar viel scholaslischer Plunder über Bord fällt, so ist
doch andrerseits zu bedenken, dass, — um hier von Mathemalik, Chemie
und Medicin völlig abzusehen —, schon seit dem letzten Drittel des 13.
Jahrhunderts die ganze damalige gebildete Welt durch aristotelische Denk
weise geschult wurde und hiedurch hundertfällige Keime wirklicher Phi
losophie einsog.
Welch ein Unterschied gegen die früheren Jahrhunderte liegt schon
darin, dass es nunmehr nicht bloss ausschliesslich Logik gab, sondern
daneben mit gleichem Anspruche auf Beachtung jetzt auch Metaphysik,
Physik, Ethik und Polilik hintraten! Allerdings war all dieses eben nur
PRANTL, Gesch. III. t
2 XVII. Die Zufuhr neuen Stoffes.
Aristotelismus, und zwar ein bloss äusserlich aufgedrungener Aristotelismus,
welcher daher auch nicht in seiner Tiefe verstanden, ja häufigst
missverstanden und corrumpirt wurde; aher die unwillkürliche Erweite
rung des speculaliven Gesichtskreises , welche aus der Beschäfligung mit
den aristotelischen Schriften floss, ist für die Geschichte der „Philosophie"
jedenfalls von höherem Werthe, als all jener auguslinisch-christliche Platonismus,
welcher vorher cursirt hatte. Und sicher wäre beim Wieder
erwachen des Alterthumes in der wuchligen Masse des durch Neuheit
reizenden Stoffes der speculalive Sinn ertrunken oder hätte einer boden
losen platonischen Myslik den Platz geräumt, wenn nicht mit so grosser
Zähigkeit zwei Jahrhunderte hindurch die Disciplinirung des Denkens sich
durch aristotelische Lectüre festgewurzelt hätte.
So müssen wir es allerdings als einen Fortschritt begrüssen, dass aristo
telischer und aristotelisch-arabischer Stoff zugeführt wurde ; aber es ist da
mit noch beileibe nicht gesagt, dass es in dieser zweiten liälfle desMitlelalters
etwa irgend einen „Philosophen" gegeben habe. Denn eine gänzliche Abhän
gigkeit von der äusserlichcn Stofl'-Zufuhr ist und bleibt noch auf Jahrhun
derte hin der eigentliche Grundton, und zwischen den zahlreichen Autoren,
welche ja sämmllich ohne Ausnahme nur von fremdem Fette zehren , ist
einzig darin ein Unterschied bemerkbar, dass die Einen schwachköpfig,
wie z. B. Albertus Magnus und Thomas von Aquin , in gedankenloser
Auctoritäts-Sucht die verschiedenarligsten Stücke des fremden Gutes zu
sammenraffen, hingegen Andere, wie z. B. Duns Scotus, Occam und Marsilius,
wenigstens scharfsinniger den dargebotenen Stoff beim Worte zu
nehmen und folgerichlig auszubeuten verstehen. Dass aber, abgesehen
von solchen Gradabstufungen, Alle nur am Gängelbande des zugeführten
Materiales wandelten, erhellt schlagend schon aus dem Umstande, dass
es in dieser zweiten Hälfte des Mittelalters keinen einzigen reinen Platoniker
gibt (das Zeugniss eines Zeitgenossen hiefür s. unten An m. 571),
während uns noch im 12. Jahrb. mancher entschiedene Platonismus be
gegnet war. So mächlig, ja erdrückend, wirkte jetzt die Auctorrtät des
mit Einem Schlage eröffneten aristotelischen Stoffes, dass es erst der
Auctorität einer abermaligen Stoff- Zufuhr bedurfte, um zur Zeit der
Renaissance durch die florenlinische Akademie den Platonismus neu an
zufachen.
Insofern aber neben dem aristotelischen und arabischen Quellenkreise
auch der byzanlinische Stoff in seinen Wirkungen zu verfolgen ist, so
wird man wohl glauben, derselbe gehöre bloss der Litteratur der Schul-
Biicher an und habe mit dem arabischen Aristotelismus und den aus ihm
erwachsenden Controversen Nichts zu schaffen; ja durch dasjenige, was
vorläufig im gegenwärligen Abschnitte vorgeführt werden wird , könnte
diese Annahme sogar eine Bestärkung zu fmden scheinen. Aber das
später Folgende wird zeigen, dass, — was bisher Niemand wusste oder
auch nur ahnte —, jener byzanlinische Unsinn sich lief in die logische
Parteispaltung und somit in die sogenannte Philosophie jeuer Zeit ver
zweigte, und dass (seit Occam und seinen Anhängern) die Kenntnis«
des byzanlinischen Materiales der einzige Schlüssel sei, durch welchen
die oft beklagte Unverständlichkeit mancher Schriften und einzelner Stellen
allein gelöst werden kann.
XVII. Die Uebersetzungen. 3
Doch ich will nicht weiter vorgreifen, sondern in Fortsetzung mei
nes bisherigen Verfahrens sofort beginnen , Alles Einzelne dadurch ge
schichtlich darzustellen, dass ich es auf die Quellen zurückführe, aus
welchen es stammt.
Was nun hiemit zunächst jene äusserliche Seite der Vermittlung
betrifft, welche in blosser Uebertragung des dreifachen neuen Materiales
besteht, so wird bei dem Compendium des Psellus sich uns diese Frage
unmittelbar mit der Darstellung des Inhaltes verbinden müssen. Hingegen
bezüglich der arabischen Litteratur und der aristotelischen Werke wird es
hier genügen, nur wenige unerlässliche Bemerkungen vorauszuschicken;
denn sowie die Thäligkeit, welche im 13. Jahrhunderte sich um das
arabisch -lateinische oder griechisch - lateinische Organon des Aristoteles
drehte, überwiegend nur eine commenlirende war, so besteht auch unsere
Aufgabe hauptsächlich darin, auf Grundlage der notorischen Thatsache,
dass die aristotelischen und die arabischen Schriften manigfach übersetzt
wurden, den inhaltlichen Folgen und Ergehnissen dieses erweiterten Ge
sichtskreises nachzuspüren; auch erscheint es ausserdem als unthunlich,
die Untersuchungen , welche Jourdain in seinem bekannten Werke über
die einzelnen Uebersetzer angestellt hat 1), hier etwa auszuschreiben. Somit
mag nur in Kürze daran erinnert werden, dass die betreffenden Leistungen
der Araber für das Ende des 12. oder den Anfang des 13. Jahrhunderts
den Lateinern bereits durch Gundisalvi und seinen Gehülfen J o h a n n e s
Avendeath (s. vorig. Abschn. Anm. 66) übermittelt waren, welche in
der Mitte des 12. Jahrh. Uebersetzungen angeferligt hatten2), sowie dass
der Gesammt-Complex der Werke des Aristoteles ougefähr seit 1220 — 1225
in lateinischer Ucbertragung zuganglich war 3), wobei, wie Jedermann weiss,
sich Friedrich II. durch einllussreichste Förderung der aristotelischen
Litteratur die grössten Verdienste erwarb 4).
Allerdings jedoch bleibt gerade, was das Organon betrifft, noch manche
Frage übrig; denn die Annahme, dass man ohnediess für diesen Theil
der aristotelischen Philosophie die Uebertragung des Boethius besessen
habe, und somit einerseits die Anferligung neuer Uebersetzungen über
flüssig gewesen sei und andrerseits die litterarische Untersuchung über
diesen Punkt kürzer hinweggehen könne, mussten wir schon längst oben,
Abschn. XIV, Anm. 2— 34, auf eine sehr wesentliche Beschränkung zurück
führen, indem die boethianische Uebersetzung der Hauptsehriften des Organons,
d. h. der beiden Analyliken und der Topik nebst Soph. El., vor
dem 12. Jahrhunderte gänzlich unbekannt gewesen war, hingegen seit
dem ersten Drittel jenes Jahrhunderts diese Bücher theils in dem Gewande
des Boethius und theils in manigfachen neuen Uebersetzungen zugänglich
wurden. Die nemliche Sachlage, welche zur Zeit des Johannes v. Salesbury
1) Am. Jonrdain, Recherches criliques mr V&ge et Porigine des traduclions iolines
d'Aristole. 2. Aufl. (v. Chartes Jourdain). Paris 1843.
2) Ebend. p. 107 ff. Wenn aber Jonrdain meinte, Gundisalvi habe ein selbst
ständiges Werk über Logik verfasst, so scheint diess aus den von ihm angeführlen
Worten (p. 113 u. p. 451) nicht mlt Sicherhelt geschlossen werden zu können.
Uebrigens vgl. auch die oben (Abschn. XVI, Anm. 2) angeführlen Arbeilen Munck's.
3) Jourdain, p. 212.
4) Näheres über den oft gedruckten Brief Friedrich's H. s. ebend. p. 152 ff.
l*
4 XVII. Die Uebersetzungen.
bestand, kehrt aucb im 13. Jahrb. wieder, d. h. wir treffen neben Be
nützung des gesammten boethianischen Textes auch die Herstellung neuer
Uebertragungen des Organons, nur kömmt bezüglich der letzteren der
neue Umstand hinzu, dass nun sowohl aus dem Griechischen als auch aus
dem Arabischen übersetzt wurde. Dass noch zu Anfang des 13. Jahrb.
in der nemlichen Weise wie in der zweiten Hälfte des 12. zwei Theile
des aristotelischen Organons unterschieden wurden, erhellt augenfällig aus
den Statuten der Pariser Universität v. J. 1215, welche der päpstliche
Legat Robert v. Counjon in Erneuerung früherer Beslimmungen (v. J. 1209)
erliess; denn wenn daselbst ausdrücklich von einer „alten" und einer
„neuen" Logik des Aristoteles die Rede ist 5) , so erscheint es für jenen
Zeitpunkt schlechterdings als unmöglich, an etwas Anderes zu denken, als
einerseits an die von Alters her ununterbrochen cursirenden Bücher und
andrerseits an jene ongefähr seit Abälard allmälig bekannt gewordenen
übrigen Theile des Organons, mochten dieselben nun aus Handschriften
' der Werke des Boethius hervorgezogen oder durch neue Uebersetzungen
dargeboten worden sein, — kurz die beiden Analyliken nebst Topik und
Soph. El. waren eben damals im Vergleiche mit der älteren Tradilion
noch das neue Material, und die Ausscheidung ist die nemliche, welche
wir bereits oben, Abschn. XIV, Anm. 26 u. 56, trafen (vgl. unten Anm.
103 u. Abschn. XIX, Anm. 93 ff.). Sonach wird neben dem allgemeinen
Einflusse, welchen die arabisch-lateinischen Uebersetzungen auf den Gesammt-
Complex der aristotelischen Logik ausübten, noch ein besonderes Augen
merk auf die letztgenannten Bücher des Organons zu richten sein.
In dieser Beziehung nun ist zu erwähnen , dass wir allerdings um
das Jahr 1232 eine neue Uebersetzung des Organons treffen, welche ein
gewisser An toli anferligte und an Friedrich II. übersandte6). Doch fand
hinwiederum auch die boethianische Uebersetzung ihre Verwendung, denn
wie wir schon oben (Abschn. XIV, Anm. 23 f.) sahen, dass dieselbe we
nigstens in Frankreich (nicht aber in Italien) ans Licht gezogen wurde,
so ist sie auch in der That von Albertus Magnus bei seiner Bearbeitung
des ganzen Organons zu Grunde gelegt, wie der aufmerksame Leser dieser
Paraphrasen (— denn nur commenlirende Paraphrasen sind es, was Al
bertus lieferte —) bei jedem Schritte erkennen muss, ohne hiezu
eines späteren ausdrücklichen Zeugnisses zu bedürfen "). Aber zugleich
spricht der nemliche Albertus in der zweiten Analylik nicht bloss wieder
holt von einer (auf Alfarabi beruhenden) „Arabien transtalio" 8), sondern
i er vergleicht auch ausdrücklich die boethianische Uehersetzung mit einer
5) Buioeus, Hist. univ. Paris. III, p. 82: Et quod legant libros Aristolelis de
dialectica tam veleri quam nova in scholis ordinarie et non ad cursum; legant eliam
in scholis ordinarie duos Priscianos vel allerum ad minus. Non legant in festivis
diebus nisi phitosophos el rhetoricas et quadrivalia et barbarismum et ethicam, ss
piocet, et quartum topicorum. Non legantur libri Aristolelis de metaphgsica et naturali
phitosophia nec summa de eisdem aut de doctrina magistri David de Dinant aul Almarici
haerelici aut Maurilii Hispani (s. Anm. 17).
6) Jourdain, p. 164 f.
7, S. dasselbe am Schlusse der Anm. 14.
8) Anal. post. I, l, 3, p. 519 b (Opp. ed. Jammg, Lugd, 1651, Vol. I.). Ebend.
2, 13, p. 543 a. Ebend. 5, 8, p. 603 a. Ebend. II, 2, 3, p. 620 b u. 5, 624 b u.
7, p. 627 b.
XVII. Die Uebersetzungen. 5
griechisch-lateinischen , welche „Johannes" angeferligt habe 9) ; und wir
fürchten nicht zu irren, wenn wir in Letzterem den Johannes Basingestokes
erblicken, welcher ein Zeitgenosse und Freund des Robert
Capito (s. über diesen letzteren unten Anm. 334 ff.) war und um d. J.
1240 blühte 10). Einen weiteren Beleg dafür, dass betreffs der Analyliken
die boethianische Uebersetzung in Umlauf kam 11), bietet neben dem so
eben genannten Robert Capito selbst (s. hierüber Anm. 338 f.), ja auch
der Commentar des Thomas v. Aquin dar, denn auch dieser fusst auf
keiner anderen Uebertragung 12); aber daneben wiederholt sich der nemliehe
Umstand wie bei Albertus, indem auch Thomas gelegentlich auf eine
anderweilige griechisch-lateinische Uebersetzung hinweist13), wobei wir
jedoch keinenlälls an jene Uebersetzung der aristotelischen Werke denken
dürfen, welche allerdings auf den Wunsch des Thomas, aber erst in den
letzten Lebensjahren desselben, nemlich i. J. 1271, von Heinrich von
B r ab an t angeferligt wurde 14). Hingegen ist wohl anzunehmen, dass
seit der Anregung, welche Friedrich II. gegeben hatte, fortwährend an
verschiedenen Orlen durch Manche, von welchen wir nicht einmal die
Namen kennen, neue Ueberlragungen zu Tage gefördert werden konnten 1 5).
Auch erstreckte sich, wie wir beslimmt wissen, dieses Bestreben in Bälde
sogar auf einige Commentatoren des Organons, denn schon i. J. 1266
finden wir griechisch-lateinische Uebersetzungen des Simplicius ad Ar.
Categ. und des Ammonius ad libr. de interpr. neben einer jedenfalls
noch früher in Umlauf gekommenen arabisch-lateinischen des Themistius
ad Anal. post. 10). Jedenfalls jedoch werden wir unten, soweit es nöthig
9) Ebend. I, 4, 9, p. 519 b: liude quidam libri habent sie: (es handelt sich
um die Stelle b. Arist. An. post. l, 19, p. 82 a 10; bei Bocth. Opp. p. 535) Et
haec litlera melior est, et est transtalio Joannis a Graeco facta sicut transtalio Boelii.
Ebend. H, 2, 5, p. 624 b : Arabien transtalio non habet „monlis" (s. Arist. An. post.
II, 7, p. 92 b 22; Rocth. p. 548), sed dicit Huius enim est exposilio commenti
Arabici, et in hanc magis consenlit Roelii transtalio et eliam transtalio Joannis.
10) Nähere Nachweise über denselben und insbesondere über seinen Aufenthalt
in Griecheniond s. b. Jourdain p. 62 f.
11) Auch Jourdain beneblet (p 166), er selbst habe in den Handschriflen der
Pariser Bibliolhek nur die Ucbcrsetzung des Boethius gefunden.
12) Einzelne Abweichungen in dem beigedruckten Texte der „vetus transtalio"
können nur als handschriftliche Varianlen bezeichnet werden.
13) Anal. post. I, leclio 6, § c (f. 20 v. ed. Rom.): Littera sie exponilur (d. h.
Arist. An. post. t, 2, p. 72 a 32; Boeth. p. 523) . In graeco ptanius habetur sie
etc. Uebrigens hat Thomas v. Aqu. auch bei dem Buche De interpr. andere Texte
neben dem boethianischen benützt, s. dortselbst t, leclio 13, § c (f. 11 r.), n.
II, lect. 2, § d (f. 16 r.).
14) Aventin. Ann. Boior. VII, 9 (Lips. 1710, p. 673): Anno Chrisli 1271 Haenricus
Brabantinus dominicanus rogatu D. Thomae e graeco in talinam linguam de
verbo ad verbum trans fert omnes litrros Aristolelis. Usus est Albertus veteri transiotione,
quam Bocthianam vocant. Die Commentare des Thomas hingegen fallen
schon ongefähr um d. J. 1265 (s. Jourdain, p. 395).
15) Dass aber auch der bekannte Murbeka (um 1270) ausser den übrigen
Werken des Aristateles das Organon übersetzt habe, scheint J. G. Schneider (Arist.
liist. an. Vol. I, p. CXL1I. u. Arist. PoW. Vol. I, p. XXV f.) irrthümlich angenommen
zu haben. Eine anderweilige Verwechstung des Murbeka mlt dem so eben genannlen
Heinrich v. Brabant hat Jourdain (p. 66) beseiligt.
16) S. Jourdain, p. 73 f. n. p. 166. Was den Themislius betrifft, s. unlen
Anm. 336.
6 XVII. David von Dinant. Amalric von Ben.
ist, zuweilen auf die Frage zurückkommen, ol) die boethianische oder eine
anderweilige Uebersetzung benützt worden sei.
Ein Ereigniss aber, welches bezüglich des Studiums und der Auf
nahme aristotelischer Philosophie im Anfange des 13. Jahrh. von einiger
Wichligkeit war, dürfen wir nicht ganz unerwähnt lassen, wenn auch
schliesslich nur zu dem Zwecke , um zu bemerken , dass die Geschichte
der Logik von demselben nicht berührt wurde. Wenn nemlich (nicht
ohne Zusammenhang mit der Bekämpfung der Albigenser) seit d. J. 1209
mehrmals die Kirche ein Verbot gegen gewisse Abzweigungen der aristo
telischen Litteratur ergehen liess, und sich hiemit jene fanalischen Maass
regeln verbanden, welche gegen David von Dinant und gegen Amalric
von Ben getroffen wurden, so hat sich durch genauere Forschungen zur
Genüge herausgestellt, nach welcher Seite hin jene Beschränkungen ge
richtet gewesen seien 17). Und sowie die pantheislischen Anschauungen
der beiden genannten „Ketzer" au sich mit der Entwicklung der Logik
Nichts zu schaffen haben, sondern der Ontologie oder der sog. Metaphysik
angehören, so bleibt für unseren hiesigen Zweck nur jene Beziehung übrig,
in welcher näher oder entfernter die Eins-Lehre des David und des Amalric
mit der Auffassung der Universalien stand. Indem aber der theologische
Hass die Vernichtung der Schriften jener beiden Männer in erwünschtester
Vollständigkeit zu bewerkstelligen verstand, sind wir über dieselben nur
auf wenige orthodox - polemische Berichte beschränkt, welche überdiess
hauptsächlich bloss das theologische Gebiet betreffen; und selbst bei den
etlichen kargen Hindeutungen , welche uns zu Gebote stehen , bleibt die
Möglichkeit, dass wir von Albertus Magnus und Thomas v. Aquiu ange
logen sind. Soweit es demnach als beglaubigt gelten mag, dass David
v. Dinant mit syncrelislischer Benützung anliker Ausspriiche einen durch
gängigen Pantheismus kundgab18), und dass er zur Begründung dieses
17) Sowohl über die oben (Anm. 5) angeführle Stelle als auch über die übrigen
einschlägigen Quellen-Berichte s. das Nähere b. Jourdain, p. 187 ff., sowie eine
richlige Darsleltung der ganzen Angelegenheit b. Haure'au, De io phit. seniost. t,
p. 391 ff., woselbst auch (p. 405) in treffender Weise das gegen Scatus Erigena
gerichlete kirchliche Verdammungs- Urlheit beigezogen ist. Ansserdeni vgl. auch
J. H. Kroentein, De genuina Amatrici a Bena Davidis de Dinanto doctrina. Giessen
1842. u. v. dems. in d. „Thcol. Studien u. Kriliken" 1847.
18) Albert. M., Phgs. t, tract. H, c. 10, p. 23 b (Opp. ed. Jammg, Vol. II): Has
aulem opiniones sie expionat Alexander in quodam lit,ello, ubi omnia unum esse,
quod est maleria, probare inlendit, et David de Dinanto in libro Alomorum (zu lesen
Tomomm, s. d. folg. Anm.). Ebend. Summ, theol. Pars II, tract. l, quaest. 4, c. 3,
p. 62 f. (Vol. XVIII): Deinde quaeritur de erroribus Epicureorum ct maxime de anliquo
errore Anaximenis, qui nuper per quendam David de Dinanto renovatus est, qui
d,xil, deum et maleriam primam esse idem, inducens super hoc anliquum Anaximenem,
qui dixit, omnia esse unum (bei der kopflosen Abschreiber-Thäligkeit des Al
bertus ist es nicht zu verwundern, wenn derselbe bald einen Alexander bald die
Epikureer und bald den Anaximenes als anlike Gewährsmänner jener Ansicht be
zeichnet, während natürlich ein Viertes das Richlige ist, d. h. nur Parmenides ge
meint sein kann, s. d. folg. Anm.) Ad hoc eliam inducit versus quosdam, qui
seripli leguntur in lemplo Paliodio ; dicit eliam, quod refert Plutarehus, quod
vetustissimi philosophorum inlerpretali fuerunt, ittud fuisse dictum de deo, qui peplo
tcctus est Terlio pro sc inducil versus Orphei, in quibus , ut dicit, deum uni
versum esse affirmat Quarto pro se inducil , quod longo tempore post Lucanus
eosdem versus operi suo inseruit Quinta inducit pro se Senecam sie dicentem etc.
XVII. David von Dinant. Amalric von Ben. 7
Standpunktes die Allgemeinheit des Stoffes und die Allgemeinheit des
Geisligen als das Form-fähige (formabile) bezeichnete, aus welchem das
Einzelne hervorgehe, und zugleich in diese Formfähigkeit nach beiden
Seiten den Begriff des potenziellen Stofflichen verlegte, so dass schliesslich
hierin jenes beiderseilige Allgemeinste zusammentreffe, da ja bei An
nahme eines dualislischen Principes zuletzt ein (gemeinschaftlicher) potenzieller
Stoff des (beiderseiligen) potenziellen Stoffes sich ergebe 19), so
ist ersichtlich , dass David die äusserste metaphysische Consequenz des
logischen Realismus /og und somit nur Dasjenige rund und voll aussprach,
was bereits bei Wilhelm von Champeaux deutlich genug im Keime vorlag
(s. Abschu. MV, Anm. 106 f. u. 283). Auch Amalric von Ben scheint
von einem gleichen extravaganten Realismus ausgegangen zu sein, denn
wenn auch berichtet wird, er habe den pantheislischen Gottesbegriff nicht
wie David als materielles, sondern als formales Princip verstanden 20), so
ging doch auch bei ihm die Molivirung darauf hinaus , dass Gott jenes
oberste Universale sei, in welchem alles Einzelne zur Idenlität zusammen
laufe21). Vielleicht auch hätte es dieser damalige Pantheismus zu einer
19) Ebend. Summ. theol. Pars I, Tract. IV, Quaest. 20, p. 76 (Vol. XVII): Alex
ander in quodam libello, quem fecit de principio incorporeae et corporeae substantiae,
quem secutus est David de Dinanto in libro, quem scripsit de Tomis, h. e. de Divisionit,
us (hiernach wählte David sogar fast die nemliche Uebcrschrift wie Scatus
Erigena bei seinem Werke De divisione naturae ; s. Haure'au a. a. O. p. 414), dicit,
deum esse principium maleriale omnium. Quod probat sie: quia nogs, h. e. substanlia
nu'ntalis, primum formabite est in omnem substantiam incorpoream, primum aulem
formabite in res alicuius generis primum maleriale est ad itla, nogs ergo primum prin
cipium est ad omnes incorporeas substantias. Maleria aulem possibitis ad tres dimensiones
primum formabite est in omnes corporales substanlias ; ergo est primum maleriale
ad itios. Quaero ergo, si nogs et maleria prima differunt annon. Si differunt, sub aliquo
communi, a quo itio differenlia egreditur, differunt; et itlud commune per differenlias
formabite est in utrumque ; quod aulem formabite est in plura, maleria est vel ad minus
principium maleriale Si ergo dicatur una maleria esse maleriae primae et nogs, erit
primae maleriae maleria et kac ibit in infinitum; relinquitur ergo, quod nogs et maleria
prima sunt idem. Simititer deus et maleria prima et nogs differunt aul non u. s. f.
Thomas Aqu., Summa c. gent. t, 17, f. 18 r a (Opp. ed. Rom. 1570. Vol. IX): In
hoc aulem insania David de Dinanto confunditur, qui ausus est dicere, deum esse
idem quod prima maleria, ex hec, quod si non essent idem, operleret differre ea
aliquibus di/ferenliis, et sie non essent simplicia, nam in eo quod per differentiam
ab alio differt, ipsa differenlia composilionem facit. Hoc aulem processit ex ignoranlia,
qua nescivit, quid intcr differentiam et diversitalem inlersit. Ebend. Senlent. II, Dist. 17,
quaest. l, art. l, f. 53 a (Vol. VI, 2): Quorundam anliquorum pbitosophorum error
fuit, quod dcus esset de essentia omnium rerum, ul parmenides dixit; el ittos
eliam antiquos phitosophos seculi sunt quidam moderni, ul David de Dinanto, Divisit
enim res in partes tres, in corpora, animas et substantias aelernas separatas; et
primum indivisibite, ex quo conslituuntur corpora, dixit glen, primum aulem indivisibite,
ex quo conslituuntur animae, dixit nogm vel mentem, primum aulem indivisi
bite in substantiis aelernis dixit deum; el baec tria esse unum et idem, ex quo iterum
consequitur, esse omnia per essentiam unum.
20) Thom. Aqu., Summ, theol. Pars I, Tract. I, quaest. 3, art. 8, f. 16 r a
(Vol. X): Quidam enim posuemnt, quod dcus essel anima mundi Alii aulem
tlixerunt, deum esse principium formale omnium rerum, et haec dicitur flasse opinio
Almananorum (zu lesen Almaricianorum). Sed lertius error fuit David de Dinanto,
'tui stullissime posuit, deum esse materiam primam.
21) Marlin. Volon., Chron. d. h. Supputaliones (ed. tiasit. 1559 fol.) p. 209 ff.:
Damnavit eliam (sc. Innocentius lertius) Almaricum quendam Carnolensem (um sua
doctrina, sicul habetur in deeretali „Damnamus". Qui Almaricus asserit, ideas, quae
8 XVII. Balduin. Liber de causis.
näheren logischen Formulirung, — gleichsam bereits zu einem Spinozismus
—, gebracht, wenn nicht die Orthodoxie unterdrückend entgegen
gestanden wäre. Wenigstens finden wir einen gewissen Balduin als
Schüler des David angeführt, welcher (soweit der unlautere Bericht über
ihn überhaupt einen Sinn haben kann) sich auf den Begriff des Ein
fachen gestützt zu haben und hiemit der ganz vernünfligen Ansicht ge
wesen zu sein seheint, dass es nicht zwei oder drei Absolute, sondern
eben nur Eines geben könne 22).
Insofern aber David von Dinant sich auf ältere griechische Aussprüche
berief (s. A n m. 18), welche grösstentheils nur durch Vermittlung der
Araber zu seiner Kenntniss gekommen sein konnten, so liegt uns hierin
die Brücke zu dem Buche „De causis", welches wegen seiner ara
bischen Herkunft wohl schon oben in Kürze erwähnt wurde (vor. Abschn.,
Anm. 404), aber nun hier darum in Frage kommt, weil es als ein Bestandtheil
der neuerwachenden Gesammt - Philosophie des Aristoteles galt
und wirkte23). Das Einzige jedoch, was aus dem Inhalte dieses Buches
hieher gehört, ist gleichfalls die Anschauung eines extremen Realismus,
denn die platonisch-arabische Myslik, welche dort bezüglich des Gottes
begriffes und der Welt - Intelligenz ausgesprochen wird , liegt auf einehi
anderweiligen Gebiete. Insoweit nemlich der unbekannte Verfasser über
haupt ein logisches Moliv verfolgte, stand er lediglich auf der platonischen
Tabula logica des Porphyrius, wornach die Stufenfolge vom höchsten
Allgemeinsten bis zum niedersten Einzelnsten durch die Wirkung des art
machenden Unterschiedes (— diversificari —) hergestellt wird 24). So soll
dann der intelligible Gehalt des Einzelnen nicht an sich selbst schon als
ein Vielfälliges , sondern als Causalität der Vervielfälligung gedacht und
diese Causalität schliesslich auf die Eine höchste Intelligenz zurückgeführt
sunt in menle divina, ereme et ereari (auch diess erinnert an Scatus Erigena) ;
dixit eliam, quod ideo finis omnium dicitur deus, quod omnia reversura sunt
in eum, ut in deo incommutabititer quiescant, el unum tndividuum alque incommutabite
in eo permanebunt; et sicut allerius naturae non est Abraham, allerius Isaac,
sed unius ac eiusdem, sie dixit omnia esse unum et omnia esse deum; dixit enim,
deum esse essenliam omnium ereaturarum et esse omnium.
22) Albert. M., Summ, lbeol. a. a. O. (Anm. 18): Disciputus aulem eius (d. h.
des David) quidam Ralduinus nomine , contra n,e ipsum disputans talem .... induxil
ralionem, quod, quaecunquc sunt et nullo modo dilferunt, sunt eadem ; deus et maleria
prima et nogs sunt et nullo differunt; ergo sunt cadem Quod aulem nullo
modo differant, sie nilebatur probare: quaecunque nuliom differenliam habent, nullo
modo differunt; simplicia aulem prima nuliom differenliam habent, quia si differentiam
haberent, composita essent; deus, hgle, nogs, simplicia prima sunt; ergo
nultam habent differenliam; ergo nullo modo differunt, el sie per consequens eadem
sunt; et hoc est propositum cius.
23) Näheres über das Buch De causis überhaupt (abgesehen von einigen Be
merkungen bei Jourdain, a. a. O. p. 183 ff., 195, 445 ff.) s. bei Haneberg in d.
Sitzungsberichten d. Münchner Akad. 1863, Bd. I, p. 361 ff.
24) De Caus., Propos. 4 (Arist. Opp. tat. Venet. 1552. Vol. VII, f. 115 r):
Omne quod sequitur causam primam, est intelligenlia completa in ullima polenlia el
reliquis bonitalibus , el formac intelligibites in ipso sunt ioliores et vehemenlius uni
versales Et quia diversifii'atur inlelligentia, fit in eo forma intelligibitis diversa;
et sicut ex forma una propter hoc, quod diversificatur in mundo inferiori, proveniunt
individua infinita in mullitudine , simutler ex esse causalo primo proplerea, quod
diversificatu,, apparent formae inlelligibites infinitae.
XVII. Liber de causis. Die Macht des neuen Stoffes. 9
werden; und die Gradabstufung, welche zwischen den höheren und den
niedrigeren Universalien besteht, muss zuletzt in einer pantheislischen
Einheit verschwinden, indem (— was cinigermaassen an die Status-Lehre
erinnert, s. Abschn. XIV, Anm. 129 f. —) jenes Nemliche, was weiter
abwärts in parliculärer Weise exislirt, zugleich nach Oben in universeller
Weise bestehe 25). Die Frage aber, wie hiebei neben der Ewigkeit der
intelligihlen Universalien die Zeitlichkeit des concreten Seienden sich er
kläre, wird nothwendiger Weise durch die myslische Annahme eines
Mitteldinges abgethan , welches seiner Substanz nach das Ewige enthalte,
in seiner Thäligkeit aber in die Zeit falle26). Von selbst versteht es sich,
dass der Verfasser des Buches den Begriff der Intelligenz oder des Intelligiblen
durchweg nur in objeclivem, realislischem Sinne nehmen konnte
und daher die Universalien ausserhalb der Einzeln-Dinge in das reine gött
liche Denken verlegen musste (s. vor. Abschn. Anm. 404).
Gerade aber das Buch „De causis", welches Thomas v. Aquin selbst
zum Gegenstande seiner commenlirenden Thiiligkeit machte, dient uns als
Beleg dafür, dass die erwähnten kirchlichen Verbote und Maassregeln mit
der Logik als solcher Nichts zu schaffen hatten. Jene Zeit war in sich
selbst so unklar und unreif, dass man gewisse Consequenzen , welche
innerlich längst nothwendig sich hätten ergeben müssen , erst dann be
merkte , wenn sie mit dürren Worten deutlich ausgesprochen wurden,
lud der Kampf oder Verlilgungs-Fanalismus richtete sich dann glücklicher
Weise auch nur gegen solche beslimmt hervorgetretene Consequenzen,
während man die Basis derselben ruhig gewähren Hess und selbst in
ungenialem Fleisse reichlichst einsog. Die Unfähigkeit, einen Gedanken
bis an sein Ende folgerichlig hinauszudenken, kann sicher nicht deut
licher hervortreten , als wenn man wie Albertus Magnus oder Thomas v.
Aquin und hundert Andere zugleich Aristoteliker und zugleich trinitätsgläubig
sein zu können vermeinte. Aber weil die Macht der Tradilion,
— das alleinige geislige Moliv für das Mittelalter —, nach beiden Seiten
25) Ebend. Prop. 8 (f. 115 v): Bonitates, quac descendunt super inlelligenliam
a causa prima, sunt inlelligibites in ea, et simititer res corporeae sensibites sunt in
inlelligenlia intelligibites ; quod est , quoniam res, quae sunt in inlelligenlia , non
sunt impressiones ipsae, imo sunt (ansae impressionam. Prop. 9 (f. 116 r): Intelligentia
est princeps rerum, quae sunt sub ea, et relinens eas et regens eas,
sicut natura regit res, quac sunt sub ea, per virtulem intelligenliae, quia simititer
intelligenlia regit naturam per virtulem divinam. Dann Prop. 10 (f. 116 r): Omnis
inlelligenlia plena est formis; verumtamen ex inlelligenliis sunt, quae conlinent
formas ptus universales , et ex eis sunt , quue conlinent formas minus universales.
Ouod est, quoniam formae, quae sunt in intelligentiis secundis inferioribus per modum
parlieuiorem , sunt in inlelligenliis primis per modum universalem, et formae , quae
sunt in inlelligentiis primis per modum universalem , sunt in inlelligenliis secundis
per modum parlieuiorem.
26) Ebend. Prop. 30 (f. 118 v): Et non est possibite, ul substanlias sempllernas,
quae sunt supra lempus, sequantur substantiue ereatae in lempore nisi medianlibm
substantiis lemporalibus sempitemis in lempore; et istae quidem substantiac
non sunt factae mediae, nisi quia ipsae communicant substantiis sublimioribus in
l!ermanentia et communicant substantiis lemporalibui abscissis in lempore per generalionem.
Prop. 31 (f. 119 r): Inler rem, cuius substantia el actio sunt in momento
aelernitalis, et inler rem, cuius substantia et actio sunt in momento lemporis, existens
est medium, et est ittud, cuius substantia est ex momento aelernitalis et operalio
ex momento lemporis
10 XVII. nie Macht des neuen Stoffes. . Wilhelm Shyresvvood.
vorlag und wirkte , so klebte man auch naiv genug die beiden Quellen
aufeinander, und sowie die an sich consequente Opposilion gegen die
anlike Logik bei den christlichen Theologen von Anfang an nie völlig
hatte durehdringen können, so war nun beim Beginne des 13. Jahrhun
derts die arabisch- und griechisch-lateinische Tradition des Aristotelismus
so überwälligend eingetreten, dass man weit eher das christliche Dogma
in aristotelische Formen goss, als dass man sich principiell den anliken
Anschauungen verschlossen hätte. Und vor Allem musste hiebei gerade
die Logik, deren Zusammenhang mit der Philosophie man ja bereits seit
Boethius ausser Augen verloren hatte, nicht nur nicht als gefährlich, son
dern vollends als unentbehrlich betrachtet werden. Nur mochten wohl
Anfangs strengere Zeloten darüber wachen , dass in den Vorträgen über
Logik nichts Theologisches beigemischt werde, noch auch umgekehrt27).
Indem somit ff.'r den Betrieb der Logik keinerlei Störung durch
jene Verbote eintrat, sondern im Gegentheile aus dem neu zugeführten
Materiale nur eine Steigerung erwachsen konnte, wäre bezüglich der
geschichtlichen Darstellung noch immerhin die Frage offen, in welcher
Reihenfolge die Wirkungen des neuen Materiales hier vorzuführen seien,
insoferne dieselben ja sämmtlich in den nemlichen Jahrzehnten sich gel
tend machten. Zweckdienlicher scheint in dieser Beziehung zu sein,
dass wir vorerst die Uebertragung der byzanlinischen Logik näher be
trachten und erst hernach den gleichzeiligen Einlluss der aristotelischen
und der arabischen Studien erörtern; denn hei solcher Anordnung des
geschichtlichen Stoffes wird es möglich sein , einerseits eine allzugrosse
Zersplitterung zu vermeiden, und andrerseits es anschaulich zu machen,
wie die Parteispaltung sich auch durch die Logik des Petrus Hispanus
modiflcirte.
Den Einen Quellenkreis somit bildete für die Logik seit dem 13.
Jahrhunderte jener byzanlinische Stoff, welchen Psellus darbot. Und
sowie es sehr zu beachten ist, dass auch von den Alchimisten jener
Zeit anderweilige Schriften des Psellus benützt wurden28), so hatte
auch die Logik desselben schon viel früher und in weit reicherem
Maasse, als man bis jetzt auch nur ahnen konnte, ihre Verbreitung im
Abendlande gefunden.
Die älteste lateinische Bearbeitung des Compendiums des Psellus,
welche mir bekannt ist, wurde durch Wilhelm Shyreswood (gest.
1249) veranstaltet21'). Aber sowie mir die Existenz seiner noch unge-
27) D'Argentre, Colt. iudiciorum de noe. error.- (Paris. 1728 fol.) I, p. 158 f.
theitt aus handschriftlicher Quelle das Verdict mit, welches l. J. 1247 gegen einen
gewissen Johannes de Rrescain (?) gefällt wurde, „ne puritas studii, quae haclenus
Parisiis viguit, ex praesumplione quorundam, qui theologica logicis inserentes non
intelligunt neque quae loqmmtur neque de quibus affirmant, errorum sordit,us maculetur;
quandoquidem logici lbeologicc et theolofli phitosophice in suis disputalionibus
procedenles contra pracceptum legis sortes • dominicae haereditalis miscere et
confundere non formidant."
28) S. Kapp, Gesch. der Chemie, II, S. 156. Man schrieb ja damals diesem
jüngeren Pseltus auch die Schrift fleyl M&iav äwäftsmr zu , welche jetzt nicht
mit Unrecht für ein Werk des älleren (im 9. Jahrh.) gehallen wird.
29) Er war in Durham geboren, studirle in Oxford, lehrle hierauf in Paris
und starb als Kanzler in Lincoln. S. Oudin, De seriptl, ecel. III, p. 116 H'. Roger
XVII. Wilhelm Shyreswood. 11
druckten Schrift nur durch eine gelegentliche Noliz 30) kund wurde, muss
ich hier wie überall die Möglichkeit offen lassen, dass durch Ausbeutung
der Bibliotheken meine Forschung noch gar manche Ergänzung oder Be
richligung erfahren kann und somit vielleicht dereinst eine noch ältere
Wirkung des Psellus im lateinischen Abendlande nachgewiesen wird.
Wenigstens ist es eine eigenthümliche Thatsache . dass die in der Syllogislik
üblichen Memorialworte (— ihr griechisches Original s. oben Abschn.
XV, Anm. 46 ff. —), welche man bisher stets dem Petrus Hispanus zu
geschrieben hatte , und ebenso einige Memorial-Verse bereits bei Willi.
Shyreswood sich finden; und da man ihn doch wieder unmöglich für
den Erfinder derselben halten kann (— denn dagegen streitet seine Aus
drucksweise bei Anführung derselben, s. unten z. R. Anm. 40 u. 44,
auch Anm. 112 —), so bleibt nur die Annahme übrig, dass sicher schon
ein paar Jahrzebente früher das Compendium des Psellus in den abend
ländischen Schulen im Umlaufe gewesen sein muss , wobei dann jene
technischen Worte irgendwie ausgedacht wurden und in allgemeine Uebung
kamen (s. bes. unten Anm. 52 u. 91 ff.). Indem mir daher der bisher
noch nicht bekannte Wilhelm Shyreswood nur als der relaliv älteste Re
präsentant einer verbreiteten Schul-Litteratur gelten kann, glaube ich aller
dings von meinem Grundsatze , wornach ich mich auf Gedrucktes be
schränke, eine Ausnahme machen zu müssen; jedoch kann es dabei nicht
meine Absicht sein, hier gleichsam eine Ausgabe der ganzen Schrift Wilhelm's
aus der von mir benützten Pariser Handschrift31) zu veranstalten,
sondern ich beschränke mich, zumal da ja die folgenden Jahrhunderte
sich doch nur ausschliesslich an Petrus Hispanus hielten, auf den wesent
lichen Gang des Inhaltes und einige Haupt-Stellen , um dem Leser die
Einsicht in diesen wahrhaften Vorläufer des Petrus Hispanus zu ermög
lichen (vgl. Abschn. XV, Anm. 5). Ebenso werde ich es bei Lambert
v. Auxerre und einigen anderen handschriftlichen Mittheilungen halten.
Wilhelm Shyreswood jedoch bietet nicht, wie Petrus Hispanus, eine
durchgängig wörtliche Uehersetzung des Psellus dar, sondern folgt dem
selben nur im Ganzen den Sinn getreu wiedergebend. So ersetzt er
sogleich die Anfangszeilen des griechischen Originales (Abschn. XV, Anm. 6)
durch eine etwas längere Einleitung, in welcher er an die Doctrin der
Araber sich anlehnend die Syllogislik als die wesentliche Aufgabe der
Logik und die Einsicht in die einfachsten Bestandtheile des Schlusses als
Vorbedingung bezeichnet, um somit bei der Erörterung über Wort (vox)
und Schall (sonus) anzulangen 32). Und indem nun die Eintheilung dieser
Baco schätzle ihn sehr hoch; er sagt von ihm Op. lerlium (s. unlen Anm. 556),
c. 2, p. 14: Guitielmus de Shgrwode tange sapienlior Alberto, nam in pbitosopbia
commnni nullus maior sst eo.
30) Bei Haureav, De io phit. scolast. I, p. 466. (Was übrigens dortselbst
über Withelm Shyreswood gesagt ist, wird nunmehr durch die Einsicht, dass der
selbe nur die Synopsis des PseTtus verarbeilele, sehr moditicirt.)
31) Cod. Sorbonn. 1797.
32) Die Einleitung lautet: Cum duo sunt tantum rerum principia, sciticet natura
et Uliimi, duo erunt rerum genera. Quaedam enim sunt res, quarum principium cst
natura, et de his est universis scientia communiler dicta, et quaedam, quarum principium
est anima (vgl. Abschn. XVI, Anm. 71); et hae sunt duplices. Cum enim
anima sine virMibus et scientils sit ca,'ca, quasdam lacit operaliones, per quas de
12 XVII. Wilhelm Shyreswood.
Begriffe in gleichem Sinne wie hei Psellus (wenn auch in kürzerem oder
verschiedenem Wortlaute, vgl. Abschn. XV, Anm. 7 f.) auf die Lehre vom
Urtheile, d. h. zunächst auf nomen und verbum führt33), und ebenso
der Begriff der sgncategoreumata (ebend. Anm. 9) auftritt34), bietet die
Aufzählung der Arten des Satzes (der Infiniliv- und der Frage-Satz kom
men hier neu hinzu, vgl. ebend. Anm. 10) die Gelegenheit, Bemerkungen
aus Boethius und Aristoteles hinzuzufügen 35). Nach einem eigenthüm
lichen Gesichtspunkte, welcher uns an Arabisches erinnern könnte, construirt
Wilhelm die hierauf folgende Eintheilung des Crtheiles (ebend. A.
11 f.), wobei er sogar die Berechligung der „Copula" als eines dritten
veniat ad virtutes, el de his est ethica; quasdam autem facit operaliones, per quas
devenial in scientiam, el de his est sermocinalis scientia (vgl. ebend. Anm. 84); haec
aulem tres habet parles: grammalicam, quae docet recle loqui, el rheloricam, quae
docel ornale loqui, et logicam, quae docet vere loqui (vgl. ebend. Anm. 18). Haec
aulem est de sgllogismo principaliler (ebend. Anm. 15, 79, 243 u. hier unlen Anm.
41 u. 48 : diese Betonung der Syllogislik hätte Withelm allerdings auch aus Boethius,
s. Abschn. XII, Anm. 84, entnehmen können, jedoch weist ja auch jenes Andere
auf die Araber hin), ad cuius cognitionem netesse est cognosecre proposilionem , et
quia omnis proposilio est ex lern,inis, neecssaria est termini cognilio. Quia ergo
proposilio et enuntialio idem sunt secundum rem, licet di/ferant in eo, quod enunlialio
significal absotule, proposilio aulem significal aliquid in comparalione ad aliud, ideo
prius de enunlialione agendum; prius est enim aliquid cognoscere in se, quam in
comparalione ad aliud. Ex nonline aulem proposilionis palet, quod significat in
comparalione ad aliud; est enim proposilio positio pro alio sive pro conctusione conctudenda;
unde si in se consideratur, est enunlialio; si aulem consideratur ut esl
in sgllogismo, sie est proposilio. Cum igitur agendum sit de enunlialionc, prius
agendum est de suis partibus, quae sunt nomen et verbum. Et dicuntur hae parles
enunlialionis , quia primum ex his fit enuntialio et ex nullis aliis; quamvis enim ex
pronomine et verbo vel parlicipio el verbo fial enuntialio, tamen haec est per naturam
nominis, quam pronomen et parlicipium habent; unde inquantum naturam nominis
participant, sub nomine comprehenduntur. Prius aulem ugendum est de nominc quam
de verbo, quia al principalior pars quam verbum. ldeo ab eo inchoandum est; et
quia omnc nomen est vox el omnis vox est sonus, ideo a sono tanquam a principio
inchoandum est. D. h. trolz der principiellen Verwandlschafl mit der arabischen
Gruppirung des Stoffes (noch ein paar anderweilige Hindeulungen auf Arabisches
s. unlen Anm. 52 u. 65) wird nun doch die Reihenfolge des Pseltus eingehallen,
wornach das Urlheit vor der Isagoge und vor den Kategorien erörlert wird.
33) Est aulem sonus proprium sensibite et dividendus sie: sonus alius vox alius
non vox Vox aliu significaliva alianon significaliva Vox significaliva quaedam
signif,eat naturaliter quaedam ad ptacitum Vox significalira ad piocitum
aut est complexa, ut oralio, aul incomplexa, ut dictio. Incomplexa quaedam signi
fical cum lempore quaedam sine tempore. Est aulem nomen etc.
34) Verbum est etc Sciendum aulem est , quod logica duas tantum ponit
partes oralionis, sciticel nomen et verbum; celeras aulem parles appeliol sincalegoreumata.
35) Oralionum alia perfecta alia imperfecta Perfecta vero ullerius dividenda ;
quaedam enim est indicaliva quaedam imperaliva seu deprecaliva quaedam
optaliva, ut ulinam legerem, quacdam coniunctiva, ul cum legam, quaedam infinitiva,
ul Soeralem legere, quaedam interrogaliva Sed intcr hos modos omnes soio in
dicaliva significal verum et falsum, el ideo haec soio est enuntialio. Vicit enim
Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 111), quod proposilio est oralio verum vel falsum
siqnificans, el non facil ibi differentiam inler projiositionem et enuntialionem ; Aristo
leles aulem (s. Abschn. IV, Anm. 191) sie diffi,nt: „enuntialio est oralio significans
aliquid de atiquo vel aliquid ab aliquo", el intelligit per hoc quod dicit „de aliquo"
inhaerentiam praedicali in subiecto, el per hoc quod dicit „ub aliquo" intelligit remolionem
eiusdem a subiccto.
XVII. Wilhelm Shyreswood. 13
Bestandtheiles ausdrücklich bestrcitet, im Uebrigen aber die Doctrin des
Psellus wiederholt36), an welcher er sich hinwiederum betreffs der Ge
gensätze (ebend. A. 13) enge anschüesst 3 7) , wobei jedoch das Capitel
über materia der Urtheile (ebd. A. 14) stark abgekürzt wird 38). Die
Lehre von der Umkehrung aber (ebd. A. 1 5) fehlt hier, indem sie in der
Syllogislik (s. unten Anm. 49) zum Vorschein kommt, wohingegen die An
gaben über das hypothelische Urtheil (Ahschn. XV, A. 16 f.) in getreuem
Auszuge vorgeführt werden 39). Die Aequipollenz sodann (ebd. A. 18)
wird selbst in grösserer Ausführlichkeit als bei Psellus dargelegt und am
Schlusse der Inhalt der Regeln in folgenden Memorial-Versen ausgedrückt:
Aequivalent Omnis, Nullus non, Non aliquis non;
Nultus, Non aliquis, Omnis non, aequiparantur ;
Quidam, Non nultus, Non omnis non, sociantur;
Quidam non, Non nultus non, Non omnis, adhaerent.
oder all dieses zusammen durch den Vers („vel hoc versn"}:
Prne contradic. Post cnntrar, Prae Postque suballer 40).
Auch die hierauf folgende Lehre von den modalen Urtheilen (s. ebend.
Anm. 19 ff.) leitet er zunächst durch eine selbstständige Bemerkung ein,
in welcher wieder als Hauptzweck die Syllogislik erscheint 4 1), und wäh-
36) Cognita enuntialione per suam dilfinitionem et secundum se restat cognoscere
eam per divisionem et in suis parlibus. Partes aulem dupliciler sunt, sciticel aut
inlegrales aul subicctivae (einige Aehnlichkeit hiemlt hat die Eintheituug bei Algazeli,
s. Abschn. XVI, Anm. 259 ff.). Partes inlegrales sunt, ex quibus constituitur lolum
secundum inlegritalem et de his nunquam praedicatur totum ; partes subiectivae sunt,
ex quibus conslituitur tolum in sua communitale et de his praedicatur tolum. harles
ergo inlegrales enuntialionis sunt subiectum et praedicatum; et dicunt quidam,
quod est et lertia pars, quae sciticel est copuio; sed non est ita; cum enim sit verl'mn,
significat id quod de alio dicitur et sie est praedicatum Dividitur aulem
enuntialio in partes subieclivas penes naturam subiceli vel praedicali sie : enuntialio
alia una alia plures l lem dieiditur penes substanliam enunliatonis sie: enunlialio
alia calegorica alia hgpolhelica et dicitur calegorica a calegorizo, ms,
quod est praedico, eas, eo quod talis perficitur per praedicatum; hgpothelica
dicitur ab hgpo quod est sub et thesis posilio; quasi suppositica Dividitur aulem
enuntialio secundum qualitalem in affirmalivam et negalivam Dividitur aulem
enunlialio calegorica secundum quanlitalem sie: alia est universalis, alia parlicuioris,
alia indefinita, alia singuioris. (Der Memorial -Vers aber, welcher bei Lambert v.
Auxerre sich fmdet, s. A. 108, ist hier nur am Rande der Handschrift, eingetragen.)
37) Auch die übliche Figur entspricht genau jener bei Pseltus.
38) Nolandum est, quod enuntialionum triplex est maleria, sciticel naturalis, conlingens,
et remota u. s. f.
39) Quoniam aulem, quae hucusque dicta sunt, ad calegoricam perlinent enunlialionem,
restat nunc agere de bgriolhelica, u. s. f. So wird die Unordnung des
Texles des Pseltus (Abschn. XV, Anm. 16) hier gleicbsam noch bekräfligt.
40) Eingeleilet wird dieses Cap. durch die Worte: Dictum est.superius, quod
dicitur iudicari enuntialio universalis vel parlicuions a nota signi addili suo subiecto
Restat, quae appositio negalionis qualem facit virtulem in signo. Abge
schlossen wird das Ganze durch: Sciendum ergo, quod quodlibet signum aequipollel
suo contradictorio cum negalionc praeposita, simitiler quodlibet signum aequipollet
suo suballerno cum negalione praeposita et postposita, simitiler omne signum univer
sale aequipollet suo contrario cum negalione postposita. Et omnia iam dicta possunt
relineri in his versibus (folgen obige Verse, welche nun wohl keiner weileren Er
klärung bedürfen).
41) Cum intentio sit de enunlialione propler sgllogismum, consideranda est sub
differenliis, in quibus differenliam facil in sgllogismo, quales sunt hae : affmnalivum,
14 XVH. Wilhelm Shyreswood.
rend er wie Psellus unter den sechs modalen Beslimmungen (verum,
falsum, possibile, impossibile, contingens, necessarium) die ersten beiden
als gleichgüllig ausscheidet 42}, nimmt er von der ebendaselbst (s. ebd. A.
20) aufgestellten Unterscheidung zwischen substanlivischer und adverbialer
Sprachform Gelegenheit, das Ganze ausführlicher, als Psellus gethan (ebd.
A. 21 f.), zu entwickeln43); zuletzt aber schliesst er die dortige Er
örterung über Gegensätzlichkeit oder Subalternalion der modalen Urtheile
mit den Versen ab44):
Su libi linea subeontraria prima secundac ;
Tertius est quarto semper contrarius ordo;
Tertius est primo contradictorius ordo;
Pugnat cum quarto contradicendo secundus:
Prima subest quartae vice parlicuiori habens se;
Hac habet ad seriem se lege secunda sequentem.
d. h. diese Verse beziehen sich auf die bei Psellus (ebd. A. 23 f.) ange
gebene versinnlichende Figur, welche hier an den Schluss dieses ganzen
Abschnittes gestellt ist, aber bei gleichem Inhalte eine abstractere Form
zeigt45).
negalivum, universale, parlicuiore, modale, de inesse, et aliae huiusmodi; differt enim
sgllogismus a sgllogismo per has differentias. Consideremus igitur enuntialionem per
hanc differentiam : al,a de inesse, alia modalis. Est igitur de inesse, quae simpliciler
significal inhaerentiam praedicali cum subiecto, i. e. non determinando qualiler inbaereat;
modalis aulem est quae delerminal inhaerentiam p,aedicali cum subiecto, i. e.
quae dicit, qualiler praedicatum inhaereat subiecto.
42) Modi aulem sunt sex, sc. verum, falsum, possibite, impossibite, contingens,
necessarium; sed quia duo primi non faciunt proposilionem modalem differenlem ab
enunlialione de inesse, ideo omittantur; idem enim est dicere „Soerales curril" et
„Soeralem currere est verum", sicut „Soeralem currere est falsum'' et „Soerales
non curril".
43) D. h. auch Withelm unterscheidet zwischen modus advertiialis und modus
nominalts, nemlich: modus adverbialis est ,,Soerales currit contingenter" ; modi
aulem nominales sie reniunt in sermonem, ul si dicam „Soerulem currere est conlingens",
et dicit Aristoleles (s. Abschn. IV, Aum. 282), quod sicut in itlis de inesse,
....sie in Iiis de modo esse vel non esse substaulia. Aher er führt dann diese
beiden Arten auch wirklich für die Angaben über Qualität, Quantitat und Aequipollenz
der modalen Urtheite durch.
44) Et possunt haec relineri per hos versus.
45) Nemlich statt der concreten Beispiele ist hier folgende Form gewählt:
IV III
Non possibite est non esse Non possibite est esse
Non conlingens est non esse contrariae ^on ci""t"0eBS es' esse
Impossibite est non esse Impossibile est esse
Necessarium est esse 'Necessarium est non esse
l II
Possibite est esse Possibite est non esse
Contingens est esse , . Contingens e»t non esse
Non impossibite est esse umint i HMi ^^ impossibite est non esse
Non necessarium est non esse Non necessarium est esse
XVII. Wilhelm Shyreswood. 15
Hierauf folgt der Inhalt der Isagoge, wobei sich Wilhelm sowohl
in der Begriffsbeslimmung des praedicaMle als auch in allem Uebrigen
völlig an Psellus (ebd. A. 26 f.) excerpireiid anschliesst 4 6) und zuletzt
die arbor Porphgriana vorführt.
Hingegen die Lehre von den Kategorien (ebd. A. 29—41) ist hier
gänzlich übergangen, worin wir wohl nicht mit Unrecht gleichfalls wieder
(vgl. obige Amn. 32 u. 36) arabischen Einfluss erblicken dürften 47).
Somit folgt nun die Lehre vom Syllogismus48), wobei Wilhelm
zunächst aus Psellus (Abschn. XV, A. 43) die Definilion des Schlusses an
gibt, hieran aber sogleich die aristotelische Unterscheidung zwischen vollkommneii
und unvollkommnen Syllogismen anknüpft imd von letzteren in
einer merkwürdigen Wendung den Uebergaug zur Lehre von der Um
kehrung der Urtheile fmdet, wobei er im Ganzen wieder dem Psellus
(ebend. A. 15) folgt, jedoch auch in einem einzelnen Punkte auf eine
Controverse hinweist49). Sodann aber gibt er die einzelnen Scblussfiguren
und Schlussweisen an, in jeder Beziehung den Text des Psellus
(ebd. A. 44 ff.) wiedergebend 50). Unmittelbar aber nach dem letzten
Modus der dritten Figur wird die Stellung des Mittelbegriffcs in den drei
Figuren durch den Memorial-Vers
Sub Prae prima, bis Prae secunda, lertia bis Sub
ausgedrückt51), sowie die sämmtlichen Modi der drei Schlussfiguren uns
hier in der lateinischen Logik zum ersten Male in folgenden Memorial-
Worten und -Versen begegnen :
Barbara, Cetarent, Dar«, Ferio, Raralipton,
<'etanles, Dabilis, Fapesmo, Frisesomorum,
46) Inlendentes de praedscabiti primo ridruunis, quid sit praedicabite, deinde
quomodo dividatur. Sicut ergo praedicalum est, quod de alio dicitur, ita praedica
bite, quod est de alio dicibite. Praedicabite aulem dicitur communiler et proprie
Proprie praedicabite solum est commune, commune aulem et universale idem
suttt Universale aulem sie diffinitur: universale est, quod est dicibite de pturibus,
ad differenliam individui. Dividitur aulem sie: universale aliud genus, aliud
species a. s. w.
47) S. was oben bei Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 189) und insbesondere was
bei Algazeli (ebend. Anm. 257) bemerkt wurde.
48) Victuri de sgllogismo, de quo est principalis intenlio logicae (s. ob. Anm.
32 u. 41), jirimn dicamus eius diffinilionem, deinde quol modis possit fieri.
49) Sgllogismus alius perfectus alius imperfectus (vgl. auch Boethius, Abschn.
XII, Aam. 135). Imperfectus indiget ul reducatur ad perfectum; hoc aulem fit
per conversionem ; ideo necesse est cognoscere eam (allerdings hatle ja auch Aristo
teles, freitich in anderer Weise, die Umkebnmg mlt der Syllogislik verflochten, s.
Abschn. lV, Anm. 539 ff.) Conversio aulem triplex: per se, per accidens, per
contrapositionem llem particuioris affirmaliva sccundum aliquos non converlitur
per contrapositionem, ul st subiectum sit praedicabite de omni enle et de omni non
ente, ul, si tale sit liaec dielio „inlelligibite", non sequitur „aliquod inlelligibite est
homo, ergo aliquis non bomo est non intelligibitis."
50) fledeamus ad principale et videamus, quol modis polest fieri sgllogismus,
Figura est Terminus est a. s. w. Nur verknüpft er die Angaben über Dictum
de omni und Dictum de nullo, welche bei Pseltus früher slehen, erst mit der ersten
Schtusgfigur
51) Diversita, aulem figurarum relinetur hoc versu: Sub Prae u. s. f. Dass
hiebei die Sylben Sub und Prae als Abkürzungen für subiectum und praedicatum
stehen, ist von selbst ersichtlich.
t6 XVII. Wilhelm Shyreswood.
Cesare, Campestres, Feslino, Baroco, Darapli,
Feiopton, Disamis, Dalisi, Bocardo, Femon52).
Zum Abschlusse der Syllogislik werden noch die gewöhnlichen auf
die drei Figuren bezüglichen Regeln (vgl. ebd. A. 44) vorgeführt53);
nemlich die aus modalen Urtheilen besiehenden Syllogismen (ebd. A. 54)
sowie die hypothelischen Schlüsse (ebd. A. 55) sind hier wie auch bei
Lambert von Auxerre und Petrus Hispanus gänzlich übergangen 54).
Was sodann die T o p i k betrifft , so wendet sich Wilhelm mit
Uebergehung der bei Psellus vorfindlichen Einleitung (s. ebd. A. 57 f.)
nach einigen kurzen Bemerkungen über die verschiedenen Arten des
Schliessens, wodurch er einen eigenthümlichen Anschluss der Topik
an die Syllogislik gewinnt, sehr rasch zur Defmilion des Topus 5>5),
52) Modi aulem et eorum reductiones relinentur bis versibus : Barbara u. s. f.
Der Schlüssel jedoch dieser Memorial-Worle wird nur unvollständig gegeben; nem
lich allerdings fügt Withelm hinzu : In his versibus A significat propositionem uni
versalem affirmalivam, E universalem negalivam, f particuiorem affirmalivam, 0 par
licutarem negalivam (dieses trafen wir auch schon bei Pseltus, Abschn. XV, Anm.
46 ff.); S conversionem per se, r conversionem per accidens, M transposilionem praemissarum
(dass das Wort „praemissa" auf Uebersetzungen arabischer Schriflen
hinweist, s. Abschn. XVI, Anm. 43); B et R cmn sunt in cadem dictione, significant
reduclionem per impossibite (Letzleres abweichend von den späleren Laleinern).
Aber es fehlt hiebei die Angabe, warum die vier Anfangsbuchstaben der Worte
Barbara, Ceiorent, Darli, Ferio je in den folgenden übrigen Worten wiederkehren
(dass diess mlt der Kcduclion der übrigen Modi auf die vier ersten zusammenhängt,
ist erst bei Lambert v. Auxerre und Petrus Hispanus ausdrücklich bemerkt, s. unten
Anm. 120 u. 187), und ebenso fehlt die Hinwdsung darauf, dass zur Bitdung der
übrigen Kunstworte auch indifferente Buchstaben verwendet werden (vgl. hingegen
ebend.). Um so sicherer aber dürfen wir annehmen, dass all diese Kunstvvorte
schon vor Withelm in der Schule üblich waren, und eben nur die Molivirung der
selben hier in abgekürzler Form vorgebracht wird. Jedenfalls aber sind die vier
erslen Worte (Barbara, Ceiorent, Darii, Ferio) bei den Lateinern im Unlerschiede
von den griechischen Originalen nur in dem Bestreben gewählt worden, einen Hexa
meler zu gewinnen, worauf dann lediglich um die Manipuiolion der Reduclion
mnemolechnisch auszudrücken die übrigen fünfzehn Namen sich gleichsam von selbst
ergaben. Uebrigens sleht nach dem Angeführten noch Folgendes: Duo primi versus
deserviunt primae figurae, quatuor aulem dictiones lertii versus st'cundae figurae,
et omnes aliae dictiones lerliae figurae. Ex praedictis palet, quod in quatuor
modos primae figurae reducuntur omnes alii, was sodann noch mlt Beispielen be
legt wird.
53) Nota eliam, quod ex duabus negalivis non sequitur aliquid nee ex duabus
particuioribus ; in prima aulem non sequitur direcle maiore exislenle particuiori vel
minore negalive; in secunda aulem non sequitur aliquid ex affirmalivis; in lerlia
aulem non sequitur aliquid minore exislenle negalive.
54) Unmittelbar nach dem so eben Angeführten steht: Kl haec de sgllogismo
sufficiant.
55) Ad plenam sgllogismi cognilionem non sotum exigitur cognitio eins secundum
diffinitionem, sed eliam secundum divisionem; et sunt quaedam cius divisiones, quae
docendae sunt, ubi agitur de sgllogismo communiler, sicut bae: sgllogismus alius
perfectus alius imperfectus, alius affirmalivus, alius negalivus, et aliae huiusmodi.
Quaedam vero separalim docendae sunt, sicut est ista: sgllogismus alius demonstra
livas, alius dialecticus, alius sophisticus. Et est demonstralivus, qui est ex necessariis
et ex eausis conelusionis cerlissimis faciens scienliam; dialeclicus vero est ex
probabilibus fociens opinionem; sophislicus aulem ex apparenter probabitibus ut ex
probabitibus apparenler sgllogizans ad gloriam vel ad victoriam. De ecleris omittentes
de dialeclico intendimus. Quia ergo dialecticus est ex probabitibus, probabititalem
aulem habet ex locis, proplerea de his est delerminandum Locus est u. s. f.
XVII. Wilhelm Shyrcswood. 17
und bespricht hierauf dem Texte des Psellus folgend die einzelnen
Topen 56).
Hierauf nun reiht Wilhelm eine ziemlich selbstständige Bearbeitung
jenes ausgedehnten Abschnittes an, welchen Psellus (ebd. A. 66—96) den
„proprietates terminorum" gewidmet hatte 57). Gleich zu Anfang wird
bemerkt, dass es sich hier um significatio, suppositio, copulatio, appellatio
handle, durch deren Kenntniss das nähere Verständniss des logischen
l'rtheiles gefördert werde 58), und nachdem die Definilion dieser Begriffe
in eigenthümlicher Unterscheidung eines actuellen und eines habituellen
Auftretens angegeben ist69), werden dieselben beziehungsweise mit den
declinirbaren und conjugirbaren Redetheilen in Verbindung gebracht, wobei
deutlich hervorgeht, dass nur die significatio sich auch auf die undeclinirbaren
Worte erstrecke, daher auch vorläufig von derselben Umgang
genommen wird 60).
Indem somit die suppositio folgt, wird dieselbe in einer Weise eingetheilt,
welche von Psellus (vgl. ebd. A. 69—73) etwas abweicht, nemlich
was dort (nach der Uebersetzungs - Terminologie des Petrus Hispanus)
naluralis und aceidentalis als Unterabtheilung der communis gewesen
war, wird hier als materialis und formalis zur Haupteintheilung gemacht,
neben welcher die Unterscheidung in communis und discreta coordinirt
herläuft ; die formalis aber wird dann (wie bei Psellus die accidentalis)
56) Die Reihenfolge der Topen weicht nur bei den loci extrinseci von Pseltus
ab, indem hier (vgl. Abschn. XV, Anm. 62) dieselben geordnet sind: ab auctoritale,
a siiiKli, a maiore, a minore, a proportione, ab opposilis (a disparalis ist hier weg
geiossen), a iruussuu,.l,livni'. Vgl. unten bei Lambert, Anm. 123.
57) Insofern jedoch der Inhalt der einzelnen Regeln im Ganzen der gleiche
ist und derselbe füglich am Resten seine Darsteltung bei dem geschichtlich einfluss
reichsten Autor, d. h. bei Petrus Hispanns, fmden wird, beschränke ich mich hier
hauptsächlich auf die Angabe der Reihenfolge und überiosse es dem Leser, die
folgenden Proben des Textes mit Petrus Hispanus im Einzelnen zu vergleichen.
58) Quatuor sunl proprietales lermini, quas ad praesens inlendimus diversiftcare ;
iK,»in,! enim cognitio valebit ad cognilionem lermini et sie ad cognitionem enunlialionis
et proposilionis. Et sunt hae proprietales: significalio, supposilio, coputalio,
appeliolio.
59) Est igitur significalio praesentalio alicuius formae ad inlellectum, supposilio
aulem est ordinalio alicuius intellectus sub alio, et est coputalio ordinalio alicuius
intellectus supra alium. Et nolandum, quod supposilio et coputalio dicuntur aut
secundum actum aut secundum habitum, et sunt istae diffiniliones earum secundum
quod sunt in actu, Secunäum aulem quod sunt in habitu, dicitur suppositio signi
ficalio alicuius ut subsislentis , quod enim tale est, natum est ordinari sub alio; et
dicitur copuiolio significalio alicuius ul adiacenlis, et quod tale est, natum est ordi
nari supra aliud; appeliolio aulem est praesens comenienlia lermini, i. c. proprietas,
secundum quam significatum lermini polest dici de aliquo medianle hoc verbo „est".
60) Ex his palet, quod signi/icalio est in omni parle sine dictione oralionis,
supposilio aulem in nomine substanlivo tantum vel pronomine vel dictione substanliva
(haec enim significat rem ut subsislentem et ordinabitem sub alio), copuiolio aulem
in omnibus adieclivis et participiis et verbis, appeliolio aulem in omnibus substanlivis
et adieclivis et parlicipiis et non in pronominibus (quia non signi/icant formam
aliquam, sed soiom substanliam) nec in verbis (quia verbum non significat aliquid,
quod apponitur per verbum substantivum, quia sie esset esse ipsum). Nulio aulem
istarum trium est in parlibus indeelinabitibus, quia nulio pars indeelinabitis signifieal
substanliam vel aliquid in substantia. De significalione aulem omiltamus et de
lribus aliis consideremus.
P«ANTi, Gesch. III. 2
18 XVII. Wilhelm Shyreswood.
in simplex und personalis u. s. w. eingetheilt, wobei jedoch die Unter
abtheilung der confusa wieder einige Abweichungen zeigt61). Die suppositio
relativorum fehlt hier62).
Völlig parallel hiemit wird sodann die copulatio (vgl. ebd. A. 83 u. 85)
in Eintheilung und Beispielen erörtert 63) , wobei zu beachten ist , dass
dieser Abschnitt bei Petrus Hispanus fehlt.
61) Et primo de supposilione videamus eius divisionem. Est igitur supposilio
quaedam malerialis, quaedam formalis. Et dicitur malerialis, quae ipsa diclio
supponit vel pro ipsa voce absotuta vel pro ipsa diclione composita ex voce el significalione,
ut cum dicam „homo est dissitabum", „homo est nomen". Formalis aulem
est, quae dictio supponit signi/icatum, el sie dividitur: alia simplex alia personalis.
Et est simplex, quae dictio supponit significatum pro significato, ul „homo est species";
personalis autem, quae supponit signi/icatum pro re, quae subest, ut „homo curril"
Ilem et alia divisio supposilionis formalis, secundum quam quaedam est communis el
quaedam disereta; communis, quae fit per lerminum communem, ut „homo currit";
disereta, quae fit per lerminum diseretum, ut „Soerales curril vel iste" Ilem
personalis dividitur sie: quaedam est delerminata et quaedam confusa ; confusa sie:
quaedam confusa tantum, quaedam confusa et distribuliva; confusa et distribuliva
quaedam mobitis, quaedam immobitis u. s. f.; d. h. es folgt nun die Erörterung
ähnlicher Bedenken wie bei Pseltus.
62) Dass die Supposilio reiolivorum den Anfang jener grossen Gruppe des
Texles bitdet, welche wir vom Compendium des Pseltus vermissen, s. Abschn. XV,
Anm. 84. Somit dient uns von hier an nur der Text des Petrus Hispanus zur
Vergleichung; denn wir müssen an der Ueberzeugung festhalten (s. ebd. Anm. 5
u. 86 ff. u. 93), dass Petrus Hispanus eine wörtliche Ueberselzung des griechischen
Originales gab, wohingegen Andere (wie eben Withelm Shyreswood und Lambert
von Auxerre) dasselbe selbstständiger bearbeileten. Wenn aber Herr M. Timrol in
der Revue Arehtiologique, 1864, p. 267—281 eben dieses Resultat meiner Forschung
umzustossen versucht, so hat er nach seiner Weise unleugbar die Sache sich recht
leicht gemacht (nur die Berufung auf den Arlikel „Pierre d'Espagne" in der Hist.
IM. de io France, — s. unten Anm. 135 —, hätte er sich füglich ganz ersparen
können). Herr Thurat witl nemlich die Ansicht vertheidigen, dass das Compendium
des Pseltus eine Uebersetzung des von Petrus Hispanus selbstständig verfassten
Werkes sel. Aber wenn unter den von ihm vorgebrachlen Gründen derjenige noch
der slichhalligsle ist, dass „supposilio" aus dem bei Priscianus vorkommenden Ge
brauche des Wortes „suppositum" habe entslehen können, so steht es mit der ganzen
Beweisführung sehr schlimm (denn z. B. damit, dass „confusus" schon bei Cicero,
pro Sest., vorkommt, wird wohl Hr. Thurat selbst nicht giouben etwas gesagt zu
haben), indem Alles, was z. B. über „substanlivum, adiectivum, modus significandi"
u. s. f. vorgebracht wird, eben lediglich für mich spricht. Oder ist Hrn. Thurot
der ziemlich reiche Schatz grammalischer Terminologie, welchen ich im XI. Ab
schnitle gelegentlich der Commentatoren anführen und benützen musste (z. B.
ovO,cääris, Inouat,odris , TQÖTtOS , artfsttviixöv u. s. f.) etwa ganz entgangen?
Alle diese Dinge ohne Ausnahme entstanden auf dem Boden der spät-griechischen
Cultur, und so ionge nicht das Unmögliche geschieht, d. h. so ionge man mir nicht
nachweist, dass und wie die Begriffe reiolio, appeliolio, amplialio, distribulio, restriclio,
exponibitia in ihrer technisch-logischen Bedeutung wirklich im ioteinischen
Abendionde sich gestalleten, bleibt das Resultat meiner Forschung unverrückt stehen
(von einzelnen Beweisen, wie z. B. unten Anm. 220, gar nicht zu reden). Hr. Thurat
hätte vielleicht besser getban, vorerst dasjenige, was ich Abschn. XV, Anm. 86 — 104
gesagt habe, aufmerksam zu lesen ; denn auf die Annahme eines Wunders, dass drei
fast gleichzeilige Autoren des ioleinischen Abendiondes etwa durch göttliche Ein
gebung auf jenes nemliche Gebiet der proprietales lerminorum geführt worden seien,
wird sich hoffentlich auch Hr. Thurat nicht einiossen. Wer überhaupt die supposilio,
amplialio u. s. f. besprach, konnte schlechterdings nur aus einer nicht-ioteinischen
Quelle schöpfen. Wo aber diese letztere in ihrer eigentlichen Ursprünglichkeit zu
suchen sei, habe ich gleichfalls ebendort Anm. 106 f. gesagt.
63) Hf copuiolione aulem dicendmt, quod haec dictio alia malerialis alia forXVII.
Wilhelm Shyreswood. 19
Der letzte jener Begriffe, nemlich die appellatio (vgl. ebd. A. 90), wird
hier in anderer (und zwar an sich besserer) Weise besprochen, als in
dem Compendium des Petrus Hispanus der Fall ist; nemlich wenn dort
die amplialio und die reslrictio als getrennte Capitel nachfolgen, so sind
hier diese beiden Begriffe und die darauf bezüglichen Regeln sogleich in
die Darstellung der appellalio verflochten 64).
Unmittelbar hierauf folgt der Inhalt der Sophist. Elenchi, welche
in dem uns erhaltenen Texte des Psellus fehlen (s. ebd. Anm. 65 u. 91),
und es scheint wenigstens, dass Wilhelm in einer gewissen principiellen
Auffassung all das Bisherige, was die Verhältnisse des Subjects- und des
Prädicats-Begriffes betrifft, als eine Vorbedingung oder Einleitung zur Sophistik
betrachtete. Zu beachten aber ist, dass auch er ebenso wie Lambert
v. Auxerre (Anm. 124) und Petrus Hispanus (Anm. 197) nur die
erste Hälfte des aristotelischen Buches (d. h. nur bis Cap. 15) berück
sichligt 65).
In gleicher selbstständiger Behandlungsweise wird nun hernach all
Dasjenige vorgeführt, was bei Petrus Hispanus von der Distributio an folgt,
und zwar wird hier in einer Weise, welche gar nicht unrichlig ist (s. ebd.
A. 92), jenes Ganze durch die Titelüberschrift „Sgncategoreumata'f
malis; formalis (dieses Wort feblt in d. Hdschrft) alia communis alia disereta, el
haec alia simplex alia personalis u. s. f. genau die nemliche Eintheitung wie bei
supposilio.
64) Restat inde de appeilalione , cuius iam habetur diffinitio (s. ob. Anm. 59),
ex qua palet eins differenlia ad supposilionem . . . . el ad copuiolionem Terminus
ex parle subiecli supponit et ex parle praedicali appeliot. Et sciendum, quod secundum
utramque diffinilionem ex parle subiecli supponit, ex parle aulem praedicali supponit
secundum habitualem suam diffinilionem. Sciendum eliam, quod lerminus ex parle
subiecli appeliol suas r es, sed non secundum quod est subiectum; ex parle autem
fmeikali appeliot eliam secundum quod est praedicatum ; secundum aulem quod praedkatum
comparatur ad subiectum suum per aliquam suarum rerum, et secundum hoc
appeliot Datur haec reguio: Terminus communis non restrictus habens sufficienlia
appeltatorum supponens verbo de praesenli non habenli vim ampliandi supponit
terminum pro his quae sunt Hoc membrum „habens sufficientia appeliotorum"
apponitur, quia si non habet, polest supponere pro non ente, et intellige, quod suffi
cientia appeltatorum in tribus consislil ad minimum, unde si non sunt tol appeliota,
polest terminus supponere pro non ente, ut si sunt tantum duo homines, hoc est
falsum „omnis homo esl" Reguio: Terminus communis supponens verbo de praelerito
supponil tam pro praesentibus quam pro praelerilis, el supponens verbo de
futuro supponit tam pro praesentibus quam pro futuris Hoc aulem membrum
„non habenli vim ampliandi" apponitur, quia si sit verbum ampliandi, polest sub
iectum supponere pro non enle, ut „homo ioudatur" hoc est verum pro Caesare, el
i'st verbum amplians, cuius res polest inesse non existenli. Sed verbum restringit
supposilionem lermini; ergo aut per suam significaltonem aut per consignificalionem ;
si per significalionem, ergo tribus hominibus currentibus hoc est verum „omnis homo
curril", quod falsum est; si per consignificalionem, non erit per aliam quam per
consignificationem lemporis; ergo omne verbum praesenlis restringit ad praesentis
o. s. w.
65) Mlt der Ueberschrift „De faliociis" folgt: Ut dicit Aristoleles in primo
slenchorum (dass aurh diese Abiheitung des aristatelischen Buches auf arabische
ütleratur zurückweise, s. Abschn. XVI, Anm. 64 u. 345), quatuor sunt genera
disputalionum , sc. doctrinales sive demonstralivac , dgalecticae el lemptalivae
et sophisticae Methae aulem sunt quinque: redargulio, falsum, inopinabite,
nugalio, soloecismus u. s. w, wie bei Petrus Hispanus, nur das Ganze sehr ab
gekürzt.
2*
20 XVII. Wilhelm Shyreswood.
bezeichnet66). Somit tritt auch zunächst eine Einleitung voraus, welche
nicht ohne Zusammenhang mit Obigem (Anm. 58— 60) den Begriff und
die logische Bedeutung der Syncategoreumata entwickelt 0 '). Und es folgt
hierauf die specielle Besprechung der einzelnen hier beizuziehenden Worte,
wobei jedesmal (wie bei Petrus Hispanus) an die Angabe beslimmter Regeln sich
die Lösung betreffender Sophismen anknüpft. Auf solche Weise werden in fol
gender Anordnung erörtert: zunächst diejenigen, welche im Urlheile auf Seite
des Subjectes stehen, und zwar vorerst die „distribuliven" Worte, sowohl die
bejahenden o»m»j68), toius69), infinitus""1), qualistibel und quantustibel1 1),
66) Wo unmitlelbar nach dem Schlusse der Soph. Et. sich der nun folgende
Text anschliesst, sleht am Bande der Handschrift: Sincalegoreumata magistn\Guitelmi
de Shireshode.
67) Quia ad cognilionem alicuius oporlet cognoscere suas parles, ideo ut plene
cognoscatur enuntialio, oporlet eins parles cognoscere. Parles aulem eius sunt duplices:
principales et secundariae. Parles principales sunt nomen substanlivum et
verbum; hai'c enim necessaria sunt ad hoc, ut cognoscatur enunlialio. Parles secun
dariae sunt nomen adiectivum et aitverbium et coniunctiones et praeposiliones ; haec
enim non sunt necessaria ad esse enuulialionis. Parlium aulem secundariarum quaedam
sunt determinaliones parlium principalium ralione suarum renm, et haec non
sunt »gncalegoreumata, ut cum dico „homo albus"; hoc „albus" enim significat, quod
aliqua res eius, quod est homo, sit alba. Quaedam aulem sunt determinaliones
parlium principalium, inquantum sunt subiecta vel praedicata, ut cum dico „omnis
homo curril"; hoc „omnis" enim, quod est signum universale, non significat, quod
aliqua res eius, quod est homo, sil universalis, sed quod homo sil quoddam univer
sale subiectum. Haec dicuntur sgncalegoreumata, de quibus tractendum est, quia
faciunt plurimam difficultalem in sermone. Dicitur ergo hoc nomen sgncalegoreuma
a sgn, quod est con, et calegoreuma, quod est significalivum vel praedicalivum, quasi
„conpraedicalivum"; semper enim cum aliquo iungitur in sermone. Sed quaeritur,
cum quaedam sint delerminaliones subiecli, quare omnia delerminentur a praedicato.
Dicendum, quod praedicatum est pars compleliva enuntialionis, omne aulem sgnca
legoreuma atlingit aliquo modo subiectum et praedicatum, et proplerea a praedicato
tanquam a complemento et digniori denominantur sgncalegoreumata (die älteren
Quellenslellen über den Begriff der Sgncalegoreumata s. Abschn. XV, Anm. 9, u.
Abschn. XIV, Anm. 174 n. 206).
68) Primo autem tractandum de his, quae sunt ex parle subiecli, ut de signis
et de quibusdam aliis, et primo de hac dictionc „omnis" Sciendum, quod
„omnis" significal universalitalem • sed quandoque signi/leat eam, ul ipsa est rei
dispositio, et non est sgncategoreuma, et sie aequipollet ei, quod est lotum vel perfectum,
ul cum dicitur „mundus est omne"; quandoque significat eam, ut est dispo
sifio subiecli, inquantum subiectum est, et est sgncalegoreuma, ut cum dico „omnis
homo curril", u. s. f. in grössler Ausführlichkeit. Zuletzt : Dictum est sufficienter
de hac diclione „omnis", nec oporlel aliquid dicere de his diclionibus „quitibet,
quisquc", quae eiusdem polestalis fere sunt cum hac diclione „omnis", secundum
quod distribuunt pro parlibus secundum numerum, et de hac diclione „quicunque"
vel „quiscunque", quae eiusdem poleslalis sunt cum itlis.
69) Sed nunc agendum de hac diclione „totum", de qua sciendum, quod quando
que dicit lolalitalem alicuius, secundum quod res est, et aequipollet ei, quod est
inlegrum, et est calegoreuma; quandoque dicit tolalitalem ralione praedicali et est
sgncalegoreuma u. s. f.
70) Eodem modo est haec diclio „infinita" sgncalegoreuma et calegoreuma
n. s. f.
71) Praeler signa praedicta sunt alia copuiotorum distribuliva et sunt huiusmodi
signa „qualistibet, quantumlibel" et similia wobei z. B. zur Vergleichung
mit Petrus Hispanus (s. unten Anm. 253) folgendes Sophisma angeführt werden
mag: Hie solvitur hoc sophisma: Sunt tres qualitales: albedo, grammalica, musica;
et Soerales habet primam et currit, Pioto habet secundam et currit, Cicero lerliam
XVII. Wilhelm Shyreswood. 21
uterque1'2), als auch die verneinenden nullus13) und neuter1*), sodann das
,,exceplive" Wort praeter15), und ausserdem noch die „exclusiven" Worte
solus 76) und tamen11). Hierauf folgen jene, welche zur Urtheilsverel
eurrit, et Virgitius habet omnes et non currit ; inde sie: Qualelibet currit. Probalio:
album currit, grammalicum currit, musicum currit, et non sunt ptures ; ergo
qualelibet currit; sed quidquid est qualelibet, est Virgitius; ergo Virgitius currit;
quod falsum est. Sotulio u. s. w.
72) Est adhuc unum signum affirmalivum suppositorum distribulivum, sciticet
„uterque" u. s. f. (sehr kurz abgehandelt).
73) Sequitur de signis negalivis, et primo de hoc dicendum „nultus", de qua
sciendum, quod quandoque dividit pro parlibus secundum speciem, quandoque pro
parlibus secundum numerum u. s. f. (eine Menge Sophismen).
74) Est adhuc quoddam signum negalivum, quod lerminum negat de duobus,
scilicel ,,neutrum" u. s. f.
75) Quia iam dictum est sufficienler de signis distribulivis, dicendum de hac
diclione „praeler" excepliva, tum quod exceplio saepe vull cadere super aliquam
dirisionem et ad eam continuari, tum quia oppositum habet ad ipsam, quod palel
quia haec diclio „omnis" dicit totam mullitudinem, et haec diclio „praeler" oppo
situm a tolalitale subtrahendo aliquam parlem. Possit tamen aliqua ralione prius
tractari de exctusivis, sed non annuendum. Sciendum, quod haec diclio „praeler"
quandoque lenetur addilive, nt cum dicitur „sex viri sunt hie praeler magistrum
unum", quandoque exceplive, et hoc dupliciler, quandoque diminulive, quandoque
instanlive; diminulive, quando ab aliquo tolo siquifical secundum rem fieri diminulionem,
ut hie „Soerales habet undecim digitos praeler unum"; instantive, quando
excipit parlem a tolo ralione praedicali, ul hie „omnis homo praeler Socralem curril";
significat enim, quod Soerales excipiatur ab hoc tolo „omnis homo" non secundum
rem, sed ralione praedicali, et sie proplerea est sgncalegoreuma u. s. f. (mit einer
Menge Sophismen).
76) Postquam dütum est de signis et de diclionibus exceplivis , convenienler
dicendum est de hac diclione „sotus", tum quia proprie cadit cirea subiectum sicut
eliam signa, tum eliam propler opposilionem, quam habet cum hac diclione „omnis";
„omnis" enim semper dicit unum cum alio, ,, sotus" unum non cum alio. Et quaeritur
primum, an haec diclio „sotus'' sit sgncalegoreuma vel non, et videtur quod
non, quia si dicatur „Soerales incedit superbus", hoc „superbus" significat, qualiler
sit Socrales incedendo, et sie cum dicit qualitalem Soeralis, quae est res praedicabitis,
non est sgncalegoreuma, sie si dicatur „Soerales comedit sotus", significat,
qualiler se habeat in comedendo, et sie cum dicat modum Soeralis et reiolionem, quae
est res praedicabitis, non est sgncalegoreuma Et hoc palel aliter, quia „sotus"
significat „non cum alio" el sie dicit separalionem, et haec est reiolio et res praeduabilis.
Et dicitur, quod, cum signi/icat separalionem ab aliis secundum rem, tunc
est calegoreuma ; cum aulem significat separalionem alicuius ab aliquo in participando
praedicatum, tunc est sgncalegoreuma, ul hie „sotus Soerales currit''; signi
fical enim, quod alii non participant praedicatum. Polest adhuc quaeri, quare melius
additur termino singuiori sive disereto, quam communi Praelerea quaeritur, an
haec „sotus Soerales currit" sit una vel plures; el videtur, quod ptures ; et
dicitur, quod non Praelerea quaeritur, an sit semper affirmaliva Ad hoc
quaeritur, quare haec diclio „solus" dicitur magis exctusiva, quam inctusiva; cum
enim dicitur „sotus Soerales curril", ineluditur Soerales subiectum cursui, alii aulem
exctuduntur ; et dicitur, quod hoc est, quia inctusio non est ex virtule huius diclionis
„sotus", sed ex virtule suae praeiacenlis, exctusio aulem est aliorum el ex
virtute huius dictionis. Ilem videtur, quod haec dictio „sotus" quandoque exctudit
generallter quandoque specialiler, v. g. „sotus Soerales currit" primo modo sensus
est „nullum aliud a Soerale currit", ut exeludatur generaliler omne alind a Soerale,
secundo modo significat specialiter, quod nultum aliud a Soerale currit in eodem genere
u. s. f. (wieder mehrere Sophismen).
77) Consequenler dicendum est de hac diclione „tamen", de qua sciendum est,
quod secundum eius primam significalionem non est sgncalegoreuma, sed dicit certam
mensuram alicuius actus, sicul hae „multum, parvum" dicunt incertam mensuram, et
22 XVII. Wilhelm Shyreswood.
kniipfung zwischen Subject und Prädicat gehören, nemlich estls) und
non79). Hernach diejenigen, welche dem Prädicate näher stehen, nemlich
die „exponiblen" Worte necessario und contingenter so), incipit und
de«'ml81). Zuletzt kommen noch jene Worte in Betracht, welche ein
est adverbium quanlitalis sicul itta; cum aulem haec ralio mensurae contrahitur ad
ralionem subiecli ralione praedicali vel ad ralionem praedicali ralione subiecli,
sie esl diclio exctusiva u. s. f. ebenso.
78) Cum iam dictum vel delerminatum sit de dictionibus sgncalegoreulicis perlinenlibus
ad subiectum, dupliciler possumus procedere, aul sciticet ,lelerminando de
his, quae perlinent ad composilionem, aut de Ins quae pertinent ad praedicatum. Et
primo modo procedenles delerminemus de hoc verbo „esl", non quia sit sgncalego
reuma, sed quia a mullis putatur esse sgncalegoreuma. Et Mi nituntur hinc dicto
Aristolelis (s. Abschn. IV, Anm. 201 f.), quod „est" significal quandam compositionem,
quam sine compositis non est intelligere; eredunt enim, quod hoc „consignificare" sit
„simul significare", et sie sotum sit consigni/icalivum et praedicalivum sicul sgncale
goreuma. Sed contra verbum est nolalio eius, quod dicitur de alio, hoc aulem est
praedicatum; ergo omne verbum est nolalio vel signum praedicali; ergo hoc verbum
„esl" est signum praedicali et non sotum composilionis praedicali cum subiesto. Sed
dicent forle, quod „esl" non est verbum, sed radix omnium verborum. Sed contra
ex solo nomine et verbo fit propositio, ergo ipsum „esl" est verbum. Dicitur ergo
consigni/icare non quia cum alia diclione significet et ingrediatur oralionem, sed quia
cum principali suo signifiealo composilionem significat, ob hoc aulem non est sgnca
legoreuma. Sed videtur adhuc, quod quando „esl" est tertiam adiacens, non sit iltud
praedicatum, sed sotum composilio Ubi „esl" no« est lerlium adiacens, dicitur
sotum esse actuale; sed nW est lerlium adiacens et est praedicalio superioris de in
feriore, lenetur aequivoce n. s. f.
79) Sequitur de hac dielione „non" ef videtur, quod debeat esse verbum, quia
significal divisionem, et hoc, ut videtur, opponitur composilioni denolatae per hoc
verbum „esl", et sie debet esse verbum sicul et ipsum, contraria enim eiusdem sunt
generis. Et dicitur, quod haec ralio peccat dupliciter Sciendum eliam, quoa
quandoque sislit in uno lermino et tunc facit iufinitalionem, quandoque fertur ad compositionem
nnius cum alio et hoc dupliciler, aut faciendo negalionem in genere aul
extra genus u. s. f. (folgen wieder mehrere Sophismen).
80) Sequitur de his diclionibus „necessario, contingenler", el sciendum, quod
haec dictio „necessario" polest esse calegoreuma vel sgncalegoreuma; si calegoreuma,
sie est delerminalio praedicali; si sgncalegoreuma, tunc composilionis; et simititer
„contingens" u. s. f. ebenso.
81) Sequitur de his diclionibus „incipit, desinil", et sciendum, quod uno modo
sunt sgncalegoreumata, alio modo calegoreumata, v. g. haec dictio „incipil" significal
inceplionem alicuius actus in subiecto aut ralione suae rei aul inquantum est
praedicabite, et primo modo habet vim calegoreumatis, secundo modo sgncalegoreumalis
Sed videtur, quod nullo modo sit sgncalegoreuma, sciticet quod praedi
catur, est modus indicalivus, sed non est alius indicalivus quam hoc verbum
„incipil", ergo ipsum praedicatur, ergo non est sgncalegoreuma, quia nullum sgnca
legoreuma est subiectum vel praedicatum, sed magis subiecli vel praedicali disposilio.
Ad quod dicendum, quod dupliciter est dicere aliquid praedicatum esse, aul secundum
formam sermonis et modum construendi aut secundum rem; primo modo praedicatur
sof»s indicalivus, secundo modo bene praedicatur infinilivus, ut si diceretur
„Soerales videt hominem nunc primo", et sie si „videre" secundum rem praedicatur
et si „incipit'' dicitur modo secundum quod praedicatur, sie habet vim sgncalegoreu- •
malis aliquo modo Consequenter quaerendum de exposilionibus istarum diclionum.
Et dicunt quidam, quod quandoque dicunt exislenliam in lermino, quandoque viam
ad lerminum, ut si diceretur „Soerales incipit esse albus", primo modo significat,
Soeralem esse in principio albedinis, secundo modo, quod sit in molu et via ad albedinem;
el eliam quandoque coniunguntur cum permanentibus, quandoque cum successivis
; et sunt permanentia, quorum partes sunt simut, cuiusmodi est album; successiva,
quorum parles non sunt simut, suiusmodi est currere Sed confra sif, qnod
„Soerales incipit esse sanus el desinit esse aeger", tunc instms inceplionis et instans
XVII. Wilhelm Shyreswood. 23
gewisses Verhältniss zwischen zwei Subjecten oder zwischen zwei Prädicaten
oder zwischen zwei Urtheilen ausdrücken , d. h. die „Conjunclionen"
82), und zwar die „conseculiven" «83); nm'84) und guin85), hierauf
desitionis aut erunt idem, et tunc in Mo et sanus el aeger, aut erunt diversa, et tunc
invenietur lempus, in quo non erit sanus nec aeger. Proplerea dicendum, quod omnis
permutalio aut in rem successivam aut in permanenlem n. s. f. ebenso.
82) Determinalis dielionibus, quarum officia perlinent ad subiectum et eliam ad
praedicatum ralione composilionis, et eliam de his, quae licet uno modo sint determinaliones
praedicatorum, alio tamen modo sunt praedicata, sequitur de dielionibus
pertinenlibus ad unum subiectum ralione allerius vel ad unum praedicatum respectu
allerius vel ad unam composilionem ralione allerius. Huiusmodi aulem sunt coniuncliones.
Est aulem coniunclio pars oralionis indeelinabilis coniuncliva aliarum
partium oralionis; et dico ,,parlium", quia licet coniungat oraliones, hoc tamen non
est «ist inquantum itioe sunt partes oralionis compositae. Cum ergo praeposilio sit
etiam coniuncliva parlium oralionis, quaerenda est di/ferenlia inier haec. Ad quod
dicendum, quod praeposilio habitudinem dicil unius ad aliud, coniunctio
autem coniungit aliqua, quorum neutrum ad aliud habet habitudinem.
83) Cum autem multae sint species coniunctionum , sotum de conseculivis et
copuiolivis el disiunclivis nunc inlendimus, et primo de conseculivis et inler haec
pnmo de hac dictione „si", de qua divimus, quod consequentiam significat. Et
tunc quaeritur differentia inier haec „sequitur vel ordinatur" el hanc diclionem „ss".
Ad hoc dicendum, quod haec diclio „si" notal consequentiam, secundum quod exercetur
ab anima proferentis „Si" dicit aliquam rem sub conditione ad aliam,
„sequitur" autem non. Item quaeritur, quare non additur consequenti, cum dicat
consequentiam. Dicendum, quod non dicit aliud sequi proprie, sed ad aliud, sc. ad
anlecedens facit consequentiam et ideo antecedenti coniungitur Nunc quaerendum
est, quac sit composilio in conditionali, cirea quam sit veritas el falsitas. Et dicunt
quidam, hanc esse cirea composilionem eius, quod est, sc. ralione huius verbi „sequitur"
subinlellecli. Sed contra vox est signum inlellectus , ergo „st Soerales
currit, Soerales movetur" quantum ad principalem intellectum est proposilio, ergo in
principali eius inlellectu est'veritas el falsitas Sciendum tamen, quod haec,
dieltu „s«'' quandoque respicit lotum consequens, quandoque verbum consequenlis ;
primo modo facit condilionalem, secundo modo calegoricam de conditionali praedicalo.
(nun folgen Sophismen) llem quandoque nolat consequenliam simpliciler,
quandoque ut nunc rebus se habentibus , quandoque dicit aliquid sequi ad aliud
necessario , quandoque nutal consequentiam naturalem, quandoque non naturalem;
naturalem, ut quando notal consequens sequi ad anlecedens ralione alicuius habitudinis
unius ad aliud; non naturalem, quando nolat consequens sequi ad anlecedens
non ralione habitudinis unius ad aliud, sed sotum propler impossibititalem anlecedentis
vel necessitalem consequenlis ; primo modo notat ordinem rerum secundum rem,
secundo modo notat ordinem rerum secundum sermonem. Item quandoque in non
naturali ralione cuiustibel lemporis , quandoque ralione praesenlis vel
futuri lemporis n. s. (. wieder Sophismen. Uebrigens vgl. Anm. 617.
84) Sequitur de hac diclione „nisi", de qua sciendum, quod nolat consequen
liam ad anlecedens negatum, componitur enim ex si et non. Et quaeritur, quare
magis sit coniunclio quam adverbium. Ralio huius est, quod conseculio cadil super
negalionem el est complementum suae significalionis Est aulem videre, quod
quandoque lenetur exceplive, quandoque conseculive. Cum conseculive lenetur, tunc
hae eaedem possunt assignificari distinctiones de ea, quae de hac dictione „si" n. s. f.
wieder Sophismen.
85) Sequitur de hac dictione „quin", de qua sciendum, quod est diclio conseculiva
notans consequentiam alicuius ad anlecedens negatum; habet enim negalionem
in se, ul hie „non currit, quin mouealur" est sensus „si non movetnr, non curril".
Et est sophisma: Tu non poles vere negare, le non esse asinum. Probalio. Tu non
poles negare vere necessarium; sed hoc est necessarium; ergo non poles vere negare
hoc; deinde ergo non poles vere negare, quod non sis asinus; ergo non poles vere
negare, quin sis asinus; ergo tu es asinus (folgt die Lösung).
24 XVII. Wilhelm Shyreswood.
das „copulalive" et86), und schliesslich die „disjuncliven" vel 87), aw8*),
ne89) und sive 90). Zeigt nun dieses Arrangement der Syncategoreumata
im Vergleiche mit dem Texte des Petrus Hispanus und somit auch
sicher mit jenem verlorenen Texte des Psellus entschieden einen selbst
ständigen Charakter der hiebei gewählten Gesichtspunkte, und fmden wir
ausserdem hier in den Conjunclionen einen Bestandtheil dieser logischen
Theorie, welcher bei Petrus Hispanus ursprünglich nicht beigezogen war
(s. hingegen die späteren Inteipolalionen in Abschn. XX), so bietet sich
uns noch eine andere höchst bedeutsame Wahrnehmung dar. Nemlich
Wilhelm äussert sich wiederholt ausdrücklich derarlig, dass wir einen
bereits damals verbreiteten Betrieb jenes Abschnittes der Logik, welcher
die Syncategoreumata betrifft, voraussetzen müssen. Es wurde ja zufolge
seiner Angaben nicht bloss die Reihenfolge der Capitel bald so bald an
ders eingerichtet91), sondern auch an die einzelnen Syncategoreumata
selbst knüpften sich Controversen , indem z. B. Einige das Wort „esl"
wirklich als ein Syncategoreuma betrachteten 92) , oder bei „incipü" die
Frage aufgeworfen wurde , ob dasselbe das bereits eingetretene erste
Stadium des begonnenen Zustandes oder nur den Uebergang in das erste
Stadium bedeute 93), sowie hinwiederum bei „si" sich der Zweifel erhob,
ob es sich auf den dinglich objecliven oder nur auf den sprachlichen
Zusammenhang beziehe 94).
Somit gewinnen wir nun (vgl. ob. Anm. 52) die begründete Ein
sicht, dass auch Wilhelm Shyreswood nicht der Erste war, welcher das
Compendium des Psellus in das lateinische Abendland übertrag, sondern
dass er nur als ein uns zufällig zugänglicher Repräsentant einer verbrei-
86) Sequitur de coniunclionibus copniolivis, cuiusmodi est hoc ipsum „et" ,
quod significat simul esse Dicenitum, quod simul esse, quod dicitur per hoc
ipsum „el", est duorum praedicatorum in uno subiecto vel duorum subiectorum in
uno praedicato u. s. f. Sophismen.
87) Sequitur de hac diclione „vel", quae est disiuncliva coniunctio Et dicendum,
quod coniungit voces in unum sermonem, res aulem disiungit quod ea,
inler quae disiungit, simul esse non possunt, cum dicit, allerum esse verum, allerum
esse falsum u. s. f. ebenso in grosser Ausführlichkeit.
88) Sequitur de hac diclione „an", quae significat dubitalionem, et inlelligendum
est sie, quod cum dubitamus de duobus, an sit consenliendum quaerimus,
et talia duo coniungi medianle „an" Quaeritur aulem. quae sit differenlia
inler „an" el „vel". Quae talis est, quod qui seit, an Soerates cmrat, seit determinale
alleram parlem; sed qui seit, Soeratem currere vel non currere, non seit delerminale
allerum. Et proplerea „an" dicitur elecliua coniunctio, quia dicit eleclionem
allerius parlis delerminale u. 3. f. Sophismen.
89) Sequitur de hac diclione „ne", quae aliquando ponitur inlerrogalive, ut
„curritne Soerales", et ponitur pro „an", quandoque ponitur prohibilive ; el hoc dicitur
quandoque sie, ul per ipsam exereeatur prohibilio, quandoque aulem, ut ipsum prohibitum
ordinetur cum aliquo praecedenli; exemplum primi „ne curras", exemptum
secundi „volo, ne curras". Et sie de ipso est dubitalio in hoc sophismale.' Tu vis,
ne libi coneludatur, et caves, ne libi coneludatur ; ergo idem vis el caves u. s. f.
(die Lösung).
90) Sequitur de hac diclione „sive", de qua sciendum, quod ipsa signi/icat disiunclionem
cum condilione u. s. w. Sophismen.
91) S. d. Stelle in Anm. 75 u. 78.
92) S. Anm. 78.
933)) S. Anm. 81.
944)) S. Anm. 83.
XVII. Wilhelm Shyreswood. Lambert von Auxerre. 25
teten Richtung gelten kann (vgl. sogleich unten Anm. 97), indem wir
mit Gewissheit schliessen , dass schon im zweiten und dritten Jahrzehent
des 13. Jahrhunderts jenes byzanlinische Original bei den Lateinern eine
einflussreiche -Aufnahme gefunden haben muss (vgl. Abschn. XV, Anm. l ff.).
Und wir finden es, — um von Vincenz von Beauvais abzusehen, bei welchem
anderweilige begründete Bedenken eintreten (s. unten Anm. 319—326) —,
nun keinenfalls unerklärlich, wenn Albertus Magnus in einem Punkte,
welcher nur aus der byzanlinischen Logik geschöpft werden konnte, eine
wörtliche Uebereinslimmung mit Wilh. Shyreswood zeigt (s. Anm. 470 f.).
Demnach kann es auch nicht mehr auffallend sein, wenn wir noch einen
zweiten Vertreter dieser Logik an Lambert von Auxerre (um die
Mitte des 13. Jahrh.) treffen, welcher als jüngerer Zeitgenosse des Wilhelm
Shyreswood, sowie als älterer des Petrus Hispanus zu bezeichnen ist 95).
Auch er hat in seinem uns nur handschriftlich erhaltenen Werke „Summa
logicae" 96) die Synopsis des Psellus zu Grunde gelegt, dieselbe aber mit
ziemlich reichlichem Studium des Boethius und theilweise selbst der Araber
selbstständig verarbeitet. VorTHer ausgedehnten Einleitung, welche Lambert
vorausschickt, ist uns sogleich die erste Zeile wichlig97), in welcher auf
die den „neuen"' Zuhörern dargebotenen „Summulae" hingewiesen wird ;
denn wir werden nicht irren , wenn wir hierin eben wieder jene Thatsache
erblicken , dass durch die Verbreitung der Schrift des Psellus die
Anferligung derarliger Summulae eine ganz allgemeine wurde. Die ein
zelnen Punkte der Einleitung bespricht Lambert in Form der arabischen
Quaesita, d. h. stets Fragen aufwerfend und dieselben beantwortend 98),
und in solcher Weise erledigt er zunächst in sichtlichem Anschlusse an
Alfarabi (Abschn. XVI, Anm. 13 u. 18) die Eintheilung der sieben freien
Künste "), sowie die bevorzugte Stellung der „Logik" innerhalb des Tri-
95) Die wenigen bekannlen Nolizen über ihn s. bei Lebeuf, Me'moires concern.
PMst. eccl. et cn. d'Auxene, II, p. 493 f. Qilelif, Seriptt. Ord. Praedic. I, p. 906.
96) Auch was den Lambert betrifft, wurde ich (wie bei With. Shyreswood)
nur durch Haureau, De io phit. scol. II, p. 240 auf die Pariser Handschrift Cod.
Sorbonn. 1797 hingewiesen. Die zweite von Haureau genannle Handschrift (nach
der Numerirung des gedruckten Cataloges Cod. Reg. 7392) habe ich nicht benützt;
und nur auf diese wohl kann sich Haure'au's Angabe beziehen: „L'auleur commence
par une analgse raisonne'e de P Introduction , puis it passe ä l Inlerprttalion, aux
Analgliques, aux Arguments, aux Topiques, et finit par les Cate'gories." Auffallend
jedoch bleibt mir dabei, dass Haure'au dennoch jenes nemliche Proömium anführt,
welches in Cod. Sorb. 1797 zu Anfang der Summa steht, welche eine hievon ganz
verschiedene Reihenfolge (nemlich eben jene des Pseltus) zeigt.
97) Ut novi artium auditores plenius inlelligant ea, quac in Summulis edoecntur,
valde ulilis est cognitio dicendorum.
98) S. die nemliche Methode z. B. auch bei Avicenna, Abschn. XVI, Anm.
106 u. 113.
99) In primis quaeritur, quare artista dicitur audire de arlibus et non de arte.
Ad hoc dicendum est, quod seplem sunt arles liberales, quarum tres vocantur triviuo,,
quae sunt grammalica, logica, rhetorica. Et dicuntur trivium quasi tres viae ad
a a um, sc. in sermonem. Omnes mim triviales sunt de sermone, sed differenter: quia
grammalica cirea sermonem- considerat congruum et incongruum, ut congruum eligat
et incongruum fugiat; logica vero cirea sermonem considerat verum et falsum, uf
verum eligat et falsum fugiat; sed rhetorica cirea sermonem considerat ornatum et
inornatum, ut ornatum eligat et inornatum fugiat. Aliae quatuor vocantur quadri-
,n',n a. s. w.
26 XVII. Lambert von Auxerre.
viumsluo), wofür er noch ein verstärkendes Moliv in den Angaben des
Boethius (Abschn. XII, Anm. 76) findet101). Unmittelbar hieran reiht er
in fast wörtlicher Uebersetzung der ersten Zeilen des Psellus (Abschn. XV,
Anm. 6) die Definilion und Etymologie der „Dialeklik"102), springt jedoch
hievon bezüglich des Unterschiedes zwischen „Logik" und „Dialeklik"
wieder auf Boethius (Abschn. XII, Anm. 82) über, und giebt hiebei ge
legentlich die für uns wichlige Noliz, dass „vetus logica" aus dem Buche
über die Kategorien und jenem de interpr., hingegen „nova logica" aus
den beiden Analyliken, der Topik und Soph. El. bestehe103), wodurch
wir sowohl einen Beleg für Obiges (Anm. 5) als auch einen festen An
haltspunkt für Späteres gewinnen. Ferner unterscheidet • er an der
„Dialeklik" eine wissenschaftliche (— scientia —) und eine praclische
(— ars —) Seite104), wobei er entschieden eine häufig angeführte Stelle
Isidor's (s. Abschn. XIII, Anm. 26) im Auge hat; schlicsslich aber wird
100) Ilem guaeritur, quid sit logica. Logica est scientia discemendi verum a
falso per argumentalionem. Dicitur aulem logica a logos, quod est sermo, et gcos,
quod est scienlia, quasi scienlia de-sermone. Sed cum sint tres scientiae de sermone,
ut dictum est, et ita quaelibet polest dici logica, quaeritur, quare apprvprietur ittud
unum logicae polius, quam grammalicae vel rheloricae. Ad hoc dicendum est , quod
aliquolies , quod est commune mullorum, uni appropriatur propter excellentiam vel
dignitalem, ut si dicatnr „apostotus dicil", hoc inlelligitur de Paulo, quia
dignior est aliis et excellenlior. Quod palet per eins diffinitionem talem: logica est
ars artium , scienlia scienliarum, qua aperta omnes aperiuntur et qua ctausa omnes
aliae ciouduntur, sine qua nulio, cum qua quaelibet.
101) Alia ralione dici polest, quod est dignior aliis, quia aliae modum procedendi,
quem habent, sutmmt a logica; modus enim scienlificus, i. e. modus procedendi
in scientiis , est diffinire, dividere et colligere sive conferre, i. e. probare et
improbare; soio logica hoc facit Huius signum est, quod Boethius dividit
logicam in principio Topicorum suorum in arlem inveniendi et in arlem iudicandi.
102) Ilem qvaeritur, quid sil dgaleclica. Dgalectica est ars artium ad principia
amnium methodorum viam habens ; soio enim dgalectica probabititer disputat de principiis
omnium arlium. Et sciendum, quod est metliodus ars brevis et facitis et semitae
proporlionatur ; nam sicul semita ducit ad eundem terminum, ad quem iota via, sed
brevius et expeditius, sie ad cognilionem eiusdem ducunt ars et methodus, sed facitius
methodus, quam ars. Dicitur aulem dgalectica a dga, quod est duo, et lexis, quod
est ralio, vel logos, quod est sermo, quasi ralio vel sermo duorum, sc. opponentis et
contradicentis in disputalione.
103) Tunc quaeritur, quae sit differenlia intcr logicam et dgalecticam. Ad hoc
dicendum, quod logica, secundum quod est ars et secundum quod est scienlia, secmior
est ad dgaleclicam. Logica enim scienlia est de omni sgllogismo docens, dgaleclica
de sgllogismo dgaleclico sotum vel apparenli dgaleclico Undc logica traditur in
omnibus libris logicae, qui sunt sex, sc. liber Praedicamentorum, liber Pergermenias ,
jlui nunc dicuntur vetus logica, liber Priorum, Posleriorum, Thopicorum et Etenchorum,
qui quatuor dicuntur nova logica; dgalectica vero lraditur in libro Thopicorum
et Etenchorum sotum.
104) Et sciendum, quod scienlia et ars differunt; scienlia enim id, quod dicit,
nominal absotule, ars vero dicit reiolionem ad opus ; unde dgalectica dicitur scientia,
secundum quod docet sgllogismum dgaleclicum constituere ex suis principiis, dicitur
aulem ars, secundum quod ulitur sgllogismo dgaleclico ad aliquam controversiam lerminandam
Quod polest videri in simiti: marleltus polest esse subiectum in arte
labriti et mstrumentum; subiectum dicitur marleltus, quando cum conslituit faber ex
suis principiis, dicitur aulem instrumentum, quando itlo marlello facto ulitur ad alia
fabricanda u. s. w.
XVII. Lambert von Auxerre. 27
die wesentliche Aufgabe der gesammten „Logik" in die Lehre vom
Schlusse verlegt 105).
Hierauf aber geht Lambert sofort mit der Frage , warum die Logik
mit dem Begriffe des Schalles (sonus) beginne , auf die Synopsis des
Psellus über106), und entwickelt so die Lehre vomUrtheile vollständig
an der Hand des Psellus, indem er den gleichen Sinn bald wörtlich, bald
mit verändertem Wortlaute, bald mit kleineren oder grösseren Erwei
terungen wiedergibt l07). Indem in solcher Weise über nomen, verbum
und oratio gehandelt wird, treffen wir bei letzterer bezüglich ihrer Eintheilung
nach Substanz, Qualität und Quanlität (s. Abschn. XV, Anm. 12)
hier zum ersten Male den Memorial- Vers :
Quae ea vel hgp, Qualis ne vel äff, u Quanta pur in sin108).
Es folgt hierauf (s. ebend. Anm. 1 3 f.) die Lehre vom wechselseiligen
Verhältnisse der üblichen vier Urtheilsformen 109), sodann (ebend. A. 15)
in grosser Ausführlichkeit die Lehre von der Umkehrung110) und hernach
mit Uebergehung des bei Psellus an eine falsche Stelle gekommenen
Capitels über das hypothelische Urtheil 1 1 1) sogleich die Lehre von der
105) Notandtm vero, quod tola intentio logici est, ut habeal sgllogismum
perfectum, unde omnia, de quibus logicus delerminat, ralione sgllogismi delerminat.
Bei Lambert kann diess sowohl auf Boethius als auch auf den Arabern beruhen;
anders ist es bei Withelm Shyreswood, s. oben Anm. 32, woselbst die beidersei
ligen Quellen.
106) llem quaeritur, quare logicus incipit a sono et non ab aliquo, quod sit
ante sonum. Ad hoc dicendum, quod logicus est artifex sermocinalis, et quia de
consideralione arlificis sermocinalis nihit est, quod sit ante sonum, ideo a sono incipit
tanquam ab alliori. Sonus sie diffinitur: Sonus est quidquid proprie et per se
et de se per auditum percipitur a. s. w.
107) Z. B. was vox significaliva (Abschn. XV, Anm. 7) betrifft, sagt Lambert:
Voces imponuntur ad signi/icandas res secundum rerum proprietales el eliam secundum
ralionem, ut homo dicitur, quia est factus de humo, et iopis quasi taedens pedem,
et sie de aliis. Vox signijicaliva ad ptacitum idem est quod sermo. Sermonum
alius complexus et alius incomplexus ; sermo incomplexus est, qui plura in se non
compleclitur ut dirtio. Est aulem dictio seenndum Roethium (Abschn. XII,
Anm. 109) unius vocabuli nuncupalio, quae idem est, quod lerminus, in quem resolvitur
proposilio Grammalicus principaliler intendit de diclione, quantum ad
significatum generale, et ideo non supponit diclionem logicus a grammalico, sed de
ea delerminat; aliter aulem erit de litleris et sgltabis, quia aliter non consideral
logicus littcras et sgltabas, quam grammalicus. Dictionum alia nomen alia verbum;
hie possis quaerere ....... quare sotum delerminal logicus de nomine et verbo
Quia secundum Boethium (s. ebend. Anm. 111) sotae parles oralionis sunt putandae
Prius dicendum est de nomine quam de verbo, eo quod subiecta ante actum, nomen
aulem significat subiectum, verbum aulem actum. Nomen est u. s. w.
108) D, h. auf die Frage „Quae?" wird geantworlet mlt ca[legorica] oder
hgp[olhelica] , auf die Frage „Qualis?" mit ne[jof»i)a] oder aff [irmaliva] , auf die
Frage „Quanta?" mit u[niversalis] oder pur[licuioris] oder in[definita] oder sin[guioris].
S. Anm. 153.
109) Die gewöhnliche Figur jedoch fehlt hier.
110) Dicto de proposilionibus parlicipanlibus utroque lermino ad eundem ordinem
dicendum est de proposilionibus parlicipanlibus utroque lermino ad ordinis commutalionem;
ordinis enim commutalio idem est quod conversio; est aulem conversio principium
reducendi sgllogismos imperfectos ad perfectos Conversio aulem est
triplex, sc. simplex, per accidens, et per contrapositionem u. 8. w.
111) S. Abschn. XV, Anm. 16 ff.
28 XVII. Lamhert von Auxerre.
Aequipollenz (ebend. A. 18) mit Beiziehung der ersten vier hei Wilhelm
Shyreswood (oben Anm. 40) aufgeführten Memorial- Verse 112); endlich
die Lehre von den modalen Urtheilen (Absehn. XV, A. 19 If.) gleichfalls
mit obigen (Anm. 44) Versen geschmückt113).
Dem hierauf folgenden Inhalte der Isagoge schickt Lambert eine
eigenthümliche Einleitung voraus , in welcher aber die Parteifrage über
die Geltung der Universalien nicht mit einem Worte berührt ist114);
auch ist er in der Besprechung der einzelnen quinque voces weit aus-
112) nif! a de proposilionibus coniiertenlibus dicendum est de aequipollentibus
Am Schlusse bievon : Sciendum, quod in aequipollenliis ponuntur quatuor
versus (so weist auch diese Ausdrucksweise auf eine allgemeine Receplion der
Memorial-Verse hin , vgl. ob. Anm. 40 u. 44), quorum primus dicit aequipallenliam
huius signi „omnis", sccundus huius signi „nultus'', lertius huius signi „aliquis", et
quartus huius signi „aliquis non". Pnnms versus est isle:
Aequipollent Omnis, Nultus non, Non aliquis non;
Secundus versus est iste:
Non aliquis, Nullus, Omnis non, se comitantur;
Tertius versus est iste:
Non nultus, Non omnis non, Aliquis, comitantur;
Quartus versus est isle:
Non omnis, Non nullus non, referunt Aliquis non.
Idem inlelligendum est de islis signis „ulerque, neuler, aller" u. s. f. (Die kleine
Abweichung des Wortioules der Verse von jenen bei With. Shyreswood zeigt die
Vergleichung von selbst.)
113) Xeiriulun,. quod proposilionum quaedam sunt de inesse et quaedam modales
u. s. w. Die Verse slimmen wörtlichst mlt obigen überein ; die versinnlichende
Figur aber (ob. Anm. 45) fehlt hier.
114) Sequitur de praedicabitibus. Sciendum aulem, quomodo diffiniuntur praedicabite
et praedicatum et \,raedicamentum. Praedicamentum aulem nihit aliud est,
quam ordinalio praedicabitium in linea praedicabiti secundum sub et supra et a iolere
et in linea recta, unde itio tola ordinalio, quae est intcr genus generalissimum
et speciem specialissimam et genera suballerna et differentias coliolerales, vocatur
unum praedicamentum , sicut palet in arbore Porphgrii in traetatu Praedicabitium.
Sunt aulem decem praedicamenta Dicitur aulem praedicatum id, quod refertur
ad subiectum in proposilione, quae sunt quatuor: diffinitio, accidens, genus et proprium.
Praedicabite idem est quod dicibite, et polest dividi praedicabite, nam aliud
est universale aliud est singviore Et est singuiore, quod de uno solo praedicatur,
ut Suerales et Ptato. Sed contra dicit Aristoleles in libn Praedicamentnrum (s. Absehn.
IV, Anm. 476), quod per subiecta nulta est praedicalio, et vocal prima subiecta individua,
unde vult innuere, quod individuum de nullo praedicatur. Propter quod
dicendum est, quod ,.praedicari" differenler dicitur, proprie et commumler. Et est
proprie praedicari de aliquo dici , quod est poslerius , et de tali praedicalione
intelligit Aristoleles, et sie sotum praedicatur universale. Praedicari vero communiler
idem est quod dici ita, quod non fiat vis in hac proposilione, secundum quod dicit
, Boethius (s. Absehn. XII, Anm. 124), quod nulio propositio est verior itta, in qua
idem de se praedicatur, i. e. sie polest praedicari tndividuum et sie inlelligil hie.
Universale aulem idem est quod aptum natum dici de pturibus (so Pseltus, s. Absehn.
XV, Anm. 26) Ad cuius evidenliam nolandum est, quod est quidem universale,
quod mulliplicatur in ptura supposita actu et simul , ul homo , quia actu et simul
ptures homines sunt; aliud universale est, quod non mulliplicatur in ptura supposita
actu et simut, sed successive, ul phoenix Aliud est universale, quod neque simul
neque successive mulliplicatur in plura supposita, ut sol et tuna, quia una est tuna
et unus est sol, quae semper durabunt. (All dieses Letzlere erinnert uns an Avicenna,
s. Absehn. XVI, Anm. 88 f.) Et sie palet, quod non omne universale dicitur
de pturibus; tamen quoniam est de se, i. e. de natura formae universalis, aptum
natum est dici de pturibus. Praedicabitia vero sunt: genus, species u. s. f.
XVII. Lambert von Auxerre. 29
führlicher als Psellus , jedoch ohne dass wir irgend Bemerkenswerthes
daraus hervorzuheben hätten.
Auch .hei der sich anschliessenden Erörterung über die Katego
rien ist der Text des Psellus häutig durch eingefugte Fragen und deren
Lösung erweitert115); zu beachten aber ist, dass bereits Lambert bei
den sechs letzten Kategorien, welche Psellus (Abschn. XV, A. 35) theils
kärglich theils gar nicht besprochen hatte , und deren vier letzte daher
auch bei Petrus Hispanus ursprünglich fehlten (s. unten Anm. 173), die
nöthige Ergänzung aus Gilbertus Porretanus vornimmt116). Auch die
sog. Postprädicamente werden mit einer eigenthömlichen Bemerkung ein
geleitet m).
Desgleichen werden sodann der Syllogistik allgemeine Gesichts
punkte vorausgeschickt, welche theils aus Boethius entnommen sind 118), l
theils deutlich auf arabische Litteratur hinweisen119). Aber keinen dieser
115) Z. B. nach den Angaben über aequivoca u. dgl. fügt er hinzu: Ad evidentiam
praedictorum quaeritur, quare in principio praedicamentorum ponantur istae
diffinitiones et ad quid valeant. Ad hoc dicendum, quod .... decem praedicamenta
possunt comparari ad suum superius , sc. ad hoc quod est ens , et sie in hoc quod
est ens aequivocantur Secundo quaeritur, quare in pturali diffiniuntur
Terlio quaeritur, quare diffiniuntur per „diei" et non per „esse" u. s. f.
116) Nemlich bei aclio. passio, quando, übi, situs, habitus werden slets mlt
den Worlen „quod sie diffinitur ab auctore sex principiorum" die Angaben Gitberts
(Abschn. XIV, Anm. 488 ff.) angeführt. Vgl. unten Anm. 308.
117) Post itta vero, quae dicta sunt, dicatur de postpraedicametdis. Sed primo
videtur, quod postpraedicamenta debeant dici antepraedicamenta, quia dictum est supra,
quod antepraedicamenta ad cognilionem praedicamentorum valent et ideo praeponuntur
praedicamentis ; sed et postpraedicamenta valent ad praedicamenta; ergo qua ralione
itio dicuntur antepraedicamenta, eadem ralione, ut videtur, ista debent dici anleprae
dicamenta. Ad hoc dicendum, quod anlepraedicamenta et postpraedicamenta valent
ad cognilionem praedicamentorum, sed diverse, quod anlepraedicamenta valent ad
cognilionem praedicamentorum in se , prout omnia ipsa ad aliquid superius comparantur,
sc. ad id quod est ens ; sed postpraedicamenta valent ad cognilionem
quorundam, quae in praedicamenlis sunt, sicul ad cognilionem contrarietatum et proprietatum
ipsorum, quod palet de quolibet praedicamento u. s. w. (Letzleres ist eben
die Behandtungsweise Gitbert's.)
118) Sequitur de sgllogismo, et quia sgllogismus est species argumentalionis et
in diffinilione argumentalionis ponitur argumentum, ideo videndum, quid sit argumentum
et quid argumentalio et quol argumentalionis sint species et quae. Argumentum
aulem secundum Boethium in Topicis suis (s. Abschn. XII, Anm. A65) est ralio rei
dubiae fidem faciens , ad cuius evidenliam notandum est , quod ralio dicitur quatuor ~
modis n. s. w., d. h. er wiederholt aus Boethius (s. ebend. Anm. 82) die Eintheitung
des argumentum in necessarium, probabite und l;o(,bisticun,.
119) Sciendum est aulem, quod sgllogismi quaedam suu l principia generalia,
quaedam aulem specialia. Magis aulem generalia sunt, quae in omni sgllogismo reperiuntur,
et horum quaedam sunt malerialia, quaedam formalia. Malerialia sunt
lermini et propositiones , sed /ermini, sunt maleria remola, proposiliones sunt maleria
propinqua Duo aulem sunt principia sgllogismi formalia , sc. figura et modus,
el respondet figura maleriae remolae sgllogismi, modus vero respondet maleriae propinquae
(die ursprüngliche Quelle hievon s. bei Alfarabi, Abschn. XVI, Anm. 51 f.,
vgl. auch bei Algazali, ebend. Anm. 265, und bei Averroes, ebd. Anm. 317)
Principia aulem sgllogismi magis specialia, quae specialiler in aliquibus sgllogismis
reperiuntur, et horum quaedam sunt perficienlia sgllogismos perfectos, quaedam vero
perficienlia sgllogismos .imperfectos. Principia perficienlia sgllogismos perfectos sunt
duo, sc. dictum de omni et dictum de nullo; principia perficienlia sgllogismos imperfectos
duo sunt, sc. conversio et reduclio per impossibite.
30 XVII. Lambert von Auxerre.
beiderseiligen Grundsätze benützt Lambert irgend folgerichlig, sondern
springt hierauf sofort auf den Text des Psellus über, welchen er bezüg
lich der drei Schlussfiguren und ihrer Modi getreu wiedergibt, zuletzl
die nemlichen Memorial-Verse anführend, welche wir hei Wilhelm Shyreswood
trafen120). Von Wichligkeit aber ist uns, dass er eine ausdrück
liche und ausführliche Polemik gegen die Berechligung einer vierten
(d. h. der sog. Galenischen) Schlussfigur übt121), wenn es auch eigenthümlich
ist, dass er gerade nur in diesem Punkte dem Aristotelismus
des Averroes (Abschn. XVI, Anm. 322) folgt, während er durch andere
Bemerkungen desselben (s. z. B. ebend. Anm, 321 betreffs der letzten
fünf Modi der ersten Figur) sich gegenüber dem Psellus durchaus nicht
beirren lässt. Die Syllogismen aus modalen Urtheilen sowie die hypo
thelischen fehlen auch hier 122).
Hierauf folgt als „dialeklische Argumentalion" die Topik mit Zugrundlegung
des Textes des Psellus123), und unmittelbar hernach die
Sophistik 124), welche er hiemit an einer anderen Stelle, als Wilhelm
Shyreswood (ob. Anm. 65), ergänzend einreiht; aber sowie diese Anord-
120) Nolandi sunt isli versus (s. dieselben oben Anm. 52) worauf in
gleichen Worlen wie bei Shyreswood die Angabe folgt, wie die Verse sich auf die
drei Figuren vertheiten, sodann aber: Et sciendum, quod si in aliqua diclione inveniantur
ptures sgltahae quam tres , nihit designant , sed sotum apponuntur propler
metrum. Ilem sciendum, quod per vocalem primac sgliobae datur inlelligi maior proposilio,
per vocalem secundae minor, per vocalem lerliae conelusio. Hierauf mit den
selben Worten wie bei Petrus Hispanus (s. unlen Anm. 187) die Bedeutung der
vier Vocale und der als Fingerzeig der Beduclion dienenden Anfangsbuchstaben
B, C, D, F. Sodann: Proposilio ilio, quae dicitur inlelligi per vocalem, quam se
quitur S, converlitur simpliciler; si vero sequitur P, converlitur per accidens; si sit
M, est transposilio in praemissis (— somit auch hier das auf den Arabern beruhende
Wort „praemissa", s. Anm. 52); in qua ponitur C, debel reduci per impossibite.
121) llem possit aliquis dicere, cum sit una figura, in qua medius praedicatur
in ul'i'mtuc praemissarum, alia, in qua subiicilur in utraque, et alia, in qua subiicitur
in una et praedicatur in allera, ideo videtur, quod debeat esse quarta figura, in
qua medius praedicetur in maiori et subiiciatur in minori. Ad hoc dicendum , quod
tantum sunt tres figurae sgllogismi; cuius ralio est, quia medium in sgllogismo ant
habet modum generalissimum vel primi in ordine praedicabitium , et sie est secunda
figura, in qua medium supraponitur extremitalibus ; aul hnbet modum specialissimum
vel ullimi in ordinalione praedicabitium, et sie est lertia figura, in qua medium
subiicitur extremis; aut habet modum medii in ordinalione praedicabitium, eo quod
supponitur alii extremitali et alii supraponitur, et tunc est prima figura. Alia figura
esse non polest, in qua medium praedicatur de maiore extremitale et subiiciatur
minori extremitali; nam secundum itiom disposilionem medii opertcret sumere maiorem
falsam, si sumeretur universalis, vel oporteret sumere parlicuiorem , et tunc non
sequeretur conctusio, nam si dicatur „Omne animal est homo, omnis homo est risibite,
ergo omne risibitc est animal", maior erit falsa, qua sumpta particuioriler non
sequitur conctusio.
122) Vgl. oben Anm. 54 n. unlen Anm. 190.
123) Habito superius de argumentalione sgllogislica, prout est dialectica et per
locum dialeclicum confirmatur, nunc de locis dialecticis dicendum est. In der Reihen
folge der Topen slimmt Lambert bei den loci extrinseci fast völlig mit jener Ab
weichung bei Withelm Shyreswood (Anm. 56) überein, nur ist hier der Topus a
simiti nach jenem a minori gestellt.
124) Dicto de locis dialeclicis dicendum est de lecis sophisticis u. s. w.
Der Inhalt aber erstreckt sich auch hier nur auf die erste Hälfle des aristatelischen
Buches (Vgl. oben Anm. 65 und unlen Anm. 197).
XVII. Lambert von Auxerre. 3l
nung, ebenso slimmt auch der Text der Soph. El. fast wörtlich mit jenem
des Petrus Hispanus überein.
Den Schluss aber bildet auch hier die Erörterung über terminorum
proprietates, wobei auch Lambert (wie Wilhelm Shyreswood)
sich gegenüber dem byzanlinischen Originale eine Selbständigkeit in An
ordnung der einzelnen Abschnitte bewahrt, jedoch in Behandlung des
Einzelnen dem Petrus Hispanus weit näher steht. Er bezeichnet als Ge
genstand dieses Theiles der Logik : suppositio , appellalio , reslrictio,
distributio, relatio, und äussert sich dabei, was das Verhältniss der
significatio zur suppositio betrifft (s. Abschn. XV, Anm. 66) ziemlich aus
führlich und selbstständig125). Die suppositio, welche er (wie alle übri
gen derarligen Begriffe) vorerst nach verschiedenen Wortbedeutungen
zerlegt 120), theilt er sodann (vgl. ebd. Anm. 67 f.) principiell in suppo
sitio proprie dicta und in vopulalio, womit die grammalischen Formen
der Worte in Verbindung kommen127); die Eintheilung der Supposilion
slimmt, abgesehen von kleinen Abweichungen, mit jener bei Psellus völlig
überein128). Hernach aber lässt Lambert die appellalio folgen129), und
erst hernach die reslrictio und die amplialio, welch beide er parallel
miteinander verflochten behandelt 130) ; sodann reiht er die distribulio
125) Quia logica consideral lerminum, ideo conveniens est, ut delerminel de
lermino ipso... I.. itultae aulem sunt proprietales lermini, sc. suppositio, appeliolio,
restrictio, distribulio et reiolio Sed quia signifiealio est sicut perfeclio lermini
et proprietales lermini super significalione fundantur, ideo in principio ad eviden
liam sequenlium videndum est, quid sit lermini significalio Significalio est inlellectus
rei, ad quem vox imponitur Differt autem signifiealio a supposilione
in hoc, quod prior est signi/icalio, et quod significalio sotum extenditur ad
rem, ad quam significandam imponitur lerminus, sed suppositio non sotum extenditur
ad rem, quae per lerminum significatur, sed polest extendi ad supposita conlenta
sub itio re u. s. f.
126) Supposilio quatuor modis dicitur: substantiva designalio acceplio
proposilionis , ordinalio partium , acceplio lermini pro se sive pro re sun
vel pro aliquo supposito conlento sub re vel pro aliquibus supposilis conlentis sub
re sua. Et ideo quarto modo est hie inlenlio u. s. f.
127) Supposilio communiler dicta dividitur in supposilionem proprie dictam et
copuiolionem Et est suppositio proprie dicta acceplio lermini rem fixam et per
se stanlem repraesentantis Copuiolio est acceplio lermini rem dependenlem repraesentantis
Dictionum quaedam supponunt tantum ut nomina substantiva, quaedam
copuiont tantum ut nomina adiectiva, quaedam vero supponunt et copuiont ut
ea, quae sunt adiectiva re, substanliva vero voce, ut „armiger, dux" u. s. f.
128) Suppositio polest sie dividi: alia est naturalis et alia accidentalis
Accidentalium alia est simplex alia personalis Personalium alia disereta alia
communis Communium alia delerminata alia confusa Confusarum alia vehemens
mobitis alia exitis mobilis u. s. f.
129) Appeliolio dicitur quatuor modis: propria nominalio , proprietas
nominum , acseplio lermini pro supposito sub suo significato , acceplio ler
mini pro supposito vel pro supposilis actu exislenlibus Quarto modo est principalis
inlentio u. s. f. (eine Menge von Quäslionen und Sophismen).
130) Sequitur de restrictione et amplialione Restriclio est minoralio ambitus
lermini communis, secundum quam pro paucioribus supposilis lenetur lerminus com
munis, quam exigat sua actualis suppositio Amplialio est exlensio ambitus ler
mini communis, secundum quam pro pluribus suppositis lenetur lerminus communis,
quam exigal actualis sua supposilio a. s. f. (Dass With. Shyreswood die restrictio
und amplialio nicht bloss unter sich , sondern auch mlt der appeltalio verflocht,
(s. oben Anm. 64.)
32 XVII. Lambert von Auxerre. Petrus Hispanus.
an131) und zuletzt noch die relatio m). Aber trotzdem ist der Inhalt
dieser genannten einzelnen Capitel dem Sinne nach (wenn auch nicht dem
Wortlaute nach) enge an das für uns verlorne griechische Original ange
schlossen, d. h. Alles finden wir bei Petrus Hispanus wieder. Hingegen
was bei Letzterem zu den Exponibilia gehört und was bei Wilhelm
Shyreswood den Inhalt der Sgncategoreumala bildete (ob. Anm. 66 ff.),
hat Lambert sämmtlich hinweggelassen 133).
Das Bisherige wird nun sicher den genügenden Nachweis enthalten,
dass die byzanlinische Logik des Psellus bereits vor und auch neben der
Thäligkeit des Petrus Hispanus bei den abendländischen Lateinern einen
ausgedehnten Wirkungskreis gefunden habe. Und sowie die mitgetheilten
Belegstellen beurkunden, dass man jenes neu eintretende Material (nament
lich den Abschnitt über die proprietates terminorum) immerhin mit einer
gewissen individuellen Freiheit verarbeitete134), so ist nun auch die Frage
über den Petrus Hispanus selbst so ziemlich aufgeklärt; denn wir er
kennen , dass er unter mehreren gleicharligen Schriftstellern , obwohl bei
weitem der einflussreichste, doch das wenigste individuelle Verdienst hat,
indem er eine neue Quelle, welche schon einige Zeit vorher eröffnet
worden war und zu Verschiedenarligem augeregt hatte, lediglich objecliv
abschreibend reproducirte 135). Kurz es hat sich uns nun quellenmässig
bewährt, was schon oben gelegentlich des Psellus (Abschn. XV, Anm. 87 ff.)
gesagt wurde. Aber sowie ich dieses ganze neue Resultat nur aus hand
schriftlichen Quellen gewinnen konnte, so stellt sich uns zur vollen Er
gänzung der geschichtlichen Forschung die Nothwendigkeit recht lebhaft
vor Augen, dass veröffentlicht werde, was irgend Wichliges noch in Hand
schriften verborgen liegt. Bedenken wir, dass zwischen Petrus Hispanus
und der Praxis der Buchdruckerkunst ein Zeitraum von zweihundert Jahren
liegt, und dass zur Zeit der ersten zahlreichen Drucke logischer Compendien
Petrus Hispanus bereits längst eine fast ausschliessliche Auctorität
errungen hatte, so bleibt wahrlich noch ein weiter Spielraum für logische
Schriftsteller offen, welche im 13. Jahrhunderte oder zu Anfang des 14.
131) Distribulio est unius in diversa divisio u. s. f.
132) Reiolio est respectiva habitudo vel ante iotae rei recordalio
H,'lnl ii•"l n H! sunt alia reioliva substanliae alia reiolira accidenlium Reiolivorum
substanliae aliud est reiolivum gdemplitalis, ul „qui", aliud est reiolivum diversitalis,
ut „alius" u. s. w.
133) Möglich wäre wohl, dass dem Lambert nur eine unvollständige Uebersetzung
des Pseltus zu Gebol stand ; jedoch nach seiner ganzen Arl und Weise
dürften wir eher annehmen, dass er absichtlich jene ganze Gruppe bei Seite Hess.
134) Ich habe in dieser Beziehung absichtlich im Vorigen mehrfache Proben
des Quellen- Textes gegeben, denn derjenige Leser, welcher die Sache genau nimmt,
kann hiernach durch einlässliche Vergleichung von selbst ersehen, wie manigfallig
das gleiche Thema variirt wurde.
135) Es ist z. B. baarer Unsinn, wenn Hist. litt, de io France, XIX, p. 326,
gesagt wird, Petrus Hispanus habe bei dnr damaligen Unverstand lichkeit des Ari
stoleles eben einen leicht zugänglichen Auszug aus dem Organon angeferligt (konnte
er denn etwa auch die fünf theopbraslischen Schtussmodi aus Aristoleles excerpiren,
oder wo fand er denn bei Aristateles die proprietales letminorum oder die sgncalegoreumata?
.!). Doch die Verfasser der Hist. litt, de io France zeigen ja überhaupt
so häuflg die löbliche Gewohnhelt, über Dinge zu schreiben, welche sie höchst
flüchlig oder auch gar nicht gelesen haben.
XVII. Petrus Hispanus. 33
nicht völlig im Schlepptau des Petrus Hispanüs sich bewegten, sondern
eben nach Art eines Wilhelm Shyreswood oder eines Lambert von Auxerre
den byzanlinischen Stoff selbstständiger bearbeiteten oder auch, was nicht
sehr schwer war, selbst bereicherten. So ist es nicht bloss möglich, son
dern selbst sehr wahrscheinlich, dass, was den verschiedenarlig gestalteten
Inhalt der Sgncategoreumata bildet oder was wir später unten bezüglich
der Obligatoria, Insolubilia und Consequentiae anführen können, wenig
stens im Keime ursprünglich schon damals, d. h. in den ersten Jahrzehenten
der Wirkung byzanlinischer Logik, aus dem Compendium des
Psellus sich entwickelte136).
Wenden wir uns hiemit zu demjenigen Autor, durch welchen die
Synopsis des Psellus eine dritthalohundertjährige Herrschaft erlangte, nemlich
zu Petrus Hispanus (geb. um 1226, gest. als Papst Johann XXI.
i. J. 1277), so berühren uns hier seine biographischen Verhältnisse ebenso
wenig als seine medicinischen oder theologischen Schriften 137). Insoferne
hingegen die Frage nicht ganz zu umgehen ist, ob jener Petrus Hispanus,
von welchem die berühmt gewordenen „Summulae" herrühren , wirklich
der nachmalige Papst Johann XXI. sei, so muss bemerkt werden, dass
allerdings die Dominicaner für sich die Ehre in Anspruch nahmen, den
vielgepriesenen Autor zu ihren Ordensmitgliedern zu zählen138); jedoch
abgesehen von den Bedenken, welche an sich jene häufig geübte littera
rische Eitelkeit und Rivalität der Orden darbietet, und selbst abgesehen
von einem kleinen chronologischen Zweifel I39), könnte sich vielleicht jene
Angabe der Dominicaner auf eine für dieselben unverfängliche Weise da
durch erklären, dass ein späterer Petrus Hispanus aus dem 14. Jahrb.,
falls derselbe wirklich Dominicaner war, die Veranlassung zur Verwechs-
136) Sowie ich daher schon im 2. Bande wiederholt auf neue Eröffnung hand
schriftlicher Quellen hingewiesen habe, so kömmt es mir überhaupt nie in den Sinn,
meine wahrlich aufreibende Forschung irgend für eine abgeschlossene zu hallen.
Ich besorge allerdings nicht, aus demjenigen, was gedruckt vorhanden ist und auch
mir in reichem Maasse zu Gebol steht, wesentliche Widerlegungen erfahren zu
müssen, aber ich wünsche aufrichligst, dass meine Resultale durch handschriftliche
Publicalionen ergänzt und berichligt werden. Die fraglichen Punkte, um welche es
sich handeln kann, und vielleicht auch die Richtung der Beantwortung gioube ich
mehrfach hervorgehoben zu haben. In Paris, in London, in Oxford (vielleicht weniger
im Escurial) muss sich gewiss noch Manches finden.
137) ioh. Tob. Köhler, Vollständ. Nachricht v. Pabst Johann XXI. n. s. w.
Götlingen 1760. 4. gibt eine reichhallige Zusammensleltung, welche allerdings an
der geschmacklosen Darsleltungsform jener Zeit leidet und zumal erklärlicher Weise
betreffs der Logik auf mangelbaflem Wissen beruht.
138) Autoren, welche diese Ansicht vertreten, sind angeführt bei Nie. Antonius,
BM. Hisp. vetus, Lib. VIII, Cap. 5, §. 162 (hrsggb. v. Perez Bager, Madrid 1788.
fol. Vol. II, p. 76); vgl. auch Quelif, Seriplt. Ord. Praedic. I, p. 485 f. Namentlich
warf man sich auf eine Angabe des ioh. Marieta (De los santos de Espana. Lib. XXI,
Cap. 57) und des Joh. Lopez, Hist. gen. III, p. 297, wornach unser Petrus Hispanus
iu dem navarresischen Dominicaner-Kloster Stelio gelebt haben und begraben sein
soll. Was übrigens die Summutae selbst betrifft, zeigen auch Antonius und Quelif
die gleiche Unwissenhelt wie alle Anderen, und von solcher Beschaffenheit war dann,
was die Verfasser der Hist. litt. de io France abzuschreiben fanden.
139) Da das genannte Klosler Slelio nicht vor d. J. 1260 gegründet wurde.
S. Quelif a. a. O.
PRANTL, Gesch. III. 3
34 XVII. Petrus Hispanus.
lung darbot 140). Erscheint uns daher, solange nicht irgendwie entschie
dene neue Gegenbeweise aufgefunden sind, die gewöhnliche Annahme 141)
immerhin als zulässig, so ist für den geschichtlichen Verlauf jedenfalls
das Wichligste, dass auch selbst jener angebliche Dominicaner Petrus
Hispanus in den Anfang der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. verlegt wird,
und andrerseits, dass der Verfasser der Summulae sicher in Bälde als
idenlisch mit einem Papste galt (— mag er nun wirklich die Tiara ge
tragen haben oder nicht —); denn aus letzterem Umstande ist es ent
schieden zu erklären, dass in der Schultradilion gerade sein Compendium
viele andere verdrängte und sich einer einmüthigen Auctorität erfreute.
Jedenfalls ist unter den ähnlichen Erzeugnissen jener Zeit das Com
pendium des Petrus Hispanus das geistloseste, insoferne es ohne irgend
einen einzigen eigenen Gedanken nur den Grundtext der neu eingeführten
byzanlinischen Logik wiederholt. Ob der Verfasser selbst des Griechischen
mächlig war, um den Psellus zu übersetzen, oder ob er nur als Ab
schreiber einer bereits vorhandenen getreuen Uebersetzung sich seinen
„weltgeschichtlichen" Einfluss errungen habe, lässt sich nicht entscheiden ;
der „Schweiss des Angesichtes" kann in keinem der beiden Fälle gross
gewesen sein. Jedoch eben um des Einflusses willen, welchen Petrus
Hispanus auf sehr lange Zeit ausübte, müssen wir seine Summula aus
führlicher darstellen, können uns jedoch hiebei in jenem Theile, dessen
griechisches Original uns vorliegt, durch Verweisung auf das im XV. Ab
schnitte Gesagte kürzer fassen (den Anmerkungen es überlassend, zur
Vergleichung der Uebersetzung mit dem Originale zu dienen), und müssen
nur im zweiten Haupt-Theile dasjenige, was ausschliesslich in lateinischer
Form erhalten ist, einlässlicher erörtern (s. Abschn. XV, Anm. 86).
Es findet sich eine ausserordentlich grosse Masse von gedruckten
Ausgaben des Petrus Hispanus aus jenen Jahrzehenten , in welchen der
selbe noch nach Erfmdung der Buchdruckerkunst an allen Orten in un
getrübtem Ansehen stand. Sie enthalten sümmtlich im Ganzen und Grossen
den nemlichen Text142), und wenn wir die unsägliche Mühe nicht scheuen,
aus den Schätzen grösserer Bibliotheken die erreichbaren Exemplare sorg-
140) Nemlich Nie. Antmius (a. a. O. p. 76) führt aus Petrus Cirvelo's Commentar
zum Petr. Hispanus (— In Summuios Petri Hispani a se drnuo correctas ac
bonae solidaeque doctrinae documenlis ittustratas praeciorissimus commentarms. Salmanlica.
1535, ein Buch, dessen ich nicht habhaft werden konnte — ) mehrere
Nolizen an, welche einen Petrus Hispanus iunior betreffen (namentlich habe derselbe
die Summuios des Aelleren in abgekürzter und gleichsam geläuterler Form bearbei
tet), und weist dabei auf einen Dominicaner Petrus Hispanus hin (p. 77), welcher
l. J. 1396 in kirchlicher Beziehung zu einer hervorragenden Steltung gelangte.
141) Vertreter derselben sind genannt bei Antonius a. a. O. p. 75. Uebrigens
wird erklärlicher Weise in derarligen Fragen kaum irgend Gewisshelt zu er
reichen sein.
142) Zur leichteren Orienlirung des Lesers möge dienen, dass die Logik des
Petrus Hispanus in folgende Hauptabschnitle („tractatus") zerfällt:
I. Lehre vom Urtheite
II. Die quinque voces
III. Die Kalegorien
IV. Syllogislik
V. Topik
XVII. Petrus Hispanus. 35
fällig zu vergleichen143), so fmden wir nicht nur, welch bodenloses Ge
rede es sei, wenn man stets von „mehreren" oder „zahlreichen" die
VI. Sophist. Etenchi
VII. Terminorun, proprietales, nemlich
1. Supposilio, und zwar
a) an sich
b) reiolivorum
2. Amplialio
3. Appeliolio
4. Restrictio
5. Distribulio
6. Exponibilia.
143) Mir standen, was den Text betrifft, folgende achtundvierzig Ausgaben
(tbeits mit theits ohne Commentar) zu Gebat:
I. fünf Leipziger Drucke:
A) Textus summuiorum Petri Hispani per tractatus et capituio divisus cumque
singulorum tractatuum summariis figuraliler resolulis cuitibel studioso
mullum profuturis etc. Am Schlusse : Lgptsk per Melehiorem Loller
1499. fol.
B) Textus seplem tractatuum Petri Hispani per tractatus et capituio distinctus,
in quibus succincle breviterque inquiruntur, quae in libris logicalibus
Aristolelis diffusius tractantur. Am Schl.: Per virum Melehior Loller opidanum
Liptzensis [sie]. 1506. 4.
C) Ebenso. Am Schl.: Liptzk per Melehiorem Loller. 1509. 4.
I») Ebenso. 1510. 4.
E) Ebenso. Am Schl.: Ex officina Melehiaris [sie] Loltheri. 1516. 4.
Diese filnf sind sämmtlich unler sich idenlisch und weichen nur durch ver
einzelle Druckfehler von einander ab; sie geben den Text der genannlen (vor.
Anm.) Tractate , halten aber in den Kapilel-Ueberschriflen slets die Parallele
mit dem aristolelischen Organon ein; nur A gibt nach den einzelnen Tractalen
eintbeitende Uebersichlen.
II. Ein Incunabel-Druck ohne Ort u. ohne Jahr:
F) Traetatus magistri Petri Hispani. Am Schi.: Finiunt summuioe Petri Hispani
bene emendatae et correctae. 4.
Durchgängig idenlisch mlt den Leipzigern; nur fehlt der letzle Abschnitt, d. h.
Exponibitia, und ausserdem sind die Unterabtheitungen des 7. tractatus in den
Ueberscbriflen als selbstständige Tractate fortioufend numerirt, nemlich 8 de
reiolivis, 9 de amplialione u. s. f., wornach das Ganze aus 12 tractatus besleht.
(In beiden Eigenthümlichkeiten slimmen die unten anzuführenden Drucke 8— O
mit diesem überein, bloss in der Art der Numerirung aber auch die Drucke
H— L, ®—K, I).
III. fünf in Deutschland erschienene Drucke mit dem Commentar des Versor (die
Venelianer Drucke s. unlen y—»), nemlich:
U) Dicta Versoris super seplem tractatus Magistri i'etri Hispani cum lextu.
Am Schl.: Anno domini 1487 (wahrscheinlich in Köln), fol.
H) Ebenso. A. Schl.
I) Ebenso. A. Schl.
R) Ebenso. A. Schl.
A. domini 1488 (wahrschl. in Köln), fol.
Coloniae per Henr. Quenlell. 1489. 4.
Per Anthonium Koberger t) Nurnbergae. 1495. 4.
L) Ebenso. A. Schl, nur: Finit fcliciler (wahrschl. in Köln 1497). fol.
Sämmtliche fünf unter sich völlig idenlisch, geben den Text in gänzlicher Uebereinslimmung
mit den Leipziger Drucken. Nur fehlt hier, sowie auch in ntl-ß,
t—X, das letzle Capilel des 4. Tractales (De polest, sgll); auch sind in
H I M. L ebenso wie in F die Unlerabtbeitungen drs 7. Tractales eigens
numerirt, wornach Irolz der Angabe auf dem Tltelbiotle doch 13 tractatus
erscheinen.
IV. acht Kölner Drucke mit thomistischem Commentare des Lambertus de Monte:
M) Copuiota omnium tractatuum Petri Hgspani, eliam Sincathegoreumatum et
parvonim logicalium cum lextu, secundum doctrinam divi Thomae Aqui-
,
3*
36 XVII. Petrus Hispanus.
Dialeklik betreffenden Schriften des Petrus Hispanus sprach (so die in
Anm. 135 u. 137 f. genannten Autoren); denn Alles, was uns unter ver-
- iuxta processum magistrorum Coloniae in bursa monlis regentium.
Impressa per Liiskgrehen. Am Schl.: Coloniae. 1480. 4. Worauf mit
neuer Paginirung, aber ohne neues Titelbiott, der 7. tractatus und das
an ihn sich Anreihende folgt, woselbst am Schlusse: Juxta processum
magistrorum Coloniae regentium in bursa magislri Lamberli de Monle,
artium ac s. theol. professoris eximii Coloniae anno nonagesimo
supra mitlesimum qualerque cenlesimum; jedoch sind beide Theite mit
den nemlicheu äusserst alten Lotlern gedruckt, und sonach „nonagesimo"
wahrscheinlich Druckfehler für octagesimo.
N) Ebenso; nur fehlt der Name des Druckers. In beiden Abtheitungen am
Schl.: Coloniae. 1489. fol.
O) Copuiota omnium tractatuum Petri Hgspani, parvorum logicalium, elium
sgncathegoreumatum, cum lextu. denuo ditigenlissime correcta secundum
doctrinam a s. w. wie so eben regentium. A. Schl.: Coloniae. 1490. 4.
Hierauf mit neuem Titelbiotte und neuer Paginirung: Copuiota super omnes
tractatus parvorum logicalium Petri Hispani mm lextu eorundem puleherrime
imerto. denuo ditigentissime correcta. Am Schl. : Coloniae. 1490.
Dann abermals mlt neuem Titel u. neuer Paginirung: Tractatus sincathegoreumatum
Petri Hgspani cum puleherrimis sophismalibus, qui noviler
correctus cum ditigentia volentit,us in logicis subliliter specuiori est multum
ulilis. (A. Schl. Nichts.)
P) Textus et coputata omnium tractatuum Petri Hispani, eliam parvorum lo
gicalium et tractatus sgncathegorematum, quem aliqui octavum vocant, cum
quibusdam aliis sagaciler adiunclis. iterum alque iterum ditigenlissime
correcta secundum doctrinam irrefragabitem divi Thomae Aquinalis ac iuxta
frequens exereitium magistrorum Coloniae infra sedecim domos in bursa
Monlis regentium, in hunc unum librum congesta. Am Schl.: Coloniae.
1493. 4. Hierauf mit neuem Titel u. neuer Pagina: Copuiota super omnes
tractatus parvorum logicalium Petri Hispani ac super tres tractatus Modernorum
lextui puleherrime annolata in argumenlis et replicis denuo
ditigentissime correcta iuxta inviotatum processum magistrorum Coloniae
bursam Monlis regentium. (A. Schl. Nichts.)
Q) Wörtlich ebenso. Coloniae. 1494. 4.
R) Copuiota cammentaria lextui omnium tractatuum Petri Hgspani, eliam
parvorum logicalium et trium modernorum, perquam solerter inserta. iterum
alque iterum emendata et' ditigentissime correcta secundum irrefragabitem
et fundalissimam doctrinam divi Thomae Aquinalis peripalelicorum interprelis
veracissimi. ac iuxta frequens exereilium magistrorum Coloniensis
ggmnasii in bursa Monlis regentium, qui tanti doctoris sancti sectatores
existunt sincerissimi propagatoresque fidelissimi. Am Schl.: Coloniae per
henricum Quentelt. 1496. 4. Hierauf mit neuem Titelbiott: Copuiota om
nium tractatuum parvorum logicalium Petri Hgspani tribus adieclis moder
norum tractalibus in suis commentariis lextui puleherrime annolalis. in
argumenlis et replicis denuo ditigentiisime correcta iuxta invioiotum pro
cessum magistrorum Coloniae bursam Monlis regentium ac inviclissimam
doctrinam sancli Thomae uberrime propaganlium. A. Schl.: (ohne Nennung
des Lambertus de Monte) Coloniae per Henricum Quentelt. 1496. 4.
(Alles unpaginirt;)
8) Copuiota pro elucidalione sex tractatuum Petri Hgspani, eliam parvorum
logicalium eiusdem et trium modernorum, lextui perquam solerter inserta
u. s. f. wie in R. A. Schl.: Coloniae per Henr. Quentell. 1503. 4. Hierauf
mit neuem Titel u. neuer Paginirung: Copuiota tractatuum parvorum logi
calium u. s. f. wie in R. A. Schl.: Coloniae per Henr. Quentell. 1503.
T) Wörtlich ebenso. 1507. 4.
Diese acht Drucke, in welchen ansser den Sgncalegoreumata drei neue Tractale
(nemlich De obligatoriis, De insotubitibus, De consequenliis, s. über dieselben
XVII. Petrus Hispanus. 37
schiedenen Titeln und mit verschiedenarligen Commentaren durchwohen
erhalten ist, zeigt sich als Ein und das nemliche Werk. Aher ausserdem
bei den späleren Inlerpoiolionen in Abschn. XX) beigefügt sind, slimmen unter
sich im Wortioule völlig überein; nur unlerscheiden sie sich dadurch, dass
der Abschnitt über die Sgncalegoreumata in M und lV vor jene drei neuen
Tractale , hingegen in O, P, Q nach denselben gestellt ist, aber in R, 8, T
gänzlich fehlt. Der Text des P. Hispanus ist mit Ausnahme unbedeulender
Abweichungen idenlisch mit jenem der Leipziger Ausgaben.
V. Drei Kölner Drucke mit alberlislischem Commentare des Harderwyck:
B) Copuiota Petri Hgspani secundum processum bursae Laurentii. Am Schl. :
Commentum per magistrum Gerardum de Harderwgck s. theot. licent.
1488. Hierauf mit neuem Tilelbiott: Copuiota super omnes tractatus
parvorum logicalium Petri Hgspani et nonnullos Modernorum secundum
viam Alberlistarum. A. Schi.: Commentum u. s. f, wie so eben. 1488. fol.
V) Commentaria in summuios Petri Hispani albertocentonas conlinenlia
secundum processum bursae iourentianae Colon. ad unguem casligata et e
mendis quibus scalebant erepta.... Impressum Coloniae apud Lijskirehen.
Am Schl.: per acalissimum in artibus liberalibus magistrum et s. theot.
licenliatum magistrum Gerardum Harderuiicksensem. 1492. fol. Hierauf
mit neuem Titelbiott : Commentariiin omnes tractatus parvorum logicalium
Petri Bispani iunctis nonnullis Modernorum processum bursae iourenlianae
in universitate Coloniensi continentes incipiunt feliciler. Am Schl.: per
aculissimum u. s. f. wie so eben. 1493. fol.
W) Copuiota summuiorum Petri Hispani secundum processum bursae Laurentii
iuxta menlem venerabitis domini Alberli Magni feliciler incipiunt. A. Schl.:
Commentarii in omnes tractatus Petri Hispani et nonnullos Modernorum
ex divi Alberli Magni commentariis per Gerardum Hardersoiccensem
Impressum in officina — Henrici Quentelt. 1 504. 4.
In sämmtlichen dreien ist noch ein Excerpt der zweiten Analylik eingefügt,
und zwar in l', woselbst die Soph. Et. fehlen, nach der Topik, in V u. W
aber nach der Syllogislik, d. h. nach dem 4. Tractate, wornach sich in W
sogar die Numerirung des 5. n. 6. Tractates um eine Ziffer erhöht. Was die
Purva logicalia, welche in selbstständige Abschnitle zertheitt sind, betrifft, so
siud auch hier (wie in M — T) nach der Distribulio die drei neuen Tractate
Obligatoria, Insf,tubitia, Consequenliae eingereiht, in W aber fehlt der letzte
Tractat, d. h. Exponibitia. Die Sgncalegoreumata sind nicht mlt aufgenommen.
Der Text ist wohl im Ganzen jener der Leipziger Drucke, streift aber in ei
nigen wenigen Abweichungen bereits an den Reutlinger Druck (3* u. ®).
VI. Ein Venrlianer Druck mit scolislischem Commentare des Dorbellus:
\) Logica magistri Nicotai de Orbellis una cum lextu Petri Hgspani. Am Schl.:
Veneliis per Lazarum de Soardis. 1516. 4.
Der Text zeigt im 1. Tractate einige Abweichungen von dem Leipziger, dürfle
aber vielleicht, insoferne man von einer entschiedenen Inlerpoiolion bei den
modalen Urtheiten absehen würde, überhaupt auf die ursprünglich älteste Recension
zurückweisen (s. d. folg. Anm.).
VII. fünf Veuelianer Drucke, wovon vier mit Commentar des Versor (vgl. oben G—L)
und einer mit jenem des Johannes de Monle:
T) Textus sive liber summutarum logicae magistri Petri Hispani cum Versoris
Parisiensis docioris perspicacissimi inlerposita expositionc. in calee quoque
harum eiusdem Petri Hispani Parvorum logicalium nuperrime inventus
libeltus ulili serie adnexus. Am Schl.: per arlem Hermanni Lichlenslein
Coloniensis Veneliis. 1488. fol.
Z) Versoris exposilio in summuios logicae Petri Hispani cum lextu eiusdem.
Eiusdem Petri Hispani libeltus parvorum logicalium nuper inventus. A.Schl.:
Veneliis per Phitippum Pincium Mantuanum. 1508. fol.
9l) Petri Hispani summuioe logicales cum Versorii Parisiensis ciorissima exposilione.
Parvorum ilem logicalium eidem Petro Ilispano adseriptum opus
38 XVII. Petrus Hispanus.
entdecken wir auch, wie dieser einheitliche Text in Einzelnheiten die
manigfachsten handschriftlichen Varialionen darbietet, wie Auslassungen
Quae omnia innumeris paene erroribus undique scalenlia maxima
sunt ditigenlia castigata. Veneliis apud Juntas. 1500. fol.
SS) Petri Hispani summuioe logicales oum Versorii u. s. w. wie in tt
Quae omnia a Marliano Rola infinilis fere erroribus maxima sunl diti
genlia castigata. Veneliis apud Sansovinum. 1572. 4.
©) Kummutac Joannis de Msnle super Petrum Hispanum. A. Schi.: Explicit
commentum valde nolabite ad menlem doctoris sublilis super logicM summulis
— Petri Hispani ab eximio arlium et saerarum lillerarum doctore
Parisiensi execll. magistro Johanne de Monle Parisiis olgm editum per—
magistrum Petrum de Cruce portum galicum maxima cum ditigenlia casligatum.
Veneliis. 1500. 4.
In diesen fünf Drucken, unler welchen, was den Text betrifft, 1' Z 91 © fast
absotut idenlisch sind , und nur SB in den Beispielsätzen und Memorialversen
kleine Abweichungen zeigt, ist der 7. Tractat in selbstständige, aber unler sich
eigens numerirle Tractate zertheitt, deren jeder als ein tractatus parvorum logicalium
bezeichnet ist, und ausserdem kömmt als ein Petra Hispano adseriptum
opus (nicht als 8. Tractat) der Abschnltt über die Sgncalegoreumata hinzu; nur
in <£ schliesst sich nach den Exponibitia an Slelle des Textes der Sgncaleg.
sofort der blosse Commentar derselben an. Der Text der sieben Tractate ist
in seiner ursprünglichen Grundioge idenlisch mlt obigem \, enthält aber dabei
bereits manigfache Umsleltungen und besonders Interpoiolionen, deren einzelne
selbst mlt dem Reutlinger Drucke (9t ®) übereinslimmen.
VIII. zwei Lyoner und Ein Pariser Druck mit Commentar des Georgius Bruxellensis
nnd des Thomas Bricat und Ein Venelianer mlt Commentar des Johannes de
Magistris :
S!) Exposilio Georgii super summulis magistri Petri Hispani. Am Schlusse
des vorletzlen Abschnittes ist in Versen der Name des Druckers und
des Druckortes sowie die Jahreszahl ausgedrückt: Adam Treschel Lugduni.
1489. 4.
<5) Inlerpretalio Georgii in summuios magistri Petri Hispani una cum mgstri
Thomae Bricol quaeslionibus, lextu quoque impositionvm [sie] de novo
readdito ditigenlissime in margine quotata, ut eliam incipienlibus contenta
paleant ad primos intuitus. In vico Sancti Jacobi. Maisire Durand Sertier.
Am Schl.: Joannes Morand Parisiorum in academia. 1497. 4.
?f) Inlerpretalio Georgii Bruxellensis in summuios magistri Petri Hgspani una
cum magistri Thomae Bricot quaestionibus de novo in cuiusvis fine tractatus
additis. lextu quoque supposilionum de novo readdito . . . (wie so eben)
...intuitus, summa cura ac ditigenlia de novo emendata, nec non figurarum
rudimenta, quae nunquam prius fuerant inserta. Am Schl.: Lugduni
per Joannem de io pioce. 1515. 4.
©) Summuioe magistri Johannis de magistris. A. Schl.: Veneliis. 1490. 4.
Im Texle des P. Hispanus slimmen X und & unler sich ebenso absotut überein,
wie <5 und % unter sich (nur ist % bei den modalen Urtheiten an versinnlichenden
Figuren reicher als <£) ; sämmtliche vier aber beruhen gleichfalls
ursprünglich auf obigem X, zeigen jedoch namentlich im 1. Tractale manig
fache Spuren einer Interpoiolion, und zwar ist diess hei 1$ u. © in geringerem
Grade der Fall als bei <£ u. S, welch leizlere beide auch in den übrigen
Tractalen viele kleine Abweichungen darbielen. Der 7. Tractat ist wie bei
obigem F in selbstständige fortioufend numerirle Tractate getheitt, so dass
demnach 12. de distribulione gezählt wird ; der letzte jedoch, d. h. Exponibitia,
ist ohne Hinzufügung der Nummer angereiht.
IX. drei Drucke mlt scolislischem Commentare des Tartaretus :
J?») Exposilio magistri Petri Tartareli super summuios Petri Hispani cum allegalionibus
passuum Scolt docturis sublitissimi. A. Schl. Nichts, fol. (sicher
ist diese Ausgabe in Freiburg l. Breisgau auf Koslen des Landgrafen Friedrich
v. Thüringen per baccal. Wolfgangum Stockt Monacensem l. J. 1504 gedruckt).
XVII. Petrus Hispanus. 39
und Interpolalionen allmälig Platz griffen, und wie namentlich die Memo
rial-Verse in den verschiedenen Schulen sich veränderten oder vermehrten.
3) Exposilio mgstri Petri Tnrtareli in summuios Petri Hispani una cum passibus
Scoli emendata summaque accuralione Basiteae impressa. Additus
est tractatus Insotubitium eiusdem et Obligatoriorum mgstri Marlini
Molenfelt ex Livonia. Am Schl. Nichts, fol. (sicher l. J. 1514.)
K) Petri Tatareli Parisiensis, Jo. Duns Scolt doctoris sublilissimi sectaloris
fidelissimi, in Summuios Petri Hispani exactae explicaliones u. s. f. Vencliis
1591. 8.
Alle drei unler sich schlechthin idenlisch slimmen im Wesentlichen im Texle
mit obigem $! überein (auch in Numcrirung der Uulerabtheitungen des 7. Tractates)
; nur sind am Schlusse des letzlen Tractates, d. h. der Exponibitia, die
letzten Capilel umgeslellt, und die Erklärung derselben verläuft sofort in den
Commentar (nicht in den Text) der Insotubitia und Obligatoria (die Consequenliae
hingegen fehlen hier, vgl. hingegen obige M—W).
X. sechs Drucke unler der Bezeichnung „Duodecim tractatus", und zwar
n) ein Basler:
Ä) Tractatus duodecim Petri Hgspani. A. Schl.: Basiteae per Michaelem Furtcr.
1511. 4.
ß) zwei Strassburger:
UM) Tractatus duodecim Petri Hgspani. A. Schl.: Impressae [sie] Argenlinae.
1511. 4.
9l) Ebenso. A. Schl.: Argenlinae per Joannem Knob. 1514. 4.
y) drei Kölner:
O) Tractatus duodecim Petri Hispani. A. Schl.: Coloniae industria Henric,
Quentet. 1499. 4.
V) Ebenso. A. Schl.: In officina honesli quondam Henrici Quentel. 1504. 4.
SS.) Ebenso. A. Schi, nur 1513. 4.
Diese sechs Drucke, obwohl aus verschiedenen Officinen, sind unler sich ab
sotut idenlisch. Sie iossen den letzlen Abschnitt, d. h. Exponibitia, hinweg
und numeriren wie F (s. dortselbst) die Unlerabteitungen des 7. Tractates
forlioufend, woraus die Zwölfzahl sich von selbst ergibt. Was den Text be
trifft, zeigen sie eine eigenthümliche Vcrmengung der bisher erwähnten Recensionen,
nemlich in den ersten vier Tractaten weichen sie in Umsteltungen und
Interpoiolionen manigfach von den Leipzigern ab, hierin zuweiten mit den
Drucken X— S1, ja selbst mit 9l iZ, übereinslimmend ; hingegen vom 5. Tractate
an sind sie mit den Leipzigern völlig gleichioulend. Uebrigens erhellt aus
O *, verglichen mit R 8 T, dass selbst Ein und der nemliche Drucker,
nemlich Quenlel in Köln, gleichzeilig zweierlei Texte publicirte.
XI. ein Reutlinger und ein Druck ohne Ort u. Jahr:
M) Textus omnium summuiorum Pe. Hg. [sie]. A. Schl.: Impressione Johaanis
Otmar in Reutlingae [sie]. 1486. fol.
®) Textus omnium summutarum Petri Hgspani. A. Schi. Nichts. 4. (ohne
Cotumnen-Tltel.)
Beide unler sich ganz idenlisch zeigen in Aenderung einzelner Worte oder
besonders der Beispielsätze , sowie in Vermehrung der Memorialverse und
sonsligen Zusätzen die zahlreichsten Inlerpoiolionen; aber während diese Ab
weichungen noch am stärksten im 7. Tractale auftreten, ist der letzte Abschnltt
desselben, d. h. Exponibitia, wieder völlig idenlisch mit dem Leipziger Texte.
Hingegen ist hier wieder als tractatus octavus derAhschnitt über die Sgncalegoreumata
beigefügt.
XII. ein Incunabel-Druck ohne Ort u. Jahr:
I) Textus seplem tractatuum summuiorum magistri Petri Hispani. A. Schl.:
Finis tredecim tractatuum magistri Petri Hgspani. 4. (mit Cotumnen-
Tltel).
Ein merkwürdiges Mitlelding, indem der Text der erslen drei Tractate wört
lich idenlisch mit dem Reutliuger Drucke (M iZ) ist, vom 4. Tractale an aber
ebenso wörtlich mlt den Leipzigern übereinslimmt. Der 7. Tractat ist, wenn
40 . XVII. Petrus Hispanus.
Da aber für all dergleichen Einzeln-Aenderungen, welche sich bemerklich
machen, ein Zeitraum von zwei Jahrhunderten als Entstehungszeit vorliegt
(vgl. oben Anm. 136), so können wir unmöglich mehr nach einzelnen
chronologischen Gruppen eine Ausscheidung treffen , sondern müssen uns
dabei begnügen , nur in den frappanteren Fällen auf eine relaliv spätere
Entstehungszeit hinzudeuten. Kurz es verhält sich, — wenn der Ver
gleich erlaubt ist —, mit der Summula des Petrus Hispanus wahrhaft
ähnlich wie mit den homerischen Gesängen. Der Grundstock des Textes
bleibt der gleiche, aber im Munde oder in der Niederschreibung der Tra
dilion ändert sich manches Einzelne. Und namentlich finden wir auch
hier die analoge Erscheinung, dass einzelne Städte ihre eigene Textes-
Recension besassen, welche sie innerhalb ihrer Schulen mit grosser Rein
heit bewahrten, so dass durch Aufmerksamkeit auf die Druckorte manche
liefer liegende Fäden einer Verwandtschaft oder einer Unähnlichkeit d"es
Textes zu Tag treten 144).
auch ohne specielle Numerirung , in sieben selbstsländige tractatuli getheitt,
daher sich die Zahl tredecim (am Schlusse) rechtferligt.
XIII. drei Drucke, welche nur für die ersten sechs Tractate hieher gehören :
tt) Compendiarius parvorum logicalium liber conlinens perulites Petri Hispani
tractatus priores sex et ciorissimi phitosophi Marsitii dialectices documenta
cum utilissimis commentariis per virum praeciorum Cbunradum Pschtacher
Viennae Pannoniae collegam ggmnasil. A. Schl.: Viennae, 1512. 4.
S5) Parvorum logicalium liber succincto epitomalis sompendio conlinens per-
, • uMes argulissimi dialeclici Petri Hispani tractatus priores sex u. s. f.
wie so eben Conradum Pschiocher Additae peruliles in Posler.
Anal, quaesliones Additum quoque compendiarium ad Obligalitmes
et Insotubilia introductorium. A. Schl. : Viennae. 1516. 4.
38) Joannis Ectii theologi in summuios Petri Hispani extemporaria et sucäncta,
sed succosa expionalio pro superioris Germaniae schoiosticis. Am
Schl.: August. Vindcl. 1516. fol.
Der Text der ersten sechs Tractale ist in allen dreien unter sich idenlisch
und Mimn,l mit einer kleinen Ausnahme (hei den modalen Urtheiten) mit obi
gem X völlig üherein. An Stelle des 7. Tractates tritt in U u. 35 der Text
des Marsitius ab Inghen, in SB aber eine abgekürzle jüngere Ueberarbeitung
desselben.
XIV. endlich nur für die ersten vier Tractale gehört hieher :
X) Aculissimi artium interprelis magistri Johannis maioris in Petri Hgspani
summuios commentaria. Lugduni. Am Schl.: 1505. fol.
Der Text steht in Mille zwischen den Leipzigern und obigen sechs Drucken
S— O , indem er zuweiten, besonders im 1. Tractat, mit letzteren wörllich
übereinstimmt.
In deo bekannten bibliographischen Werken Panzer's und Hain's finden sich noch
viele andere Drucke der Summuioe angeführt, und es ist zu erwähnen, dass dort
auch Neapel, Maitand, Rnuen, Antwerpen, Zwoll, Devenler, und selbst Krakan als
Druckorte erscheinen. Doch habe ich mich überzeugt, dass ohne genaue Unler
suchung des Inhalles der einzelnen Drucke alle bloss bibliographischen Angaben
nicht völlig verlässig sind. In einigen noch unten anzuführenden Drucken der ver
schiedenen Commentare fehlt der Text entweder gänzlich oder ist nur je durch
die erslen Zeiten der Capitel angedeulet.
144) Einen Beleg dafür, dass einzelne Städte eine ihnen eigentbümliche Recension
des Textes besassen, gibt der schon oben (Abschn. XV, Anm. 89) aus
Pseltus angeführte Beispielsatz. Denn während bei Ueberselzimg dorliger Slelle nur
in den Ausgaben A— L, l', V, I die Namen der streitenden Städte „Leodicenses,
Tongerenses, Mechelinemes, Lovanienses" iouten, finden wir hingegen „Parisienses,
Rolhomagenscs, Turoneuses, Pictuviehses" in den Ausgaben X, S—ft, It—3B, und
XVII. Petrus Hispanus. 4t
Der einflussreiche Inhalt des Compendiums ist demnach folgender145).
Von der Definilion der Dialeklik (vgl. Abschn. XV, Anm. 6) wird sogleich
auf sonus und vox übergegangen146), wobei dann die Werkzeuge der
von (ebd. A. 7) in das Dislichon
Instruments novem sunt : guttur, lingua, paiotum,
Quatuor et dentcs et duo iobra simul u7)
oder in die zwei Hexameter
Instrumenta decem sunt : guttur, lingua, paiotum,
Quallior et dentcs, pariler duo iobia, pulmo us)
gebracht werden. Nach" den Angaben (ebd. A. 8 f.) über Nomen und
Verbum14a) sowie über die Sgncategoreumata150) folgt die übliche Eininsoferne
der ganze Betrieb dieser Logik wohl sicher von Paris ausgieng, dürften
diese letzleren Drucke auf den ursprünglich ällesten Text zurückweisen ; aber be
reits wieder eine Variante hievon ist es, wenn in den Drucken ft u. ®> sich „Parisienses,
Rolhomagenses, Lixurienses, Quadomasenses" fmdet; und ebenso variiren
jene belgischen Ortsnamen, indem in den Ausgaben S — ß dieselben „Leodicenses ,
Lovanienses, Traieclenses, Legdenses" und hinwiederum hiefür „Leodicenses, Astorizenses,
Cemolenses" in den Drucken T— <£, ja in W sogar „Burgundiones, Francigenae,
Leodicenses, Tungerensa" sleht; endlich die Drucke M—T haben „Colonienses,
Bonnenses, Claenses, Gebenses". Vgl. folg. Abschn., Anm. 69.
145) Da bei Weltem die meislen der erwähnten Ausgaben entweder ganz unpaginirt
oder mlt den unbehülflichen ioleinischen Ziffern paginirt sind, cilire ich
nach der Capitel-Eintheitung der Drucke A—E und füge zur allfallsigen Controlle
in Kiommern die Pagina des jüngslen, allerdings inlerpolirlen, Druckes 95 hinzu.
146) I, Prooem. (f. 2 A): Dgaleclica est ars arlium, scienlia scientiarum, ad
omnium methodorum principia via/m habens. Soio enim dgaleclica probabitiler disputat
de principiis omnium aliarum scientiarum (dieser Satz fehlt in unserem Texte des
Psellns; er ist wohl aus der gewöhnlichen boethianischen Tradilion aufgenommen,
s. Abschn. XII, Anm. 82). Et idco in aequisilione scientiarum dgaleclica debet esse
prior. Dicitur aulem dgaleclica a „dt!a", quod est duo, et „tojos" sermo vel „lexis"
ralio, quasi duorum sermo vel ralio, scüicet opponenlis et respondenlis in disputalione.
Sed quia disputalio non polest haben nisi mediante sermone nec sermo nisi mediante
voce nec vox nisi mediante sono , omnis enim vox est sonus, ideo a sono tanquam
a priori inchoandum est.
147) I, l, l (f. 4 B): Sonus est quid quid proprie et per se ab auditu pe,'cipitur
; dico aulem proprie et per se, quia licet homo vel campana audiatur, hoc non
est nisi per sonum eins. Sonorum alius vox alius non vox. Sonus vox idem est
quod ipsa vox. Unde vox est sonus ab ore animalis proiotus naturalibus instrumenlis
formatus. Naturalia aulem instrumenta, quibus vox formatur, sunt haec: gultur,
lingua, paiotum, quatuor dentcs et duo iobia (9t Z 1 fügen hinzu: pulmo et simitia) ;
unde (folgt obiges Dislichon). Sonus non vox est, qui generatur ex collisione
duorum corporum inanimatorum, ut fragor arborum, strepitus pedum. Vocum alia
significaliva alia non significaliva Vocum significalivarum alia ad piocitum alia
naturaliter Vox significaliva ad piocitum est, quae ad votuntalem primi inslituentis
aliquid repraesentat, ut „Aomo". Vocum significalivarum ad piocitum alia
complexa, ut oralio, alia incomplexa, ut nomen vel verbum.
148) So nur in S), hingegen Tf Z 9l © haben :
Instrumenta novem [sie] sunt: guttur, lingua, paiotum,
Quatuor et denles, pulmo, el duo iobia simul.
149) I, l, 2 (f. 9 A).
150) Ebend. (f. 10 B): Et sciendum, quod dialeclicus (£! u. ®—O geben
hiefür stets ,,fooieus") sofum ponit duas parles oralionis, sciticet nomen et verbum,
reliquas aulem amnes appeliol sgncathegoremalicas, i. e. consignificolivas.
42 XVII. Petrus Hispanus.
theilung der Arten des Satzes (ebd. A. 10), wobei hier die Gebet-Form
(deprecativa) neu hinzukömmt151).
Die Erörterung des logischen Urtheiles bietet zunächst (ebd. A. 11)
die für alle Folgezeit entscheidende Dreigliederung in „Subject, Prädicat,
Copula" dar 152) und entwickelt hierauf nach den drei Fragen „Quae,
qualis, quanta" die übliche Eintheilung der Urtheile (ebd. A. 12), wobei
jener nemliche Memorial- Vers , welchen wir schon oben bei Lambert von
Auxerre trafen, hinzugefügt wird153). Sodann folgen (vgl. ebd. A. 13) die
Begriffsbeslimmungen des Conträren, Contradictorischen, Subalternen, Subconträren154)
und nach der Noliz über den dreifachen Stoff (maleria) der
Urtheile (— nemlich naturalis , contingens, rerfsota, s. ebd. A. 14 —)
die nöthigen Regeln (leges) über jene vier Verhältnisse155). Hierauf reiht
151) I, l, 3 (f. 11 B): Oralio est vox significaliva ad piocitum, cuius parles
separale aliquid significant Oralionum alia perfecta alia imperfecta Oralionum
perfectarum alia indicaliva, ut „homo curril", alia imperaliva, ut „Petre fac
ignem", alia optaliva, ul „ulinam bonus essem elericus", alia coniuncliva, ul „cum
veneris ad me, dabo libi equum", alia deprecaliva, ut „miserere mei deus" (nur9l®X
iossen diese Satzart hinweg). Harum aulem oralionum soio indicaliva oralio dicitur
esse proposilio.
152) I, 2, l (f. 14 A): Proposilio est oralio verum vel falsum significans indicando,
ut „homo curril". Propositionum alia calegorica alia hgpolhetica. Proposilio
calegorica est, quae habet subiectum, praedieatum et copuiom tanquam principales
parles sui, ut „homo curril"; in hac enim proposilione „homo" est subiectum et
„curril" praedieatum, et quod coniungit unum cum allero, dicitur esse copuio, ut
palet in resolvendo, ut „homo currit" i.e. „homo est currens"; ibi hoc nomen „homo"
est subiectum et „currens" praedieatum et hoc verbum „esl" dicitur esse copuio, quia
coniungit unum cum allero.
153) I, 2, 2 (f. 15 A): Proposilionum calegoricarum alia universalis alia parlicutaris
alia indefinita alia singuioris. Proposilio universalis est, in qua subiicitur
lerminus communis signo univenali delerminatus ; lerminus communis est, qui
aptus natus est praedicari de pturibus ; signa unnersalia sunt haec: omnis,
nultus , nihit , quitibet, quicunque (.4 —T und 1T—© fügen noch aller oder
allerutcr bei), neuler'et simitia. (f. 16 A) Proposilio particuioris est itio, in qua
subiicitur lerminus communis signo parlicuiori delerminatus ; signa particuioria
sunt haec: aliquis, quidam, aller (fehlt in A—W und in Jl—SB), reliquus, el
simitia. Propositio indefinita est itio, in qua sulnicitur lerminus communis nullo
signo delerminatus (f. 17 A) Proposilio singuioris est itio, in qua subiicitur
lerminus singuioris sive diseretus, vel in qua subiicitur lerminus communis cum pronomine
demonstralive primae speciei ; lerminus singuioris vel diseretus (A — L,
l!—W, W — 3$ haben nur singuioris, sowie M— T nur diseretus) est, qui aptus
natus est praedicari de uno solo (f. 18 A) Ilem proposilionum calegoricarum
alia affirmaliva alia negaliva (f. 19 A) Divisa proposilione tripliciter sciendum
est, quod triplex est quaesitivum, per quod quaerimus de ipsa propositione, scilicet:
quae, qualis el quanta. „Quae" quaeril de substanlia proposilionis , unde ad inlerrogalionem
factam per „quae" respondendum est „calegorica" vel „hgpolhelica".
„Qualis" quaerit de qualitale proposilionis, unde ad interrogalionem factam per
„qualis" respondendum est „affirmaliva" vel „negaliva". „Quanta" quaerit de quanlitale
proposilionis, unde ad inlerrogalionem factam per „quanta" respondendum est
„universalis" vel „particuioris" vel „indefinita" vel „singuioris". Hierauf obiger
Vers, s. Anm. 108.
154) t, 2, 3 (f. 20 A): Ilem proposilionum calegoricarum aliae parlicipant
utroque lermino, aliae vero allero lermino, aliae vero nullo lermino
(f. 21 A) Ilem propositionum parlicipanlium utroque lermino secundum eundem ordinem
aliae sunt contrariae aliae subeontrariae aliae contradictoriae aliae suballernae. Auch
die übliche Figur (vgl. Abschn. XV, Anm. 13) fehlt nicht (f. 23 A).
155) Ebend. (f. 23 A): Propositionum triplex est maleria, sciticet naturalis,
XVII. Petrus Hispanus. 43
sich die Lehre von der dreifachen Umkehrung der Urtheile (conversio
simplex, per accidens, per contrapositionem ; vgl. ebend. Anm. 15) an,
welche zuletzt in folgende Memorial-Verse zusammengefasst wird:
Feci simpliciler converlitur, Eva per accid,
Asto per contra, sie fit conversio tola.
Asserit A, negat E, sunt universaliter ambae ;
Asserit l, negat 0, sunt parlicuioriler ambae t5').
Dass die nun folgenden zwei Capitel hei Psellus (und somit auch bei
Petrus Hispanus) in die umgekehrte Reihenfolge geriethen, wurde schon
oben (ebd. Anm. 16) bemerkt157). Indem somit vorerst das hypothelische
Urtheil an die Reihe kommt, werden die drei Arten desselben (conditionalis,
copulaiiva, disiunctiva, s. ebd. A. 17) und die formalen Regeln
über deren Wahrheit und Falschheit vorgeführt158). Die hierauf nach
hinkende Lehre von der Aequipollenz des kategorischen Urtheiles enthält
die vier schulmässigen Regeln (s. ebd. Anm. 18) und schliesst wie bei
et remnta. Naturalis est, in qua praedicatum est de esse subiecti vel
propritan eius, ut homo est animat, homo est risibitis. Contingens est, in qua prae
dicatum polest adesse vel abesse subiecto pracler eius corruplionem , ut homo est
albus, homo non est albus. Remota est, in qua praedicatum nullo modo polest convenire
mm subiecto (9l ® X fügen hinzu respectu huius verbi „sum"), ut homo est
asinus, leo est vacca. Lex et natura contrariarum talis est u. s. w.
156) I, 2, 4 (f. 27 B): Ilem propositionum parlicipanlium utroque lermino ordine
e converso triplex est conversio ..... (f. 28 B) Conversio simplex est, quando
u. s. f. .... et hoc modo converlitur universalts negaliva in se et parlicutaris affirmaliva
in se ...... (f. 29 B) Conversio per accidens est, quando u. s. f. .... et hoc
modo converlitur universalis affirmaliva in parlicutarem affirmulivam el universalis
negaliva in parlicuiorem negalivam ...... (f. 30 B) Conversio per contraposilionem
est, quando u. s. f..... et hoc modo convertitur universalis affirmaliva in se et par
licuioris negaliva in se. Hiernach erklären sich auch die Memorialworte in obigen
Versen , denn da die conversio per accidens sogar auch auf das allgemein vernei
nende Urtheit und ebenso die conversio per contrapositionem auch auf das allgemein
bejahende ausgedehnt ist (vgl. Ahschn. XII, Anm. 129 f.), so sind in den drei
Worten ,,/eci", „Eva", „Asto" stets die beiden Vocale in ihrer mnemonischen
Bedeutung zu nehmen. Einen anderen Vers , welcher sicher späleren Ursprunges,
aber in den Drucken A—W, ¥—© den obigen beigefügt ist, s. unten bei den
übrigen Inlerpoiolionen (Abschn. XX).
157) Auch unler sämmtlichen Commentatoren des Petrus Hisp. hat nur der
einzige Johannes Major das Richlige bemerkt, und somit ist nur in dem Drucke X
die Aequipollenz vor dem hypathelischen Urtheite eingereiht. Dass Raimundus
Lultus tratz seinem Anschlusse an das byzanlinische Malerial die richlige Reihen
folge herstellle, s. folg. Abschn., Anm. 46.
158) I, 3, l (f. 32 A): Proposilio hgpothelica est, quae habet duas proposiliones
calegoricas coniunctas tanquam principales partes sui ....... Proposilionum
hgpolhelicarum tres sunt species ...... Condilionalis est, in qua coniunguntur duae
proposiliones calegoricae mediante hac coniunclione „si" ....... Copuioliva est Ma,
in qua coniunguntur duae propositiones calegoricae mediante coniunclione ,,ef" ......
Üisiunctiva est itio, in qua coniunguntur duae propositiones calegoricae per hanc
coniunctionem „vel" ....... Ad veritalem condilionalis requiritur, quod antecedens
non polest esse verum sine consequenle ...... ; ad falsitalem conditionalis sufficit,
quod antecedens polest esse verum sine consequenle ....... Ad veritalem coputalivae
requiritur, utramque partem esse veram ...... ; ad falsitalem eius sufßcit, alleram
partem esse falsam ....... Ad veritalem disiunclivae requiritur, unam parlem essi'
veram ..... ; ad falsitalem eins requiritur, utramquc parlem esse falsam. In den
Drucken M—T, Y—I sind die letzleren drei Regeln sofort je an die einzelnen
drei Definilionen geknüpft; in 1t n. B ist das disjunclive Urtheit ausgefallen. Eine
spätere Erweiterung s. unten Anm. 583.
44 XVII. Petrus Hispanus.
Wilhelm Shyreswood (obige Anm. 40) und bei Lambert v. Auxerre (ob.
Anm. 112) mit Memorial-Versen, von welchen der fünfte hier sich gleich
bleibt, die ersten vier hingegen lauten:
Non omnis, Quidam non. Omnis non quasi Nullus.
Non nultus, Quidam; sed Nultus non valet Omnis.
Non aliquis, Nultus. Non quidam non valet Omnis.
Non aller, Neuler. Neuler non praestat Ulerque1s9).
Die Lehre von der Modalität der Urtheile (— modus —, vgl. Abschn.
XV, Anm. 19) hebt unter den Adverbien, welche gleichsam als Adjecliva
des Verbums gelten sollen, zunächst folgende sechs als logisch wichlig
hervor : necessario , contingenter , possibiliter , impossibiliter , vero,
/atao160), scheidet aber (vgl. ebd. Anm. 20) nach einer grammalischen
Bemerkung und nach Feststellung des Grundsatzes, dass im modalen Ur
theile (propositio modalis) das Verbum das Subject und der Modus das
Prädicat sei, sofort wieder die beiden Adverbien vero und falso als
gleichgüllig aus161). Die vier übrigbleibenden Formen werden nun (ebd.
Anm. 21) je nach Vorhandensein oder Stellung der Negalion, wobei sich
sechzehn Urtheile ergeben162), bezüglich der Verhältnisse des Conträren,
Contradictorischen , Subconträren , Subalternen (ebd. Anm. 22) näher be
sprochen 163), und diess Letztere wird in einer Figur (ebd. Anm. 23
159) I, 3, 2 (f. 36 A): Sequitur de aequipollenliis , de quibus tales dantur
reguioe. Prima reguio est, quod si alicui signo universali vel parlicuiori praeponatur
negalio, aequipollet suo contradictorio Secunda reguio talis est, quod si alicui
signo universali postpon,ttur negalio, aequipollet suo contrario Terlia reguio
est, quod si alieui signo universali vel parlicuiori praeponatur et postponatur negalio,
aequipollet suo suballerno Ex istis tribus regulis sequitur quarta reguio,
quae talis est : quando duo signa universalia negaliva ponantur in eadem loculione
ila, quod unum in subiecto et aliud in praedicalo ponatur, tunc primum aequipollet
suo contrario per secundam reguiom et secundum suo contradictorio per primam reguiom.
Hierauf folgen obige Verse, deren erste vier nur in U V W fehlen; jener
fünfte (oben Anm. 40) ist in X, ®—ß, U—3E den übrigen vieren vorangeslellt.
160) I, 4, l (f. 38 A): Modus est adiacens rei delerminalio et habet fieri per
adieclivum. Sed duplex est adicctivum; est enim adicctivum quoddam nominis, ut
albus, niger; et quoddam est adiectivum verbi, ut adverbium, quia secundum Priscianum
(s. Abschu. XV, Anm. 19) adverbium est verbi adiectivum. Et ideo duplex est
modus Ilem adverbiorum quaedam delerminant verbum ralione compositionis, ut
haec sex: necessario, conlingenler, possibitiler, impossibititer, vero et falso; alia
delerminant verbum ralione rei verbi Sed omissis omnibus aliis solum de his,
quae composilionem delerminant, est dicendum.
161) Ebd. (f. 39 A) : Et sciendum, quod isli sex modi quandoque sumuntur nominaliler,
ut possibite, impossibite et quandoque sumuntur adverbialiler, ut possibititer,
impossibitiler I, 4,2 (f. 40 A): Proposilio modalis est, quae modifieatur aliquo
istorum sex modorum Et sciendum, quod in propositionibus modalibus verbum debet
subiici, modus aulem praedicari. Omnes aliae proposiliones dicuntur de inesse llioe
aulem proposiliones, quae modificantur his duobus modis, vero et /ofso, relinquuntur,
quia eodem modo sumitur opposilio et aequipollenlia in eis sicul in itlis de inesse.
162) I, 4, 3 (fol. 41 B): Et sciendum, quod unusquisque istorum quatuor mo
dorum facit quatuor proposiliones modales et sie sunt sedecim proposiliones
Si sumatur sine negalione, facit primam Si sumatur enm negalione posita ad
verbum, facit secundam Si sumatur cum negalione posita ad modum, facit lerliam
Si sumatur cum duplici negalione, una posita ad modum et alia posita ad
verbum, facit quartam.
163) Ebd. (f. 42 B) : Warum aulem proposilionum aequipollenliae sive consequenliae
quatuor regulis cognoscuntur:
XVII. Petrus Hispanus. 45
u. 25) veranschaulicht, welche zu den Kunstworten Purpurea, lliace,
Amabimus, Edentuli führt164). Sodann noch folgt (mit Hinweglassung
Prima reguio est talis: Cuieunque dicto affirmato attribuitur possibite, eidem
attribuitur contingens et ab eodem removetur impossibite, et ab eius contradictorio
opposito removetur necesse.
Secunda reguio: Cuieunque dicto negato attribuitur possibite, eidem altribuitur
eonlingens, et ab eodem removetur impossibile, et ab eius contradictorio opposito
removetur necesse.
Terlia reguio: A quoeunque dicto affirmalo removetur possibite, ab eodem re
movetur eonlingens ; eidem attribuitur impossibite et eius contradictorio opposito
attribuitur necesse.
Quarta reguio: A quoeunque dicto negato removetur possibite, ab eodem remo
vetur contingens; eidem attribuitur impossibite et eius contradictorio opposito al
tribuitur necesse.
Die Drucke &, 1j, £—ß, 3E setzen die aus der Figur (s. folg. Anm.) zu entneh
menden vier Worte Amabimus, Edentuli, lliace, Purpurea je vor die vier Regeln.
164) Ebend. (f. 42 B):
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Pur-pu -re- a A- ma-bi - mus
46 XVII. Petrus Hispanus.
des contingens, vgl. ebd. Anm. 24) die Aequipollenz der modalen Ur
theile165), worauf die Modalität recapitulirend mit jenen nemlichen Versen
wie bei Wilhelm Shyreswood (obige Anm. 44) und bei Lambert (ob.
Anm. 113) geschlossen wird168).
Aus dem Inhalte der I s a g o g e, welcher ja auch bei Psellus (Abschn.
XV, Anm. 26 ff.) nur der gewöhnlich tradilionelle ist, mag hervorgehoben
werden, dass zwischen praedicabile (— so heissen nemlich die quinque
voces —) und universale nur insoferne unterschieden wird, als ersteres
im Sprachausdrucke und letzteres in der Objeclivität liege167). Bei Be
sprechung der einzelnen fünf Worte ist die Figur der arbor Porphgriana
zwischen species und differentia eingereiht168).
Als Einleitung zu den Kategorien dienen jene zusammenhangs
losen Erörterungen (vgl. ebend. Anm. 29 ff.) über die sog. Anteprädicamente,
d. h. zuerst über die Begriffe univocum, aequivocum, denominativum
169), hierauf über die als höchst wichlig geltenden neun
(beziehungsweise acht) Arten des inesse, welche darum in die Verse
Insunt: pars, lotum, species, genus, et calor igni,
Rex in regno, res in fine, locoque locatum
Uebrigens ist diese Figur nicht stets an dieser Stelle eingereiht. In J?> —Sf, M I
steht sie nach dem Inhalte der folg. Anm. 165, in U—X ganz am Schlusse (nach
Anm. 166), in 9l ist ihr noch jene Figur, welche wir bei Withelm Shyreswood
(ob. ^nm. 45) trafen, vorausgeschickt, in M— T ist sie bloss in den Commentar
verflochten, endlich in <S> u. @ fehlt sie gänzlich.
165) Ebend.: Omnes aulem ilioe proposiliones, quae sunt in prima linea, aequipollent
et convertuntur inler se per primam reguiom; quae in secunda, per secundam;
quae in lertia, per lertiam; quae in quarta, per quartam. (f. 43 B) Ilem aequipollentiae
propositionum modalium possunt poni per has reguios. Omnes propositiones
de possibiti et impossibiti aequipollent verbo simitiler se habenle et modo dissimililer;
omnes proposiliones de possibiti et de necesse aequipollent verbo et modo
dissimuiter se habentibus ; omnes proposiliones de impossibiti et necesse aequi
pollent verbo dissimititer se habenle et modo simitiler Et sciendum, quod praedicta
reguio non facit menlionem de conlingenti, eo quod conlingens convertitur cum
possibili.
166) t, 4, 4 (f. 45 A) : Propositionum modalium aliae sunt contrariae aliae subcontrariae
aliae contradictoriae aliae suballernae. Hierauf folgen die Memorialverse,
welche nach Obigem (Anm. 44) in Anbetracht der vorslehenden Figur keine nähere
Erklärung bedürfen. Manigfache Erweiterungen der Lehre von den modalen Urtheiten
s. unten Anm. 585 ff.
167) H, l (f. 46 B): Praedicabite quandoque sumitur proprie et sie dicitur prae
dicabite, quod de pluribus praedicatur; quandoque sumitur communiter et sie dicitur
praedicabite, quod de uno solo praedicatur sive de pturibus, Onde praedicabite
proprie sumptum idem est quod universale; sed differunt in hoc, quod praedicabite
diffinitur per dici de, universale vero per esse in. Est enim praedicabite, quod
aptum natum est dici de pturibus; universale aulem, quod aptum natum est esse in
mullis. Es versteht sich von selbst, dass diese ptumpe Verqnickung des Aristatelismus
und des Piotonismus beim Universalien-Slrelte eine Rolle spielte.
168) In der Mehrzahl der Ausgaben, nemlich in A—X, <B, y, 8—X, I, ist
die Figur durch den Vers eingeleitet:
/slo libi piona faeit arbor Porphgriana.
169) HI, l, l (f. 68 B): Ad cognoscendum praedicamenta quaedam sunt necessaria
praemitlenda, sine quorum cognilione nequaquam polest haberi cognilio praedicamentorum.
Et idco dislinguimus cum Aristolele triplicem modum praedicandi.
Eorum quae praedicantur, quaedam sunt univoea, quaedam aequivoca, quaedam denominaliva
u. s. w.
XVII. Petrus Hispanus. 47
gebracht wurden170), sodann die Erklärung des de subiecto (mit
einseiliger Betonung der blossen Quanlität) und in subiecto 1 7 1) , und
zuletzt die sog. regula de quocunque1'"1). Von den Kategorien selbst
(vgl. ebend. Anm. 33 ff.) werden nur Substanz, Quanlität, Relalion,
Qualität ausführlich , Thun und Leiden aber sehr kurz erörtert , die
vier übrigen fehlen ursprünglich 173). Den Schluss bilden die soge
nannten Postprädicamente (vgl. ebd. Anm. 36 ff.) d. h. die Lehre von
den vier Arten der Gegensätze174), dann die verschiedenen Bedeu
tungen des Wortes prius115), des Wortes «mui176), die sechs Arten
170) III, l, 2 (f. 73 A): Eorum quac dicuntur, quaedam dicuntur cum complexione
quaedam sine complexione. Sed priusquam allerum membrum huius
divisionis subdividatur, dislinguendi sunt octo (dass es aber doch eigentlich nenn sind,
zeigt sich sogleich; übrigens ist octo in M—T, X—©, J?— » weggeiossen) modi
„essend» in", qui necessarii sunt ad sequenlem divisionem cognoscendam et ad ea quae
poslea dicuntur. Nun folgen die neun Arten: primus ut pars inlegralis in tolo ;
secundus . . . . ut lolum inlegrale in suis partibus; lerlius .... ut species in genere;
quartus . . . . ut genus in specie (diese letzteren beiden hatlen bei Pseltus gefehlt, s.
Äbschn. XV, Anm. 30); tjuiutus ut forma in maleria, wobei es aber heisst:
et iste quidem modus subdividitur, quia quaedam est forma substantialis, quae
dam est forma accidentalis , et prima harum dicitur propric inesse sicut forma
in maleria, allera dicitur esse in alio sicut accidens in subiecto (somit ist die
sechste Art, nemlich accidens in subiecto, hier nur als Unlerart der fünflen be
trachtet); sextus in sua causa efficienle (ist in M—X ausgefallen); seplimus....
in suo fine; octavus ....in suo continente. In dem hierauf folgenden Verse sind
allerdings, wie man sieht, nur die acht Hauptarten untergebracht. (Uebrigens fehlt
in SB diese ganze Erörterung des inesse).
171) Ebend. (f. 75 A): Eorum quae sunt, quaedam dicuntur de subiecto, in
subiecto vero nullo sunt Dici de subiecto, prout hie sumitur, est superius dici
de inferiore, et esse in subiecto sumitur hie, secundum quod accidens est in
subiecto Alia vero neque de subiecto dicuntur neque in subiecto sunt.... Alia
dicuntur de subiecto et in subiecto sunt Alia vero in subiecto sunt et de sub
iecto nullo dicuntur. Die versinnlichende Figur (vgl. Äbschn. XV, Anm. 31) hiezu
nahmen erst die Späleren in ihre Commentare zum Petrus Hispanus auf.
172) III, l, 3 (f. 77 A): Quando allerum de allero praedicatur ut de sub
iecto, quaecunque de eo , quod praedicatur, dicuntur, omnia de subiecto dicun
tur Diversorum generum et non suballernalim positorum diversae sunt species
et differenliae. Pseltus hatte drei Regeln gegeben (s. ebd. Anm. 32) ; die dritte
fehlt hier.
173) III, 2, 1 — 10 (f. 78 A — 109 A). Betreffs der Ergänzung der letzten sechs
oder vier Kategorien s. oben Anm. 116 u. unten Anm. 308.
174)111, 3, l (f. 1 09 A): Dicitur aulem allerum allen opponi quadrupliciter.
Oppositorum enim quaedam sunt reioliva, quaedam sunt privaliva, alia
sunt contrario, alia sunt contradictoria. Betreffs aber der näheren Erörterung
fällt der reiolive Gegensatz weg, indem auf die Kategorie der Beiolion verwiesen
wird (Quae aulem sint reiolive opposita, dictum est prius in capitulo de reiolione).
Der contradictorische Gegensatz ist in Z— © etwas ausführlicher besprochen, hin
gegen in X Tf, ®—8, £ ganz ausgefallen.
175) III, 3, 2 (f. 112 A): Prius dicitur quadrupliciler : .... secundum lempus
a quo non converlitur subsistendi consequentia, ut unum est prius duobus
secundum ordinem quod melius est Praeler hos quatuor modos iam dictos
est unus aller modus prioritalis; eorum enim, quae convertuntur secundum essendi
consequenliam, ....ittud, quod est causa allerius, est prius natura.
176) III, 3, 3 (f. 113 B): Simnl dicitur tribus modis: ....quorum oeneralio est
eodem lempore quae convertuntur et neutrum est causa allerius, sicul quaelibet
reioliva quae aequalitur condividunt genus.
48 XVII. Petrus Hispanus.
des moln*177), und endlich nachhinkend die Bedeutungen des Wortes
habere 178).
Die hierauf folgende Syllogistik enthält einleitungsweise zunächst
(vgl. ebd. Anm. 42 ff.) die Definilionen der propositio, des lerminus, des
,lit-iun, de omni und dictum de nurto179), sowie jene des sgllogismus,
wobei wir den auch im weiteren Verlaufe durchgeführten Gebrauch des
Wortes praemissa bemerken mögen, und hierauf die Erörterung der drei
Termini180), sodann in die Definilionen der ßgura und des modus ver
flochten die Angabe der drei Figuren nebst den zu ihrer Charakterisirung
dienenden Versen
Prima prius subiicit medium, post praedical ipsum,
Allera bis dicit, lerlia bis subiicit ipsum l81),
und ausserdem die bekannten auf sämmtliche Schlussweisen sich er
streckenden Regeln (s. Abschn. XV, Anm. 44), welche hier ebenfalls in
kürzerer metrischer Form am Schlusse wiederholt werden , uemlich in
den Versen
Parlibus ex puris sequitur nit sive negalis;
Si qua praeit parlis, sequitur conctusio partis ;
Si qua negata praeit, conctusio sitque negata;
Lex generalis erit: medium conctudere nesciC82).
Sodann folgt noch die Angabe, was directe und was indirecte schliessen
heisse183), und zudem jene Regeln, welche für die drei einzelnen Figuren
die Bedingung der Schlussfähigkeit enthalten 184). Hierauf aber werden
die sämmtlichen neunzehn Schlussmodi nebst Beispielen vorgeführt (wobei
demnach, — s. ebend. Anm. 45 —, die fünf theophraslischen Modi zur
177) III, 3, 4 (f. 114 B): Matus sex sunt species, sciticet generalio, corruplio,
augmentalio, diminulio, et secundum locum mutalio u. s. w.
178) III, 3, 5 (f. 115 B): Habere dicitur mullis modis: habere aliquam
qualitalem habere quanlitalem et magnitudinem . . . . . habere quae cirea corpus
sunt adiacenlia, ul vestimentum habere membrum habere sicul continens
conlentum habere possessionem habere uxorem forte el alii modi apparebunt
in eo quod haben, sed qui consueverunt dici, paene omnes enumerali sunt.
179) IV, l (f. 117 A).
180) IV, 2 (f. 119 A). Dass aber „praemissa" auch schon bei Withelm Shyreswood
und Lamberl v. Auxerre vorkömmt und auf Uebersetzungen arabischer
Producte zurückweist, s. oben Anm. 52 u. 120.
181) IV, 3 (f. 121 A). Die Drucke U—W, 8— G, X machen den zweiten
VlTs durch Wegiossung des ipsum zu einem Pentameter. Aber M—T fügen als
dritten noch jenen hinzu , welchen wir schon bei Withelm Shyreswood trafen
(Anm. 51); ja X, !&, <B —J,, 9t, ®, K — W geben ausschliesslich nur diesen letz
leren mit Wegiossang der beiden anderen.
182) Ebend. (f. 122 A). Uebrigens fehlen diese Verse in den so eben er
wähnten Ausgaben X, <&>, &—», M, ®, U—9».
183) IV, 4 (f. 123 B): Directe quidem conctudere e*1 maiorem extremitalem
praedicare de minore in conctusione; indirecte conctudere est minorem extremitatem
praedicare de maiore in conctusionc.
184) Ebd.: Nola duo.v reguios, quarum prima tantum convenit primae figurae
quoad quatuor primos modos el terliae (in M—T, X—», & — S, SB steht falsch
secundae) quoad omnes; secunda eliam con,'enit tantum primae /igurae quoad quatuor
primos modos el secundae (ebendaselbst steht ebenso lertiae) figurae quoad omnes.
Prima reguio est: minore exislenle negaliva nibit sequitur. Secunda reguta est: maiore
exislenle parlicuiori nihit sequitur.
XVII. Petrus Hispanus. 49
ersten Figur gehören, die dritte Figur aber nur sechs Schlussweisen ent
hält) ; jene Kunstworte Barbara, Celarent u. s. f., welche uns schon bei
Wilhelm Shyreswood und Lambert von Auxerre (Anm. 52 u. 120) be
gegneten, sind schon vorläufig in den Text je vor den betreffenden ein
zelnen Modi eingereiht 1s5). Sogleich aber dann folgen nach den üblichen
Bemerkungen (Abschn. XV, Anm. 53) über die syllogislische Tragweite
der drei Figuren186) eben jene nemlichen Verse (ob. Anm. 52) nebst
ausführlicher Erklärung ihrer ganzen Nomenclalur187), welch letzterer noch
mnemonisch nachgeholfen wird durch die Verse
Simpliciter verli vult S, P vero per acci,
M vult transponi, C per impossibite duci;
Serval maiorem varialque secunda minorem,
Terlia maiorem variat servalque minorem 18s).
Endlich reihen sich noch Bemerkungen über die nicht schlussfähigen Combinalionen
von Urtheilen und beziehungsweise über inventio terminorum
an189). Was aber bei Psellus über die modalen sowie über die hypo-
185) IV, 4—6. Die einzelnen Schtussweisen selbst s. im byzanlinischen Ori
ginale Abschn. XV, Anm. 47 ff. Die Drucke A —W, I fügen am Schlusse der
ersten Figur die zwei ersten der unten (Anm. 188) folgenden Verse ein, und 9l ®
die zwei letzlen derselben am Schlusse der zweiten Figur.
186) IV, 7 (f. 136 A): Prima figura conctudit omnia genera proposilionum, scilicet
universalem, particutarem, affirmalivam et negalivam. Secunda figura conctudit
parlicutarem nepalivam et universalem negalivam. Terlia conctudit particuiorem affirmalivam
et negalivam.
187) Eherul. : In his quatuor versibus praediclis sunt novem decem dicliones
novem decem modis deservienles ita, quod per primam diclionem inlelligitur primus
modus primae figurae u. s. w. Unde primi duo versus deserviunt omnibus modis
primae fiyurae, lerlius vero versus praeler ullimam eius diclionem deservit modis
secundae figurae, ullima vero diclio lertii versus cum aliis dictionibus quarli
versus deservit modis lerliae figurae. Sciendum, quod per has vocales, sciticet A E
I 0, intelliguntur quatuor genera proposilionum, n. s. w Et in qualibel diclione
sunt tres sgltabae, et aliud residuum est superfluum, nisi M, ul poslea palebit. Et
per primam ittarum sgliobarum intelligitur maior proposilio, u. s. w Et sciendum,
quod quatuor dicliones primi versus incipiunt ab his consonanlibus B C D F, et
omnes aliae dictiones sequentes, et per hoc inlelligendum est, quod omnes, quae in
cipiunt per diclionem inchoatam a B, debent reduci ad primum modum primae figurae,
et omnes, quae incipiunt per diclionem inchoatam a C, ad secundum, et per D ad
tertium, et per F ad quartum. Ilem ubicunque ponitur S, in Ma diclione significat,
quod proposilio inlellecta per vocalem immediale praecedentem debel converti simpliciler;
et proposilio inlellecta per vocalem immediale praecedenlem istam litleram P
debel converli per accidens : et ubicunque ponitur M, debel fieri transposilio in praemissis
• et ubicunque ponitur C, significatur, quod modus inlellectus per istam
diclionem, in qua ponitur, debet reduci per impossibite. Diese ganze Erörlerung ist
in K— St, wo sie schon am Anfange der erslen Figur steht, sehr abgekürzt; in X
aber fehlt dieses ganze Capitel.
188) In W ® fehlen hier die letzten zwei Verse (s. Anm. 185); hingegen
¥— © fügen noch die zwei letzlen der oben, Anm. 156, angeführlen Verse hinzu.
189) IV, 8 (f. 136 B): Sed quia Aristoleles in Prioribus (An. pr. I, 28, s. Abschn.
IV, Anm. 591) ostendit , coniugaliones , in quibus non sequitur conctusio ex praemissis,
esse inuliles, per invenlionem lerminorum, in quibus non lenel huiusmodi
coniugalio, ideo ulilis est invenlio talium lerminorum. Ubicunque fiat inulilis con
iugalio . . . . , accipiendi sunt duo lermini, sciticet duae species, cum suo genere . ...,
vel duo lermini, quorum aller de allero praedicatur sive comerlibititer sive non cum
extraneo utriusque, vel accipiendi sunt duo lermini, quorum aller de altero
PBANTL, Gesch. III. 4
50 XVII. Petrus Hispanus.
thelischen Syllogismen gesagt war (s. Abschii. XV, Anm. 54 f.), ist hier
hinweggelassen 190).
Die nun folgende Topik beginnt unter Weglassung der Einleitung
über inventio propositionum1®1) , sogleich mit den verschiedenen Bedeu
tungen des Wortes rata'o192), um hierauf argumentum, argumentatio,
inductio, enthgmema, exemplum zu erklären193) und von da auf den
locus dialecticus und dessen Eintheilung überzugehen194). Die einzelnen
Topen sind, wie sich von selbst versteht, in der oben (Abschn. XV, Anm.
60 ff.) angeführten Reihenfolge behandelt195).
Es schliesst sich hierauf die Sophistik an, welche sicher gleich
falls aus dem für uns verlorenen byzanlinischen Originale übertragen
ist196), mag in letzterem der Inhalt der Soph. Elenchi an dieser oder
an einer anderen Stelle gestanden haben (s. Abschn. XV, Anm. 65 u. bes.
Anm. 91). Auch muss dieser Abschnitt, wie Anderes bei Psellus, als
eine schulmässig commenlirende Paraphrase des aristotelischen Buches be
zeichnet werden, von welchem jedoch nur die erste Hälfte benutzt worden
zu sein scheint; wenigstens enthält das Ganze auch hier ebenso, wie bei
Wilhelm Shyreswood (Anm. 65) und Lambert von Auxerre (Anm. 124),
nur die ersten fünfzehn Capitel der aristotelischen Soph. Elenchi 197).
Nun aber folgt jene ausgedehnte und einflussreiche Erörterung De
terminorum proprietatibus, durch welche (hauptsächlich vermöge
der Auctorität des Petrus Hispanus) den nächsten Jahrhunderten eine erpraedicatur
sive converlibititer she non mm superiore ad utrumque Per hanc
enim regutam, cuicunque jener« applicetur, sive substantiae sive quanlitali sive alicui
aliorum, inveniuntur lermini, per quos inulilis coniugalio demon strabitur non lenere.
Uebrigens ist in £ auch dieses ganze Capitel (vgl. vorige Anm. 187) weggeiossen.
190) Hingegen eine anderweilige Inlerpoiolion, nemlich bezüglich der polestas
sgllogismorum, s. Abschn. XX.
191) Vgl. Abschn. XV, Anm. 57.
192) V, l (f. 1 38 B): Ralio dicitur mullis modis. Primo modo idem est quod
definitio vel descriplio Secundo modo est quaedam virtus animae. Terlia modo
idem est quod oralio ostendens aliquid Alio modo idem est quod forma maleriae....
Alio modo idem est quod essentia commnnis praedicabitis de pluribus
Alio modo idem est quod n,edmm inferens ronctusionem. (Vgl. ebend. Anm. 58.)
193) V, 2 (f. 139 B). Aber namentlich die Lehre vom enthgmema ist aus Ari
stoleles beträchtlich ergänzt.
194) V, 3 (f. 144 A).
195) V, 4-7.
196) Ein schiogender Beweis hiefür ist z. B., dass Alexander Apbrodisiensis
cilirt wird (VI, 2, f. 179 A: Sciendum aulem, ut vult Alexander in commento super
librum elencfiorum u. s. w.).
197) Mehr nur um der Terminologie witlen mögen die Haupt -Momenle des
Inhaltes hiemit genannt we,den. Zuerst (VI, 1) die vier Arten der disputalio, nemlich
doctrinalis, dialeclica, lentaliva, »ophistica, und die fünf Ziele (metae) der
Sophislik: redargulio, falsum, inopinabite, soloecismus, nugalio. Dann (VI, 2) die
Eintheitung der futilacia, und somit hierauf faliodae in diclione, nemlich (VI, 3, 1)
aequivucalio ; (VI, 3, 2) amphibologia ; (VI, 3, 3) faliocia compositionis ; (VI, 3, 4)
divisionis; (VI, 3, 5) accentus; (VJ, 3, 6) figurae dictionis ; sodann extra diclionem,
nemlich (VI, 4, l) accidenlis; (VI, 4, 2) secundum quid ad simpliciter ; (VI, 4, 3)
ignorantia elenchi; (VI, 4, 4) pelilio prineipii ; (VI, 4, 5) consequenlis mit seinen
Unlerarlen ad insufficienle inductione und a communiter accidenlibus ; (VI, 4, 6) se
cundum non causam ut causam; (VI, 4, 7) pturium inlerrogaliomim ; zuletzt (VI, 5)
die Reduclion der Trugschlüsse auf ignorantia elenchi.
XVII. Petrus Hispanus. 51
kleckliche Masse byzanlinischen Unsinnes zugeführt wurde198). Es han
delt sich vorerst um den Begriff der signi/icalio 1"), deren Gliederung
auf den Unterschied zwischen substantivatio und adieciivatio 200), und
hienüt auf supposüio („Annahme eines substanlivischen Begriffes statt
eines anderen") und auf copulalio führt201).
Die suppositio nun wird eingetheilt in communis und discreta,
deren erstere in naturalis und accidentalis zerfällt202); die verwickelte
Eintheilung der accidentalis in simplex und personalis 2o3) setzt sich in
der Unterabtheilung der letzteren, nemlich der personalis, in delerminata
und confusa fort204). Die abermalige Unterscheidung der confusa, je
198) Ich kann, wie schon gesagt, bei jener erslen Hälfle, welche uns auch
bei Pseltus erhalten ist, nicht die ganze bereits oben (Abschn. XV, Anm. 66—80)
gegebene Entwicktung hier wiederholen, sondern [beschränke mich auf eine kurze
Inhaltsangabe und theite auch in den Anmerkungen nur hervorragende Slellen des
ioteinischen Texles mit (denn zum Beweise, dass Pelrus Hispanus nur wörtlich
übersetzle, wird diess genügen; der speciellore Inhalt der Doctrin selbst aber ist
aus dem in Abschn. XV Gesaglen hinreichend ersichtlich). Anders muss ich aller
dings in der zweiten Hälfle verfahren.
199) VII, l, l, l (f. 207 A): Eorum quae dicuntur, quaedam dicuntur cum complexione,
— quaedam sine complexione Terminus, ul hie sumitur, est vox
significans universale rel particuiore, ut homo vel Soerales et sie de aliis (dieser
ganze Satz fehlt bei Pseltus). Terminorum autem incomplexorum unusquisque aut
substantiam significal u. s. w. Significalio, ut ibi sumitur, est rei per vocem secundum
piocitum repraesentalio (vgl. Abschn. XV, Anm. 66).
200) Ebend. (f. 208 A): Et significare aliquid adiective vel substanlive sunt
modi n,rum, quia adieciivalio et substantivalio sunt compoles modi el differentiae
rerum, quae significantur, el non significalionis (so richlig nur @ 'S, die übrigen
Drucke haben bald signi/icaliones, bald significant, bald sogar significantur). Nomina
vero substanliva dicuntur supponere, sed nomina adiectiva el verba dicuntur coputare
(vgl. ebd. Anm. 67).
201) VII, l, l, 2 (f. 209 A): Suppositio est aeceplio iermini substanlivi pro
aliquo Significalio prior est suppositione, el differunt in hoc, quia significalio
esl vocis, suppositio vero est lermini iam composili ex voce ct significalione
Ilem significalio est signi ad signatum, supposilio vero est supponentis ad suppositum,
ergo suppositio non est significalio. Copuiolio est acceplio lermini adicclivi
pro aliquo (ebd. Anm. 68).
202) VII, l, l, 3 (f. 210 A): Supposilionum alia communis alia disereta.
Ilem suppositionum communium alia naturalis alia accidentalis. Supposilio
naturalis est acceplio lermini communis pro omnibus Ins, pro quibus aptus natus est
participari, ul iste lerminus „homo" per se sumptus (zu diesem per se bitdet sonach
die unlen folgende suppositio reiolivorum den entsprechenden Gegensatz; s. unlen
Anm. 212 ff.) Accidentalis suppositio est acceplio lermini communis pro omnibus,
pro quibus exigil suum adiunctum (vgl. Abschn. XV, Anm. 69).
203) Ebend. (f. 2 1 1 A) : Accidentalium suppositionum alia simplex alia per
sonalis. Suppositio accidentulis simplex est acceplio lermini communis pro re universali
significata per ipsum lerminum Ilem suppositionum simplicium alia est
lermini communis in subiccto positi, alia positi in praedicalo propositionis universalis
affirmalivae, ul „omnis homo est animal" alia posifi post dictionem
exceplivam; in omnibus istis (d. h. bei dieser dritlen Art) el simitibus fil processus
a suppositione simplici ad suppositionem personalem. Quod aulem lerminus
in praedicalo positus simplicem habet suppositionem, palet, quia u. s. w. (vgl. ebend.
Anm. 70).
204) Ebend. (f. 211 B): Personalis suppositio est acceplio lermini communis pro
suis inferioribus Ilem personalium suppositionum alia est dclerminata alia con
fusa. Delerminata supposilio est aeceplio lermini communis indefinitc sumpli vel cum
signo particuiori (vgl. ebd. Anm. 71).
4*
52 XVII. Petrus Hispanus.
nachdem sie das Subjeet oder einen der beiden anderen Bestandtheile
des Urtheiles (Copula oder Prädicat) betrifft205), fübrt vorläufig zu der
Angabe, dass im ersteren Falle entweder mobiliter oder distributive, im
letzteren Falle aber immobititer supponirt werde , welch letzteres jedoch
seine Bedenken habe206), deren Lösung hinwiederum dahin lautet, dass
ein allgemeiner Prädicatshegriff überhaupt keiner confusa supposüio un
terliege 207) , — eine Lösung, welche nun noch darauf gestützt wird,
dass beim Prädicatsbegrifl'e das latum stets als Gattungsbegriff zu ver
stehen sei, während es für die verworrene Supposilion in quanlitalivem
Sinne genommen werden müsse 208) , wozu noch komme, dass beim Gat
tungsbegriffe stets die vom Niederen zum Höheren aufsteigende Betrach
tung obwalte209). Die richlige Erwägung aber, dass die Supposilion
überhaupt nicht gleichmässig beim Subjccte und beim Prädicate gelte,
schliesse eben den prädicaliven Gattungsbegriff von der confusa supposüio
aus210). Und indem das Gleiche auch von der Copula gelte, reducire
sich die verworrene Supposilion nun in Wahrheit lediglich auf das durch
die Quantitätsbeslimmung („alle") hiezu befähigte Subject 2 1 1). Vgl. übri
gens auch unten Anm. 596 f.
205) Ebend. (f. 213 A): Confusa supposilio est acceplio lermini communis pro
pturibus mediante signo universelt Ilem confusarum suppositionum ulia est
confusa necessitale signi vel moili et alia necessitale rei u. s. w. vgl. ebend.
Anm. 72.
206) Ebend.: Unde isle lerminus „Aomo" (d. h. in dem Satze „omnis homo
est anin,af") debet supponere confuse mobitiler et distribulive (hierin liegt der An
knüpfungspunkt für die unten folgende Distribulion, s. Anm. 238) ; sed confuse et
distribulive lenetur, quando lenetur pro omni homine ; mobititer rero, quia licet fieri
descensum sub eo pro quolibel suo supposilo Sed isle lerminus ,,animal" dicitur
confundi immobititer, quia non licel fieri descensum sub eo sicut hie „homo est
dignissima ereaturarum, ergo hie homo" Licet videatur oppositum esse, eo quod
superius dictum est (Anm. 203), quod in has propositione „omnis homo est animal"
iste lerminus in praedicalo positus simplicem habet supposilionem, et hie dicitur, quod
habet confusam (vgl. Abschn. XV, Anm. 73).
207) Ebend. (f. 213 B): Sed ego eredo (s. ebend. Anm. 74), impossibite esse,
lerminum communem in praedicato positum habere supposilionem simplicem et confundi
mobititer vet immobititer signo universali exislenle in subiecto affirmalive
u. s. w. ' »
208) Ebend. (f. 214 A): Item lolum universale, quod est genus, et lolum in
quantitale ex opposito se habent ; sed tolum in quanlitale est duplex; quoddam enim
est lotum in quanlitale completum, ul ubicunque conftmditur lerminus communis mo
bitiler , aliud est totum in quanlitale incompletum el diminutum, ut ubicunque
confünditur lerminus communis immobitiler Ergo si impossibite est, tolum in
quantitale esse genus, erit impossibite, lerminum communem in praedicato positum
confundi mobititer vel immobititer, ut dicebatur (vgl. ebd. Anm. 76).
209) Ebend.: Item comparalio itio, secundum quam inferiora reducuntur ad
superiora, opposita est eomparalioni, secundum quam superiora reducuntur ad infe
riora. Sed secundum primam sumitur commune in ralione rommunis, sed secundum
secundam sumitur commune mulliplicatum sive confusum (vgl. ebd. Anm. 77).
210) Ebend.: Kl haec quatuor argumenta sunt concedenda (s. ebend. Anm. 78 f.).
Causa aulem, propler quam movebantur isti, qui fuerunt huiusmodi opinionis, facitis
est ad solvendum u. s. w hoc genus „animal" nullo modo confünditur mobi
liter vel immobititer.
211) Ebend. (f. 214 B): Simititer dico, quod boc, verbum „esf" non confunditur
mobititer rel immobititer Et propler hoc destruimus quandam dirisionem factam
(Anm. 205), seiltcet: confusarum proposilionum alia est confusa necessitale rei, alia
XVII. Petrus Hispanns. 53
Indem nun jener grössere Rest, welcher in unserem Texte des
Psellus verloren gegangen ist, sich anreiht, folgt zunächst die suppositio
relativorum, welche, wie wir sahen, Wilhelm Shyreswood weg
gelassen (Anm. 62), und Lambert von Auxerre ans Ende gestellt halle
(Anm. 132). Dass aber die Nothwendigkeit dieser Gruppe schon im
Obigen (Anm. 202) angedeutet war, wurde bereits auch früher ausge
sprochen (Absehn. XV, Anm. 82).
Die Relaliva, welche hier nicht nach dem Standpunkte der Kate
gorienlehre, sondern im Sinne der Grammalik als Erinnerungszeichen
vorhergegangener Worte zu erörtern seien212), werden vor Allem in
Relativa der Substanz (z. B. qui, Ute) und Relaliva der Accidenz
(z. B. talis, quantus) eingetheilt, deren erstere sogleich wieder unter
schieden werden , je nachdem sie eine Gleichheit (identitas, wie z. B.
qui oder idem) oder eine Verschiedenheit (wie z. B. alius) ausdrücken 213).
Und was nun zunächst die Relaliva der Idenlität betrifTt, so werden als
eine eigene Classe derselben die Reciproca (sui, sibi, se und suus) aus
geschieden, welche die Modalität des Leidens mit der Aclivität des Subjectes
verknüpfen214); sodann aber wird angegeben, in welcher Weise
die Relaliva der Idenlität für ein vorhergegangenes Wort supponirt wer
den, und wie in ihnen ein Behelf der Deutlichkeit liege, was an einem
tradilionellen Beispiele (von den beiden Ajax) sich zeige215); und indem
est confusa necessitale modi sive signi. Dicimus enim, quod omnis confusio fit necessitale
signi vel modi (Abschn. XV, Anm. 80). N
212) VII, l, 2, l (f. 215 B): Reiolivum est duplex: uno modo reiolivum est,
cuius esse est ad aliud se habere, et sie reiolivum est unum de decem praedicamenlis
; aliud est reiolivum, quod est anle iotae rei recordalivum, quia, ut vult
Priscianus in maiore suo votumine, reiolio est ante iotae rei recordalio (Inst. gr.
XII, 16, woselbst jedoch die entsprechenden Worle iouten: „reiolio est cognilionis
anle iotae repraesentalio" ; diese Abweichung aber kann dadurch ihre Erklärung
finden, dass das Citat vorerst durch mehrere griechische Hände gegangen war, ehe
es durch Petrus Hispanus wieder ioleinisch übersetzt wurde; dass auch Pseltus
selbst sich auf Priscianus berief, s. Abschn. XV, Anm. 19) Omissis aulem reiolivis
secundum primum modum de reiolivis secundo modo hie inlendimus.
213) Ebend. : Retalivorum aulem quaedam sunt reioliva substanliae, ut „qui",
„itle" et simitia; quaedam vero sunt reioliva accidenlis, ut „talis, „qualis", „tantus",
„quantus'.. Reiolivum aulem substanliae est, quod refert eandem rem in numero cum
suo anlecedente. Ilem reiolivorum substantiae quaedam sunt reioliva diversitalis, ut
„ofsus", et est ittud, quod refert eandem rem in numero et supponit pro alia, ut
„Soerales currit et alius disputal"; quaedam vero identitalis, ut „qui", „if/e",
„idem", quod refert et supponit pro eodem in numero, pro quo supponit suum
antecedens, ul „Soerales currit, qui disputal" Reiolivorum substanliae identitalis
quaedam sunt nomina, ut „quis", „quidam" ; quaedam sunt pronomina, ut „itle",
„idem". Das Wort „idenlitas" als Uebersetzung von Tstvröilts dürfle gleichfalls
auf eine Kenntniss arabisch-ioleinischer Litteratur zurückweisen (vgl. Anm. 52 u. 65).
214) Ebend. (f. 217 A): Ilem reiolivorum pronominum idenlitalis quaedam sunt
reciproca, ut „sui, sibi, se" cum suo possessivo „suus, sua, suum"; alia vero non
reciproca, ul „itle", „idem". Reiolivum aulem reciprocum dicitur non quod sit paliens,
sed quia ponil modum palientis supra substanliam agenlem Unde reci
procum sie polest definiri: ....quod significat substanliam agenlem sub modo palienlii;
vel sie: . ...quod sui ipsius est passivum Ilem si quaeratur, quare hoc pronomen
„sui, sibi, se" caret nominalivo, dicendum est, quod solulio palet ex praemissis,
quia nominalivus dicit modum agentis.
215) Ebend.: Reioliva identitalis referunt eandem rem sub eodem suo anlecedenle
et semper supponunt pro cadem re in numero; et ex hoc palet, quod maior
54 XVII. Petrus Hispamis.
hiebei die Frage auftaucht, aufweiche Form eines Sophisma's (s. Anm. 197)
eine durch ein Relalivum eintretende Täuschung (z. B. „Jener Mensch
sieht einen Esel, welcher vernünflig ist") zu reduciren sei, fällt der Ent
scheid dahin aus, dass es eine fallacia composüionis sei216). Hierauf
folgt nun zwar eine kurze Angabe über die Relaliva der Verschiedenheit,
insoferne bei denselben der Umfang der Begriffe eine Rolle spiele217),
aber sofort springt die Erörterung in unordentlicher Reihenfolge wieder
auf die Relaliva der Idenlität zurück, und es wird die „Regel", dass die
mit einem solchen Relalivum beginnenden Sätze kein contradictorisches
Gegentheil haben, gegen Einwürfe geschützt, da in denselben eine Nega
lion nur zum Verbum des Relaliv-Satzes selbst gehöre und sich nicht auf
jenes Wort beziehe , welches durch das Relalivum wiederaufgenommen
ist218). Auch noch eine zweite Regel betreffs der Tragweite der Rela
liva der Idenlität hinkt nach, aus welcher abermals die abweichende Gel
tung der obigen (Anm. 214) Reciproca erhellt219).
esl certitudo per reiolivum identitalis, quam per juum antecedens loco retalivi positum;
hur enim palet per Priscianum dicentem in maiore votumine (XVII, 56),
,/ (W. nun dicitur „Aiax venit ad Troiam, et Aiax forliler pugnavit", dubium est,
an de eodem Aiace dicatur an de diversis, sed cum dicitur „Aiax venit ad Troiam
et idem fortiter pugnavit", de eodem stalim inlelligitur.
216) Ebend. : Solei autem dubitari cirea reioliva idenlitalis, utrum deceplio facta
ex diversa reiolione fiat secundum aequivocalionem vel secundum amphibologiam vel
secundum aliquam aliam faliociam, ul, dicendo „homo riitet asinum, qui est ralionalis"
Secundum aliquos solet ibi assignari aequivocalio ; sed contrarium arguitur;
hoc enim nomen „qui" u. s. w. (sehr ausführlich) Concedimus, quod deceplio
facta ex diversa reiolione non est secundum aequivocalionem Ilem quod ibi non
sit amphibologia, probatur Ilem ubicunque est deceplio ex eo, quod aliqua dtctio
polest refeni ad diversa, est composilio vel divisio, et hoc idem concedimus.
217) VII, l, 2, 2 (f. 219 A): Sequitur de reiolivis diversitalis. Retalivum diversitalis
est, quod supponit pro alio ab eo, quod refert Talis datur reguio:
Si reiolivum diversitalis addatur superiori, fit inferius, et si addatur inferiori, fit
superius, verbi gralia in hac proposilione „aliud ab animali" hoc reiolivum
diversitalis „aliud", cum additur animnli, quod est superius ad hominem, facit ipsum
inferius, et in hac „aliud ab homine" additur inferiori, sciticet homini, et ergo facit
ipsum superius, et ergo „aliud ab animali'' est inferius ad „aliud ab homine".
218) Ebend.: De reiolivis idenlitalis datur reguta ab anliquis (letzleres Worl
kann im Originale des Pseltus sich natürlich nur auf Autoren ungefähr aus der
Zeit der Commentatoren bezogen haben; vielleicht, wenn wir richlig vermuthelen,
auf Thcmislius, s. Abschn. XV, Anm. 105 ff., vgl. auch hier unlen Anm. 241 u.
247): \ntln proposilio inchoata a retalivis idenlitalis habet contradictoriam. Et assignant
causam, quia, cum dicitur „omnis homo currit, et itle disputal", hoc reio
livum „itle" habet respectum ad hoc antecedens „homo" propler dependenliam suae
retalionis; sed quando negalio advenit proposilioni inchoatae a retalivo sie „itle non
disputal", tune negalio negat verbum, quod sequitur, et non negat respectum reio
lionis Sed contra hoc obiicitur : Quidquid conlingit affirmare, conlinget et negare
de quolibet supposito; ilem quaelibet proposilio sive enuntialio, quae est una,
habet contradictorium ; ....ilem dicit Aristoleles in primo Periermenias (s. Abschn. IV,
Anm. 191), quod uni affirmalioni una negalio est opposita Ad raliones eorum
respondemus, quod in proposilione inchoata a reioliva tantummodo sumitur contradictorium
per comparalionem reiolivi ad verbum, cui subiicitur, et non per comparalionem
reiolivi ad antecedens.
219) Ebend.: De retalive idenlitalis non reciproco talis datur reguta: Omne
reiolivum idenlitalis non reciprocum habet eandem supposilianem, quam habet suum
anlecedens, ul cum dicitur „omnis homo currit, et itle est Soerales", hoc reio
livum „itle" supponit pro omni homine Dico aulem „non reciprocum",
XVII. Petrus Hispanus. 55
Zuletzt folgt hiemit in Kürze die zweite Gattung, nemlich die Relativa
der Accidenz, welche im Gegensatze gegen die vorigen als
attribulive Worte sich nicht auf eine einzelne Substanz, sondern auf qua
litaliv gleicharlige Gruppen beziehen und daher nur in solchem Sinne
supponirt werden. Von denselben wird nur die Eintheilung angegeben,
indem auch sie zunächst in Relaliva der Idenlität und Rclaliva der Ver
schiedenheit zerfallen, erstere aber wieder in qualitalive und quanlitalive
(diese abermals nach conlinuirlicher und discreter Quanlität) getheilt
werden , woran sich noch bezüglich aller der syntaklische Unterschied
anreiht, je nachdem sie demonstraliv oder antwortend (redditiva) ge
braucht werden 220).
Sollten wir aber nun nach Obigem (Anm. 201) erwarten, dass sich
jetzt die Erörterung der copulatio anreihen müsse, so fmden wir uns
getäuscht, indem bei Petrus Hispanus dieser Gegenstand gänzlich fehlt,
während ihn Wilhelm Shyreswood ausführlich besprach und auch Lambert
von Auxerre nicht völlig ausser Acht liess221).
Hingegen folgen in eigenthümlicher Zerrissenheit oder Unordnung
die Abschnitte über amplialio, appellatio, restrictio; wenn nemlich in
selbstständiger und weit besserer Weise (vgl. auch Abschn. XV, Anm. 90)
Wilhelm Shyreswood die amplialio und die restrictio in die appellatio
verflochten (ob. Anm. 64), Lambert v. Auxerre aber die appellalio voraus
geschickt und dann die ampliatio und die reslrictio in wechselseilig correspondirender
Darstellung entwickelt hatte (Anm. 129 f.), so wird
hier völlig unmolivirt die appellalio in Mitte der beiden anderen hinein
geschoben 222).
quia cum dicitur „omnis homo videt se", non est sensus „omnis homo videt omnem
hominem".
220) VII, l, 2, 3 (f. 220 B) : Habito de reioliva substanliae dicendum est de
reiolivo accidenlis. Retalivum aulem accidentis est, quod refert eandem rem per modum
denominalionis, ut „tale", „quale" Retalivum substanliae refert idem in
numero , retalivum vero accidenlis refert idem in specie , ut „Soerales est albus, et
talis est Piolo" Reiolivorum aulem accidenlis alt ml est reiolivum idenlitalis, ul
„talis", aliud vero diversitalis, ut „aller (hiedurch könnle zurechtgewiesen werden,
wer etwa noch zweifeln wollte, ob auch diese ganze zweile Gruppe wirklich aus
einem griechischen Originale übersetzt sei; denn sofort erhellt, dass hier i'itm,f
in der stupidesten Weise mlt „aller" übersetzt ist) Ilem reiolivorum accidenlis
idenlitalis aliud est qualitalis, ut „qualis", aliud quantitalis, nt „quantus" (dieser
Satz fehlt in allen Drucken mit Ausnahme von 9t Z, und auch die zahlreichen
Commentatoren verspürten den Abgang desselben durchaus nicht). Ilem reiolivorum
identitalis quanlitalis aliud est retalivum quantitalis continuae, ut „tantus", aliud
vero quanlitalis diseretae, ul „tol", „quol". Ilem reiolivorum numerorum quaedam
sunt nomina, ut „tolidem" (diess wird also zu einem nomen geslempelt ; natürlich
stand bei Pseltus rodovioi), quaedam sunt adverbia, ut „toliens". Sciendum, quod
,,talis, tantus, loliens, tolidem" possunt dici redditiva et demonstraliva ; si ad
praesentes referantur, demonstraliva , ut cum dicimus demonstrando Ilereulem „talis
fuit Piolo" .... si aulem non referuntur ad praesentes, .... tunc sunt redditiva, quia
reddunt interrogalione praecedentc, ut „qualis est Piolo, talis est Soerates".
221) S. oben Anm. 63 u. 127; vgl. Abschn. XV, Anm. 83 u. 85.
222) Da jedoch Petrus Hispanus nur mechanisch übersetzle (oder vielleicht
sogar bloss als Abschreiber einer bereits vorliegenden Uebersetzung fungirte), so
dürfen wir sicher annehmen, dass diese unorganische Reihenfolge auch schon im
Texte des Psellus sich fand.
56 XVII. Petrus Hispauus.
Es werden nemlich ampliatio und restrictio zunächst kurzweg
als Unterarten der obigen (Anm. 204) persönlichen Suppusilion bezeichnet,
so dass sich hiemit in diesen Capiteln eigentlich noch immer der Faden
der Supposilion fortspinnt, da hier nur eine zweite parallel-laufende Eintheilung
der persönlichen Supposilion zu der obigen hinzutritt 223). Und
diese Auffassung spricht sich auch in den Definilionen der ampliatio
und der reslrictio aus, indem erstere nur als eine erweiterte, und letz
tere nur als eine verengte Supposilion eines Gemeinbcgriffes (lerminus
communis} bezeichnet wird , allerdings mit dem wesentlichen Zusatze,
dass Einzelnbegriffe weder zur Amplialion noch zur Restriclion befähigt
sind224). Aber in der weiter folgenden Erörterung ist kein Faden eines
inneren Zusammenhanges mehr fühlbar.
Denn es folgt nun in dürrster Form eine Eintheilung der ampiiatio,
da dieselbe im Verbum oder im Substanliv oder in einem Parlicipium
oder in einem Adverbium liegen könne (— wobei barer Blödsinn vor
gebracht wird —), und ausserdem ein wichliger Unterschied darin be
stehe , dass die Amplialion sich entweder auf die supponirten Begriffe
oder auf die durch das Verbum ausgedrückte Zeit beziehe 225). Da
aber bei den Beispielen, welche für diese Eintheilung gewählt sind, das
Verbum „polest" eine grosse Rolle spielt, so knüpft sich hieran eine
wahrlich läppische Besprechung und Lösung des sophislisch gewonnenen
Satzes „Das Unmögliche ist möglich" 226). Hierauf folgt noch für die
223) VII, 2 (f. 222 B) : Personalis supposilio est acceplio termini communis pro
suis inferioribus, cuius alia est delerminata alia confusa, ul prius patuit (ob. Am«.
204). ll,'m personalis supposilionis alia est restricta alia ampliata, et ita ampiialio
et restrictio habent fieri cirea supposilionem.
224) Ebend. : Restriclio est coaretalio lermini communis a maiori supposilione
ad minorem, ul cum dicitur „homo albus currit", hoc adiectivum „albus" restringit
hominem ad supponendum tantum pro albis. Ampiialio est extensio lermini communis
a m nun i supposilione ad maiorem, ul cum dicitur „homo polest esse antichristus"
(dass der Begriff des Anlichrists auch bei den griechischen Kirchenvätern eine Rolle
spielte, isl bekannt), iste lerminus „homo" non sotum supponit pro his qui sunt,
sed eliam pro his qui erunt, unde ampliatur ad futuros. Dico aulem „lermini comnmnis",
quia lerminus singuioris, ul Soerales, non ampliatur neque restringitur.
225) Ebend. (f. 223 B) : Amplialionum alia fit per verbum, ul per hoc verbum
„polest", ul „homo polest esse anlichristus"; alia per nomen, ul „hominem esse anlichristum,
est possibiteu ; alia per participium, ut „homo polens est esse animal";
alia per adverbium, ut „homo necessario est animal", „homo" enim non sotum am
pliatur pro praesenti lempore , sed eliam pro futuro. Et ideo sequitur alia divisio
amplialionis, sciticet alia fit respectu suppositorum, ul „homo polest esse anlichristus",
alia fit respectu lemporum, ut „homo necessario est animal".
226) Ebend. (f. 224 B) : Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Impossi
bite polest esse verum". Quod sit verum, pmbatur, quia ittud, quod est vel erit
impossibite, polest esse verum, sciticet antichristum non fuisse, post lempus suum est
impossibite, et modo polest esse possibite et verum; ergo impossibile polest esse
verum (d. h. „Das Nichlerschienensein des Anlichrists ist einerseits, — falls er einmal
wirklich erschienen ist —, etwas Unmögliches, und andrerseits, — so ionge er
noch nicht erschienen ist — , etwas Mögliches; also ist Etwas, was einerseits un
möglich ist, zugleich andrerseits möglich; also ist Unmögliches möglich." Mit solch
ausserstem Blödsinne aber müssen wir uns zu des Lesers und unserem eigenen
Ueberdrusse leider noch öfters beschäfligen. Dass übrigens diese Caricatur eines
Snpbismu's aus der stoischen SchuI-Logik seinen Weg in die Synopsis des Pseltus
gefunden habe, erhellt aus jener ursprünglicheren Form, in welcher wir es oben,
XVII. Petrus Hispanus. 57
erwähnten zwei Fälle je eine „Regel", nemlich dass die Amplialion, welche
sich auf die supponirten Begriffe bezieht, für den ganzen Umfang der
selben gelte (gleichfalls mit ausschliesslicher Benützung des „polest"), und
dass die auf die Zeit (vgl. unten Anm. 598 ff.) bezügliche Ampliation
sämmtliche drei Zeiten umfasse 22 7). Dass übrigens mit dieser Theorie
der amplialio die späteren sog. Obligatoria in einem Zusammenhange
stehen, s. unten Abschn. XX.
Und nun folgt plötzlich die appellatio, ohne dass irgend ersicht
lich wäre, wie dieselbe hieher komme. Sie wird als „Annahme eines Be
griffes für ein wirklich exislirendes Object" defmirt und soll in dieser
ausschliesslichen Beziehung auf das concret Wirkliche sich von der significatio
(Anm. 199) und auch von der suppositio unterscheiden, da letztere
beide sowohl hei Existirendem als auch bei Nichtexislirendem stattfinden
können 22s). Blickt somit hierin wieder eine Spur eines allgemeineren
Zusammenhanges dieser logischen Momente hindurch, so bietet auch die
Eintheilung der appellalio Aehnlicb.es dar, indem dieselbe entweder bei
einem Gemeinbegriffe oder bei einem Einzelnbegriffe auftrete, und im
letzteren Falle mit der significalio und supposüio zusammentreffe, im
ersteren Falle aber der Gemeinbegriff entweder nach Art der simplex
supposüio (Anm. 203) in ungetheilter Gemeinsamkeit oder nach Art der
personalis suppositio (Anm. 204) in Momenten seines Umfangcs betrachtet
• werden könne 229). Aber während diese Erörterung der appellatio leicht
Abschn. VI, Anm. 166, anzuführen hatten). Contra: Quidquid polest esse verum, est
possibite; sed impossibite polest esse verum (A. h. diess ist die obige sophislisch
erwiesene Thesis) ; ergo impossibite est possibile, in terlio modo primae figurae (diess
ist sogar formell falsch, weit in „Darii" der Schtusssatz porlicuior ist); sed conctusio
est falsa; ergo aliqua praemissarum; non maior ; ergo minor; sed haec est
prima; ergo prima est falsa. Solulio: prima simpliciter est falsa, haec sciticet „im
possibite polest esse verum", el sophisma peccal penes faliociam accidenlis u. s. w.
Vgl. auch unten Anm. 357.
227) Ebend.: De amplialione, quae fit ralione suppositorum, talis datur reguta:
Terminus communis supponens verbo habenli mm ampliandi a se vel ab alio amplialür
ad ea, quae possunt esse sub forma lermini supponenlis, ut „homo polest
esse animal", hie iste lerminus „homo" non sotum- supponit pro praesenlibus , sed
eliam ampliatur ad omnes qui erunt; dico aulem „a se", quia hoc verbum „polesl"
de se habet vim ampliandi; dico aulem „ab alio", quia hoc parlicipium „polens" et
boc nomen „possibite" dant virtutem ampliandi verbo, cui adiunguntur De amplialione
aulem, quae fit ralione lemporis , talis datur reguio: Terminus communis
supponens vel apponens verbo habenli vim ampliandi quoad tempus supponit pro his,
qui sunt, qui erunt, vel qui fuerunt, ul „homo necessario est animal".
228) VII, 3 (f. 226 A): Appeliolio est acceplio lermini pro re exislente; dico
aulem pro re exislenle, quia lerminus significans non ens non appeliot, ut Caesar vel
chimaera. Differt aulem appeliolio a significalione et supposilione , quia appeliolio
est tantum de re exislenle, sed supposilio et significalio sunt tam pro re exislenle
quam pro re non exislenle.
229) Ebend.: Appeliolionum aulem alia est lermini communis, ul „homo", alia
est lermini disereli vel singuioris, ul „Soerales". Terminus singuioris idem significat,
supponit et appeliot. (f. 227 A) Ilem appeltalionum lermini communis alia est ler
mini communis pro re in communi, ul quando lerminus communis simplicem habet
supposilionem, ul cum dicitur „homo est species", et tunc lerminus idem sup
ponit, significat el appeliot Alia aulem est appeliolio lermini communis pro
suis inferioribus, ul quando lerminus communis personalem habet suppositionem, ut
cum dicitur „homo currit", tunc „homo" significat hominem in communi et supponit
pro parlicuioribus hominibus et appeliot particuiores homines tantum exislenles.
,
58 XVII. Petrus Hispanus.
in sirenger Parallele mit der Supposilion noch weit hätte fortgesponnen
werden können, bricht sie hiemit ebenso unerwartet ab, als sie unmolivirt
eingefügt worden war. Vgl. aber unten Anm. 601.
Somit wird nun zur restrictio zurückgekehrt, welche entweder
durch ein Nomen oder durch ein Verbum oder durch ein Parlicipium
oder durch einen Relalivsatz (implicatio) bewirkt werden soll230). Ueber
die erste derselben, au welcher wieder drei Fälle unterschieden werden,
indem das Nomen entweder eine Unterart des restringirten Begriffes oder
einen artmachenden Unterschied oder ein zufälliges Merkmal desselben
enthalten kann231), werden die „Regeln" gegeben, dass der restringirende
Begriff nicht eine Selbstaufhebung des restringirten (wie z. B. bei mortuus
der Fall wäre) noch eine Amplialion (wie z. B. bei potens) enthalten
darf, sowie dass das restringirende Wort selbst wieder durch das restringirte
verengt wird, ferner dass die Hinzufügung des Wortes „Alle"
zum restringirten Begriffe an der Restriclion Nichts ändert, endlich dass
ein restringirender Begriff, welcher im Prädicate steht, auf das Subject
keinen Einfluss hat, jedoch mit Ausnahme der sog. consignificatio, welche
bei Substanliven im grammalischen Genus liegt232). Hierauf wird be
züglich der durch einen Relalivsatz entstehenden Restriclion zunächst die
Tragweite derselben angegeben und dann die „Regel" aufgestellt, dass
bei Hinzufügung des Wortes „Alle" sehr genau zu unterscheiden sei, ob
dasselbe vor oder nach dem Relalivsatze stehe 233). Mit Uebergehung
230) VIF, 4, l (f. 228 A): Restriclio est coaretalio lermini communis a maiore
supposilione ad minorem, ul dictum est prius (ob. Anm. 224). Restriclionum anlem
alia fit per nomen, ul „homo albus", isle lerminus „homo" non supponit pro nigris
nequc pro medio colore coloralis, sed restringitur ad albos; alia fit per verbum, ut
„homo curril", isle lerminus „homo" supponit pro praesenlibus tantum; alia fit per
parlicipium, ul cum dicitur „homo currens disputal" ; alia fit per implicalionem,
ul cum dicitur „homo qui est albus currit", haec implicalio „qui est albus''
restringit hominem ad albos.
231) Ebend.: Restrictionum factarum per nomen alia fit per inferius superiori
appositum, ul „animal homo currit" ; alia fil per differentiam advenientem generi,
quae est essentialis, cum sit conslituliva, ut „animal ralionale currit" ; ulia fit
per adieclivum accidenlis, ut „homo albus".
232) Ebend. (f. 229 A): De restriaione facta per nomen communiter sumptum
tales dantur reguioe: Omne nomen non diminuens nec habens vim ampliandi adiunctum
ex eadem parle lermino magis communi restringit ipsum ad supponendum
pro his , ad quae exigit sua significalio Dico aulem ,,non diminuens" ad removendum
nomina diminueulia ralionem adiuncli, ul „mortuus" ; dico aulem „non
habens vim ampliandi'' ad removendas dietiones amplialivas, ut „polem" Et
sciendum, quod minus commune semper restriugit magis commune, ut cum dicitur
„homo albus curril", sie „homo" coaretat album ad albedinem existentem in
hominibus Ilem de lermino restricto talis datur reguio: Ss signum universale
adveniat lermino restricto, non distribuit ipsum nisi pro his, ad quae restringitur
Ilem de restriclione datur talis reguio: Nihit positum a parte praedicali polest restringere
lerminum communem positum a parle subiecli quoad principalem significalionem,
ut „homo est albus" , quia si restringeretnr ad albos, sensus
esset „homo albus est albus" Dico aulem „quoad principalem significalionem" ,
quia praedicatum restringit subiectum quoad consignificalionem, quae est genus , ul
cum dicitur „cggmts est albus", iste lerminus „cggnus" restringitur ad mares el non
ad mulieres.
233) Ebend. (f. 230 A): Ilem de restriclione facta per implicalionem talis datur
reguio: Omnis implicalio immediale coniunsta lermino communi restringil ipsum sicul
suum adieclivum Ilem de eadem restriclione talis datur reguio : Quoliescunque
XVII. Petrus Hispanus. 59
des eine Restriclion bewirkenden Parlicipiums wird dann noch sehr aus
führlich über die im Verbum liegende Restriclion gehandelt. Nemlich es
treten vorerst die „Regeln" auf, dass das Verbum vor Allem keine Selbstaufhebung
der Rehauptung (wie diess z. B. bei dem Zusatze „opinabiliter"
der Fall wäre) und auch keine amplialive Geltung (wie z. H. bei patesl)
enthalten dürfe, sodann aber mit Vorbehalt dieser Bedingung das Präsens
eines Verbums eine vollgüllige Restriclion bewirke, hingegen das Präteritum
nur für Vergangenheit und Gegenwart , sowie das Futurum nur für
Gegenwart und Zukunft restringire, kurz dass beim Verbum die restriclive
Kraft in seiner consignificalio, d. h. im grammalischen Tempus, liege 234).
An letzteres aber knüpft sich die Besprechung des läppischen Sophismas
„Alle lebenden Wesen waren in der Arche Noah's , Julius Cäsar aber
war ein lebendes Wesen und doch nicht in der Arche Noah's", wobei
gegenüber den Ansichten Anderer, welche auf die Unterscheidung zwi
schen Individuum und Gattung sich warfen, im Hinblicke auf obige Regeln
die Lösung dahin geht, dass es eben der Trugschluss einer sog. imperfecta
enumeratio sei 235). Ferner aber wird auch noch die Frage ersignum
universale el implicalio ponuntur in eadem loculione, duplex est oralio, eo
quod signum polest praecedere implicalionem et sie distribuit terminum communem
pro quolibet supposito ; ilem implicalio polest prius advenire et restringere lerminum
communem, et tunc signum poslea advrniens non distribuit ipsum nisi pro
his, ad quae restringitur.
234) Ebend. (f. 231 A): Sequitur de restrictione facta per verbum, de qua
ptures dantur regvioe, quarum prima talis est: Terminus communis supponens vel
apponens verbo praesentis lempons simpliciler sumplo non habenti mm ampliandi nec
ex se nec ex alio restringitur ad supponendum pro his, qui sunt sub forma termini
communis supponentis. Dico aulem „lerminus communis", quia lern,inus diseretus
neque restringitur neque ampliatur (s. Anm. 224) ; dico aulem „verbo praesentis lemporis"
ad removendum alia verba aliorum lemporum, quia lerminus communis aliam
habet supposilionem mm eis; dico aulem „simpliciter sumplo" ad removendum verba
sumpta cum particulis diminuentibus, ul est „opinabite" ; dico aulem „non habenti
vim ampliandi" ad removenda verba amplialiva, ul „polest"; dico aulem „neque ex
se neque ex alio" ad removendum verba habenlia vim ampliandi, quia cum dicitur
„tlolH(! est polens", licel hoc verbum „est" non amplial ex se, ampliat tamen per hoc
parlicipium „polens" (diesen lelzleren Satz geben nur die Drucke M ® in der rich
ligen Form) Ilem alia datur reguio : Terminus communis supponens vel apponens
verbo de praelerito simpliciler sumplo non habenti vim ampliandi nec ex se nec ex
alio restringitur ad supponendum pro his, quae sunt vel fuerunt sub forma lermini
supponentis Item alia datur reguio: Terminus communis supponens vel appo
nens verbo de futuro eliam supponit pro his, quae sunt vel erunt sub forma lermini
supponentis Ex praedictis palet, quod verbum restringitur quoad consignificalionem,
quae est tempus, et non quoad significalionem principalem.
235) VII, 4, 2 (f. 232 B) : Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Omne
animal fuit in area Noae". Probatur : bomo fuit in area Noae, equus fuit in area
Noae, el sie de aliis, ergo omne animal fuit in area Noae. Contra: Omne animal
fuit in area Noae, sed Caesar fuit animat, ergo Caesar fuit in area Noae. Quod est
falsum, ergo aliqua praemissarum est falsa; non minor ; ergo maior. Quod aulem
prima sit falsa, palet per regutam. ... (d. h. die vorletzte Regel der vorigen Anm.);
ilem alia est reguio (die vorletzle in Anm. 232) Sotulio: Quidam dicunt,
quod liaec „omne animal fuit in area Noae" est duplex, eo quod polest fieri distribulio
pro singulis generum vel pro generibus singulorum, el primo modo est falsa,
secundo modo est vera Sed huic sotulioni non aequiesco, quia species animalis
non fuit per se in arca Noae, sed tantum individuum; unde dico, quod proposilio
est falsa, el concedo omnes raliones adductas ad hoc (d. h. die genannten
60 XVII. Petrus Hispanus.
örtert, ob die Restriclion in gleicher Weise beim bejahenden und beim
verneinenden Urtheile wirke, und während Einige der Ansicht seien, dass
sie ungleich wirke (weil, wenn man die Negalion gleichfalls auf Exislirendes
restringire , der Satz „die Rose ist nicht" den widerspruchsvollen
Sinn „die Rose, welche ist, ist nicht" bekomme), wird die Annahme
einer Gleichmässigkeit aller Restriclion hauptsächlich im Hinblicke auf die
erwähnte consignificatio des Verbums begründet, und auch darauf hin
gewiesen, dass die Gemein-Regriffe in den logischen Urtheileu (abgesehen
von ihrer objecliven Existenz) in die Form der Aussagbarkcit (enuntia-
Mlüas) eingehen 236). Endlich folgt noch die Noliz, dass manche Re
striclion lediglich usuell sich von selbst verstehe, wie man z. R. bei
„Nichts" nicht an einen absolut luftleeren Raum denke, sowie dass transi
live Verba von selbst eine restriclive Reziehung auf ein Object in sich
enthalten, daher das Sophisma „Sokrales ernährt sich selbst, er selbst
aber ist ein Mensch , also ernährt er einen Menschen" sich hiedurch
löse 237).
Hierauf reiht sich die distributio an, welche als „die durch ein
Zeichen der Allgemeinheit entstehende Vervielfälligung eines Gemein-
Regriffes" definirt wird ; und wenn wir hiebei sowohl durch den Inhalt
dieser Defmilion als auch durch einen erklärenden Zusatz an die obige
confusa suppositio erinnert werden238), so hätte es auch wirklich eine
gewisse Rerechligung in sich, wenn wir sagen wollten, dass die ganze
zwei Regeln), et probalio peccat sccundum consequens ab insufficienti induclione (s.
Anm. 197).
236) VII, 4, 3 (f. 234 A): Solet eliam quaeri, utrum simitiler lermini restringantur
in propositione affirmaliva et negaliva. Dicont aliqui, quod non, quia esse
restringit ad existens et non esse ad non existens ; ilem videtur, quod omnis
negaliva, in qua esse negatur, simpliciler est falsa, si simitiler restringantur lermini
in proposilione negaliva et affirmaliva, quia in hac proposilione „rosa esl" iste terminus
„rosa" restringitur ad exislens, et, si in hac „rosa non esl" simitiler restringatur
ad exislens, tunc sensus est „rosa, quae est, non esl"; et hacc est falsa
Sed probatur, quod simitiler restringuntur : quia, si in hac propositione „homo est"
isle lerminus „homo" restringitur ad exislens et in hac „nullus homo esl" ad non
exislens, ergo utraque est vera Ilem reguio est... (s. den Schtuss der Anm.
234). Et hacc argumenta concedimus. Ad ittud, quod primo obiicitur, est dicendum,
quod esse non restringit ad exislens et non esse non restringit ad non exislens,
sed quoad consignificalionem, quae est lempus, unde non restringit ad supposita
existentia, sed praesentia Ad aliud dicendum est, quod duplex est forma ter
mini communis; quaedam est, quae salvatur in rebus existentibus tantum, aliti
est, quae salvatur tam in rebus existentibus quam non exislenlibus, ul enuntiabititas,
quae est forma enuntiabitis, unde islius propositionis „rosa non esl;t non est
sensus „rosa, quae est, non est", sed est sensus „rosa aliler sumpta, quam in praesenti,
non est".
237) Ebend. (f. 234 B) : Solei aulem poni, quod quaedam restriclio fit ab usu,
ut cum dicitur „nihit est in area", quamvis plena sit aerc, quia isle lerminus „nihil"
supponit ab usu pro rebus solidis So/et eliam poni, quod quaedam restriclio
fit per lransilionem verbi, ul cum dicitur „Soerales pascit hominem", iste lerminus '
„homo" supponit pro alio a-Soerale virtule transitionis verbi ; unde dicunt
quod non sequitur „Soerales pascit se ipsum et ipse est homo, ergo pascit homincm",
quod est faliocia accidenlis.
238) VII, 5, l (f. 236 A) : Distribulio est mulliplicalio lermini communis per
signum universale facta, ut cum dicitur „omnis homo", isle lerminus „homo" distribuitur
sive confunditur (vgl. oben Anm. 205 u. 211, sowie unten Anm. 246 u. 250)
pro quolibet suo inferiori Terminus singuioris non polest distribui.
XVII. Petrus Hispanus. 61
folgende Lehre von der Distribulion nur eine nähere Ausführung der
verworrenen Supposilion sei. Somit bleibt uns bei dem vielen Blödsinne,
welchen wir nun sogleich im Einzelnen zu berichten haben , wenigstens
der kleine Trost , dass auch hier wieder irgend ein Faden eines inneren
Zusammenhanges erscheint, wenn auch die Art und Weise, in welcher
Wilhelm Shyreswood bei dieser Gruppe den byzanlinischen Stoff arrangirt
hatte (Anm. 66 ff.), an Klarheit und Präcision 'entschieden den Vorzug
verdient. — Es werden die „Zeichen der Allgemeinheit" zunächst eingetheilt
in solche, welche die Substanz, und in solche, welche die Accidenlien
betreffen, wobei die ersteren sich abermals spalten, indem die
einen zu einer Distribulion der Theile des Umfanges (partes subiectivae,
wie z. B. bei „alle"), und die anderen zu einer Distribulion der Bestandtheile
(partes integrales, wie z. B. bei „ganz") führen können; bei den
jenigen aber, welche sich auf die Umfangs- Theile beziehen, sei wieder
zu unterscheiden,, je nachdem sie auf einem Pluralis (z. B. omnis) oder
auf einem Dualis (z. B. uterque) beruhen 239).
Die Einzcln-Erörlerung beginnt mit „omnis", dessen colleclive Be
deutung („zusammen" bei Zahlen) nicht in Betracht komme. Die distri
bulive Bedeutung aber führt vor Allem zu der Frage, ob omnis überhaupt
Etwas bedeute, wobei die Gründe und Gegengründe darin ihre Lösung
finden , dass omnis zwar nicht ein Allgemeines , wohl aber eine allge
meine Weise, d. h. „universaliter", bedeute, eine Entscheidung, welche
gegen einen einfälligen vom kategorischen Syllogismus hergenommenen
Einwand wieder dadurch gestützt wird, dass omnis im Obersatze eines
Schlusses ja nicht den faclischen Bestand des Subjectes, sondern eben
den Subjectsbegriff eines Urtheiles nach seinem Verhältnisse zum Prädicatsbegriffe
betreffe240). Hieran aber reiht sich die noch wunderlichere
239) Ebcnd. (f. 237 A): Signorum unirersalium alia sunt distritn,liva substanliae,
ut „omnis, nultus", alia sunt distribuliva accidentium, ut „qualis , quantus".
Signum aulem distribulivum substanliae distribuit res sc habentcs per modum cius
quod quid est; signum distribulivum accidentis est, quod distribuit res se habenles
per modum aeridenlis fiem signorum distributtiorum substantiae alia
sunt distribuliva partium integralium, ul „lolus", alia sunt distribuliva parlium subiectivarum,
ul „omnis, nultus". Item signorum distribulivorum parlium subiectivarum
alia sunt distribuliva duorum, ut „vler, neuler", alia sunt distribuliva pturium, ul
„omnis, nultus" et simitia.
240) Ebend. (f. 237 B) : Herum aulem signorum primo dicendum est de hoc
signo „omnis". Sciendum, quod „omnis" in pturali numero dupliciler sumitur; uno
modo colleclive ul „omnes apostoli dei sunt duodecim", unde non sequitur „ergo isli
(d. h. z.B. Petrus und Jacobus) . . . . sunt duodccim". . . . ; aliö modo sumitur distri
bulive, ul „omnes homines naturaliter scire desideronl" (bekanntlich die Anfangs
worte der aristolelischen Metaphysik). Et tunc quaeritur, quid significet hoc signum
,,omnj»". Et videlur, quod nihit significet, quia omnis ms aul est universalis aul
partieuioris, sed ,.omnis" non significal rem universalem vel particuiorem Ilem
,. omnis" neque est praedicabite de uno neque de pturibus, ergo nihit significat.
Sed contra: si „omnis" nihit siguificet, propler apposilionem vel remolionem eius
non causaretur veritas vel falsitas in oralione, »ed haec est vera „animal est homo",
ergo et haec „omne animal est homo", quod est falsum Solulio: ad dubium
dieitur, quod „omnis" non significal universale, sed universaliler, quia facit lerminum
eommunem suum stare pro omnibus suis inferioribus, et sie „omnis" signi
fical aliquam rem (hiezu Anm. 602). Sed duplex est res, quia quaedam res est
subiicibitis vel praedisabitis, alia est, quae est disposilio rei subiicibitis vel prae
62 XVII. Petrus Hispanus.
Frage, ob (im Hinblicke auf eine aristotelische Stelle) omnis sich stets
wenigstens auf drei Objecte beziehen müsse, da wir doch auch über
Dinge, welche nur Ein Mal exisliren (z. B. Sonne oder Phönix, vgl.
Abschn. XI, Anm. 67, u. Abschn. XII, Anm. 87) Urtheile aussprechen;
und es wird zunächst der Entscheid dahin gegeben , dass in den Fällen
der letzteren Art omnis sich wirklich nur auf Eines beziehe241); aber
auch die entgegenstehenden Einwände seien zu widerlegen, indem einer
seits omnis in der That die im Begriffe der Vollendung liegende Dreizahl
in sich enthalte, und andrerseits wohl zu unterscheiden sei, ob omnis im
Plural oder im Singular gebraucht werde, indem im letzteren Falle, z. B.
bei dem Satze „omnis phoenix est" durchaus nicht an nicht-exislirende
andere Phönixe, sondern eben nur an den Einen gedacht werde242).
dicabitis, et talem rem significal hoc signum „omnis" Obiicitur aulem, quod
„omnis" non significct disposilionem rei subiicihitis, quia in sgilogismo medium Hebet
reilerari cum suis dispositionibus in minore propositione, ergo deberemns sgllogizare
sie „Omnis homo est animal, Soerales est omnis homo, ergo Soerales est onimal"
Sotulio : subiectum duo dicit, sciticel iltud, quod est subiectum, et subiectum,
inquantum est subiectum; et secundum hoc est duplex disposilio subiecli, quia quaedam
est disposilio itlius rei, quae est subiectum, ut „Mus, niger", et istae debent
reilerari cum medio; alia est disposilio subiecli, inquantum subiectum, videlicet in
ordinalione ad praedicotum, ut „omnis, nultus", et talis disposilio non debet reilerari
cum medio ( dass jedoch in Letzterem die sog. syncategoreumalische Geltung
gewisser Satztheite liege, s. unlen Anm. 264, 267. u. vgl. auch Abschn. XIX,
Anm. 120).
241) VII, 5, 2 (f. 238 B) : Consequenler quaeritur, utrum „omnis" exigal lrin
appeliota. Et videtur, quod sie, quia omnis perfectio est in tribus, ut Iiabetur in
primo Coeli (Arist. de coelo l, 1), et sie omne perfectum est in tribus, sed „omne"
et „perfectum" idem sunt, ut habetur ibidem, ergo „omne" est in tribus, ergo „omnis"
vull habere tria appetiota; ad idem dicit Aristoleles in eodem loco, quod de duobus
viris non dicimus „omnes", sed de tribus viris, ergo „omnis" vull habere tria ap
peliota. (So befinden wir uns mit dieser ganzen Erörlerung vollständig in dem ge
wöhnlichen Fahrwasser der griechischen Commentatoren , und wohl mag auch hier
— vgl. ob. Anm. 218 u. Abschn. XV, Anm. 105 ff. — die Vermuthung gerechtfer
ligt sein, dass eben Themislius es war, auf welchem Pseltus hauptsächlich fusste,
denn Themislius verweitt in seiner uns nur ioteinisch erhaltenen Paraphrase zu
Arist. de Coelo, Venet. 1574, fol. l b, mit sichllicher Vorliehe bei jenen Worlen des
Aristateles). Sed contra: In qualibet demonstralione sunt propositiones universales,
sed demonstraliones fiunt de sole et de tuna, sed sol non habet nisi unicum
suppositum u. s. w. (d. h. es folgen noch mehrere Wendungen dieses nemlichen
Einwandes). Concedimus dicendo, praedictas propositiones esse veras, et quod „omnis"
non semper exigit tria appeliota, sed quando adiungitur lermino communi habenti
ptura supposita, tunc exigit plura appeliota, quando vero adiungitur lermino habenti
sotum unum suppositum, tunc exigit sotum unum appeliotum.
242) Ebend. (f. 239 A): Ad ittud, quod primo obiiciebatur, quod omnis perfeclio
est in tribus, dicitur, quod verum est et baec tria sunt, sciticet substantia rei, virtus
eins, operalio eius • et haec tria tangit Aristoleles sub brevibus verbis, cum dicit
„natura apta nata sie facit" (de Coelo l, 4 odir II, 8 oder de part. an. t, 1)
Simitiler hoc signum „omnis" habet substantiam signi universali, et virtulem, quae
est distribuere , et operalionem eius, quando distribuit Ad secundum dicendum
est, quod „omnis" in pturali ralione mullitudinis factae facit distribulionem per
diversas malerias et vult habere tria appeltata, sed „omnis" in singuiori numero,
ex quo recipit speciem secundum se et non maleriam individuorum, exigit essenliam
aptam natam in praedicari de pturibus, et ideo exigil tria appeliota aul unum
sotum Quidam tamen dicunt, quod „omnis" vull habere tria appeliota ad minus,
el dant talem ralionem: Quoliescunque signum universale additur termino communi
XVII. Petrus Hispanus. 63
Hierauf nun folgt die Besprechung und Lösung dreier Sophismen, in
welchen „omnis" eine Rolle spielt: nemlich erstens „Jeder Mensch ist
ein Mensch, und was etwas Anderes ist, ist kein Mensch ; also was etwas
Anderes als Sokrates ist, ist kein Mensch"243); sodann „Alle Menschen
und noch andere Menschen exisliren", woran sich eine allgemeine Regel
über die fallacia accidentis anknüpft244); endlich noch „Jeder Mensch
ist jeder Mensch"245), — Sophismen, welche sämmtlich würdig sind,
ursprünglich der stoischen Logik angehört zu haben.
Nun kömmt „nullus" an die Reihe, jedoch in sehr kurzer Erör
terung , indem nur eine „Regel" angegeben wird , wornach nullus mit
der obigen confusa supposüio zusammenhängt, und hieran sich die
Lösung des Sophismas ,, Kein Mensch ist jeder Mensch" knüpft240).
non habents sufficientiam appeliotorum, recurrit ad non ens, ul cum dicitur „omnis
phoenix esl", recurrit ad non existentes phoenices Hoc aulem polest mullipliciter
improbari, quia supponunt, quod „omnis" semper vult haberv tria appeliota,
quod superius oslensum est esse falsum llem ad idem alia reguio talis
est : (d. h. es folgt die ersle der drei Regeln in Anm. 234) Ergo cum dicitur
„omnis phoenix", si „phoenix" restringitur ad supponendum pro phoenice tantum,
qui est, non distribuit ipsum nisi pro unico supposito.
243) VII, 5, 3 (f. 240 B) : Secundum praedicta quaeritur de hoc sophismale
„Omnis homo est homo el quodlibel differens ab Mo est non homo". Probalio: Haec
est una coputaliva, cuius utraque pars est vera, ergo ipsa est vera (dass im byzan
linischen Originale diese Regel nur der stoischen SchuI-Logik entnommen war, s.
Abscha. VI, Anm. 155. u. Abschn. VIII, Anm. 49). Improbalio: Omnis homo est
homo et quodlibel di/ferens ab eo est non homo; Soerales est homo; ergo quodlibel
differens a Soeratc est non homo. Quod est falsum, quia haec est una coputaliva,
cuius allera pars est falsa; ergo ipsa est tola falsa (ebenso ebend.). Sotulio: Prima
simpliciler est vera, et improbalio peccol penes faliociam consequentis u. s. w. (Die
stoische Quelle dieses Sophismas s. Abschn. VI, Anm. 213.)
244) Ebend. (f. 241 A): Ilem quaeritur de hoc sophismale „Omnis homo et
alius homo sunl". Probalio: Soerales el alius homo sunt, Vioto el alius homo sunt,
et sie de aliis, ergo omnis homo et alius homo sunt. Improbalio: „Alius" est reiolivum
diversitalis substantiae (vgl. ob. Anm. 213 u. 217), ergo supponit pro diverso
ab homine, sed non est alius homo ab omni homine ; ergo prima est falsa. Sotulio :
Prima est simpliciter falsa et probalio peccut sccundum faliociam figurae dictionis a
plmibus delerminalis suppositionibus ad unam delerminutam llem probalio peccal
secundum faliociam accidentis Unde talis dafür reguio: Quoliescunque aliquid
sequitur, sive convenim sive non, si aliquid convenial uni, quod non convenil allen,
et per illtut, cui convenit, inferatur de eo, cui non convenit, semper est faliocia ac
cidentis, D. g homo est species, ergo substantia est species u. s. f.
245) Ebend. : Dicto de hoc sophismale restat dicere de isto „Omnis homo est
omnis homo". Probalio: Soerales est Soerales, Piolo est Pioto, et sie de aliis, ergo
omnis homo est omnis homo; et, ul vull Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 124 u. 129;
dass Psellus auch anderweilig den Boethius cilirl, s. Abschn. XV, Anra. 15 u. 28),
nulio proposilio est verior itio, in qua idem praedicatur de se ipso, sed sie est hie.
Improbalio: Sua contradictoria est vera, sciticet itio „quidam homo non est
omnis homo"; ergo ipsa est falsa Solulio: Prima est simpliciter falsa, et pro
balio peccat secundum consequens ab insuff,ciente enumeralionc u. s. f.
246; VII, 5, 4 (f. 242 A): Sequitur de hoc signo „imf/as", quod significat, quoniam
universaliler negalive, unde significat idem sicut hoc signum „omnis" cum negalione
postposita, el ideo „omnis non" el „nultus" aequipollent. De hoc signo
„nultus" datur talis reguio: Quoliescunque hoc signum „nultus" immediale adiungitur
termino communi, confundit ipsum mobitsler (s. ob. Anm. 206 n. 238) el distribulive,
et simitiler lerminum communem sibi adiunctum mediale, ut „nultus homo est asinus",
unde polest fieri descensus sub subiecto Cirea praedicta quaeritur de hoc
64 XVII. Petrus Hispanus.
Aehnlich ergeht es hierauf mit „nihil", wobei zur Lösung des Sophismas
„Wer Nichts sieht, sieht Etwas" auch verschiedene (höchst
einfällige) Ansichten Anderer beigezogen werden, und zuletzt eine „Regel"
für jene Fälle folgt, in welcher eine Negalion mit der Distribulion zu
sammentrifft247).
Hierauf sind von den distribuliven Zeichen der ümfangs ' Theile (s.
Anm. 239) noch diejenigen zu besprechen , welche auf eine Zweizahl
gehen. Und zwar wird zuerst, was „uterque" betrifft, der sophislische
Fall erörtert: „A sagt die Wahrheit, B sagt die Wahrheit, zugleich
aber sagen A und B Unwahres; sagen also beide die Wahrheit oder
nicht?"248) In Bezug auf „neuter" sodann stellt sich das Sophisma ein:
„Wenn du keines der beiden Augen hast, kannst du sehen" 249).
sophismale „Nullus bomo est omnis homo". Probatur sie: Soerales non est omnis
homo, Piolo non est omnis homo, et sie de aliis Contra: Ibi praedicatur oppositum
de opposito, ergo esl falsa. Sotulio: Prima est vera, et ad improbalionem
respondetur per interemplionem , quia ibi non praedicatur oppositum de opposito, sed
removetur „omnis homo" ab homine sumpto pro quolibet supposito, et hoc est verum.
(Es weist dieses Sophisma auf den sog. Ovns zurück, s. Abschn. VI, Anm. 213.)
247) VII, 5, 5 (I. 243 A) : Sequitur de hoc signo „nihit'', quod significal idem
quod „nullus", sed inctudit in se lerminum recipientem suam distribulionem, quia
nihit est signum universale cum negalione , et res est lerminus recipiens eius distribulionem.
Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Nihit ridm, est aliquid
videns". Probatur sie: Non rem hanc videns est aliquid videns, quia non videns Soeralem
est videns Ptatonem ; non itiom rem videns est aliquid videns, et sie de aliis ;
ergo nihit videns est aliquid videns Contra: Ibi praedicatur oppositum de opposito,
ergo loculio est falsa. Quidam dislinguunt, .... quod haec dictio „nihit" polest
esse accusalivi casus vel polest esse nominalivi casus ; sed hoc non solvit,
quia in utroque sensu est falsa. Sed alii distinguunt, .quod negalio in hoc
termino „nihit'' polest negare participium ....vel polest negare hoc verbum „esf" ;
sed hoc non solvit, quia in utroque sensu est falsa Sotulio : Dicendum est,
quod prima est simplieiler falsa, et probalio peccal penes faliociam figurae dictionis
a pturibus delerminali* ad unum determinatum vel peccat secundum faltaciam
accidenlis Anliqui (über dieses Wort s. oben Anm. 218) posuerunt, praemissas
esse duplices propler talem reguiom, quam dabant: Quoliescunque negalio et distribulio
inctuduntur in uno lermino, ad quodcunque refertur n,mm, et reliquum. (Die
ursprüngliche Quelle des Sophismas ist sicher der sog. 'EyxexaJLV/jfjfros, s. Abschn.
VI, Anm. 210.)
248) VII, 5, 6 (f. 244 B) : Sequitur de signis distribulivis duorum, et talia sunt
„neuler" et ,,ulerque", et differunt a praedictis, quia distribuunt sotum pro
duobus per demoustralionem Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Ab
utroque istorum enuntiatum est verum , posito quod Soerales dical , deum esse, Ptalo
vero dicat, hominem esse animat, et ambo dicant simut, hominem esse asinum". Pro
balio : A Soerale enunliatum est verum, a Piolone enunlialum est verum , ergo ab
utroque istorum enuntiatum est verum. Contra: Ab utroque enunliatum est verum,
sed nihit enunliatum est ab utroque istorum, nisi hominem esse asinum, quod est
falsum. Sotulio: Prima est vera et improbalio (alle Ausgaben haben probalio, und
auch die Commentatoren bemerken dra Fehler nicht) peccat secundum faliociam
accidentis Quidam tamen dicunt, quod prima est simplieiler falsa , et
probalio peccal secundum faliociam figurac dielionis Sed prima sotulio melior
est et sublitior. (Auch hiefür liegt die erste Quelle im sog. ^irtUeviav, s. Abschn.
VI, Anm. 205.)
249) Ebend. (f. 245 A) : Sequitur de hoc signo „neuler", quod significat idem
quod „ulerque" eum negalione sibi proposita Quaeritur de hoc sophismale
„Neutrum ocutum habrndo tu poles videre". Probalio: Dextrum ocutum non habende
tu poles videre, sinistrum ocutum non habendo tu poles videre, ergo prima est vera.
Contra: Neutrum ocutum habende tu poles videre, ergo dum neutrum ocutum hohes,
XVII. Petrus Hispanus. 65
Nun aber wird, obwohl das Verhältniss der Negalion zur Distribulion
schon vorher (Schluss der Anm. 247) berührt worden war, noch speciell die
Frage besprochen, ob die Negalion überhaupt die Fähigkeit habe, zu einer
verworrenen Supposilion, d. h. aber eben zu einer Distribulion, verwendet
zu werden, und eine zweiseilige Erwägung der Frage führt zur Ver
neinung derselben 250). Ausserdem noch wird hier die Erwähnung einer
dislribulio aptitudinis und einer dislribulio accommoda eingeflickt251).
Und nun erst folgt der noch übrige Rest der die Substanz be
treffenden Distribuliv-Zeichen , nemlich das Wort „totus", welches zur
Distribulion der Bestandtheile dienlich ist (Anm. 239); jedoch auch hier
dreht sich die Erörterung lediglich um das Sophisma „Der ganze Sokrates
ist kleiner als Sokrates", wobei übrigens sogar die völlig unrichlige Be
merkung hinzugefügt wird, dass bei qualitaliven Beslimmungen kein der
arliger Fehlschluss betreffs des „Ganzen" entstehe 252).
tu poles videre, quod falsum est Sntutio: Prima est falsa, et probalio peccat
secundum faliociam accidenlis u. s. w. (Dieses Sophisma geht durch die Stoa
hindurch bis auf die Megariker zurück, s. Abschn. VI, Anm. 210. u. Abschn. II,
Anm. 91.)
250) VII, 5, 7 (f. 246 A) : Habito de signis distribulivis parlium subieclivarum
consequenter quaeritur, utrum negalio habeal vim distribulionis sive confundendi (die
nemliche Gleichsteltung wie oben Anm. 238). Et videtur, quod sie, quia Aristoleles
in primo Perihermenias dicit (Abschn. IV, Anm. 202), quod itioe contradicunt „homo
est iustus" et „non homo est iustus"; ergo allem est universalis, ergo ille lerminus
„homo" distribuitur, sed non est ibi aliquid, a quo distribuatur, nisi negalio
Contra: Si negalio habeat vim confundendi, ergo sieu f ista est incongrua „omnis
Soerales currit", simititer haec „non Soerales curril", quod est falsum llem
ubicunquc est distribulio, ibi est lerminus communis sumptus umversaliler, sed
signum universale significat „quoniam universaliter" tantummodo (s. ob. Anm. 240),
negalio vero non; ergo negalio non habet vim distribuendi, quod concedimus dicenles,
quod negalio non confundit, sed negat hoc, quod post se invenit Sotulio aulem
palet ad hoc, quod obiicitur, quia, quod haec est universalis „non homo est iustus'',
hoc non est propler naturam distnbulionis existentis in negalione, sed hoc est, quia
negatur homo in communi a. s. f.
251) Ebend. : Ilem solet poni quaedam distribulio aplitudinis, ut „omnis homo
limel in man'', i. e. aptus natus est lin,ere in man. Ilem solet poni distribulio
accommoda, ul „coetum legit omnia praeter se ipsum" et „deus ereavil omnia alia a
se." Sed ista duo genera distribulionis non sunt itu propria sicut alia.
252) VII, 5, 8 (f. 247 A) : Sequitur de hoc signo „tolus", quod est distribulivum
partium integralium, ut hie „totus Soerales est albus"; est enim sensus „Soerales
secundum quamlibel sui partem est albus", ad quam sequitur „quaelibet pars
Sueralis est alba" Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Tolus Soerales
est minor Soerale". Probalio: Quaelibel pars Soeralis esl minor Soerale ; ergo Soerales
secundum quamlibel sui partem est minor Soerale; ergo lolus Soerales est minor
Soerale. Contra: Tolus Soerales est minor Soerale; ergo Soerales est minor Soerale.
Solulio: Prima est vera, et improbalio (auch hier haben alle Ausgaben probalio)
peccal secundum faliociam accidentis Eliam probalio peccat secundum quid ad
simplicitcr llem in quibusdam sequitur „tolus Soerales, ergo Soerales", — in
•lnitn,-'-dHm non. Quaeritur, in quibus est et in quibus non. Dicendum est, quod
sunt quaedam aecidentia, quae indifferenler conveniunt parti et loli, ul „albus" ,
el in talibus bene sequitur ; alia sunt accidenlia, quae conveniunt partibus et
non loli, cl e converso toli et non partibus, ut „minoritas, parvitas", el in talibus
non sequitur. (Die sophislische Anwendung des Theitbegriffes bereits bei den Megarikern,
s. Abschn. H, Anm. 98; das Richlige hingegen belrefls des Beispieles von
„albus" s. ebend. Anm. 70).
PRANTL, Gesch. III. 5
66 XVII. Petrus Hispanus.
Indem somit noch diejenigen distribuliven Zeichen ihre nähere Be
sprechung fmden müssen, welche sich auf die Accidenlien beziehen (Anm.
239), so tritt zunächst der Einwand entgegen, dass eine derarlige Distri
bulion überflüssig sei, weil ja die Accidenlien nur durch Vervielfälligung
ihrer Träger, d. h. der Substanzen, distribuliv vervielfälligt werden; hin
gegen aber wird bemerkt, dass es sich bei dieser accidentellen Verviel
fälligung nicht um die Substanz, sondern eben um Art-Formen derselben
handle. Und somit wird sofort das Distribulivum „qualistibet" in einem
einfälligen Sophisma erörtert, welches darauf hinausläuft, dass die Beschafleuheit
des Wissenden zuweilen auch das Bewusstsein des Wissens
involviren könne 253). Soll hiedurch das Accidens qualitaliver Beslimmt
heit erledigt sein, so geräth die Distribulion quanlitaliver Accidenlien
noch kärglicher; denn „quantuscunque" wird wohl genannt, aber hievon
sogleich auf „quoliescunque" übergesprungen und nur für dieses das
Sophisma „So oft du in Paris warst , warst du ein Mensch" näher be
sprochen 254). Zuletzt aber folgt noch (wohl im Anschlusse an die quan
litaliven Beslimmungen, jedoch ohne alle Andeutung eines solchen Zu
sammenhanges) eine Erörterung über „infinitum", welche zuerst an der
Hand aristotelischer Stellen die verschiedenen Bedeutungen des Unbegränzten
und die Definilion desselben feststellt, hierauf aber die distri
bulive Geltung des Wortes „infinitum" an dem Satze nachweist: „Was
253) VII, 5,9 (f. 248 B): Sequitur de distribulivis accidentium, inler quae primo
dicendum est de signis distribulivis qualitalis, ul „qualelibel", cuius particuiore
est „aliqualibet''. Sed tunc obilcitur, quod, si accidens mulliplicctur mulliplicuto
subiecto, ergo signa distribuliva accidentium superfiuant. Ad hoc dicendum est,
quod duplex est multtplicalio accidentie, quia quaedam est secundum numerum, et
haec f,t per siguum distribulivum substantiae, alia est mulliplicalio secundum
speciem, et baec fit per signa distribuliva arcidentis, ut „qualelibel curril" Cirea
praedicta quaeritur de hoc sophismatc „Quodlibet qualelibel de quolibel tali seit,
ipsun, esse tale, quale ipsum est : posito, quod Soerales scial grummalicam el logicam
et rheloricam, el Piolo el Cicero simitiler, el sciant, sc habere eas, el sint alii lres
homines, quorum unus scial logicam, aller gramwalicam, et alius rhetoricam, el isli
nesciant, se habere eas, et de uliis nihit sciant, el alii sciant de se et de istis, el
non sint plures homines nequc piures qualitales". Probalio Contra Sotulio:
Prima est vera, el improbalio peccal secundum foliociam consequenlis, quia
qualelibet supponit tantum pro tribus u. s. f. (Die stoische Schul-Logik konnte für
Sophismen, welche das Wissen betreffen, bis auf die Sophisten zurückgreifen; s.
Abschn. t, Anm. 61 ff.)
254) VII, 5, 10 (f. 249 B): Sequitur de signis distribulivis quanlitalis ; el sunt
it|n, quae distribuunt res se habenles per modum quantitalis, ul „quoliescunque",
„quantusennque". Et secundum hoc quaeritur de hoc sophismale „Quoliescunque fuisli
Parisiis (statt Parisius, wie bekanntlich dieser Orlscasus in allen Handschriften
und älteren Drucken stels geschrieben ist, steht hier in einigen Ausgaben parasitus),
lolies fuisli homo", Probalio: Una vice fuisti Parisiis el itio vice fuisti homo, alia
vice fuisti Parisiis el itio vice fuisti homo, el sie de aliis ; ergo u. s. f. Improbalio:
sed bis fuisli Parisiis, ergo bis fuisti homo, quod falsum est Sotulio :
Prima est falsa; ad probalionem aulem respondendum est per interemplionem, quia
secunda pars copuiolivae est falsa, sciticel „itio vice fuisti homo", quia adhuc nulta
vice fuisti homo, eo quod nondum vita fuit delerminata Et nota, quod „bis"
non importal inlerruplionem lemporis, sed tantum actus itlius, cui adiungitur
S« aulem formaretur sie paralqgismus „Quandocunque fuisti Parisiis u. s. f.", primo
est vera, et improbalio peccat secundum faliociam figurae dictionis, .... quia „quandocunque"
est in praedicameulo „quandv", el „bis" in praedicamento quanlitalis.
XVII. Petrus Hispanus. 67
eine beliebige Quanlität übersteigt, ist begrünzt"; und wenn schon bei
dieser Distribulion , welche als distribulio interscalaris bezeichnet wird,
der Satz „Das Unbegränzte ist begränzt" das Hauptmoliv bildete, so unter
liegt nun letzterer als ein Sophisma dem üblichen Verfahren der Controverse
und Lösung, wobei zu bemerken ist, dass nach den Ansichten
Einiger der Unterschied zwischen relaliv Unbegränztem und absolut Unbegränztem,
nach Anderen aber die Verschiedenheit eines substanlivischen
oder eines syncategoreumatischen Gebrauches des Wortes „infinüum"
beigezogen wurde •!55).
Endlich mit dem letzten Abschnitte, d. h. mit den Exponibilia,
welche als das Einzige aus Petrus Hispanus sich auch in die spätere
Logik forterbten (die sog. exponiblen Schlüsse), treten wir bereits in das
Gebiet der „Sgncalegoreumata" ein, welche, wie wir oben (Anm. 66 ff.)
sahen, bei Wilhelm Shyreswood allerdings auch den ganzen Abschnitt
über die Distribulion in sich umfasstcn, hier hingegen auf die „exponi
blen" Worte beschränkt sind (was den Begriff Gvyxcftrtyö^rtfna bei Psellus
betrifft, s. Abschn. XV, Anm. 9 u. 106, noch ältere Stellen s. Abschn.
XIII, Anm. 174, 206, 348). Es wird nemlich das exponible Urtheil sofort
als dasjenige definirt, welches in Folge eines syncategoreumalischen Aus
druckes undeutlich ist und einer Auseinandersetzung bedarf, woran sich
zugleich die aufzählende Eintheilung der Syncategoreumata anknüpft, in
dem dieselben entweder Exclusiv- oder Excepliv- oder Reduplicaliv-Zeichen
seien oder Anfang und Aufhören oder Endlosigkeit oder ein Ueberschreiten
oder eine Unterscheidung oder eine specielle Weise der Distribulion be
zeichnen können250). Jedoch ist hiebei sehr wohl zu beachten, dass
255) VII, 5, 11 (f. 250 B) : Sequitm de infinito, quod quinque modis dicitur.
Primo modo , quod non polest pertransiri, ut vox dicitur invisibitis Alio
modo...., quod habet transitum imperfectum, eo quod nondum est dclerminatum . . . .
Tertio modo . .. secundum apposilionem, ut numerus augmentabilis est in infinitum
Quarto modo — secundum divisionem, ul continuum Alio modo dicitur infinilum
utroque modo, sciticet per apposilionem et divisionem, ul lempus Quoad has tres
ullimas significaliones definitur sie infinitum: infinitum est, cuius quanlitalem accipientibus
semper est alitluid extra smnere (im byzanlinischen Originale waren
natürlich alle diese Beslimmungen über das infinitum aus Arist. phgs. ausc. Ht, 4—8
entnommen). Solet aulem poni, quod infinitum quandoque sumitur pro lermino comm,
m,, et tunc ista propositio „infinita sunt finita" aequipollel huic „aliqua infinita
sunt finita"; quandoquc sumitur pro signo distribulivo, et tunc itio aequipollel huic
„quoad distribulionem quolibet ptura sunt finita". Et probatur sie: Uno ptura sunt
finita, duobus ptura sunt finita, tribus ptura sunt finita, et sie de aliis, ergo quolibel
ptura sunt finita; et sie dicitur facere interscaiorem distribulionem vel inlerruptam
vel discontinuam Cirea praedicta quaeritur de hoc sophismale „Infinita
sunt finita". Probalio: Duo sunt finita, tria sunt finita, el sie in infinitum; ergo
infinita sunt finita. Improbalio: Ibi praedicatur oppositum de opposito, ergo loculio
est impossibitis. Solulio: Quidam dislinguunt, eo quod infinitum est aequivocum ad
„infinitum quoad nos" el ad „infinitum simpliciler", unde si sumatur infinitum quoad
»os, prima polest esse vera , st aulem sumatur infinitum simpliciter, est simpliciter
falsa Alii aulem dislinguunt, eo quod „infinitum" polest esse terminus
communis, et sie prima est falsa, rel polest esse diclio sgncalegoreumalica (s. d.
folg. Anm. 257 und unten Anm. 264) tmportans in se distribulionem, el sie ponunt
eam esse veram. Sed neutra istarum sotulionum valet, quia adhuc remanel probalio
et improbalio Unde dicendum est, quod prima simpliciler est falsa, el
probalio peccal secundum quid ad simpliciter.
256) VII, 6, l (f. 252 B) : Propositio exponibitis est proposilio habens sensum
5*
68 XVII. Petrus Hispanus.
nicht bloss am Schlusse des Abschnittes über die Distribulion (s. vorige
Anm. 255) schon eine Hindeutung auf die Syncategoreumata vorlag, son
dern auch hinwiederum hier in der Aufzählung der exponiblen Worte
einige mitbeigezogen sind , welche bereits in der Lehre von der Distri
bulion ihre Besprechung gefunden hatten 257). Und wenn es immerhin
möglich ist, dass auch schon in der Synopsis des Psellus mehrere Punkte
an zwei verschiedenen Stellen vorkamen, so kann andrerseits auch die
Möglichkeit nicht in Abrede gestellt werden, dass jene letzten Capitel der
Exponibilia, in welchen sich die Distribulion mit der Exponibilität ver
schmilzt, bereits einer überarbeitenden Thäligkeit der Lateiner zuzuschrei
ben seien. Ja man könnte sogar darauf hinweisen , dass in einigen
Drucken der Summulae des Petrus Hispanus der ganze Abschnitt über
die ExponiMlia fehlt258). Jedoch scheint mir jedenfalls der Hauptkern
(nemlich Cap. l—5 u. 7) von Petrus Hispanus aus Psellus wörtlich ent
nommen zu sein, und somit schliesse ich hier — um die Sache nicht zu
sehr zu zerreissen — auch das Uebrige nicht aus. Um so entschiedener
aber weise ich dann jenen ganzen Abschnitt, welcher die Ueberschrift
„Sgncalegoreumata" trägt und auch die bereits bei Wilhelm Shyreswood
(Anm. 82 ff.) vorkommende Erörterung der Conjunctionen enthält, den
späteren Interpolalionen zu, zumal da seine Aechtheit selbst schon im 15.
Jahrh. bezweifelt wurde und er sonach auch in sehr wenigen Drucken
erscheint, wobei ausserdem die ganze Form der Darstellung deutlich genug
die Kennzeichen späterer Ueberarbeitung an sich trägt259).
Der Inhalt nun der Exponibilia ist folgender. Zuerst wird über
die „exclusiven" Zeichen, wie z. B. tantum, gehandelt, deren Exposilion
verschiedenen Zwecken dienen könne und auch durch das Vorhandensein
oder Nichtvorhandensein einer Negalion in Bezug auf die „praeiacens"
(d. h. den ohne Exclusiv-Parlikel gesprochenen Satz) bedingt werde. Aber
an Stelle einer näheren Untersuchung dieser Momente folgen nur fünf
„Regeln", welche ich der Kürze halber (den weitschweifigen Wortlaut
den Anmerkungen überlassend) in folgender Form anführen kann: Nach
1) und 2) ist der Satz „Nur A ist B" eben gleichgeltend mit „A ist B,
und nichts Anderes als A ist B"; nach 3) kann aus „Nur A ist B" ge
folgert werden „Alles B ist A"; nach 4) gilt der Satz „Es ist nicht so,
obscurum exposilione indigentem propler aliquod sgncalegorema in ea positum implicile
vel explicile in aliqua dictione Quae faciunt propositionem exjwnibitem,
sunt in mulliplici di/ferentia, quia quaedam sunt signa exctusiva, ul „tantum, solum"....,
quaedam excepliva, ut „nisi, praeler", quaedam reduplicaliva, ut „inquantum,
secundum i:fuuif", quaedam important iuceplionem vel desilionem, ul
„incipil" et „desinil", quaedam important privalionem finis, ut „inftnitum", quaedam
important excessum, ul romparalivi et superiolivi gradus, quaedam vero important
dislinclionem, ut „differt, aliud ab" , quaedam important specialem modum
distribulionis, ut „lotus, qualelibel" . . . . Unde propler itio propositio redditur obscura
sieque indigel exposilione. Hiezu unten Anm. 604 f.
257) Nemlich infinitus trafen wir so eben vorher Anm. 255, ferner alius
schon oben bei den Reioliven der Verschiedenhelt, s. Anm. 213 u. 217, sodann
lotus und qualisiibet in der Distribulion, s. Anm. 252 f.
258) Er fehlt in F, W, S—O; in S!—© ist er ausserhalb der üblichen fort
ioufenden Numerirung hinzugefügt; s. Anm. 143.
259) S. unten Abschn. XX. bei den späleren Inlerpoiolionen.
XVII. Petrus Hispanus. 69
dass nur A B sei" soviel als „Entweder ist kein A B, oder etwas An
deres als A ist B"; nach 5) ist der Satz „Nur A ist nicht B" gleichgel
tend mit „A ist nicht B, und Alles, was etwas Anderes als A ist, ist
B" 280). S. unten Anm. 606.
Ebenso liegt hierauf bei den „excepliven" Zeichen, z. B. „praeter",
das Ganze in vier Regeln, deren 1) die quanlitalive Geltung, und 2) die
suppositorische Tragweite excepliver Sätze betrifft; nach 3) wird der Satz
„Alles A, mit Ausnahme von B, ist C" exponirt durch „Alles A, welches
etwas Anderes als B ist, ist C, und ferner B ist A, und ferner B ist
nicht C"; nach 4) ist die Exposilion des Satzes „Kein A, mit Ausnahme
von B, ist C" gegeben durch „Kein A, welches etwas Anderes als B
ist, ist C, und ferner B ist A, und ferner alles B ist C"261). S. unten
Anm. 607.
260) VII, 6, 2 (f. 253 B): Signa exctusiva sunt itio, quae ex significalione
sua exelusionem important, ut sunt istae dieliones „tantum, sotum, dumtaxal"
et simitia. Haec anlem signa quandoque exponuntur gralia alietalis, quandoque vero
gralia pturalitalis (was unter Letzlerem gemeint sei, erhellt auch aus dem Fol
genden nicht), quandoque ponuntur in oralione sine negalione praecedenle vel consequenle,
quandoque vero cum negalione. De islis aulem tales dantur reguioe. Prima
est: Proposilio exctusiva sine negalione exponitur per copuiolivam affirmalivam, cuius
prima pars est praeiacens (dieser Begriff bleibt später recipirt) exctusivae et secunda
pars est negaliva importans negalionem praedicali de omnibus aliis a subiecto, ut
„tantum homo est risibitis", i. e. „homo est risibitis, et nihil aliud ab homine est
risibite" Secunda reguio: Proposilio exctusiva huius generis infert copuiolivam
compositam ex ditabus exponenlibus et quamlibet earum seorsim, et non e converso,
ut „tantum homo currit", ergo „Aomo currit, et nihil aliud ab homine curril". Terlia
reguio: Ab exelusiva affirmaliva ad universalem de lerminis transposilis est bona
consequentia, si fiat exctusio gralia alietalis, et non contra, ut bene sequitur „tantum
animal est homo", ergo „omnis homo est anomal" et non e contra. Quarta reguio:
Exctusiva contradictoria prioris (A. h. wo die Negalion den ganzen Satz verneint)
exponitur per disiunctivam affirmalivam de parlibus contradicentibus priori exctusivae
(dem in der zweilen Regel gegebenen copnioliven Urtheite), ut „non tantum homo
curril" i. e. „nultus homo currit vel aliud ab homine curril" Quinta reguio:
Exctusiva, in qua ponitur soio negalio sequens exelusionem, exp»nitur per copu
iolivam affirmalivam, cuius prima pars est negaliva praeiacens, secunda est affirmaliva,
in qua praedicatum affirmalivae enunliatur de quolibet alio a subiecto, ut
„tantum accidens non est substantia" i. e. „accidens non est substanlia , et omne
aliud ab accidenle est substantia''. Et per hoc palet, qualiter eius contradictoria sit
exponenda.
261) VII, 6, 3 (f. 255 B): Sequitur de signis exceplivis. Dicuntur aulem excepliua,
quae significant exceplionem alicuius conlenli sub aliquo distribulo, ut „praeler,
praelerquam" De quibus tales dantur regutae. Prima: Omnis exceplio fit a tolo
in quanlitale, seu a lermino sumpto sub signo universali , ut „omnis homo praeler
Soeratem curril''. Secunda reguio: Diclio excepliva non impedita facit, lerminum
communem, supra quem cadit, immediale supponere simpliciter, ut „omne animal
praeler hominem est irralionale"', ibi „Aomo" supponit simpliciler. Terlia reguio:
Universalis affirmaliva excepliva exponitur copuiolive per tres exponenles calegoricas,
quarum prima affirmat universale praedicatum de subiecto sumpto cum „aliud ab",
secunda affirmat lerminum, a quo fit exceplio, lerlia est negaliva, in qua praedica
tum negatur de lermino excepto, ut „omne animal praeler hominem est irralionale"
exponitur sie „omne animal aliud ab homine est irralionale, et homo est animat, et
homo non est irralionalis". Quarta regata: Universalis negaliva excepliva exponitur
coputalive per tres exponenles, in quarum prima praedicatum negatur de subiecto
sumpto cum „aliud ab", in secundo affirmatur subiectum de lermino, qui excipitur,
in lerlia affirmatur universale praedicatum de lermino excepto, ut „nullum animal
70 XVII. Petrus Hispanus.
In gleicher Weise erscheinen bei den „reduplicaliven" Zeichen, z. B.
inquantum oder secundum quod, ebenfalls nur vier Regeln. Nach l ) spricht
ein Reduplicativ-Satz stets einen gewissen Causal-Zusammenhang uns; nach
2) bezieht sich das reduplicalive Zeichen immer auf das Prädicat, legt
aber den Causalnexus nicht in das Prädicat, sondern in das Subject.
Nach 3) wird der Satz „A, sofern es B ist, ist C" exponirt durch „A
ist C, und A ist B, und alles B ist C, und weil Etwas B ist, ist es
auch C"; nach 4) wird der Satz „Kein A, insoweit es B ist, ist C" eiponirt
durch „Kein A ist C , und alles A ist B , und kein B ist G, und
weil Etwas B ist, ist es nicht C" 262). Vgl. unten Anm. 608 f.
Sodann sind es die Worte „incipit" und „desinit", welche gleich
falls als exponible betrachtet werden, und im Hinblicke auf die Unter
scheidung, dass Anfang und Ende eines Factums entweder plötzlich mit
Einem Male oder stufenweise allmälig eintreten kann, formuliren sich die
Regeln, dass 1) der Satz „A beginnt" (im ersteren Falle) exponirt wird
durch „A ist jetzt, und vorher war es nicht", sodann 2) der Satz „A
beginnt, B zu sein" (im letzteren Falle) seine Exposilion in „A ist jetzt
nicht B, und hernach wird es B sein" findet; entsprechend wird 3) der
Satz „A hört auf, B zu sein" (im ersteren Falle) exponirt durch „A ist
jetzt B, und hernach wird es nicht B sein", und 4) der Satz „A hört
auf, B zu sein" (im letzteren Falle) durch „A ist jetzt nicht B, und vor
her war es B" 283). Vgl. unten Anm. 600.
praeler hominem est risibite" exponitur sie „nultum animal aliud ab hominc est risibite,
et homo est animat, et omnis homo est risibitis".
262) VII, 6, 4 (f. 256 B): Sequitur de reduplicalivis dictionibus. Dicuntur aulem
reduplicalivac, quae important ralionem, secundum quam aliquid alleri altribuitur,
nt „inquantum, secundum quod, ea ralione gua" et simitia. De quibus tales dantur
regutac. Prima est, quod diclio reduplicaliva praesupponit, aliquod praedicatum inesse
alicui subiecto, et denolat, ittud, supra quod cadit, immediale esse causa«» itlius
inbaerenliae . Secunda reguio est, quod diclio reduplicaliva semper refertur ad prae
dicatum et nunquam reduplical ipsum. Terlia reguio est, quod proposilio reduplicaliva
affirmaliva exponitur per quatuor exponenles, quarum prima affirmal praedicatum
principale de subiecto, secunda affirmat reduplicalivam de subiecto, lertia affirmal
praedicatum principale de reduplicalo universaliter, quarta est una causalis, in cuius
aulecedenle ponitur diclio , supra quam cadit reduplicalio de aliquo transcendente, et
in consequenle praedicatum principale affirmatur de reiolivo itlius transcendentis, ul
hie „homo, inquantum ralionalis est, est flebitis" i. e. „homo est flebitis, et homo est
ralionalis, et omne ralionale est flebite, et quia aliquid est ralionale, ipsum est fle
bite". Quarta reguio est, quod proposilio reduplicaliva , in qua ponitur negalio post
dictionem reduplicalivam, exponitur copuiolive per quatuor exponentes, quarum prima
negat praedicatum de subiecto principali, secunda affirmat reduplicatum de eodem,
lerlia negal universaliter praedicatum principale de reduplicato, quarta est una causalis,
in cuius anlecedcnte praedicatum reduplicatum de suo transcendente affirmatur,
ei. in consequente negatur praedicatum de reiolive itlius transcendentis, ut hie „nultus
homo, inquantum ralionalis est, est rudtbitis" i. e. „nullus homo est rudibitis , et
omnis homo est ralionalis, et nultum ralionale est ruditnle, et quia aliquid est ralio
nale, ipsum non est rudibite". Ex isto palet per legem contradictoriarum, qualiter
sint exponendae contradictoriae ipsarum.
263) VII, 6, 5 (f. 258 A): Sequitur de „incipil" et „desinit" Quatuor
dantur reguioe. Prima est: Proposiliones de „incipit" in rebus, quarum esse tolum
simul aequiritur, exponuntur per unam copuiolivam, cuius prima pars est affirma
liva de pruesenli, -sccunda negaliva de praelerito, ut „homo incipil" i. e. „homo nunc
est, et immediale ante hoc non fuit". Secunda reguio: Propositiones de „incipil" in
XVII. Petrus Hispanus. 71
Nun aber folgt, wie bemerkt, wieder „infinitum", welches schon
oben bei der Distribulion besprochen worden war; hier jedoch lenkt die
Erörterung auf den syncategoreumalischen Gebrauch dieses Wortes ein,
welcher dann vorliege, wenn es sich um das Verhältniss des Subjectes
zum Prädicate handle. Und für diesen Fall werden zwei Regeln gegeben,
deren erste dahin lautet, dass hei „infinitum" eine suppositio confusa
immobilis (s. Anm. 206) stattfinde , die zweite aber die Exposilion fest
stellt, indem der Satz „Unbeslimmt viele A sind B" exponirt werde durch
„Einige A sind B, jedoch sind ihrer wenigstens drei". Eine dritte Regel
dagegen betrifft den nicht - syncategoreumalischen Gebrauch, bei welchem
der Satz „A ist unbeslimmt gross" durch „A ist ein Quantum, und seine
Quanlität ist unbeslimmt" exponirt wird 264).
Hierauf wird die Comparaliv- und Superlaliv-Form als ein exponibler
Ausdruck in vier Regeln besprochen ; nemlich nach 1) ist z. B. der Satz
„A ist grösser als B" zu exponiren durch „A ist gross, und B ist gross,
und A ist dem B an Grösse überlegen". Der Superlaliv hingegen, welcher
rebus, quarum esse aequiritur successive, exponuntur per uHU-H! copuiolivam, cuius
prima pars est negaliva de praesenli, secunda est affirmaliva de futuro, ul „Soerales
incipit esse albus" i. e. „Soerales nunc non est albus, et immediale post hoc erit
albus". Terlia reguio: Propositimes de „desinil" rerum, quarum esse tolum simul
deperditur, exponuntur per unam copuiolivam, cuius prima pars est affirmaliva de
praesenti, secunda est negaliva de futuro, ut „Soerales desinil esse homo" i. e.
„Soerales nunc est homo, et immediale post hoc non erit homo''. Quarta reguio:
Proposiliones de „desinit'' rerum, quarum esse deperditur successive, exponuntur copuiolive
per unam negalivam de praesenli et alleram affirmalivam de praelerilo, ut
„Soerates desinit esse albus" i. c. „Soerales nunc non est albus, et immediale ante
hoc fuit albus". Ex istis palet, quomodo contradictoriae istarum sint exponendae.
264) VII, 6, 6 (f. 259 B): Sequitur de infinito, cuius quaedam solent assignari
dislincliones. (Nun folgen zunächst, wenn auch in veränderlem Wortioute, jene
ärmlichen fünf Bedeutungen des infinitum, welche wir schon oben Anm. 255
trafen.) Infmitum capitur uno modo calegoremalice, prout est lerminus communis.
et sie significal quantitalem rd subicctae vel praedicatae , alio modo sumitur
sgncalegoremalice, non prout dicit quantitalem rei subiectae vel praedicatae, sed qualiler
se habet subiectum in ordine ad praedicatum, et sie non est lerminus communis,
sed est dispositio subiecti i't signum distribulivum. Et de his tales dantur reguioe.
Prima est: Infinitum sgncalegoremalice sumptum positum in subiecto facit lerminum
communem sequenlem pro se stare confuse tantum, ul „infiniti homines currunt", ibi
„homines" supponit confuse, non tamen mobitiler. Secunda reguio est : Propositio de
infinito sgncalegoremalice capto exponitur per unam copuiolivam, cuius prima pars
affirmat praedicatum de subiecto sumpto sub aliqua quantitale continua vel disereta,
et secunda negat praedicatum inesse tali subiecto secundum delerminatam quanlitalem,
ut „infinili homines currunt" sie exponitur „aliqui homines currunt, et non tol, quin
ptures duobus vel tribus". Terlia reguio: Propositio de infinito capto calegoremalice
sive significalive exponitur per unam copuiolivam, cuius prima pars affirmat quan
litalem de subiecto, et secunda negat lerminum itlius quanlitalis, ut „linea est infinita"
i. e. „linea est quanta, et non habet lerminum suae quanlitalis". Et hoc est,
st infinitum est in praedicato. Sed si sit in subiecto, prima affirmal praedicatum de
subiecto quanto, et secunda negat lerminum itlius quanlitalis, ut „aliquod corpus
infinitum est album" i. e. „aliquod corpus quantum est album, et idem corpus non
habet lerminum suae quanlitalis". Uebrigens unterschied ja auch schon Withelm
Shyreswood zwischen einem calegoreumälischen und syncalegoreumalischen Ge
brauche, und zwar nicht bloss hei infinitus (Anm. 70) und tolus (Anm. 69), son
dern auch bei incipit und desinit (Anm. 81) , sowie bei mehreren anderen Worten
(Anm. 75 ff.).
72 XVII. Petrus Hispanus.
nach 2) eine Distribulion enthält und nach 3) ein wirkliches Stattfmden
der Eigenschaft hei den verglichenen Dingen voraussetzt, soll nach 4) zu
der Exposilion führen , dass z. B. der Satz „A ist das grösste aller B"
den Sinn habe „A ist gross, und alle B sind gross, und kein B ist
grösser als A" 265).
Sodann folgen die Begriffe „differt, aliud", obwohl dieselben (we
nigstens der letztere) gleichfalls bereits oben (Anm. 213 u. 217) vorge
kommen waren. Die hier folgenden Regeln betreffen zuerst die thatsäch-
' liehe Grundlage und die distribulive Funclion jener Worte, und dann die
Exposilion, da der Satz „A ist etwas Anderes als B" sich auflöse in „A
ist, und B ist, und A ist nicht B", hingegen der Satz „A ist nichts An
deres als B" exponirt werde durch „Entweder ist A nicht, oder B ist
nicht, oder A ist B" 268).
Endlich kömmt noch „lotus" an die Reihe, an welchem, während
wir es ebenfalls schon oben (Anm. 252) trafen , hier die syncategoreumalische
Geltung erörtert wird ; und zwar handle es sich dabei sowohl
um eine Distribulion als auch um die Exposilion, bei welch letzterer hier
nun wieder obiges (a. a. 0.) Sophisma „der ganze Sokrates ist kleiner
als Sokrates" erscheint. Auch knüpfen sich hieran noch Bemerkungen
über „quantustibet" und „qualistibet" (Anm. 253 f.), insoferne bei
265) VII, 6, 7 (f. 261 A) : Sequitur de comparalivis et superiolivis, de quibus
tales dantur reguioe. Prima est: Proposilio habens comparalivum proprie captum,
et non abusice, exponitur affirmalive per tres exponenles, quarum prima affirmal
pnsilirum de re excedenle, secunda affirmat eundem de re excessa, lertia affirmat
excessum de re excedenle respectu rei excessae, ut „Soerales est albior asino" i. e.
„Soerales est albus, et asinus est albus, et Soerales est magis albus quam asinus"
vel negando aequalitalem „asinus non est aeque albus sicut Soerales". Secunda
reguio: Supertalivus distribuit communem lerminum sequenlem, qui signifieat rem
excessam, ut „leo est fortissimus animalium", ibi „animalium"' distnbuitur. Terlia
reguio (in einigen Ausgaben Secunda reguio de superioliVo) : Supertalivus proprie
lentus denolat, rem excessam convenire rei excedenti, et palet, quia haec est imprnpria
„leo est forlissimus lgncum", quia forlitudo de lgnce non verificatur (natür
lich wäre die gleiche Regel auch für den Comparativ anzuführen). Quarta (in
jenen Ausgaben dann Terlia) reguio : Propositio de supertalivo proprie caplo exponitur
copuiolive per tres exponenles, quarum prima affirmat posilivum de re excedenle,
secunda affirmat idem de re excessa, lertia negat unirersaliler excessum de re ex
cessa respectu rei excedentis, ut „rosa est puleherrima florum" i. e. „rosa est pulehra,
et omnis flos est puleher, et nultus flos est pulehrior rosa'' Sed si non ponatur
ibi genitivus, debet omitli secunda exponens, ul „Soerales est forlissimus" i. e.
„Soerales est forlis, et nullus homo est fortior itlo". Et contradictoriae istarum
semper babent exponi per disiunclivas de parlil'us contradicenlibus.
266) VII, 6, 8 (f. 262 A): Sequitur de „differt, aliud ab", de quibus tales
dantur reguioe. Prima est, quod . . .. conveniunt tantum enti, quia ut dicitur decimo
Metaphgsicoram (r. 3, p. 1054 b 20), nec non ens enli j,ec ens non enti idem vel
äiversum est. Secunda reguio: Abiolivus rectus ab islis dictionibus mediante „att
vel „ab" distribuilur, si sit distribuibitis Terlia reguio: Proposilio affirmaliva
de „differt" exponitur copuiolive per tres exponenles, in quarum prima affirmatur hoc
verbum „estu de eo, quod differt, in secunda affirmatur idem de eo, a quo differt,
lerlia negat unum itlorum de alio, ut „homo differt ab asino" i. e. „homo esl , et
asinus est, et homo non est asinus". Quarta reguio: Propositio negaliva de „differt"
debet exponi per unam disiunclivam de partibus contradicenlibus , ut „Sorrales
von dtffert ab asino" i. e. „Soerales non est, vel asinus non est, vel Soerales est
asinus".
XVII. Petrus Hispanus. 73
denselben keine eigentliche Exposilion, sondern nur eine Distribulion
stattfinde267).
Solcher Art also ist der Inhalt der einflussreichen Summulae des
Petrus Hispanus. Es ist , wie wir sahen , eine Logik , in welcher (wenn
auch nach einem zufälligen und wahrlich nicht philosophischen Molive)
das Urtheil als erster Abschnitt dem Begriffe vorangeht, in welcher der
kategorische Syllogismus in drei Figuren (mit den theophraslischen Schlussmodis
der ersten Figur) entwickelt wird, hingegen die hypothelischen und
die modalen Syllogismen fehlen, in welcher ferner eine erkleckliche An
zahl von Memorialversen auftritt, und endlich in welcher die peinlich
ausführliche Lehre von den proprietales lerminorum eine erschreckende
Fülle byzanlinischen Unsinnes enthält. Bedauernswert!] erscheint uns der
Leser, welcher all dasjenige, was von Anm. 202 an vorzuführen war,
durchstudiren oder wenigstens durchblättern soll; aber es darf sich wohl
hieran die Bitte knüpfen, dass einiges Mitleid von dem Leser auch wieder
auf den Geschichtschreiber der Logik zurückfliessen möge, welcher jenes
verstandlose und häufig läppische Treiben 268) nicht bloss bei Petrus
Hispanus in seiner ganzen Ausdehnung geniessen , sondern auch in hun
dertfachen Varialionen verfolgen und bis in das 16. Jahrhundert hinab
nachweisen musste269). In jener sinnlosen Verquickung grammalischer
und logischer Momente, welche durch die ganze Lehre von suppositio,
ampliatio, appellatio, restrictio, distributio, exponibilia sich hindurch
zieht, erblicken wir allerdings sogleich den verpestenden Einfluss des von
Anbeginn blödsinnigen Stoicismus 270) , welcher mittelst dieser byzanlini
schen Logik drei Jahrhunderte hindurch das abendländische Mittelalter
267) VII, 6, 9 (f. 262 B) : Sequitur de hoc signo „Mus" Polest capi
tribus modis: uno modo communi pro omni eo, quod habet partes ; secundo modo
magis proprie pro itlo, quod ex omnibus suis partibus est perfectum ; et islis
duobus modis ,,lotus" lenetur calegoremaliec. Terlio modo capitur sgncalegoremalice,
prout inctudit signum distribulivum (s. den Schtuss der Anm. 264), et sie non
dicit, quale subicctum sit, sed qualiter se habeat in ordine ad praedicatum. Et hoc
modo reddit propositionem exponibitem, de quo dantur tales reguioe. Prima est, quod
„totus" distribmt lerminum, mi adiungitur, pro qualibet parle inlegrali Secunda
est, quod proposilio affirmaliva de tolo exponitur per unam calegoricam transmutato
„lotus" in „secundum quamlibet sui partem", ut „totus Soerales est minor Soerale"
praetcrea nolandum, quod haec signa „quantumlibet , qualelibel" non
faciunt proprie proposilionem exponit,item, sed faciunt distribulionem, non absotutam,
sed contrahunt speciem ad aliquod delerminatum genus praedicamentale, ut „quantumlibet"
distribuit pro quanlitale conlinua et sie dicuntur mentaliler complexa ....
El de exponibitibus dicta sufficiant.
268) Es muss unumgänglich dem Leser überlassen bleiben, die zahlreichen
Halbheilen und Inconsequenzen, sowie die entsetzliche Verknöchen,ng dieser byzan
linischen Doctrin sich ans dem Angeführlen selbst zu entnehmen , denn auch falls
es an sich der Mühe vverth gewesen wäre, konnle ich unmöglich den Umfang der
Darsleltung dadurch noch mehr anschwellen iossen, dass ich bei jeder Zeite den
Unsinn als Unsinn aufgedeckt hätle.
269) Der weitere Veriouf wird uns ja noch ionge genug an die Litteratur der
Summutae fesseln, welche, wie sich zeigen wird, als „usus modernorum" neben die
aristolelische Logik tritt.
270) Ausser demjenigen, was schon oben, Ahchn. VI, Anm. 110— 116 und
123—131, bemerkt wurde, s. hierüber nun auch Sleinthat, Gesch. d. Sprachwissensch.
b. d. Griechen u. Römern, Berl. 1862, S. 300 ff.
74 XVII. Petrus Hispanus.
beschäfligt. Aber die einzelnen Entwicklungsperioden der stoischen Logik,
welche scbliesslich zu solchem Gipfelpunkt des Unsinnes führten, können
wir, wie schon Abschn. XV, Anm. 97 ff. gesagt wurde, nicht mehr nach
weisen. Denn wenn sich auch einzelne Sophismen auf eine ursprüngliche
stoische Quelle zurückführen lassen271), oder wenn wir auch gramma
lische Anschauungen und Terminologien, welche hier vorkommen, bei
Priscianus wiederkehren sehen272), so sind diess nur versprengte Bau
steine Eines grammalisch-logischen Gebäudes, welches in seiner ursprüng
lichen Gestalt sich bis jetzt unserer geschichtlichen Kenntniss entzieht.
Indem aber die schon oben (Abschn. XV, Anm. 1 06 f.) ausgesprochene
Vermuthung, dass wohl in verlornen Schriften des Themislius die Quelle
jener byzanlinischen Logik liegen dürfte, nunmehr auch bei dem bloss
lateinisch erhaltenen Reste der Synopsis sich zuweilen uns wieder auf
drängte (Anm. 218, 241, 247, 255), so weise ich hiemit absichtlich
wiederholt auf diese wesentliche Lücke der Geschichte der Logik hin
und kann nur wünschen , dass aus irgend einer Bibliothek handschrift
liches Material zu Tag gefördert werde, durch welches dieser Punkt seine
Aufklärung finden könnte.
Soll aber nun jener Einfluss der aristotelisch-arabischen Litteratur,
welcher völlig gleichzeilig neben der Herübernahme des Psellus seine
Wirkung begann, in nähere Betrachtung gezogen werden, so begegnen
uns vorerst einige Erscheinungen von ziemlich untergeordneter Art. Denn
offenbar war man Anfangs von dem neuen zugeführten Stoffe förmlich
verblüfft, und sowie man daher gleichsam wieder von vorne anfing, so
hatte man weder Zeit und Musse, um etwa an die Controversen der Abälard'schen
Periode anzuknüpfen und von da fortzubauen, noch auch war
man befähigt, im ersten Anlaufe die reiche Fülle der neuen Quellen zu
sichten und überhaupt zu verarbeiten. Erklärlich daher ist es, dass wir
bei den ersten Autoren, welche den neu erwachten Aristoteles und die
Araber benützten, nur unmolivirle Ansichten treffen, welche auf dem Ge
biete der gewöhnlichen Parteifragen sich nicht einmal zu einer Polemik
erheben, sondern nur an den einen oder anderen aristotelischen oder
arabischen Ausspruch als Auctorität sich anlehnen. Selbstverständlicher
Weise aber war es auch hiebei wieder ein platonisch-christlicher Realismus,
welcher als der Grundton aller orthodoxen Logik (— was hingegen
„ketzerische" Logik sei, s. schon oben Abschn. XIII, Anm. 319 —) sich
sogleich unmittelbar einstellen musste; nur konnte man sich jetzt zur
Unterstützung dieser Auffassung mit Vorliebe auf jene Sätze der aristote-
271) S. obeu Anm. 226, 243, 246, 247, 248, 249, 252, 253.
272) So treffen wir erklärlicher Weise vor Allem die sgncalegoremata bei
Priscian. II, 15 (Vol. I, p. 54 ed. Berts), ferner auch eine leise Spur der appeliolio
II, 18 (p. 55), desgleichen Spuren bezüglich der reioliva XII, 4 (Vol. l,
p. 579) u. XVII, 73 (Vol. II, p. 150). Aber diess können nur versprengle Resle
einer älleren Formalion sein , in welcher sich Grammalik und Logik überhaupt
berührt hatten, und wir dürfen nicht übersehen, dass gerade von den Hauptbe
griffen der byzanlinischen Logik , nemlich von suppositio , amplialio, restriclio,
distribulio, exctusiva, excepliva, reduplicaliva, exponibitia, sich auch bei Priscianus
keine Spur findet.
XVII. Alexander Alesius. Wilhelm v. Auvergnc. 75
tischen Psychologie werfen, welche zur arabischen Lehre vom intellectus
agens verwendet oder missbraucht worden waren 273).
So zeigt uns schon Alexander Alesius (gest. 1245), welchen
wir fast völlig der Geschichte der Theologie überlassen könnten 271),
einen nicht weiter durchgebildeten Realismus, welchen er unter An
knüpfung an dogmalische Autoritäten (besonders an Augiislinus) auch auf
die dem Aristoteles entlehnten psychologischen Fragen überträgt. In sei
nen einzelnen realislischen Ausdrücken aber ist die Einwirkung arabischer
Lehre stets unverkennbar, sei es dass er z. B. die abstrahirende und
einigende Funclion des auf das Einfache gerichteten Denkens beschreibt275),
oder hervorhebt, welch verschiedene Stellung die Universalien im Denken
und in der Objeclivität haben276), oder sei es dass er eine realislische
Wendung der Araber in das Rohere und Plumpere steigert277).
Nicht besser verhält es sich mit Wilhelm von Auvergne (gest.
1249), welcher in seinem grösseren Werke De universo 278) durchaus
nicht ein logisches Interesse verfolgt279), sondern nur theologische Er
örterungen, und zwar hauptsächlich über das Universum spirituale,
d. h. das Geistcrreich , zum Zwecke hat280), sowie auch sein Buch De
am'mo281) einer ähnlichen Tendenz folgt. So ist ihm auch die Frage
über die Existenz der Universalien keine logische, sondern sie hat für
273) S. oben Abschn. XVI, Anm. 3 f. Dass ich aber von der Geschichle der
Logik als solcher grundsätzlich die psychologischen und erkenntniss-theorelischen
Lebren ausschliesse , habe ich ebendaselbst unler Angabe meiner Gründe bereits
gesagt.
274) Den unter dem Namen des Alex. Alesius gedrucklen (Venet. 1572) Commentar
zur Metaphysik können wir hier nicht in Betracht zlehen, indem derselbe,
wie auch schon Andere richlig bemerklen (s. Hist. lM. de io France, XVIII, p.
323), nicht vor Duns Scolus geschrieben sein kann. S. hingegen unlen Abschn.
XIX, Anm. 248 ff., den Verfasser dieses Commentares , nemlich den Alexander ab
Alexandria.
275) Summa univ. theolog. (Lugd. 1516 fol.), Pars II, Quaest. 69, membr. 2:
Unusquisque inlellectus est cirea formas inlelligibites sine complexione consideratas
(den Begriff der incomplexa bei Alfarabi und Avicenna s. vor. Abschn., Anm. 16
u. 88) Cognilio ittarum formarum intelligibitium, quac veniunt ad intellectum
per abstractionem a phantasmale sensibiti (s. Alfarabi, ebd. Anm. 22). Quaest. 69,
membr. 3, arlic. 3 : Inlellectus abstrahens formas inleitigitnles et uniens eas (s. Avicenna,
ebend. Anm. 92).
276) Ebend. Quaest. 59, membr. 2, art. 2: Secundum inlellectum fit abstraclio
speciei a maleria vel subiecto, secundum naturam vero non (s. Alfarabi, ebd.
Anm. 22).
277) Ebend. art. l : Forma, quae solum est esse materiae in perficiendo tolum,
perficit omnes parles maleriae et consimiti ralione, ut est dicere „quaelibet pars
ignis est ignis" (die Veraniossung hiezu s. bei Alfarabi, ebd. Anm. 33; Avicenna und
Arerroes hatten anders gedacht, s. ebd. Anm. 166 u. 301).
278) Guitelmi Alverni episcopi Parisiensis Opera omnia etc. Aureliae et Ambiani
1674. fol. Vol. I, p. 593—1074. Nähere Nachweise, dass Withelm den ganzen
Aristoleles und die Araber kannte und benützle, s. bei A. Jourdain, Recherehes erit.
2. Aufl. (1843) S. 288 ff.
279) Von keiner Bedeutung ist es, dass er gelegentlich einmal (I, 3, c. 24,
p. 795) die Ansicht des Avicenna über die Wahrhelt der Urtheite (s. vor. Abschn.
ADOt. 39 f.) ausschreibt.
280) Wie in einem zoologischen Garten kann man bei ihm das Leben und
Treiben der Engel, Erzengel, gefallenen Engel, Dämonen u. dgl. studiren.
281) Vol. II, Supplem. p. 65-228.
76 XVII. Wilhelm v. Auvergne.
ihn nur Werth im Hinblicke auf die Kundgebungen aus dem Jenseits.
Während es ihm aber hiernach als selbstverständlich gelten muss, dass
die Universalien objecliv reelle Wesen sind , zeigt er sich uns als einen
Dualisten der plumpesten Art; denn völlig parallel stellt er (nach dem
alten Satze „universale intelligitur, singulare sentitur") die „Eindrücke"
der sinnlichen und der intelligiblen Welt nebeneinander, und gleichmässig
für die beiderlei Wesen beruhigt er sich bei dem Auctoritätsglauben,
dass sie eben objecliv so seien, wie sie subjecliv empfunden werden282).
Daher polemisirt er sogar, sich an Araber anlehnend, gegen Plato, welcher
die Sinnenwelt in ein bloss abbildliches und hiemit unwahres Sein auf
pflückte 283), und schliesslich legt er sich den Platonismus, um zugleich
auch dem Aristotelismus dienen zu können, dahin aus, dass die Ideen
lehre nicht die Arthegriffe (species) betreffe, welche ja vollständig in den
Einzelndingen (totaliter in individuis) exisliren und in solcher Weise die
wesentlichen Prädicate der Individuen sind (de singularibus), sondern
dass die platonischen Ideen jene ausserhalb liegenden Formen (formae
exteriores) seien, welche im Geiste des Schöpfers sich befinden, — kurz
wir treffen hier zum ersten Male jene arabische Dislinclion aufgenommen,
wornach die Universalien ante rem (d. h. jene formae exteriores) und in
re (in individuis) und auch post rem (de singularibus) bestehen284),
282) De nniv. II, l, c. 14, p. 821 : Non minus eredendum est inlellectui de
inlelligibitibus, quam sensui de sensibitibus ; quia igitur leslimonium seu leslificalio
sensus cogit nos ponere mundum sensibitium et ipsum sensibilem, cogere nos
debet inlellectus multo fortius mundum intelligibitium , hie aulem est mundus universalium
sive specierum Intellectus igitur nostri, h. e. intellecliones, quibus
sumus inlelligenles, non sunt in effectu, nisi passiones seu simititudines inlelligibilium
impressae ab eisdem inlellectui nostro; agere aulem vel imprimere non polest, quod
non est; necesse igitur est, inlelligibitia esse Quare necesse est, formas communes,
sc. genera et species et alia huiusmodi convenienlia esse, et non solummodo
esse, sed eliam esse sicut intelliguntur ; quemadmodum sensibitia et particuioria ne
cesse est esse, non sotum simpliciter, sed eliam esse ea sicut senliuntur. Noch
naiver, aber kürzer: De anima, Cap. 7, pars 4, p. 207: Cum virtus sensilna non
indigeat nisi rebus sensibitibus propter ittas apprehendendas , quomodo virtus inlellecliva
non erit contenta rebus inlelligibitibus ad apprehensionem earum?
283) De univ. II, l, c. 34, p. 835: Verum Piolo ultra, quam operleret et veritas
exigeret , exlendit huiusmodi simititudines , . ... quoniam nominaliones ereaturarum
omnes per simititudinem fiant et nulio earum per veritalem; unde nec veram lerram
nec verum ignem nec veram aquam aul verum aerem in mundo sensibiti esse palenler
asseruit (Tim. p. 51 B) Consequens igitur est, nihit esse omnino in mundo isto
sensibiti secusdum veritalem ipsumque mundum simitiler nihit esse in veritale.
284) Ebend. c. 35, p. 836: Aut inlellexit Piolo species (dum dixit, mundum
specierum exempior esse mundi islius sensibitis), quas dicimus praedicari de pluribus
differenlibus numero in eo quod quid est fdiess die allbekannle tradilionelle Defi
nilion), auf inlellexit rerum simititudines sive ideas sive imagines rerum exempiores.
Quodsi iuxta priorem intenlionem, huiusmodi species lolum est esse individuorum
; quia igitur totum esse individuorum omnium in ipsis individuis est et
non etrtra , manifestum est , huiusmodi species in individuis suis sire singuioribus
tolaliter esse et non extra Manifestum igitur est per haec, Piolonem non inlellexisse
hoc, quod dixit de mundo arehetgpo, de speciebus, quae de individuis vel
singuioribus in co quod quid praedicantur ; itios enim esse necesse est et in singu
taribus suis et cum singutaribus; ubt enim Soerales est, necesse est esse hominem,
et ubi homo est, necesse est esse aliquem hominem. De ideis igitur sive formis exlerioribus,
quae in menle ereatoris aelernaliler sunt, inlellexit sermones suos (s. AI
XVII. Wilhelm v. Auvergne. Vincenz v. Beauvais. 77
und erklärlicher Weise können sich hieran auf gleicher Quelle fussend
noch andere gelegentliche Bemerkungen über den Arthegriff anschliessen285).
Das Komischste aber ist, dass Wilhelm, während er das Denken als einen
„Spiegel" des Intelligiblen bezeichnet 286), doch wieder die Entstehung
der Allgemeinbegriffe aus einer Kurzsichligkeit (brevitas) des Denkens
erklärt, vermöge deren dasselbe die Dinge nur wie von Weitem (wie
eine entfernte Statue) und daher nur „unbeslimmt im Allgemeinen" be
trachten könne287), — ein Widerspruch, zu welchem als ergötzliches
drittes Glied kömmt, dass er hinwiederum im Anschlusse an Araber die
menschlichen Worte als die wahrhaft adäquaten essenliellen Bezeichnungen
des Einzelnen betrachtet288).
Dass Vincenz von Beauvais (gest. 1264) nur Compilator war,
ist allbekannt, und irgend Selbstständigkeit in principiellen Fragen wird
man bei solchem Charakter seiner Schriftstellerei von vorneherein nicht
erwarten. Aber wenn er uns wenigstens als Zeuge des Zustandes dienen
soll, in welchem die Logik um d. J. 1250 sich befand, so kömmt noch
ein anderer Umstand in Betracht. Es ist nemlich, — was bis jetzt nicht
beachtet wurde —, das ganze Speculum maius vielfach interpolirt 289),
und zwar wurden offenbar successive in den Handschriften Ergänzungen
farabi, vor. Abschn., Anm. 24, und Avicenna, Anm. 184, woselbst sogar gleichfalls
die Beiziebung dämonischer Mächle, u. ebd. Anm. 188).
285) Ebend. II, 2, c. 12, p. 855: Species ul species nec est actu aliquod indimduorum,
nec aliud ab aliquo eorum, immo polenlia est unumquodque, et ralio eius
seu diffinitio totaliter est in. unoquoque itlorum (s. bei d. Arabern vor. Abschn.,
Anm. 23) Species non dicitur lotaliter, i. e. non secundum omnem sui parlem
de aliquo individuorum, licel dicatur totaliler de unoquoque secundum ralioncm suam;
et inlelligo totalilulem istam, quae est ex parlibus ralionis seu diffinitionis, et hae
partes sunt genus et differeuliae ; alio modo partes speciei individua sunt, quoniam
ipsam speciem, cum de eis praedicatur, sibi invicem quodammodo parliuntur (s. Avicenna,
ebd. Anm. 127 f.).
286) Ebend. II, l, c. 8, p. 816: Intellectus omnis natus est esse specutum inlelligibite,
cum natus sit recipere in se deseriplionem universitalis intelligibitium ;
manifestum aulem est, quod cum istam deseriplionem receperit, erit velut exemplum
universi et vetut liber loliu's deseriplionis ipsius.
287) Ebend. c. 15, p. 822: Virtus intellecliva nostra nihit dctrahit, nihit tollit
vel minuit omnino de signis sensibitibus, sed magis ei detrahitur, quoniam non attingit
ipsa signa huiusmodi tolaliter Sed est, quemadmodum dicam libi, si quis imaginem
Soeralis sculpat, manifestum est, quod a tange eam intuenti non imago
Soeralis expresse, sed imago bominis indelerminale sive indefinile, h. e. in universali,
appareret Hoc modo scito se habere virtulem intelleclivam ad signa parlicuioria
sensibitium, et hanc esse intentionem spolialionis ac denudalionis, sc. brevitalem
inlellectus, per quam allingere non polest conditiones particutares.
288) Ebend. c. 36, p. 837: Manifestum igitur est, mundum istum corporeum
verum mundum esse el verum habere esse, non simitttuifinarium tantum, quia
nomina partium mundi istius non sunt nomina simititudinum neque denominaliones
aul agnominaliones impositae ab accidenlibus, sed sunt nomina veri nominis el verae
nominalionis, nominantia, quae sunt vere el essentialiter ; el propler hoc essentialia
nomina sunt imposita rebus ad nominandum eas, quod vere alque essentialiler sunt,
sicul sot, tuna, lerra, vel aliorum huiusmodi unumquodque (s. Avicenna, vor. Abschn.,
Anm. 94).
289) Nur bezüglich des Specutum morale hat man bisher die Beobachtung ge
macht, dass es spälere Einschiebsel enthält (s. z. B. auch Jourdain, Rech. erit.
p. 308). Uebrigens ist es, — abgesehen von deutlichen Nachweisen, wie wir solche
sogleich geben werden —, auch sehr erklärlich, dass bei einem im Gebrauche
78 XVII. Vincenz von Beauvais.
eingetragen , so dass man gleichsam chronologisch Schichten der Inter
polalionen unterscheiden kann 290). Nur mit einem gewissen Vorbehalte
demnach können wir auf den die Logik betreffenden Abschnitt, nemlich
auf das 4. (oder 3.) Buch des Speculum doctrinale291), näher eingehen;
denn wenn , wie sich alsbald zeigen wird , Einzelnes unmöglich von
Vincenz geschrieben sein kann , so bleibt auch bei manchen anderen
Stellen die Möglichkeit der Aechthcit neben jener der Unächtheit bestehen.
Der Verfasser beginnt seine Darstellung mit einer Definilion der
Logik , welche in Inhalt und Form ihren arabischen Ursprung deutlich
zeigt292), und knüpft hieran Excerpte aus Isidorus (s. Abschn. XIII,
Anm. 27), sowie aus Alfarabi (s. vor. Abschn., Anm. 13), worauf er in
arabischer Denkweise die Bücher des aristotelischen Organons mit Einschluss
der Rhetorik und Poelik gruppirt293), um nach ein paar Citaten
aus Auguslinus (s. Abschn. XII, Anm. 18) und abermals aus Isidorus (s.
a. a. 0.) wieder auf die arabische Theorie über incomplexum und com
plexum und insbesondere über Form und Stoff der Argumentalion ein
zugehen, insoferne hiernach die Araber das Verhältniss der ersten Ana
lytik zu den folgenden Theilen des Organons beslimmten 294). Nachdem
verbleibenden encyclopädischen Werke die Abschreiber jeweitig ihre eigene Weis
heit verwertheten.
290) Ueberhaupt würde es sich sehr lohnen, für den Umkreis des ganzen
Specutum maius die Quellen, aus welchen es geschöpft ist, genau zu erforschen
(Schlosset -'s bekanntes Buch über V. v. B. konnle hierin Nichts bielen; Alogs Vogel
in einem Festprogramme der Universität Freiburg, 1843, gibt ausser bibliographi
schen Nolizen nur eine Inhalts-Uebersicht ; Bourgeat, Etudes sur Vinc. de lieamais,
Paris 1856, wollte wohl lediglich zur Erbauung frommer Seelen schreiben); ja
auch all jene Stellen, in welchen die Quelle nicht genannt ist und welche durch
die Bezeichnung „Auctor" (oder, wie in den Druck ausgaben steht, „Actor") sich als
eigene Zuthaten des Compiiotors ankündigen, beruhen immer doch wieder auf irgend
einem tradilionellen Materiale, und eine genaue Prüfung würde, wie ich mich über
zeugle, z. B. auch in den naturwissenschaftlichen Abschnitten zu dem nemlichen
Resultale, d. h. zur Einsicht in eine successive Interpoiolion des Texles, führen.
291) Es ist nemlich in den zwei ältesten Ausgaben des Specutum doctrinale
(Argentor. 1473. fol. u. Nürnberg. 1486. fol.), welche mlt Recht als die krilisch
brauchbareren gellen, der „Prologus" als 1. Buch nnmerirt, wodurch der die Logik
betreffende Abschnitt zum 4. Buche wird , während er in den späteren Ausgaben
als 3. Buch erscheint. Abgesehen von dieser Differenz genügt es, das Einzelne
nach den in allen Ausgaben gleichbleibenden Capitel-Nummern zu ciliren.
292) Cap. l : Logica scienlia onlinandi proposiliwes enuntialivas secundum figuras
logicas ad eliciendas conctusioues, quibus pervenitur ad cognilionem dictorum et ad
iudicandum de itlis, utrum vera sint an falsa (wörtlich dasselbe steht auch Lib. II
[oder l], cap. 21). Vgl. Alfarabi, vor. Abschn., Anm. 15; Avicenna, ebd. Anm. 74;
Algazeli, ebd. Anm. 241.
293) C. 3: Etementa rero, quibus seientia verificatur, quinque sunt, sc. denionstraliva,
topica, sophislica, rhelorica, poelica u. s. w. S. vor. Abschn., Anm.
17 f., 51, 276.
294) C. 4: Omne dieibite aliud est inromplexum aiiud complexum (s. ebend.
Anm. 16) Complexum aliud est inordinatw» sive sbsotutum, ei de hoc est liber
Perihermenias, aliud ordinatum ; et hoc dupliciler, vel ad omnem maleriam indifferens,
et hoc in libro Priorum, vel ad alittuam maleriam delerminatam contractum; et hoc
tripliciter, vel ad necessariam, et hoc in libro Posteriorum, vel ad probabitem, et hoc
in libro Topicorum, vel ad sophisticam, et hoc in libro Etenchorum (s. ebrnd. Anm.
52, u. besonders b. Algazeli, Anm. 276). Hingegen wieder eine andere Gliederung
des Organoa s. Anm. 310.
XVII. Vincenz von Beauvais. 79
er hierauf noch die Eintheilung des Organons nach Boethius (s. Abschn.
XII, Anm. 82) vorgeführt, geht er an der Hand desselben auf den un
entbehrlichsten ersten Theil (s. ebend. Anm. 85), d. h. auf die Isagoge,
über und macht sich dann sogleich an die Frage über die Universalien.
Man könnte sagen, er ziehe sich dabei gut aus der Schlinge, indem er
gar bequem zwischen Metaphysik als der realen Disciplin und Logik als
der „sermocinalen" dislinguirt 295); aber während dann eigentlich jede
weitere Discussion ohnediess überflüssig wäre , ist andrerseits dasjenige,
was er vorbringt, doch gar zu kläglich. Vorerst setzt er die üblichen
drei Fragen betreffs der Universalien in Beziehung zu einer bei den
Arabern geläufigen Dreitheilung der Wissenschaften 296); hierauf aber führt
er wirklich allen Ernstes als Beweis der objectiven Existenz der Univer
salien die subjeclive Auffassung derselben an , wozu ihm noch ein paar
Auctoritäts-Stellen sich darbieten , fügt aber zugleich auch Gegengründe
an, welche theils auf platonischem Spiritualismus, theils (— um mich
sogleich thomislisch auszudrücken —) auf dem Principe der Individuation,
theils auf Bedenken bezüglich der Causalität beruhen297). In Wider
legung aber dieser Einwände bewegt er sich grundsätzlich in den An
schauungen des Gilbertus Porretanus (z. B. „communis natura, similitudo
specialis"), auf welchen er sich auch bei Bekämpfung des dritten Gegen
grundes ausdrücklich beruft, während den Platonikern eine mit Wilhelm
von Auvergne wörtlich übereinslimmende Wendung und den Vertretern
der Individualion eine arabisch gefärbte Auffassung der Wesens-Einheit
295) C. 7: Diversimode tamen universale pertinet ad consideralionem metapbgsici
et logici; metapbgsici quidem gralia sui esse, huius enim est, considerare de
entc , quod diriililur in universale et particuiore; logici vero, inquantum est dicitrile
vel praedicabite. Hiezu C. 12: Universalia res sunt et apud metaphgsicum sunt
altera di/ferenlia entis ; prout vero consideratur universale a logico, condilio est vocis
signatae rei ordinatiitis in genere, quia logicus non accipit rem nisi proul significalicum.
Dicendum ergo, quod oportet, ipsa universalia, prout veniunt in usum logici,
esse per nomina praesentata, cum sit sermocinalis artifex ; et sie cum quaeritur, an
sint res an nomina, dicendum, quod res per nomina designatae res sunt ralionis, el
talis res significata per nomen subiicitur vel praedicatur.
296) C. 7: Utrum universalia subsistenlia sint, an in solis nudis ac puris inlelleclibus
posita Utrum corporea sint, an ineorporea Utrum separata
sini a sensibitibus, an in sensibitibus posita His aulem tribus quaeslionibus
tangitur triplex esse, quod habet universale secundum triplicem sui consideralionem.
Per primam enim tangitur esse eius quoad metaphgsicum , cuius esl consideralio de
enle ; per secundam esse eins quoad mathemalicum, cuius est corpus et quamlibet
quantitalem considerare; per lertiam vero quoad phgsicum, cuius est sensibitia
cognoscere (s. Avicenna, vor. Abschn., Anm. 73 f.).
297) C. 8: Quod aulem universalia sunt, mullipliciter probari polest. Primum
quidem, quoniam aliler nulio esset eorum scienlia, dicit enim Aristoleles in Posterioribus
(l, 2, 71 b 25, s. Abschn. IV, Anm. 651), quod non entis non est scienlia.
Praelerea , quaniam ens dividitur in universale et parliculare. Ilem Aristoleles in
praefato libro (s. ebend. Anm. 672) dicit, quod ens universale verius est, quam
particuiore Sunt igitur in rerum natura, quod concedimus. Sed contra haec
obiicitur, quod idem videtur esse sotum in intellectu, uam dicit ipse Piolo, quod
genus et species ideae erant in menle divina Item quidquid est, ideo est, quia
unum numero el singuiore est; universalia aulem non sie, quia sie essent hoc ali
quid (diess kann ein späterer Zusatz eines Thomisten sein) Ilem nec exivit in
esse per erealionem, quia tunc esset hoc aliquid, nec per generalionem , quia tunc
essel corruplibite.
80 XVII. Vincenz von Beauvais.
gegenübergestellt wird 298). Noch leichter wird auf Grundlage des ein
mal vorgefassten rohen Dualismus die Unkörperlichkeit der Uni versauen
erwiesen, wenn auch mit dem tröstlichen Zugeständnisse, dass dieselben
in den Individuen eben „eingekörpert" werden 299), so dass hiernach die
Differenz zwischen Plato und Aristoteles ihre wahrlich bequemste Lösung
dahin finden kann, dass kurzweg Beide Recht haben, indem die Univer
salien (wie bei Gilbert) zugleich einerseits in mullis und andrerseits
praeter multa sind, jedenfalls aber, was den Wesensgehalt betrifft, die
Totalität des Einzelnen conslituiren 300). Endlich die eigentliche Kern
frage über Zulässigkeit einer nominalislischen Auffassung ist ja bereits
durch obige Scheidung der Disciplinen erledigt oder vielmehr todtgeschlagen
36l), wenn auch an einer anderen Stelle (Anm. 311) eine fast
entschieden nominalislische Aeusserung sich findet. Nach der Angabe
verschiedener Gründe für die Fünfzahl der Universalien 302) werden so-
298) C. 9: Ad primum respondeo, quod universalia non sotum in inlellectu sunt,
sed et in re; num homines iudie,ituam quandam inler se naturam communem parlicipant,
quae est humanitas, per quam unumquodque dicitur homo, et itio a quolibet
eorum participata dicitur universale et est simititudo specialis ipsorum (s. bei Gitbertus
Porretanus, Abschn. XIV, Anm. 474) ; ab ipso tamen intellectu accipttur praeler
individua, sicut in linea, quamvis non possit esse praeler maleriam, non tamen falsus
est intellectus, qui capit eam sine maleria Piolo vero non loquebatur de universali
secundum id quod est, sed de simititudinc universalis, quae eral in mente
divina (vgl. oben Anm. 284) Ad aliud dicitur, quod universale est unum
numero, non numerositale maleriae sicut singuiore, sed numerositale essenliae, una
enim numero est essenlia communis hominis (vgl. vor. Abschn., Anm. 92)
Ad aliud dicendum, quod universale egreditur in esse per generalionem, non tamen
primo, sed ex consequenti, quia generato Soerale generatur ex consequenli homo; et
hoc habetur in Sex principils (s. Abschn. XIV, Aum. 487).
299) C. 10: Probatur, quod universalia non sunt corporea, quoniam omne corporeum
est compositum et eorruplibite et sensibile, universale vero simplex est et
incorruplibite et intelliaibite Obiicitur, quia corpus est species quantitalis,
species aulem universale est llem incorporeum de corporeo praedicari non
polest Dicendum, quod universalia secundum se sunt incorporea, per sua tamen
incorporantur individua, et corpus quidem, pruut est species quantitalis, non est corporeum,
sed incorporeum, quoniam est universale.
300) C. 11: Dissensio eral inler Aristolelem et Halonem Sotulio: polest
die«, quod Ptato considerabat simititudinem universalis, Aristoleles considerabat esse
eins Duplex est causa, per quam universale contrahit suum esse; habet enim
causam malerialem ipsa singuioria, unde dicitur in Sex principiis (Abschn. XIV, a.
a. O.), quod omnis communitas a singuioritale procedit; quantum ad istam causam
non est universale unum praeler mulla, sed unum in mullis; habet eliam cau
sam efficienlem, sc. intellectum abstraho,lem communc a particuionbus (s. ebend.,
Anm. 464); quantum igitur ad istam causam est unum extra omnia Si
vero quaeritur, nimm hoc universale homo sit in quolibel homine secundum se tolum
an secundum partem, dicendum est, quod secundum se totum, i. e. secundum quamlibet
sui partem diffinilivam , non aulem secundum quamlibet sui partem subiectivam
(vgl. Avicenna, vor. Abschn., Anm. 103 u. 116).
301) C. 12: Quod aulem sint res, tam dictum est superius (oben Anm. 297)
Ilem universale idem est apud omne s, nomen aulem non Obiicitur: univer
sale dicibite est et praedicabite, res aulem non praedicatur Dicendum, quod
u. s. f., d. h. es folgen die oben, Anm. 295, angeführlen Worte.
302) Ebend.: Quaeritur, quare quinque sunt universalia nec ptura nrc pauciora
Dicendum: uno modo sie iuxta modos praedicandi Aliter sie: in
naturali composito exigitur maleria et forma et unio istorum duorum Aliter
quoque sie: universale est conditio rei ordinabitis in genere u. s. f. (Es kann diess
XVII. Vincenz von ßeauvais. 81
dann die einzelnen quinque voces in einem ziemlich kurzen Excerpte be
sprochen; bemerkt mag dabei werden, dass der Verfasser in der Auf
fassung des „ens" (A. h. dass es nicht oberster Gattungsbegriff sei) sich
an die Araber anschliesst 303), sowie dass er bei Erörterung der Differe'nz
sichtlich dem Avicenna folgt 304).
Zur Lehre von den Kategorien entnimmt er zunächst den Anfang
aus Isidorus und Alcuin 305), um dann die vier ersten Kategorien, — und
zwar in der Reihenfolge: Substanz, Quanlität, Relalion, Qualität (!) —,
ganz nach Boethius zu besprechen 306); mitten aber in die Erörterung
der Qualität schaltet er Angaben über die Vieldeuligkeit des Wortes
„forma" ein, um wieder auf die Ansieht Gilbert's überzulenken 307).
Aus diesem Letzteren folgt hierauf auch fast vollständig die Lehre von
den sechs letzten Kategorien mit Einschluss des Capitels über magis et
minus, d. h. eben beinahe das ganze Buch De sex principiis30*e); und
wenn auch bereits ein Vertreter der byzanlinisch-lateinischen Logik, nemlich
Lambert v. Auxerre (ob. Anm. 116), das Gleiche that, so dürfte hier
doch nur eine spätere Interpolalion vorliegen, da die Sex principia erst
seit Albertus Magnus allgemein in das Organon recipirt waren. Am
Schlusse der Kategorien folgt noch ein Excerpt aus den sog. -Postprädicamenten
309).
Die Lehre vom Urtheile beginnt wieder mit den Angaben des Isi
dorus (Abschn. XIII, Anm. 33 ff.), welchem auch die Unterscheidung
zwischen ars und scientia entnommen ist; an diese aber knüpft sich
unter der eigenthümlichen Bemerkung, dass auch in dem Buche De interpr.
von sechs „principiis" gehandelt werde , wieder eine neue Gliederung
des Organons (vgl. ob. Anm. 293 ff.), wornach in einer sehr ähnlichen
Weise, wie wir Solches schon bei Lamhert von Auxerre (ob. Anm. 104)
trafen, ars nur in der Topik, scientia aber in den übrigen Büchern ent
halten sei 310). Gelegentlich aber des Begriffes der interprelatio finden
sehr wohl ursprünglich auf einer Zusammensteltung desjenigen beruhen, was Avi
cenna bei den einzelnen fünf Worten erörlert hatle; s. vor. Abschn., Anm.
108—174.)
303) C. 13: Non est aulem ens commune omnium genus (s. ebend. Anm. 32).
304) C. 14, woselbst die verschiedenen Defiiiitionen der Differenz zusammen
geslellt sind; vgl. ebend. Anm. 135 ff.
305) C. 15. S. Abschn. XIII, Anm. 32; aus Alcuin (ebend. Anm. 57) ist der
Beispiel-Satz entnommen.
306) C. 16 -21.
307) C. 20: Forma est composilioni conlingens u. s. f., s. Abschn. XIV,
Anm. 486.
308) C. 22—28. S. ebend. Anm. 489-510.
309) C. 29 über Oppositum, C. 30 über Prius, Sin»uf, Matus.
310) C. 31: In his itaque Perihermeniis de sex principiis tractat, sc. de
nhmine et de verbo, de oralione, de enunlialione, de affiirmalione, de negalione, de
eontradiclione Dialectica dupliciler consideratur : uno modo ut ars (s. Abschn.
XIII, Anm. 26, vgl. Abschn. XIV, Anm. 445), et sie de Omnibus est et sie non est
alicuius generis dcterminali et traditur sie in libro Topiconim; alio modo ut est
scientia et traditur in libro Priorum, et sie logica est de sgllogismo. Igitur in libro
Praedicamentorum agit de maleria remota sgllogismi, sc. de terminis, in libro aulem
Peri hermenias de maleria propinqua sgllogismi, sc. de essenlialibus ; in libro aulem
Priorum de sgllogismo plenarie, in libro primo Topicorum et in librd Posleriorum et
PBANTL, Gesch. III. 6
82 XVII. Vincenz von Beauvais.
wir hinwiederum eine Uebereinslimmung mit jenen nominalislischen Ara
bern, welche sogar A vicenna bekämpfte311), so dass hiebei allerdings die
metaphysische Betrachtung der Universalien ausser Ansatz bleibt und nur
die „sermocinale" Logik (Anm. 295) auftritt, woferne nicht diese ganze
Stelle nur ein Zusatz eines späteren Nominalisten ist. Es beginnt ja hiemit
in unserem Texte des Speculum überhaupt eine Gruppe, bei welcher
wir den Boden unter den Füssen verlieren. Schon die Reihenfolge, in
welcher hier der Inhalt der Lehre vom Urtheile sich bewegt, ist aben
teuerlich genug, denn nach den üblichen Erörterungen über Nomen,
Verbum, über Eintheilung und Einheit der Urtheile folgt die Angabe, was
lerminus sei und aus welchen Bestandtheilen die Urtheile gebildet seien,
woran sich aber dann eine längere Episode aus der byzanlinischen Logik
betreffs der proprielates terminorum anreiht, um erst hernach aus der
nemlichen Quelle die Lehre über Conträr, Contradictorisch u. s. f., über
Conversion und Aequipollenz und über die modalen Urtheile folgen zu
lassen312). Noch bedenklicher aber gestaltet sich die Sache, wenn wir
die einzelnen Stücke dieses eigenthümlichen Mosaiks näher besehen. Aller
dings völlig unverfänglich ist es, dass die Nolizen über Nomen u. s. f.
dem Isidorus und dem Aristoteles, d. h. dem Boethius, entnommen sind 313),
sowie dass für die allgemeinen Beslimmungen über enuntialio und deren
Einheitlichkeit und insbesondere betreffs des hypothelischen Urtheiles gleich
falls Boethius als Quelle dient314). Hingegen was sollen wir von jenen
Parlien denken, welche aus der byzanlinischen Logik stammen? Nemlich
schon die Eintheilung der oratio slimmt wörtlich mit Demjenigen überein,
was wir oben (Anm. 35) bereits bei Wilhelm Shyreswood trafen315), und
ebenso die Gruppirung der Urtheile nach den drei Fragen (quae, qualis,
quanta) mit Petrus Hispanus (Anm. 153), noch dazu unter Anführung
eines zuerst bei Lambert v. Auxerre (Anm. 108) erscheinenden Verses 3 16);
ferner sind gleichfalls aus Petrus Hispanus entnommen die Angaben über
Conträr, Contradictorisch u. s. f. (ob. Anm. 154 f.), über Umkehrung und
Aequipollenz des kategorischen Urtheiles (Anm. 156 u. 159), jedoch ohne
die sämmi liehen Memorialverse, sodann noch die ganze Lehre von den
Etenchorum de parlibus, i. c. de speciebus ipsius sgllogismi. Doch diese ganze
Stelle hat wohl schwerlich den Vincenz selbst zum Autor.
311) C. 32: Vox aulem significat et significatur, significal enim inlellectum et
rem, significatur aulem a litleris ; res aulem significatur et non significal i intellectus
vero significatur et non significat, proprie loquendo, significatur enim per vocem, non
aulem proprie significat rem, sed est simititudo rei, unde dicit Aristoleles (s. Abschn.
IV, Anm. 108), quod inlellectus simititudo rei est (den Ausdruck „intellecta
significantur" in solcher Auffassung s. vor. Abschn., Anm. 85). Auch knüpft sich
hieran eine bei den Arabern übliche Aufzähtung der Stufen und Arlen des inlellectus
(s. ebend. Anm. 4).
312) So drängt sich schon hiednrch wohl die Vermuthung auf, dass durch
die Erwähnung des Begriffes „lerminus" das spälere grössere Einschiebsel über
supposilio u. s. f. veraniosst wurde.
313) C. 33. s. Abschn. XIII, Anm. 34. u. Abschn. XII, Anm. 109 ff.
314) C. 34. s. Abschn. XII, a. a. O. u. bes. Anm. 112 u. 140.
315) C. 33: Oralionum alia indicaliva, alia imperaliva, alia deprecaliva, alia
optaliva, alia coniunctiva, alia infiniliva.
316) C. 34: Per „quae" quaeritur de propria qualitale sive de essenlia proposilionis
u. s. t.
XVII. Vincenz von Beauvais. 83
modalen Urtheilen (Anm. 160—164), gleichfalls mit Weglassung der Figur
und der Kunstworte 317). Und ausserdem ist zwischen diese Capitel noch
anderweiliger byzanlinischer Stoff eingeschoben, indem an den aristotelischboethianisclien
Begriff des terminus zunächst die Scheidung von Subject,
Prädicat und Copula mit Worten des Petrus Hispanus (Anm. 152) ange
knüpft wird und sogar die Erwähnung der Sgncategoreumala auf Wilh.
Shyreswood (Anm. 34) und Petrus Hispanus (Anm. 150) hinweist318).
Auch folgt hierauf unmittelbar mit der Bemerkung, dass die „condüiones
terminorum" (— sonst war üblich „proprietales terminorum" —) in den
drei Funclionen des supponere, appellare, copulare als Unterarten des
significare liegen 3 1 9) , ein Auszug aus der Lehre von der supposüio,
von der appellalio, und, mit dieser theil weise verflochten, von der reslrictio;
ja auch Einzelnes aus der dislribulio ist in dieses ganze Excerpt
hier und da beigezogen; hingegen die zu erwartende copulalio fehlt auch
hier, so gut wie bei Petrus Hispanus, s. oben Anm. 221. Finden wir
somit, dass ein ansehnliches Stück' jener neuen Logik hier in das encyclopädische
Werk aufgenommen sei , so möchte es nun wohl scheinen,
dass , nachdem ich eine reichere Verbreitung der byzanlinischen Logik
bereits für die Mitte des 13. Jahrhunderts nachgewiesen habe, gerade
ich am meisten geneigt sein müsste, eine solche Receplion dem Sammelfleisse
des Vincenz zuzuschreiben; und in der That steht chronologisch
auch gar Nichts im Wege. Aber dennoch finde ich dabei viele Bedenken.
Wenn es schon auffallen muss, dass das über supposüio, appellatio,
restrictio Gesagte auf eine Combinalion verschiedener Quellen und jeden
falls, was die Benützung des Petrus Hispanus betrifft, auf eine arrangirende
Auswahl hinweist 32ü) , so steigert sich dieses Verhältniss dahin,
dass wir stellenweise eine weit jüngere Formalion der Lehre von suppo
süio wiedererkennen321); ferner linden wir bei der aus P. Hispanus
entnommenen Aequipollenz eine Aenderung und Vermehrung der Memorial
verse, welche selbst in den interpolirten Texten des P. Hispanus nicht
317) C. 38 unier der Ueberschrifl „communicantia proposilionum" (üblich war
sonst „participanlia") die Verhältnisse des Conträren u. s. f.; C. 39 Umkehrung
n. Aequipollenz; C. 40 die Modalltät d. Urtheite, u. C. 41 die Contrarietät u. s. (.
der modalen Urtheite.
318) C. 35: Praedicaliva proposilio Huius enim principales parles sunt
subiectum el praedicatum et copuio, secundariae vero sunt sgncalegoreumata, i. e.
dietiones consignificalivae , celera namque calegoreumata sunt , ul mon,ere
et verbum.
319) C. 36: Condiliones aulem lerminorum sive parlium principalium calegoricae
propositimis sunt supponere, appeliore, copuiore, quorum genus est signi
ficare u. s. w.
320) Wer C. 36 n. 37 (— es lohnt sich nicht der Mühe, dieselben hier ganz
abzuschreiben —) genau mlt den Quellen vergleicht, wird fmden, dass zunächst die
einleitenden Bemerkungen auf Withelm Shyreswood (Anm. 58) und im Wortioute
noch näher auf Lambert v. Anxrrre (Anm. 125 u. 127) zurückweisen, dass sodann
die Eintheitung der supposilio dem Petrus Hispanus (Anm. 202 fl'.) folgt, hieran
aber Regeln und Sophismen aus desselben Lehre von der distribulio (Anm. 244,
dann 246, hierauf 245) angeschlossen werden, dass hierauf aus gleicher Quelle
kurz die appeltalio (Anm. 228) und dann die restriäio erörlert wird, wobei der
Inhalt obiger Anm. 234 wieder durch wörtliche Aufnahme eines Absatzes aus der
distribulio (Anm. 242) unterbrochen wird.
321) C. 36: Dicitur pro reguio in supposilionibus u. s. f., s. unten Anm. 597.
6*
84 XVII. Vincenz von Beauvais.
erscheint322), ein Umstand, welcher weiter unten in der Syllogislik
wiederkehrt323); ausserdem begegnen wir hier jener Noliz, dass es sechs
Arten des hypothelischen Urtheiles gebe, welche erst einer allmäligen
Erweiterung der byzanlinischen Logik angehört324), und endlich ebenso
einer späteren Unterscheidung der Wortbedeutung der modi 325). Steht
aber hiedurch fest, dass der Text des Speculum jedenfalls durch spätere
Einschiebsel erweitert wurde, so finden wir keine sichere Gränze, warum
nicht auch Dasjenige , was in chronologischer Beziehung allerdings auch
dem Vincenz selbst zugänglich gewesen wäre, von einem Späteren einge
schoben sein könne. Ja in der Erwägung , dass die Autoren der Logik
damals erst allmälig sich daran gewöhnten . zugleich auf den aristoteli
schen und auch aul den byzanlinischen Stoff zu blicken (s. z. B. unten
Anm. 357, 470 f., 541 ff.), und dass eine Gleichstellung oder vollends
eine innige Verschmelzung der beiderseiligen Tradilion erst durch Scotus
angebahnt und durch Occam vollendet wurde , möchte ich zu dem posi
liven Resultate gelangen, dass auch bei Vincenz die mosaikarlige Combina"
lion beider Logiken nur eine scheinbare sein kann, indem Alles, was
dem Petrus Hispanus oder dem Wilhelm Shyreswood und dem Lambert
v. Auxerre entnommen ist, als Zuthat eines späteren Syncrelisten zu be
trachten sein dürfte 326).
Höchst planlos ist auch die Anordnung Desjenigen, was hierauf nach
der Lehre vom Urtheile folgt. Es wird nemlich vorerst plötzlich auf des
s Boethius Buch de diff. top. übergegangen und dasselbe kurz excerpirt 327),
dann reiht sich aus Isidorus der Abschnitt über die Gegensätze an 32s),
um sogleich hierauf aus derselben Quelle eine Noliz über die Syllogismen
folgen zu lassen, woran dann jene Memorialverse, welche wir bereits seit
Wilh. Shyreswood trafen (Barbara, Celarent u. s. f.) , und ausserdem,
wie bemerkt (Anm. 323), auch noch zwei neue Verse geknüpft werden
konnten329). Hierauf folgt noch ein ausgedehntes Excerpt, welches mit
"dem Anfange der aristotelischen Topik beginnt, dann (nach der Uebersetzung
des Boethius) die ersten sieben Capitel des ersten Buches und
den Anfang des zweiten Buches der zweiten Analylik in abgekürzter
Form vorführt 330) und in gleicher Weise sodann (obwohl die Topik
, gerade vorher schon aus Boethius entnommen worden war) die ganze
322) C. 39 am Schlusse. Ich führe aber diese Verse als nicht hieher gehörig
erst unten bei den späteren Inlerpoiolionen in Abschn. XX an.
323) C. 50. S. ebend.
324) C. 34: Sciendum, quod sex sunt species hgpothelicae: conditionalis, coputaliva,
disiunctiva, lemporalis, localis, causalis. S. unlen Anm. 583.
325) C. 42. S. gleichfalls bei den Inlerpoiolionen.
326) Wie sich von selbst versleht, gitt mir dipss auch von jener Slelle, welche
in den hernach folgenden Capiteln vorkommt; s. sogleich Anm. 329.
327) C. 43 —46 über quaeslio, argumentum, argumentalio, maxima propositio
_n. dgl. s. Ahschn. XII, Anm. 82, 137, 165 f., 168; hierauf C. 47 die Topen des
Themislius, u. C. 48 die ciceronischen, s. ebd. Anm. 184.
328) C. 49. S. Abschn. XIII, Anm. 40.
329) C. 50. Auch die hypathelischen Schlüsse bat Isidorns dar, s. ebend.
Anm. 38.
330) C. 51 — 55. Dass dabei die Uebersetzung des Boethius zu Grund gelegt
__ sei, bezeugt z. B., dass An. post. 1,7 (s. die Stelle Abschn. IV, Anm. 140) ä^
' mit „dignitales" übersetzt ist.
XVII. Robert Capito. 85
Topik und Soph. El. behandelt331), wobei jedoch sonderbarer Weise
zwischen das 7. und 8. Buch der Topik noch ein Auszug aus Hoelh. de
divisione eingeschaltet ist332).
Während wir hierauf den Humbert von Romans (gest. 1254) hier
gänzlich mit Slillschweigen übergehen können333), begegnet uns in
Robert Capito, auch Grosse teste oder (von seinem Bischofssitze)
Lincolniensis genannt (gest. 1253), ein Autor von etwas grösserer
Bedeutsamkeit. Sein Commentar zur zweiten Analylik 334) zeigt ihn uns
als einen logisch gut geschulten Kenner des Aristoteles , unter dessen
Werken er auch die Physik commenlirte, sowie er überhaupt mit grosser
Vorliebe die mathemalischen Disciplinen (besonders auch die euklidische
Oplik) betrieben haben muss 335). Die arabischen Erklärer haben für die
Logik nur ganz im Allgemeinen einen Einfluss auf ihn; hingegen hat er
den Commentar des Themislius, auf welchen er öfters ausführlich eingeht,
fleissig benützt 336). Er selbst hält sich, mit Ausnahme einiger Digressionen,
strenge an den aristotelischen Text, welchen er unter steter Her
vorhebung des Zusammenhanges Satz für Satz erläutert , wobei sein
Hauptbestreben dahin geht, die „condusiones" des Aristoteles, d. h. die
wissenschaftlichen Haupt - Sätze , hervorzuheben , ja sie zu numeriren und
insbesondere syllogislisch zu formuliren 337). Zu beachten ist, dass Robert,
was den Text betrifft, sich an die Ucbersetzung des Boethius hält, wäh
rend er zugleich ausdrücklich einmal von mehreren verschiedenen Uebersetzungen
spricht 338) ; auch fmden sich zuweilen einzelne Worte, in deren
Wahl er von Boethius abweicht339); im Commentare selbst erscheinen
331) C. 56—61 enthallen so das I. Buch der Topik, C. 62 f. das II., C. 64
das III., C. 65 das IV., C. 66 f. das V., C. 68—74 das VI., C. 75-77 das VII.,
C. 83—89 das VIII.; endlich C. 90—98 enthalten die Hauptsache der Soph. Et.
332) C. 78—82. S. Abschn. XII, Anm. 96—102.
333) Die theologische Litteratur mag ihn immerhin als einen der bedeutendsten
Dominikaner bezeichnen; für uns hingegen ist er werthlos, indem er in seiner
Schrift De eruditione praedicalorum (gedruckt in Bibt. Max, Patr. Vol. XXV) nur den
Standpunkt der frühesten Kirchenväler (Abschn. XIII, Anm. 8—18) zeigt. Während
er bei „scientia praedicaloris" (I, 8, p. 433) nicht mit einem Worle logische Bit
dung erwähnt, kömmt er wohl gelegentlich der artes liberales (II, l, 65, p. 488)
darauf zu sprechen, veriongt aber von der Logik nur defensio fidei, ,ntelligenliu
seripturae und honos ecclesiae, die Warnung hinzufügend, dass der Logik nicht nimia
morositas, diteclio, curiositas zugewendet werde.
334) Commentaria Roberli Linconiensis in libros posteriorum Aristolelis cum lextu
serialim tnserto. Seriptum Guallerii Burtei super eosdem libros posteriorum. Veneliis,
1497. fol. (Die Ausgabe ist nicht paginirt, die Capitel-Eintheitung des aristolelischen
Texles weicht von der sonst üblichen, welche auch in der boethianischen Uebersetzung
erscheint, ah.)
335) Er verweitt am liebslen bei Beispielen, welche der Geometrie angehören,
cilirt mehrmals den Euklides, einmal auch (L. l, c. 17, d. h. c. 27) den Ptolemäus.
336) Den Themislins kennt er nicht etwa bloss mitlelbar durch die Araber,
sondern er hatle sicher eine ioleinische Uebersetzung desselben vor sich ; vgl. oben
Anm. 16.
337) So hebt er aus dem 1. Buche 32 conclusiones hervor.
338) t, 10 (d. h. c. 11, p. 77 a 10; die Worte des Aristoleles s. Abschn. IV,
Anm. 166) : iitlera aulem aliarum transtalionum et senlentia Themistil neutri praeiliclarum
senlenliarum videtur concordari.
339) So ist z. B. l, 14 (d. h. c. 15, p. 79 a 33, s. die Slelle Abschn. IV,
Anm. 668) ärdfitui nicht wie bei Boethius mit indivisibitiler, sondern mit indivi
86 XVII. Robert Capito.
einige Ausdrücke, welche von den Arabern herstammen 340), nie hingegen
wendet er die Kunstworte der byzanlinischen Logik an, obwohl es an
Gelegenheit hiezu nicht gefehlt hätte341).
Insoweit nun Robert's Thäligkeit bloss commenlirend ist, können wir
nicht näher auf dieselbe im Einzelnen eingehen; wohl hingegen handelt
es sich für uns um seine principiellen Gesichtspunkte 342). Er folgt,
während er dem Aristoteles sich hingeben zu können glaubt, jenem ara
bischen Realismus , welcher sich auch mit auguslinisch christlichen An
schauungen vereinbaren liess. Wir begegnen bei ihm nicht bloss jener
ethischen Wendung, welche schon Alfarabi (vor. Abschn., Anm. 13) der
Logik gab343), sondern auch die Auffassung, dass der intellectuelle
Gehalt (forma) der Dinge theils der Physik, theils der Mathemalik, theils
der Metaphysik anheimfalle, ist den Arabern entlehnt344). Aber mit
dualiler übersetzt, ebenso in der bekannten anlipiotonischen Stelle (c. 15, d. h.
c. 22, s. Abschn. Hl, Anm. 66) TepfTiffiUnr« nicht mlt monstra, sondern mit pro-
' digia; auch c. 17 (d. h. c. 24) ist taoax»its, welches Boethius als isosceles stehen
liess , durch aequilibiae gegeben. Dass übrigens die Uebersetzung des Boethius
nicht etwa bloss in den Druckausgaben eingefügt wurde, zeigt der Commentar Robert's
selbst, indem er eben den boethianischen Wortiout interprelirt.
340) Z. B. ansser dem häufigen „quidditas" (s. vor. Abschn. Anm. 93) auch
der Ausdruck „facultales" (s. ebd. Anm. 278), welchen Bobert (t, 11, d. h. c. 12,
zu p. 77 b 27) von den neben der Logik einhergehenden Disciplinen gebraucht.
Wenn «f,WiUftr« mit dignitales übersetzt ist, so kann bei ihm diess sowohl von
Boethius als auch von den Arabern (s. ebd. Anm. 60) entnommen sein.
341) In der Erklärung all jener Slellen, welche den wissenschaftlichen Werth
der Schtussfiguren betreffen (Abschn. IV, Anm. 667—678), hätle der Kürze halber
die byzanlinische Terminologie ihre Anwendung fmden können.
342) Es genügt in dieser Beziehung nicht, wenn man, wie Iiourtau (De io
phit. scol. I, p. 461 ff.) gethan, aus einzelnen Slellen nur den extremen Realismus
Roberl's nachweist; es muss auch gezeigt werden, wie derselbe trolzdem dem Ari
stoleles, welchen er ja inlerprelirt, folgen witl.
343) In dem seltenen Drucke Ruberti [sie] Linconiensis bonarum arlium oplimi
inlerprelis opuscuio dignissima nunc primum in tucem edita et accuralissime emendata.
Veneliis 1514. fol. fmden sich 19 kleine Tractate, an deren Aechtheit ich eben
nicht zweifeln möchle. Während die Mehrzahl derselben der Physik angehört,
können für uns hier in Betracht kommen: De artibus liberalibus , De veritale proposilionis,
De unica forma omnium, De veritale. In dem erslen derselben nun sagt
Robert (f. 2 r A): Opera nostrae polestalis aul mentis affectu et eiusdem adspectu
aut corporum molibus et eorundem affectibus omnia consistimt. Adspectus vero primo
adspicit, secundo adspecta sive incognita verificat , et cum verificata fuerint apud
menlem , inhial affectus ad amplexandum convenientia Adspectum grammalica
recte informal ; recle informatum quale sit, logica sine errore diiudical ; iudicatum
quale sit, ut moderale (ausgefallen appetal vel) fugiat affectus, rhetorica persuadet.
Officium namque grammalicae est, recle inlelligere et recle inlellecta recte pronunliando
apud allerum recle formare. Officium vero logicae est, quod formatum est
in inlellectu, secundum triparlitam ralionem sui quale sit iudicare et disculere. Rhe
torica vero quod maxime intendil, est affectum movere. Hierauf geht er sogleich
auf corporum molus über und mündet von den vier übrigen ortes merkwürdiger
Weise in Alchymie aus.
344) Summa m octo phgsicorum Arist. (gedruckt in einigen Venelianer Ausgaben
des Commentares des Thomas zur Physik; so z. B. in jener v. 1586, p. 276 ff.),
woselbst gleich zu Anfang: Est aulem forma triplex. Una est, quae secundum esse
et consideralionem est in maleria, et est, de qua considerat pbitosophus naturalis.
Secunda est, de qua considerat mathemalicus, quae nbstrahitur a molu et a maleria
non secundum esse, sed secundum consideralionem Terlia est ilin, de qua
XVII. Robert Capito. 87
einer Anschauung, welche uns an einen David von Dinant oder Amalric
von Ben erinnern müsste, wenn sie sich nicht durch eine grosse dogma
lische Auctorität zu decken versuchte, fasst er das allgemein Ideelle so
äusserst realislisch, dass er Gott als die Form aller Dinge bezeichnet345),
und es darf uns nicht wundern, wenn Auguslin's lux interior derarlig
zum realislischen Molive gemacht wird346), dass die Erkenntniss der
Universalien auf einer Erleuchtung (irradialio) beruhen soll 347). Die
ewigen platonischen Ideen sind ihm somit Principien des Seins und des
Erkennens als die bleibenden Formen im Gebiete des Zusammengesetzten,
in welchem die Kurzsichligkeit (vgl. oben Anm. 287) des schwachen Intellectus
nur secundäre Folgen der Universalien als blosse Principien des
Erkennens (nicht auch des Seins) erfassen kann 348). Indem aber diess
Letztere eben in der körperlichen Verdunklung unseres Geistes be
ruht, vermöge deren wir auf Induclion und Abstraclion angewiesen
considerat metaphgsicus, quae abstrahitur a maleria et a molu secundum esse et secundum
consideralionem, cuiusmodi sunt inlelligentiae el aliae substantiae separatae.
S. bei Avicenna, vor. Abschn., Anm. 72 f.
345) In dem Tractale De unica forma omnium (vor. Anm. 343), welcher jetzt
in weit besserem Texte vorliegt in : Roberli Grosscleste Epistotae ed. bg H. R. Luard.
London 1861. 8. (d. h. Rerum Britann. medii aevi seriptores, Vol. XXV.), woselbst
p. IC u. p. l : Respondeo, me senlire hoc verum esse, sc. quod deus est forma et
forma omnium; el cum sit forma, necessario est forma prima, quia anle ipsum
nihit Si aulem quaeras, quid me moveat, respondeo : „magna magni Augustini
auctoritas" n. s. w.
346) Im Tractate De veritale (f. 9 r A) : Cum lucidioris essenliae est res, quam
sua simititudo vel exempior, ciorior et aperlior oculo mentis sano est rei in se ipso,
cognilio, quam in sua simititudine vel exempiori. Ac per hoc cum divina essenlia
sit lii.i'- lucidissima, omnis cognilio per simititudines est per se ipsam obscurior; in
ralionibus enim aelernis ereaturarum in mente divina tucidissima, quae sunt ereaturarum
exempior tucidissimum , omnis ereaturarum cognilio cerlior et purior et
manifeslior est.
347) Comment. in Poster. Arist. I, 17 (d. h. zu c. 24, s. d. Slelle Abschn. IV,
Anm. 672: Est tux spiritualis, quae superfunditur rebus inlelligibitibus, el oculus
menlis se habet ad res intelligibites, sicut se habet sol corporalis ad res visibites.
Res igitur intelligibites magis receplibites ab acie menlis, quae simitiler est irradialio
spiritualis, perfectius penctrantur. Ebend. 19 (d. h. zu c. 33, s. Abschn. IV,
Anm. 48) : Est visus mentalis apprehensivus inlelligibitium el est /unten , quod
superfusum visui et visibiti facit visionem in actu.
348) Ebend. I, 7 (d. h. zu c. 8, s. Abschn. IV, Anm. 660) : Universalia sunt
principia cognoscendi et apud inlellectum purum et separatum a phantasmalibus possibite
est contempiori lucem primam, quae est causa prima, et sunt principia cogno
scendi raliones rerum inereatas exislenles ab aelerno in causa prima. Cogniliones
enim rerum causandarum, quae fuerunt in causa prima aelernaliler, sunt raliones
rerum causandarum et causae formales exemptares et ipsae sunt ereatrices, et hae
sunt, quas vocavit Ptato ideas el mundum arehetgpum, et hae sunt secundum ipsum
genera et species et principia tam essendi quam cognoscendi Hae igitur ideae
ereatae sunt principia cognoscendi apud intellectum ab eis irradiatum, et apud talem
intellectum sunt genera et species, et manifestum est, quod haec universalia sint incorruplibitia
Ipsa forma non est genus vel species, sed secundum quod ipsa
forma est sicul lolius compositi el secundum quod ipsa est principium cognoscendi
totum compositum, sie est genus vel species et principium essendi et praedicabite in
quid Inlellectus aulem debitis, qui non polest ascendere ad cognitionem horum
verorum generum, cognoscit res in accidenlibus solis consequentibus essenlias veras
rerum, et apud itlum sunt accidenlia consequenlia genera el species el sunt principia
sotum cognoscendi el non essendi.
88 XVII. Robert Capito.
sind 349), so kann man ja recht wohl für das irdische Jammerthal Aristoteliker
und zugleich für die himmlische Wonne Platonikcr sein , und es
kömmt nur aufs Handumdrehen an, dass die Universalien ante rem und
sogleich auch in re oder post rem sind 350). So spricht dann der
ekstalisch christliche Platoniker als Erklärer des Aristoteles von der
Macht der Sinneswahrnehmung351) und von der logisch-nominalistischen
Bedeutung der Universalien352), sowie er hinwiederum dem aristotelischen
Begriff'e der quiddilas seine platonische Kehrseite verleiht 353). Etwa an
Klarheit in Principienfragen übertrifft er sonach den Wilhelm von Auvergne
(s. oben Amn. 284 ff.) wahrlich nicht; dass aber auch Andere hierin
'picht besser waren, wird uns der weitere Verlauf zeigen. Robert's
Verdienst für seine Zeit liegt , wie bemerkt , in seiner fleissigen Exegese
des Einzelnen, wobei er jedoch weniger, als man erwarten sollte, arabi
sches Material verwendet; denn ausscr einer Bemerkung über den art-
349) Ebend. I, 14 (d. h. zu c. 18, s. Abschn. IV, Anm. 72): Deficienle induclione
accepta a singuioribus deficiel apud inlellectum cognitio universalts eorundem
singutarium Dico tamen, quod possibite est, quamlibet scienliam esse absque
sensus adminiculo ; in menle enim divina sunt omnes scientiae ab aeterno nos
namque non novimus singuioritalem huius „humanitalis" nisi per hoc, quod admiscemus
cam accidenlibus, ipsa vero novit eius singuioritalem in puritale essenliae
Simitiler pars suprema animae humanae, quae vocatur intelligentia , .«/ nun
esset mole corporis obnubitata, ipsa per irradialionem acceptam a tumine superiori
huberet completam _ scientiam absque sensus adminiculo Verumtamen non novit
ralio, esse actu universale, nisi postquam a mullis singuioribus hanc fecerit abstractionem,
et occurrit ei unum et idem in mullis singutaribus reperfam.
350) Ebend. I, 18 (d. h. zu c. 31, s. Abschn. IV, Anm. 81): Si aulem inlelligamus
universalia per modum Aristolelis formas repertas in quidditalibus particuiorium,
a quibus sunt res parlicuiores id quod sunt, tunc universale esse ubique
nihit aliud est, quam universale esse in quolibet suorum parlicuiorium, nisi
forle dicamus, quod universale ubique est, quia inlellectus est locus universalium
et per modum spiritualem ibi est, übi est itlud, quod intelligitur Si aulem
universalia sunt ideae in mente divina, tunc universalia ubique sunt per modum, quia
causa prima ubique est Quomodo aulem causa prima ubique sit, allioris
est negolii et non est nostrae pussibititalis expionare; verumtamen quod ita
sit, scimus.
351) Ebend. II, 6 (d. h. zu c. 19, Abschn. IV, Anm. 75) : Ex sensu igitur fit
memoria, ex memoria mulliplicata experimentum, et ex experimento universale, quod
est praeler particuioria non quasi separatum a particuioribus, sed est idem in illis,
artis sciticet et scienliae principium.
352) Nicht bloss, dass er die aristolelische Ansicht bezüglich des „unum de
mullis" (Abschn. IV, Anm. 137) mit völlig aristolelischen Worten umschreibt (I, 9),
sondern er gioubt sich sogar mlt jener entschieden anlipiotonischen Stelle (s. oben
Anm. 339) zurechtfinden zu können, indem er (I, 15) sagt: Formae separatae a
subicclis, quas posuit Pioto genera et species et praedicabitia, sunt prodigia, quae
fnrmat error inlellectus, quia licet sint ideae et raliones rerum inereatae ab
aelerno in mente divina, ipsae ideae nihit perlinent ad raliocinalionem, in qua praedicatur
aliquid de uliquo. Ipsae itaque ideae in se prodigia non srint , sed cum
inlellectus rult facere eas praedicabites de rebus, a quibus sunt divisae et separatae
in hac ordinalione, prodigia sunt; demonstraliones enim et raliocinaliones liani de
simpiiciter praedicabitibus.
353) Summa phgsic. (s. oben Anm. 344) p. 278: Quidditas in rebus compositis
est maleria et forma, el est aliud a forma, quae est allera pars composili, quia in
talibus quidditas inctudit lolum, sc. maleriam et formam; in rebus aulem simplicibus,
sicut in substanliis separalis, idem est forma et quidditas, quia in talibus non est
compositio maleriae cum forma, sed esse cum essenlia.
XV11. Robert Capito. Albertus Magnus. 89
machenden Unterschied 354) und ausser einer Erörterung über deßnüio
formalis und definüio materialis ist gerade bei manchen wesentlichen
Punkten kein arabischer Einfluss bemerklich355). Hingegen muss, wenn
auch als vereinzeltes Moment, doch erwähnt werden, dass er anderswo
gelegentlich eine Kenntniss der byzanlinischen Logik zeigt, indem er einen
Punkt, welcher der dorligen Lehre von der ampiialio (s. ob. Anm. 226)
angehört, etwas ausführlicher bespricht356); und insoferne er einmal auf
dieses Gebiet sich eingelassen hat, dürfte es auch nicht auffallend sein,
wenn wir in ihm den Verfasser einer Schrift über die Sgncalegoreumata
träfen 357).
Auch Albertus Magnus (geb. 1193, gest. 1280) war ein unklarer
Kopf und nicht befähigt, irgend eine grundsätzliche Auffassung hinaus
zudenken, soweit dieselbe reicht. Sein grosses Verdienst, welches ver
neinen zu wollen thöricht wäre, liegt in seiner unermesslichen Belesenheit,
durch welche er für seine" Mitwelt und nächste Nachwelt der bedeu
tendste Stoff-Lieferant wurde; aber Verstand oder etwa gar philosophische
Begabung besass er wohl nicht in höherem Grade , als die ganze grosse
Masse aller Mittelmässigen , ja, wie sich alsbald zeigen soll, sogar in ge
ringerem Grade358). Er ist nur Compilator, und Alles, durchweg Alles,
was er schreibt, ist fremdes Gut; ja auch seine bisweilen ins Endlose
gehenden Dislinclionen, welche man gerne an ihm rühmt, sind nicht sein
Erzeugniss; die Auswahl, welche er zwischen verschiedenen Ansichten
trifft , beruht nicht auf einheitlich festgehaltenen Grundsätzen , sondern
auf dem momentanen Drucke, welchen Auctoritäten auf ihn ausüben,
354) Comm. in Posler. Arist. I, 4 (s. Abschn. IV, Anm. 132): Est differenlia
causa formalis speciei et genus est causa speciei sicut forma malerialis vel sicul
maleria formalis. S. vor. Abschn., Anm. 166.
355) Ebend. II, 3 (d. h. zu c. 11, s. Abschn. IV, Anm. 693 f.): Ubi demonstratur
diffinitum de sua diffinilione, non demonstratur nisi de sua diffinilionc maleriali,
et medium proximum, quo ostenditur diffinitum de sua diffinilione maleriali,
est causa et diffinilio formalis diffiniti, et si egeat oslendi itio diffinitio formalis de
diffinilione maleriali, demonstrabitur per medium, quod est diffinilio malerialis respectu
diffinitionis formalis, et idem medium est diffinitio formalis respectu diffinilionis ma
terialis. S. vor. Abschn. Anm. 52. Hingegen finden wir bei ihm weder die principielle
Auffassung der Araber betreffs der maleria sgllogismorum (ebend. Anm. 51,
223, 275), noch die Ansichlen über praedicatum primum (ebend. Anm. 54 ff., 224),
noch auch jene Unterscheidungen einer demonstralio quia und einer dnmonstralio
propler quid (ebend. Anm. 62, 226, 281, 342).
356) Im Tractate De veritale propositionis (s. Anm. 343) f. 5 v B : Rem, quae
partim est vel fuit et parlim futura est, non necesse est ante complementum sui esse
totaliler vel fuisse . Est igitur veritas sermonis vel opinionis de futuro praesens
asserlio exislenliae rei in futuro, existentia vero rel futurae nondum est, sed
polerit non esse, et ita veritas de futuro secundum quid sui tam est et habet necessitalem,
secundum quid sui nondum est et habet conlingenliam Quaelibet
talium proposilionum „Anlichristus erit, Anlichristus est futurus" est vera non necessariu,
sed conlingens u. s. w. Vgl. unlen Anm. 470 f.
357) Es dürfte wenigslens gegen die hierauf bezügliche Vermuthung, welche
ich unten Anm. 558 aussprechen muss, nichts Erhebliches einzuwenden sein.
358) Wenn in Bezug auf bekannte Anekdolen über die erste Jugend und das
Grcisenalter des Albertus seine Feinde, die Franziskaner, von ihm saglen „Ex asino
phitusvphus factus et ex phitosopho osmus", so trafen sie hiemit, wenn auch in
derbslem Ausdrucke, doch etwas Richliges.
90 XVII. Albertus Magmis.
daher man sich auch nicht wundern darf, wenn man ihn häufig auf
Widersprüchen ertappt 359).
Albert hat in seinem ausführlichen Commentare zum ganzen Organon,
sowie in den für uns hier einschlügigen Parlien der Psychologie und der
Metaphysik im reichsten Maasse die Uebersetzungen arabischer Quellen benützt
und hiedurch das Material jener Controversen dargeboten, welche alsbald
nicht bloss über die Universalien, sondern insbesondere auch über das principium
individualionis geführt wurden (dass durch letztere Frage der
Universalien-Streit eine Zeit lang fast in den Hintergrund gedrängt wurde,
wird der weitere Verlauf bald zeigen). Sowie aber von Selbstständigkeit
der Auffassung bei ihm überhaupt kaum eine Spur zu fmden ist, so zeigt
schon die erste Frage, die wir an ihn richten müssen, dass er nicht ein
mal über die Geltung und Stellung der Logik eine feste Ansicht hatte.
Die Philosophie überhaupt theilt er mit Avicenna, welchem er selbst
wörtlich folgt, in theoretische und praklische 360), deren ersterer auch
er gleichfalls den wesentlichen Vorzug vor letzterer zugesteht361). Indem
359) Es wird wohl dereinst in Folge geschichtlicher Studien die in den Wer
ken über Geschichle der Phitosophie noch übliche Ausdrucksweise verschwinden,
dass Albertus Magnus (oder auch Thomas von_ Aquin) diess oder jenes „sage",
oder es so oder so „auffasse", oder diese oder jene „Begründung" gebe ; denn er
seihst sagl Nichts, fasst Nichts auf, begründet Nichts, sondern immer sind es seine
Quelleh^':welche 'Solches thun, und die einzig richlige Ausdrucksweise ist „hier
schreibt er Diesen ab und dort excerpirt er Jenen". Dieses Urlheit, welches Vielen
herb'klingen mag, aber eben geschichtlich wahr ist, gitt auch von den Natur
wissenschaften, und wenn z. B. Meger's treffliche Geschichle der Batanik die grösste
Ueberschätzung des Albertus Magnus enthält, so läge das einzige Heitmittel hiegegen
in Erforschung der Quellen, denn schliesslich beruht alle Pfionzenkunde des
Albertus (und z. B. auch seine oft angeführlen Bemerkungen über die Edelsteine)
auf izriechisch-arabischer Litteratur. Die Geschichte der Logik kann hierin einen
über sie selbst hinausreichenden Fingerzeig geben, während sie eine wahrlich nicht
mühelose Probe der richligen Behandtung darzubielen gioubt. Die Geschichte der
Naturwissenschaften wird bei Bormans (Bullet, de PAcad. Relgique, Vol. XIX, 1852)
wenigslens einen dankenswerthen Anfang anerkennen (F. A. Pouchet, Hist. des sciences
naturelles au mogen-dge ou Albert le Grand et son tpoque. Paris 1853. ist weit
davon entfernt, unsere Anforderung auch nur zu ahnen). — J. Sighart, Alb. M.,
sein Leben u. s. Wissenschaft (Regensburg 1857) ist wissenschaftlich ganz un
brauchbar.
360) De praedicab. I, 2 (Opp. ed. Jammg, Lugd. 1651. Vol. I) p. 2: Ea, quae
sunt, dicuntur esse aul ab opere nostro , sive a votuntale sive eliam ab inlellectu
scientiam quaerenle, aul a natura generaliler dicta, quae ab opere nostro causari
non polest (diese Zweitheitung des Avicenna s. vor. Abschn., Anm. 71). Et cum ea,
quae a natura sunt, nostrae sint causa scicntiae el non nos sumus causa ipsorum,
de talibus apud nos non est nisi scienlia conlemptaliva, quae tumine intelligenliae
perficitur. Eorum aulem, quorum nos sumus causa per voluntalem, non polest
esse apud nos seieulia specutaliva, sed tantum praclica. Eadem vero (der Text gibt
enim) sunt in quolibel scibiti principia et causae et elementa cognosccndi, quae sunt
principia asendi Simitiler igitur alicuius phitosophiae erit inlentio, comprehendere
veritalem eins, quod in 'nobis est secundum ralionem, quod ralionis
ductu via est in omnem cognitionem omnium Erit igitur de intenlione phitoso
phiae eliam logica scienlia, quae est ralionalis. Die Steltung selbst, welche die
Logik im Gebiete der Wissenschaften einnehme, ist hier noch unbeslimmt offen
geiossen.
361) De animolll; IV, 4, (Vol. III) p. 175 A: Conlemptalivus inlellectus hnbens
in se finem perfectior et nobitior est practico. S. vor. Abschn. a. a. O. Aber die
gegentheitige Auffassung s. unlen Anm. 369.
XVII. Albertus Magnus. 91
er aber nach dem gleichen Vorbilde die theorelische Philosophie (welche
in Mathemalik, Physik und Metaphysik zerfällt) als „realis" bezeichnet362),
so stellt er ebenso neben dieselbe, — abgesehen von der moralis —,
das Gebiet der „scientiae sermocinales", welche als blosse Wegweisung,
vom Bekannten auf Unbekanntes zu gelangen, gar keine wirklichen
Wissenschaften (non verae scientiae) und eigentlich auch kein Theil der
Philosophie, sondern, da in ihnen nur die „intentiones secundae" der
Dinge, nicht aber die Dinge selbst, betrachtet werden, nur „modi scientiarum"
oder „modi philosophiae" seien363), so dass dieser modus je
nach dem Inhalte der drei Haupt-Zweige, — nemlich der realis, moralis,
sermocinalis — , selbst wieder sich verschieden modificire 364). Und
wenn wir nun noch aus wiederholten Versicherungen, dass die Logik
als blosses methodisches Verfahren kein selbstständiger Theil der Philo
sophie sei 365), die Ansicht Albert's erfasst zu haben glauben, so staunen
wir wohl billig, wenn wir gerade in seinen die Logik selbst einleitenden
Bemerkungen das directe Gegentheil hievon lesen. Aber allerdings hätten
wir bei einem Schriftsteller, wie Albert war, uns das Erstaunen füglich
362) Phgs. 1; I, t, (Vol. II) p. l B: Tres sunt parles essenliales phitosophiae
realis, quae non causatur in nobis ab opere nostro, sicul causatur scientia moralis,
sed polius ipsa causatur ab opere naturae in nobis; quae partes sunt: naturalis, et
metaphgsica, et mathemalica Inle r vero parles itios prima quidem est universalis
de enle secundum quod ens, quod non concipitur cum motu et maleria sensibili
u. s. f. ganz nach Avicenna, s. ebend. Anm. 72 f. (insbesondere den dorligen
Begriff „res"). Ebenso Meiaph. VI; 1,2. Uebrigens wirkt dieser Gebrauch des
Wortes ,,realis", zumal da er auch bei Duns Scatus erscheint (s. Abschn. XIX,
Anm. 87) und somit gleichmässig von Thomisten und Scolislen acceplirt wurde,
sehr weit hinab bis in die spälere Bedeutung des Ausdruckes „Realislen".
363) Metaph. 1; I, l, (Vol. III) p. 3 A: Istae igitur sunt tres scientiae specutalivae
(d. h. Physik, Mathemalik, Metaphysik), et non sunt ptures Scienliae
lopicae non considerant ens et parlem enlis aliquam, sed intcntiones secundas (auch
dieser Ausdruck stammt aus Avicenna's Metaphysik , s. ebend. Anm. 74 a. Schl.)
cirea res per sermonem positas, per quas viae habentur veniendi de nolo ad ignolum
(dass dieses die allgemeine arabische Ansicht war, s. ebend. Anm. 15 u. 75) secundum
sgllogismum referentem et probantem; et ideo polius sunt modi phitosophiae
specuiolivae, quam aliqua pars essenlialis phitosophiae theoricae. Morales aulem
omnes non sunt contempiondi gralia, sed ut boni fiamus. Hiezu De anima l ;
I, 2, p. 2 B: Sunt quaedam scienliae, quas non quaerimus propler se, sed ut nobis
adminiculentur ad alia, sicuf scienliam topicorum problematum et scienliam de instrumento
scienliarum , qui est sgllogismus, et universaliter scientias sermocinales; et
itioe non sunt verae scienliae, sed modi scienliarum omnium, sicut in principio librorum
logicae dixisse nos meminimus. Dass bei letzteren Worten der Compiiotor
selbst nicht mehr wussle, was er anderwärts zusammengestöppelt habe, zeigt so
gleich unten Anm. 366 f.
364) De praedicab. I, 7, p. 10 B: Partes logicae generaliter habent docere modum
accipiendi scientiam Hie tamen modus .... variatur secundum diversitalem
maleriae, in qua quaeritur scientia. Nam in sermocinalibus aliter est in grammalica,
aliter eliam est in poelica, et aliter est in rhetoricis Aliter eliam
in ioudabitibus et ethicis In realibus scientiis aliter est in probabitibus et aliter
in necessariis et aliter in coniectantibus.
365) Phgs. I; I, l, p. 3 A: Logicus procedil ex communibus, quae inveniuntur
in mullis et non sunt essenlialia itlis (s. Avicenna, a. a. O. Anm. 74), et
ideo logica dicitur inquisiliva ad omnium methodorum principia viam habens. Ebend.
II, 1, p. 12 B: Logica eil alia a parte phitosophiae essentiali, quia logica polius
doect modum sciendi. quam scienliam, quae sit pars essenlialis phitosophiae. Metaph.
III; III, 6, p. 107 B: Dialectica non est aliqua pars essenlialis phitosophiae.
92 XVII. Albertus Magnus.
ersparen können ; denn wenn nun dort immerhin noch im Anschlusse an
Araber die Logik als specielle Wissenschaft, vergleichbar jener Kunst,
welche in der Schmiede den Hammer verferligt, bezeichnet wird366),
und ihr sogar ausdrücklich die Stellung eines selbstständigen Theiles der
Philosophie zukommt367), so münden ja diese Bemerkungen glücklich in
den Hafen einer anderen Auctorität, nemlich des Boethius, ein, welchem
die Logik zugleich als Theil und als Werkzeug der Philosophie galt (s.
Abschn. XII, Anm. 76), und an dessen Eintheilung m inventio und
iudicium wieder eine Stelle des Averroes angeknüpft werden konnte368).
Ja bei solcher Schriftstellern durfte Albert auch jener obigen (Anm. 361)
Bevorzugung des theorelischen Gebietes wieder das Gegentheil gegenüber
stellen und (wie andere Araber, als Avicenna, gethan hatten) die Logik
den praklischen Zwecken unterordnen 36!l). Sogleich hierauf aber acceplirt
er die durchgängig arabische Ansicht, dass der Gegenstand der Logik
die argumentalio sei, deren Begriff jedoch nicht in allzu enger Fassung
mit sgllogismus idenliflcirt werden dürfe , und natürlich ist bei solcher
Aufgabe die Logik, welche den Augenblick vorher als Theil der Philo
sophie gelten sollte, wieder zum instrumentum herabgesunken370). Eine
366) De praedicab. t, l, p. l A: Quidam enim antiquorum logicam nuliom esse
scientiam contenderunt dicentes, non passe esse scienliam id, quod est omnis scienliae
sive doctrinae modus (s. Abschn. XI, Anm. 120) p. l B: Sed non salis consideraverunt,
quod est quoddam commune, quod est in omni scientia; et hoc
est, quod per invesligalionem ralionis ex cognito devenitur ad cognitionem incognili.
(dann folgt ein Citat aus Avicenna, s. vor. Abschn., Anm. 80) p. 2 A:
Polet igitur, quod logica una est specialium scienliarum, sicut in fabriti, in qua
specialis est ars fabricandi malleum; investigalio enim sive ralio investigans
ignotum per notum speciale quoddam est. Hiezu vor. Abschn., Anm. 15.
367) Ebend. c. 2, p. 2 B: Hanc aulem scienliam, quae modus est omnis phi
losophiae, quidam nuliom parlem esse phitosopbiae conlendunt dicenles, non nisi tres
esse parles pbitosophiae, sc. phgsicam, mathemalicam sive disciplinabitem, et metaphgsicam
sive di,iinum (vgl. oben Anm. 362) Addunt eliam, quod nullius
rei modus cum re, cuius modus est, venit in generis sui divisionem Hanc
aulem opinionem alii quidam impugnantes dicunt, phitosophiae generalis esse intenlionem,
omnem omnium entium comprebendere veritalem (Nun folgt die oben,
Anm. 360, angeführle Slelle) (p. 3 A) Adhuc aulem huius stgnum dicuut, quod
upud peripalelicos phitosopbia in tres parles prima divisione divisa est, sc. in phgsieam
ethicam ralionalem (Es folgt nun die im vor. Abschn., Anm.
14, angeführte Slelle) Est igitur logica una parlium phitosophiae generaliler
dictae Horum aulem, quae dicta sunt, ralionem posuit Avicenna dicens, res
omnes tripliciler esse accipiendas (s. ebend. Anm. 74).
368) Ebend. c. 3, p. 3 B: Necessaria et ulilis est logica Est enim, ul dicit
llwtbins (Abschn. XII, Anm. 76), ralio disserendi, quae in duas distribuitur
parles, sc. scienliam inveniendi et scienliam iudicandi (p. 4 A) Etiam
Aristoleles dicit, quod modus sciendi ante scienliam quamlibet discendus est (s. vor.
Abschn., Anm. 293).
369) Ebend. p. 4 B: linlis est ad felicitalem haec scientia, sine qua non atlinnit,'
f felicitalis actus a. s. f. (s. ebend. Anm. 13 u. bes. Anm. 242).
370) Ebend. c. 4, p. 4 B : Quidam dixerunt, quod logica tola est de sgllogismo
et parlibus sgllogismi, delerminantes commune subiectum logicae secundum id, quod
est subiectum principale. JVon enim (p. 5 A) sotum docetur, quid sgllogismus
et qualiter et ex quibus sit, sed hie eliam docetur, quid argumentalio et quae partes
et species eins. Hierauf folgt betreffs der scientia sermocinalis die schon oben,
vor. Abschn., Anm. 84, angeführle Slelle , dann bezüglich der argumentalio die
Aeusserung ebend. Anm. 15, vgl. auch ebd. Anm. 78 f. Sodann p. 5 B: Utuntur
XVIt. Albertus Magnils. 93
Blumenlese arabischer Lehren über die Eintheilung der Logik (nach
incomplexum und complexum), über vox significaliva, über Universalität
und Parlicularität der Wortbedeutung (auch mit Einschluss der Denkbar
keit, dass es mehrere Sonnen geben könne), über die Verflechtung (collectio)
mehrerer VVesens-Beslimmtheiten in Einem Wesen, und über die Begriffe
des univocum, multivocum u. s. f. (mit Einschluss des „analogon"),
bildet die weitere Fortsetzung dieser Einleitung in die Logik371). Da
aber bezüglich jener Haupt-Eintheilung der Logik, wornach sie in Defi
nilion (— incomplexa —) und Argumentalion (— complexa —•) zerfalle,
die Araber geglaubt hatten, dass der erstere Zweig in der Ueberlieferung
nicht vorliege (vor. Abschn., Anm. 16), so gibt nun Albert zunächst eine,
offenbar aus Algazeli entnommene, Ergänzung dieser Lücke372), hierauf
aber schliesst er sich betreffs der Unterabtheilung des zweiten Haupt-
Zweiges vollständig an Alfarabi an373).
Indem wir nun allerdings von einem derarligen Autor auch bezüg
lich des Einzelnen keine grossen Erwartungen hegen dürfen 374), müssen
wir uns zunächst zur Isagoge wenden. Albert beginnt mit einer De
finilion des Universalen (quod aptum est, esse in pluribus), welche er
bei Alfarabi vorfand, aber wendet zugleich dieselbe in die mehr nominalislisch
klingende Auffassung (quod praedicatur de multis) des Avicenna
hinüber375), und nachdem ihm Boethius eine Bemerkung über den Nutzen
tamen sermone omnes sermocinales scientiae, sc. grammalica, poelica, rhetorica, el
quae vocatur logica (vgl. ebend. Anm. 18 f.) Sotus aulem logicus sermone ulitur,
proul est pars instrumenti, per quod sotum fides fit de incognito. Hiezu die
ebend. Anm. 399 angeführle Slelle.
371) Ebend. c. 5, p. 6 A vorerst die ebend. Aum. 16 u. 21 angeführlen Stellen,
dann (p. 6 B): Complexio aulem et incomplexiu (über diese arabische Unlerschei
dung s. auch Periherm. I; l, l, p. 237) non accidunt rei secundum quod res est,
nec eliam voci secundum quod est vox, sed accidunt voci secundum quod refertur ad
intellectum simplicem vel compositum, vgl. ebend. Anm. 85. Dann (p. 7 A) mlt wenig
veränderlen Worten ans Avicenna ebend. Anm. 86, 88 (woran der Spruch des Boethius
„universale intelligitur, singuiore sentilur", s. Abschn. XII, Anm. 91, geknüpft
wird), hierauf ebenso ebendorther Anm. 89, 93 und dann 31.
372) Ebend. c. 6, p. 8 A: Si quis quaerit scire incomplexum, .... non polest
invenire nntilium eius eist per diffinitionem Huius aulem principia el reguioe
sunt quinque el quini]ue corrupliones. Primum quidem, quod omnia posita in diffinitione
sint substantialia Secundum est, .... quod ullima differentia sit cum
diffinito converlibitis Tertium, quod prius positum in diffinitione se habeat ad
sequens sicul polentia propinqua ad actum Quartum est, quod diffiniens primum
sit per se nolum Quintum aulem, quod diffinilio dicat lotum esse diffinili
(p. 8 B) Peccata ipsius sunt quinque his opposita u. s. f. Vgl. vor. Abschn., Anm.
110 u. bes. 254.
373) S. die ganze bei Alfarabi, ebend. Anm. 17, angeführle Slelle.
374) Wenn Heim. Ritler (Gesch. d. Phit. VIII, S. 187) dem Albert das Ver
dienst zuschreibt, dass „im 13. Jahrb. die aristatelische Phitosophie besser erkannt
wurde , als noch in unserm Jahrhundert" (— dass die Schleiermacherianer den
Aristoleles nicht verslehen, ist freitich leider nur allzu wahr —), so wird sich
zeigen, wie solch oberflächliches Gerede durch genauere Forschung zu Schanden
wird. Albert hat den Aristatelismus nicht nur nicht erkannt, sondern geradezu corrumpirt,
und er ist hierin der Lehrer seines Schülers Thomas gewesen.
375) l>e praedicab. II, l, p. 11 A: Universale aulem est, quod, cum sil in uno,
aptum natum est in.se in pturibus (s. vor. Abschn. Anm. 24), el per hoc quod
in mullis per aplitudinem est, praedicabite est de itlis. Et sie universale est, quod
de sua aplitudine est in mullis el de mullis (s. ebend. Anm. 89).
94 XVII. Albertus Magnus.
der Isagoge an die Hand gegeben376), lässt er vorläufig durchblicken,
dass er keinenfalls Nominalist, aber auch (wie uns Solches in ähnlicher
Weise bei Wilhelm von Auvergne begegnete , s. oben Anm. 283) kein
eigentlicher Platoniker sei377). Suchen wir aber von ihm zu erfahren,
welche Geltung den Universalien beizulegen sei, so finden wir natürlich
durchweg den llauptkern der arabischen Doctrin, d. h. die Nebeneinander
stellung der Universalien ante rem, in re und post rem (s. vor. Abschn.
Anm. 24 f. u. bes. Anm. 179 ff.); aber im Einzelnen verfährt Albert so
gedankenlos, dass er nicht bloss in den verschiedenen Stellen, an welchen
er auf diesen Punkt zu sprechen kommt, sondern sogar in Einem Athemzuge
sich widerspricht. So lesen wir, dass die Universalien 1) an sich
als die einfachen Naturen exisliren, welche den Dingen Begriff und Namen
verleihen, 2) in den Dingen selbst vervielfälligt und verkörpert vorliegen,
3) aber im Denken sich fmden, und zwar a) in der obersten Intelligenz
Gottes und 6) im abstrahlenden „intellectus , qui agit universalüater
»"378); unmittelbar hierauf aber heisst es: die Universalien sind
1) ante rem die substanliellen Principien , 2) in re verleihen sie als be
fähigt, in Vielem zu sein, aber ja nicht als vervielfälligt, den Dingen Be
griff und Namen, und 3) post rem sind sie als Erzeugnisse der Abstraclion
blosse Accidenlien in der denkenden Seele370). Und während
letztere Dreitheilung, — noch dazu als eine „platonische" —, auch
anderwärts mit der Bemerkung erscheint, dass die Differenz zwischen
376) Ebend. p. 12 A: Est aulem necessarium et ulite ad diffinitionum assignalionem
eliam ad divisionum scienliam. S. Ahschn. XII, Anm. 85.
377) Ebend. c. 2, p. 12 B: Sunt tamen dicentes, quod in solis intelleclibus
sunt itio quoad nos, quae utrum sint et quomodo esse habeant, solus seit inlellectus.
Et tale esse in inlellectu universalia habere, dixerunt illi, qui vocabantur nominales,
qui communitalem, ad quam particuioria , de quibus dicuntur ipsa universalia, referuntur,
tontum in intellectu esse dicebant (natürlich hat er hiebe! der Tradilion
zu Folge den Roscellinus im Auge) Sunf aulem adhuc, qui dicunt, uni
versalia nonnisi ideale habere esse, secundum quod universalia sunt, et non esse res
coniunctas materiae, sed implere omnem maleriam suam imaginibus parlicuiorium.
378) Ebend. c. 3, p. 15 B: Universale triplirem habet consideralionem, s«, se
cundum quod in se ipso est natura simplex et invariabitis, et secundum quod refertur
ad intelligentiam, et secundum quod est in isto vel Mo. Primo quidem modo simplex
est natura, quae dal esse et ralionem et nomen (s. vor. Abschn. Anm. 182)
Per hoc aulem quod est in isto vel itlo, multa accidunt ei, quod est parlicuiotum
et individuatum, mulliplicabite vel mulliplicatum, incorporafum Per hoc
aulem quod est in intellectu, dupliciter consideratur, sc. aul secundum reiolionem ad
intellectum intelligentiae primae cognoscenlis et causantis ipsum, coius radius quidam
est; aul secundum reiolionem ad intellectum per abstractionem cognoscentem ipsum,
quod talis intellectus, secundum quod abstrahit ipsum, agil in ipso universalitalem
(s. ebend. Anm. 181).
379) Ebend. : Anle rem sunt formae secundum se acceptae principia rerum
exislenles (s. ebd. Anm. 95 u. 101). In re sive cum re ipsa sunt formae existenles
in ipsis dantes iis nomen et ralionem per id, quod sunt aptae esse in mullis et uni
versales, non tamen secundum quod sunt in itlis particularisatae el individuatae
el ad singutaritalem ductae. Sunt eliam formae post rem, quae sunt formae per
abstraclionem intellectus ab individuanlibus separatae, in quibus intellectus agit universalitalem.
Et primae quidem substanlialia rerum principia sunt; secundae aulem
rerum substantiae; lerliae aulem accidenlia el qualitales, quae nolae rerum in an i UM
acceptae vocantur el dispositiones vel habitus (s. ebd. Anm. 22 u. 85).
XVII. Albertus Magnus. 95
Plato und Aristoteles in den Universalien „in re" beruhe 3so), eröffnet
sich hinwiederum durch Beiziehung der Individuen eine Viergliederung,
indem die Universalien 1) ante rem als Causalitäten wirken, und 2) cum
re auftreten, wo sie o) als Formen das Denken und die Namengebung
bedingen, und fr) in re bestehen, indem sie entweder a) als potentiell
vervielfälligbar die eigentlichen Universalien sind, oder /3) actuell zu singulären
Individuen werden 38 1). Die Verwirrung aber steigert sich noch,
indem ja wieder die Universalien 1) verschieden von der Materie sind,
und zwar a) als an sich seiend, und V) als mittheilbar, was entweder
«) potenziell in den Dingen oder ß) actuell im Denken der Fall ist;
sodann aber 2) innerhalb der Materie, und zwar a) als Zweck und
6) als Quiddität, in welch letzterer das Gemeinsame durch Ahstraction
actuell in das Denken tritt382). Ferner kommt hiezu noch Folgendes:
Die Universalien sind 1) ante rem, und zwar a) der Zeit nach in Gottes
380) Phgs. I; I, 6, p. 8 B : Esl enim, ul Pioto alt, triplex universale, sc. ante
rem acceptum, el in re ipsa acceptum, et post rem ah ipsa re abstractum. Anle rem
aulem universale est causa universalis omnia causata praehabens polcntia rerum in
se ipsa. Universale aulem in re est natura communis secundum se accepta in parlicutari.
Sed universale a re acceptum per abstraelionem est intentio formae et simplex
cmceptus mentis, qui de re per abstrahenlem inlellectum habetur. De anima I;
I, 4, p. 5 B: Pioto posuit in omni re triplex esse universale. Unum quidem ante
rem, quod eral causa rei formalis secundum esse praecedens, quia separatum ipsum
esse posuit. Secundum in re, quod eral forma adhaerens ei una in mullis et de
mullis, et hoc unum dixit Pioto in essentia esse unum et in esse naturae et formae
in omnibus, Aristoleles aulem in ralione dixil unum, et in essentia et esse ptura.
Terlium aulem dixit esse post rem, quod est intentio (s. ebd. Anm. 74) universalis
in anima. S. auch Mctapb. III; III, 10, p. 111 B.
381) Metaph. VII; V, l, p. 286 A : Triplex est universale. Ante rem, et haec
est causa praehabens Aliud aulem est, quod est natura quidem prius re ipsa,
sed lempore est cum ipsa, et haec est natura rei formalis ; cum enim dico
„Aonio", duo importantur per nomen, sc. quo imponitur nomen, el cui. Et quo imponitur
ipsum nomen, est, quod primo formal el movel inlellectum, et per hoc
devenitur ad hoc, cuius est itio forma, et haec est substantia, cui nomen imponitur
Si consideratur secundum esse, quo est in parlicutari, hoc est duobus
modis. Hoc enim polest considerari secundum polentiam et aplitudinem, qua secun
dum esse mulliplicabite est in parlicuioria, et sie est universale; aut consideratur,
secundum quod est actu in illis, el sie est singutare suppositum sub communi na
tura demonstratum; et hoc modo est lertio modo dictum universale el sie praedicatur
de omni eo, de quo praedicatur. Aehnlich De nat. el orig. an. i, 2, (Vol. V)
p. 186 B.
382) De inlellectu et inlellig. I, 2, (Vol. V) p. 247 B: Utrum universale sit in.
solo inlellectu, an ctiam in re extra Dicimus, essenliam uniuscuiusque rei
dupliciler esse considerandam. Uno modo, prout est natura diversa a natura maleriae
sine eius in quo est Alio modo, prout est in maleriu sive in eo, in quo est individuata
Kl primo quidem modo adhuc dupliciler consideratur. Uno quidem
modo, prout est essenlia quaedam absotuta in se ipsa; alio modo, ul ei convenil
communicabititas secundum apliludinem, et sie proprie vocatur universale ;
omnis enim essenlia communicabitis mullis universale est, eliamsi actu nunquam dat
esse nisi uni, ul sol Per hanc igitur aplitudinem universale est in re extra,
sed secundum actum existendi in mullis non est nisi in inlellectu (also was in vor.
Anm. polenziell genannt war, heisst hier actuell, und umgekehrt) Proul aulem
tam parlicipatur ab eo , in quo est, adhuc duplicem habet consideralionem. Unam
quidem, prout est finis generalionis vel compositionis substanliae Secundo aulem
modo, prout ipsa est lotum esse rei et sie vocatur quidditas Hoc ergo ullimo
considerata forma praedicatur de re, cuius est forma, et sie separata per mlellectum
96 XVII. Albertus Magnus.
Intelligenz, und 6) dem Wesen nach als Formen, 2) in re als mittheilbar,
3) post rem durch Abstraelion , und 4) ratione universalüatis, insofcrne
die Gemeinsamkeit einigend (uniens) wirkt383*).
Ist schon hieraus klar, dass der unverständige Compilator uns alles
Mögliche zugleich darbietet, was nur immer aus den Arabern aufzuraffen
war, so warten unser erst noch die ärgsten Widersprüche. Indem wir
nemlich in dem Bisherigen trotz aller Verwirrung immerhin im Ganzen
den Intellectualismus Avicenna's erblicken dürfen3831"), führt uns Albert
an dem Punkte, in welchem wir ihn am meisten als einen Copisten der
arabischen Aristoteliker beim Worte zu nehmen gedächten, direct in das
Fahrwasser arabisch-neuplatonischer Myslik. Indem er nemlich die Frage
erörtert, ob das Universale im sinnlich Einzelnen oder ausserhalb dessel
ben sei, benützt er zunächst die arabische Ansicht betreffs „in mullis"
und „de nadtis", sowie insbesondere Avicenna's Unterscheidung zwischen
natürlicher Gattung und logischem Gattungsbegriff384), und bezeichnet
das Universale als die Wesensform, welche einerseits z. B. „humanilas"
und andrerseits z. B. „homo" ist385). Und da nun dieses Form-Wesen
(natura formalis) durch seine Fähigkeit in Vielem zu sein, zur substan
liellen Eigenschaft (qualitas subslantialis , — Alles nach arabischem
Vorbilde —) des Einzelnen werde, sei eben das Universale durchaus
est universale in inlellectu, el ideo aplitudo suae communicabititalis reducitur ad
actum in inlellectu separanle ipsum ab individuanlibus.
383a) Metaph. V; VI, 5, p. 221 B: Anle rem aulem dicitur universale dupliciler.
Cum enim omnia sint in inlellectu primae causac sicut in formali et primo
tuminc, hoc igitur modo aeceptum universale habet quoddam esse speciale, quod
est esse causae inlellectualis Alia aulem modo dicunt universale anle rem non
tempere, sed substanlia et ralione, et haec est forma aut causa formalis accepta
constituens esse rei; hoc aulem cum indifferens sit in omnibus , quae sunt
eiusdem speciei, sie indivisum habet unam ad omnia vel multa retalionem
Universale aulem quod dicunt esse in re, est eadem forma parlicipata a mullis actu
vel polentia, et haec quidem dicitur universalis, eo quod de se semper est communicabitis
et propagabitis in multa ex uno Universale aulem quod est post rem,
i'st Jorma in esse abstraclionis Esse aulem universalis in ralione universalitalis
(s. vor. Absclm. Anm. 183) est sie accipiendum: in universali quidem aliud est
id, quod est ipsum universale, el aliud est universalitas sive universitas ipsius, sicut
in hoc universali „homo" aliud est ipsa natura, quae homo est, et aliud est communitas
ipsius sive communio (s. ebend. Anm. 93), quia universale nec est
unum nec est multa. Universalitas aulem ipsius, quae magis proprie dicitur universitas,
est ex respectu sui ad supposita, quae respicit itio sicut uniens palet,
quod in ralione huius universitalis aliud habst esse , quam sit esse eius anle rem
vel in re vel post rem aeceptum.
383 b) S. hierüber auch die so eben erschienene Schrift Haneberg's, Zur Erkenntnisstehre
von Ihn Sina und Albertus Magnus. (Abhdlgn. il. bay. Akad. d. Wiss.)
München. 1866.
384) De praedicab. II, 5, p. 19 A: Restat nunc de dißcitlima quaeslione disserere,
ntrum universalia sint separata a sensibitibus, an in sensibitibus et singuioribus
posita. Hierauf folgen die ebend. Anm. 24 u. 23 angeführlen Stellen , sowie eine
Erklärung, welche dem Sinne nach mit dorliger Anm. 180 übereinslimmt.
385) Ebend. c. 8, p. 24 A: Universale est forma et est forma lolius. Sed
forma tolius dupliciler designatur in nomine. Designatur enim ut forma tantum,
sicut „humanitas".... et ideo non praedicatur de eo, cuius est forma Designatur
eliam ul forma lolius lotum esse dicens, cuius est forma, sicut „homo"
dicil esse formale. S. ebd. Anm. 93. Uebrigens ist dieses die Quelle der alsbald
eintrelenden Controverse über u,"las formae oder pturalitas formarum.
XVII. Albertus Magnus. 97
nicht eine für sich getrennte Substanz386), denn nur in der Mittheilbarkeit
(communicaMlilas) liege die Beziehung des Universale auf das Ein
zelne, so dass (wie z. B. bei der Sonne) von der actuellen Vielheit des
Einzelnen abgesehen werden müsse387). Für die Verwirklichung aber
des Einzelnen selbst sei die Materie als Princip zu betrachten (— principium
individuationis —, nach Avicenna) , und die aristotelische Auf
fassung sei die richlige388), während Plato einerseits durch die Los
trennung der Universalen von ihrer materiellen Individualisirung sich im
Irrthume befinde389), und andrerseits doch wieder dieselben durch
mathemalische Formen verkörpere , so dass er gerade in den Principienfragen
jedenfalls dem Aristoteles nachstehe390). Ja die Auctorität des
aristotelischen Begriffes „Gvvokov" (s. Abschn. IV, Anm. 461 u. 471 ff.)
packt den Albert so heflig, dass er ausruft, es gebe abgesehen von dieser
innigen Verbindung des Stoffes und der Form gar kein Universale, als
nur das in der denkenden Seele erfasste 39t), und er kann somit jene
386) Metaph. VII; V, l, p. 286 B: Universale sie dictum (d. h. als mulliplicabile,
s. ob. Anm. 381) est esse substanliale, quod semper est in alio, nec esse polest,
quaudo in alio non est; et hoc modo non est substanlia, sed substanliale quoddam
esse (s. vor. Abschn., Anm. 95 u. 101), quod accidit substanliae per hoc, quod uni
versale secundo modo dictum (d. h. als singuiore suppositum) est qualitas substanlialis
et substanlia existens C. 2: Quod aulem impossibite sit, quorumlibet
substantiam esse de numero universaliler dictorum, videtur mullis ralionibus ......
(p. 288 B) Ex omnibus igitur inductis manifestum est, universale secundum esse universalis
substantiam dislinctam et per se exislenlem non esse.
387) Ebend. V ; VI, 6, p. 222 A : Communicabilitas igitur causa est, quod comparatur
(sc. universale) pturibus p. 222 B: Sufficit universali, quod ipsum
de se ambial multa, sive itio sint sive non sint, dummodo sint, de polenlia sui ambitus,
sicut palet in forma solis. S. ebend. Anm. 89.
388) Ebend. III; III, 10, p. HOB: Cut« mim maleria soio principium sit in
dividualionis (s. ebd. Anm. 22 u. bes. 184) et nihit sit singuiore nisi maleria vel per
maleriam, si nihit est forma praeler maleriam (nemlich nach der hier bekämpflen
Ansicht der Atomiker), nihit erit in re nisi singuiore c. 11, p. 112 B:
Secundum igitur intellectum Aristolelis dicimus, omnes formas polenlia esse in maleria
et per molum educi de ipsa (s. Abschn. IV, Anm. 468—505). Hierin sodann liegt
die Quelle der zweilen einftussreichen Controverse (vgl. Anm. 385) , nemlich der
jenigen, welche über die Individualion geführt wurde.
389) Ebend. VII; V, 5, p. 292 A: Si forma simplex sit singuioris , ista nunquam
polest esse universalis ; et hoc modo dicunt de ideis, quod quaelibet est sin
guioris separata, non allendenles, quod omnis forma de se communicabitis est,
et quod eliam nomen individui a formis communicabitibus imponitur, sed principium
individualionis in ipso est maleria. Ebend. XI; I, 7, p. 353 B: Nolilia maleriae est
ittud, quod in re sentitur et subiicitur quantilali et situi et sensibitibus, et dicitur
secundum hoc maleria, cum qua est hoc aliquid ens, eo quod ipsa est primum prin
cipium individualionis. S. auch De sex princ. I, 5, p. 199.
390) De praedicab. II, 4, p. 17 B: Pioto .... universalia dixit esse corporalia
quaedam in mathemalicis ralionibus et formis conslituta; quod aulem quidam dicunt
de universalibus immalerialium, ut angeli et animae, nihit penitus valel ad proposilum;
talia enim dixit Pluto ab aelerno consislere et radios quosdam tucis primae
esse (p. 18 B) Nullo modo universale est corporale, quia est sicul natura corporis,
cui per aptitudinem dicendi de mullis accidit universale esse (p. 19 A)
Aristoleles in omnibus, quae dixit, Piotoni praeponatur in posilione nec est curandum de sophisticis quibusdcm, qui anle nos quaedamprisnccriippsieorruunmt.;
391) Metaph. III; II, 7, p. 91 B: Quaeslio aulem haec est, utrum aliquid sil
forma et universale praeler maleriam et sgnolon (sive simul tolum), quod est parlicuiore
p. 92 B: Non ponemus ralionabititer formalem et separatam domum
PHANTL, Gesch. III. 7
98 XVII. Albertus Magnus.
arabischen Stellen abschreiben , in welchen alle logischen Momente der
Universalien als Accidenlien derselben und die Universalien selbst als
blosse Erzeugnisse des abstrahirenden Denkens bezeichnet werden, obwohl
er dabei seine Begeisterung für das aristotelische öwoAov insoferne wieder
vergisst, als er vorerst von dem Ansichsein der Universalien plaudert092).
Wenn er aber ferner den subjecliven nominalislischen Standpunkt so stark
betont, dass aus der Manigfalligkeit des Einzelnen die substanlielle Aehnlichkeit
(similitudo) oder die Gemeinsamkeit (communita») nur vom abstrahirenden
Denken als Universale erfasst werde, und somit das Denken
ausdrücklich als Causalität der Universalien, welche hiemit nur post rem
sind, zu betrachten sei393), und wenn er dieses Universale post rem
entschieden polemisch gegen Plato kehrt394), so sollte man doch wohl
glauben, Albert habe eine bestimmte Ansicht. Mit nichten.« Er belehrt
uns ja selbst, dass ihm all solcher aristotelischer Nominalismus bei Leibe
nicht Ernst sei; denn in einer längeren Stelle, in welcher er von einer
dreifachen Geltung der Universalien spricht, um schliesslich mit der Dar
legung einer vierfachen Geltung derselben aufzuhören , hat er jenes so
entschieden bevorzugte Universale post rem ganz und gar beseiligt , und
aliquam, quac sit pracler domos maleriales, nisi ponamus eam in anima lectonici
Non propler scientiam vet ulilitalem oporlet nus ponere, forn,am extra animam hahere
esse praeler sgnolon.
392) Ebend. V; VI, 7, p. 223 A: Natura aulem itio, quae est universale simplex,
nutiira est secundum sc ipsam existens ex suis constans diffinientibus
Sie enim non pendet esse suum ex inlellectu esse vel in supposito esse Accidit
(s. vor. Abschn., Anm. 85) enim ei, esse in hoc et in Mo, et per hoc ejficitur proprium;
accidit eliam eidem, referri ad multa, et per hoc efficitur universale sive
commune; accidit eliam eidem, esse separatum, et per hoc efficitur intelligibite ;
accidil eliam ei, lerminatum esse et indivisum, et per hoc efficitur unum; et accidit
eidem adhuc, dividi per maleriae divisionem, et per hoc efficitur multum
(p. 223 B) Universale, licet ab hoc, quod est in intellectu, non sit universale, non
est tamen universale nisi ens in inlellectu; hoc enim modo est universale, prout
accipitur unum de omnibus ; unum aulem de omnibus non est in esse, quod habet in
rebus ; igitur proul unum est separatum ab omnibus ; buiusmodi aulem fit per
inlellectum. S. ebend. Anm. 74.
393) VII; V, 3, p. 290 A: Oportel igitur, quod universale esse universalis sit
disposilio parlicuioris el sit substantialis particuiorium simititudo; et ideo non est
substantia eorum Natura ipsa, quae forma est ut natura considerata, mulliplicabitis
est in multa et tnnc multa est et divisa et singuioria; quia tamen est essenlialis
simititudo, inleilectus agit eam ex mute's ad unum, quia unum est, quod
abstrahitm ab omnibus ; el haec communitalis unitas procedit a singuioritale sua in
maleria, inquantum est causa simititudinis essenlialis. Et hoc modo universale in
inlellectu est et posterius et non causa rei particuioris, sed causatur ab ipso per
inlellectum abstrahenlem , et sie palet, quod est esse quoddam, sicul disposilio est
esse eius, quod disponitur per ipsam. Anal. post. I; I, 3, p. 518 B, woselbst nach
der im vor. Abschn., Anm. 22, angeführten Slelle folgt: Ex hoc quod universale
denudatur a maleria el individuanlibus , eo ipso est universale, unde eo ipso,
quod est in inlellectu, est universale. Ebend. II, 3, p. 529 A: Animal , quod est
universale, aut nihit est aul posterius est, et quod in „Sex principiis" dicitur (s.
Abschn. XIV, Anm. 487), quod omnis communitas a singuioritale procedit.
394) De anima I; I, 4, p. 5 A: Cum intellectus noster accipit intenliones essenlialium
principionim et abstrahit eas a maleria et ab individuantibus aliis, tunc
agit in eis universalitalem. Sie universale poslerius est, quando ut universale accipitur,
et non sicul prius dixit Pioto, quod praecederet secundum esse omnia sua
parlicuioria.
XVII. Albertus Magnus. 99
indem er bemerkt, die Universalien seien 1) an sich existente Naturen,
2) mit der Fähigkeit behaftet, in dem Vielen zu sein, 3) in „spiritualer"
und „speculaliver" Geltung im Lichte der göttlichen Intelligenz , und
4) quanlitaliv individualisirt in der Materie, so knüpft er an das zweite
dieser vier Glieder noch die Unterscheidung, dass man jene Fähigkeit (des
Einwohnens im Vielen) entweder in die Dinge selbst oder in das mensch
liche Denken verlegen könne, und sowie man im ersteren Falle Realist
und im Letzteren Nominalist sei, so könne er doch nicht die Bemerkung
unterdrücken, dass er seinerseits die realislische Ansicht aufrecht halte 395).
Allerdings hätte er sich so all jene Plagiate aus Avicenna (und uns die
Mühe , dieselben zu registriren) ersparen können ; aber da er ja Realist
sein will , so darf er auch den Geist des Auguslinus heraufbeschwören,
indem er meint, das Universale an sich und in den Einzelndingen und
in der denkenden Seele sei doch all das Nemliche , d. h. es sei eben
das „Licht" der göttlichen Intelligenz 396). Und so bricht vielleicht seine
eigentliche Geistesrichtung, in Folge deren er freilich ein Talent zum
Missverstehen des Aristoteles besitzen musste, am meisten in seiner Schrift
„De causis et processu universüatis" durch , in welcher er mit Ver- l
gnügen in der Myslik jenes gleichnamigen Buches (De causis, s. oben /
Anm. 23 ff.) wühlt und natürlich nur die in Gottes Intelligenz befmd
lichen Universalien kennt 397).
395) De praedicab. IX, 3, p. 93 A: Omnia quinque tripliciler considerari possunt.
Si enim in se accipiantur, sunt naturae quaedam Si aulem accipiuntur,
secundum quod naturae illi simplici additur aplitudo ad hoc, quod sint in pluribus
inferioribus , tunc itio iam efficiuntur universalia Utrum aulem haec aplitudo
sit in re , quae sua simplicitale apta sit exislere in pturibus, vel sit in solo
inlellectu , ita quod »ofM» intellectus simititudinem naturae unius ad eandem
naturam in specie in alio accipiat, quaestio fuit. Et primo quidem modo itli
dixerunt, qui reales vocabantur, secundo aulem modo hi, qui dicebantur nominales.
Et hoc ad praesens non disserendum; tamen in praecedenlibus hoc sustinuimus,
quod dixerunt reales Haec aulem eadem natura accepta in tumine inlelligenliae
operatur ad esse spirituale (p. 94 A) Per hoc aulem, quod in
sensibitibus et in maleria efficiuntur ad quanlitalem, efficiuntur multa
(p. 94 B) Et sie itio natura in quadruplici esse accipitur, sc. in esse naturae simplicis,
in esse aplitudinis ad multa, in esse tuminis inlelligentiae, in esse individui
designals per individuantia. Et ideo habet ralionem naturae per primum, et habet
ralionem universalis per secundum, et ralionem inlellectus specuiolivi per lerlium, et
ralionem particuioris et individui per quartum.
396) Ebend. II, 6, p. 21 B: Intellectus in formis agit universalitalem
(p. 22 A) Universale unum numero et essenlia est in anima et in se ipso et in singutari,
nec differt nisi secundum esse delerminans ipsum ad hoc vel ittud
Simititudo de tuce et colore bona esl Id unum, quod in tribus ipsum facit
esse, est vis inlelligenliae primae, quae causa universi esse est in omuibus. C. 7,
p. 23 B : Universale naturae producitur in esse ab agente inlelligenlia, quae operatur
per suum inlellectuale tumen in omni natura. Dieses erbauliche neupiotonischauguslinische
Gleichniss fmdet sich auch insbesondere De Praedieam. II, 3, p. 107 A:
Secundum veritalem sunt tres substantiae formales. Sunt enim formae, quae sunt
tantum formantes, et itioe sunt primae formae procedenles a tumine agenlis inlellectus
Et sunt formae substantiales, quae sunt cum eo ingredientes in esse rei et
conslituentes, quae sunt sicut tumen causa coloris Et simititer substantiae for
males, quae sunt sicul color est immutalivus visus vel molivus secundum actum tucidi.
397) Z. B. I, 2, 5, (Vol. V) p. 544 A: Primum principium habet scientiam omnium
generum et specierum et individuorum tam substantiae quam accidenlium, quod
7*
100 XVII. Albertus Magnus.
Wollen wir aber aus diesem Wirrwar uns wenigstens die Termino
logie vor Augen stellen, in welcher sich diese Lehre von den Universalien
bewegt, so treffen wir auf Grundlage der arabischen Quellen 398) folgende
Begriffe: vor Allem aptitudo (Anm. 375, 379, 381 f., 390, 395) und
communüas oder communicabililas (Anm. 377, 380—383, 387, 389,
392 f.), auch multiplicabile (Anm. 378, 381 f., 393); sodann forma
oder natura formalis (Anm. 379—381, 383, 385, 389, 391, 393), selbst
quidditas und finis (Anm. 382), richliger qualüas subslantlalis (Anm.
379,386) oder universalitas (Anm. 383); ferner betreffs -der subjecliven
Seite intentio (Anm. 380, 394) oder disposüio (Anm. 379, 393), auch
referri (Anm. 377, 392), insbesondere aber abslractio (Anm. 378—380,
382 f., 393), und hiemit zusammenhängend wieder similüudo (Anm.
393, 395), ja selbst indifferens (Anm. 383). Wenn aber viele dieser
Begriffe auch in der logischen Parteispaltung des 12. Jahrhunderts (s.
Abschn. XIV) eine Rolle spielten, so besteht dennoch hier keine geschicht
liche Conlinuität mit jenen damaligen Bewegungen (höchstens betreffs des
Gilbertus Porretanus, mil welchem Albert natürlich sympathisirt, ist durch
obiges Citat, Anm. 393 . für jene vereinzelte Stelle ein Zusammenhang
nachweisbar), sondern all die bunte Manigfalligkeit der Ausdrücke beruht
auf den Arabern, deren Darstellungen durch Albert's blindes Zusammen
raffen mit Einem Schlage bekannt wurden. Darum gestaltet sich auch,
wie wir sehen werden , nach Albert und Thomas die Parteispaltung in
ganz anderer Weise, als in jenen früheren Jahrhunderten.
Hatte ich im Bisherigen die unerquickliche Aufgabe , den Albert in
, der logischen Principienfrage geradezu als einen kopflosen Menschen dar
zustellen, so muss ich nun sein Schreiber -Talent auch noch in Kürze
durch die einzelnen Gruppen und Theile des Inhaltes der Logik hindurch
begleiten399).
Nachdem er die Zahl und Reihenfolge der fünf Universalien be
gründet hat400), macht er sich an die Einzeln-Erörterung derselben. Was
zunächst genus betrifft, so handelt es sich unter den verschiedenen Wort
bedeutungen desselben um die logische401), wobei auch an eine mögliche
Relalivität des Gattungs-Begriffes 402), sowie überhaupt an die accidentelle
und die substanlielle Aussage zu denken ist 403), indem ja das Haupt
gewicht auf der Quiddität liegt 404). Bei Erläuterung des Accidenet
species esl conslitulionis omnium, u. s. f. in diesem Tone durch das ganze
Buch hindurch.
398) Ich habe im II. Bd. S. 350 auch betreffs der Araber diesen Punkt ins
Auge gefasst.
399) Eine unnütze Raumverschwendung schiene es mir zu sein, wenn ich nun
für das folgende Detait des Organons all j, ne Stellen, in welchen Albert Arabisches
benützt und h'öchslens im weitschweifigen Wortioule von diesen seinen Quellen ab
weicht, vollständig abschreiben wollle. Ich beschränke mich daher (unler Ver
weisung auf die betreffenden Anmerkungen des vorigen Abschnittes) auf blosse
Ziffer-Citate, durch welche mich ja, wer Lust hat, immerhin controlliren kann.
400) De praedicab. H, 9, p. 25 B. S. vor. Abschn. Anm. 107.
401) Ebend. III, l u. 2, p. 26 ff. S. ebend. Anm. 109.
402) Ebend. c. 3, p. 29 B. S. ebd. Anra. 112.
403) Ebend. p. 30 A. S. ebd. Anm. 94.
404) Ebend. p. 30 B. S. ebd. Anm. 116.
XVII. Albertus Magnus. 10t
teilen 405) erscheint dann hier zum ersten Male der auf gröblichstem
Missverständnisse einer aristotelischen Stelle beruhende Begriff des „Indi
viduum vagum" 408), bei dem Substanliellen hingegen kommt das Verhältniss
des quale und des quale quid zur Sprache 407).
Auf die Begründung, warum hierauf species sich anzureihen habe408),
folgt nun gleichfalls die Erörterung der verschiedenen Bedeutungen dieses
Wortes 409) , wobei die von Avieenna weiter oben geführte Controverse,
ob nicht Gattungs- und Art-Begriff sich wechselseilig im Kreise drehen,
nachgeholt wird410). Bei der Frage, welche der beiden üblichen Defini
lionen der Species die richligere sei 4 1 l) , bringt Albert einmal eine
Verbesserung bei412), gelangt aber zuletzt zum gleichen Resultate wie
Avieenna413). Mit grösster Ausführlichkeit aber wirft er sich sodann
auf die Tabula logica des Porphyrius 4 1 4) , wobei er nicht bloss auf die
Geltung des „ens"415) und auf die beispielsweise Beiziehung des Be
griffes „Engel" kommt416), sondern auch zur Verdeutlichung einmal die
Ausdrücke „collectio" und „adunatio" gebraucht, in welchen er offenbar
durch Gilbertus Porretanus beeinflusst ist417).
Auch bezüglich der differentia bahnt die Frage über den Sprach
gebrauch418) den Weg zur Unterscheidung der alterirenden und der
artmachenden Differenz, deren qualitalive Funclion (in quale quid) fest
zuhalten ist419), so dass sich hieran ebensosehr jene Erwägungen über
die Gradabstufung der Qualitäten knüpfen420), wie die Frage über das
Entblösstsein an die Unterscheidung der theilenden und der couslituirenden
Differenz421). Das Verhältniss sodann der Differenz zum Gattungs- und
405) Ebend. c. 4, p. 31 A. S. ebd. Anm. 157.
406) Ebend. p. 31 B: Individuum ab Aristolele designatur in Praedicamenlis
ut vagum, ut „aliquis homo, aliquis bos", et de hoc polest esse dubium,
utrum de uno solo an de pturibus praedicetur (s. die Slelle Abschn. IV, Anm. 387.
Albert spricht noch öfter von diesem monströsen Begriffe, z. B. ebend. IV, l, p. 35 A.
IV, 7, p. 49 A. De praedicam. II, 2, p. 107 A).
407) Ebend. p. 32 A n. B. S. vor. Abschn., Anm. 106 f.
408) Ebend. IV, l, p. 34 A. S. ebd. Anm. 118.
409) Ebend. p. 35 A. S. ebd. Anm. 119.
410) Ebend. p. 35 B. S. ebd. Anm. 113.
411) Ebend. p. 37 A n. c. 2, p. 37 B. S. ebd. Anm. 28 u. bes. 121 f. (auch
die geschichtliche Frage des Avicenna, ebd. Anm. 120, fehlt hier nicht).
412) p. 37 A: Haec quidem sotulio est Amecnnae (s. ebd. Anm. 121). Possei
tamen melius die», quod cum individui parlicipulione non parlicipet immediale
nisi species, de differenlibus numero non praedicatur immediale nisi species u. s. w.
413) Ebend. 2, p. 38 A. S. ebd. Anm. 128.
414) Ebend. 3, p. 39 A. S. ebd. Anm. 132. Die Abstufung von genus generalissimum
zur species specialissima ist das Thema aller noch folgenden Capitel
dieses IV. Buches.
415) Ebend. p. 41 A. S. ebd. Anm. 32.
416) Ebend. 4, p. 42 A. S. ebd. Anm. 117.
417) Ebend. 6, p. 46 B: Quod aulem commune est et universale, semper est
colleclivum et adunalivum Calligere et adunare sunt idem in substanlia, differunt
tamen secundum ralionem u. s. f. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 473 f.
418) Ebend. V, 1. p. 50 A. S. vor. Abschn. Anm. 135.
419) Ebend. p. 51 f. S. ebd. Anm. 138—140.
420) Ebend. 2, p. 54 A u. B. S. ebd. Anm. 148 f.
421) Ebend. 3, p. 55 f. S. ebd. Anm. 145 f. u. 198.
102 XVII. Albertus Magnus.
Art-Begriff führt zur Erörterung darüber, dass die Gattung nur Potenz,
nicht aber Stoff sei422), indem hiedurch die Aussagbarkeit der Differenz
als eines Universale bewahrt bleibe 423) , und zugleich an der engeren
Definilion der Differenz festgehalten werden könne 424).
Ebenso verfährt Albert an der Hand der Araber auch beim proprium425)
und beim accidens, bei welchem er aber die Einwendungen
Avicenna's gegen Porphyrius nicht gelten lässt, sondern inslinctmässig mit
den Schwächen des Letzteren sympathisirt 426). Hingegen was aus Avicenna
über die Berührungspunkte und Unterschiede der fünf Universalien
entnommen werden konnte, bietet Albert in unerträglicher Weitschweifig
keit dar427), um zuletzt noch aus gleicher Quelle auf den substanliellen
Nexus aller Universalien hinzuweisen428).
Die Kategorien knüpft Albert (gleichfalls auf arabischer Grund
lage) dadurch an die Universalien an, dass es sich nur um jene „Gat
tungen" handle , welche unter die fünf Universalien subsumirt werden
können, wornach er das Wort „praedicamentum" förmlich als synonym
mit „praedicdbile" behandelt429). Die Auctorität aber einer Stelle des
Boethius veranlasst ihn, die Kategorien ziemlich nominalislisch zu be-
~ trachten 430), und ebendorther wiederholt er die scharf dualislische
Scheidung zwischen Substanz und Accidens 431). Die Einzeln-Erörterung
aber bietet wenig Principielles dar; sie bewegt sich nur in einem höchst
422) Ebend. 4, p. 58 ff. S. ebd. Anm. 194, 140, 166, 301, 193.
423) Ebend. 5, p. 61 f. S. ebd. Anm. 141 f.
424) Ebend. 6, p. 63 f. S. ebd. Anm. 297 u. 144. Eine vereinzelte Pole
mik Albert's gegen Avicenna in diesen Discussionen habe ich bereits ebend. Anm.
150 angeführt. Uebrigens füllen Erörlerungen über die engere Definilion der
Differenz noch den ganzen Rest dieses V. Buches.
425) Ebend. VI, l u. 2, p. 70 ff. S. ebend. Anm. 152—155.
426) Ebend. VII, 1—3, p. 74 ff. S. ebd. Anm. 29 f. u. 156—159, woselbst
ich Avicenna's gerechle Bedenken erwähnte; Albert aber meint (p. 77 A): Grades
phitosophi hanc Porphgrii accidentis deseriplionem reprehenderunt Quod aulem
subiungitur de divisione accidenlis, ralio est, ul ostendatur assignalio vera de utroque
accidenle u. s. w.
427) Ebend. VIII, 1—13, p. 79—91. S. ebd. Anm. 162—170. Tadelnde Be
merkungen über Porphyrius werden aber von Albert auch hier ignorirt (z. B. jene
ebd. Anm. 171) oder ungeschickt widerlegt (z. B. jene ebd. Anm. 164 durch die
Worle p. 80 A: Tam genus aulem quam differentia praedicatur de pturibus speciebus,
dicit Avicenna. Quod quamvis non sit neecssarium, tamen non est impossibite, quia
in pturibus hoc invenitur).
428) Ebend. IX, l, p. 91 B. S. ebd. Anm. 172—174.
429) De praedicam. I, l, p. 95 A: Sequitur igitur vunc delerminare de his,
quae ad se invicem sunt ordinanda secundum genera, species, differentias, propria
et accidenlia Et ideo hie ordinabitia ad subiici et praedicari sunt ordinanda
et delerminanda secundum omnem sui diversitatem, quae consislit in decem generibus
praedicabitium sive praedicamentorum. Vgl. ebd. Anm. 17 u. 91 u. ob. Anm. 114.
430) Ebend. ; Ordo praedicabitium non polest delerminari nisi secundum quod
sub voce habet praedicabite designari, rebus enim inquisilive incognilis non possumus.
Propler quod dicit Boethius (s. Abschn. XII, Anm. 84), quod haec scienlia, sc.
libri praedicamentorum, est de decem primis vocibus prima genera rerum significanlibus
(die widersprechende Kehrseile hievon s. unlen Anm. 444).
431) Ebend.: Partes aulem huius subiecli sunt ordinabitia secundum diversum
modum praedicandi in substantia et accidente, et in accidenlibus secundum omnia
novem genera accidenlium; et sie mullitudo i» lim tu restringitur in decem genera, ul
- dicit Boethius (s. ebend. Anm. 90).
XVII. Albertus Magnus. 103
weitschweifigen Commentare, in welchem wir durch den arabischen Stoff
hindurch noch die griechischen Commentatoren (namentlich den Simplicius)
durchblicken sehen. So begegnen wir als Gegenständen solcher Exegese
zunächst den Begriffen des Synonymen, Homonymen, Analogen u. dg].432).
dann der sog. regula de quocunque, welche auch hier in Verbindung
kommt mit dem Dictum de omm433), ferner den Angaben über den
quidditaliven Charakter der Substanz 434) , über den Unterschied der
substantia prima und sectmda435), über das substantiale 436) , über die
bloss subjeclive Bedeutung der Relalion437) u. s. f. Aber den lieferen
Fragen scheint Albert hier absichtlich aus dem Wege zu gehen , und so
benützt er auch jene Controverse nicht, welche Avicenna darüber geführt
hatte, ob Qualität und Quanlität zu den Accidenlien gehören438). Hin
gegen fand er es für nöthig, zur Erklärung der sechs letzten Kategorien
das pfuscherische Machwerk des Gilbertus Porretanus nicht bloss voll
ständig aufzunehmen, sondern auch in peinlichster Ausführlichkeit zu
commenliren439), wodurch er sich das traurige Verdienst erwarb, dass
die „Sex principia" auf lange Zeit förmlich in das Organon recipirt
blieben440). Ausserdem bürgerte sich durch Albert's Auctorität die
Nomenclatur „Antepraedicamenta" (Synonym u. s. f.) und „Postpraedicamenta"
(die vier Gegensätze, prius, simul, motus, habere}, welche wir
allerdings auch schon bei Ahälard trafen (Ahschn. XIV, Anm. 272), nun
ganz allgemein ein441).
Bei Erklärung der Schrift De in t er p r etatione, welche hier zum
ersten Male in zwei Bücher getheilt erscheint442), hatte Albert einen
reichen Stoff vor sich, indem er mit den Commentaren der Araber auch
jenen ausführlicheren des Boethius verbinden konnte ; und indem er diess
432) Ebend. I, 3, p. 99 B. S. vor. Abschn. Anm. 191 n. 31.
433) Ebend. c. 6, p. 102 A. S. ebd. Anm. 192 u. Abschn. XI, Anm. 152.
434) Kl1en,I. H, l, p. 106 A. S. vor. Abseift., Anm. 33.
435) Ebend. c. 3, p. 107 f. S. Abschn. XI, Anm. 151.
436) Ebend. c. 10, p. 117 B. S. vor. Abschn., Anm. 196.
437) Ebend. IV, l, p. 141 A. S. ebd. Anm. 35. Ebend. c. 7, p. 149 A, vgl.
ebd. Anm. 207.
438) S. vor. Abschn., Anm. 199.
439) Acht Tractale (p. 194—236) widmet Albert in stupider Hingabe jenem
Producle, dessen Armseligkelt ich oben, Abschn. XIV, Anm. 485 ff., zu schit
dern hatte.
440) Wenn nemlich allerdings auch schon Lambert v. Auxerre bei Uebertragung
der byzanlinischen Logik das Buch De sex principiis eingereiht hatle (s. oben
Anm. 116, vgl. auch Anm. 173 u. 308), so wurde diese Ergänzung doch nur durch
Albert zu einer so allgemein üblichen, dass noch die Drucke der ioleinischen
Uebersetzungen des Organons bis ins 16. Jahrb. hinab sämmtlich dieser Sitle
huldiglen.
441) De praedicam. I, 6, p. 102 A und VII, l, p. 173 A. Bei der Frage, zu
welcher Kalegorie die Bewegung gehöre, schliesst sich Albert (VII, 14, p. 190 A)
an Avicenna an (s. vor. Abschn., Anm. 208).
442) Periherm. II; I, l, p. 268 A: JVane sub allerius libri prsncipio de consequentiis
enunlialionum u. s. w. Sicher beruht diese Trennung, gemäss welcher
(nach der jetzt üblichen Numerirung) mit dem 10. Capltel das zweite Buch begann,
ebensosehr auf arabischer I.üleratnr wie die Zertheitung des Buches Soph. Etench.;
s. ebend. Anm. 64. In den Drucken des Organons erscheint diese Abtheitung noch
bis in das 17. Jahrb.
104 XVII. Albertus Magnus.
wirklich that, haben wir auch hier nicht von individuellen Verdiensten
desselben zu berichten, sondern nur einige Punkte bezüglich ihrer Quellen
hervorzuheben. Er knüpft das Buch, von welchem er auch erwähnt,
dass es Andronikus für unächt gehalten habe443), in boethianischer Auf
fassung derarlig an die Kategorien, dass in letzteren die in Worten
bezeichnete Sache , in ersterem aber die redende Bezeichnung (sermo)
der Sache die Hauptsache sei444), und in Bezug auf die nachfolgende
Syllogislik flxirt er den Sprachgebrauch der Worte „enuntiatio" und
„propositio" 445). Es folgen sodann unter Benützung der Araber die
üblichen Controversen über wo;446), women447) und ver&um448), sowie
die Eintheilung der Satzarten 449), und hierauf in grösster Ausführlichkeit
die Erörterung über die sog. Infinitalion 450). Bei Besprechung der Ein
heit des Urtheiles nimmt Albert die arabische Unterscheidung auf, wornach
das copulalive Urtheil nur als zusammengesetztes, hingegen das condilionale
und disjunclive als einheitlich verbundene (coniunctione unum) be
trachtet werden soll451), und ebenso folgt er arabischen Vorbildern
bezüglich der Qualität452) und der Quanlität453) der Urtheile, sowie bei
ein paar einzelnen Schul-Controversen 454). Die Lehre aber von der Ent
gegensetzung und Aequipollenz entwickelt er vollständig nach Boethius 45S),
so dass natürlich auch hier jene wahren inneren Schwierigkeiten des
aristotelischen Buches (s. Abschn. IV, Anm. 203 f. u. 235) ungelöst
bleiben. Endlich bezüglich der modalen Urtheile wiederholt er den
443) Ebend. I; I, l, p. 238 B. Die Quellenslelle des Boethius nebst jener
des Andronikus selbst s. Abschn. IX, Anm. 45.
444) Ebend. c. 2, p. 240 A: Est enim liber praedicamentorum de decem vocibus
prima principia significanlibus et secundum rerum proln-ietales, non vocutm (seinen
eigenen Selbstwiderspruch , — s. oben Anm. 430 — , brauchle natürlich Albert
nicht zu bemerken). Hie unlem in scienlia de inlerpretalione est inchoalio a sermonc
sive voce et lerminatur in rem. S^ Abschn. XII, Anm. 84 u. 110.
445) Ebend. c. l, p. 238 A: Propositio est enunlialio stans sub forma sgllogismi.
S. Abschn. XI, Anm. 153, u. Abschn. XII, Anm. 111 f. u. 133.
446) Ebend. II, l u. 2, p. 242 ff. S. vor. Abschn., Anm. 210.
447) Ebend. c. 4, p. 246 f. S. ebd. Anm. 211.
448) Ebend. III, l, p. 254 ff. S. ebd. Anm. 38.
449) Ebend. II, 2, p. 243 A: Nec deprecaliva nec optaliva nec coniunctiva nec
infinitiva cum vero vel falso significant, sed quando est indicaliva. Ebend. IV,
l, p. 258 A: Oralio perfecta dividitur; non enim omnis oralio enuntialio est, sed
ilio sota, in qua indicalive est significatum (der Herausgeber der Werke Albert's
hat ungeschickter Weise hierin eine Meinungsverschiedenheit zwischen Albert und
„Thomas erblickt). S. bei Boethius Abschn. XII, Anm. 111.
450) Ebend. c. 5, p. 248 ff. S. vor. Abschn., Anm. 212.
451) Ebend. IV, 2, p. 258 B: Composita (sc. est enuntialio) sive ptures, in qua
vel ptura de uno vel unum de pturibus vel ptura de pturibus dicuntur, ut si
dicam „Soerales et Pioto currunl" u. s. f Coniunclione aulem unae sunt, in
quibus consequentia , quam nolal coniunclio, facit unitalem , et hoc non est nisi in
conditionali et disiuncliva. S. ebd. Anm. 215.
452) Ebend. V, l, p. 260 f. S. ebd. Anm. 213.
453) Ebend. p. 261 A u. bes. II; l, 3, p. 272 B. S. ebd. Anm. 214.
454) Ebend. II; l, 5, p. 276 A u. 277 A. S. ebd. Anm. 40 f.
455) Ebend. I; V, l, p. 260 ff. u. II; I, l f., p. 269 ff. S. Abschn. XII, Anm.
113 — 118. Nur bedient sich Albert der nicht-boethianischen Terminologie „aequipottcnlia".
XVII. Albertus Magnus. 105
Standpunkt, dass der Modus selbst Prädicat ist456), ergänzt aber die
Verhältnisse der Entgegensetzung und Aequipollenz (wahrscheinlich aus
Alfarabi) vollständiger, als Boethius gethan hatte457), wobei auch aus
Averroes die aristotelische Unterscheidung zwischen possibile und conlingens
eingehalten wird 458).
In beiden Analytiken zeigt sich uns Albert als einen höchst red
seligen Exegeten des aristotelischen Textes, bleibt aber dabei ähnlich wie
Averroes der reinen Lehre des Aristoteles im Ganzen getreu. So nimmt
er betreffs des gegenseiligen Verhältnisses der zwei Analyliken in der
ersten wohl die arabische Unterscheidung zwischen Form und Stoff des
Schliessens auf459) und denkt auch mit Avicenna an populäre nichtformulirte
Schlüsse 460) , zieht aber bei Erklärung der Syllogislik selbst,
— insbesondere bezüglich der modalen Syllogismen461) —, die Araber
nur zur Verdeutlichung bei und eignet sich etwa höchstens die Ansicht
an, dass die Prämissen der Stoff und die Figur die Form des Schlusses
sei462), oder dass bei den drei Figuren die sechzehn möglichen Combinalionen
der Urtheile zu erwägen seien463), oder dass für Auffindung
des Mittelbegriffes die versinnlichen de Darstellung des Averroes zweck
dienlich sei464). Hingegen ist er nicht bloss bezüglich der theophrasli-
456) Ebend. II; H, l, p. 279 A: Si aulem quaeritur, quid sit praedicalum in
enuntialione modali, dicimus cum Boelhio et Alfarabio, quod modus est praedicatum.
S. ebend. Anm. 119.
457) Ebend. c. 4, p. 283 A u. B : Est aulem haec disposilio in figura, ut facilius
videatur, quod dictum est:
Prima linea: Secunda linea:
Possibite est esse. Possibite esl non esse.
Non possibite est esse. Non possibite est non esse.
Conlingit esse. Conlingit non esse.
Non contingit esse. Non continnit non esse.
Terlia linea: Quarta linea:
Kon impossibite est esse. Non impossibite est non esse.
Impossibite est esse. Impossibite est non esse.
Non neecsse est esse. Non necesse est non esse.
Necesse est non esse. Necesse at esse.
In hac disposilione prima linea sequitur lerliam et secunda quartam per omnes
modos, et sie eliam correctus est error anliquorum et vera consequentia modalium
est disposita. Die unvollständigere Angabe des Boethius s. ebend. Anm. 122.
Uebrigens s. auch b. Algazeli, vor. Abschn., Anm. 262. Dass das Ganze nicht aus
der byzanlinischen Logik entnommen ist, zeigt die Vergleichnng mit obigen Anm.
46 u. 164; anders verfuhr Thomas, s. unlen Anm. 541 ff.
458) Ebend. c. 6, p. 286 A. S. vor. Abschn., Anm. 315.
459) Anal. pr. I; I, l, p. 289 f. S. ebd. Anm. 51, 265, 317.
460) Ebend. c. 2, p. 290 B. S. ebd. Anm. 80.
461) Nachdem ihn c. 11 ff. p. 299 ff. schon die Umkehrung der modalen Ur
theite sehr beschäfligt hatle, — s. ebd. Anm. 46 u. 218 —, verbreilet er sich 1II,
1—9 u. IV, 1-29, p. 325-383 in grösster Ausführlichkeit über die modalen
Schlüsse. S. ebd. Anm. 47.
462) Ebend. II, 2, p. 307 B. S. ebd. Anm. 216.
463) Ebend. c. 6, p. 312 B. S. ebd. Anm. 268.
464) Ebend. VI, 3, p. 401. S. ebd. Anm. 328. Auch hat sich von jener
Stelle des Averroes her durch Albert für die Erörlerungen „De invenlione medii"
die üblich gebliebene Terminologie „Conseqilenlia, Antecedentia, Repugnanlia" ein
gebürgert.
106 XVII. Albertus Magnus.
sehen Modi der ersten Figur, welche bei ihm auch sgllogismi conversi
heissen, zurückhaltend, indem er (Algazeli und Averroes hatten sie gänz
lich beseiligt) nur zwei derselben anerkennt465), sondern er bekämpft
auch mit Averroes ausdrücklich die Berechligung einer vierten Figur466).
Ja, was die Hauptsache ist, er überbietet sogar den Averroes darin, dass
er die hypothelischen Syllogismen völlig abweist467) und somit im Gegen
satze gegen die übrigen Araber den Begriff der vnö&ea»s ganz aristo
telisch behandelt468). — Als beachtenswerthe Einzelnheiten habe ich zu
erwähnen, erstens dass Albert in der Syllogislik die übliche Buchstaben-
Bezeichnung ebenso wie Boethius rechtferligt und für dieselbe den Aus
druck „termini transcendentes" wählt469), und zweitens ganz besonders
dass er gelegentlich einmal die byzanlinische Lehre von der appellalio
verwerthet, und zwar merkwürdiger Weise in einer Form, welche nicht
bei Petrus Hispanus , sondern schon bei Wilhelm Shyreswood er
scheint470). Und es macht uns diese Stelle, sowie die obige des Robert
Capito (Anm. 357) so ziemlich den Eindruck, als wäre damals die
byzanlinische Logik noch ganz unabhängig neben der aristotelisch -arabi
schen einhergegangen , denn später wenigstens gestaltet sich die Sache
ja ganz anders471).
Auch in der zweiten Analylik ist Albert's Verfahren überwiegend
nur exegelisch, doch lässt er sich dabei hier etwas mehr von den
465) Ebend. c. 2, p. 400 A: Ad sgllogizandum indirecle eonversus erit
»gllogismus coneludens minorem de maiori extremitale (vgl. Abschn. IX, Anm. 100).
Ebend. II, 13, p. 322 A: Est indirecle coneludere in duobus modis, quorum unus habet
maiorem universalem affirmalivam et minorem universalem negalivam, et aller habet
maiorem particuiorem affirmalivam et minorem universalem negalivam (d. h. es sind
diess unler den fünf theophraslischen Modi, s. Abschn. V, Anm. 46, die zwei letzlen,
welche in der byzanlinisch - ioteinischen Logik, — s. oben Anm. 52 —, Fapesmo
und Frisesomorum, bei den Späleren aber Fesapo und Fresison heissen)
Quamvis aulem Boethius ponat quinque modos indirecle coneludentium in prima figura
-(Abschn. XII, Anm. 136), tamen hie non ponuntur nisi duo qui dicti sunt, quia itli
formantur iuxta inuliles coniugaliones. S. vor. Abschn., A Hin. 268 n. 321.
466) Ebend. c. 5, p. 311 B u. c. 13, p. 325 A. S. vor. Abschn., Anm. 322.
467) Ebend. III, l, p. 326 A. S. ebd. Anm. 327.
468) Ebend. V, l, p. 385 A. S. ebd. Anm. 324.
469) Ebend. I, 9, p. 298 A : Quia de sgilogismo loquimur simplici, qui tantum
formaliler sgllogismus est et in omni maleria habet poni et nullius maleriae est proprius,
ideo lerminis ulimur transcendenlibus nihit et omnia significanlibus. S. Abschn.
XII, Anm. 133.
470) Ebend. c. 10, p. 299 A: Ad haec aulem solvenda et simitia (d. h. Bedenken
ober die Umkehrung der Urtheite) duo praenolanda sunt, sc. regutae appeliolionum
et consequenliarum (über letzleren Begriff s. unlen Anm. 610 ff.). Reguioe aulem
appeliolionum sunt, quod nomen „homo" supponens verbo praelerili vel futuri lemporis
polest appeliore pro homine, qui est vel qui fuit, si verbum est praelerili
lemporis, vel pro homine, qui est vel qui futurus est, si est verbum futuri lemporis.
S. bei Withelm Shyreswood oben Anm. 64 (bei Petrus Hispanus oben
Anm. 228 f.).
471) Indem nemlich keine Rede davon sein kann, dass bei Albert die byzan
linische Lehre von den Proprietales lerminorum als solche in die Logik aufgenommen,
geschweige denn etwa (wie bei Occam) syslemalisch mlt derselben verflochten wäre,
werde ich durch solch vereinzelte Stellen in meiner obigen Annahme über Vincenz
v. Beauvais (Anm. 319 -326) durchaus nicht irre gemacht. An eine Unächtheit
aber der Stelle des Albert oder jener des Capito zu denken, liegt keinerlei Ver
aniossung vor. Vgl. auch unten Anm. 544.
XVII. Albertus Magnus. Thomas v. Aquino. 107
Arabern beeinflussen. So finden wir ausser den einleitenden Bemer
kungen472) die arabischen Anschauungen über das xct&' ciüto473), über
nu&öKov und praedicatum primum474), über die dignitates , A. h.
obersten Denkgesetze475), ja auch über demonstratio potisstma476). In"
den Erörterungen über demonstratio quia und demonstratio propter
quid neigt er sich im Gegensatze gegen Alfarabi näher dem Avicenna zu,
als dem Averroes 477); hingegen in Unterscheidung einer definitio formalis
und definüio materialis, worauf er auch anderwärts zu sprechen
kommt, folgt er wieder, wie schon Robert Capito (Anm. 355) gethan
hatte, dem Alfarabi478).
Was endlich die Topik und Sophistik betrifft, welche beide er
gleichfalls in ausführlichster Weise commenlirte, so weist er der ersteren
im Gegensatze gegen Alfarabi und Avicenna jene Stelle an , welche sie
tradilionell im aristotelischen Organon einnahm479), und sucht auch ge
legentlich eine arabische Ansicht bezüglich des ganzen Gebietes der Dia
leklik zu berichligen480). „
Durch Albert nun lässt sich Thomas von Aquino (geb. 1225 oder
1227, gest. 1274) leiten und beslimmen, und es wäre ein grosser Irr-
Ihum. denselben für einen selbstständigen Denker zu halten481). Er ist
von zwei Auctoritäten zugleich gefesselt, von der christlich-dogmalischen
und von der (durch Albert's Belesenheit übermittelten) aristotelischen;
472) Die Stelle ist schon im vor. Abschn., Anm. 51 angeführt; vgl. ebend.
Anm. 276 f.
473) Anal. post. I; H, 8-11, p. 535—541. S. ebd. Anm. 56.
474) Ebend. c. 13, p. 543 u. IV, 11, p. 584. S. ebd. Anm. 57, 224, 283.
475) Ebend. I, 4, p. 520 u. III, 4, p. 559. S. ebd. Anm. 60 u. 225. Durch
die Uebersetzung der betreffenden Stelle des Aristoleles (Abschn. IV, Anm. 147)
blieb hiebei die Terminologie „subiectum, passio, dignitales" üblich.
476) Ebend. III, 6, p. 563. S. vor. Abschn. Anm. 62.
477) Ebend. II; I, l, p. 610 ff. S. ebd. Anm. 62, 226, 342.
478) Ebend. I; II, 17, p. 551, u. II; U, 10, p. 630, n. Metaph. VII; I, 12,
p. 259. S. ebd. Anm. 52.
479) Top. t, Prooem. p. 659. S. ebd. Anm. 17 u. 230.
480) Metaph. IV; 1,7, p. 127 B: Dialeclici el sophistae in nsu eandem
subindunt figuram cum primo phitosopho Sed differt phitosophia a dialeclica
quidem modo polestalis et virtulis medii, a sophistica vern differt secundum
sitae proaeresin. Ebend. III; III, 6, p. 107 B: Dialectica et prima phitosophia saepe
sunt cirea eadem el de eisdem tractanles, sed dialectica inquisiliva est, nee
opinor vera esse, quae dicit Averroes, quod sc. dialecticus et primus phitosophus communicent
in probabitibus ralionibus. S. ebd. Anm. 231 u. 380.
481) Es ist z. B. geradezu lächerlich, wenn K. Werner (in seinem dreibändigen
Werke „Der heitige Thomas von Aquino". Regensburg 1858 f.) der Logik und Er
kenntnisstheorie des Thomas 175 Seilen in einer Weise widmet, wie wenn die ganze
aristatelische Logik die „Lehre" des „heitigen" Thomas wäre. Für den Geschichts
forscher zeigt sich ja auch Thomas als eine höchst secundäre Natur. Uebrigens
verwerthet Werner bei seiner Darsleltung, welche überhaupt manche argen Irrthümer
enthält, fortwährend Slellen ans den sachlich unächlen Schriften des Thomas in
ungenirtesler Gleichsleltung mlt den ächlen. H. E. Piossmann, Die Schule d. h.
Thomas v. Aqu. Ersler Hürsaal: D. Philos. d. h. Th. Ersler Theit: Logik. Soest
1858. hat eigentlich mit Thomas durchaus Nichts zu schaffen, sondern entwickelt
jene abenleuerlichst zusammengestoppelte Logik , welche in den thomislischen Vor
lesungen und Priesler-Seminarien des vorigen und jetzigen Jahrhunderts in Spanien,
Italien und gewissen Landstrichen Deutschionds üblich war oder ist.
108 XVII. Thomas voii Aquino.
und wer sich in religiöser Beziehung volle Unbefangenheit bewahrt oder
errungen hat, wird in der ganzen sogenannten Philosophie des Thomas
Nichts weiter erblicken, als eine unverständige Verquickung zweier we
sentlich disparater Standpunkte; denn nur Sache eines unklaren Ver
standes kann es sein , wenn man (— wie ich schon wiederholt hervor
gehoben habe —) den aristotelischen Substanz - Begriff neben der christ
lichen Trinitätslehre festhalten zu können glaubt, oder wenn man die
aristotelische Ethik in christliche Moraltheologie verballhornt482).
Was wir über Thomas hier zu berichten haben, kann vor Allem nur
auf Ausscheidung der ächten und der unächten Schriften desselben be
ruhen; und indem in dieser Beziehung nur die sog. Opuscula in Frage
kommen können, bemerke ich, dass mir in Uebereinslimmung mit älteren
und neueren Untersuchungen483) unter den zur Logik gehörigen (— denn
z. B. De unüale intellectus contra Averroem gehört nur zur Psycho
logie —) kleineren Schriften nur folgende als ächt gelten: vor Allem die
Erstlingsschrift des Thomas De ente et essentia (Opusc. 30), sodann De
principio individuationis (Op. 29), De quatuor opposüis (Op. 37), De
natura verbi intellectus (Op. 14), De propositionibus modalibus (Op. 40),
und De fallaciis (Op. 39). Die übrigen als unächt vorläufig bei Seite
lassend484) muss ich, wie sich von selbst versteht, ausser den Commentaren
zu De interpr., zur zweiten Analylik und zur Metaphysik auch
die einzelnen entscheidenden Stellen aus den bekannten Hauptwerken
(Summa theologiae, Summa contra gentes, Quodlibetea, ad IV Sentent.
u. s. f.) beiziehen 4sS).
Indem Thomas betreffs der Eintheilung des Wissensgebietes Bemer
kungen aus Albert wiederholt486), schliesst er sich auch an diejenigen
482) An diesem Urtheite kann mich natürlich auch die geschichtlich ionge
dauernde Wirkung des Thomismus durchaus nicht beirren , denn dass die naive
Verstandes-Unschuld an einem christlichen Aristatelismus Vergnügen fand, und dass
auch heutzutage noch Viele giouben, auf zwei Sätleln reilen zu können, ist wohl
unleugbare Thatsache ; aber der Phitosophie muss es unbenommen bleiben, diese
süsse Selbsttäuschung als das zu bezeichnen, was sie ist, — als eine Träumerei.
Eben darum bleibt es auch allen christlichen Theologen vollständig überiossen,
welcherlei Meinung sie ihrerseits über Thomas hegen. Uns berührt diess ebenso
wenig, als die Frage, ob nicht Thomas durch seine Verquickung mit Aristolelismus
etwa auch die theologische Auffassung alterirt habe.
483) Die Berichle der Zeitgenossen des Thomas und sonslige entscheidende
Punkle betreffs der Aechtheit einzelner Schriflen finden sich schon bei Oudin,
Seriptt. eceles. Vol. III, p. 254—280. Ausserdem s. Monlet, Memoire sur S. Thomas
in den Memoires de PAcad. rog. de sciences mar. et polit. de Pinst. de France, tom. II,
Paris ] 847, p. 525 ff. und insbesondere das vortreffliche Werk von Chart. Jourdain,
La phitos. de St. Thomas d'Aquin. Paris 1858. (Vol. I, p. 130 ff.)
484) Nemlich: De demonstralione (Op. 38), De natura accidenlis (Op. 41), De
natura generis (Op. 42), De pluralitale formarum (Op. 45), De natura sgllogismi
(Op. 47), Summa tolius logicae (Op. 48), De sensu resp. singul. et inlell. resp. unie.
(Op. 49), De invenlione medii (Op. 50), De inlellectu et inlelligibiti (Op. 53), De
universalibus (Op. 55 und 56). Dieselben werden geeigneten Ortes weiter unten
besprochen werden. (S. Anm. 548 ff. u. Abschn. XIX, Anm. 265 ff.)
485) Ich cilire nach der Römer Ausgabe v. 1570 (in 17 Bänden). Den Quellen-
Rückweis für die einzelnen „Aussprüche" (s. oben Anm. 359) des Thomas führe
ich, soweit thunlich, nur auf Albert zurück, woselbst ja dann der weilergehende
Rückweis auf Arabisches zu fmden ist.
486) Ad Boeth. de trinit. (Vol. XVII, 2) f. 134. S. oben Anm. 360 ff.
XVII. Thomas von Aquino. 109
Stellen seines Meisters an, in welchen derselbe die Logik als blosses
Werkzeug und als Nicht-Theil der Philosophie bezeichnete487). Indem
die Logik nur formale Principien betrachte488), enthalte sie das „in
zweiter Linie Gedachte" (secundo intellecta) und biete den modus procedendi
für die übrigen Wissenschaften dar480), daher sie auch als
Einleitung vorauszuschicken sei490). Auch die Eintheilung der Logik
(nach arabischer Weise mit Einschluss der Rhetorik und Poelik) ist nur
aus Albert, welcher hiezu auch den Standpunkt des Boethius beigezogen
hatte, entlehnt491).
Was die Universalien betrifft, konnte Thomas ja alles Beliebige
(wie wir sahen) aus Albert sich heraussuchen , und so sehen wir ihn
denn auch jenen nemlichen widerspruchsvollen Weg wandeln, auf
welchem sein Lehrer schliesslich beim theologischen Realismus anlangte.
487) Ebend. f. 128 r. A: Res aulem, de quibus est logica, non quaeruntur ad
cognoscendum propler se ipsas, sed ut adminicutum quoddam ad alias scienlias • et
ideo logica non eontinetur sub phitosophia specutaliva quasi principalis pars, sed
quasi quoddam reductum ad eam, prout ministral specuiolioni non tam est scienlia, quam scienliae instrumentum. S. obsuean iAnnsmt.rum3e6n3ta,u. u3n6d5e.
488) De pot. dei, qu. 6, art. l (Vol. VIII) f. 59 v. A : Logicus et mathemalicus
considerant tantum res secundum principia formalia.
489) Ad Boeth. de trin. f. 132 v. A: Oportet in addiscendo a logica incipere,
non quia sit facilior scientiis celeris , habet enim maximam difficultalem, cum sit de
semudo inlellectis, ssd quia aliae scienliae ab ipsa dependent, inquantum ipsa docel
modum procedendi in omnibus scientiis. S. besonders den Begriff „secunda intenlio"
ob. Anm. 363, sowie noch weilere Slellen des Thomas unten Anm. 506.
490) Metaph. I, l (Vol. IV) f. 3 v. A: Ptures artes sunt repertae quantum ad
ulilitalem, quarum quaedam sunt ad vitae necessitalem, sicut mechanicae, quaedam
vero ad introduclionem in aliis scienliis, sicut scienliae logicales u. s. f. S. oben
Anm. 368.
491) Anat. post. l, l, (Vol. I) f. 16 v. A: Ars quaedam necessaria est, quae
sit direcliva ipsius actus ralionis, et haec est ars logica, i. e. ralionalis scienlia,
et ideo videtur esse ars arlium Una actio inlellectus est inlelligentia indivisibitium,
et haec operalio a quibusdam (d. b. Algazeli und Pseudo-Averroes,
s. vor. Abschn., Anm. 236 u. 346) dicitur informalio inlellectus sive imaginalio per
intellectum ; et ad hanc operalionem ordinatur liber Praedicamentorum. Secunda
vero operalio inlellectus est composilio vel dirisio in libro Perihermenias. Tertius
vero aeti,s ralionis est, ut per id, quod est nolum, deveniat in cognilionem
ignoli Est enim aliquis ralionis processus necessitalem inducens; alius,
in quo ut in pturibus verum conctuditur, nec tamen necessitalem habens; tertius vero,
in quo ralio a vero deficit Pars aulem logicae, quae primo deservit processui,
iudicaliva dicitur (über iudicium und invenlio s. oben Anm. 368) Cerlitudo
aulem iudicii est rel ex ipsa forma sgllogismi tantum. et ad hoc ordinatur liber
Priorum Analglicorum, vel eliam ex maleria, et ad hoc ordinatur liber
Posleriorum Analglicorum Secundo aulem ralionis processui deservit alia pars
logicae, quae dicitur inventiva et ad hoc ordinatur Topica sive Dialectica,
Rhetorica, Poelica (s. oben Anm. 364 u. 370) Omnia aulem haec
ad ralionalem philosophiam pertinent Terlio aulem processui ralioni», deservit
pars logicae, quae dicitur sophislica in libro Etenchorum. Periherm. l, l, (Vol. I)
f. l r. A: Duplex est operalio intellectus. Una quidem, quae dicitur indivisibitium
inlelligenlia ; alia est operalio intellectus componentis et dividentis. Additur
autem et lerlia operalio, sc. raliocinandi , secundum quod ralio procedit a nolis ad
mquisitionem ignolorum Cum aulem logica dicatur ralionalis scientia, necesse
est, quod eius consideralio versetur cirea ea, quae perlinent ad tres praedtctas operaliones
inlellectus a. s. w., d. h. er begründet hiedurch die Reihenfolge des Orgnnons:
Caleg., De interpr., Anal. pr, S. oben Anm. 370 — 373.
110 XVII. Thomas von Aquino.
Die bereits tradilionell gewordene Unterscheidung, d. h. ante rem, in
re, post rem492), bekommt auch hier vorläufig die Färbung des sog.
aristotelischen Empirismus, indem von der Sinneswahrnehmung des Ein
zelnen aus der Denkact hinterdrein (posterius) durch Abstraclion das
gleichmässige Verhalten (habüudo) des einheitlich Gleichen erfasse und so
zur intentio universalitatis (s. ob. Anm. 363) gelange, während in den
Dingen selbst das Universale als das prius vorliege, welches im Entstehungsprocesse
sich verwirkliche4a3). Und so spricht Thomas wieder
holt von einem colligere 494), idem ex pluribus accipere 495), von
communitas und selbst von indifferens 496), und er betont ausdrücklich,
dass das commune als solches nur im Denkacte liege497), während die
Natur, welcher dieser Abstraclionsprocess „widerfährt" (accidü), nur in
492) Senlent. II, Dist. III, qu. 2, art. 2 (Vol. VI, 2) f. 15 r. A: Est triplex
universale: quoddam , quod est in re seit natura ipsa, qua est in parlicuioribus,
quamvis in eis nun sil secundum ralionem universalitalis in actu ; est eliam quoddam
universale, quod est a re acceptum per abstraclionem, et hoc posterius est re; ....est
eliam quoddam universale anle rem, quod est prius re ipsa, sicut forma domus in
menle aedificatoris . De pot. dei, qu. 5, art. 9, f. 55 v. A: Universale tripliciler considerari
polest, et secundum quemlibet modum consideralionis universale est semper.
Uno modo .... secundum quod abstrahit a quolibet esse Alio modo .... secun
dum esse, quod habet in singuioribus .... Terlio modo .... secundum esse, quod habet
in intellectu. S. oh. Anm. 379 f.
493) S. theot. I, qu. 85, art. 3 (Vol. X) f. 285 v. A: 0uia sensus est singuiorium,
intellectus aulem universalium, necesse est, quod cognilio singuiorium quoad
nos prior sit quam universalium cognilio f. 286 r. B: Universale dupliciter
polest considerari: uno modo secundum quod natura universalts consideratur simul
cum inlentione universalitalis ; et cum intenlio universalitalis, ul sciticet n,mm et idem
habeat habitudinem ad multa, provenial ex abstractione intellectus, oportel quod se
cundum hunc modum universalv sit posterius (das Gegentheit hievon s. unten Anm.
511) Alio modo polest considerari quantum ad ipsam naturam, proul invenitur
in particuioribus ; et sie dicendum est, quod duplex est ordo naturae; unus secundum
viam generalionis el lemporis, alius est ordo perfectionis sive inlentionis naturae,
sicul actus simpliciter est prius. Ebend. II, l, qu. 29, art. 6 (Vol. XI, 1) f. 66 v. A:
De universali dupliciter conlingit loqui: uno modo secundum quod subest inlentioni
universalitalis; alio aulem modo dicitur de natura, cui talis intenlio attribuitur
Si accipiatur primo modo , universale fit per abstractionem a maleria individuali.
Das Original hievon können wir uns aus obigen Stellen Albert's, Anm. 379,
383, 393, zusammenholen.
494) S. c. gent. I, 3, (Vol. IX) f. 3 r. A: Ea, quae in sensum non cadunt, non
possunt humano intellectu capi, nisi qualenus ex sensibus earum cognitio colligitur.
Ob. Anm. 387 u. 393.
495) Anat. post. I, 42, f. 51 r. A: Universale non cognoscitur sensu, sed ex
pturibus singutaribus visis, in quibus mullolies consideralis invenitur idem accidere,
accipimus universalem cognilionem. S. ebend.
496) De cnte el ess. 3, (Vol. IV, 2) f. 11 r. A: Non oporlet, ul diversantm
specierum, quarum est idem genus, sit una essenlia, quia unitas generis ex ipsa
indelerminalione vel indifferentia (ob. Anm. 383) procedit Genus dicilur unum
per communitalem formae signatae; unde palet, quod per additionem differentiae reu,
ola itio indelerminalione, quae eral causa unitalis generis, remanent species diversae
per essenliam.
497) S. c. gent. I, 26, f. 31 v. B : Quod est commune mullis (ob. Anm. 380 ff.),
non est aliquid praeler multa nisi soio rnlione, sicul animal non est aliud praeler
Soeralem et Piolonem et alia animalia nisi intellectu, qui apprehendit formam animalis
exspoliatam ab omnibus individuanlibus et specificanlibus. Ob. Anm. 379 u.
382 f. u. 391.
XVII. Thomas von Aquino. 111
,l(;n Einzelu-lndividuen exislire 498). Wenn daher folgerichtig die Einzeln-
Dinge erst durch diese abstrahirende und sammelnde Denkthäligkeit wirk
lich Gegenstände des „Erkennens" werden oder sogar an sich dem
Erkennen unzugänglich sind499), so kann völlig im Sinne des Aristo
teles gesagt werden, dass die Sinneswahrnehmung der Boden und
der Ursprung des Erkennens sei, aber eben der Denkact vermöge
einer reflexio , durch welche er auch sich selbst ergreifen kann, sich
durch die sinnfälligen Dinge auf das ihnen zu Grunde liegende Allge
meine zurückbeuge und so das Hinderniss der Materialität überwin
dend zur Quiddität des Einzelnen vordringe 500). Indem Thomas auf
diese Weise einerseits die intentio universalilatis und andrerseits die
derselben unterworfene Objeclivität unterscheidet, welch letztere wieder
einerseits in den Einzeln-Dingen materialisirt und andrerseits im Denken
universalisirt sei, kann er und muss er diese Auffassung zu einer
Polemik gegen Plato formuliren 501), welche er ausdrücklich an mehreren
498) S. theol. I, qu. 85, art. 2, f. 285 r. B: Cum dicitur universale abstractum,
,tim inlelliguntur, sc. ipsa natura rei et abstraclio seu universalitas. Ipsa igitur
natura, cut accidit (ob. Aum. 392) vel inlelligi vel abstrahi vel intentio universalitalis,
nnn est nisi in singuioritms ; sed hoc ipsum, quod est inlelligi vel abstrahi vel
inlentio universalitatis, est in inlellectu. Ann,. 391.
499) Ebend. qu. 86, art. l, f. 290 r. A: Principium singuioritalis in rebus malerialibus
est maleria individualis ; intellectus aulem nosler inlelligit abstrahendo
speciem intelligibitem ab huiusmodi maleria; quod aulem a maleria individuali absirahitue,
est universale. Unde inlellectus nosler directe non est eognoscilivus nisi
universalium ; indirecte aulem et quasi per quandam reflexionem polest cognoscere
singuiore. Ebenso De verit. qu. 2, art. 6, f. 303 r. A. Weit schärfer aber und
völlig übertrieben erscheint diese Auffassung S. theol. I, qu. 14, art. 11, f. 63 v. B:
tnl,'lleclus noster speciem intelligibitem abstrahtt a principiis individuanlibus ; unde
species intelligibitis nostri intellectus non polest esse simititudo principiorum individualium,
et propler hoc intellectus nosler singuioria non cognoscit (es ist ,licss eben
der Gegensatz gegen Gatles Erkennen, s. unlen Anm. 517 f.).
500) De princ. individ. (Vol. XVII, 1) f. 206 v. A: In cognitione humana fundamentum
et origo est sensus secundum phitosophum in libro Perihermenias (s.
Abschn. IV, Anm. 108) Impossibite est inlellectum ferri super itio accidenlia
nisi per modum cuiusdam reflexionis. Reflexio aulem est duplex Polest
igitur vel redire in se per actum et polenliam suam vel redire per obiectum in ipsam
origmem obiecli, sc. per phantasmata in species sensibitium Cum enim in ipso
suo obiecto figitur acies, ralionem unhersalis apprehendit, quod sotum in islis inferioribus
ab intellectu delerminatur ul proprium obiectum, cum omnia singuioria apud
nos malerialia sint; maleria enim impedit intellectum, singuiore vero non
(f. 207 r. A) Ideo quidditas rei malerialis in ipsa sua particuioritale est obiectum
ralionis particuioris , cuius esl conferre de inlentionibus particuioribus. Ob. Anm.
391, 393 u. 382.
501) De anima II, 12 (Vol. III) f. 26 r. B : Universale polest accipi dupliciler.
Uno modo polest dici universale ipsa natura communis, prout subiacet inlentioni uni
versalitalis (s. oben Anm. 489 und unlen Anm. 506). Aliv modo secundum se, sicut
et album polest accipi dupliciter Ista aulem natura, cui advenit intentio
universalitalis, habet duplex esse, tmum quidem maleriale, secundum quod est
in maleria naturali, aliud aulem immaleriale, secundum quod est in inlellectu. (Die
ekleklisch benützle Quelle dieser Dreigliederung s. oben Anm. 379 u. 383.) Secundum
igitur quod habet esse in maleria naturali, non polest ei advenire intentio universali
talis, quia per maleriam individuatur. Advenit igitur ei universalitalis intenlio,
secundum quod abstrahitur a maleria individuali. Non est aulem possibite, quod
abstrahatur a maleria individuali realiter, sicul Piotonici posuerunt; non enim est
112 XVII. Thomas von Aquino.
Stellen übt502), um ganz entschieden sich zum Aristotelismus zu be
kennen 503). Ja Thomas spricht wie ein aristotelischer Nominalist, indem
er der platonischen Ideenlehre den begrifflichen Gehalt der Worte gegen
überstellt 504), in welchen der vollständige Ausdruck des Intelligiblen als
ein vom Menschen erzeugter liege 505).
Aber schnell wendet sich das Blatt (wie bei Albert), und Thomas
ist trotz all dieser peripatelischen Plagiate, deren Tragweite er natürlich
gar nicht versteht, Nichts weniger als ein Aristoteliker. Denn während
sein ganzer scheinbarer Aristotelismus sich in den arabischen Begriff der
intentio secunda conrentrirt 506), so tritt bei ihm ja nun dieser secunß
naturalis, i. e. realis, nisi in his carnibus Relinquitur igitur, quod natura
humana non habet esse praeler principia individuantia nisi tantum in inlellectu.
Ebend. I, l, f. 2 r. A: De animali universali possumus loqui dupliciler ; aut secundum
quod est universale, quod sciticel est unum in mullis aul de mullis, aut secundum
quod est animat; et hoc vel secundum quod est in rerum natura vel secundum quod
est in inlellectu.
502) De enle et ess. 4, f. 12 r. A: Non polest dici, quod ralio generis, speciei,
differenliae convenial esse, secundum quod est quaedam res exislens extra singuioria,
ut Piotonici ponebant; non enim polest dici, quod Soerales sit hoc, quod ab
eo separatum est. Ausscrdem Anat. post. I, t, f. 17 r. A u. 41, f. 49 v. A, u. ins
besondere De anima l, 5, f. 17 r. A, woselbst er die Worle Alberts (ob. Anm. 394)
wiederholt ; vgl. auch Anm. 377.
503) S. theol. t, qu. 6, art. 4, f. 23 r. B: Haec opinio (sc. Piolonis) irralionabitis
videtur quantum ad hoc, quod ponebal species rerum naturalium separatas per
se subsislenles, ul Aristoleles mullipliciler improbat. Hiezu De substant. separ. s. de
angelis, c. 2, (Vol. XVII, 1) f. 86 v. B: IVon necesse est, ut ea, quae inlellectus
separalim intelligit, separalim i'sse habeant in rerum natura. Unde nec universalia
oporlet separata ponere et subsistenlia praeler singuioria, neque eliam mathemalica
praeler sensibitia, quia universalia sunt essenliae ipsorum parlicuiorium et mathemalica
sunt lerminaliones quaedam sensibitium corporum. Et ideo Aristoleles mani
fesliert et certiori via processit ad investigandum substantias a maleria separatas,
sc. per viam motus. S. ob. Anm. 388.
504) Periherm. I, 2, (Vol. I.) f. l T. B : Significal hoc nomen „Aomo" naturam
humanam in abstraclione a singutaribus, unde non polest esse, quod significet hominem
immediale singutarem, ul Ptatonici posuerunt, quod significet ipsam ideam hominis
separatam; sed quia hoc secundum suam abstractionem non subsistit realiler secundum
sententiam Aristolelis, sed est in solo intellectu, ideo necesse fuit, Aristolelem dicere,
quod voces significant intellectus concepliones immediale et eis medianlibus res. Letz
teres deutlicher cbend. 10, f. 7 v. B: nomina non significant res nisi mediante
inlellectu.
505) Allerdings stehen die eben angeführlen Worle im Commentare zu jener
aristolelischen Schrift, welche, wie wir sahen, schon längst vor den Arabern den
Anhaltspunkt für nominalislische Auffassungen dargebolen hatle („universale est, quod
aptum natum est praedicari de pturibus", s. z.B. bei Scatus Erigena, Abäiord U.A.),
und so kann auch ebend. 10, f. 8 r. B gesagt werden: Universale secundum quod
est in singuioribus, cadit in apprehensionem hominum. Aber Thomas äussert sich
eben auch anderwärts in einer solch nominalislischen Betonung des Worles, nemlich:
De natura verbi inlellectus (Vol. XVII, 1) f. 85 r. A: Sicul in principio actionis
intellectus et species non sunt duo, sed unum est ipse intellectus et species ittustrata,
ita unum in fine relinquitur, simititudo sciticel perfecta genita et expressa ab in
lellectu, et hoc lotum expressum est verbum et est lolum rei dictae expressivum et
tolum, in quo res expnmitur, et hoc inlellectum principale, quia res non intelligitur
nisi in eo ; est enim tanquam specutum, in quo res cernitur, sed non excedens id,
quod in eo cernitur.
506) Metaph. IV, 4, f. 43 v. A: Ens ralionis dicitur proprie de itlis inlentionibus,
quas ralio adinvenit in rebus consideralis , sicut inlentio generis, speciei et
XVII. Thomas von Aquino. 113
dären Geltung als das Primäre etwas „ausserhalb der Seele" Seiendes
gegenüber507), und zwar denkt er hiebei zunächst an den aristotelischen
Form-Begriff, welcher objecliv in den Dingen als Seins-Princip wirke 50it) ;
aber während er diess in dem anliplatonischen Sinne nimmt, dass nicht
etwa die allgemeinen Begriffe als Ideen eine getrennte Existenz haben,
versteht er es christlich-theologisch von den schöpferischen Formen in
Gott 509). Denn sowie schon das Gleichniss vom Gesichts-Sinne zu einer
solchen Annahme einer species intelligibilis führt 51ü), so werden nun die
Universalien, welche wir so eben (Anm. 493) als das posterius sahen,
hinwiederum im Hinblicke auf die formgebende Kunst Gottes als das prius
im begreifenden Erkennen bezeichnet 5 1 1). Und da nun der intellectus
aelernw der eigentliche Wohnsitz der Universalien ist512), und dieselben
simitium, quae quidem non inveniuntur in rerum natura, sed consideralionem ralionis
consequuntur, el huiusmodi ens ralionis est proprie subiectum logicae. So auch
„intenlio praedicabititalis" De enle et ess. 4, f. 17 r. B und ebend. 6, f. 30 r. B.
Anal. post. t, 21, f. 31 r. A. Hiezu obige Anm. 489 u. 501. Die Quelle bei Albert
s. Anm. 363. Wer die arabische Herkunft dieses Begriffes „inlenlio" nicht kennt,
muss denselben missverslehen (so z. B. Alogs Schmid, Die thomislische u. scolislische
Gewissheltslchre. Ditlingen 1S59. S. 19).
507) De pol. dei, qu. 7, art. 9, f. 74 v. A: Prima inlellecta sunt res extra
animaiu. in quae primo intellectus intelligenda fertur. Secunda aulem inlellecta
dicuntur inlenliones consequenles modum intelligendi, sicul inlentio generis et
speciei el secundarum substanliarum ln nullo aulem praedicamento ponitur
aliquid nisi res extra animam exislens, man ens ralionis dividitur contra ens divisum
per decem praedicamenta. (S. die aristatelische Slelle Abschn. IV, Anm. 302.)
508) S. tlleol. t, qu. 85, art. 3, f. 286 v. A: Universale secundum quod accipitur
cum inlenlione universalitalis, est quidem quodammodo principium cognoscendi, prout
inlenlio vuiversal,lalis consequitur modum intelligendi, qui est per abstraclionem.
Non aulem est necesse, quod sit principium essendi, ut Pioto existimavit
Si aulem consideremus ipsam naturam generis el speciei, proul est in singutaribus,
sie quodammodo habet ralionem principii formalis respectu singuiorium; nam singuiore
est propler maleriam, ralio aulem speciei sumitur ex forma. Sed natura generis
comparatur ad naturam speciei magis per modum malerialis principii, quia natura
generis sumitur ab eo, quod est maleriale in re, speciei vero ab eo, quod est formale.
S. ob. Anm. 391 u. vgl. unlen Anm. 526.
509) Metaph. XI, 2, f. 139 r. A: Nihit est in rerum natura praeler singuioria
exislens, sed tantum in consideralione inlellectus abstrahentis communia a propriis
(B) Kst aliqua substantia separata a sensibitibus, non quidem species rerum sensibitium,
ut Piolonici posuerunt, sed primi moloris.
510) De unit. intelt. (Vol. XV11, 1) f. 104 r. A: Natura proul est in singuiori
bus, est intellecta in polenlia, sed fit intellecta in actu per hoc, quod species a rebus
sensibilibus medianlibus sensibus usque ad phantasiam perveniunt el per virtulem
intellectus agentis species inlelligibites abstrahuntur, quae sunt in intellectu possibiti;
hae aulem species non se habent ad intellectum possibitem ul intellecta, sed sicut
species, quibus intellectus inlelligit, sicut eliam species, quae sunt in visu, non sunt
ipsa visa, sed ea, quibus visus videt. S. ob. Anm. 396 u. 499.
511) De Veritale, qn. 8, art. 9 (Vol. VIII) f. 334 v. A: Universalet secundum quod
est in comprehensione nostra, qua comprehendimus res naturales, est a rebus naturalibus
acceptum. Sed universale in nostra comprehensione existens respectu artificialium
non est poslerius, sed prius, quia per formas arlis universales apud nos
exislenles arlificiata producimus et simitiler per raliones aelernas deus producil erealuras.
S. ob. Anm. 395.
512) S. theot. I, qu. 16, art. 7, f. 75 r. A: Universale dicitur esse ubique et
semper, inquantum universalia abstrahuntur ab hie et nunc; sed ex hoc non sequitur,
ea esse aelerna, nisi in inlellectu, si quis est aelemus.
PBANTL, Gesch. III. 8
114 XVII. Thomas von Aquino.
im Geiste Gottes als Musterbilder und als Principien des Erkennens vor
liegen513), so handle es sich nur um eine Modificalion der platonischen
Ansicht, denn eigentlich habe Plato auf das Nemliche hingestrebt, was
Aristoteles ausgesprochen , und nur die Art und Weise der Immaterialität,
welche den Ideen zukommen soll, sei falsch514). Dass sonach Thomas
auch nicht Platoniker sei, durften wir allerdings nach dem Vorgange
seines Lehrers (Anm. 377) erwarten, aber indem wir die Einsicht ge
winnen, dass er den Aristotelismus und den Platonisuius durch die Myslik
des Buches De causis (vgl. Anm. 25), aus welchem er die Begriffe ens,
nun n,, verum, lonum zu einer theologischen Wendung benutzt515), corrumpirt
habe, entdecken wir auch bei ihm in der Universalienfrage als
den innersten Kern das nicht -logische Moliv der myslischen Causalität
Gottes516), woran sich nur in Folge des üblichen Auctoritäts-Schwindels
• ein unverdauter Aristotelismus als äusserliche Schale anschloss.
Aber eben jene höchste göttliche Instanz ist es, an welche sich bei
Thomas ein anderweiliges Moment knüpft, welches zwar überwiegend der
Ontologie angehört . jedoch hier nicht völlig übergangen werden darf,
insoferne es in den Üniversalien-Streit hinüberspielt und einige Zeit hin
durch sogar den Haupt-Gegenstand der Controversen bildete, so dass die
513) Ebend. qn. 15, art. l, l. 69 v. A: Necesse est ponere in menle divina
ideas Per ideas intelliguntur formae aliarum rerum praeler ipsas res exislentes.
Forma aulem alicuius rei praeler ipsam existens ad duo esse polest; vel ut sit
exempior eius, cuius dicitur forma, vel ut sit principium cognilionis ipsius, secundum
quod formae cognoscibitium dicuntur esse in cognoscente ...... (B) Hecesse est, quod
in mentc divina sit forma, ad simititudinem cuius mundus est factus, et in hoc consislit
ralio ideae. Ebend. qu. 44, art. 3, f. 156 v. A. Ebenso De verit. qu. 3, art. l,
f. 310 v. A. S. ob. Anm. 397.
514) Senlent. t, Dist. XXXVI, qu. 2, art. l, f. 112 v. B: Pioto et alii anliqui
phitosophi quasi ab ipsa veritale coacli lendebont in ittud, quod postmodum Aristo
leles expressit, et ideo Piolo ponens ideas ad hoc lendebat, secundum quod et
Aristoleles posuit, sc. eas esse in inlellectu divino ; unde hoc improbare phitosophus
non inlendit, sed secundum modum, quo Piolo posuit , formas naturales per se exi
slenles sine maleria esse. S. c. gent. III, 24, f. 259 r. B: Dicit Boethius in libro
-de Trinitale (s. bei Gitbert Porretanus, Abschn. XlV, Anm. 463 ff.), quod formae,
quae sunt in maleria, venerunt a formis, quac sunt sine maleria. Et quantum ad
hoc verificatur dictum Piolonis, quod formae separatae sint principia formarum, quae
sunt in maleria, licet posuerit eas per se subsislenles et causantes immediale formas
sensibitium. JVos vero ponimus eas in inlellectu exislenles et causantes formas in
feriores per molum coeli.
515) Qu. de verit. t, l (Vol. VI», 1) f. 289 r. B: Quaecunque se habent ut
prius et posterius, oportet esse diversa, sed verum et ens sunt huiusmodi, quia ut
dicitur in libro de Causis, prima rerum ereatarum est esse, et omnia alia
dicuntur per informalionem de ente et sie sunt enle posleriora Ea, quae dicuntur
communiter de causa et causalis, magis sunt iinun, in causa, quam in causalis, et
praecipue in deo, quam in ereaturis; sed in deo ista quatuor „ens, unum, verum,
bonum" sie appropriantur, quod ens ad essentiam pertineat, unum ad personam patris,
verum ad personam fitii, bcmum ad personam spiritus sancli; personne aulem divinae
non sotum ralione, sed re dislinguuntur, unde ad invicem non praedicantur ; ergo
multo fortius in ereaturis debent amplius, quam ralione, differre. Vgl. Abschn. XIX,
Anm. 273.
516) S. c. gent. III, 25, f. 262 r. A: Inlellectus aulem bumanus cognoscit ens
universale, desiderat igitur naturaliler cognoscere cansam eius, quae sotum deus est.
De ente et ess. 5, f. 17 v. B: Intclligenlia (d. h. causae primae) est habens formam
et esse, et accipitur ibi forma pro ipsa quidditale vel essenlia simplici.
XVII. Thomas von Aquino. 115
übrigen rein logischen Fragen in den Hintergrund traten. Was nemlich
das principium individuationis betrifft, welches wir auf arabischer Grund
lage schon bei Albert trafen (Anm. 388), so erstreckt sich ja nach Thomas
die Causalität Gottes natürlich auch auf die Materie und biemit für das
Erkennen auch auf die als Individuen auftretenden Objecte517); denn
zwischen Gottes Erkennen und dem menschlichen Erkennen sei eben der
Unterschied, dass letzteres den Befund der Materie und hiemit der Individualisirung
bereits vorfindet, aus welcher es nur die allgemeinen
Formen nachschaffend erzeugt, während ersteres die Form und den Stoff
schafft b 1 s). Die Individualion selbst aber verlegt Thomas ebenso wie
Albert (ob. Anm. 388) nach arabischem Vorbilde in den Begriff der
discreten Grösse, d. h. was er als materia signata bezeichnet, ist die
durch Raum-Dimensionen beslimmt abgegränzte Materie, welche den Art
begriff in der nemlichen Weise zu Individuen umgestaltet, in welcher der
artmachende Unterschied den Gattungs-Begriff zu Arten macht519). D. h.
die individuelle Substanz (die aristotelische substantia prima) werde
allerdings als solche durch jenes quanlitalive Moment der Raum-Dimension
nicht „verursacht", wohl aber von demselben stets „begleitet", so dass
das in die Sinne fallende Individuum durch seine örtliche und zeitliche
Determinalion (hie et nunc) jene Mittheilbarkeit, welche den allgemeineren
Substanzen eigen ist (Anm. 496 ff.), einbüsst und als incommunicabile
bezeichnet werden muss 520).
517) Sentent. II, Dist. HI, qu. 2, art. 3, f. 15 v. B: OCHS cst causa rei non
sofum quantum ad formam, sed eliam quantum ad maleriam, quae est principium
individualionis; unde idea in menle divina est similitudo rei quantum ad utrumque,
sc. maleriam et formam; et ideo per eam cognoscuntur res non tantum in universali,
sed eliam in particuion. Ueber das principium individualionis überhaupt s. auch
klonlet a. a. O. (ob. Anm. 483) p. 591 ff.
518) Quodl. VIII, 2 (Vol. VIlI, 2) f. 52 v. B: Cum in menle divina sint omnium
ereaturarum formae exempiores, quae ideae dicuntur, sicut in menle arlificis, .... hoc
tamen inlernst intcr formas exempiores, quae sunt in menle divinu et in mente artiftcis
ereali, quod ereatus arlifex agil ex praesupposita maleria; unde formae exem
piores, quae sunt in aus mente, non sunt faclivae maleriae, quae est individualionis
principium, sed solius formae. De quat. oppos. (Vol. XVII, 1), f. 219 r. A. Jene
Beschränkung des menschlichen Erkennens s. ob. Anm. 499.
519) De enle et ess. 2, f. 7 v. A: Maleria non quomodolibet accepta est prin
cipium individualionis, sed sotum maleria signata; et dico maleriam signatam, quae
sub certis dimensionibus consideratur (s. vor. Abschn., Anm. 184); haec aulem ma
teria poneretur in diffinitione Soeralis, si Soerales diffinilionem haberet ; in
diffinilione aulem hominis ponitur maleria non signata. Ebend. 3, f. 9 r. B : Designalio
individui respectu speciei est per maleriam delerminatam dimensionibus;
designalio aulem speciei respectu generis est per differentiam con»litulivam, quae ex
forma rei sequitur (s. ebend. Anm. 146).
520) S. c. gent. II, 49, f. 146 v. A: Principium diversitalis individuorum eiusdem
speciei est divisio maleriae secundum quantitalem, sine qua subttantia est indivisibitis.
Vgl. S. theol. I, qu. 3, art. 2, f. 13 r. A. Insbesondere aber De princip.
indioid. f. 207 r. A : Ipsa forma malerialis diversificatur secundum multa esse inrommunicabitia,
manens una secundum ralionem mullis communicatam quod
redditur incommunicabitis per receplionem suam in maleria (B) Quanlitas delerminata
dicitur principium individualionis, non quod aliquo modo causel subiectum
suum, quod est prima substantia, sed concomitatur cam inseparabitiler et delerminat
eam ad hie et nunc. lllud ergo, quod cadit sub ralione particuiori, est hoc aliquid
per naturam maleriae; quod aulem cadit sub sensu exleriori, est per quantitalem.
8*
116 XVII. Thomas von Aquino.
Auf solcher Grundlage bespricht dann Thomas (hauptsächlich in der
Schrift De ente ei essentia) in völligem Anschlusse an Avicenna die Be
griffe „essentia" und „existentia" , sowie die einzelnen Universalien selbst.
Nur Wiederholungen ja des arabischen Vorbildes lesen wir bei ihm über
den definitorischen Gehalt des Wesensbegriffes, welcher die Einheit der
Form (s. bei Albert ob. Anm. 385) in sich enthält521), über die Quiddität
der einfachen Substanzen 522), über Stoff und Form der zusammen
gesetzten Substanzen523), über Unabhängigkeit der Essenz von der
Existenz524), über Singularität und Universalität525), über das Verhältniss
des Gattungshegriffes zum Arlbegriffe 526), über den quidditaliven Cha
rakter des letzteren527), über das Verhältniss des Gattungs-Begriffes zur
Differenz528), über die Wortform des Differenz-Begriffes529), und endlich
auch über das Accidens 530).
Aus dem Umkreise der Kategorien besitzen wir von Thomas die
Monographie De quatuor oppositis 531) , in welcher er zur Erklärung
auch die übrigen aristotelischen Stellen aus der Metaphysik , der Physik
und De sensu beizieht, so dass er (wie Avicenna) an der ächt aristote
lischen Auffassung des Entblösstsein* festhalten kann532), während er
andrerseits auch Veranlassung nimmt , seine christliche Crealions-Theorie
zu entwickeln 533).
Den Unterschied zwischen den Kategorien und dem U r t heile findet
521) De enle et ess. t, f. 3 v. A: Ens per se dicitur dupliciter: una modo, quod
dividitur per decem genera (s. die aristolelische Slelle Abschn. IV, Anm. 341) ; alio
modo, quod significat proposilionum veritalem , eliamsi in re nihit ponat
Ens primo modo dictum est, quod significat substanliam rei (f. 4 v. A) 0usa
ittud, per quod res constituitur in proprio genere el specie, est, quod significamus
per diffinilionem indicanlem quid esl res, inde est, quod nomen essenliae a phitosophis
in nomen quidditalis mutatur (f. 5 r. B) Essenlia dicitur, quod per eam
el in ea res habet esse. Die Hauptstelle über unitas formae betreffs des üblichen
Beispieles „homo" ist S. theot. t, qu. 76, art. 3, f. 245 v. A: Nihit est simpliciler
unum, nisi per formam unam, per quam habet res esse (B) Ergo oportet eandem
formam esse, per quam aliquid est animal et per quam aliquid est homo Ergo
dicendum, quod eadem numero est anima in homine sensiliva el intellectiva el nutriliva.
Vgl. vor. Abschn. Anm. 92 f. n. 97.
522) De enle et ess. 5, f. 19 r. B. Vgl. ebd. Anm. 92.
523) Ebend. 2, f. 7 r. A. Vgl. ebd. Anm. 229.
524) S. theot. I, qn. 13, art. 9, f. 54 v. B (woselbst auch das übliche Beispiel
von der Sonne). De enle et ess. 5, f. 20 r. B. S. obige Anm. 387.
525) De enle et ess. 4, f. 12 v. — 15 v. auf wörtlicher Uebereinslimmimg mlt
Avicenna beruhend, s. vor. Abschn., Anm. 178.
526) Ebend. 3, f. 10 r. B: Palet ralio, quare genus et species el differentia se
habeant proporlionalsler ad maleriam, formam el compositum in natura, quamvis non
sint idem cum itlis, quia neque genus est maleria, sed sumitur a maleria ul significons
totum, ncc differentia est forma, sed sumitur a forma ut significans lolum.
Aehnlich ebend. 6, f. 29 r. A und Periherm. I, 8, f. 6 r. B. Vgl. obige Anm. 508
n. vor. Ahschn. 166.
527) De enle et ess. 3, f. 11 v. A. Vgl. vor. Abschn. Anm. 127 f.
528) Ebend. f. 10 r. A. Vgl. ebd. Anm. 116.
529) Ebend. 4, f. 11 v. B. Vgl. ebd. Anm. 150.
530) Ebend. 7, f. 30 v. — 35 r. Vgl. ebd. Anm. 96 ff.
531) Opusc. 37 (Vol. XVII, l, f. 217 v. — 220 v.).
532) f. 217 v. B. Vgl. vor. Abschn., Anm. 145 u. 197 f.
533) f. 219 r. A. Vgl. ob. Anm. 518.
XVII. Thomas von Aquino. 117
er mit den Arabern darin , dass bei letzterem es sich um eine von der
denkenden Seele gemachte Verknüpfung oder Zusammensetzung handle 534).
Sein unvollendet gebliebener Commentar zum Buche De interpr. bietet
Nichts bemerkenswerthes dar; denn während er im Ganzen die Erläu
terungen Albert's wiederholt535), kann er immerhin gelegentlich aus Apulejus
oder Auguslinus die Bemerkung einschalten, dass die Parlikeln nur
Bindemittel der Urtheile sind538), oder aus Averroes den Begriff der
Sgncalegoreumata entnehmen 537) oder von Avicenna die Ansicht ent
leihen, dass „omnis" nur eine Modalität der Urtheile sei 538) oder den
Algazeli betreffs der Einheit der Urtheile ausschreiben539), ohne dass
wir hierin etwa grosse Verdienste erblicken. Wenn wir aber gerne her
vorheben, dass er in ächt aristotelischem Sinne sogar mit grösserer Schärfe
als Averroes die hypothelischen Urtheile und Schlüsse abweist540), so
muss es uns hinwiederum als eine Inconsequenz erscheinen, dass Thomas
in seiner als ächt beglaubigten (s. ob. Anm. 483) Monographie De propositionibus
modalibus 54 1) diesen speciellen Gegenstand in vollständigem
Anschlusse an die byzanlinische Logik behandelt. Während er nemlich
hierüber allerdings auch bei Albert Erörterungen vorfmden konnte (s. ob.
Anm. 456 f.), verschmäht er offenbar diese Quelle, um den Wilhelm
Shyreswood (— denn mit diesem, nicht aber mit Lambert von Auxerre,
noch auch mit Petrus Hispanus, slimmen seine Angaben fast wörtlich
überein —) abzuschreiben 542). Die üblichen Verse aber sind in dem
gedruckten Texte des Thomas theils ungehörig umgestellt, theils sichtlich
aus späterer Zeit interpolirt543). Uebrigens gehört auch diese Benützung
534) Senlent. t, dist. XIX, qu. 5, art. l, (Vol. VI, 1) f. 65 v. A: Esse dicitur
dupliciler: uno modo secundum quod ens significat essentiam rer um, proul dividitur
per decem genera; alio modo secundum quod esse significat composilionem, quam
anima facit, el istud ens phitosophus appeliot verum. Vgl. vor. Abschn., Anm.
17, 74, 82.
535) So z. B. f. l v. B auch die Bemerkung über Andronikns (s. ob. Anm. 443)
und f. 5 v. B über die Eintheitung der Satzarlen (s. ob. Anm. 449).
536) f. l r. B : Aliae vero sunt magis colligaliones parlium oralionis, quam oralionis
parles, sicut cluvi. S. Abschn. X, Anm. 7. u. Abschn. XII, Anm. 43.
537) f. 5 r. A: Sgncalegoremata, quae secundum se non significant aliquid absotutuu,.
sed soiom habitudinem unius ad allerum. S. vor. Abschn., Anm. 309.
538) f. 8 v. B. S. ebd. Anm. 214.
539) f. 6 v. B. S. ebd. Anm. 259.
540) f. l r. B: Hgpolhelica enuntialio non conlinet absotutam veritalem, cuius
cognilio mquintur in demonstralione, sed significat, aliquid verum esse ex
supposilione, quod non suffte.it in scientiis demonstralivis, et ideo Aristoleles
praetermisit tractatum de hgpolhelicis enuntialionibus et sgllogismis. Vgl. ebd.
Anm. 327.
541) Opusc. 40 (Vol. XVII, 1), f. 226 r. B.
542) f. 226 r. B: Modi aulem, qui composilionem delerminant, sunt sex, sc.
verum, falsum, necessarium, impossibite, possibite, conlingens. Verum autem et falsum
nihit addunt supra significaliones proposilionum de messe u. s. f., s. ob. Anm. 42 ff.;
namentlich slimmt auch die Figur (f. 226 v. A) genau mit jener des Withelm überein,
s. Anm. 45.
543) Es finden sich nemlich (f. 226 v. A) zunäcbst jene obigen Verse (Anm. 44)
in der Reibenfolge 2, 4, l, 3, 5, 6; hierauf folgt jener Vers, welcher unten, Abschn.
XX, nnler den späteren Erzeugnissen vorkommen wird, und dann noch die erslen
vier der ebendaselbst anzuführenden Verse.
118 XVII. Thomas von Aquino. Pseudo-Thomas.
byzanlinischen Stoffes ebenso wie jene bei Robert Capito oder bei Albert
immer noch zu den vereinzelten Erscheinungen 544).
Der Commentar des Thomas zur zweiten Analytik545) enthält
ausser den wenigen Stellen, welche schon oben benützt wurden, durchaus
Nichts erwähnenswerthes ; er bewegt sich lediglich in einer erklärenden
Umschreibung des Originales und vermeidet jeden gelehrten Apparat ebenso
wie alle Controverscn.
Endlich dem Umkreise der Sophistik, über welche er gelegentlich
eine Bemerkung Albert's wörtlich wiederholt546), gehört seine Schrift
De fallacüs an. Dieselbe ist eine breite Paraphrase der ersten fünf Capitel
des aristotelischen Buches, von welcher höchstens hervorgehoben
werden mag, dass Thomas zuweilen Sophismen anführt, welche um
des erforderlichen Wortwitzes willen dem lateinischen Idiom angepasst
sind 547).
Insoferne aber unter den oben (Anm. 484) genannten unächten
Schriften des Thomas sicl, einige befinden, welche demselben nur wegen
des entscheidenden Mangels an posiliven Zeugnissen abgesprochen werden
müssen, hingegen ihrem ganzen Inhalte nach ebensowohl von Thomas
selbst verfasst sein könnten und namentlich nicht die geringste Spur einer
späteren Entstehung zeigen , so mögen dieselben gleich hier ihre Stelle
finden. Jedenfalls sind sie von ächten Thomisten oder Alberlisten ge
schrieben, und zwar sichtlich ohne Berücksichligung der alsbald eintre
tenden Controversen und Bereicherungen der Logik, und sowie sie eben
darum wenig Bemerkenswerthes enthalten, kann ich mich über sie sehr
kurz fassen.
So finden wir in der äusserst kurzen Schrift De sensu respectu
singularium et intellectu respectu universalium wörtlich des Thomas
Ansicht über die Individualion (ob. Anm. 519), sowie über das Auftreten
der Universalien in den Dingen und im Denken (Anm. 50 1 , auch die
dorlige Polemik gegen Plato fehlt hier nicht). Höchstens könnte man
sagen, dass des Thomas Auffassung der menschlichen Worte (Anm. 504 f.)
etwas präciser ausgedrückt sei, wenn der Verfasser bemerkt, Prädikate
der Individuen seien nicht die Bezeichnungen der intentio (Anm. 493),
sondern die Bezeichnungen der objecliven Wesen selbst 548).
Auch die Schrift De natura sgllogismorum bietet ausser einer von
Avicenna (vor. Abschu. Anm. 216) abweichenden Bemerkung, dass die
vier aristotelischen Ursachen im Syllogismus nachweisbar seien , durchaus
544) S. Anm. 357 u. bes. 471.
545) Vol. I, f. 1 6 v. — 73 v.
546) S. theol. II, l, qu. 57, art. 6, f. 117 v. A. Ebend. 2, qu. 51, art. 4,
f. 124 r. A. Metaph. IV, 4, f. 43 r. A. Vgl. ob. Anm. 480.
547) Opusc. 39. Vol. XVII, l, f. 221 r. - 226 r. S. dort z. B. f. 223 r. B:
Omnis poputus est arbor, sed aliqua gens est poputus. Oder (f. 223 v. A): Tu es
qui es, sed quies est idem quod requies, ergo tu es requies. Oder (ebend.) : Quidquid
deus fecit invile, fecit invitus; sed racemos fecit in vile; igitur racemos fecit
invitus u. s. f.
548) Vol. XVII, 2, f. 35 v. A. Dort lesen wir (B) : Nomina communia significualia
naturas ipsas praedicantur de individuis, non auleut nomina significanlia
inlenliones. Vgl. Abschu. XIX, Anm. 127.
XVII. Pseudo- Thomas. Bonaventura. 119
Nichts eigenthümliches dar, denn ihr Inhalt bewegt sich in der allergewöhnlichsten
Angabe der „Regeln" der aristotelischen Syllogislik549).
Ebenso ist die Abhandlung De inventione medii 550) Nichts als
ein schulmässiges Excerpt der ausführlichen Erklärung, welche Albert
(ob. Anm. 464) der versinnlichenden Figur des Averroes gewidmet hatte;
dass dabei Beispiele für die vierzehn aristotelischen Modi (d. h. natürlich
bei der ersten Figur mit Ausschluss der fünf theophraslischen Modi)
gegeben werden, versteht sich von selbst.
Desgleichen zeigt die Schrift De demonslratione^51) nur eine Wieder
holung desjenigen, was Albert in seinem Commentare zur zweiten Ana
lylik über demonslratio potissima (Anm. 476) und über subiectum, passio
und dignüales (Anm. 475) unter Beiziehung der aristotelischen Beispiele
gesagt hatte.
Wenn aber nun der gleichzeilige Franziskaner Bonaventura
(d. h. Johann von Fidanza, geb. 1221, gest. 1274) gewissermassen
ein Gegenstück oder wenigstens ein Correlatum zu Albert und Thomas
bildet, und an seinen Schriften die nachmalige Fehde zwischen Domini
kanern und Franziskanern sich nährte, so kann die Geschichte der Logik
es mit Vergnügen den Myslikern oder andrerseits den gelehrten Theologen
anheimgeben , über die Verdienste desjenigen Autors , welcher ein llinerarium
mentis ad deum schrieb, zu entscheiden. Denn sowie in dem
„deo frui" überhaupt nicht das Reiseziel der Logik liegt, könnten wir
den Bonaventura gänzlich der homilelischen Litteratur überlassen, wenn
er nicht gelegentlich Einen Punkt berührte , welcher uns hier interessirt.
Dass er als Mysliker die Universalien realislisch in extremem Platonismus
nimmt und dieselben sogar als wesensgleicharlig direct in den Schöpfer
verlegt552), ist bei ihm wohl selbstverständlich, entzieht sich aber in
dieser Fassung jedem logischen Molive. Hingegen bezeugt er uns, dass
schon damals über das prindpium individuationis gestritten wurde,
indem die Einen die oben (Anm. 519) erwähnte Ansicht betreffs der
Materie vertraten, während Andere von einer eigenen „forma individualis"
sprachen ; aber wenn Bonaventura selbst eine dritte Ansicht als die
richlige bezeichnet, nemlich dass die hidividualion durch eine Verbindung
von Materie und Form entstehe, so scheint er nicht zu wissen, was er
549) Ebend. f. 13 v. B : Causa efficiens sgllogismi est anima ralionalis
Malerin vero sunt tres lermini et duae proposiliones Forma vero eins est polestas
inferendi conctusionem Finis aulem eius est facere fidem. Sodann werden
aber den kategorischen Schtuss die bekannten Regeln (ex mere parlicuioribus u. s. f.)
vorausgeschickt, hierauf die drei Figuren und deren Schlussfähigkelt erklärt und
begründet, und zuletzt folgt eine äusserst magere Zusammensteltung der modalen
Schlüsse.
550) Ebend. f. 35 v. B. (mlt Beibehaltung der bei Albert recipirlen Ter
minologie.
551) Vol. XVII, l, f. 220 v. B.
552) Campend, theol. verit. I, 25 (Edith Lugdun. Vol. VII, p. 698): Ideae
ren,m et exempior et raliones sie in deo sunt, quod idea importal causam efficientem
conformem effectui, sed exempior causam formalem, ralio vero causam finalem.. —
(p. 699) Sicut in menle artificis prius est forma rei, quam opus exeat, sie ideae
rerum anle mundi conslitulionem in mente ereatoris erant Omnis ereatura prius
in deo exislit, et hoc per ideas, quae non aliud, quam ipse dem, sunt
et erunt.
120 XVII. Bonaventura. Roger Baco.
redet; denn nach seinen eigenen Worten fällt das Hauptgewicht doch
wieder nur auf die Materie, und was er von dem quidditaliven Charakter
der Form sagt, wurde sicher von Jedermann zugegeben, trifft aber den
Fragepunkt nicht553). Ja an einer anderen Stelle spricht er sich so aus,
als ob auch die forma specifica ein Resultat aus Materie und Form wäre
und dabei die concrete Existenz des Individuums sich ganz in den Art
begriff verflüchligte554). Und um das Maass der Unklarheit voll zu
machen, bezeichnet er wieder anderwärts das „numerari", d. h. also die
Quanlität (vgl. Abschn. XIX, Anm. 66 u. 141), als die Ursache der Ent
stehung des Singulären 555).
Neben Albert, Thomas und Bonaventura steht chronologisch als ihr
Zeitgenosse der Franziskaner Roger Baco (geb. 1214, gest. 1292 oder
1294), dessen schriftstellerische Thäligkeit grösstentheils nur wenige Jahre
nach jener des Thomas fällt556); und wir sind auch aus inneren Gründen
553) In II Sentent., Dist. III, Pars l, art. 2, qu. 3 (Vol. IV, p. 49): Quaestio
de individualione De ipso, fuit contenlio inler phitosophicos viros. Quidam
enim dixerunt, quod individualio venit a maleria, quia tndividuum supra speciem
non addit nisi maleriam Aliis vero aliter visum est, sc. quod individualio esset
a forma, et dixerunt, quod ultra formam speciei specialissimae est forma individualis
Est lerlia posilio salis piona, quod individualio consurgit ex actuali
coniunclione maleriae cum forma, sicut palet, cum impressio vel expressio sit
multorum sigitlorum in cera Individuum est hoc aliquid. Quod sit hoc, principalius
habet a maleria, ralionc cuius forma habet posilionem in loco et lempore.
Quod sit aliquid, habet -a forma; individuum enim habet esse, habet eliam exislere;
existere dat maleria formae, sed essendi actum dal forma maleriae. Individualio
igitur in ereaturis consurgit ex duplici principio.
554) In niSenlent., Dist. X, art. l, qu. 3 (Vol. V, p. 116): Individualio est ex
communicalione maleriae cum forma,
(^01. v, 110;: inaividualio i
a, et innolescere habet per accidentium collectio- l
,libus et proprietalibus, quae nem Cireumseriplis accidentii individualionem non"*
faciunt, sed ostendunt, individualin est a principiis intrinsecis, secundum quod unum
conslituunt suppositum, in quo tolum esse rei stabititur. Et quia ex concursu itlorum
principiorum conslituitur individuum et resultat forma lolius, quae est forma specifica,
hinc est, quemadmodum dicit Boethius, quod speries est lolum esse individui (s. Abschn.
XII, Anm. 97 f.) In individuo proprie dicto est principiorum substanlialium unio
et primi suppositi constitulio in se ipso, non in allere.
555) In I Sentent., Dist. V, art. 2, qu. l (Vol. IV, p. 51) : Quoniam in erea
turis forma communis numeratur in supposilis, üleo in itlis forma communis producitur
ct corrumpitur, et ideo universale in singuiori generatur, quia numeratur.
556) Erst seit neuesler Zeit sind wir über Roger Baco etwas näher unler
richlet. Nachdem nemlich früher nur sein Opus maius ad Clementem IV. (hrsggbn.
von Jebb, London 1733. fol.) bekannt gewesen war, erwarb sich I. S. Brewer durch
sein Werk „Fr. Rogeri Bacon opera quaedam hactenus inedita", Vol. 1. London 1859.
8. (als 15. Band der Rerum Britannic. medil aevi seriptores) das Verdienst neuer
Publicalionen, in welchen wir nun nicht bloss das Opus minus (d. h. einen Auszug
aus dem Opus maius), sondern auch das Compendium studii phitosophiae und das
umfangreiche Opus lerlium in Textabdrücken kennen lernten. Indem aber gleich
zeilig, und zwar ohne Brewer's Leistung zu kennen, Emit Chartes eine Monographie,
belilelt „Roger Bacon, sa vie, ses ouvrages, ses doctrines d'aprts des lexles ine'dits"
(Varis 1861. 8), bearbeilete, zeigle sich in überraschender Weise, dass jeder Ver
such, den Boger Baco vollständig darzuslellen, als ein verfrühler scheitern muss,
so ionge nicht das ganze reichhallige Material gedruckt ist; nemlich E. Chartes fand
in den Bibliolheken Frankreichs und Engionds sehr viel Neues und insbesondere
einen äusserst ausführlichen Text des Opus lerlium, von welchem Ein Abschnitt in
einer Handschrift der BibliolMque Mazarine unler dem Titel „De communibus naturalium"
einen unerwarleten Reichthum phitosophischer Erörlerungen darbietet. EinXVII.
Roger Baco. 121
um so mehr berechligt, ihn hier einzureihen, als seine Ansichten mit
jenen Controversen, deren Entstehung und weiteren Verlauf der XIX. Ab
schnitt darlegen soll, höchstens den einen oder anderen ähnlichen Ge
sichtspunkt gemein haben, keinenfalls aber selbst wirksam in jenen Kampf
eingriffen. Allerdings beruhen Baco's Verdienste, — insoferne man über
haupt sich veranlasst sehen will, solche zu preisen557) —, sicher am
wenigsten in dem Gebiete der Logik , wenn er auch ein paar logische
Schriften, welche übrigens noch ungedruckt sind, verfasste 558); aber
dennoch müssen wir selbstverständlicher Weise Dasjenige anführen , was
von seinen Kundgebungen hieher gehört.
Während er einmal bei Eintheilung der Wissenschaften (in theore
lische und praklische) die Logik neben der Grammalik unter den theo
relischen Zweigen aufzählt, daneben aber doch noch vom „modus sciendi"
zelne Proben seiner nenen Funde hat E. Chartes im Anhange seiner Schrift (p. 334—416)
abdrucken iossen. (Was bei Jebb und Brewer sich fmdet, hat H. Siebert zu einer
Dissertalion, Marburg 1861, verarbeitet.)
557) Dass Roger Baco ein vielseilig begabter Mensch war, wird und kann
Niemand verneinen. Aber man hüte sich vor Uebertreibungen , wie z. B. wohl
deren grösste war, dass man förmlich eine Secularfeier den grossen Mannes in
Vorschiog brachte. Hebt man hervor, dass er auf Sprachstudium, auf Physik und
insbesondere auf Mathemalik hinwies, so soll man bedenken, dass vor ihm der
Grammaliker Helias leble, aus welchem schon Vincenz v. Beauvais schöpfte, und
dass Albert mlt reichen Händen Naturkunde spendele, sowie dass Bobert Capito
die gleiche mathemalische Neigung besass (s. ob. Anm. 335 u. 343). Gioubt man,
Baco rage aus seiner ganzen Zeit-Umgebung einzig hervor, so irrt man schon darum
gänzlich, weit er wie Alle im theologischen Auctoritälsglauben befangen ist und
bleibt (s. unlen Anm. 562), und was von seiner angeblichen Betonung der „Erfah
rung" zu hallen sei, werden wir sogleich, Anm. 568, sehen. Schon in Folge seiner
ungezügelten Phantasie steht er dem eigentlich phitosophischen Impulse etwas ferner,
und nicht bloss durch die Eitferligkeit der Composilion seiner Werke (die drei
bedeulendslen der oben genannten schrieb er in anderthalb Jahren zusammen), son
dern auch durch seine Grosssprecherei (er verheisst, in drei Tagen das Hebräische
zu lehren , ebenso in drei Tagen das Griechische und in sieben Tagen die ganze
Geometrie, Op. lert, p. 65 f.) macht er genau ebenso wie sein berühmler Namens
vetter den Eindruck eines Chariotans oder eines Schwindlers. Endlich aber die
Hauptsache ist, dass wir hoffentlich auch ihn nicht von der Frage dispensiren,
welche wir ja an Alle richlen, nemlich von der Frage, woher denn all seine Kund
gebung genommen sel. Und da zeigt sich für den besonnenen Forscher, dass Baco
auch all Dasjenige, was man in übertriebener Weise z. B. als Kenntniss oder Er
findung des Fernrohres, des Schiess-Pulvers, ja sogar der Dampfkraft, hat bezeichnen
wollen, sämmtlich den arabischen Naturforschern entlehnt hat.
558) Pitsens (De ittustr. Angt. seriptt.), der bekannle Lügner (s. Abschn. XIV,
Anm. 524), sagt, Baco habe geschrieben: Logica, De inlellectu et inlelligibiti, De
universalibus, In posleriora Aristolelis. Lassen wir uns aber hiedurch natürlich
nicht in die Irre führen, so fand hingegen Brewer (a. a. O., Praef. p. LXIX) in der
Bodleiana noch handschriftlich vorhanden : „Summuta dialeclices Rogeri Bacon" und
ein Bruchstück : „Mag. Rogeri Bacon de sophismalibtts et dislinclionibus". Wenn
jedoch Brewer diesen beiden aus der gleichen Bibliathek noch als dritte Schrift
anreiht „Sgncalegoremalica fratris Roberli", und unler der Bemerkung, dass Rogerus
und Robertos in den Handschriflen häuf,g verwechselt werden, sofort auch hier den
Namen „Bacon" subslitnirt, so muss ich diess jedenfalls als eine arge Voreitigkeit
bezeichnen. Auch liegt ja ein „Robert" aus jener Zeit wahrlich nicht in räthselhafler
Ferne, sondern wir werden vielleicht nicht fehlgreifen, wenn wir sogleich an
den Robert Capito denken (s. ob. Anm. 356 f.).
122 XVII. Roger Baco.
als einem dritten Gliede spricht559), hellt sich diese Unklarheit nach
einer anderen Stelle dahin auf, dass die beiden genannten Disciplinen als
„sermocinales" eben doch nur jenen „modus" enthalten 560). Aber bei
dem unendlichen Vorzuge, welchen für Baco das praklische Gebiet vor
dem theorelischen voraus hat, kann natürlich die Logik schliesslich nur
einen ethisch-religiösen Zweck haben 56l), sowie ja überhaupt die Philo
sophie, sobald sie nur auf sich selbst vertraut und nicht der Orthodoxie
dient, in „infernalische" Blindheit geräth, und die ungläubigen Philosophen
ohne Bedenken der Teufel holt502). Baco führt auch in einseiligster
Uehertreibung einer arabischen Auctorität lang und breit aus, dass es eine
natürliche Logik (sowie eine natürliche Grammalik) gebe, nach welcher
auch die Laien sämmtlich richlig schliessen und dispuliren, und in welcher
das ganze Verfahren , Unbekanntes aus Bekannterem zu erweisen , seine
letzte Stütze habe, und dass somit die sog. eigentliche Logik nur in der
Anwendung gewisser technischer Worte beruhe563), — kurz Baco ver-
559) Camp, phitos. c. l, p. 396: Studium sapienliae habet duas parles, unam
se. specutalivam et aliam practicam Grammalica enim, logica, naturalis phito
sophia, vulgata metaphgsica, quinque scienliae mathemalicae, et ptures aliae sunt
specutalivae veritatum , quae non consistunt in operibus, Quatuor vero scienliae
mathemalicae (quae novem sunt in universo") et alkimia, medicina, moralis phitosoplria,
sub qua comprehendo ius civile, theologia cum iure canonico, et multae aliae
a parle phitosophiae sunt praclicae (vgl. Albert ob. Anm. 360 und Avicenna vor.
Abschn., Anm. 71) Sed ad omnia scienda modus oplimus requiritur, Aristo
leles vero in semndo Metaphg,icae vult u. s. w., d. h. es folgt die Stelle Abschn.
IV, Anm. 177.
560) Op. maius, p. 59: Modi autem (s. ob. Anm. 363) phitosophiae aceidentales
(über diese Bezeichnung s. Anm. 564) sunt grammalica et logica. Op. lert. c. 28,
p. 104 : Cum logica comprehendo grammalicam, quia communi nomine utraque logica
dicitur, i. e. sermocinalis scientia, nam iöyof idem est quod sermo in una significalione.
561) Op. maius, p. 47 : Sed cum votuntas seu inlellectus praclicus sit nobitior,
quam specuiolivus, . et virtus cum felicitale exceliot in infinitum scientiam nudam et
nobis sit magis necessaria sine comparalione , necesse est, ut habeamus argumenta
ad exereitandum per inlellectum praclicum Logica specuiolivis scienliis per
(wohl zu lesen praebel) argumenta duo, quae sunt dialeclicum et demonstralivum,
moralibus aulem ministrat practica argumenta, et quia theologia et . ius canonicum
mores et leges et iura delerminant, ideo haec duo argumenta sunt eis necessaria.
Ebend. p. 59: Finis logicae est composilio argumentorum, quae movent inlellectum
praclicum ad fidem et amorem virtulis et felicitalis futurae. Vgl. ob. Anm. 361. u.
Abschn. XI, Anm. 125.
562) Ebend. p. 42: Phitosophia infidelium est penitus nociva et nihit videtur
secundum se considerata, nam phitosophia secundum se ducit ad caecitalem inferna
lem, et ideo oportet, quod secundum se sit lenebrae et caligo. Ebend. p. 37 : Philo
sophia secundum se considerata nullius ulilitalis est, phitosophi vero infideles
damnali sunt.
563) Op. lert. c. 28, p. 102: De logica non est vis tanta, quia scimus eam per
naturam, licet vocabuio logicae in lingua, qua ulimur, quaerimus per doctrinam; sed
ipsam scientiam habent omnes homines ex natura (s. vor. Abschn., Anm. 80)
p. 103: Omnis homo reddit causas et raliones dictorum et factorum suorum et
omnes homines respondent ad falsa per negalionem Unde licet ioici non habeant
vocabuio logicae, quibus elerici utuntur, tamen habent suos modos solvendi omne
argumentum falsum, et ideo vocabuio soio logicorum deficiunt ioicis, non ipsa scientia
logicae Cum omne, quod lit de novo nolum, fit nolum per nolius (s. ebend .
Anm. 15), ibitur in in/initum, si logicam non sciamus naturaliler p. 104: Et
Avicenna dicit (s. ebend. Anm. 13 n. 81), quod ruslicus arabicus seit grammalicam
XVII. Roger Baco. 123
abschiedet im Hinblicke auf die Jedem angeborne Logik den Aristoteles
und bezeichnet die wissenschaftliche Theorie desselben als etwas Un
wesentliches 564).
Dafür subslituirt er den Gegenstand seiner Lieblings-Neigung , nemlich
die Mathemalik, und behauptet, die Logik hänge von der Mathemalik
ab, was er komischer Weise damit begründet, dass in letzterer allein es
ein wirkliches Beweisen gebe 565). Hiemit aber hängt nun wieder sehr
eigenthümlich seine Auffassung der „Erfahrung" zusammen. Wenn nemlich
die Aussprüche einer Auctorität durch Beweise gestützt werden
sollen, Beweise aber schliesslich auf thatsächlicher Erfahrung beruhen 566),
so denkt Baco bezüglich dieser letzteren unmittelbaren Anschauung, bei
welcher allein die Seele sich beruhige, vor Allem an jene Autopsie,
welche bei geometrischen Beweisen oder bei mechanischen Vorrichtungen
(z. B. einem Astrolabium) erforderlich ist, und indem er alle Wissen
schaften auf Mathemalik begründen will, erblickt er in jenem unmittel
baren Schauen den dominirenden Ausgangspunkt für alles Wissen 567).
Aber sowie natürlich hiebei nicht etwa von einer „Methode der Erfah
rung" die Rede ist, so findet Baco diese sensuale Unmittelbarkeit doch
per naturam Vocabuio enim grammalicae et logicae discimus, sed naturaliler
scimus componere oraliones ex diclionibus et argumenta ex proposilionibus ; et hoc
docet grammalica et logica.
564) Ebend. p. 104: Ergo aliud regimen arguendi habemus, quam per arlem
Aristolelis datum ; sed non est aliud, quam innatum ; relinquitur igitur, quod a natura
scimus arguere et simititer dissolvere argumenta (p. 105) Quapropler de logica
et grammalica non est necessaria instructio humana, nisi propler vocabuio linguarum,
et ideo palet, quod logica et grammalica sunt accidentales scientiae et non
principales.
565) Op. maius, p. 60: Non sotum dependet cognilio logicae a mathemalica
propler suum finem, sed propler medium et cor eins, quod est liier Posteriorum ; nam
ille liber docet arlem demonstrandi; sed nec principia demonstralionis nec conctusiones
nec ipsa tola polest cognosci nec manifestari nisi in mathemalieis rebus, quia
ibi sotum est demonstralio vera et polens Quapropler necesse est, logicam a
mathemalicis dependere.
566) Comp. phitos. c. l, p. 397: Licet per tria sciamus, videlicet per auctoritalem
et ralionem et experientiam, tamen auctoritas non sapit, nisi detur eins ralia,
nec ralio polest scire, an sophisma vel demonstralio, nisi conctusionem sciamus
experiri per opera.
567) Op. maius, p. 445 : Volo revolvere radices a parle scientiae experimentalis,
quia sine experienlia nihit sufficienter sciri polest. Duo enim sunt modi .
eognoscendi, sc. per argumentum et experimentum. Argumentum conctudit et facit l
nos conctudere quaeslionem, sed non cerlificat neque removet dubitalionem, ut quiescat
animus in intuitu veritalis, nisi eam inveniat via experientiae Et hoc palet in
mathemalicis, ubi polissima est demonstralio; qui enim habet demonstralionem polissimam
de triangulo aequiiolero sine experienlia, nunquam adhaerebit animus quaestioni
nec curabit, sed negliget, usque detur ei experienlia per inlerseclionem duorum
eireulorum. Ebend. p. 448: Mathemalica habet experientias ulites cirea quaesliones
snas in figurando et numerando , quae eliam applicantur ad omnes scienlias et ad
haue experientiam, quia nulio scienlia polest sciri sine mathemalica. Ebend. p. 465:
Veritales magnificas in lerminis aliarum scientiarum, in quas per nuliom viam possunt
Mae scientiae (ausgefallen pervenire oder dgl.), haec sofa scienliarum domina specuiolivarum
polest dare Mathemalica bene producere polest astrotabium sphaericum,
sed quod hoc eorpus sie factum moveatur naturaliler molu diurno, non
est in polestale mathemalicae, experimentator aulem perfectus polest considerare vias
hnius motus.
124 XVII. Roger Baeo.
selbst wieder unzureichend sogar für die Erklärung der Körperwelt,
geschweige denn dass sie Aufschlüsse über das Geislige gebe, und so
mündet seine gepriesene „Erfahrung" vollständig in eine verzückte, in
sieben Stufen fortschreitende innere Erleuchtung aus568); und diese
auguslinische lux interior kann dann freilich denjenigen Wissens-Kreis
darbieten, welcher in mathemalisirenden Beweisformen zu einem ortho
doxen Dogmen-Systeme umgewandelt werden soll.
Gelegentlich einmal deutet Baco an, dass er sich um die Fragen,
welche den „modus significandi" betreffen, interessire; und wir müssten
ihn sonach fast für einen Vorläufer des Duns Scotus halten, wenn nicht
seine Angaben über die in der objecliven Natur liegenden und die von
der subjecliven Seele ausgehenden „Zeichen" allzu kärglich wären, um
aus ihnen seinen Standpunkt sicher zu erkennen569).
Auch betreffs der Universalienfrage blickt bei ihm eine Ansicht durch,
welche wenigstens in Einer Beziehung dem Grundgedanken des Duns
Scotus nicht sehr unähnlich ist; aber eine phantaslische Ueberschwänglichkeit
lässt den Baco weit über das Ziel klarer Verständigkeit hinausschiessen.
Mit dem Vorbehalte allerdings, dass vielleicht spätere Ver
öffentlichungen handschriftlichen Materiales reicheren Aufschluss geben
können570), lässt sich bis jetzt so Viel berichten, dass Baco vor Allem
für die Bedeutung und den Werth des Individuums förmlich schwärmt.
568) Ebend. p. 446: Sed duplex est experienlia. Una est per sensus exleriores,
et haec experienlia est liumnna et phitosophica, quantum homo polest facere
secundum graliam ei datam. Sed haec experienlia non sufficit homini , quia non
plene certifical de corporolibus propter sui difficultalem et de spiritualibus nihit
attingit. Ergo oporlel, quod inlellectus hominis aliler iuvetur, et ideo sancli patriarehae
et prophetae, qui primo dederunt scientias mundo, receperunt ittuminaliones inieriores
et non solum stabant in sensu Et sunt seplem gradus huius scienliae inlerioris.
Unus per ittuminaliones puras scienliales; alius «n rlrtulibus; lerlius in
seplem donis spiritus sancli; quartus in bealitudini bus ; ....quintus in sensibus
spiritualibus ; sextus in fruclibus; seplimus in caplibus. Kurz wir stehen
somit bei dem gepriesenen Baco auf dem allen „Qui non expertus est, non eredit,
non intelligil", und wir können es Jedem überiossen, einen solchen Standpunkt
etwa für einen Fortschritt gegenüber dem 13. Jahrb. zu halten. Schon Auguslinus
ja hatte gesagt „rredo, quia absurdum" und „eredo, ut inlelligam".
569) Op. ierl. c. 27, p. 100: Addidi intenlionem alterins parlis grammalicae,
quae est ulilissima in scienlialibus quantum ad inquirendum et sciendum omnes
veritales specuiolivas phitosophiae et theologiae. Et est de composilione linguarum et
de impositionibus vocum ad significandum et quomodo significent per imposilionem
Kl quia haec non possunt sciri, nisi homo sciat raliones et modos significandi, ideo
aggressus sum, itlos modos oslendere Signa quaedam sunt naturalia et quaedam
data ab anima. Et itio , quae sunt naturalia, sunt dupliciler; quaedam sunt per
concomitantiam signalorum, ul habere magnas extremitales est signum fortitudinis ;
quaedam per configuralionem, ut imago sancli Nicoioi Et sie omnes species
rerum (s. Anm. 575 ff.) sunt signa Signum aulem datum ab anima vel est naturaliler,
ut gemitus infirmorum, vel est ad piocitum (p. 101) Et tunc
considero, quomodo vox imponitur univoce, quomodo aequivoce, et quol modis quantumeunque
(zu lesen utrumque), et quomodo analogice et quol modis (letzleres s. ob.
Anm. 432 u. vor. Abschn., Anm. 31).
570) Bremer, Praef. p. LXIX : In his Compendium theologiae (welches bis jetzt
noch ungedruckt ist) he professed his inlenlion to enler on the consideralion of
those verbal dispules which divided the nominalist, and the realists of his dags ; and
in the same work he has devoled several pages .... to the consideralion of the nalurr
of words. Rut in none of these instances has he entered on the subject of logic
XVII. Roger Baco. 125
Er sucht nemlich zunächst in einer merkwürdig einseiligen Polemik, bei
welcher er uns auch bezeugt, wie sehr die ganze damalige Zeit sich vom
Platonismus weggewendet habe, bezüglich der Universalien alle und jede
subjeclive Thäligkeit gänzlich auszuschliessen , weil ja das Einzeln-Sein
und hinwiederum das gleicharlige Zusammentreffen der Einzeln -Dinge
ohjccliv auch dann bestünde, wenn es keine denkende Menschen -Seele
gäbe, und es erscheint ihm sonach die ganze Frage über die Aussagbarkeit
der Universalien als eine grosse Thorheit 571). Sodann aber hat er
auch in objecliver Beziehung für die Universalien nur Worte des Hohnes,
denn, meint er, die gepriesene Allgemeinheit und ewige Dauer der
Universalien habe überhaupt nur einen Sinn bezüglich der beständigen
Succession der Einzeln-Dinge 572). Erscheint ihm somit das Individuum
u'iih llie same amount of care and interest äs on grammar, mathemalics or experimental
sciences.
571) ßei E. Chartes, p. 386: Sed maior stullilia est (A. h. als die „stulta"
quaestio de individualione , s. Amn. 581) de natura universalis praedicabitis de sin
gutaribus, quum quaerunt, quid fanal universale. Et est quintuplex posilio praeler
positionem Piotonis. Ptalo vero dixit, quod universalia fuerunt ideae et quia
stulia est posilio et nultus nunc dicit sicut Piolo (vgl. Anm. 283, 352, 389 f., 394,
501, 514 u. Abschn.N XIX, Anm. 42 u. 121), ideo ad posiliones modernorum decurrendum.
Et est una solemnis, quod universale non est nisi in anima. Alia est,
quod universale sit in rebus per animam. Terlia est, quod universale sub ralione
unimrsalis est in anima, licct secundum id quod est sit in singuioribus. (Aber in
der Thal sind diess nicht drei verschiedene Ansichlen, sondern nur wechselnde
Redewendungen der aus den Arabern bei Albert und Thomas aufgenommenen An
nahme.) tJuarta est, quod universale sit sofum in singuioribus et non dependeal ab
anima aliquo modo (diess ist Baco's eigene Meinung). Sed quod prima est falsa,
patct, quia, elsi non essel anima ralionalis, duo iopides convenirent ad invicem; sed
haec convenientia facit universale; ergo universale remanet, elsi anima non esset.
llem nihil, quod est extra rem, polest de ea praedicari per inhaerenliam ; sed uni
versale praedicatur de singuioribus ; ergo non polest separari ab eis. Ilem species
non praedicatur de singuioribus nec est commune eis; imo quaelibet singuioris facit
speciem a se propriam, universale aulem est commune pturibus et praedicatur de eis ;
ergo universale non est in anima. Dein dato, quod universale non est in anima,
palet, quod secunda posilio est falsa; nam ostendo, quod anima nihit facil ad universalitalem,
quia duo esse habet Individuum, unum absolutum, aliud comparatum
(s. Anm. 573), sed utrumque esse habet, elsi anima non sit Ex quibus sequitur,
quod lerlia posilio sit falsa; nam quum in anima non sit universale nec anima
operatur aliquid ad universalitalem, limc universale secundum ralionem universalis
non est in anima Vanissimum est dicere, quod anima facit universale, sed ista
sunt.... quaedam sophismata, quae apud aliquos inducunt quintam opinionem de
universalibus (jedoch auch diess, was wir immer unter der Worlform „inlellectus
agit universalitalem" trafen, ist ja keine „fünfle" Ansicht, sondern trifft mit obigen
dreien zusammen; so gehört Baco zu jenen Menschen, mit welchen eine Discussion
unmöglich ist, weit sie in ihrer Phantaslerei uns das Wort im Munde umdrehen ;
such dass er an einer anderen Stelle der nemlichen Schrift selbst von einer „ver
schiedenen", und zwar nominalislischen Ansicht gesprochen hatte, — s. Anm. 580 —,
scheint er hier schon wieder vergessen zu haben).
572) Ebend. p. 384: Homines imperiti adorant universalia propler hoc, quod
dicit Aristoleles primo Posleriorum, quod universale est semper et ubique, singutare
est hie el nunc, ct secundo de anima dicit, quod esse universalis est esse perpetuum
et divinum, singuiore est corruplibite et non manel semper. Sed hoc el huiusmodi
solvuntur breviler, quod perpetuitas universalis et quod sit ubique, non est propler
eius dignitalem, sed propler successionem singutarium mulliplicalorum in omni lempors
el loco.
126 XVII. Roger Baco.
als das allein Preiswürdige, welches, wie die „Erfahrung" (vgl. Anm. 568)
zeige , weitaus den Vorrang vor dem Allgemeinen habe, — da ja auch
Gott die Welt nur um der Einzeln-Menschen , nicht um des allgemeinen
Menschen, willen erlöst habe —, so muss nun wohl das Universale dem
Einzelnen ganz unversöhnt gegenübertreten, indem das Individuum die
alleinige wahrhafte und feste Posilion sein soll, und das Allgemeine zum
blossen relaliven Zusammentreffen (convenientia respectu alterius) herab
sinken muss573).
Während nun Baco in diesem Begriffe der Gemeinsamkeit (communis
natura}, welchen er in einer Stelle bei Avicenna fand, eine wichlige
Entdeckung gemacht zu haben glaubt574), steht die Sache freilich schlimm
genug. Denn einerseits kann er, da ja die Einzeln-Dinge selbst es sind,
welche in gewissem Gemeinsamen zusammentreffen, allerdings triumphirend
ausrufen , dass das Universale lediglich im Einzelnen ohne alle Beihilfe
der subjecliven Seele vorliege, aber andrerseits bleibt ihm für die Frage,
wie denn dann jenes in den Dingen steckende Universale dennoch in die
Seele komme, keine andere Antwort fibrig, als die myslische, dass bei
der Einzeln-Wahrnehmung zugleich mit der kräfligen species singularis
auch eine species universalts herbeikomme, welche an sich mit der
„Schwäche" des Intellectus verwandt sei, aber durch die Vervielfälligung,
mit welcher sie auf die Dinge angewendet werde, zuletzt an Macht und
Stärke den Vorrang gewinne575). Bei solchem Gerede nun muss sich
573) Ebend. p. 383: Unum individuum excellit omnia universalia de mundo,
nam universale non est nisi convenienlia pturium individuorum. Duo mim sunt
necessaria individuo: unum absotule, quod conslituit ipsum et ingreditur eins essenliam,
nl anima et corpus faciunt bm,r hominem; aliud est, in quo convenial cum
aliquo homine et non cum asino nec poreo, et hoc est säum universale. Sed absotuta
natura individui tange maior et melior est quam reiota, quia habet esse fixum
per se et absotutum; et ideo singuiore est nobilius quam suum universale, et nos
scimus hoc per experienliam rerum Et quia omnia, quae tracto, stmt propler
theologiam, palet per raliones theologicas, quod universale non habet comparalionem
ad singuioria; non enim deus fceit hunc mundum propler universalem hominem, sed
prnpler personas siuguiores, .... nec redemit propler hominem universalem, sed propler
personas singuiores Manifestum est igitur, quod singuiore sine comparalione
est melius quam universale Et quum natura semper intendit quod est oplimum,
duae naturae, sc. universalis et virtus regitiva individui, intendent et operabuntur
individuum , sed hae duae praevalent virtuli regitivae speciei seu univer»alis.
Ergo simpliciter loquendo et absotule debemus dicere, quod individuum est prius secundum
naturam, tam secundum operalionen, quam secundum inlenlionem, quod
individuum est natura absotuta et fixa habens esse per se, el universale non est
nisi convenientia individui respectu allerius.
574) Ebend. p. 389: Dicendum est, quod primus modus universalem est, se
cundum quod natura aliqua est communis solis individuis, et hoc universale non est
nominatum adhuc et reperitur in omnibus universalibus Porphgrianis el est commime
ad omnia et quod universale dictum sit aliud praeler quinque, palet per
Avicennam in libro primo logicac, ubt hanc sentcntiam affirmat. S. vor. Abschn.
Anm. 179 f. (freitich schloss dann ebendort Avicenna hieraus jenen Grundsatz
„Intellectus agit universalitalem", aber Baco lässt sich durch solche Kleinigkeiten
nicht beirren).
575) Ebend. p. 387 : Si aulem de speciebus universalibus loquitur (sc. Aristo
leles), h. c. quod universale facitius intelligitur et idco nniversalia vocantur obiecta
inlellectus, hoc est per antonomasiam; ab uno enim singuiori non venit nisi sua
species singuioris, per quam intelligitur; sed a quolibet singuiori venit una species
XVII. Roger Baco. 127
jede weitere Frage, die wir an Baco richten möchten, in immer dichteres
Dunkel hüllen ; und so finden wir denn auch, dass ihm das Wort „species"
unter einem Duzend synonymer Ausdrücke alles Andere eher bezeichnet,
als was die Logik so nennt576). Nemlich eine gewisse myslische actuelle
Kraft soll sowohl auf die Sinneswahrnehmung als auch auf das Denken
wirken, und dabei zugleich sowohl universelle Species des Universellen
als auch singuläre Species des Singulären sein577); ja ''dieselbe soll auch
nicht, wie man gewöhnlich annehme, in der Form, noch aber auch im
Stoffe liegen, sondern von vorneherein die Species des aus Stoff und
Form zusammengesetzten Wesens sein57*).
Darum muss dem Baco die Annahme einer Einheit der Materie als
der grösste Irrthum erscheinen, welchem er dadurch zu entgehen sucht,
dass er die Materie selbst je nach den sämmtlichen Einzeln-Wesen unter
schiedlich getheilt und vervielfälligt werden lässt57'J). Und daherkommt
universalis cum specie singuiori, et ideo mulliplicatur species universalis in anima,
et ideo fit forlior et polentior Insuper intellectus e.sl debitis (vgl. Anm. 287
u. 348) ; propler eam debilitalem magis conformatur rei debiti, quae est universale,
quam rei, quae habet multum de esse, ut singulare. Sie igitm inlelligenda est auctoritas
Aristolelis (.! .!), et non accidit aliquid contra veritatem rerum universalium, quas
ponimus in singuioribus sine anima.
576) Op.maius, p. 358: Essenlia, substanlia, natura, polestas, polenlia, virtus,
vis significant eandem rem, sed di/ferunt soio comparalione Virtus habet multa
nomina, vocatur enim simititudo agenlis et imago et species et idotum et simutaerum
et phantasma et forma et inlenlio et passio et impressio et umbra phitosophorum
Species aulem non sumitur hie pro quarto universali apud Porphgrium, sed transsumitur
hoc nomen ad designandum primum effectum cuiustibel agenlis naturaliter.
577) Ebend. p. 66: Haec virtus vocatur simititudo et imago et species et mullis
nominibus, et hanc facit tam substantia quam accidens et tam sptritualis quam corporalis
Et haec species facit omnem operalionem huius mundi, nam operatur
in sensum, in intellectum, et in lolam mundi maleriam. Ebend. p. 372 : Cum uni
versale non sil nisi in singuioribus , nec polest singulare carere suo universali,
erit proporlio speciei universalis ad speciem singuiorem, sicul rei universalis ad rem
singuiorem Sive in medio sive in sensu sive in intellectu sunt species univer
sales, oportet, quod ibidem sint species singuiores ei respondenles.
578) Op. lert. c. 31, p. 109: Species substanliae agenlis est composita el non
est solius formae, ut aeslimatur, et species rei universalis est universalis et species
rei singuioris est singuioris. Op. maius, p. 367 : Species substanliae non est tantum
ipsius formae seu maleriae, sed tolius cvmpositi. Ebend. p. 66 : Omnis res naturalis
producitur in esse per efficiens et maleriam. Bei E. Chartes, p. 377 : Non est
triplex praedicamentum nec triplex grnus generalissimum in praedicamento substanliae,
quia unum eorum est principale praedicabite, cum quo duo non ponunt in numero;
propler quod unum est genus generalissimum substantiae , sciticel compositum, per
quod allenditur unitas praedicamenti Insuper compositum habet ralionem per se
exislenili in ordinc enlium; non sie maleria et forma.
579,1 Op. maius, p. 88: Mullitudo vero phitosophantium non sotum in forma
propria phitosophiae, sed in usu theologiae dicit el asserit, quod una est maleria
numero in omnibus rebus et quod sotum est diversitas a parle formarum ; sed hie
est error infinitus. Op. lert. c. 38, p. 121: Cum omnes ponant, quod maleria sit
una numero in omnibus rebus, el cum hie sit pessimus error, qui unquam fuit
in phitosophia positus, ideo aggredior hanc posilionem p. 122: Sicul forma
prima, quae praedicatur de omnibus formis et est communis iis et dividitur... . usque
ad specialissimam, habet unitalem generis et non est una numero, ergo simililer,
cum maleria praedicetur de omnibus maleriis rerum et sit eis communis et dividatur,
maleritt alia est spiritualis, alia est corporalis et paribus passibus descendit sicut
compositum et forma. Ebenso bei E. Chartes, p. 378.
128 XVII. Roger Baco.
es, dass er gegen die bei Albert und Thomas von den Arabern entlehnte
Ansicht polemisirt , dass die Materie den Process der Individualisirung
erst bewirke (s. Anm. 388 u. 519); denn indem Baco, wie wir sahen,
dem Einzeln-Ding eine grundsätzliche Priorität zuweist und in dem Fort
schritte zu dieser Vollkommenheit nur das „Dieses" (hoc) als maassgebend
erblickt, kann er weder in dem Artbegrifl'e, welcher nach seiner Ansicht
auf einer blossen Vergleichung beruht, noch auch in irgend einem Zusatze,
der zu demselben hinzukäme , die Ursache der Individualisirung fmden,
sondern nur in der Eigenthümlichkeit (proprium) des individuellen Seins
selbst580). Aber während diese Ansicht einem Vorspiele der haecceüas
des Duns Scotus gleicht (s. Abschn. XIX, Anm. 144 ff.), fällt Baco auch
hierin wieder in seinen plumpen myslischen Dualismus zurück, da er
sowohl für das absolute Sein der Individuen als auch für den relaliven
Bestand der Artbegriffe kurzweg die Causalität Gottes verantwortlich macht
und somit in andächliger Herzens-Einfalt folgerichlig die ganze Frage über
das Princip der Individualion ebenso wie jene über die Universalien als
eine grosse Thorheit bezeichnet581).
Als eine specielle logische Eigenthümlichkeit Baco's kann ich noch
580) Bei E. Chartes, p. 384: Dicunt aliqui, quod species est tota essenlia individuorum
el habet esse sotum diversa in eis; et alii dicunt, quod maleria addita
formae universali fad t Individuum; et alii, quod polenliae aliquid significatum additur
et sie significatur species significanda in diversis (diese Ansicht kann wohl nur
von nominalislischen Anhängern der byzanlinischen Logik aufgeslellt worden sein).
Sed omnia haec convincuntur falsa esse, quia poslquam linea singuiorium vadit de
incompleto ad completum sicut linea universalium, palet, quod tum sicut se habet
animal ad hominem sie hoc animal ad hunc hominem, et ideo sicut „ralionale" additum
huic animali fucil hunc hominem, et ita nec humo nec aliquid additum homini
faciet hunc hominem, licel hoc ponunt. Item palet ex dictis, quod hie homo est prius
homme secundum operalionem el intenlionem naturae, et homo advenit extra essentiam
eius simitis accidenli el tanquam ittud, in quo debel comparari ad aliud quoddam
tndividuum; ergo tndividuum habet prius esse tndividuum, inquantum est tndividuum,
el essentiam suam naturalem, anlequam oriatur universale suum. Ergo tunc nec
universale nec aliquid additum ad ipsum facit tndividuum, et ideo principia propria
ingredienlia essentiam individui faciunt ipsum.
581) Ebend. p. 385: Dicendum, quod esse tndividuum duplex est; unum est absotutum
secundum sua principia, quae ingrediuntur suam essentiam, et sie species
non sunt esse individui; aliud est secundum comparalionem eius ad aliud Individuum,
cum quo convenit naturaliter, el ittud esse facit species. Et cum quaerunt, quid
erit causa individualionis, si nec species nec aliquid additum specici causat eam,
quaerendum est primo ab eis, quid est causa universalitat^, si nec individuum nec
aliquid additum ad ipsum faciat universale. Ista quaestio est stulta, quum supponit,
nibit aliud posse reperiri, quod causat individuum, nisi species el aliquid cum specie.
JVam habet sua principia singuiorin ingredientia essentiam suam, sicut universale habet
universalia. Et cum quaeritur de principiis itlis, ul maleria et forma, quid est causa
individualionis, quaerendum est ab itlis, quid facit universalia eorum esse universalia.
Et non possunt dicere, nisi quod erealor facit quodlibet, secundum quod
proprietas eius exigit, el ideo naturam, in qua multa debent convenire, facit univer
salem, el maleriam diversam ab alia facit singuiorem. Verum erealor hanc maleriam
primam fecil singuiorem, quia sua proprietas hoc requirit, el simititer formam, in
qua duae formae conveniunt, fecit universalem, el maleriam, in qua duae maleriae
parlicipant, fecil communem, quia earum proprietas hoc exposcit, sicut fecit asinum
secundum eius proprietalem el hominem secundum suam el omnia. Et ideo stullitia
magna est in huiusmodi quaeslione, quam faciunt de individualione.
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 129
erwähnen , dass er getreu seiner Ueberschätzung der Mathemalik alle
Kategorien auf die Quanlität zurückführen will 582).
Endlich aber fällt noch gleichfalls in diese nemliche Zeit eine manigfache
Erweiterung der byzantinischen Logik, welche sich nur
dadurch erklären lässt, dass dieses ganze Material bereits in den ersten
drei Jahrzehnten, welche seit seiner Aufnahme in die Litteratur des latei
nischen Abendlandes verflossen , an allen Orten die eifrigste Pflege ge
funden haben muss. Während es uns aber schlechterdings unmöglich ist,
irgend beslimmte Autoren-Namen zu nennen , ist dieses Mittelglied doch
geeignet, Eine jener vielen Lücken der Tradilion, auf welche wir immer
hin noch stossen , einigermaassen zu ergänzen. Denn wir können nach
weisen, dass gegen das Ende des 13. Jahrhunderts fast der ganze Umkreis
der byzanlinischen Logik allmälig eine erweiterte Umbildung, insbeson
dere durch Vermehrung der „Regeln", erlangt hatte, sowie dass hiebei
die Grundlagen der Lehre von den „Consequentiae", welche später zahl
reiche Vertreter fand , bereits ihre Formulirung gefunden hatten. Wohl
zu beachten aber ist, dass (abgesehen von einer einzigen noch späteren
Quellenstelle, s. Anm. 626) es nur zwei jüngere Zeitgenossen, nemlich
nur Duns Scotus und Raimundus Lullus, sind, welche uns das Material
für diese Episode liefern, indem dieselben ziemlich häufig Einzelnes in
derarliger Form anführen, dass es unmöglich ihr eigenes Erzeugniss sein
kann, sondern einer zu ihrer Zeit allgemein umlaufenden Lehre entnommen
sein muss (ja es ist dabei selbst von „verschiedenen Meinungen" oder
sogar von „Vielen", welche Etwas so oder so angeben, die Rede, s. Anm.
589, 595, 624). Wenn solche Quellen aus jener Zeit reichlicher flössen,
oder erst vollends, wenn die handschriftlichen Schätze aller Bibliotheken
ausgebeutet wären , Hesse sich gewiss ein richligeres Bild entwerfen,
welches dann auch die Namen der bis jetzt entschwundenen Autoren ent
halten könnte. Jedenfalls aber muss ich bei der einmal bestehenden
Beschränktheit der Quellen die Möglichkeit offen lassen, dass noch gar
Manches, was für uns erst bei Späteren zu Tag tritt, dennoch bereits
damals in reichem Schulbetriebe seine Entstehung gefunden haben kann.
Was nachweisbar in jene Zeit fällt, ist Folgendes.
Schon die Lehre vom Urtheile bot manche Gelegenheit zu Fortbildungs-
Versuchen dar; und zwar ist es zunächst das hypothelische Urtheil, bei
welchem man zu den drei früher recipirten Arten desselben (Anm. 39
u. 158) noch weitere vier Arten, nemlich causalis, temporalis, localis,
rationalis , hinzufügte und analog der älteren Tradilion nun auch für
diese Satzarten die „Regeln" der Wahrheit formulirte, wobei namentlich
betreffs der adverbia temporis et loci die Unterschiede der Bedeutung
(ob Ruhe oder Fortschreiten) als maassgebend betrachtet wurden 583).
582) Op. maius, p. 60: Constat, praedicamentum quanlitalis cognosci non passe
sine mathemalica Quantitali vero annexa sunt praedicamenta „,juando" et „übi";
praedicamentum „Aafcttus" non polest cognosci sine praedicamento „ubi";
«laior vero pars praedicamenti quulitalis continet passiones et proprietales quanlitatum;
quidquid aulem dignum est consideralione in praedicamento reiolionis, est
proprietas quantitalis.
583) Kairo. Lultus, Dialect. introd. (s. folg. Abschn., Anm. 2), f. 3 v. B: Sex
(zu lesen seplem) modi sunt hgpothelicae proposilionis, sc. copuioliva, disiunctivu,
PBAKTL, Gesch. III. 9
130 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
Sowie aber hiebei zwischen causalis und rationalis der Leser kaum
einen greifbaren Unterschied erblicken kann , so lässt eine andere Noliz
die Erörterung über causalis ganz hinweg, wornach dann nur drei neue
Arten des hypothelischen Urtheiles verbleiben 584), wobei man sich auch
später unter Beseiligung der Terminologie „ralionalis" begnügte; s.
Abschn. XX, Anm. 322.
Ferner ein sehr beliebter Tummelplatz der Logiker muss die Lehre
von den modalen Urtheilen gewesen sein (s. ob. Anm. 41 ff., 160 ff.,
456 f. und besonders bei Thomas Anm. 542). Vor Allem war die schon
bei Wilhelm Shyreswood (Anm. 43) auftretende Unterscheidung eines
Modus adverbialis und eines modus nominalis in die neue Terminologie
potenzirt worden, dass ersterer nun sensus composüus heisst und jene
Urtheile betrifft, in welchen der modale Ausdruck zum Subjecte oder zum
Prädicate gehört , während letzterer jetzt als sensus divisus denjenigen
Urtheilen anheimfällt, in welchen die Copula Trägerin des Modus ist;
und man konnte bei dieser Unterscheidung, welcher sämmtliche modalen
Urtheile unterworfen sein sollten, sowohl wieder allgemeine Regeln der
formalen Wahrheit aufstellen585), als auch im Interesse der Syllogislik
condilionalis, causalis, lemporalis, localis, ralionalis, quanquam omnes possunt reduci
ad tres primos modos f. 4 r. A : Causalis est bgpotheliea habens in se duas
calegoricas unitas per aliquam causalem coniunclionem. Ad veritalem eius requiritur,
quod sie esse, ul significatur per antccedeus, sit causa sie essendi, ut per consequens
significatur In negaliva, in qua negalio ponitur immediale ante coniunctionem,
requiritur ad eius veritalem, quod calegorica praecedens negalionem sit
vera, et requiritur, quod sie esse, ut secunda significat, non sit causa sie essendi,
ut prima significat Temporaiis est hgpothelica habens in se duas calego
ricas unitas per adverbium temporale. Ad eius veritalem, si sit de praelerito vel
futuro nec habeat aliquam partem universalem ncc adverbium denotans successionem
r,'l simultalem lemporis, requiritur, quod ita fuerit vel futurum sil in eodem lempore
. Sed si habet in se adverbium denutans ordinem lemporalem, sufficit tunc,
quod ita fuerit vel futurum sit pro diversis satlem lemporibus Si vero aliqua
pars est universalts, requiritur, quod tol proposiliones singuiores fuerint vel futurae
sint verae succcssive, quol fuerunt vel erunt supposita (B) Si vero quaelibet
calegorica sit de praesenti, tunc requiritur, quod ita sil in lempore praesenti.....
Ad falsitalem sufficit oppositum itlius, quod requiritur ad veritalem eius Localis
est hgpolhelica habens in se duas calegoricas unitas per adverbium locale. Ad veritalem
localis aflirmalivae non babentis adverbium denotans motum requiritur, quod
ita sit vel fial in eodem loco.. ... Sed ad veritalem negalivae sulficit, quod res non
sil vel i'iut in eodem loco Sed ad reritatem loculis habentis in se adverbium
denotans motum, aliquando requiritur, quod sit idem lerminus ad quem, aliquando,
quod sit idem lerminus a quo Ralionalis est hgpothelica, in qua
coniunguntur ptures calegnricae mediante coniunctionc causali. Ad eius veritalem re
quiritur i'l sufficit, quod, qualilereunque significatur esse per antscsdens, ita si!, ut
significatur per consequeus.
584) Ebend. Dialect. s. nov. log. (s. folg. Abschn., Anm. 3), p. 151 : Proposilio
hgpothelica est septuplex (hier hinwiederum ist doch sextuplex zu lesen), sc. coputaliva,
disiunctiva, conditionalis, ralionalis, lemporalis et lecaiis ll1,tu,nuli^ est
ilin, in qua sunt duae calegoricae coniunctae per bas coniuncliones „igitur" vel
„ergo" Temporaiis est, in qua sunt duae calegoricae coniunctae cum adverbio
lemporali, ut „bonitas est magna, quondo magnitudo est bona". Localis est itio, in
qua sunt duae calegoricae coniunctae cum aliquo advprbio locali, ut »virtus est, ubi
iustilia esf". Die Regeln über die Wahrheit dieser Urtheite sind dabei nicht
angeführt. Vgl. Abschn. XIX, Anm. 328.
585) Ebend. Dialect. introd. t. 5 r. B: Proposilio modalis est itio, in qua ponitur
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 13t
darauf hinweisen , dass ja eigentlich doch nur der sensus divisus ein
wahrhalt modales Urtheil conslituire, hingegen der sensus composüus den
Urtheilen des Stattfindens beizuzählen sei 5s6), während man hinwiederum
dennoch für beide Arten die üblichen Momente der Quanlität, der Qua
lität, des Gegensalzes und der Umkehrung durchführte587). Ferner ver
mehrte man innerhalb dieser neuen Zweigliederung der Modalität auch
die Zahl jener Begriffe selbst, durch welche ein Urtheil ein modales
wird; nemlich man fügte die Begriffe per se, dubium, ad utrumlibet,
scüum, opinatum, apparens, credibile, notmn, volitum, dilectum hinzu,
so dass schon hier (vgl. unten Anm. 598, 600 f.) so ziemlich der ganze
Umkreis derjenigen Verba, welche einen sog. Accusativ. c. infinit, re
gieren, beigezogen ist 588). Zudem hatten sich an jene modalen Urtheils-
Formen , welche schon längst recipirt waren , gar manche Neuerungen
geknüpft. So wird bei den Möglichkeits-Urtheilen bezüglich ihrer Trag
weite, d. h. suppositio, merkwürdiger Weise aus Shyreswood's Syncategoreumata
(s. ob. Anm. 86 f., vgl. auch Anm. 63) der Unterschied zwischen
disjuncliver und copulaliver Supposilion formulirt, wodurch wieder Be
rührungspunkte mit der restrictio (Anm. 234) entstehen589), und auf
lerminus modificalivus cum infinitivo Si lermini praedicti seu modi ponuntur
in medio dicli, sc. inler actum et infinitivum ipsos dividendo, dicitur propositio divisa
seu in sensu diviso; aliler dicitur proposilio composita seu in sensu composito. Ad
veritalem divisae sufficit, quod modus veri/icetur de proposilione constituta ex pronomine
demmstrante „id", ul dicendo „calidum possibitc est esse frigidum''
ad eius veritalem sufficit, quod haec proposilio „hoc esse frigidum, est possibite"
sit vera Ad veritalem compositae requiritur, quod lerminus seu modus verificetur
de propositione indicativa correspondente itli dicto.
586) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. t, 25, (Vol. I der Opp., s. Absehn. XIX,
Anm. 82) p. 309 B: Modum contingit dupliciter poni in propositione, sc in sensu
diviso, quando modus ponitur, ut sit delerminalio copuioe; vel in sensu composito,
quando modus ponitur a parle subiecti vel a parte praedicali. Et istae propositiones
multum differunt el quantum ad sgllogizandum et quantum ad convertendum; item
differunt, quia ilio de sensu composito est propositio de messe, et itio de sensu diviso
est modalis, quia semper proposilio est denominanda a copuio.
587) Ebend. p. 310 A : Propositiones de modo in sensu composito sunt indefinitae,
v. g „Possibite est, Soeralem currere", quia sua universalis est ista
„Nultum possibite est, Soeralem currere" lta conformiler dicitur de itlis , in
quibus modus praedicatur. Vgl. obige Anm. 43.
588) Ebeod. : Omnes propositiones ... in sensu composito de istis modis „nccessarium,
per se, verum, possibite, contingens", — loquendo de contingenli pro possibiti
communi — (vgl. ob. Anm. 42 u. 162), consimititer convertuntur itlis de inesse
De istis modis „impossibite, falsum, dubium" non convertuntur sicut itioe de
inesse, quia tunc istae reguioe essent verae „Si antecedens est impossit,ite, consequens
est impossibite"' De istis modis „scitum, opinatum, apparens, nolum, volitum,
ditectum" non convertuntur simitiler sicut itioe de inesse. Ebd. 26, p. 311 B: Proposiliones
de sensu diviso in illis modis „impossibite, falsum, conlingens, ad utrumlibel"
non convertimtur simutler itlis de inesse Modales de sensu diviso in islis
modis „cognosco, apparel" et huiusmodi non convertuntur proprie. Auch 36. p. 328 A
werden als modi die Begriffe „scio, opinor, eredo, dubito, apparel" angeführt. Ueber
„opinabiliter" s. schon bei Petr. Hispanus ob. Anm. 234.
589) Ebend. 26, p. 310 B: De propositionibus de possibiti duplex est opinio.
Una ponit, quod subiectum respectu verbi de possibiti (d. h. bei einem Urtheite de
sensu diviso) in propositione indefinita vel particuiori supponit disiunetive pro Ais,
quae sunt, et pro his, quae possunt esse, el in universali sive affirmaliva sire negaliva
supponit copuiolive Sed alia est opinio, quae ponit, quod itio de possibiti
9*
132 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
solcher Grundlage ergeben sich neue Regeln betreffs der Umkehrung
dieser Urtheile 590), wobei man auch das contingens neben dem possibile
gesondert betrachtete 09 1). Betreffs der Nothwendigkeits-Urtheile finden
wir die spitzfindige Unterscheidung zwischen necessarium conditionale,
necessarium quando, necessarium simpiiciter, welch letzteres wieder
entweder ut nunc oder pro semper sein könne 592), und sowie für diese
Unterarten die Regeln der Umkehrung untersucht werden 593) , so spielt
dabei auch das Wechselverhältniss zwischen Unmöglich und Nothwendig
sowie zwischen Un-nothwendig und Möglich herein594). Ausserdem
endlich werden noch sehr eigenthümliche Regeln über das Verfahren
aufgestellt, durch welches Möglichkeits-Urtheile in Urtheile des Stattfindens
umgesetzt werden können ; nemlich singuläre oder unbeslimmte Möglichkeits-
Urtheile sollen einfach in das Präsens des Stattfindens übergehen
können , und bei Möglichkeits-Urtheilen der Vergangenheit oder Zukunft
brauche nur das Prädicat, nicht aber auch das Subject, entsprechend
umgesetzt zu werden595).
Andrerseits war es natürlich der ganze Abschnitt De lerminorum
proprietalibus , welcher reichen Anlass zu fortbildenden Erweiterungen
darbieten konnte. Und so fmden wir denn auch die Lehre von der
suppositio in einer eigenthümlichen Gestaltung, welche in ihren Grund
zügen wohl mehr an Shyreswood (Anm. 61), als an Lambert v. Auxerre
est distinguenda, quia vel eins subiectum supponit pro his, quae sunt, vel pro his,
quae possunt esse.
590) Ebend. p. 312 A: Affirmalivae de possibiti pro Ins, quae sunt, non convertuntur
proprie Negalivae de possibiti non convertuntur proprie, in quibus
subiectum supponit pro his, quae sunt Affirmalicae de possibiti, in quibus
subiectum supponit pro his, quae possunt esse, simitiler convsrtuntur fiegaliva de possibiti pro his, quae possunt esse, non converliluirt.lis de inesse.
591) Ebend. 30, p. 319 A: Propositio de conliugenti (s. Anm. 588) polest converti
dupliciter. Uno modo in oppositam qualitalem .... manente eodem subiecto et
praedicalo. Alio modo possunt converli ad utrumlibet transponendo lern,inos sicut
Mae de inesse.
592) Ebend. 26, p. 311 A: Triplex est propositio de necessario. Quaedam de
n,'cessario condilionali, ul „Vacuum, si est, de necessitale est locus" ; alia de ne
cessario quando, ut „G,ammalicus, quando est, de necessario est homo"; sed lertia
est de necessario simpliciter, et talis est duplex, quia quaedam est de necessario ul
nunc solum, sed alia est de necessario simpiiciler pro semper.
593) Ebend.: Proposiliones de necessario conditionali aul eliam de necessario
quando non convertuntur , de necessario simpiiciler pro nunc non convertuntur
proprie, quod tales propositiones possunt converti improprie per resolulionem ad
quandam de inesse De necessario simpliciter pro semper simititer convertuntur
itlis de inesse.
594) Ebend. p. 312 A: liio de necessario de modo negalo non dicitur proprie
de necessario, sed de possibiti, et e contra itio de possibiti de modo negalo
non dicltur proprie de possibiti, sed de necessario.
595) Duns Scolus, Qu. in Phgs. VI, 2, 6, (Vol. II) p. 356 B: Loquendo in proposilionibus
de possibiti aul de praelerilo aul de futuro oporlel uli duabus regulis,
quas mulli ponunt universales. Prima reguio est ista : Omnis proposilio singuioris
vel indefinita de possibiti debet poni in esse per unam propositionem de praesenli, ul
ista „Soerales polest currere" in „Soerales currit". Secunda reguio , quod in
omni proposilione de possibiti rel de practerito vel de futuro praedicatum appeltat
suam formam, et non subiectum (vgl. Anm. 601), h. e. quud talis proposilio debet
poni in esse per unam de consimiti praedicalo, et non oporlet, quod per unam de
consimiti subiecto ; et polest exemplif,cari de iita „Album polest esse nigrum".
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 133
und Petrus Hispanus (Anm. 126 f. u. 202 ff.) erinnert, aber namentlich
in der Eintheilung sehr von der älteren Tradilion in einer Weise ab
weicht, welche unleugbar den Vorzug der Klarheit für sich hat; nemlich
nach Ausscheidung der blosscn Metapher (impropria) soll die propria
supposüio zerfallen in simplex, materialis, personalis, letztere in discreta
und communis, letztere wieder in delerminata und confusa, diese letztere
in disiunctiva, copulativa (vgl. Anm. 589) und distribuliva, und endlich
diese letztere erst in mobilis und immobilis 59B). Auch hatte man be
treffs der supposüio acht Regeln formulirt, welche theils an die Qualität
und Quanlität der Urtheile anknüpfen, theils die Lehre von der dislribulio
sowie einige Syncategoreumata in ihr Bereich ziehen, und auch ihrerseits
einen Beleg dafür geben, wie sehr überhaupt die Zahl der termini, wo
nur Gelegenheit dazu war, vermehrt wurde; nemlich an die Oomparalivund
Superlaliv-Formen (s. Anm. 265) und die hier ihnen gleichgestellten
Worte „differl" u. dgl. (Anm. 266) reihen sich nun noch „caret, distinguüur"
an, und mit „bis, ler" (Anm. 254) werden „immediate, continue"
verbunden, während eine Reihe von Verbis, wie appeto, desidero, cupio,
opto, teneor, debeo, promüto, requiro, indigeo, spondeo, völlig neu hin
zukommen 597).
596) Raim. Lull. Dial. introd. f. 5 v. A : Supposilio primo dividitur in propriam
et impropriam. Impropria est, ut „Anglia pugnal" Propria est, quando
lerminus supponil pro inlenlione vel pro se vel sibi simiti vel pro itlo, ad quod
signandum est impositus. Propria dividitur in simplicem, malerialem et personalem.
Simplex est, ut „honio est species" Malerialis est, quando lerminus supponit
pro se aut sibi simiti, ul „Aonio est vox". ...vel „homo est lerminus mentalis''
Personalis est, quando lerminus supponit pro itlo, ad quod significandum est im
positus Personalis dividitur in diseretam et communem. Disereta est, quando
lerminus singuioris supponit , communis est, quando lerminus communis
Communis dividitur in determinatam et confusam Delerminata est, quando ter
minus communis supponit pro aliquo, sub quo non copuiolive, sed disiunclive seu
per proposilionem disiunclivam polesl fieri descensus ad sua singutaria Confusa
est, quando lerminus communis supponit et non debet fieri talis descensus, sed vel
disiunctus per proposilionem de disiuncto extremo vel coputatus per propositionem de
coputato extremo (vgl. folg. Abschn., Anm. 47) vel coputalivus per proposilionem
copuiolivam. Et ideo supposilio confusa est triplex, sc. vel est confusa tantum disiunctim
vel confusa tantum coputalim vel confusa et distribuliva. Confusa tantum
disiunctim est, quando non polest fieri descensus per proposilionem disiunclivam, sed
per propositionem de disiuncto extremo Confusa tantum coputalim est, quando
non licet fieri alium descensum nisi per proposilionem de copuioto extremo Con
fusa et distribuliva est, quando polest fieri descensus per proposilionem coputalivam
uniformiler vel difformiter ad sua singuioria Confusa et distribuliva est duplex,
sc. mobitis et immobitis Mobitis est, quando polest fieri descensus uniformiter
vel affirmalive vel negalive Immobitis est, quando non polest fieri descensus
uniformiter, sed difformiter, i. e. quando aliquae singuiores sunt affirmalivae et aliquae
negalivae. Nur der Anfang dieser ganzen Bintheitung findet sich auch in des
Lullns Dialect. s. not), log. p. 152.
597) Ebend. f. 6 r. A: De regulis suppositionum. Prima: Omnis lerminus sin
guioris supponit diserele. 2. Cuiusiibet proposilionis parlicuioris vel indefinitae subiectum
supponil delerminale ; eliam praedicatum affirmalivae, si sit lerminus communis
et non impediat sgncalegoreuma 3. Cuiustibet proposilionis universalis subiectum
supponit confuse et distribulive, et eliam praedicatum proposilionis exctusivae
4. Cuiusiibet proposilionis universalis negalivae subiectum supponit confuse et distri
bulive, et eliam praedicatum 5. Signum universale affirmalivum confundit et
distribuit suum lerminum commonem sequenlem se, et confundit tantum terminum
134 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
Ebenso verhält es sich mit der ampliatio (s. Anm. 225 ff.). Man
hielt nun die verschiedenen Arten des lerminus ampliativus (im Gegen
satze gegen terminus ampliatus) auseinander , welche im Futurum oder
Präteritum eines Verbums oder Parlicipiums, in den Verbis polest oder
contingit, oder in den auf verschiedene Zeiten erstreckbaren Verbis significo,
intelligo, memoro, promüto, appeto u. dgl. (vgl. Anm. 588) liegen,
wobei natürlich grundsätzlich die erweiternde Funclion der ampliaiio nur
dem Prädicate, sowohl nach seiner primären Bedeutung als auch nach
seinem connotatum (d. h. den abgeleiteten secundären Wortformen), zu
kommt, und der Subjectsbegriff der hiedurch erweiterte ist598). So
mussten dann wohl erklärlicher Weise für die drei grammalischen Zeit
formen der ampHaliven Sätze mit Einschluss der Parlicipien und sogar
der abgeleiteten auf „bilis" endigenden Adjecliva jene Regeln , welche
schon bei Petrus Hispanus vorlagen , vermehrt und specieller formulirt
werden , und man unterliess es hiebei selbst nicht , auch wieder die
Modalität der Urtheile hereinzuziehen 5"). In Bezug aber auf diesen
communem remolum ; omnis aulem negalio et omnis dictio habens vim negaliunis confundit
et distribuit lerminos omnes sequentes se; est aulem talis dictio omnis comparalivus,
supertalivus et „differt, aliud , caret, dislinguitur" 6. Praedicatum
cuiusiibet proposilionis universalis affirmalivae el mbiectum cuiusiibet exctusivae affirmalivae,
si sunt lermini communes, sup'ponunt confuse tantum. 7. Omnia adverbia
numeralia, ut „bis, ler, qualer", el isli lermini „immediale, continue" (vgl. Abschn.
XIX, Anm. 183) semper ubique confundunt lerminos communes immediale sequentes
se confuse tantum, el ista verba „appelo, desidero, cupio, opto, leneor, debeo,
promitto, requiro, indigeo, spondeo" ct universaliter omnia verba significanlia actum
inleriorem cum suis actiois participiis et gerundiis et priore supino confundunt lerminum
communem sequentem se confuse tantum 8. Quitibet lerminus habens
vim distribuendi terminum sequenlem, quem invenit non distributum, est talis naturae,
quod, si invenil ipsum distributum, facit ipsum non esse distributum. 9. Omnis ler
minus communis supponil delerminale , si non praecedat aliqua dictio habens vim
negalionis vel vim confundendi.
598) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. I, 16, (Vol. I) p. 296 B: Terminus ampliatus
dicitur itle, qui ampliatur passive, ita quod pro pturibus supponat, quam
anle; sed lerminus amplialivus est isle, qui ampliat, v. g. praedicatum vel copuio,
si fuerit praeleriti vel futuri lemporis aut de possibiti (p. 297 A) Quidam
sunt, ut verba praelerili vel futuri lemporis, alii sunt, ut participia ; alii sunt,
ut ista verba „polest, conlingit" et nomina derivata ab islis ; item ista verba „significo,
inlelligo, promitto" el huiusmodi, el universuliler omne verbum, cuius actus polest
transire in rem praeleritam el futuram sicul in rem praesentem Praedicatum
dicitur appeliore (zu lesen ampliare) suam lormam et restringere ad supposita verbi
tam secundum significatum quam secundum connolatum (dieser Begriff begegnet uns
hier zum ersten Male, vgl. Abschn. XX, Anm. 273 u. 291) Subiectum ampliatur
per praedicatum, quia aliter multae propositiones essent falsae, quae tamen
sunt concedendae, ut „Nulio rosa exislenle rosa inlelligitur" (vgl. bei Petrus
Hispanus, ob. Anm. 236).
599) Raim. Lult. a. a. O. f. 6 r. B: Ampliatio est stalio lermini categoremalici
pro aliquo vel aliquibus ultra hoc, pro quo actualiter exisleret in proposilione simpliciler
prima. De amplialionc dantur hae reguioe. Prima: Cuiusiibet proposilionis,
cuius coputa est de praclerito, subiectum ampliatur ad supponendum pro eo, quod est
vel fuit 2. Cuiustibel propositionis, cuius copuio est de futuro, subicctum am
pliatur ad supponendum pro eo, quod est vel erit 3. Cuiustibel proposilionis,
in qua ponitur hoc verbum „polesl" pro verbo principali, subiectum ampliatur ad
supponendum pro eo, quod est vel erit vel polest esse Idem dicendum de subiecto
proposilionis, cuius copuio est de praesenli el praedicatum est hoc parlicipium
„polens". (Diese ersten drei Regeln finden sich ziemlich gleichioulend auch in des
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 135
logischen Werth der Zeitformen des Verbums (vgl. ob. Anm. 227) wurde
ausser den Parlicipien und den Zeiten der Copula auch auf die eine Be
wegung oder Veränderung bedeutenden Verba (fieri, generari, corrumpi,
incipere, desinere) und wieder auf die eben erwähnten amplialiven Verba
(intelligo, promitto u. s. f.) selbst mit Beiziehung von causa, causatum,
calefactivum hingewiesen, so dass namentlich die Verba incipit und desinit,
welche wir bei Petrus Hispanus unter den Exponibilia trafen (Anm. 263),
hier eine Anknüpfung an die ampliatio zeigen, welche ihrerseits sogar
durch die Umkehrung all dieser verschiedenen Urtheile klar gemacht
werden soll 600). ,
Auch die appellatio (s. ob. Anm. 228 f.) wurde in ähnlicher Weise
näher an grammalische Momente gerückt, indem schon in der Definilion
derselben das Präsens des Verbums und das Auftreten eines demonstra
liven Pronomens betont wird, und sodann bei Formulirung der Regeln
wieder die Rücksicht auf die Verschiedenheit der drei Zeiten, auf die
Modalität der Urtheile, und abermals auf jene Verba (intelligo etc.) ent
scheidend hervortritt 60 1).
Lultus Dialect. s. nnn. log. p. 152, woselbst die amplialio defmirt wird als stalio
lermini communis pro diversis lemporibus) 4. Cuiustibet proposilionis, enius
praedicatum est parlicipium praelerili lemporis, sive copuio sit de praesenti sive de
practerito, subiectum supponit pro eo, quod est vel fuit 5. Cuiustibet proposilionis,
cuius praedicatum est nomen verbale lerminatum in „bitis", subiectum
ampliatur ad supponendum pro eo, quod est vel polest esse 6. Haec verba
„inlelligo', cognosco, scio, concipio, memoro, opinor, arbitrar" et celera verba, quae
habent vim transeundi ita benc in rem praeleritam vel futuram vel possibitem sicul
in rem praescntem, ampliant casum, quem regunt, ad supponendum pro eius significalis
respectu euiustibet lemporis et possibititalis 7. Cuiustibet proposilionis
de necessario in sensu diviso (s. Anm. 585) subiectum ampliatur ad supponendum
pro eo, quod est vel polest esse 8. Omnis proposilio, cuius subiectum ampliatur
ad supponendum pro eo, quod est vel erit, vel pro eo, quod est vel fuit vel
polest esse, debet exponi per propositionem calegoricam de subiecto disiuncto.
600) Duns Scolus a. a. O. 17, p. 298 A: Quatuor modis aliqua proposilio
polest perlinere ad praeleritum vel futurum. Uno modo, si eius praedicatum aut
subiectum sit parlicipium praelerili vel futuri. Secundo, si copuio verbalis sit praelerili
aul futuri. Tertio, si copuio verbrilis significel vel connolet molum vel mutalionem,
ut ista verba „fieri, generari, corrumpere, incipere, desinere" Quarto,
quando in proposilione ponitur nomen vel verbum ampliatum (zu lesen amplialivum),
ul ista verba „significo, inlelligo, appelo, promillo" et ista nomina „causatum,
causa, calefaclivum" et huiusmodi (p. 298 B) Verba „incipit, desinit, fit, ge
nerari" habent exponi per duas exponentes, quarum allera est de praelerito et alia
de futuro (p. 299 A) Verba „significo, inlelligo, memoro, cognosco, opinor" et
huiusmodi ...... ampliant lerminos, quos regunt, ad supponendum non sotum pro
praeseulibus, immo eliam pro praelerilis vel futuris In conversione huiusmodi
propositionum ista amplialio debet explicari.
601) Raim. Lultus a. a. O. f. 6 v. B : Appeliolio est verificalio praedicali sub
eadem forma, i. e. diclione in proposilione de praesenle de pronomine demonstranle
itlud, pro quo supponit subiectum propositionis, cuius ipsum praedicatum est pars ....
Dantur hae reguioe. Prima: Ad veritatem proposilionis de praesenti requiritur, quod
eius praedicatum in propria forma, i. e. sub eadem diclione, verificetur de pronomine
demonstrante ittam rem, pro qua supponit subiectum itlius proposilionis 2. Ad
veritalem euiusiibet propositionis de praelerito requiritur, quod eius praedicatum sequens
verbum fuerit aliquando sub eadem ralione verificabite de pronomine demonstranle
iltud, pro quo supponit subiectum 3. Ad veritalem cuiustibel proposilionis de
futur» requiritur, quod eius praedicatum in propria forma aliquando futurum sit
verificabite in proposilione de praesenti de pronomine demonstranle ittud, pro quo
136 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
In der Lehre von der distribiilio, welche zwar damals, wie es
scheint, mehr mit der suppositio verflochten wurde (Anm. 597), ersehen
wir aus einer vereinzelten Noliz, dass man eine Schwierigkeit, welche
sich an die Tragweite des Wortes „omnis" knüpfte (ob. Anm. 240), nun
durch genauere Formulirung einer Regel zu erledigen suchte 602). Wie
weit man einer Definilion der reslrictio, welche dem Lambert v. Auxerre
näher steht als dem Petrus Hispanus 603), etwa in Regeln eine ausge
dehntere Folge gegeben habe, wissen wir nicht.
Was das Gebiet der Exponibilia betrifft (ob. Anm. 256 ff.), finden
wir nicht bloss die eigenthümliche Wendung , dass man alle Arten der
exponibleh Urtheile als eine Aequipollenz hypothelischer Urtheile betrach
tete604), sondern auch die Neuerung, dass man grundsätzlich bezüglich
aller exponiblen Ausdrücke einen Unterschied statuirte, welcher zwischen
der blossen „Bezeichnung" (signatum , z. B. durch das Verbum excipio)
und der wirklichen „Ausübung" (exercitum , z. B. durch die Präposilion
praeler) bestehe 605). Und auch bei den einzelnen Theilen dieser ganzen
Gruppe fehlte es nicht an fortbildender Erweiterung. So wurden obige
(Anm. 260) Regeln üBer die Exclusiv-Sätze dadurch vermehrt, dass man
neben der Qualität des Urtheiles auch die Stellung der Exclusiv-Parlikel
berücksichligte, je nachdem dieselbe beim Subjecte oder beim Prädicate
oder bei der Copula (!) oder beim Subjecte und beim Prädicate stehe606).
supponil subiectum 4. Ad veritalem cuiustibet proposilionis divisae (s. Anm. 585)
de isto verbo „polesl" vel „conlingil" vel de his modis „possibile, conlingens, necesse"
requiritur, quod iste modus sit verificabitis in propria forma de pronomine demonstranle
ittud, pro quo supponit subiectum talis proposilionis 5. Ista verba „cognosco,
,ntellit!n, scio" et simitia, quae habent natu.ram transeundi in dictionem substantivam
et adieetivam et eliam in complexionem ipsarum , appetiont suam formnm et eliam
complexionem ipsius dictionis sequenlis verbum et rectae ab eo ; sed si talis dictio
praecedat verbum, non appeltat complexionem, sed sotum suam formam.
602) Duns Scotus, Qu. sup. Anal. post. l, 38, p. 404 B: Signum universale
dislribuit lerminum non sub propria ralione supposilorum , sed sub ratione lermini
communis, quia, si fierel distribulio pro supposilis sub propria ralione, quaelibet
propositio universalis esset ptures, et per consequens tunc periret sgllogismus et
eliam contradiclio in universalibus .
603) Raim. Lultus, Dialect. s. noe. log. p. 152: Restrictio est stalio lermini
in proposilione pro paucioribus significalis , quam eius requirat natura, ut „omnis
homo albus e»rrif". Vgl. ob. Anm. 130 mit 224. —
604) Raim. Lultus, Dialect. introd. f. 4 v. A: Proposilio aequivalens hgpothelicae
est propositio, in qua ponitur diclio, ralione cuius ipsa est exponibitis per proposilionem
hgpothelicam, ul sunt exctusiva, excepliva, reduplicaliva. Hiezu Abschn.
XIX, Anm. 186.
605) Duns Scotus, Qu. sup. Porph. 14, p. 97 B: Differenlia inler actum signatum
et exereitum palet in mullis ; per „non" mim exerectur negalio, per „nego" vero
signatur, per „tantum" simitiler exereetur exctusio, per „exctudo" signatur, et ita de
„praeler" et ,,excipi" et aliis. Die mehrseilige Durchführung dieses Grundsatzes
s. Abschn. XX, Anm. 288, 346, 365.
606) Raim. Lultus a. a. O. f. 4 v. A : Quando diclio exctusiva additur subiecto,
ut „tantum homo curril", exponitur sie „homo currit et nihil aliud ab homine curril"
Sed e contra est in negaliva, quia tunc praedicatum remoectur a subiecto et
attribuitur cuitibet alii. Quando aulem diclio exctusiva additur praedicato, ut „Soerales
est tantum animal", exponitur sie „Soerales est animal et Soerales non est
aliud ab animali". Quando additur copuioc, exponitur eo modo, quo quando additur
subiecto Quando additur tam subiecto quam -praedicato, ul „tantum Soerales
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 137
Desgleichen wurden bei den Excepliv-Parlikeln (Anm. 261) nun die logi
schen Bedingungen, unter welchen ein Urtheil excepliv sein kann, sowie
die Erfordernisse der Wahrheit für bejahende und verneinende Urlheile
formulirt 607). Bei der reduplicatio (Anm. 262) unterschied man nun
von der eigentlich reduplicaliven Funclion der einschlägigen Worte (tnquantum,
secundum quod, ut) jenes Auftreten derselben, in welchem sie
„specificative" , d. h. durch einen Rückweis auf den Art- oder Gattungs-
Begriff wirken, und man brachte auch die alietas (vgl. Anm. 260 u. 266)
mit der Reduplicalion in eine Verbindung, hielt aber daran fest, dass in
den reduplicaliven Urtheilen das Prädicat das Entscheidende sei608); auch
unterschied man in Berücksichligung der Stellung der reduplicaliven Par
likel zwischen bejahenden und verneinenden Urtheilen und formulirte die
Regel der Wahrheit für diese Urtheils-Form , welche sich in der Expo
silion derselben von selbst erprobt609).
Wohl der wichligste Theil aber unter diesen Bereicherungen der
byzanlinischen Logik betrifft den Ursprung der Lehre von den „Consequentiae",
über welchen uns hiemit eine etwas nähere Einsicht
est tantum animal", tunc exponenda est sie „Soerales est animat, et nihit aliud a
Soerale est nihit aliud ab animali".
607) Ebend. : Ad proposilionem exceplivam requiruntur quatuor lermini tanquam
quatuor conditiones : Subiectum principale, a quo fiat exceplio, diclio excepliva,
per quam denoletur actas excipiendi, pars excepliva, praedicatum, respectu
cuius fiat exceplio Requiruntur duae condiliones: prima est, quod subiectum sit
lerminus communis cum signo universali sumptus habens plura imposila vel particuioria
sub se ; secunda est, quod subiectum praedicari possit de exceplo et de
omnibus eiusdem speciei in proposilione affirmaliva vera, et quod exceptum sit minus
commune Ad veritalem affirmalivae requiritur, quod praedicatum non insit excepto
et insit omni alii conlento sub subiecto itlo, a quo fit exceplio Si'd ad veritatem
negalivae requiritur e contra, sc. quod praedicatum insit excepto et nulli alii contento
sub subiecto principali.
608) Duns Scotus, Qu. sup. An. pr. I, 35, p. 327 A: Reduplicalio significat
immedialionem praedicali ad subiectum Istae dictiones sunt reduplicalivae „inquantum,
secundum quod, in eo quod" et aliquando haec dietio „ul" et consimites.
Tales dicliones reduplicalivae aliquando accipiuntur specificalive et aliquando
reduplicalive. Quando reduplicalio sumitur specificalive, tunc designat aliquam condilionem
vel aliquem modum vel aliquem sensum, secundum quem propositio est vera,
quae aliter non esset vera Diclio reduplicaliva reduplicalive sumpta, et non
specificalive, designat primo immedialionem praedicali principalis ad iltud, super quod
cadit reduplicalio, et quandoque denolat converlibititalem ; exemptum primi „Homo,
inquantum animat, est corpws" exemptum secundi „Homo, inquantum animat, est
sensibite" Reduplicalio designat alietalem sive diversitalem principalis praedicali
ab itlo, super quod cadit reduplicalio Propositio, in qua reduplicalio additur
praedicato principali, est falsa, supposito quod fiat ex lerminis, qui pro pturibus
rebus supponunt Iltud, super quod cadit reduplicalio, se debet lcnere a parle
praedicali, et non subiecli.
609) Raim. Lullus a. a. O. f. 4 v. B : Reduplicaliva quandoque quandoque est negaliva negalione praecedente reduplicalionem et evsetrbauffmirmparliinvcai,
pale, aliquando vero est negaliva negalione posita inter reduplicalionem et verbum
priucipale In reduplicaliva proposilione quandoque ponuntur tres lermini
dissimites, quandoque duo simites et unus dissimitis , quandoque sunt omnes tres
simites. Ad veritalem reduplicalivae requiritur veritas unius coputalivae compositae
quandoque ex tribus quandoque ex quatuor proposilionibus calegoricis, in qua pro
posilione copuioliva oporlet, quod remola diclione reduplicaliva praedicetur secundus
lerminus praedictorum trium de primo el lertius universaliler de secundo.
138 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
vergönnt ist. Was nemlich in diesem Zweige später, wie wir sehen wer
den (Abschn. XX, Anm. 161, 279), üblicher Weise an die Fortbildungen
der Summula des Pctrus Hispanus angeknüpft wird, fanden schon Duns
Scotus und Raimundus Lullus in ziemlicher Ausführlichkeit ferlig vor,
und zwar als einen Gegenstand , mit welchem sich bereits Mehrere (s.
Anm. 624) beschäfligt hatten010). Die erste und ursprüngliche Quelle
der Consequentiae dürfen wir allerdings in der arabischen Logik suchen,
denn dort trafen wir schon den Begriff der „consequentia" selbst (vor.
Abschn., Anm. 367 ff. u. bes. Anm. 65), und zwar, was hauptsächlich zu
beachten ist, in einer Verflechtung mit der Topik (ebd. Anm. 372); dazu
kommt, dass bei den Arabern die hypothelischen und disjuncliven Syllo
gismen eine Aufnahme gefunden hatten (ebd. Anm. 48, 219, 269, 326);
und ein drittes Ingrediens liegt darin, dass die Araber an der Argumen
talion überhaupt eine formelle und eine materielle Seite unterschieden
(ebd. Anm. 51 f., 333). Aber diese dreifache Anregung ist offenbar sofort
nur im Dienste der byzanlinischen Logik verstanden worden; denn für
diese konnte man in der consequentia ein verbindendes Mittelglied er
blicken, durch welches von dem hypothelischen Urtheile und von den
Exponibitia, welche man ja mit demselben verknüpfte (Anm. 604), ein
Uebergang zur Topik gewonnen werde611), so dass man nun dieser letz
teren jenes nemliche Gepräge aufdrücken konnte, durch welches das ganze
Gebiet der Terminorum proprielates und was sich daran anschloss, ge
kennzeichnet ist. Ja dass schon von Anfang an die byzanlinische Logik
es war , in welche man jenen Zweig arabischer Doctrin verwob , zeigt
uns am deutlichsten Wilhelm Shyreswood, welcher in der Lehre von den
Syncategoreumata bei Besprechung der Conjunclion „st" bereits einige
Grundzüge der consequentia entwickelte (s. ob. Anm. 83) , wobei uns
sogar schon die Unterscheidung der consequentia simplicüer und der
consequentia ut nunc begegnet (s. Anm. 61 7). Und auf solcher Grund
lage konnten nun sicher mehrere Bearbeiter des byzanlinischen Stoffes,
deren Namen und Thäligkeit sich jetzt unserer Forschung entziehen, in
der Zwischenzeit derarlig fortbauen, dass zu Anfang des 1 4. Jahrh. diese
ganze Gruppe der Logik in einer gewissen Abrundung für den Schul
betrieb ferlig vorlag. Auch Ton und Haltung der Lehre von den consequentiae
und vor Allem die Bezugnahme auf Sophismen zeigen deut
lich, dass man durch dieses neue Element jedenfalls nur die byzanlinische
Summula-Litteratur bereichern wollte.
Der Begriff der consequentia im weitesten Sinne umfasst sowohl die
eigentliche Syllogislik als auch die rhetorische Argumentalion der Topik,
welch letztere als „enthgmematica" bezeichnet wird (vgl. ob. Anm. 193),
610) Wenn uns das Wort „consequenlia" — abgesehen von den Arabern —
zum ersten Male bei Albertus Magnus (Anm. 470) begegnete, so nehmen wir ja eben
ongefahr jenes Jahrzehnt, in welches die letzlen Lebensjahre und Schriflen des
Albert und des Thomas fallen, für die Entslehung dieser Lehre in Anspruch. Vgl.
auch Abschn. XIX, Anm. 21.
611) Ja dass es Manche gab, welche sogar meinlen, in der aristatelischen
Definilion des Syllogismus seien auch die Exponibitia milinbegritfen, s. Abschn.
XIX, Anm. 194.
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 139
und während dann eben diese als consequetUia im engeren Sinne Gegen
stand jener weiteren Eintheilung und Erörterung ist, welche wir sogleich
kennen lernen werden 612), bleibt es immerhin daneben noch vorbehalten,
dass man bei consequentia auch an die aristotelischen Syllogismen zu
denken habe, wie wir diess alsbald hier (Anm. 624) und auch bei an
deren Formalionen (Abschn. XIX, Anm. 194, u. Abschn. XX, Anm. 283)
sehen werden; ja sogar die Begriffe antecedens und consequens, welche
hauptsächlich der Doctrin der specielleren consequentia angehören, werden
auch wieder in dem weiteren Sinne gebraucht, dass man darunter Prä
missen und Schlusssatz versteht613). Das Wesen nemlich der consequentia
im engeren Sinne wird vor Allem in die hypothelische Satzform gelegt,
insoferne ein antecedens und ein consequens mittelst einer Condilionaloder
Causal - Conjunclion derarlig verbunden sind , dass , wenn ersteres
wahr ist, letzteres unmöglich unwahr sein kann , und dieses Verhältniss
conslituirt zugleich den Begriff der bona consequentia^1*). Wenn aber
somit hier die hypothelischen Syllogismen, welche bisher in der lateini
schen Tradilion der byzanlinischen Logik stets gefehlt hatten (s. Anm. 54,
122, 190), plötzlich eine Rolle zu spielen beginnen, so wäre allerdings
denkbar, dass etwa nun ein vollständigerer Text des Psellus (s. Abschn.
XV, Anm. 55) zu Grunde gelegt worden sei ; hingegen weit wahrschein
licher dürfte es sein, dass, wie bemerkt, arabische Doctrin den ersten
Anlass gab, denn man verband mit dem Hereinziehen der hypothelischen
Schlussformen auch jene anderen beiden erwähnten Momente, welche auf
Arabisches zurückweisen.
Nemlich diese consequentia im engeren Sinne wird nun in eine
formalis und eine materialis eingetheilt ; die erstere erstreckt sich auf
alle in den verbundenen Urtheilen enthaltenen Begriffe, vorausgesetzt dass
die Form und Anordnung derselben sich gleich bleibt und auch sämmiliche
Syncategoreumata , sowie die Modalität, die Qualität, die Quanlität
der Urtheile berücksichligt werden615); sie selbst kann wieder entweder
612) Duns Scolus, Qu. sup. Anal. pr. I, 20, p. 302 B: Quaedam est consequentia
enthgmemalica, et quaedam sgllogistica. Consequentiarum enthgmemalicarum quaedam
sunt formales, quaedam maleriales; malerialium quaedam sunt simplices, quaedam
ut mmi'.
613) Raim. Lultus, Dialect. introd. f. 7 v. A: Argumentalio cst lotalis oralio ex
praemissis el conctusione sive ex antecedenle et consequenle composita. Aehnlich
llialect. s. nov. log. p. 154: Argumentum est sermonum aggregalio, ex quibus alii
sermones sequuntur, oralio ex anlecedente et consequenle composita.
614) Duns Scolus a. a. O. 10, p. 287 B: Consequenlia est proposilio hgpolhelica
composita ex anlecedenle et consequenle medianle coniunctione condilionali vel
ralionali, quae denolat, quod impossibite est ipsis, sc. nntecedenle et consequenle,
s,mul formalis, quod anlecedens sil verum et consequens falsum. Et tunc, si ita est,
sicul ista coniunclio denolat, consequenlia est bona, el si non, tunc consequenlia non
valet. Raim. Lultus a. a. O.: Anlecedens est id, quod ponit in necessitale id , quod
per ipsum sequitur; consequens est, quod necessitalem anle se oslendit. Hiezu
Anm. 623 u. Abschn. XIX, Anm. 331.
615) Duns Scolus a.a.O.: Consequenlia sie dividitur: quaedam est materialis, quae
dam formalis. Consequenlia formalis est itio, quae lenet in omnibus lerminis stantc consimiti
dispositione et forma lerminorum; et vocantur lermini in proposito subiecta et pracdicata
proposilionum vel parles subiecli et praedicali. Sed ad formam consequenliae
pertinent omnia sgncalegoreumata posita in consequentia, ut coniuncliones, signa unt
140 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
einen hypothelischen oder einen kategorischen Vordersatz haben , und im
letzteren Falle besteht die consequentia in einer Umkehrung oder in
Aequipollenz 616) , so dass hiemit einerseits der Begriff der logischen
Folgerung eine ziemlich weite Fassung erhält, und andrerseits uns eine
allererste Spur desjenigen Verfahrens begegnet, mit welchem man noch
später die Umkehrung u. dgl. als erste unvollkommnere Stufe der Syllogislik
einreihte. Die materialis consequentia hingegen kann nur durch
eine mit den Begriffen vorgenommene Veränderung erschlossen werden,
und zwar ist sie entweder bona simpliciter oder nur bona ut nunc,
d. h. wenn sie sich durch die Hinzunahme eines Nothwendigkeits-
Urtheiles ergibt, ist sie bona simplicüer, was je nach den verschie
denen loci dialectici der Topik in sehr manigfacher Weise der Fall sein
kann017), daher hier Veranlassung dazu gegeben war, dass man sogar
die gesauimte consequentia überhaupt von der Topik abhängig machte618);
hingegen bona ul nunc ist sie , wenn sie mittelst eines Urtheiles ge
stützt wird, welches nur einen zufälligen Thatbestand ausspricht819).
Uebrigens erscheint diese Eintheilung und Unter-Eintheiluiig der logischen
Folgerung an einer anderen Stelle etwas modificirt, indem dort formalis,
simplex, materialis, ul nunc als vier unter sich coordinirte Arten be
zeichnet werden 820).
versalia, particuioria, negaliones et huiusmodi. Secundo ad formam consequentiae
pertinet copuio propositionis , et ideo non est eadem forma consequentiae ex propositionibus,
quarum copuio est de inesse el quarum copuio est de modo. Tertio ad
formam perlinet mullitudo praemissarum, affirmalio et negalio proposilionum et
huiusmodi, et ideo non est eadem forma arguendi ex affirmalivis el negalivis, el
ita de aliis.
616) Ebend. : Consequenlia formalis subdividitur, quia quaedam est, cuius antecedens
est una propositio calegorica, ut conversio, aequipollenlia et huiusmodi; alia
est, cuius anlecedens est propositio hgpothelica; et quitibet istorum modorum polest
subdividi in ptures alius modo*.
617) Ebend.: Consequenlia malerialis est itio, quae non lenet in omnibus lerminis
relenta consimiti dispositione et forma ita, quod non fial ronnl,u nisi lerminorum.
Et talis est duplex, quia quaedam est vera simpliciter, et alia est vera ut
nunc. Consequenlia vera simpliciter est iUa, quae polest reduci ad formalem per
assumplionem unius proposilionis necessariae; el sie est ista consequentia malerialis
bona simpliciter „Homo currit, igitur animal currit", el reduritur ad formalem per
«slam necessariam „Omnis homo est animal". Kl ista subdividitur in multa membra
secundum diversitalem locorum dialeclicorum. Ein Beispiel einer solchen topischen
Unterart ist 0u. in Praedicam. 13, p. 146 A: Consequentia lenel per hanc reguiom:
Nihit inest alicui supponcnti disiunctive pro mullis, nisi alicui itlorum indelerminale
sumpto insit, und ebend. p. 147 B: lenel per hanc reguiom: Quod inest alicui stanti
disiunctii'e pro mullis, inest alicui illorum indelerminale, was übrigens bis auf Shyreswood
zurückweist, s. ob. Anm. 83 u. 87.
618) Raim. Lultus, Dial. introd. f. 8 r. B: Loats est progressus ab uno complexo
ad allerum vel ad se ipsum sub alia condilione sumptum Ex locis tamen
modo educuntur consequentiae affirmalivae, modo negalivae, modo utraeque diversis
modis. llic/u Anm. 623.
619) Duns Scolus, Qu. sup. Anat. pr. I, 10, p. 288 A: Consequentia materialis
bona ut nunc est ilio, quae polest reduci ad formalem prr assumplionem alicuius
propositionis contingentis verae. Et sie posito, quod Soerales est Mus, itio conse
quenlia est bona ut nunc ,.Soerates currit, igitur album currit", quia reducitur ad
formalem per istam contingentem „Soerales esl albus".
620) Ders. 0n. i« Phgs. I, 2, (Vol. H) p. 5 A: Quadruplex est consequentia.
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 141
Aber auch einzelne Regeln der consequentia im Slile des Petrus
Hispanus wurden formulirt, nemlich: dass aus dem Gegentheile des Nach
satzes das Gegentheil des Vordersatzes folgt; dass aus jedem formell
widerspruchsvollen Satze jede mögliche Behauptung folgt; dass aus einem
unmöglichen Urtheile materiell jeder beliebige Satz folgt; dass aus jedem
beliebigen Satze ein Nothwendigkeits-Urtheil folgt: dass aus jedem falschen
Urtheile wenigstens ut nunc jedes beliebige Urtheil folgt, und ebenso
jedes wahre Ürtheil jeden beliebigen Vordersatz haben kann621), welch
letztere drei Regeln anderwärts wieder mit kleinen Abänderungen auf
treten622), — sämmtlich Dinge, welche an Blödsinn des Formalismus
Anderem, was die byzanlinische Logik darbietet, wenigstens nicht nach
stehen. Andrerseits fmden wir, — gleichfalls zum Beweise, dass die
ganze Lehre gleichzeilig von Mehreren bearbeitet wurde —, dass man
neben Wiederholung einiger dieser Regeln auch noch die sog. regula de
quocunque auf das Verhältniss des Vorder- und Nach-Satzes anwendete
und auch die Subalternalion der Begriffe zur consequentia rechnete und
sogar noch die specifische Differenz beizog, dass man die Qualität und
Modalität der Urtheile zu eigenen Regeln der Abfolge verwerthete, sowie
insbesondere, dass man sich auf die Topik warf, indem man aus der
selben die Begriffe der Definilion, Beschreibung, Interpretalion, des Ganzen
und des Theiles, der Ursache und der Wirkung, des Aehnlichen, des
Grösseren und Kleineren u. dgl. aufnahm623). Ausserdem noch erfahren
Quaedam formalis, quae lenel in omnibus leniinis stante consimiti formt proposilionis
et lerminorum Secunda est consequentia simplex, quae lenel virtule
inctusionis lerminorum in significando, ul „homo est, ergo animal es?'
Terlia vocatur malerialis, quae lenel virtule alicuius proposilionis necessario
intellectae Quarta est consequentia ul nunc, quae lenel virtule medii conlingentis.
621) Ders. Qu. sup. Anal. pr. I, 10, p. 288 A : In omni bona consequenlia ad
oppositum contradictorium consequenlis sequitur oppositum eontradielorium antecedentis
Quando ad antecedens sequitur consequens, oppositum consequentis
repugnal antecedenli Ad quamlibet proposilionem implicantem contradictionem de
forma sequitur quaelibet alia propositio in consequentia formali, v. gr. ad istam
„Soerales est et Soerales non est" sequitur „Sacutus stal in anju/o" (p. 288 B)
i!(f quamlibet proposilionem impossibilem sequitur quaelibet alia propositio, non con
sequenlia formali, sed bona consequenlia maleriali simpliciter, ul sequitur
„Homo est asinus, igitur tu es Romae" Ad quamlibet propositionem sequitur
proposilio necessaria bona consequenlia simplici Ad quamlibet propositionem
falsam sequitur quaelibct alia propositio in consequenlia bona maleriali ul nunc
f,nu,is propositio vera scquitur ad quameunque aliam proposilionem in bona conse
quentia maleriali ut nunc. ,
622) Ebend. II, 3, p. 334 B : Sequitur itio reguio, quod necessarium sequitur
ad quodlibet, quia quaelibel propositio sequitur ad impossibite, igitur ad cuiusiibel
propositionis oppositum sequitur opposita impossibilis, quae est necessaria Quod
libet verum sequitur ad quamlibel propositionem ; si itlud verum sit necessarium,
lunc est consequentia simplex; sed si sit conlingens, tunc est consequentia ul nunc.
Als eine vereinzelte hieher gehörige Noliz ist auch zu betrachten, was Abschn. XIX,
Anm. 21 (Nro. 11) angeführt werden wird.
623) Raim. Lultus, Dial. introd. f. 8 r. B: Ponuntur sequenles reguioe consequenliarum
et locorum: Ex veris non sequitur nisi verum In omni consequenlia
bona formali quinquid sequitur ad consequens, sequitur ad antecedens (v. A)
Omnis consequenlia, cuius antecedens cum opposito contradictorio consequenlis in
142 XVII. Erweiterung der hyzant. Logik.
wir, dass man auch den aristotelischen Syllogismus „61 ix&eactog" mit
dem byzanlinischen Begriffe des terminus discretus und hiedurch mit
der consequentia in Verbindung brachte. Indem man nemlich beim ter
minus discretus, welcher an sich gegen jede Manigfalligkeit spröd ist,
nicht allein um der Trinität willen gewisse Concessionen machte, sondern
auch z. B. an die Fluss-Namen dachte , durch welche das unaufhörlich
verschiedene Wasser durch Ein gleichbleibendes Wort bezeichnet werde,
stritt man darüber, ob Syllogismen , welche aus solchen Begriffen aufge
baut werden, überhaupt zur formalis oder nur zur malerialis consequentia
zu rechnen seien, und gegen die letztere Annahme berief man sich eben
auf jenen sgllogismus exposüorius des Aristoteles und hielt daran fest,
dass derselbe bei richliger Behandlung des materiellen Gehaltes der Be
griffe als formalis consequentia zu betrachten sei B24). Hieraus aber
veritale non concordat, est bona Ex opposito contradictorio consequenlis sequitur
oppositum rontradictorium anlecedenlis A particuiori ad suam indefinitam
est bona consequenlia Ab universali ad suam parlicüiorem, indefinitam et singuiorem
A veritale unius contradictoriae ad fahttnlem allerius A tola
copuioliva ad aller am eins parlem (B) A tola disiuncliva ad alleram eins
partem cum destruclione allerius Ab exctusiva ad suam praeiacentem Ab
exctusiva affirmaliva ad exceplivam negalivam A conversa ad converlenlem
A diffinitione ad diffinitum (vgl. Abschn. XIX, Anm. 150), a deseriplione ad deseriptum,
ab tnlerpretalione ad inlerpretatum A differenlia constituliva speciei ad
speciem A proprietale ad proprium Ab uno sgnongma ad aliud
(f. 9 r. A) De quocunque affirmatur pars subiecliva, de eo affirmatur suum tnt,im
A quocunque removetur lolum, ab eo removetur pars subieetiva .... Negalive a parle
subiectivtt ad suum tolum A tolo inlegrali ad partes, sine quibus esse non
polest.. .... A tolo in modo negalive ad parlem (B) Cuicunque convenit tolum
in loco, et pars in loco Negalive a parlibus in loco ad tolum in loco A
Mo in tempore ad parlem in lempore Ab omnibus partibus in lempere ad totum
in lempore (v. A) A tolo numerali ad parlem Negalive a parle numerali
ad tolum Ab esse causae ad esse effectus A posleriori ad suum prius
Negalive ab aceidenli priori ad posterius .. (B) Si unum contrarium verificatur
de inferiori, eliam reliquum contrarium ; S« unum disparatum affirmatur, reliquum
negatur Si magis non inest, nec minus S« Miuus inest, et magis
De simitibus simite est iudicium (f. 10 r. A) A proposilione affirmaliva de praesenli
de praedicato infinito ad negalivam de praedicalo finito A proposilione
affirmaliva de praesenli de praedicato finito ad negalivam de praedicato infinite
(B) Ab uno reiolivo ad allerum. Nur die erslen dieser Regeln finden sich auch
in Dialect. s. nmi. log. p. 159, woselbst nur noch die Definilion der n0l0 consequenliae
hinzukommt : Nola consequenliae dicitur itio coniunclio, medianle qua proposilio,
quae est anlecedens, et itio, quae est consequens, coniunguntur, ut „igitur,
ergo" et simitia.
624) Duns Scolus, Quaest. sup. Anal. pr. t, 11, p. 289 B: Sgllogismus expositorius
(s. Abschn. IV, Anm. 554) est itle, cuius ihedium est lerminus diseretus.
Sed est nolandum, quod lerminus diseretus (vgl. bei Shyreswood ob. Anm. 61 und
bei Petrus Hispanus Aiim. 229) est triplex. Unus, qui significal unam soiom rem
ita, quod suae significalivni repugnat significare quamlibet diversarum remm sine
nova imposilione vel demonstralione. Alio modo dicitur lerminus diseretus, qui
supponil vel significat unam rem singutarem, cum hoc tamen significal quumlibet
diversarum rerum, quibus itio res singutaris est eadem, v. g. „haec essenlia divina"
Terlio modo dicitur lerminus diseretus, ul istc -lerminus „Sequana", quia
nunc significal aquam, quae nunc est, et postea significabit aquam, quae postea erit,
tamen istae aquae babent vel habuerunt vel habebunt aliquam unionen) ad invicem
propler conlinuam successionem (vgl. Abschn. XIX, Anm. 206) Aliqut
supponunt, quod lerminus primo modo dictus est proprie diseretus, et alii minus
XVII. Erweiterung der byzant. Logik. 143
ersehen wir jedenfalls, dass der damalige Begriff' der consequetilia thatsächlich
eine den eigentlichen Syllogismus umfassende Bedeutung hatte
(s. Anm. 612 f.).
Sind nun alle diese Dinge, welche ich als Erweiterung der byzan
tinischen Logik darzustellen hatte, unzweifelhafte und nachweisbare Vor
arbeiten der Gestaltung , welche die Summula-Litteratur später annahm,
so darf ich zum Schlusse denselben noch ein Glied beizählen , welches
zwar nur in leisen und unscheinbaren Anfängen auftritt , aber eben hiedurch
im Zusammenhalte mit den übrigen gleichzeiligen Erscheinungen
eine grössere geschichtliche Bedeutsamkeit erhält. Es müssen nemlich
auch die später so genannten „Obligatoria" (s. Abschn. XX, Anm. 298)
schon damals in ihren ersten Grundlagen entstanden sein, denn wir
finden unverkennbare Spuren einer sichtlichen Bezugnahme auf eine der
arlige Doctrin. Allerdings würde Jeder, der die spätere Gestaltung der
Obligatoria nicht kennt, völlig unbefangen darüber hinweggehen , wenn
in dem uns zugänglichen Quellen-Materiale einmal auch gewisse Erforder
nisse der „disputalio" aufgezählt werden , nemlich dass beim Dispuliren
das Streben nach Wahrheit obwalten solle, ferner dass die beiden gegne
rischen Behauptungen gleich möglich sein müssen , und dass die Beweis
führung die Formen des Beweises einzuhalten habe625). Aber so un
wichlig und gleichgüllig diese Noliz auch erscheinen mag, so wird doch
die Annahme, dass damals neben dem vielen Anderen auch dieser Punkt
in der üblichen Schul-Litteratur seine besondere Berücksichligung gefunden
habe, dadurch bestärkt, dass wir (— ongefähr zwei Jahrzehnte später —)
einer Formulirung begegnen, welche bereits die später übliche Termino
logie zeigt. Mit den Ausdrücken nemlich, dass in einer Disputalion der
„Opponent" und der „Respondent" wechselseilig in Bezug auf ihre Zu
geständnisse „oUigati" sind, wird jene Schwierigkeit, welche auch in
der späteren Theorie der Obligaloria erscheint, erwähnt, dass die bei
den Dispulirenden eigentlich im nemlichen Augenblicke Behauptung und
Acceptalion aussprechen sollten , diess aber thatsächlich nicht möglich
proprie. Tunc dicunt, quod sgllogismi facli ex lerminis diserelis primo modo sint
sgllogismi boni gralia formae ; sed si fiant ex aliis terminis, non vere Contra
istud arguitur, quia tunc sequeretur, quod sgllogismus expositorius non esset consequenlia
formalis. Consequens est fahum, quia per sgllogismum expositorium
probatur conversio universalis negalivae, secundo , quia per ipsum probantur
sgllogismi lertiae figurae, qui sunt consequenliae formales Sgllogismus expositorius
non tenet graliu disposilionis vel formae proposilionum et lerminorum, sed
praecise gralia lerminorum, quj sie vel sie significant, et hoc est lenere gralia maleriae
l'leo dicendum est aliler, quod »gllogismus expositorius lenet gralia
formae in omnibus lerminis, dum tamen praemissae regulentur debite per „dici de
omni" vel „dici de nullo", ita quod lerminus diseretus distribuatur mediantibus istis
dictionibus „quod est", ut ista „Soerales eurril" debet resolvi in istam „Omne quod
esl Soerales, eurrit", et tunc »gllogismus expositorius est consequenlia formalis.
625) Raim. Lultus, Dialect. s. nov. log. p. 161 : Dtsputalio est contrarietas
spiritualis, quae per verbum manifestat conceplionem , quam habet unus inlellectus
contra alium Disputans primo debel habere inlentionem cognoscendi et amandi
veritalem Secundo, quod supponatur in principio, quod utraque pars quaeslionis
sit possibilis Terlio quod arguens probet vel improbel per aliquam speciem probationis
Quarto, quod inler disputantes sit communis amicilia.
144 XVII. Erweiterung der byzant. Logik.
sei 626). Und konnte nun dieser vereinzelte Punkt in solcher Weise
gelegentlich angeführt werden, so dürfen wir wohl schliesseii, dass
wenigstens zu Anfang des 14. Jahrhunderts die Grundzüge der nach
maligen Obligatoria im Ganzen bereits zum Sehulbetriebe der Summula-
Litteratur gehörten.
626) Burteigh, sup. arlem velerem (s. Abschn. XIX, Anm. 574), f. 59 r. A :
In disputalione oppmens si proponat istam „deus sst", respondens habet istam concedere,
si non obligetur ad oppositum ; scd non concedit istam, quando profertur,
quia sie opponens el respondens simul habent loqui, quod non est verum, et quando
non profertur, tunc non est; ergo habet concedere itiom, quando non est, et non
habet concedere non obligatus nisi verum; ergo haec est vera, quando non est u. s. w.
S. Abschn. XX, Anm. 401.
XVIII. ABSCHNITT.
RAIMUNDUS LULLUS.
Wohl Niemand wird an der kleinen chronologischen Abweichung
ernstlich Anstoss nehmen , welche äusserlich darin liegt , dass ich über
Raimundus Lullus (geb. 1234, gest. 1315) in einem beson
deren Abschnitte schon hier, d. h. noch vor jenen litterarischen Er
scheinungen handle , welche am Anfange des folgenden Abschnittes zur
Sprache kommen werden; denn strenge nach dem Faden der Chrono
logie hätte ich den Lullus erst nach Duns Scotus vornehmen dürfen.
Jedoch einerseits handelt es sich bei diesem Verstosse kaum um ein
Jahrzehent, da jene Dinge, welche ich später vorführen werde, un
gefähr zwischen 1277 und 1308 liegen, während die schriftstellerische
Thäligkeit des Lullus im Ganzen in die Jahre zwischen 1285 und
1314 fällt. Und andrerseits, — was das Wichligere ist — , lag mir
für die Reihenfolge, welche ich einschlage, das Entscheidende in dem
Umstande , dass Lullus in den Schriften , welchen er seinen zwei
felhaften Ruhm verdankt , sowohl dem damals allgemein recipirten
Quellenkreise völlig fern steht, als auch in seinem vereinzelten und
vereinsamten Auftreten nicht den geringsten Einfluss auf die manigfalligen
Controversen , welche seit Anfang des 14. Jahrhunderts die
Zeit bewegten , ausüben konnte. Sowie ich demnach den Lullus weder
dem vorigen Abschnitte beifügen konnte, noch auch durch ihn im
folgenden Abschnitte eine ganz unorganische Unterbrechung eines allmäligen
Ganges der Controversen hervorrufen durfte, so möge hiemit
der Mann auch hier für uns ebenso isolirt dastehen, wie er thatsächlieh
es war.
Eine andere Frage wäre allerdings, ob denn Raimundus Lullus wirk
lich in einer Geschichte der Logik seine Stelle finden durfte. Und in der
That liegt in der Aufnahme desselben nur ein Zugeständniss, welches ich
den Erwartungen des Lesers mache; denn Logik ist die Ars magna
wahrlich nicht. Ich bin nemlich nicht berechligt, irgend einen Gegen
stand etwa durch den Machtspruch , dass derselbe lediglich „dummes
Zeug" sei oder dgl., gleichsam zu escamoliren , sondern ich habe die
leidige Pflicht , auch den Unsinn , welcher im Laufe der Geschichte auf
tauchte, darzustellen; und die Erfüllung dieser Pflicht zu erwarten, hat
«ler Leser ein Recht. Vielleicht kann ich hiemit die Mitwelt (oder etwa
auch die Nachwelt) der Mühe überheben, in dem üppig wuchernden Wust
des Lullus zu blättern.
PRANTL, Gesch. 1II. 10
146 XVIII. Raimundus Lullus.
Was die zahlreichen hieher gehörigen Schriften des Lullus, welche
wahrscheinlich nicht sämmtlich ächt sind , betrifft 1) , so müssen wir die
selben vor Allem nach gewissen Gruppen unterscheiden, welche sodann
auch für unsere Darstellung maassgehend sind. Nemlich zunächst ist es
das Gebiet der gewöhnlichen Schul- Logik, welches Lullus zwar miss
achtete, aber doch bearbeitete; dahin gehören die unter dem ungeschickten
Titel „Logicalia parva" gedruckten Dialecticae introductiones 2) und
Dialectica seu logica nova 3) , sowie De venatione medii 4) und De demonstratione
per aequiparantiam 5) ; auch kann beigezogen werden De
prima et secunda intentione 6) und um der Universalien und Kategorien
willen Liber Chaos1). Manches andere, z. B. ein Auszug der Logik
1) Von der Gesammtausgabc der Werku des Lultus, welche Salzinger (er
nennt sich erst in der Vorrede zum 6. Bande als Herausgeber) in zehn Bänden
besorgte oder vielmehr besorgen wollle (Beali Ragmundi Lulli opera omnia. Mogunt.
1721—42. fol.), finden sich der 7. und 8. Band in keiner einzigen Bibliolhek,
und die Vermuthnng ist höchst begründet, dass diese beiden Bände überhaupt nie
gedruckt wurden (wahrscheinlich in Folge einer Opposilion der Jesuiten, s. Ad.
Hi'llfi'rich, Raymnml Lull n. d. Anfänge d. catalonischen Literatur. Berl. 1858.
S. 72 f. u. 161 f.). Ergänzend kommen uns einige ällere Einzeln -Drucke und
ausserdem Dasjenige zu Hitfe, was der Strassburger Buchhändler Zetzuer unler
dem Titel Ragmundi Lullii Opera ea, quae ad adinventam ab ipso arlem universalem
scientiarum arth,mque omnium pertincul etc. Anjent. 1609. 8. veröffentlichte.
Jedoch hat sich mir immer wieder das gewichlige Bedenken aufgedrängt, ob denn
wirklich Alles, was unter dem Namen des Lultus gedruckt oder ungedruckt vorliegt,
aus der Feder desselben geflossen sei, und ich kam zu der Ansicht, dass hier die
litterarische Krilik erst noch von vorne beginnen müsse (s. z. B. Anm. 15 n. bes.
74 f.), während ich selbst für den hiesigen Zweck mich auf den Hauplinhalt, sowelt
derselbe als ächt gelten muss, beschränken durfle. Falls aber Jemand Lust hätle,
den begabten Querkopf Lultus zum Gegenstande eiuer umfassenden Monographie
zu machen, müsste vor Allem jene Forderung der Krilik erfüllt werden. Uebrigens
würde zu einer wahrhaften Gesammtausgabe , welche einem solchen Unternehmen
erst noch vorhergehen müsste, das vollständigste Material nur in der Münchner
Staatsbibliolhek zu finden sein, welche in Folge der phitosophischen Liebhaberei
eines pfalzbaierischen Herzoges eine staunenswerthe Menge ioteinischer und catalonischer
(s. Anm. 23) Schriflen des Lultus handschriftlich besitzt. Nach den dort
vorhandenen Aufzeichnungen dürfte die Mainzer Seminar-Bibliolhek nur Weniges zur
Ergänzung darhieten.
2) Das in Alcaio (in Acad. Comptulensi per A. G. Brocarium) l. J. 1518. 4. ge
druckte Buch trägt das Titelbiott „I.og,calia parva illuminali doctoris Ragmundi
l.ullii", aber die ersle Seile beginnt mit der Ueberschrift : „Dgaleclice introductiones
Illuminali doctoris et martgris Ragmundi Lulli". Die Aufschrift am Tilelbiotte ist
Unsinn, denn einerseits exislirte zur Zeit des Lultus der Ausdruck „Parva logicalia"
noch gar nicht, und andrerseits bedeutele derselbe, als er üblich wurde, etwas
ganz Anderes. Im 16. Jahrh. kam allerdings die Kenntniss dieser Dinge abhanden.
3) Ohne Tilelbiott anfangend: „lleus cum tua summa perfectione. Incipit logica
brevis nova". S. 1. e. a. (wahrscheinlich Veneliis 1480). 4. Sodann Dialectica seu
logica nova venerabitis eremitae Ragmundi Lullii per M. Bern. Lavinhetam. Paris.
1516. 4. Hernach bei Zetzuer p. 147—161.
4) Bei Lavinheta (vor. Anm.) und bei Zetzuer p. 162— 165.
5) Bei Salzinger in Vol. IV. Salzinger's Ausgabe hat das Eigentümliche, dass
in allen Bänden derselben (— gewiss nicht ohne Absicht — ) slets jede auch noch
so kurze Schrift eigens für sich paginirt und somit die Reihenfolge der Zusammen
steltung nur durch die Hanpt-Tilelblätler der Bände festgestellt ist.
6) Ebend. in Vol. VI.
7) Ebend. in Vol. III.
XVIII. Raimundus Lullus. 147
Algazeü's (vgl. Anm. 24), ist noch ungedruckt8). Sodann aber konnte
ja Lullus bekanntlichst sich rühmen , selbstständig eine neue Technik er
funden zu haben, welche gemeimglich als Ars magna bezeichnet wird;
die grosse Masse der Schriften jedoch, welche sich auf dieselbe beziehen,
ist folgendermaassen zu gruppiren: Vorerst ist es die Technik selbst,
welche mehr oder weniger ausführlich, sei es ganz oder theilweise, dar
gelegt wird in: Ars magna et ultima9), Ars brevis 10), De audüu cabbalistico
ll), Tabula generalis 12), Brevis practica labulae generalis und
Lectura compendiosa tabulae generalis 13), De conversione subiecti et
praedicali 14), Introductio magnae arlis generalis 15). Sodann aber
wird auch speciell die praklische Anwendung dieser Technik gelehrt in:
Ars inventiva veritalis seu intellectiva veri und Lectura super artem
inventivam et tabulam generalem l6). Aber die auf die einzelnen Wissen
schaften, und vor Allem auf die Theologie, bereits angewendete Technik,
d. h. somit die schliessliche reale Durchführung derselben, welche Lullus
beabsichligte , erscheint in : Ars demonstrativa, Introductoria arlis demonstrativae
, Lectura super figuras arlis demonstralivae , Compendium
arlis demonstrativae, Ars inveniendi parlicularia in universalibus,
Propositiones secundum artem. demonstratwam11), Ars compendiosa
inveniendi veritatem seu ars magna et maior, Ars universalis seu
lectura artis compendiosae 18), Libellus correlativorum innatorum19),
8) Nemlich: Compendium logicae Algazeli (s. Salzinger, Vol. I, 1'alnl. libr.
p. 9 B), wie aus Cod. tat. Man. 10538, f. 103— 126, sich zeigt, nur eine excerpirende
Uebersetzung des arabischen Originales; ferner De quinque praedicabitibus et
decem praedicamentis (p. 27 B), De loco minori ad maiorem (p. 15 B), gleichfalls
beide in München handschriftlich vorhanden ; hiezu noch De significalionibus (s.
ebd. p. 26, vielleicht beruhle auch diese Schrift auf Algazeli, s. Abschn. XVI,
Anm. 244).
9) Gedruckt ohne Titelbiott : Deus cum tua summa perfectione. Incipit ars ge
neralis ullima. Veneliis per magistrum Johannem Cordubensem. 1480. 4. Dann Iltuminali
saerae paginae professoris Ragmundi Lulli ars magna generalis et ullima etc.
per magistrum Bern, io Vinheta. Lugd. 1517. 4. Ferner bei Zelzuerp.218—663.
10) Approbalio arlis ittuminali doctoris magistri Ragm. Lulli una cum arle brevi.
Romae 1513. 8. Ars brevis M. doct. B. L. per Bern, de Lavinheta. Lugd. 1514. 8.
Bei Zetzuer p. 1—42.
11) Bei Zetzuer p. 43 — 110. Dass aber Titet, Einleitung und einzelne Stellen
dieser Schrift krilische Bedenken erregen, s. unlen Anm. 74 ff.
12) Bei Salzinger in Vol. V. (auch in der unlen, Anm. 16, anzuführenden
Ausgabe).
13) Beide bei Salzinger ebend.
14) In Lavinbcta's Ausgabe der Dialeclica (ob. Anm. 3), und bei Zetzuer
p. 166—177.
15) Gedruckt s. f. (wahrscheinlich in Lyon) 1515. 4. Jedoch diese Schrift
muss ich wegen der späteren Zusätze, welche sie enthält, entschieden als unächt
bezeichnen ; im Uebrigen ist sie nur ein karger Auszug der Ars magna et ullima,
und es lohnt sich auch darum keiner weiteren Berücksichligung.
16) Beide in Divi Ragmundi Lulli doctoris ittuminali Ars invenliva veritalis,
Tabuta generalis, Commentum in easdem ipsius Ragmundi (hrsggben von Alphonsus
a Proaza), Valentiae apud Didacum de Gumiet, 1515. fol., sowie bei Salzinger
in Vol. V.
17) Sämmtlich bei Salzinger in Vol. III.
18) Beide ebend. in Vol. I.
19) Gedruckt bei der sogleich, Anm. 22, anzuführenden Logica nova.
10*
148 XVIII. Raimundus Lullus.
Arbor scientiae'*0). Auch aus dem Gesammt-Umkreise der vielgestalligen
Ars magna ist Vieles noch ungedruckt21). Ferner ein Mittelding zwi
schen der eigenen Ars des Lullus und demjenigen, was man gewöhnlich
Logik nannte und noch nennt , bietet er als „neue Logik" an . wie wir
aus der Darstellung seiner Schrift De nova logica-^} ersehen werden.
Endlich aher war Lullus (— abgesehen von der Schule Notker's in
St. Gallen, s. Abschn. XIII, Aum. 244 ff. —) zu seiner Zeit der erste
Autor, welcher die Philosophie und auch die Logik von der Schulsprache
des Mittelalters zu emancipiren versuchte, indem er Vieles (zuweilen neben
einer lateinischen Bearbeitung des gleichen Gegenstandes) in seiner Mutter
sprache , d. h. im catalonischen Dialekte , und zwar häufig in gereimten
Versen, schrieb. Hievon gehört hieher eine Episode über Logik, welche
sich an die so eben erwähnte Nova logica anschliesst23), und eine ge
reimte Bearbeitung der Logik Algazeli's 24).
Wenden wir uns hiemit behufs unserer Darstellung25) zuerst zu
dem Gebiete der gewöhnlichen Schul -Logik, so müssen wir vor Allem
beachten , dass Lullus sehr gering über dieselbe denkt. Denn schon die
aus Avicenna entnommene Bemerkung, dass es auch eine unmittelbare und
natürliche Logik gehe26), erhält bei ihm den Sinn, dass die technische
20) Häutig gedruckt; bei Snlzinger nicht.
21) Sämmtliches aber ist in München oder in Mainz handschriftlich vorhanden;
nemlich: Ars inlellectiva (s. Salzinger, Catut. p. 21 B), Ars compendiosa scu Vademecum
(ebend., — jedoch schwerlich ächt —), Ars generalis ad omnes scienlias
(ebend. p. 7 B), Applicalio aetis generalis ad varias scientias (p. 6 B), De experienlia
realitalis arlis generalis (p. 13 A), Invesligalio generalium mixtionum (ebd.), Regutae
irttroducturiae ad practicam artis demonstralivae (p. 19 A), De modo applicandi novam
logicam ad ins el medicinam (p. 16 A), De venalione substantiae et accidentis (p. 20 A),
De sgllogismis contradictionis (p. 19 B; aus Cod. iot. Man. 10588, f. 149—171, geht
hervor, dass diese Schrift nicht logischen Inhalles ist, sondern Beweise und Gegen
beweise aus dem Gebiele der Theologie erörtert), De affirmalione el negalione (ebd.
p. 6 A, s. unlen Aum. 109).
22) Ragmundi Lullii Doctoris itlminali de nova logica etc. (der Herausgeber
ist wieder Alphons a Proaza, vgl. Anm. 16), Valentiae ap. Georgium Costitta. 1512. 4.
23) Ueber die catalonischen Handschriften von Werken des Lultus in der
Münchner BiMiuthek s. Cutalogus codd. mserplt. bibt. reg. Monac. VII, p. 65 f., 88 ff.,
288. Die Linguislik könnle hier bei schwierigeren Worlformen durch die be
treffenden ioteinischen Bearbeitungen die trefflichsle Nachhitfe fmden (so findet sich
z. B. im Cod. hisp. 56 ein catalonischer Text der eben erwähnten Nova logica).
In der inleressanten neuen Publicalion „Obras rimadas de Rammt Lull por Gerönimo
Rosseltö. Palma 1859. 4", welche aus Balearischen Handschriften geschöpft
ist, fmden wir eine gereimte catalonische Darsteltung der „Aplicaciö de Part general"
(p. 384 ff.), woselbst speciell die Logik (p. 400 ff.) behandelt ist. Näheres unlen
Anm. 171 ff.
24) Cod. /öl. Jfonac. 10538, f. 127—138 , zeigt sich als Versification eines
abermaligen Excerples aus obigem (Anm. 8) Compendium log. Algazelis. Ich witl
daraus nur die Anfangs-Zeiten mittheiten, welche beurkunden, dass Lultus auch
Diejenigen zur Logik und Phitosophie führen witl , welche weder Lateinisch noch
Arabisch verslehen ; sie iouten : De logica tractam breument, Loqual es compendi
novell En man enteniment apelt, Quo transiot de tali en romans, Eu rimes, en mols
qui son pions, Per tat que hom pusca mostrar Logica e phitosofar A cells qui non
sahen ioli JVi arabich etc. etc.
25) Jene Schriften, welche ihren Abdruck bei Zetzuer oder bei Salzinger ge
funden haben, cilire ich nach eben diesen Ausgaben.
26) Introd. art. demonstr. p. 2 B : Aliqui per habitum aequisitum baoent seien
XVIII. Raimundus Lullus. 149
Logik, welche an „ttermo" gebunden sei (vgl. Vincenz v. Beauvais , vor.
Abschn., Anm. 295), eben nur diese logische „intentio" der Dinge er
fassen könne, während die Ars magna unmittelbar die natürliche Realität
und deren praklische Verwirklichung zum Gegenstande habe und daher
an Fülle des Wahrheits-Gehaltcs weit über der Logik stehe27). Kurz es
ist die tradilionell gewordene Auffassung der secunda intentio 28), welche
jedoch hier, — ein Zerrbild arabischer Doctrinen —, zur Geringschätzung
der Logik führt, denn nur die intentio prima soll der wahren Werkthäligkeit
des Intellectus, d. h. dem Gebiete der Tugend, angehören und
sonach allein wahre Causalität sein und höchsten Werth besitzen 29). Ja
selbst in eigentlich logischer Beziehung erblickt Lullus in sehr ähnlicher
Weise wie Roger Baco (vor. Abschn., Anm. 571 ff.) die prima intentio
nur in dem Erfassen des Individuellen und Parlicularen , während alles
Generelle in Auffassung und Sprachschatz auf blosser Gemeinsamkeit
(commune) beruhe und so zur intentio secunda gehöre 30). Mag daher
immerhin Lullus sagen , das Denken sei in Grammalik , Logik und Geo
metrie acliv, hingegen in den übrigen Wissenschaften passiv, und als
Drittes komme die Tugendübung hinzu31), so hat er bei jener Activität
liam arguendi, alii habent, quod naturaliler anjuant, nam et rustici quandoque
subliliter arguunt. S. Abschn. XVI, Anm. 80. Vgl. Roger Baco , vor. Abschn.,
Anm. 563 f.
"27) Urev. pract. tab. gener, p. 24 A: Cum veritas sit unum de principiis huius
artis, et logica consideret rerum in sermone, polest fieri applicalio ad specialia
principia logicae et speciales reguios in logica applicatas ; logicus enim polest considerare
logicalem bonitalem secundum definitionem generalis bonilalit, etc
(B) Quaeritur, utrum ltaec scicntia et logica habeant idem subiectum; el dicimas,
quod non Per istam scientiam naturalis consideral agere naturale reale bonum,
sed logicus intenlionale, et per hanc scientiam inlellectus atlingit ptus de veritate,
quam logicus. Die gleiche Bevorzugung des Praklischen ebenfalls bei Roger
Baco, Anm. 561.
28) Ars magna et ult. p. 243 : Logica est de secundis inlenlionibus iunclis
primis. Ebenso ebend. p. 538. Hiezu Anm. 142.
29) De prima et sec. inlent. p. 2 A : Inlentio dividitur in duos modos, sc. ro
primam et sccundam; prima est melior el nobitior quam secunda, quia est magis
ulilis el magis necessaria, el prima est principium secundae, el secunda movetur per
primam (B) Intellectus, quem hohes, est per secundam intcntionem, el operalio
intellectus, sc. intelligere, est per primam; nam operalio virtulis est melior quam
nrtus, cum virtus sit ad hoc, ul sit operalio. Diese ethische Auffassung (vgl.
Abscha. XVI, Anm. 13 u. 242) wird auch durch folgendes Gleichniss ausgedrückt
(ebend.): Si tu facis seribi quendam librum ab aliquo seriba, tu habes primam inlentionem
in faciendo libro et habes secundam ad dandum denarios itli seribae, et
seriba facit contrarium buiv.s, quia ipse magis amal denarios, quos itli solvisti pro
suo iobore, quam librum. Vgl. Ars demonstr. p. 43 A. Ars campend, inv. verit.
p. 11 B.
30) Dialect. Introd. f. l v. A : Intenlio est simititudo in anima alicuius vel aliquorum
naturaliter repraesentaliva; est aulem duplex, sc. prima et secunda. Prima
est simititudo particutaris vel singutari* in anima correspondens lermino primae impositionis
Secunda est simititudo in anima correspondens lermino secundae imposilionis
vel primae in communi sumptae. Unde simititudines seu conceptus generales
sunt secundae inlenliones, et particuiores seu singuiores sunt primae; ad modum
rerum realium, in quibus genera et species sunt per secundam inlentionem et sua
particuioria per primam.
31) Ars magna el ult. p. 242: Habelintellectus aclionem et passionem, et habet
actionem in grammalica, logica el geometria, el passionem in scienliis posilivis, et
habel bonitales per morales virtules.
150 XVIII. Raimundus Lullus.
der Logik dennoch nur seine Ars magna im Sinne; denn nur diese gilt
ihm als bleibend und beständig, während die Logik unbeständig und
schwankend (inslabilis, labilis) sei und kein wahres Gesetz auffinden
könne , wozu auch noch die grosse Schwierigkeit der Logik komme , da
man in der Ars magna in Einem Monate mehr profiliren könne , als in
der Logik in einem Jahre 32).
Insoferne aber Lullus dennoch dieses von ihm gering geachtete Ge
biet bearbeitete, zeigt sich, dass er dabei durchgängig der Tradilion der
byzanlinischen Logik folgte33), — ein Umstand, durch welchen er uns
ja schon am Schlusse des vorigen Abschnittes mehrfach als Quelle diente.
Nach einer Definilion der Logik , welche aus der boethianischen und der
arabischen Doctrin gemischt ist 84), theilt er den Umkreis der Logik sofort
nach lerminus, propositio, argumentatio35). Der erste Tbeil, welchen
er nach der Terminologie seiner Schrift „Arbor scientiae" (s. Anm. 143)
als „Radices arboris" bezeichnet, knüpft an die Definilion des terminus
eine Eintheilung desselben in einen categoreumalischen und syncategoreumalischen
, wobei an die Unterabtheilung des ersteren 38) zugleich die
32) Ebend. p. 538 : Unde inlellectus cognoscit, per quem modum logica est
applicabitis . .., et eliam cognoscit, per quem modum logicus non polest stare coram
arlista huius arlis. Quae sunt stabitia et immutabitia, confundit pelendo ab eo, quod
inlendil conctudere, et intellecta conctusione conctudit cum stabititate et immutabititale
principiorum et regutarum, et stalim nesciet, quomodo evadet. Ilem logicus tractat
de diffinilionc considerata per primam speciem regutae C tantum, generalis aulem
artista huius arlis per omnes species reguioe C. (s. Anm. 97). iogicus tractat de
secundariis inlenlionibus adiunctis primis, sed generalis arlista tractat de primis per
secundam speciem regutue C Et in isto passu cognoscit inlellectus, quod logica
est scienlia instabitis sive iobitis, haec aulem ars permancns et stabitis. Ilem logicus
facit conctusionem cum duabus praemissis, generalis aulem arlista cum mixlione
principiorum et reguiorum. Adhuc logicus non polest invenire veram legem cum
logica, generalis aulem arlista cum ista arle invenit; nam itio lex est vera, quam
principia et reguioe huius arlis infrare possunt. Amplius logica est ars difficitis ad
addiicendum, haec aulem ars est multum facitis ralione mixlionis et concalenalionis
principiorum et reguiorum (s. Anm. 119); et ideo ptus polest addiscere arlista de
hac arle uno mense, quam logicus de logica uno anno. Hiezu Anm. 65.
33) Wenn die Eine Bearbeitung dieser Schul-Logik sich in der Titel-Ueberschrift
als „nova logica" bezeichnet (Anm. 3) , so lege ich hierauf kein Gewicht ;
denn einerseits stammt diess wahrscheinlich von späteren Verehrern tutlianischer
Weisheit her, da Lultus selbst eine „neue" Logik wohl nur in jenem Mitteldinge,
welches zwischen aller Logik und Ars magna sleht (Anm. 22), darbieten wollte; an
drerseits allerdings nennt Lultus in seiner marktschreierischen Manier zuletzt Alles,
was er schreibt, eine grosse „Neuigkeit", selbst wenn es nur eine Wiederhotung
Algazeli's ist (Anm. 24).
34) Dialect. introd. (s. Anm. 2) f. l r. A: Logica est ars et scienlia, qua verum
et falsum raliocinando cognoscuntur et unum ab allero discernitur verum eligendo et
falsum dimitlendo. Fast ebenso Dialect. (b. Zetzuer, s. Anm. 3) p. 147. S. Abschn.
XII, Anm. 76. n. Abschn. XVI, Anm. 15 ff.
35) Dial. inlrod. ebd. : Cuius principia specifica sunt tria, sc. lerminus, propositio
et argumentalio. Dialect. ebd. : In logica considerantnr tria inler alia,
sc. n. s. f.
36) Dial. introd. ebd. : De radicibus arboris. Terminus est dictio significaliva,
ex qua proposilio constituitur (s. vor. Abschn., Anm. 199) Dividitur in lerminum
calegoreumalicum et sgncalegoreumalicum (s. ebd. Anm. 34, 256 ff.). Calegoreumalicus
dividitur in communem et aingutarem (ebd. Anm. 61, 229, 610). Commünts
dividitur in univocum, aequivocum et denominalivum (diese Verwendung dieser Ein-
J
XVIII. Raimundus Lullus. 151
Gliederung in Subject, Prädicat und Copula37), sowie die Gradabstufung
vom generalissimum bis zum specialissimum angereiht wird38), dem
letzteren aber alle „signa" der Universalität, Parlicularität und Negalivität
beigezählt werden 39). Indem hierauf die schon oben, Anm. 30, erwähnte
Stelle über intentio und imposüio folgt40), kann Lullus daran die Be
sprechung der quinque voces und der Kategorien anreihen 4 1), wird aber
eben durch seine Auffassung der intentio veranlasst, die Universalien und
die Kategorien, bei welch letzteren er die arbor Porphgriana durch
sämmlliche zehn hindurchgeführt wissen will42), etwas näher an die
Myslik der Ars magna hinzurücken, d. h. er behandelt dieselben in Kürze
nach jenen Schablonen, welche wir unten (Anm. 94 ff.) treffen werden 43).
Ja anderwärts sehen wir, wie er in Uebereinslimmung mit den Grund
sätzen der Ars magna die Realität der Universalien auf eine wahrhaft unver
ständige Weise zu begründen versuchte und dieselben überhaupt in einem
zügellosen theologischen Realismus nur als Schöpfungsacte Gottes nahm44),
theitung ist ueu) Singuioris vel diseretus dividitur in abstractum (z. B.
humanitat) ct conerctum (z. B. homo). Hingegen in Dialect. p. 147 ist nur die
Eintheitung des lerminus in communis und diseretus angegeben.
37) Dial. introd. f. l r. B: Terminus calegoreumalicus in propositione modo est
subiectum modo praedicatum Copuio est persona .... verbi „sum". Vgl. Dialect.
p. 147. S. vor. Abschn. Anm. 152.
38) Dial. introd. ebd.: Terminus calegoreumalicus alia divisione dividitur in
generalissimum, suballernum, specialissimum, individualem. In Dialect. fehlt dieses.
39) Diat. introd. ebd. : Sgncalegoreumalicus lerminus dividitur in universale
signum, parlicuiore signum et parles oralionis indcctinabites. Hingegen Dialect. p. 147:
Quidam lermini dicuntur signa universalia et quidam parlicuioriv, .... negaliva, und
als dergleichen signa kommen im Vergleiche mit Shyreswood (vor. Abschn., AHOt.
68 ff.) und mlt Petrus Hispanus (ebd. Anm. 238 ff.) hier neu hinzu: ubicunque,
quocunque, semper, nunquam, nusquam, aliquando, alicubi.
40) In Dialcct. fehlt diese kurze Erörlerung.
41) Dial. introd. f. l v. B. Hingegen in Dialect. hält er sich an die Reihenfolge
der byzantinischen Logik , indem er dort die Praedicabitia und Praedicamenta erst
nach der Lehre vom Urtheite folgen lässt; auch finden wir dort nur einen dürren
nichtssagenden Auszug der gewöhnlichsten Lehre.
42) Dialect. p. 153: Praedicamentum est ordinalio lerminorum secundum sub et
supra (vgl. Dial. Introd. f. l v. B), ut palel in sequenti figura Sicul esl facta
ista arbor in praedicamento substanliae, ita polest fieri in aliis praedicamentis, ul
.... per talem cognilionem melius possit homo rerum varietales inquirere.
43) Diat. introd. S. 2 r. Dass er das Gleiche auch in seiner Schrift De quinque
praedicabitibus et decem praedicamentis tbat, ersehen wir ans Cod. iot. Man. 10517,
f. 49—52.
44) Nova logica, f. 8 r: Quaeritur, utrum genus sit ens reale; et dicimus, quod
sit ; quod probamus quinque ralionibus: fiecesse est, quod corpus sil genus
reale; alioquin corpus non esset divisibite naturaliler in corpus animatum et inanin,
atum Natura universi non palitur vacuitalem, quod faceret, si genus non
esset ens reale Comlitulio mundi foret impossibitis, si genus non esset ens
reale Si genus non esset ens reale, inferiora individua non susciperent infiuenliam
a corporibus supracoeleslibus Subiectum habitus animalitalis dicimus
esse ens reale, quod genus vocamus. Mit ganz analogen Gründen wird dann, ebend.
f. 9 r, die Bealltät der Species erwiesen. Liber Chaos, p. 19 A: Primus gradus
chaos est genus omnia entia in se conlinens p. 20 B : Cum erealor omnium de
primo gradu chaos spccies in sccundum producerel p. 21 B: Differenlia est in
primo gradu chaos .... intcr agens et paliens essentiae ipsius chaos p. 23 B:
ln primo gradu chaos deus fuil propriificalivus p. 24 B : Quoniam in primo
152 XV11I. Raimundus Lullus.
und analog im Naturgebiete den Kategorien eine physikalisch-realislische
Geltung zuwies 45).
Als „truncus arboris" folgt sodann die Lehre vom Urtheile. Die
Erörterung über das kategorische Urtheil schliesst sich ganz an Petrus
Hispanus an46); neu kommt nur hinzu, dass Lullus auf den Gebrauch
der Worte „et" und „vel" im Subject und Prädicate hinweist4'), und
dass er im Hinblicke auf die Ars magna noch von einer anderweiligen
nicht-logischen Umkehrung der Urtheile48) und ebenso von einer solchen
Entgegensetzung spricht49). Beim hypothelischen Urtheile nimmt er obige
Erweiterungen auf, für welche er selbst uns als Quelle diente 56); des
gleichen, was die Verknüpfung der Exponibilia mit dem hypothelischen
Urthei|e betrifft51). Die Modalität behandelt er, abgesehen von der Auf
nahme jener neuen Lehre über sensus divisus und compositus (vor.
gradu chaos est igneitas habens in se ignificalivum et ignificabite, sequuntur accid,'
nliu. sc. quantitas, qualitas, relolio et celera.
45) Liber Chaos, p. 26 A: Substanliatum est primum chaos, quia omnia quatuor
elemi'nta una cum omnibus suis elementalibus sunt una substantia p. 27 B :
Ex intensa quantitale igneitalis tam acliva quam passiva composita est quanlitas
primi chaos p. 28 B: Primum et secunduw chaos retalive se habuerunt per modum
generalionis et erealionis p. 30 A: Una qualitas exlensa per totum primum
chaos producitur de qualitale igneitalis p. 31 A: Actio dividitur in substantialem
et accidentalem p. 32 A: Sicul de aclione dietum est, polest intelligi reiolivo
modo dictum esse de passione p. 33 B: Si intelligere votumus, lempus esse
aliquod ens reale , considerare debemus motum in octava sphaera firmamenli
p. 35 B : Convenit locus omnibus, quae sunt sub suprema superficie octavae sphaerae
p. 37 B: Situatus est primus gradus chaos de igneitale .....v. 40 A: Duplex
est habitus et assitualio chaos, sc. substanlialis et accidentalis. \ \§
46) llial. introd. f. 2 v. A u. B die Eintheitung nach Quanlität und Qualltät
nebst den drei Fragen und ihrem Memorialverse (vgl. Dialect. p. 148, woselbst
jedoch der Vers fehlt; s. vor. Abschn. Anm. 153). Dann in verbesserler Reiben
folge vorerst f. 3 r. A die Umkehrung (vgl. Dialect. p. 149; s. ebend. Anm. 156),
hierauf f. 3 r. B die Entgegensetzung mit der üblichen Figur (vgl. Dialect. p. 149 f.;
s. ebend. Anm. 154), sodann f. 3 v. B die Aequipollenz mit dem fünften der dor
ligen Memorialverse (s. ebend. Anm. 159; in Dialect. fehlt die Aequipollenz); hin
gegen die Noliz über die dreifache Malerie (s. ebend. Anm. 155) ist erst nach den
modalen Urtbeiten f. 5 v. A eingereiht (in Dialect. ist sie p. 150 an der üblichen
Stelle).
47) Dial. intrnd. f. 3 r. A: Proposilio calegorica est duplex, sc. de disiuncto
extremo et de copuiolo extremo. De disiuncto extremo est itio, in cuius subiecto vel
praedicato vel in utroquc ponitur coniunclio disiunctiva. Ebenso entsprechend das
Urthefl de copuiolo. Vgl. Dialect. p. 150. (Die Veraniossung hiozu bei Shyreswood,
s. vor. Abschn., Anm. 86 f.)
48) Dial. introd. f. 3 r. B: Extra animam est alius modus conversionis, qui
spectat ad alliorem arlistam, quam logicus sit etc., d. h. er meint die Operalion,
welche wir unlen, Anm. 86, treffen werden (in Diulect. fehlt diess).
49) Ebend. f. 3 v. A: Propositiones possunt esse cöntradictoriae duobus modis,
sc. de modo vel de lege. Contradictoriae de modo sind sie nach den gewöhnlichen
Regeln. Contradictoriae de lege sunt, quac, licel non parlicipent in subiecto et praedicalo
et licel non sibi repugnent in quanlitale et qualitale, lervaut tamen legem
contradictoriarum, ä. h. er denkt an ein Verfahren in der Ars magna, s. unlen Anm.
87 (fehlt gleichfalls in Dialecl. i.
50) Ebend. f. 3 v. B u. Dialect. p. 151. S. vor. Abschn., Anm. 583 f.
51) Diat. introd. f. 4 v. A (in Dialect. nicbt). S. ebend. Aum. 601, 606 f.
u. 609 Was f. 5 r. A über Incipit und Desinit gesagt ist, beruht nur auf Petrus
Hispaqus, s. ebend. Anm. 263.
XVIII. Raimundus Lullus. 153
Abschn., Anm. 585 f.), äusserst kurz durch blosse Wiederholung der bei
Petrus Hispanus vorfindlichen Figur52); nur fügt er den Begriffen des
possibile und impossibile eine theologische Modificalion bei53).
Hieran wird als „branchae arboris" nicht bloss jene Episode aus
den proprietates terminorum angereiht, bei welcher wir den Lullus schon
oben als Quelle benützen mussten54), sondern es folgt auch noch eine
sehr eigenthümliche Erörterung über demonstralio. Diese nemlich wird
wohl nach der üblichen arabischen Doctrin als Ableitung eines Unbe
kannten aus Bekanntem defimrt55), aber wenn dann zur arabischen
Zweitheilung in demonslratio quid und demonstratio quia als neues
Drittes die demonslralio per aequiparantiam hinzukommt 56), so werden
alle diese drei Arten völlig in das Gebiet der Topik hinübergezogen ;
denn nicht bloss in den ersten beiden können wir nur eine Durchführung
der Topen „a causa et effectu" wiedererkennen57), sondern auch die
aequiparantia enthält nur das aequale als ein ideales (göttliches)
Mittelding zwischen den Topen „a minore et mat'ore"58), daher auch
Lullus dieses Beweis -Verfahren, welches ihm als das höchste gilt, ander
wärts unter Berufung auf seine Ars magna vor Allem zur Stütze der
Trinitätslehre verwenden zu müssen glaubt 59). Uebrigens wenn er an
einer anderen Stelle die „probatio" derarlig als die umfassendere Gattung
52) Dial. introd. f. 5 r. A. Dialect. p. 152.
53) Dial. introd. ebend.: Possibite est duplex: unum est per rausam, allerum
est per infinitam polestalem Impossibite est duplex; quoddam est per contradiclionem,
aliud per defectum causae ; alius modu* impossibilitalis est, qui
consislil per perfectionem maximat», et haec sotum convenil deo.
54) Ebend. f. 5 v. A — 7 r. A u. Dtalect. p. 152. S. vor. Abschn., Anm.
596—603.
55) Diat. introd. f. 7 r. A: Demonstralio est alicuius ignoli per aliquod notum
vel minus noli per aliquod magis notum cognilio seu intcllectui manifestalio. Vgl.
Dialect. p. 154. S. Abschn. XV(, Anm. 15.
56) Dial. introd. ebend. : Demonstralionis tres sunt species, sc. per quid, per
quia et per aequiparantiam.
57) Ebend.: Demonstralio per quid est, quando cffectus demonstratur per causam
vel inferius seu posterius per superius sive prius ; et polest fieri trit,u* modis.
Primus est, quando causa simpliciler demonstral effectum suum Secundus, quando
causa demonstrans effectum demonstrat, ipsum esse causam allerius effectus
Tertius, quando causa demonstral de suo effectu , quod ipse est effectus allerius
sausae Demonstralio per quia est, quando per effectum causa demonstratur vel
per inferius seu poslerius demonstratur superius sive prius ; et polest fieri tribus
modis. Primo simpliciler de effectu ad causam Secundus, quando elfectus probat,
causam suam esse effectum allerius causae Tertius, quando effectus demonstrat,
causam suam c»se causam allerius cffectus. (Vgl. Dialect. p. 154.)
58) Ebend. f. 7 r. B : Demonstralio per aequiparanliam est, quando per aliquid
aequale notum aliud aequale ignolum demonstratur vel aequale minus notum per
aequale magis notum Et fit tribus modis. Primus, quando polenlia demonstratur
per polenliam vel actus per actum Secundus. quando per aequalitalem principiorum
probatur aequalitas actuum Tertius, quando per acqualitalem actuum
demonstratur aequalitas dignitatum Et haec demonstralio polior est, quam itio
de quid et itta de quia ; haec enim maxime et propriissime fit in deo, in quo
maius el minus sunt impossibitia.
59) De demonstr. per aequip., p. l A : Intendimus probare dislinctionem in
divinis per aequiparanliam et aequivalentiam actuum divinarum ralionum p.2A:
c,an faciamus hanc investigalionem per principia nostrac arlis generalis , quod sunt
tria principia conseculiva, sc. concordantia, differentia, aequalitas (s. Anm. 87), quibus
154 XVIII. Raimundus Lullus.
betrachtet, dass dieselbe in auctorüas, necessaria ralio und demonstratio
zerfallen soll, so waltet hiebe! die gleiche Rücksicht auf die Topik, da
auch auctorüas ein Topus ist, und ausserdem die probalio überhaupt
als „apparens" bezeichnet wird 60).
Als „flores arboris, e quibus nascitur fructus" folgt hierauf die
Lehre von der Argumentalion in jener weiteren Bedeutung, nach welcher
sie auch die consequentia umfasst61). Indem Lullus schon in der Eintheilung
der argumentatio sich dem Petrus Hispanus anschliesst62), folgt
er demselben auch wörtlich in Aufzählung der neunzehn Schlussweisen
des kategorischen Syllogismus unter Benützung der Kunstworte Barbara
etc.83). Die hypothelischen und modalen Schlüsse fehlen auch hier64).
Hingegen hat Lullus jenen speciellen Zweig der Syllogislik , welcher seit
Averroes schon den Albert und den Thomas beschäftigt hatte (s. vor.
Abschn., Anm. 464 u. 554), nemlich die inventio medii, in einer eigenen
kleinen Monographie besprochen, wobei er vorerst zwei Arten des Mittel
begriffes, einen „natürlichen" für die wahrhaft wissenschaftlichen Syllo
gismen und einen hloss „logischen" für die dialeklischen Wahrscheinlichkeits-
Schlüsse, unterscheidet65); von dem ersteren gibt er dann (wie
Thomas die fünf indirecten Schlussmodi bei Seite lassend) vierzehn Bei
spiele, welche sich in den Begriffen der Ars magna bewegen86), und
hierauf lässt er noch sechs Beispiele folgen, in welchen der Mittelbegriff
in Folge seiner Unbeslimmtheit nur einen dialeklischen Schluss zulässt67).
Es hatte übrigens dieser Gegenstand für Lullus ein specielles Interesse,
da, wie wir sehen werden, seine ganze Ars magna schliesslich als ein
zigen logischen Kern nur die inventio medii in sich birgt, s. Anm. 86,
89 f., 1 10, 113. In den beiden Compendien der Logik aber folgen nun
nach dem kategorischen Schlusse einige Angaben über induclio, welche
medianlibus demonstrabimus per aequiparanliam supradictam dislinclioneih. Vgl.Bre».
pract. tab. gen. p. 36.
60) Dialect. p. 154: Probalio est argumentum, in quo veritas est apparens (s.
Abschn. XVI, Anm. 51 ff. u. 276 ff.), el polest fieri tribus modis, sc. auctoritale,
necessaria ralione et demonstralione.
61) S. vor. Abschn., Anm. 613.
62) Diat. introd. f. 7 v. A: Argumentalionis quatuor sunt species, sc. sgllogis
mus, induclio, enthgmema, exemptum. Ebenso Dialect. p. 154. S. vor. Abschn.,
Anm. 193.
63) Dial. introd. a. a. O. n. Dialect. p. 154 ff. S. vor. Abschn., Anm. 185;
von Memorial-Versen erscheinen hier nur die letzlen zwei der ebend. Anm. 156
angeführten und derjenige, welchen wir bei Shyreswood, ebend. Anm. 51, trafen.
Betreffs der Kunstworte vgl. auch folg. Abschn., Anm. 204.
64) S. vor. Abschn., Anm. 122 u. 190.
65) De venalione medii, p. 162: Medium existens intcr subiectum et praedicatum
inlendimus venari duobus modis. Primo modo medium naturale et secundo modo
medium logicale; et hoc facimus, ut cognoscamus verum medium reale el eliam na
turale el per consequens necessarium sgllogismum, ac eliam u! per medium probalivum
el opinalivum cognoscamus sgllogismum dialeclicum sive logicalem el intenlionalem.
Es slimmt dieser Dualismus völlig mit der oben erwähnten Geringschätzung
der Logik zusammen, s. Anm. 27 ff.
66) Ebend. p. 162 ff. Bonitas, polestas, voluntas u. dgl, sind die Ueblings-
Beispiele.
67) Ebeod. p. 164.
J
XVI11. Raimundus Lullus. 155
er nach seiner beliebten Dreigliederung unterscheidet68), über enthgmema
und exemplum 0 9) , sodann in dem Einen aus der Topik nur jene drei
Topen, welche für die demonstralio per aequiparantiam eine Bedeutung
haben (s. Anm. 58), nemlich a maiore, ab aequali, a minore 70), hingegen
in dem anderen jene Stelle, welche unter der Ueberschrift De antecedente
et consequente uns schon oben als Quelle für die üblich gewordene
Lehre von der consequentia diente und eine durchgängige Verflechtung
mit der Topik zeigt'1).
Hierauf noch reiht sich als „folia arboris custodientia fructum a
macula" die Sophislik an, welche im Ganzen dem betreflenden Abschnitte
des Petrus Hispanus folgt 72). Endlich die Schlussbemerkung über disputatio
habe ich schon oben als muthmaasslichen Anfang der späteren Obligatoria
angeführt73).
Soll ich es aber nun versuchen, die Ars mag n a darzustellen, so
möchte ich vorerst jener Frage , welche ich an alle Autoren des Mittel
alters richten musste und grossentheils beantworten konnte, auch bei
Lullus nicht aus dem Wege gehen, der Frage nemlich, woher das Ganze
und seine Theile entnommen seien. Denn dass Lullus die einzige Aus
nahme von jener Regel sei , welcher alle Schriftsteller des Mittelalters
unbedingt unterworfen sind, d. h. dass er lediglich von sich selbst aus
seine myslische Technik ersonnen habe, möchte ich eben für völlig un
glaubhaft halten. Allerdings nun wird Jeder, der in der oben (Anm. 1)
erwähnten Zetzner'schen Ausgabe nur einmal flüchlig geblättert hat, sofort
sagen, Lullus gebe ja selbst seine Quelle an, und diese sei Nichts anderes,
als die Kabbala. Aber wenn wir die Schrift De auditu cabbalistico
sowohl nach ihrem Titel als auch in den einzelnen Stellen, welche eine
directe Hinweisung auf die Kabbala enthalten 74), näher erwägen, so muss
68) Diät, introd. f. 7 v. B: Induclio est argumentalio, in qua proceditur ab mferioribus
sufficienter numerali, ad itlorum immediatam universalem. Et fit tribus
modis. Primo procedendo a singuioribus ad suam universalem Secundo procedendo
ab indefinitis ad suam universalem genericam Terlio ab universalibus inferioribus
ad universalem superiorem. Vgl. Dialect. p. 157.
69) Dialect. ebend. In Diat. introd. f. 8 r. A erscheinen bei Besprechung des
exemptum in dem oben, vor. Abschn., Anm. 144, angeführlen Beispielsatze hier die
Städte-Bewohner Florentini, Pisani, Panormitae, Drepanenses.
70) Dialect. p. 158.
71) Dial. introd. f. 8 r. A ff. u. Dialect. p. 159. S. vor. Abschu., Anm. 618
u. 623.
72) Ebend. f. 10 r. B ff. Dialect. p. 159-161.
73) Dialect. p. 161 ; s. vor. Abschn., Anm. 625.
74) ">' nud. cabbat. p. 43 : f",'"-1' .-irr verbum sub ralione inseparabititalis a rebus
est subiectum adaequatum huius sapienliae Kabbalislicae Omnis doctrina disciplinaque
tria in se essentialiler comprehendit, sc. scire partes sui subiecti, scire finem
quaesilum, et scire medium ad ipsum finem, et proplerea haec sapientia Kabbalistica
dividitur in tres partes (p. 44) Et dicitur haec doctrina Kabbaio, quod idem
est secundum Hebraeos ut receplio veritalis cuiusiibet rei divinitus reveiotae animae
ralionali, et secundum modernes Kabbalistas Kabbaio cum sit nomen compositum ex
duabus diclionibus, sc. „abba" et „aio", „abba enim arabice idem est quod „paler"
lnline, et „ala'' arabice idem est quod „deus meus", proplerea dicimus, quod hoc
rocabutum „Kabbaio", quod seribitur per litteram K, nihil aliud est arabice imporlans
laline praeler „superabundans sapienfio". Est igitur Kabba habitus animae
ralionalis ex recta ralione divinarum rerum cognitivus. Auch wird im weileren Ver
156 XVIII. Raimundus Lullus.
uns vor Allem auffallen, dass Lullus, von welchem wir doch so viele
Schriften besitzen, und welcher in steter Wiederholung das nemliche Thema
dutzendmal bearbeitete, in seinen sämmtlichen übrigen Schriften nicht mit
einer Sylbe die Kabbalu erwähnt75); dazu kommt, — abgesehen von
einer wunderlichen Etymologie —, dass in der genannten Schrift einmal
auch von „moderni Kabbalistae" die Rede ist und den Kabbalisten das
Studium jener Darstellung der Ars magna empfohlen wird. Kurz ich
halte dieses Buch für eine (übrigens ganz geschickt gemachte) Bearbeitung
der Ars magna durch einen späteren Kabbalisten, welcher hiedurch so
wohl dem Lullus als auch der Kabbala förderlich sein wollte. Aber
während ich auf solche Weise dieses äussere Zeugniss als solches unbe
dingt zurückweise, möchte ich doch vermuthen, dass der Mann, welcher
De auditu cabbalistico schrieb, nach Lage der Sache inhaltlich nicht Un
recht hatte. Freilich nur schüchtern darf ich einen solchen Ausspruch
wagen , denn eine genügende Geschichte der kabbalislischen Litteratur
muss wohl erst in Zukunft noch geschrieben werden 76), und ausserdem
liebe ich es nicht, in fremde Gebiete einzupfuschen 77). Wenn es nemlich
richlig ist, dass das von Simeon Ren Jochai verfasste Buch Sochar gegen
Ende des 13. Jahrhunderts durch Moses Ben Nachman nach Catalonien
gebracht wurde78), so wäre der äussere Anknüpfungspunkt nach Zeit
und Ort festgestellt. Inhaltlich aber darf vielleicht schon im Allgemeinen
auf jenes Combinalions-Spiel hingewiesen werden, welches in der Kabbala
mit den Buchstaben und dem Zahlen-Werthe derselben79) oder mit einem
„himmlischen Alphabete" 80) getrieben wurde. Noch specieller aber läge
möglicher Weise eine Anknüpfung an die Kabbala in jenen Begriffen,
welche ich sogleich in dem „Alphabetum" des Lullus anzuführen habe;
denn dieselben haben doch eine frappante Aehnlichkeit mit den letzten
sechs unter den zehn Sephirot 8 1) , und auch jene vorwiegende Berück
ioufe noch öfters der Ausdruck „sapienlia Kabbalislica" gebraucht, so p. 55, 67,
101, 106. oder auch „haec Kabbata" (p. 67), ja sogar „schota Kabbalislica" (p. 93),
und am Schlusse (p. 110) lesen wir: ad quae quitibet Kabbalista recurrere debel ad
perfectam inlelleclionem etc.
75) Hätle Lultus als Kabbaiist auftreten wollen, so würde er dieses ebensosehr
hundertmal bei jeder Gelegenheit sagen, wie er überhaupt gioubt, Alles nicht oft
genug sagen zu können.
76) Schwerlich dürfte ich bei den Fachmännern auf Widerspruch stossen,
wenn ich das Buch von L. Frank, La Kabbale, Paris 1844 (deutsch von Jellineck,
Lpzg. 1846) nicht für genügend hallen kann.
77) Niemand, der litterarisch arbeiten gelernt hat, wird es mir zumuthen, dass
ich bei dem kaum zu bewälligenden Umfange meiner eigenen Aufgabe um des
Halb-Narren Lultus witlen ein Quellenstudium über kabbalislische Litleratur hätle
unlernehmen sollen, welches allein ein gelehrtes Menschen-Leben in Anspruch
nähme.
78) Frank a. a. O. p. 67 u. 95 (nach Jellineck's Bearbeitung).
79) Ebend. p. 46, 105, 112 f., 121.
80) Ebend. p. 158.
81) Nemlich magnitudo, gloria und bonilas erscheinen dort, — s. ebend. p.
127 u. 143 — , wohl unzweifelbaft, und ohne viele Interpretalions-Künsle dürfen
wir vielleicht auch sapientia (ebend. p. 134), veritas (p. 137), polestas (p. 142)
wiedererkennen,
XVIII. Raimundus Lullus. 157
sichligung der parallel einander gegenübergestellten Tugenden und Laster
könnte dort ihr Vorbild gehabt haben 82).
Doch sei dem, wie es wolle, — denn gerne nehme ich von den
Fachmännern eine Widerlegung dieser meiner Vermuthung an —, Lullus
beabsichligte jedenfalls eine allumfassende Technik, scientia generalis, ars
generalis, zu entwickeln, in welcher die Priucipien aller Einzeln-Wissenschaften
enthalten sein und alle nur erdenklichen Fragen ihre Erledigung
finden sollen 83). Um aber dieses vielversprechende Unternehmen des
balearischen Projectenmachers darzustellen , müssen wir die oben (Anm.
9 ff.) angegebene Unterscheidung verschiedener Gruppen von Schriften ein
halten und somit zunächst die Technik selbst als solche (abgesehen von
ihrer Anwendung) betrachten 84).
Lullus fällt- mit der Thüre ins Haus, indem er uns sofort als Prima
pars folgende Tabelle unter dem Titel „Alphabetum" aufdringt:
B. C. I). E. F. G. H. I. K.
Bonitas. Magni
tudo.
Aelernitas
sin,
Duralio.
Polestas. Sapienlia.
Voluntas. Virtus. Veritas. Gloria.
Differenlia.
Concordantia.
Contrarietas.
Principium.
Medium. Finis. Maioritas.
Aequalitas.
Minoritas.
Utrum? Quid? De quo? Quare? Quan
tum ?
Quale? Quando ? Ubi? Quomodo?
Cum quo?
Instrumentaliva.
Deus. Angelas. Coetum. Homo. Imagina- Sensiliva. Vegetaliva.
Etemenlio.
talira.
Iuslilia. Prudenlia.
Fortitudo.
Temperantia.
Fides. Spes. Charitas. Palienlia. Pietas.
Avarilia. (Mu. Luxuria. Superbia. Acidia. Invidia. ha. Mendaci- Inconmu.
slanlia.
82) Ebend. p. 163.
83) Ars magna et ult. p. 218: 0u«o quaelibet scienlia habet sua principia propria
et diversa a principiis aliarum scientiarum, idcireo requirit et appelit inlellectus, quod
sit una scienlia generalis ad omnes scientias, et hoc cum suis principiis generalibus,
in quibus principia aliarum scienliarum parlicuiorium sint implicita et conlenta,
sicut parlicuiore in universali Amplius quidem haec scienlia generalis polest
nuncupari, quia quaesliones generales habet ad omnes alias quaestiones, quaecunque
sint, applicabites (s. Anm. 127) Ilem ars ista est generalis ralione mixtionis
principiorum el reguiorum, quam habet (s. Anm. 119). Ars brev. p. l : Subiectum
kuius arlis est, respondere de omnibus quaeslionibus, supposito quod sciatur, quid
dicitur per nomen.
84) Ich versuche, jede der drei Hauptgruppen aus den sämmtlichen zu ihr
gehörigen Schriften collecliv darzuslellen, denn ausserdem wäre der Wiederhotungen
kein Ende; und so lege ich bei der erslen für die Slellen-Citaie im Ganzen die
Ars magna el ullima zu Grunde , welche Lultus selbst gewisscrmaassen als einen
Abschtuss bezeichnet (p. 218: Quoniam multas arles fecimus generales, ipsas votumus
dar ins expionare per istam, quam vocamus ullimam; quia de ceiero non proponimus
aliam facere, ipsam quidem ex aliis compitamus et aliqua nova explicite
addimus); betreffs der parallel-ioufenden Schriften begnüge ich mich mit Ziflern-
Cltaten. Der aufmerksame Leser kann hieraus sowohl den Pion und Inhalt der
letzlerer» Schriflen entnehmen als auch mich bei jedem Schritle conlrolliren.
158 XVIII. Raimundus Lullus.
Die oberste Reihe enthält neun „praedicata absoluta", die nächste
neun „praedicata relata", dann folgen neun „quaestiones" , hierauf neun
„subiecta", und zuletzt cbensoviele „virtutes" und „vitia". Die Haupt
sache aber dabei liegt in den Ruchstaben, welche oberhalb der einzelnen
üolumnen stehen; denn Jeder derselben soll alle jene Worte zugleich
bedeuten, welche in seiner ganzen Columne enthalten sind, und es wird
aucb ausdrücklich eingeschärft, dass man nicht eher in die Ars magna
eintreten dürfe, als man dieses Alphabetum vollständig „auswendig"
wisse 85). Der Leser sieht jetzt gewiss, dass w;ir hiemit das Gebiet eines
sinnlosen Treibens betreten haben; denn um selbst von der Buchstaben-
Spielerei abzusehen, was soll denn materiell die läppische Auswahl jener
neun Prädicate oder neun Subjccte u. s. f. bedeuten ? warum denn nicht
andere neun, oder warum denn nicht zehn u. s. w.? Doch wir müssen
das Ganze geniessen.
Unmittelbar hierauf nemlich beginnt im zweiten Thcile das Combinalions-
Spiel, welches auf der willkürlichsten Grundlage gewisser Momente,
welche verschiedentlich combinirt werden sollen, den Hauptcharakter der
ganzen Technik ausmacht. Vorerst folgt als „Figura A" die:
Figura praedicatorum absolutorum
•
\\ s^\VO**±A8 K^
d. h. die Verbindungslinien, welche von jedem der neun Begriffe zu den
je übrigen acht führen , zeigen an , dass im Ganzen 72 Urtheile (z. B.
bonitas est magna, magnitudo est durans u. s. f. u. s. f.) gebildet
85) Ars magna et alt. p. 219: Hoc vero alphabetum cordelenus oporlel scire;
quodsi non, arlista minime polerit uli ista arle sive ipsam praclicare. Et est positum
hoc alphabetum in hac arle, ul per ipsum significentur principia et quaesliones
huius arlis et ea quac in ipsis conlinentur. Ars bree. p. l : Per unam litteram habenlem
multa significata inlellectus est magis generalis ad respiciendum. Vgl. De
aud. cabbat. p. 44.
XVIII. Raimundus Lullus. 159
werden sollen , worin Lullus eine Förderung der Einsicht in die Um
kehrbarkeit der Urtheile und selbst ein Mittel zur inventio medii erlllickt
88).
Sogleich hierauf erscheint als „Figura T" die:
Figura praedicatorum relattiorum
Durch dieselbe sollen die neun relaliven Prädicate , und zwar je drei
derselben in einem Dreiecke unter sich verbunden , auf die ihnen zuge-
86) Ars magna et ult. p. 220: Prima figura .... dicitnr cireuioris, quia submutatur
in praedicatum et e converso, ul cum dicitur „Bonitas magna, Magni
tudo tono" Per talem cireuiolionem quidem poleril artista cognoscere ea, quae
convertuntur, et ea, quae von convertuntur. Ars brev. p. 3 : In ipsa figura inquirit
arlista naturalem coniunctionem intcr subiectum et praedicatum, dispositionem et proportionem,
ul dK faciendum conctusionem possit medium invenire In principiis
islius figmae est implicatum, quidquid est, nam quidquid est, aut est bonum aut
magnum etc. Vgl. De aud. cabbat. p. 45 ff. Ars invent. verit. p. 3 ff. Tab. gener.
p. 2. Brev. pract. tab. gener, p. 1. Lect. art. inv. p. 12.
160 XVIII. Raimundus Lullus.
hörigen Gebiete bezogen werden; nemlich differentia, concordantia, conlrarielas
(in den Ecken eines grünen Dreieckes untergebracht) sollen den
Dualismus zwischen sensus und intellectus zum Gegenstande haben, sowie
maiorilas, aequalitas, minorüas (in den Ecken eines gelben Dreieckes)
den Dualismus zwischen Substanz und accidens , hingegen principium,
medium, finis (in den Ecken eines rothen Dreieckes) vertheilen sich
einzeln auf ihre verschiedenen Modalitäten , welche in den betreffenden
Feldern des Kreises eingetragen sind 87). Ausserdem wird darauf
hingewiesen, dass man auch mit dieser zweiten Figur in der ersten
„agiren", d. h. diese relaliven Prädicate mit den absoluten verbinden
solle 88).
Letzteres aber führt zur dritten Figur:
BD|CE|DF|EG|FHlGI HK|
BE CF |DG|EH|FI GK
BF|CG|DH|EI FK
BC |CD |DE |EF |FG |GH|HI|IK!
BGJCH|DI|EK|
BH CI|DK|
BI CKl
BK|
Dieselbe ist nemlich nur eine Schablone, welche zeigt, wie die absoluten
Prädicate und die relaliven Prädicate paarweise zu Urtheilen verbunden
werden sollen, wobei man, wie Lullus meint, allmälig vom Allgemeinen
zum Speciellen herabsteige und so auf die Frage geführt werde, durch
87) -4rs magna et ult. p. 222: Secunda figura est de tribus triangulis Super
angutum differentiae seribuntur „Sensuale et Sensuale etc.", et sie super angulis concordantiae
et contrarietalis, ad significandum differentiam, qune est inler sensuale et
sensuale u. s. f. Super angutum principii seripta sunt „Causa etc."; per causam
principia substantialia significantur; per quantitalem et tempus significantur
principia accidentalia, sicut sunt novem praedicamenta. Super angutum medii seripta
sunt „Coniunctio etc." ad significandum tres species medii Supra angutum finis"
seripta sunt „Perfeclionis etc." ad denotandum, quod sunt tres species finis
Supra angutum maioritalis et sie de angulis aequalitalis el minorüalis seripta sunt
„Substantia et subst. etc." ad significandum, quod una substantia est maior alia
u. s. f. (p. 223) Trivngutus viridis (in Salzinger's Ausgabe erscheinen diese
Figuren auch immer in sehr schönem farbigen Drucke), qui est de differentia, concordontia
et contrarietale , est generalis ad umnia, nam quidquid est, aut est in
differenlia aut concordantia aut contrarietale Triangulus rubeus, qui est de principio,
medio et fine, est generalis ad omnia, cum, quidquid stt, vel est in principio
vel medio vel fine (p. 224) Per triangutum eroceum intelligitur una maioritas
universalts, cui omnes aliue maioritales sunt suballernatae, et hoc idem est de
aequalitale el eliam minoritale. Vgl. Ars bree. p. 4 ff. De aud. cabbal. p. 48 ff.
Ars invent. verit. p. 7 ff. Tab. gener, p. 3. Brev. pract. tab. gener, p. 2 A. Lect.
art. i
S^ ür/majna el ult. p. 224: Secunda figura instrumentum est intellectus, cum
qu° aait in prima figura, quoniam per differentiam dislinguit inlerbon.talem et magni-
1ud'nem l" huiusmodi .et sie de aliis suo modo. Ilem distmgutl onm d.fle-
^ITinesseniia tutalis per bonificanlem, bonificatum et bonificare u. s. I. Vgl.
Ars brev. p. 6.
XVIII. Raimundus Lullus. 161
welchen Mittelbegrilf die Prädicate jener Urtlieile mit ihren Subjecten zu
vermitteln seien 89).
Diess aber soll dann die vierte Figur leisten :
Denn es handelt sich dabei nur um eine Mechanisirung der Combinalion
der neun absoluten und der neun relaliven Prädicate , indem bei der
Drehbarkeit der beiden inneren Kreise an jedem der neun Felder des
äusseren Kreises neun Felder des mittleren und wieder an jedem von
diesen die neun Felder des inneren Kreises vorbeispazieren können,
aber die Felder des mittleren Kreises als Mittelbegriffe von Schlüssen
fungiren sollen 90).
89) Ars magna et ult. p. 225: Terlia figura est composita ex prima et secunda,
quae habet in se triginta sex cameras .... Intentio, quare haec figura in hac arle
est posita, est ad significandum, ut cum uno principio homo applicet vel associet
aliud principium Haec figura docet descendere de universali ad parlicuiore gradalim.
Ars brev. p. 7: In qualibet camera sunt duae litlerae in ea conlentae; ipsae
significant subiectum et praedicatum, in quibus arlista inquirit medium, cum quo
subiectum et praedicatum coniunguntur. Vgl. De aud. cabbat. p. 53 f. Ars inrent.
verit. p. 12 A. Tab. gener, p. 5 A. Brev. pract. tab. gen. p. 2 H. Lect. art.
inv. p. 43.
90) Ars bree. p. 9 : Quarta figura habet tres cireulos, quorum superior est immobitis,
duo autem inferiores sunt mobites, ut in figura palet (in Handschriflen und
den oben erwähnlen älleren Drucken ist meistens diese Beweglichkeit auch wirklich
hergestellt, indem die Mittelpunkte der aus anderem Papiere ausgeschnittenen
inneren Kreisflächen mlt dem Mittelpunkte des äusseren Kreises durch einen Faden
verbunden sind). Cireutus medius volvitur sub cireulo superiori immobiti , eircutus
autem inferior volvitm sub cireulo medio Sie per media camerarum homo
PRANTI, Gesch. III. 11
162 XVIII. Raimundus Lullus.
Als dritter Theil folgen hierauf die Defmilionen der achtzehn „principia",
d. h. eben der absoluten und der relaliven Prädicate ; dieselben
aber sind so überaus einfällig91), dass sogar dem Lullus selbst eine
Ahnung hierüber aufgesliegen sein muss; denn er findet sich zu der
Bemerkung veranlasst, dass nur Hunde-Zähne und Schlangen-Zungen seine
Definilionen tadeln könnten 92). Auch eine beigefügte Angabe über ver
schiedene Arten des Definirens ist werthlos 93).
Nachdem so im Bisherigen die ersten zwei Quer-Reihen des obigen
Alphabetums ihre fruchtbare Berücksichligung gefunden haben , kommt
nun vorläufig einmal die dritte zur Erörterung, indem die dorligen neun
(oder eigentlich zehn) Fragen unter dem eigenthiimlichen Titel „Regulae"
den vierten Theil der lullischen Technik bilden 94). Dass diese Fragen
als allumfassende und adäquate Gefässe uns über jedes erdenkliche Sein
und somit über das Object aller möglichen übrigen Fragen Aufschluss
ertheilen, wird mit marktschreierischer Emphase von Lullus verheissen95).
Aber — „professus grandia turget" — wir finden eine gar dürflige
Weisheit in der Behandlung jener (mit den Buchstaben des „Alphabe
tums" bezeichneten) Fragen oder Regeln. Nemlich „utrum" ist eigentlich
venatur necessarias conctusiones Erunt CCLll camerae. Diese Zahl aber ist
falsch (s. unten Anm. 106 n. 112); denn es ergeben sich 9X9X9 = 729 Combinalionen.
Gleichioulend mit Ars brev. erscheint dieses Capilel De and. cabbal.
p. 54 f., hingegen in A,s magna et ult. p. 226 f. ist die Erklärung der Figur sehr
nachlässig. Vgl. Ars invent. verit. p. 12 B. Tab. gener, p. 5 B. Brev. pract. tab.
gen. p. 3 A. Leu. art. inv. p. 109.
91) Ars magna et ult. p. 227 : Ista lerlia pars est lie diffinilionibus principiorum,
ul esi diffinitio bonitalis, quae est haec: Bonitas est ens, ralione cuius bonum
agit bonum. Et magnitudo est ens, ralione cuius bonitas, duralio et reliqua sunt
magna .... Duralio est id, ralione cuius durnnt bonitas, magnitudo et celera, und
so fort in diesem Slite auch bei den übrigen. Wörtlich ebenso Ars brev. p. 10,
u. De and. cabbat. p. 57. Vgl. Ars invent. verit. p. 3 — 12. Tab. gener, p. 6—14.
Brev. pract. tab. gen. p. 3 ff. In Lect. art. inv. erscheinen die erslen neun Defini
lionen bei der erslen Figur (p. 12—23) und die letzlen neun bei der zweilen
Figur (p. 26—43).
92) Ars magna et ult. p. 229: Amplius aliquis forle habens dentem caninum et
linguam serpenlinam principia nostra et eorum diffinitiones spernet et catumniabitur.
Ars aulem vult, quod unn.n, principium adiuvet aliud.
93) Ebend. p. 228: Diffinitio pluribus modis fieri polest, et omnes ad duos
modos reducontur, et quitibet modus habet quatuor species. Primus quidem modus
est, quando /it per efficienLem, polcntiam, maleriam et finem (s. Abschn. IV, Anm.
676) Secundus modus est, ut in reguio C dicemus (s. Anm. 97) Sed ultra
artem est alius modus confusus, quando diffinitiones fiunt ad piocitum sive per conlingentiam
Amplius aulem diffiniliones fiunt per compositionem, sc. quando unum
principium diffinitur cum alio, ut cum dicitur bonitas magna,
94) Diese ganze Parlie findet sich ziemlich gleichlautend in Ars brev. p. 11—14,
De aud. cabbal. p. 58 — 63, Tab. gener, p. 15—22, Brev. pract. tab. gen. p. 7 ff.,
Comp. lect. tab. gen. p. 9ff., Lect. art. inv. p. 2—9, u. Ars magn. et ult. p. 229 — 251.
Ich führe nach letzterem Texle das Nöthigsle in Kürze an.
95) Ars magna el ult. p. 229: Reguioe sunt decem, sc. „utrum, quid etc.", ut
in alphabeto iam signatum est (Anm. 85). Istae reguioe sunt decem quaesliones generales,
per quas omnes esse omne quaesitum, et quomodo id, de quo quaeritur, ponitur,
in ipsis est tucefactum. p. 250: Reguioe sunt vasa ad omnia intelligibitia el proporlionabites
intellectui humano.
XVIII. Raimundus Lullus. 163
nur grammalisch gefasst au) , „quid" bezieht sich auf die Kategorie der
Substanz und soll die Lehre von der Defmilion in sich schliessen 9T),
„de quo" enthält die Causalität, welche in einem Stofflichen liegt98),
„quare" soll sich auf Dasein und Thäligkeit beziehen99), „quantwan"
100) und „quale" 101) enthalten natürlich die betreffenden Kate
gorien , „quando" soll die Modifikalionen der Substanz , des Stofflichen
und des cum quo umfassen102), sowie „ubi" alle diese drei und
ausserdem noch das quomodo103); in „quomodo" selbst werden die
Arten der Modalität 104) und in „cum quo" jene der Instrumentalität zusammengefasst
105).
Unmittelbar hierauf aber kehrt der fünfte Theil doch wieder zu den
so eben verlassenen ersten zwei Quer-Reihen des Alphabetums und zu
den Figuren , welche denselben bis dahin gedient hatten , zurück. Es
wird nemlich unter dem Titel „Tabula generalis" ein Combinalions-
Spiel in 84 Columnen angereiht, deren erste zwei sich folgendermaassen
gestalten :
96) Ebend. p. 240 (die Paginirung überspringt durch Druckfehler zehn Zahlen):
Itni/ula de B est „utrum" et est de possibititale, ulrum hoc, de quo quaeritur, sit
vel non sit Ista quidem reguio de B habet tres species, quae sunt: dubitalio,
affirmalio el negalio.
97) Ebend.: Reguio de C est de quidditale, eo quod est subiectum el fons diffinilionum
(p. 241) Ipsa quidem reguta habet quatuor species. Prima est de
diffinitione et diffinito, quod cum ipsa diffinilione converlitur (ig], folg. Abschn.,
Aiim. 150) — Secunda species est, quando quaeritur de eo, quod habet in so essenlialiter
et naturaliler, sine quo ipsa res non polest esse Terlia species est,
quando quaeritur, quid est res in alio Quarta..,, quando quaeritur, quid habet
res in alio.
98) Ebend. p. 242: Reguio de D. Terlia quaestio est de malerialitale et habet
tres species. Prima est, de quo res est Secunda species est, quando quaeritur,
de quo est aliqtad factum sive conslitutum Terlia species est, quando quaeritur
de aliquo, cuius est, sicul „cuius est regnum".
99) Ebend. p. 244: Reguio E. Quarta quaeslio est de quare; quae duas habet
species. Una est per existentiam , alia vero est per agentiam.
100) Ebend.: De reguio F. Quinta quaeslio quaerit de quantitale; quae duas
habet species, sc. simplicem et compositam; secundum composilionem quaeruntur
mensuraliones enlium et numerus eorum.
101) Ebend. p. 245: De reguta G. Sexta quaeslio quaerit de qualitale; quae
duai habet species, sc. propriam el appropriatam Propriae qualitales sunt causae
superiores, et appropriatae sunt inferiores.
102) Ebend. p. 246: De reguio H. Seplima reguio quaerit de iempöre el tol
habet species, quol habet secunda reguio et lertia et nona et decima.
103) Ebend. p. 247: De reguio 1. Octava quaeslio quaerit de loco et
ista reguio quindecim habet species, quae sunt de secunda, lerlia, nona et de
cima reguta.
104) Ebend. p. 248: De reguta modalitalis signata per K. Nona quaeslio est
de modo, sc. quaerere, quomodo sunt res. Et habet quatuor species. Prima quaeslio
est , quomodo res est in se Secunda, ....quomodo est in alio Terlia,
quomodo est in parlibus suis Quarta, . . . . quomodo transmitlit suam simititudinem
extra se.
105) Ebend. p. 249: De reguio K, quae est de instrumentalitale (nemlich nach
obigem „Alphabet" gehören zum Buchstaben K zwei Fragewörler). Decima reguta
est de instrumentalitale, h. e. quaerere, cum quo res sunt sive cum quo agunt. Et
habet quatuor species similes illis, quae sunt de reguio modalitalis.
11*
164 XVIII. Raimundus Lullus.
BCD BCE
BCTB BCTB
BCTC BCTC
BCTD BCTE
BDTB BETB
BDTC BETC
BDTD BETE
BTBC BTBC
BTBD BTBE
BTCD BTCE
CDTB CETB
CDTC CETC
CDTD CETE
CTBC CTBC
CTBD ' CTBE
CTCD CTCE
DTBC ETBC
DTBD ETBE
DTCD ETCE
TBCD TBCE
Diesen beiden genau analog folgen noch 82
Columnen für: BCF, BCG, BGH, BCI, BCR, BDE,
BDF, BDG, BDH, BDI, BDK, BEF, BEG, BEH, BEI,
BEK, BFG, BFH, BFI, BFK, BGH, BG1, BGK, BH1,
BHK, BIR, CDE, CDF, CDG, CDU, CD1, CDK. CEF,
CEG, GEH, CEI, CER, CFG, CFH, CFI, CFR, CGH,
CGI, CGK, CHI, CHK, CIR, DEF, DEG, DEH, DEI,
DER, DFG, DFH, DFI, DFR, DGH, DGI, DGR, DHI,
DHR, DIR, EFG, EFH, EF1, EFR, EGH, EGI, EGK,
EHI, EHR, E1R, FGH, FG1, FGR, FH1, FHR, FIR,
GHI, GHR, GIR, HIR.
Sehen wir davon ab, dass die Combinalion mathemalisch nicht er
schöpft ist106), so erkennen wir sogleich, dass diese ganze Tabulagene
ralis, wie Lullus auch ausdrücklich hemerkt, nur durch die vollzogene
Drehung der Rreise in obiger vierter Figur (Anm. 90) entstanden ist,
und dabei der Buchstabe T (das Symbol der zweiten Figur) bloss die
Funclion hat, anzuzeigen, dass die in den Combinalionen vor ihm stehen
den Buchstaben nach der Bedeutung der ersten Figur und somit als ab
solute Prädicate zu verstehen sind , während die dem T nachfolgenden
Buchstaben in der Bedeutung der zweiten Figur, d. h. als relalive Prä
dicate, genommen werden sollen107). Und wenn Lullus hierauf an der
106) Denn wenn z. B. bei BCD, welche drei Buchstaben sicb ternarisch 27mal
combiniren iossen, wohl die Combinalionen BBC, BBD, BCC, BDD, DBD, CCD, CDC,
CDD ohne Rücksicht auf die Wiederhotungen aufgenommen sind, versleht sich von
selbst, dass auch DBB, DCC, DDE, DDC, CBB, CCB nicht fehlou durften. Hingegen
wieder ist es eine pionlose Vervielfälligung, wenn BCB und UCC in sämmtlichen
ersten fünf Cotumnen wiederkehren. Kurz es fehlt an einem mathemalischen Principe
des Combinalions-Verfahrens. Das Richlige wäre, dass es 9X9X9 = 729
teruarische Combinalionen der neun Buchstaben gibt (s. ob. Anm. 90), und da bei
jeder derselben das hier eingeschobene T eine vierfache Sleltung haben kann, so
ergäben sich nicht 20X84 = 1680, sondern 4X729 = 2916 Combinalionen für
das in der Tabuio generalis eingeschiogene Verfahren.
107) Ars magna et ult. p. 258: Tabuio ista composita est ex LXXX1V cotumnis,
et est subiectum siec instrumentum, in quo invesligantur sotuliones quaeslionum recipiendo
ad propositum, affirmando vel negando, concordando principia et reguios et
evitando eorum contrarietalem. Significat aulem T in tabuta, quod litlerae, quae sunt
anle ipsum, principia sunt de prima figma, et litlerae, quae sunt post ipsum, sunt
de secunda; sicut in camera RCTB, in qua B praecedens T dicit bonitalem et C
magnitudinem et B post T dicit differentiam. Investigalio autcm, quae fit in tabuta,
est in alliore gradu significalionis veritatum, quan, itio, quae fil in figuris. Tabula
vero a quarta figura derivata est volvendo cireutum secundum et lertium, ut in ipso
tabuio apparel (s. ob. Anm. 90) usque ad LXXXlV columnas, in qua revotulione con
XVIII. Raimund tis Lullus. 165
ersten Cölumne beispielsweise zeigt, wie in Folge der Combinalion in
jeder der 84 Columnen zwanzig „Fragen" sich ergeben, welche den
manigfalligen Nexus der absoluten und der relaliven Prädicate betreffen108),
so dürfte hiedurch zur Genüge ersichtlich sein, welch zweckloses und
läppisches Treiben uns die Ars magna zumuthe , denn wir müssen doch
immer im Auge behalten, dass sowohl die ursprüngliche Auswahl der
neun absoluten Prädicate und nicht weniger die der relaliven schlechter
dings blind und willkürlich ist, als auch dass das mechanische Combinalions-
Verfahren den logischen Verstand noch lange nicht der Prüfung
überhebt, ob denn jede der einzelnen Comhinalionen üherhaupt einen
denkbaren Sinn enthalten könne. Lullus hingegen, welcher auch ander
wärts die wechselseitigen Beziehungen der absoluten und relaliven Prä
dicate als „conditiones principiorum" erörterte und hiedurch der „inventio"
dienen wollte lu9), war der sicheren Ueberzeugung , dass durch
mfi/ ligamen columnarum Et sie in qualibet columna sunt omnes cotumnae
implicatae, ralione cuius implicalionis quaelibel columna est coadiuvaliva allerius.
Ad quamlibet sotulionem unius quaeslionis possunt applicari omnes significaliones
omnium quaestionum abstractaram et mannductarnm ad ipsam quaeslionem. In der
Ars brev. p. 14 und ebenso De aud. cabbal. p. 63 werden nur die erslen sieben
Colnmnen zum Muster angeführt. Aber sämmtliche 84 sind am deutlichsten ge
druckt bei Salzinger (Vol. V) als Einleitung zur Tabuio generis ; vgl. ebend. p. 22.
108) Ars magna et ull. p. 258: In qualibet columna sunt viginti quaesliones
per ordinem. Et de hoc dabimus exen,ptum in prima cotumna, quae est BCD, praedicando
primo de bonitale, deinde de magnitudinc, postmodum de aelernitale, et hoc
sie: Prima est, utrum bonitas sit intantum magna, quod sit aelerna? Secunda, vtrum
sit aliqua bonitas intantum magna, quod conlinel in se res differenles? Terlia, utrum
bonitas sit intantum magna, quod continel in se res concordantes? Quarta, utrum bo
nitas conlinens in se res contrarias sit magna? Quinta, utrum bonitas aelerna sit
differens? 6) nimm bonitas aelerna sit concordans? 7) utrum bonitas aelerna habeat
in se contrarictalem? 8) utrum bonitas in se contineat differmliam et concordanliam?
9) utrum bonitas conlineal in se differentiam et contrarietalem? 10) utrum bonitas
in se contineal concordanliam et contrarictalem? 11) quid est magna differentia aelernitalis?
12) quid est magna et aelerna concordantia? 13) quid est magna et aelerna
contrarietas? 14) quid est magna differenlia et concordanlia? 15) quid est magna
di/fere nlia et contrarietas ? 16) quid est magna concordanlia et contrarietas? 17) diffe
renlia concordantiae aelernitalis de quo est? 18) differenlia aelernitalis de quo est?
19) concordantia contrarietalis et aelernitalis de quo est? 20) differentia concordanliae
et contrarietalis de quo est? Hierauf nun folgt (p. 259—267) allen Ernstes die Er
örterung dieser zwanzig Fragen. Hat vielleicht der Leser Lust, sämmtliche 1680
Fragen zu stellen? Auch damit aber wäre die ,,ars" des Lultus noch nicht befrie
digt; denn er fährt hierauf p. 267 fort: Et quaesliones, quas fecimus de cotumna,
sunt generales, et possunt applicari ad quaesliones particutares descendendo per scatas
trianguli viridis (s. ob. Anm.87), per quas inlellectus est discursivus faciendo scienlias
differenles. Et ad hoc damus exen,ptum in eadem cotumna ad solvendum quae
sliones per viginti raliones differentes ralione dictarum camerarum, a quibus extrahuntur:
„Utrum mundus sil aelernus", — eine Frage, zu deren Verneinung nun
(p. 267 —278) die zwanzig „Kammern" der erslen Cötumne aufgebolen werden.
Vgl. Comp. lect. tab. gen. p. 4 ff.
109) Ars invent. verit. p. 13—36, woselbst unter dem Titel „Condiliones prin
cipiorum" die achtzehn Principien derarlig lernarisch in fallender Progression combinirt
werden, dass sich im Ganzen 833 (Jrtheile ergeben. Hingegen in Lect. art.
ine, p. 59—109 wird eine paarweise Combinalion der achtzehn Begriffe unler dem
Tilel „/fiecnfio" höchst ausführlich erörlert. Eben dahin gehört auch die noch un
gedruckle Schrift De affirmalione et negalione (Cod. tat. Man. 10517, f. 11 B — 16 A),
166 XVIII. Raimundus Lullus.
diese Combinalionen und das damit verbundene Auf- und Absteigen der
Begriffe wesentlich die inventio medii gefördert werde 1 10).
Als sechster Theil folgt hierauf Evacuatio lertiae figurae, d. h.
Lullus fordert, dass für jede der 36 „Kammern" der dritten Figur (Anm.
89) vorerst durch ein Combinalions- und Umkehrungs-Spiel 12 Urtheile
formirt und diese dann durch einen erkünstelten allgemeinen Mittelbegriff
gestützt werden sollen, worauf dann 24 Fragen zu beantworten
seien, da bei jedem jener Urtheile sowohl utrum als auch quid gefragt
werden müsse , sowie ausserdem die obigen Defmilionen und aus der
zweiten Figur die Momente der differentia und concordantia und obige
Modalitäten des utrum und des quid berücksichligt werden sollen. So,
meint Lullus , werde die dritte Figur nach ihrem vollen Inhalte ausge
beutet (— evacuare —) und der Intellectus in Bezug auf applicalio,
inventio, disputatio, solulio quaestionum gefördert 1 1 1).
Den siebenten Theil bildet lUulliplicalio quarlae figurae, welche
wieder nur auf die Tabula generalis zurückgreift, insoferne die einzige
welche mit der Lehre vom Urtheite Nichts zu schaffen hat, sondern die Verbin
dungen jener nemlichen achtzehn Principien bejahend und verneinend erörlert.
110) Ars magna et alt. p. 278: Apparet, per quem modum intellectus habet generale
subiectum, sc. tabuiom huius arlis ad inreniendum media, de quacunque maleria
sint (posito, quod sciatur, quod dicitur per nomen), de quibus et cum quibus mediis
sit conctusio, quae quidem media sunt sublectum huiüs arlis. De and. cabb. p. 63 :
Intellectus efficitur asserlivus et ascensivus et descensivus in itlis ftguris et per ittas
figuras, sc. A et T; procedit namquc inlellectus in eis a generalissimo ad specialissimum.
Vgl. Ars brev. p. 14. Ars invent. verit. p. 2 B.
111) Ars magna et ult. p. 278 ff.: Terlia figura est divisa in XXXVI cameras,
ut in ipsa palet, et in qualibel camera sunt implicatae XII propositiones et XXIV
quaesliones et soluliones eanim. Et vocamus evacuare, quando extrahimus proposiliones
el quaesliones et sotuliones earum et de implicalione ad explicalionem ipsam
deducimus doctrinam In camera faciemus proposiliones mutando subiectum in
praedicatum, deinde faciemus quaesliones el postmodum sotuliones faciemus probando
Inlellectus evacuat cameras eo, quia abstrahit ab ipsis tantum quantum
polest Et sie ipse intellectus facit se applicalivum, invesligalivum et inventivum
De camera BC intellectus haurit XII proponliones dicendo sie: Ronitas est
magna. Bonitas est differens. Bonitas est concordans. Magnitudo est bona. Magnitudo
est differens. Magnitudo est concordans. Differenlia est bona. Differentia est
magna. Differentia est concordans. Concordantia est bona. Concordanlia est magna.
Concordantia est di/ferens Dcindc evacuet eam duodecim mediis eo, quod consislit
inler subiectum et praedicatum, cum quibus conveniunt genere aut specie. Et
cum itlis mediis inlellectus faciet se disputalivum et delerminalirum. Kl ista media
extrahuntur, ul cum dicitur: „Omne id, quod magnificatur a magnitudine, est magnum;
sed bonitas est id, quod magnificatur a magnitudine; ergo bonitas est magnum"
Faeta ista evacualione intellectus evacuet ipsam cameram XXIV quarslionibus, quia in
qualibet propositione sunt duae quaesliones implicatae ; el hoc sie: „Bonitas est magna.
Ulrum bonitas sit magna? Quid est bonitas magna?" Deinde inletlectus evacuel
cameram cum diffinitionibus bonitalis etc. (Anm. 91) et cum tribus speciebus differsntiae
et concordanliae, ut palet in secunda figura (Anm. 87). Deinceps evacuet ca
meram cum tribus speciebus reguioe B (Anm. 96) el cum quatuor speciebus regutac C
(Anm. 97). Et expedita ista evacualione inlellectus postmodum solval quaesliones
praedictas sequendo conditiones camerae affirmando aut negando. Et sie in
lellectus expellit a camera dubitaliones et consistit in Hin quietatus et eliam cognoscit
se valde generalem el arlificiatum et de manna scieuliu habitualum. So werden
dann (p. 280—300) in grössler Ausführlichkeit sämmtliche 36 Kammern disculirt.
Vgl. Ars br«v. p. 15. De äud. cabb. p. 64. Brev. pract. tab. gen. p, 38.
XVJ1I. Raimuudus Lullus. 167
neue Erwägung darin besteht, dass in den ternarischen Combinalionen
(z. B. BCD) jeder der drei Buchstaben je zu den zwei übrigen in irgend
einem Verhältnisse (conditio) stehe, so dass sich bei jeder Combinalion
zunächst sechs conditiones ergeben , deren Zahl sich * aber verdoppelt,
sobald in der vierten Figur der innere Kreis um ein Feld gedreht wird;
uqd wenn dann je an die drei combinirten Begriffe sich eine Frage an
knüpft, so erblickt Lullus in dieser ganzen Procedur abermals ein för
derliches Mittel für inventio und aber auch für jedes Beweisverfahren112).
Nemlich da die inventio medii immer sich durch den mittleren Kreis
der vierten Figur (s. Anm. 90) ergebe 113), meint er, dass nun hiemit
die probatio in all ihren Arten bewerkstelligt werde 114), und der Kenner
der Ars magna weit über alle Sophislik triumphirend erhaben sei115),
deren Vernichtung sich nun von selbst ergebe11''). Kurz diese Erwei
terung der vierten Figur gilt dem Lullus als der umfassendste Schlüssel
aller Wissenschaften 117) und als eine Ausgleichung, welche der Intellectus
112) Ars brev. p. 16: Mulliplicalio quartac figmae consislit in hoc videlicet,
quod prima camera lil'l, in quarta figura significat, '/<"«' B unam conditionem habet
cum C et aliam cum D, et C unam conditionem habet cum B el aliam mm D, et D
unam conditionem kubet cum B et aliam cum C. El sie suul in ipsa camera sex
condiliones, cum quibus inlellectus se condilional et disponit ad invesligandum et
inveniendum et obiiciendum et probandum et delerminandum. Post istas sex con*
dilioues intellectus aequirit alias sex condiliones volvendo cireutum minorem, ponendo
suusa K sub C circuli medioeris, sub quo erat suum D. Et quia mutata est camera,
ideo mutantur eius condiliones, et sie intellectus babitual se XV (s. sogleich) eondilionibus.
Et sie per alias cameras mulliplicando cotumnas el volvendo itios. Cof»-
diliones, quas intellectus mulliplicat per istum modum, siM difficites ad enumerandum,
nam de qualibet camera polest intellectus sie evacuare XXX propositiones et XC
rjuucst,nnr*. Jedoch alle diese Zahlen sind unrichlig; theitweise besser lesen wir
de aud. cabb. p. 67: volvendo roluiom minorem factae sunt aliae sex condilio
nes, el hoc modo volvendo intellectus mulliplical de uno quoque spaliolo XII
propositiones et XXIV quaesliones. Wenn aber hinwiederum ebend. p. 66 gesagt
ist „mulliplicantur entia per spalioio quartae figurae ad numerum CCLII", so slimmt
allerdings dieser Calcul mit der Erwägung überein, dass in der Tabuio generalis
(Anm. 106 f.) je in den erslen Kammern der erslen sieben Cotumnen BC sieben
Combinalioneo eingeht , und sonach für BC 7 X 12 = 84 „condiliones" entstehen,
bei deren jeder im Hinblicke auf die drei combinirten Buchstaben drei Fragen, also
im Ganzen 3 X 84 = 252 Fragen erwacbsen. Aber nach der DreBungs-Operalion,
welche in der vierten Figur vorgenommen werden soll, ist überhaupt dieser ganze
Calcul unrichlig (s. Anm. 90 u. 106). In Wahrhelt sind es ja 729 Combinali onen,
und insoferne deren jede secbs conditiones erhalten mag und zu jeder condilio drei
Fragen gehören, gewinnen wir 18 X 729 = 13122 Fragen.
113) Ars magna el ult. p. 301: Cum arlista vull medium, semper investigat in
medio cireuio. Nam sicut animali compelit, stare meusuralive el coniunclive intcr
substanliam el hominem, quando conctuditur, quod homo est substanlia, sie litlera,
quae i"•l in medio cireulo, debet stare iuler litteram exislenlem in superiori cireulo
et litteram, quae est in inferiori.
114) Ebend. p. 304: Probalio est genus, et suae species sunt per „demonstralionem
propler quid" el per „demonstralionem aequiparanliae" el per „quod" divisae.
S. ob. Aüm. 56 ff.
115) Ars brev. p. 16 f.: In itlo passu cognoscit se inlellectus valde generalem
et artificiatum supra alium inlellectum ignoranlem istam artem et sie sophista
coram tali intellectu non polest stare. Ebenso De aud. cabb. p. 67.
116) Ars magna el ult. p. 305—313. (Ein Excerpt aus den Soph. Etenchi).
117) Ebend. p. 313: Per quartam figuram verius, quam per alias datur modus,
quo aliae scienliae possunt facitiler et breviler aequiri, sicul theologia, phitosophia
168 XVIII. Raimundus Lullus.
mittelst seiner ihm „angeborenen" Principien mit dem gesammten objecliven
Gegenstande des Wissens überhaupt finde118).
Trotzdem aber sind wir mit dieser Technik noch nicht zu Ende,
sondern es folgt als achter Theil die Sfixlio principiorum el regularum,
wobei noch einmal die „Principien" (d. h. die absoluten und die relaliven
Prädicate), um welche sich schon alles Bisherige gedreht hatte, den Ge
genstand bilden; dieselben sollen nemlich nun sowohl wieder unter sich
derarlig zu Urtheilen verbunden werden , dass jedes durch die übrigen
siebzehn eine nähere Beslimmung findet, als auch sollen nun an die ein
zelnen achtzehn Begriffe sämmtliche obige Fragen (d. h. „Regeln", s. Anm.
94 ff.) angelegt werden119).
Und nun erst kommt noch der übrige Theil des Alphahetums (Anm.
85), welcher bisher noch keine Rolle gespielt hatte, zur Betrachtung,
indem der neunte Theil die dorligen „novem subiecta" erörtert, bei
welchen als allgemeine Gesichtspunkte ihre Defmilion , ihre Unterschiede
und ihr Uebereinslimmen, sowie ihre Gradabstufung bezeichnet werden120).
Sämmtliche neun Subjecte , ausserhalb deren, wie sich Lullus einbildet,
es überhaupt Nichts gibt, sollen ihrerseits nun wieder durch die achtzehn
Principien und die zehn Fragen hindurchgeführt werden121). Von dem
neunten derselben aber, d. h. von instrumentum , gewinnt Lullus einen
etc., et hoc inveniendo medium non exislens generalissimum neque specialissimum.
Ralio hui its est, quod ista scientia habet principia generalissima et eliam reguios generalissimas
, aliae vero scienliae habe»il suballernata principia , el sie medium earum
est imperfectum sine ista scienlia.
118) De aud. cabb. p. 64: Firns quaesitus in hac methodo non est nisi dotiere
modum, cum quo adaequatur intellectus humanus cum re inlellecta de unoquoque
scibiti; et hoc fit per evacualionem lerliae figurae el cum mulliplicalione quartae
figurae. Lib. corret. innat. f. 50 A: Subiectum hui n s artis est innata pturalitas primiliva
vera et necessaria, d. b. eben die achtzehn „Principien".
119) Ars magna et alt. p. 315: De mixtione principiorum et regutarum. Pars
ista in duas parles dividitur, sc. in mixlionem principiorum dedurtorum uno deducto
cum alio, secunda pars est de principiis deductis per regutas. Datur doctrina, quomodo
unum principium cognoscatur per alia deducendo ipsum per ipsa principia et
per omnes species reguiorum Et ista mixtio est ccntrum el subiectum huius artis.
Hierauf werden in der That vorerst (p. 316 —340) die achtzehn „Principien" je
einzeln in Beziehung zu den übrigen siebzehn gebracht, und sodann (p. 340—375)
wieder jedes derselben an den zehn obigen Fragen gemessen. Vgl. Ars brev. p. 17.
De aud. cabb. p. 67 ff. Brev. pract. tab. gener, p. 37 ff. Comp. lect. tab. gen.
p. l B.
120) Ars brev. p. 17: Ponuntur novem subiecta in alphabeto significata , in
quibus cadit, quidquid est, et extra ipsa nihit est (p. 18) Tractatus istorum
subiectorum consideramus cum quatuor conditionibus Prima condilio haec est,
ul quodlibet subiectum habeat suam di/finitianem Secunda condilio est, quod in
iudicio sive in' praclica conservetur differentia subiectorum Terlia condilio est,
quod concordantia, quae est inter unum subiectum et aliud subiectum, non destruatur
Quarta est, quod, secundum quod unum subiectum est nobitius el allius, ei
attribuantur alliora el nobitiora principia. Ebenso De aud. cabb. p. 70 ff.
121) Ars magn. et ult. p. 375: Quoniam in novem subiectis omne, quod est,
implicatur el extra nihit est, idcireo volumus ponere ipsa in hac arle, ul cum ipsis
ars sit generalis, eo quod sunt generalia ad omnia. Et ideo discurrendo praedicta
subiecta per principia huius artis et reguios de ipsis subiectis nolitiam habere polerimus
u. s. f. Diess geschieht nun mit den erslen acht unter jenen neun Suhjecten
(p. 376—443), indem jedesmal zuerst die „principia" und dann die „rejufoe" zur
Erörlerung verwendet werden.
XVIII. Raimnndus Lullus. 169
etwas halsbrecherischen Uebergang zu den letzten zwei Quer-Reihen des
Alphabetums, nemlich zu den neun Tugenden und neun Lastern, deren
Erörterung ich ohne Neid der Geschichte der Ethik überlasse 122). Uebrigens
glaubt Lullus auch hiedurch wieder Erspriessliches für die inventio
medii geleistet zu haben123).
Was hierauf noch folgt, gehört eigentlich schon mehr der Praxis
dieser Technik an. Nemlich den zehnten Theil bildet unter dem Titel
„Applicatio" die ausführliche Himvetsung darauf, dass zur Verdeutlichung
die Subjecte auf ihre Prädicate und die abstracten Substanliv-Formen auf
ihre Adjecliva angewendet werden sollen, sowie dass überall stets der
gesammte Inhalt der vorhergegangenen neun Theile der Ars magna zur
Ausübung kommen soll, wozu jedoch nun noch zwei neue Bestandtheile
hinzutreten 124). Zunächst nemlich reihen sich „Centum formae" an,
d. h. hundert Begriffe , welche aus sehr verschiedenen Disciplinen (auch
122) Ebend. p. 443: De nono subiecto, quod est de instrumentalitale. Nonum
subiectum est de artificio et habet tres species. Prima est de moralibus, secunda de
artibus liberalibus, lertia de mechanicis. De prima, sc. de moralibus hie tractabimus
a. s. f., und es folgen hiemlt (p. 443—487) in gleicher Durchführung durch die
Principien und durch die Regeln vorerst die neun Tugenden und dann die neun
Laster. Hingegen Ars brev. p. 23: Istud subicctum est de instrumentalitale et consideratur
duobus modis, sc. naturaliler et moraliter Instrumentun, quidem
naturale polest cognosci deducendo ipsum per principia el reguios Simititer et
instrumentum morale ; talem autem deductionem dimillimus intellectni bens intuenli,
el si intellectus arlistae depcit in tali deduclione, recurral ad artem magnam,
in qua iorgius tractamus de mnralibus. Somit besteht hier ein anderes Eintheitungs-
Moliv der instrumenta, als in der Ars magna; aber das rasche Umspringen zu den
moralia ist beiden Redaclionen gemeinsam.
123) Die Erörterung dieser novem subiecta bitdet nemlich auch den ausschliesslichen
Inhalt der kleinen Schrift De conversione subiecli et praedicali, und dort
lesen wir p. 166: Subiectum huius libri est medium, per quod investigamus conversionem
subiecti et praedicali. p. 167: Si Mellectus invenit medium substantiale inter
subiectum et praedicatum, cognoscit, quod ex tali medio fial demonstralio ; et sie non
fiel sgllogismus opinalivus.
124) Ars brev. p. 24 f.: Applicalio dividitur in tres partes. Prima est, quando
applicatur implicitum ad explicitum; secunda est, quando applicatur abstractum ad
coneretum ; tertia est, quando applicatur quaeslio ad loca huius artis. De prima
parle sie dicemus: Si lermini quactlionis sunt implicili, applicentur ad lerminos huius
artis explicitos, sicut, quando quaeritur, utrum fleus sit, aut utrum angeli sint,
applicentur ad bonitalem, magnitudinem etc De secunda parle sie dicendum est:
Si lermini quaestionis sunt abstracli, applicentur ad suos lerminos coneretos, sicul
bonitas ad bonum etc., el videatur, quomodo se habent lerminus abstractus et coneretus
discurrendo per principia el reguios. Terlia pars, qune est de applicalione ad
loca, dividitur in XIII partes, quae sunt hae: Prima figura, Secunda figura, Tertia
figura, Quarta figura, Diffinilioncs, Reguioe, Tabuta, Evacualio lertiae figurae, Mulliplicalio
quartae figurae, Mixtio principiorum et reguiorum, Novem svbiecta, Centum
formae, Quaestiones. Diese lertia pars ist in De aud. cabb. p. 79 folgendermaassen
in novem species eingetheitt: Prima fig., Sec. fig., Tert. fig., Qu. fig., Mixtio princ.
el reg., Reguioe, Novem subiecta, Quidditas centum formarum, Quaestiones. Hingegen
Ars magn. et ult. p. 488 slimmt mit Ars brev. überein, nur werden dort ohne
Ober- und Unter-Abtheitung sofort fünfzehn partes der applicalio gezählt (d. h.
1. implic. ad explic., 2. abstr. ad coner., 3. Prima figura, 4. See. fig. u. s. f.).
Die ersten dreizehn derselben enthalten nun dort (p. 488 —496) nur eine „praclische"
Recapitulalion desjenigen, was über die einzelnen Theite schon im Obigen ent
wickelt worden war. Vgl. Camp. lect. tab. gen. p. 2 B. In Lect. art. inv. p. 109—133
wird nur über implicile und explicile gehandelt.
170 XVIII. Raimundus Lullus.
aus der Logik selbst, z. B. die Kategorien) entnommen und in möglichst
dummer Weise definirt und hierauf näher erläutert werden125). Uebrigens
sind dabei auch diejenigen , welche der Logik angehören , durch
aus nicht im Sinne der Logik , sondern nur im Slile der Ars magna
besprochen128). ,
Sodann aber sind es (als elfter Theil) Quaestiones , welche einer
seits abermals den vorhergegangenen Inhalt recapituliren und andrerseits
materiell auf das Gebiet der Theologie hinüberweisen 127).
125) Ars magna. et ult. p. 496: Vocamus quidem centum formas, nam in abs
tracto ipsas quidem si consideramus, aliquae erunt generalissimae, aliquae erunt
suballernae; et cuilibet formae assignamus suum coneretum, ut quaelibet forma inlellectui
magis etucescat, n. s. f. Und nun werden (p. 496 —562) in ziemlich pion
loser Ordnung folgende hundert Begriffe definirt und erörlert: Entitas, Essentia,
Unitas, Pturalitas, Natura, Genus, Species, Indivijuitas, Proprietas, Simplicitas, Composilio,
Forma, Maleria, Substanlia, Accidens, Quanlitas, Qualitas, Reiolin, Aclio,
Passio, Habitus, Situs, Tempus, Loms, Matus, Immobititas, Inslinctus, Appelitus,
Attractio, Receplio, Phantasma, Plenitudo, Diffusio, Digestio, Expulsio, Significalio,
Pulehritudo, Novitas, Idea, Mathemalica, Ens in polenlia, Punctuitas, Linea, Triangutus,
Quadrangutus, Cinutus, Corpus, Figura, Generales rectitudines, Monstruitas,
Derivulio, Umbra, Speculum, Color, Proporlio, Disposilio, Crealio, Praedestinalio,
Misericordia, Necessitas, Fortuna, Ordinalio, Consitium, Gralia, Perfeclio, Decioralio,
Transsubstantialio, Alleralio, Infinitas, Dcceplio, Honor, Capacitas, Existentia, Comprehensio,
Invenlio, Similitudo, Antccedens, Polenlia, Generalio, Theologia, Pbitosophia,
Geometria, Astronomia, Arithmelica, Musica, Rhetorica, Logica, Grammalica, Moralitas,
Polilica, Jus, Medicina, Regimen, Mitilia, Mereatura, Navigalio, Conscienlia, Praedicalio,
Oralio, Memoria. Vgl. Ars bree. p. 25 ff. Hingegen De aud. eabb. p. 80 ff.
fehlen hievon : Proprietas bis Maleria, dann Immobititas, Phantasma, Ens in polenlia,
Derivalio, und sämmtliche von Specutum an bis Memoria, nur Necessitas und Polenlia
ausgenommen; neu aber kommen dort hinzu: Initium, Indivisum, Etemenlivum,
fdem, Simite, Primum, Perfectum, Finitum, Totum, Deminutum, Persona, Hoc, Aliud,
Suslentans, Agens, Actu praeditum , Vacuum, Alleralio, Anliquitas , so dass dort es
nur 64 Definilionen sind. Vgl. Brev. pract. tab. gener, p. 14—35. Hingegen eine
sehr abweichende Zusammenstellung s. unten Anm. 163.
126) Z. B. Ars m. et ult. p. 500: Individuitas est diffinibitis per primam speciem
reguioe C, nam sicut bonitas est ralio bono, quod agat bonum, sie individuitas est
ralio individuo , quod producat tndividuum, et sicut individuitas est bona per bonitalem,
sie bonitas indii'iduata est per individuitalem.
127) Ars brev. p. 29 : De quaeslionibus. Haec pars dividitur in Xll parles seu
tosa disposita et proporlionata ad quaesliones secundum maleriae diversitalem , ex
qua sunt Videlicel: Prima figura, Secunda figura, Terlia figura, Quarta figura,
Diffiniliones , Reguioe, Tabuio, Evacualio lertiae figurae, Mulliplicalio quartae figurae,
Mixlio principiorum et reguiorum, Novem subiecta, Centum formae. Die erstep sechs
Gegenstände sind nur in Ars hrevis (p. 30—33) behandelt. Die Ars magna et ult.
beginnt erst mit den Fragen über Tabuio generalis und erörlert (p. 563—582) zur
Probe die erslen acht „Kammern" der erslen Cotumne , lässt dann in Kürze (p.
582—584) die näcbstem drei Gruppen folgen, um hierauf in grosser Ausführlichkelt
(p. 584— 599) die Fragen über die novem subiecta folgen zu iossen, wobei wieder
wie oben (Anm. 122) von „Instrumentum" auf die Tugenden und Lasler überge
gangen wird , deren Erörterung (p. 599—625) gleichfalls sehr gedehnt ist. Dann
folgen die Fragen über applicalio (p. 626—630) ganz im Anschlusse an obige
Theorie derselben (Anm. 124), so dass schliesslich die Fragen über die centum
formae sich anreiben, in welchen (p. 630—661) der ganze obige Inhalt in Frage-
Form recapitulirt wird. In De aud. cabb. beginnt dieser Abschnitt (p. 101) erst
mit den novem subiecta, auf welche dann (p. 107 - 110) noch in Kürze die erslen
14 der centum formae folgen. In Tab. gener, p. 23—75 werden die Fragen vou
„Prima figura"' bis „Tabuta"' durchgeführt, und der Best (p. 55—75) als „Quaestiones
per alias quaesliones" erledigt. In Ars inv. ver. p. 66—204 u. Lect. art. iiw. p.
XVIII. Raimundus Lullus. 171
Endlich den Schluss bilden zwei kurze Abschnitte, deren einer die
habituatio, d. h. die Angewöhnung der Technik128), der andere aber
das Verhalten des Lehrers betrifft129), woran etwa auch noch die
Dispulirkunst geknüpft werden konnte 130). Ergötzlich aber ist es, wie
Lullus betreffs der Lernenden drei Gradabstufungen des Talentes nach
der Geschwindigkeit abmisst, mit welcher man sich die ganze Technik
aneigne 131).
Jene beiden Schriften des Lullus, welche die specielle Aufgabe haben,
zu lehren , in welcher Weise die Technik praklisch angewendet werden
soll (s. Anm. 16), musste ich allerdings schon im Obigen mehrfach durch
Bezeichnung betreffender Parallelstellen berücksichligen; denn nicht bloss
die vier Figuren und die Definilionen und Erklärungen der absoluten und
der relaliven Prädicate schliessen sich dort der übrigen Behandlung der
Ars magna fast gleichlautend an (s. Anm. 86, 87, 89—91, 94, auch
bes. 109), sondern auch da, wo uns schon im Bisherigen die Praxis der
Technik begegnete, fmden wir im Wesentlichen Uebereinslimmung (s. Anm.
124 u. 127 f.). Aber das Eine, was hier neu hinzukommt und zugleich
durchaus ein Mittelglied zwischen der Technik selbst und der bereits (auf
Theologie) angewendeten Technik repräsentirt, darf ich eben darum nicht
unerwähnt lassen.
Nemlich nach den vier Figuren folgt hier 132) ein „Alphabetum"',
welches im Vergleiche mit dem obigen (Anm. 85) sehr modificirt ist.
Wohl sind die ersten beiden Columnen (mit den neun Buchstaben B—K
bezeichnet) idenlisch mit den ersten beiden Quer -Reihen "des obigen
Alphabetes, aber die dritte Columue besteht aus neun '„Regulae" und die
vierte aus neun theologischen oder naturphilosophischen Quaestiones. Und
was nun jene „Regulae" betrifft, so enthalten dieselben etwas ganz An
deres als dasjenige , was oben (Anm. 94 ff.) so genannt worden war.
Denn wenn auch allenfalls die Regel über suppositio uns an das dorlige
134-—311 sind es neun Fragen, welche lediglich der Theologie angehören, aber in
peinlichster Ausführlichkeit auftrelen, und in letzterer Schrift folgen dort noch (p.
311 — 358) Mitle minutae quaesliones aus dem Gebiele der Theologie (es sind jedoch
in Folge des Zustandes der Handschrift nur 912).
128) Ars magna et ult. p. 662: Habitualio dividitur in tres purtes. Quarum
prima est de tribus parlibus, in quas haec ars dividiturl et Mas arlista habituare
debet Secunda J,ars est, quod habituet modum et processum huius arlis
Terlia pars est, quod ipse Iiabeal modum mulliplicandi quaesliones et sotuliones.
Ebenso Ars brev. p. 42. Vgl. Tab. «jener, p. 75. Ars inv. ver. p. 204 ff.
129) Ars m. et ult. p. 662 : Doctrina dividitur in quatuor partes. Quarum prima
est, ,ä arlista bene sciat cordelenus. Secunda, quod ipse decioret bene lextum
schoioribus Terlia, quod ipse faciat quaesliones coram schotaribus et solvat eas.
Quarta, quod facial schotaribus quaesliones, ut ipsi de Mis respondeant.
Ebenso Ars brev. a. a. O. Vgl. Brev. pract. tab. gen. p. 11 ff.
130) Bree. pract. tab. gen. p. 39 f. werden Regeln über disputalio und p. 40 ff.
über decioralio lextus gegeben.
131) Ars m. et ult. p. 663 : Homo habens oplimum inlellectum et fundatum in
logica et in naturalibus et ditigenliam polerit istam scienliam scire duobus mensibus,
uno mense pro theorica et allero mense pro praclica. Homo habens inlellectum meliorem
polerit ipsam scire quatuor mensibus Homo habens inlellectum bonum
polerit ipsam scire in medio anno.
132) Ars inv. verit. p. 13.
172 XVIII. Raimundus Lullus.
ulrum erinnern könnte133), so reihen sich noch Regeln über folgende
verschiedene Gesichtspunkte an: de modo essendi et intelligendi13*), de
modo invesligandi 135), de specificatione generalis 136), de contradictione131),
de necessario et contingenti13*), de demonslralione139), de
punctis transcendentibus1*0), de maiorüale /Sms141).
Diejenigen Schriften nun, welche nach der Absicht des Lullus das
Resultat der auf Alles angewendeten Technik und somit gleichsam eine
Encyclopädie der Wissenschaften enthalten, gehen eben dämm über die
logische (?) Manipulalion der Technik selbst hinaus, ja Lnllus meint, diese
seine Myslik stehe als höheres Drittes über Logik und Metaphysik142). Und
133) Ebend. p. 37: Prima reguio est, in prineipio investigalionis supponere,
utramque parlem contradictionis possibite esse veram sive falsam.
134) Ebend. p. 38: Cum sit differentia inler modum essendi rei et modum eam
inlelligendi, considerandum est, qua ralione procedit medium conctusionis, an per
concordanliam utriusque modi, an per contrarietalem.
135) Ebend. : Duobus modis est in hac arle invesligalio facienda. Primus coasistit
in specutalione figurarum (p. 39) Secundus consislit sotum in inlellectu,
et iste in quinquc modos est divisus , sc. quod inlellectus simpliciler, dupliciter,
trianguioriler, quadranguioriter et cireuioriler per lerminns discurral (die Ausdrücke
jjtrianQuioriler" a. „quadr." bedeuten hier nur eine dreifache und eine vierfache
Combinalion, „cireutariter" aber das Durchlaufen all jener Combinalionen).
136) Ebend. p. 41: Ex generali omnino generali et speciali omnino speciali
lertium constituitur sapiens naturam utriusquc ; est enim ittud lertium membrum magni
ambitus tanquam medium extremitatum Specificando ipsa unirersalia per contractionem
eorum ad ipsas proprietales.
137) Ebend. p. 43: Fallitur inlellectus ignoranlis aliquolies in his, quae contradicere
ridentur nec tamen contradieunt, vel in his, quae non videntur esse in contradiclione
et sunt.
138) Ebend. p. 44: Omnc, quod est, aut est necessarium aul contingens, quare
inter ea discurrere est multum ulile, nam esse sive agere uniuscuiusque rei m aliquo
istorum duorum versatur.
139) Ebend. p. 45: Demonstralionum alia est simititudinaria, quae per exempio
et metaphoras habetur Demonstralio vero propria in tres species est divisa (d. h.
quid, quia u. per aequiparanliam. s. ob. Anm. 56 ff.).
140) Ebend. p. 47 : In omni maleria punctum transcendentem dicimus inreniri
passe (die Wortform „puncl»s" ist damals allgemein üblich, nur im Ptural sagte
man häufig auch „pimcfa"); causatur enim punctus transcendens ex excessu, quem
alia polenliarum hominis habet supra aliam aut aliquando supra se ipsam
Quaedam ergo punctorum transcendenlium causantur ex hoc, quod intellectus,
qui esl superior polentia , imaginalioni et sensui naturaliter est unitus Quidam
vero punctorum transcendentium causantur ex hoc, quod intellectus transcendit per
ralionem obiecli ralionem sui ipsius. Als solche transscendentc Punkle der ersteren
Art werden dann (p. 47—51) besprochen: Etementaliva, Vegetaliva, Sensiliva. Imaginaliva;
die letzlere Art wird (p. 51 —61) aufgezeigt in: Ralionaliva, Moralitas,
Coeleste, Anqetus, Divina quidditas.
141) Ebend. p. 61 : Est .maioritas finis id, quod est melius et melius et quod
oportel esse necessario melius; et consistit duobus modis, sc. sccundum proportionem
et secundum comparalionem.
142) Introd. art. demonstr. p. l A: Metaphgsica considerat res, quae sunt extra
animam, proul conveniunt in ralione enlis; logica aulem considerat res secundum
esse, quod habent in anima, quia tractat de quibusdam intentionibus, quae consequuntur
esse rerum inlelligibitium (B) Sed haec, ars tanquam suprema onmium
humanarum scienliarum indifferenler respicit ens secundum istum modum et secundum
ittum Sotum docet riam inveniendi communia et propria principia in quacunque
scienlia, sotum ponit aliquos lerminos principiorum, quibus mediantibus
possunt formari infinitae proposiliones.
XVIII. Raimundus Lullus. 173
wenn ich schon zur Besprechung der Technik mich fast widerwillig eutschloss
, so könnte ich wohl diese ganze Gruppe in Anhetracht ihres In
haltes völlig bei Seite lassen. Doch will ich Folgendes erwähnen.
Am nächsten noch schliesst sich an Obiges die Schrift „Arbor
scientiae" an, insoweit in derselben wenigstens jene nemlichen „achtzehn
Principien" beibehalten sind, welche nun als achtzehn Wurzeln des Baumes
erscheinen: den Stamm desselben bildet das Chaos, die Aeste und Zweige
die vier Elemente und deren Zusammensetzungen, die Blätter die Accidenlien,
die Blüthen die Werkzeuge, und die Früchte die individuellen
Wesen143). In den übrigen Schriften aber, welche zu dieser Gruppe
gehören, werden auf die abenteuerlichste Weise die „Principien" und die
obigen Kreis -Figuren vermehrt und bereichert. So erscheint die erste
Figur (Anm. 86) nun als „figura dei" mit 16 Feldern, indem perfectio,
iustitia, largüas, misericordia, humilitas, dominium, patientia neu hin
zukommen144). Auch obige figura T (Anm. 87) ist erweitert, indem zu
den dorligen drei Dreiecken noch zwei neue, eines mit den Ecken deus,
creatura, operatio, das andere mit den Ecken affirmatio, negatio, dubilatio,
hinzugefügt werden145). Ferner wird eine secunda figura T vor
geführt, welche einen in 15 Felder (modus, species, ordo, allerüas,
identüas, communüas , priorüas , simultas , posteriorüas , superioritas,
convertibilitas, inferiorilas, universale, indefinitum, singulare) getheilten
Kreis zeigt 146). Desgleichen neu ist figura S oder „veritalis" oder
„animae", welche in 16 Feldern eines Kreises verschiedene Modificalionen
der Begriffe memoria, actus, voluntas , intellectus , compositio unter
bringt147). Auch die Tugenden und Laster (s. im Alphabetum, Anm. 85)
werden, jedoch unter Weglassung von sapientia, pielas, mendacium, inconstantia,
in einen Kreis von 14 Feldern gebracht, welcher „figura V"
heisst 143). Die figura theologiae und figura iuris überlasse ich gerne
diesen beiden Facultäten 149), sowie die figura elementalis den Natur-
143) Diese ganze Gruppirung, welche durch einen (in mehreren älleren Drucken
bunt bemallen) Baum versinnlicht ist, wird dann behufs einer Encyclopädie auf eine
ganze Menge von Bäumen angewendet, nemlich: arbor elementalis, vegetalis, sensualis,
imaginalis, humanalis, moralis, imperialis, apostolicalis, coeleslialis, angelicalis,
aelernalis, malernalis (d. h. Maria, welche Lultus ja auch in Gedichlen ver
herrlichle), divinalis-bumanalis (d. h. Christus), divinalis, exemplificalio, quaestionalis,
an welch letzteren sich Fragen über die obigen (Anm. 125) „centum formae" anschliessrn.
144) Ars demonstr. p. 2, Lect. art. dem. p. 2, Comp. art. dem. p. 20, Propos.
sec. art. dem. p. 18 u. 45, Ars inv. part, in univ. p. 2, Ars magna et maior p. 5
u. 43, Lect. art. comp. inv. ver. p. 9 u. 50.
145) Lect. art. dem. p. 12, Comp. art. dem. p. 7, Propos, sec. art. dem. p. 2,
13 u. 41, Ars inv. part. p. 2, Ars magna et maior p. 42, Lect. art. comp. inv. ver.
p. 4 n. 25.
146) Ars demonstr. p. 2 f. u. die- so eben angeführlen übrigen Slellen.
147) Lect. art. dem. p. 7, Comp. art. dem. p. 14, Propos. s. art. dem. p. 3,
20 u. 46, Ars ine. pari. p. 2, Ars magna et maior p. 41, Lect. art. comp. ine.
ver. p. 2.
148) Lect. art. dem. p. 17, Comp. art. dem. p. 28, Propos, s. art. dem. p. 4,
23 u. 49, Ars. magna et maior p. 6 u. 43, Lect. art. comp. inv. ver. p. 12 n. 84.
149) Ars demonstr. p. 52 ff., Lect. art. dem. p. 42 1F., Comp. art. dem. p. 35
u. 49, Propos, s. art. dem. p. 5, 27, 30, 52, 55. S. auch Sai'igng, Gesch. d. röm.
Rechtes im Mitleiolt. V (2. Aul).), p. 616 ff.
L.
174 XVIII. Raimundus Lullus.
forschem150). Ein Höhepunkt der Tändelei aber ist die figura derivalionum,
welche in 13 Feldern eines Kreises die Sylben re, ri, ans, us,
le, tus, nus, do, ne, er, in, prae, de vorführtl51). Ausserdem noch
werden sämmtliche Figuren in Eine /igura universalts zusammengefasst,
welche aus 13 concentrischen Kreisen mit je 16 Feldern besteht152), und
überdiess für alle einzelnen Figuren die möglichen paarweisen Combinalionen
(nach dem Muster der obigen dritten Figur, Anm. 89) vor Augen
gestellt153). Das Ziel aber liegt hiebei überall in einer Unzahl theolo
gischer quaestiones 154); denn, wie Lullus selbst sagt, diese ganze Be
handlungsweise der Ars magna soll nur der Verherrlichung Gottes und
der Zerknirschung der Seele dienen 155). Darum endlich befindet sich
auch die figura philosophiae, welche in 16 Feldern die Begriffe „prima
causa, motus, intelligentia , orbis , forma, maleria, natura, elementa,
appelitus, polentia, habitus, actus, mixlio, digeslio, compositio, alleralio"
enthält, auf einem Gebiete, welches uns für die Logik durchaus nicht
interessirt 156).
Während aber Lullus in dem Gesammlumkreise seiner Ars magna
das einzige Heil der Wissenschaft erblickte (vgl. Anm. 117 f. u. 142) und
dagegen die gewöhnliche Schul-Logik für etwas Schwaches und Unter
geordnetes hielt (Anm. 32). scheint hinwiederum die tradilionelle Auctorität
der letzteren ihm das Zugeständniss abgenöthigl zu haben , dass seine
Ars magna dem üblichen Betriebe der Logik sich doch nicht ganz verschliesse,
sondern dass man in seiner obigen mulliplicatio quartae figurae
(Anm. 1 12 ff.) und auch in den „centum formae" (Anm. 125) all Das
jenige, — natürlich in viel besserer Weise —, finde, was in der ge
wöhnlichen Logik gelehrt werde 187). So konnte er sich auch herbei-
150) Lect. art. dem. p. 23, Comp. art. dem. p. 58, Propos. s. art. dem. p. 6,
33 u. 56. Dass Lultus zu den hervorragenden Alchimisten gehörle, ist bekannt;
s. Kopp, Gesch. d. Chemie, l, p. 67 ff. II, 178 ff.
151) Ars demonstr. p. 91. Introd. art. demonstr. p. 25 B : ,,fie" significat verba
activa...., „St" significat verba passiva , „j4ns" rsl „us" significal participia
oul polentialitalem, ul bonificalivus , „Le, Tu»" significant passiva , „JVn»U
conereta, ut bonus , „ßo" abstracta, ul magnitudo . . .., „JVe, £r" adverbia ,
,,fn, Prae, />c" signi/icant composiliones , ul iniuslilia. Auch beruht hierauf die
kleine Schrift Correiota innata (s. bes. dort f. 50 B).
152) Comp. art. dem. p. 71, Vropos. s. art. dem. p. 7, 37 u. 58, Lect. art.
comp. in», ver. p. 19.
153) Ars demonstr. p. 8, Propos, s. art. dem. p. 10, Lect. art. comp. ine.
ver. p. 25.
154) An demonstr. p. 52 ff., Comp. art. dem. p. 89 ff., Vropos. s. art. dem.
p. 40 ff., Ars magna et maior p. 31 ff.
155) Lect. art. demonstr. p. l A: Quoniam deus multum est recolibitis, inlelligibitis
et amabitis, est ideo multum nobis necesse, ul eo fruamur specuiontes eum
recolendo, intelligendo et amando in tola anima nostra et viribus eins, quod est
utlimus finis eius; ad hoc siquidem hanc artem duximus deciorandam, quae instrumentum
est actibus animae Ad dei magnificenliam haec ars facta est. Comp.
art. demonstr. p. l A: Haec ars instruit nos, intelligere et dittgere deum, adhasrere
virtulibus , odire vilia et confundere infidelium erroneas opiniones. Ars magna et
maior p. l B : Polest homo invenire veritatem sub compendio et contempiori et
cognoscere deum et vivificare virtules et mortificare vitia.
156) Ars demonstr. p. 99 ff., Lect. art. dem. p. 46, Comp. art. dem. p. 45,
Propos, s. art. dem. p. 5, 28 u. 53.
157) An magna et ult. p. 537; Logica est ars, qua logicus invenit connmctio
XVIII. Raimundus Lullus. 175
lassen , Schriften zu verfassen , welche als ein Mittelding zwischen der
Ars magna und der tradilionellen Logik auftreten. Solcher Art nemlich
ist zunächst die Nova logica, durch welche die Weitschweifigkeit und
Hinfälligkeit der alten (aristotelisch-byzanlinischen) Logik vermieden und
das Auswendiglernen der logischen Lehren erleichtert werden soll158).
Dieselbe hat sieben distinctiones. Die erste beginnt mit ens, welches im
Sinne der Schrift „Arbor scientiae" eingetheilt wird und so zu corpus,
animal, homo führt159), worauf unmittelbar die obige Erörterung der
zehn Fragen oder „regulae" folgt 160). Die zweite enthält die fünf Uni
versalien , welche natürlich als reale Wesen gelten und sämmtlich nun
eben jenen zehn Fragen unterworfen werden101); die dritte entwickelt
die Kategorien gleichfalls mittelst dieser nemlicheu Fragen162). Den Ge
genstand der vierten Dislinclion bilden wieder „centum formae", welche
jedoch von den obigen (Anm. 125) stark abweichen, und deren erste
beide, — zur Probe davon, was mit den übrigen 98 geschehen solle —,
jenen nemlicheu zehn Fragen unterstellt werden103). In der fünften
folgt nun in Kürze die Lehre vom Urtheile164), von der Defmilion165) und
»em intcr subiectum et praedicatum, quac est medium, cum quo necessarias conelusiones
seit facere. Logicus per diffinitionem msdii invenit medium conliguum, ....et
de hoc datur exemptum in mulliplicalione quartae figmae. Adhuc logicus tractat de
V praedica'bitibus et de X praedicamentis, et de hoc exemptum in tractatu centum
formarum. (p. 538; Hem logicus tractat de sgllogismo et de figuris el de faliociis,
et de omnibus islis exemplificatum est in multiplicalionc quartae figmae Logicus
facit praedicatum superiuris de inferiori .... Ilem ponit mulliplicitalem generis, ponit
genus generalissimum et simitiler speciei mulliplicitalem Logivus tractat
de differentia differentiando el de concordantia concordando et de contrarietale contrariando.
, .
158) Nova logica, (. 3 r.: Considerantes, velerem et antiquam logicam ab eam
inquirentibus propler sui prolixitalem cum tabore maximo plenius aequiri et aequisitam
propler sui iobititalem cum nimia difficultale in memoria relineri diulius, idcireo
ad prolixitalem et iobititalem huiusmodi evitandam cogitavimus , divino auxilio mediante
novam et compendiosam logicam invenire, quae ab ipsam inquirentibus citra
nimiam difficultalem aequiratur et aequisita in memoria plenarie conservetur.
159) f. 3 v.— 6 r. S. Anm. 143.
160) f. 6 r.— 8 r. S. Anm. 94-105.
161) f. 8 r. — 13 r. Jene Stelle, welche das offene Bekenntniss des Realismus
enthält, wurde schon oben, Anm. 44, angeführt.
162) f. 13 v.— 20 v.
163) f. 20 v. - 25 r. Die hundert Begriffe sind hier: Individuum, Bonitas,
Magnitudo, Duralio, Polestas, Sapienlia, Votuntas, Virtus, Veritas, Gloria, Concordantia,
Contrarietas, Principium, Medium, Finis, Maioritas, Aequalitas, Minoritas, Essenlia,
Natura, Forma, Maleria , Immobititas, Mobititas, Matus, Dubitalio, Affirmalio, Negalio,
Memoria, Intenlio, Generalio, Corruplio, Pri,'alio , Opinio, Suspicio, Condilio, Anlecedens,
Consequens, Derivalio, Influenlia, Reflucntia, Abstractum, Coneretum, Causa,
Effectus, Occasio, Simplex, Compositum, Inlensitas, Existentia, Agenlia, Figura, .Vecessitas,
Continsientia, Fortuna, Disposilio, Sublititas, Plenum, Vacuum, Polentia, Otiectum,
Actus , Umbra, Subiectum, Praedicatum, Significalio, Attraclio , Impressio,
Simititudo, Numerus, Etemcntaliva, Vegetaliva, Sensiliva, Imaginaliva, Ralionaliva,
Obstinalio , Cov.tradictio , Capacitas , Proportio, Cireumslanlia , Supposilio, Ponctus,
Linea, Humidum radicale , Humidum nutrimentale , Alleralio, Confusio, Augmentalio,
Consummalio, Successio, Mors, Seeretum, Ordo, Continuitas, Divisio, Cogitalio, Audacia,
Artificiuü,, Scientia, Appliealio.
164) f. 25 v.
165) f. 26 v. s. Anm. 93.
176 XVIII. Raimundus Lullus.
vom Bcweisverfahren, bei welch letzterem ein kleines Stück der Topik166)
vor dem Syllogismus167) vorhergeht und dann die Sophislik folgt lüi<).
Die sechste Dislinclion enthält eine Anwendung der zehn Fragen auf
Natur, Theologie, Philosophie, Moral, Recht und Arzneiwissenschaft l6!)),
die siebente aber gibt Fragen über den sämmtlichen Inhalt der vorher
gegangenen sechs Abschnitte170).
Endlich ein anderes derarliges Mittelding ist, was Lullus über Logik
in gereimten catalonischen Versen schrieb. Dort knüpft er an die Defi
nilion der Logik, welche die Kenntniss der wahren und falschen Beweise
sei, sofort die fünf Universalien und die Kategorien der Substanz und
des Accidens , welche sämmtlich in den Figuren der Ars magna ihre
Mischung finden sollen171). Sodann werde durch die Anwendung der
obigen regulae (d. h. der zehn Fragen) die Verknüpfung der Begriffe
bewerkstelligt und so die Einsicht in das Urtheil nach Quanlität, Qualität
und Modalität gewonnen172). Die hiedurch vorgenommene Vergleichung
führe dann zur Lehre von der Definilion173), und hierauf komme man
durch die Mischung der obigen „conditiones" (Anm. 112), d. h. durch
die multiplicatio quarlae figurae, zum Verständnisse der Parlicularität
und Universalität174), und hiedurch sei man befähigt, in den verschie-
166) f. 27 r., woselbst an die drei Arten der demonstralio (s. Aum. 56 ff.)
die Topen a minori, a maiori, ab aequali (vgl. Anra. 70) und einige Bemerkungen
über possibite und impossibite geknüpft werden.
167) f. 28 v. — 30 v. Vor der Angabe der drei Schtusstiguren wird sogar der
Begriff „sgllogismus" jenen zehn Fragen unlerworfen.
168) f. 30 v. — 36 r. s. Anm. 72.
169) f. 37 r. — 40 v.
170) f. 41 r. — 49 v.
171) Bei Rossellö (Anm. 23) p. 400: De io primera distincciö. Ldgica es
sciencia Per io qual höme sapia Parior assufismadment E fer ver e fals argument.
E lnd,en, 's d'universals , E ab ios figuras höm sab quals Estan en lo tur meselament
Las res d'hon höm fd Pargument (folgt als Beispiel bonea) Vet donchs,
los sinch universals Qui 'n ldgica son principals Comenfaments, que son trobal En
tas figuras et mesciot. Con d'elios en fds mescioments Per lols los turs comencaments,
Substancia et accident D'hon son li deu predicament, Pols en ios figuras trobar
Si 'ls comenfaments sabs mescior.
172) Ebend.: De ta segona distineciö. Los sinch universals sereats Ab ios
regios los vas quirent, Car im no t'en pol escapar; E ab ios tegios pords dar
Conexenfa del predical Ab lo sobjet; e si 's giral Lo sobjet, coneixer pords Ab lo
predicat; et si fds Ab ios regtas comparament Substantial 6 d'accident, La comparaciö
saubrds Ab ios regios per lols los pas. Aco maleix d'affirmaliva Universal
ö negaliva, E aul,e si particuior Ab tas regios pords trobar, Si fds ver 6 fals argument
E 'ls individus exament Ab ios regtas pots impossibol Coneixer et co
qui 's possibol; E autre si necessitdt E contingent serdn mostrat; E autre si faiocid
Ab ios regios se trobard Preposiciö conjunliva E autre si de disjunctiva, Ab
ios regios io pots trobar, Si ab tolas ios vols serear. E aggo maleix tant con dura
Logica, pords per mesura En ios regios tola trobar, Si ab elios sabs enserear.
173) p. 402: De io ler$a distincciö. Ab aquesta distincciö Saubrds far diffiniciü
De tugt li sinch universals, D'els predicaments autre tat, Vet donchs,
per qual ensengaments Saubrds far diffinicions Siguent ios comparacions Que per
Part general se fan.
174) Ebend.: De io quarta distincciö. Si mescios ios condicions De logica et
so*sermons Ab condicions qui estan En esta art, coneixer s'han; Car tugt li condicionar
Qui son en li parlicuior, Cove que sian derivat Universal et atrobal. Pols
XVIII. Raimundus Lullus. 177
denen Bedeutungen der Begriffe den comhinatorischen Faden des Denkens
festzuhalten und so über jeden Stoff genügende Syllogismen an der Hand
der Figuren zu bilden175). Den Schluss machen auch hier Fragen, welche
das Vorhergehende recapituliren176).
Dass die ganze „Kunst" des Lullus schlechthin werthlos ist, bedarf
nun wohl keines besonderen Nachweises mehr. Eher möchte ich einen
Tadel darüber befürchten , dass ich diesem Unsinne überhaupt einen so
grossen Raum in meiner Darstellung schenkte. Doch würde mich wohl
ein stärkerer Tadel treffen, wenn ich die Ars mayna mit Slillschweigen
übergangen hätte; und wenn ich mich einmal auf dieselbe einliess, konnte
ich Dasjenige, was angeführt werden musste, kaum kürzer fassen, als ich
gethan habe:
donchs en ldgica formar Condicio parlicutar Ab condicio generat, Hon parlicuiors ban
hostal (d. h. ihre Wohnung in den betreffenden Feldern der Kreise) E per elio
estdn regtades.
175) p. 403: De io sinquena dislincciö. En io tduio atrobards Los significats
que volvrds A ldgica atribuir ; Car si a ü, C, D venir Vols, el als altres coronells
(d. h. Kreise), No fö hanc en null capdells (d. h. Richtung) Negü fit tant fort enplegat,
Lom estdn li signi/ical En io tauio per demostrar (}o que t'en pords aplicar
A Idgica argumentant. Vel donques, qu'es el per qual sembiont Pdts de io tauio
derivar A Idgica mant consirar, Manle malerid venir'A co que votrds conctuir Per lo
molt grand abundament Vengut per significdment De 'tas cambras, si 'l sabs trovar
E a ldgiea aplicar. i1' •
176) Ebern!.: De io sisena dislincciö. Per sisena distincciö Respondrds a io
queslio Que per Idgica höm le pdt .far, Ab que sapias pendr' exemptar De ios queslions
qui estdn En esta art, et qu'el semblan Prengas en ta responsiö.
• •• ,.l-t»! , • l ,, ; l:.- li- ,, i.,"/ • . • ", 'I •.' .- l
1 .1. .•. ,.'s l, . • !., : v,, , nu .i1 ,:, i i:•...n..- : .:. .' ii : • . ''
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,,1 . ! ••! l ...; . • •• • ,
.1 . . ! i i ,.,i -,. ,•, , ' - • . • ., :•.;!.
PKANTL, Gesch. 111. 12
XIX. ABSCHNITT.
ALLMÄLIGE FORMULIRUNG VERSCHIEDENER PARTEI-ANSICHTEN.
Müssen wir hiemit den geschichtlichen Faden wieder an den Schluss
des XVII. Abschnittes anknüpfen, so treten wir in jene Periode der Scho
laslik ein, welche in einem bunt und üppig verschlungenen Verlaufe bis
in das erste Drittel des 16. Jahrhunderts fortwuchert und durch die
Renaissance des 15. Jahrhunderts in dem inneren Principe ihres Betriebes>
nicht nur sich nicht stören lässt, sondern auch ausdrücklich den Kampf
gegen die humanislischen „Neuerer" aufnimmt, bis sie zuletzt doch in
diesem Kampfe (um das Jahr 1520) unterliegt. Es ist demnach zunächst
innerlich Ein einheitlicher Verlauf, neben welchem äusserlich als neue
Stoff-Zufuhr das wiederenvachende Alterthum hinzutritt. Die blosse Stoff-
Zufuhr war ja seit den ersten Jahrhunderten der christlichen Aera allein
das Entscheidende und blieb es fortwährend, bis der gesunde natura
lislische Hauch der Anlike durch eine länger dauernde Wirkung seines
Wiedererwachens es endlich zur Folge hatte , dass der philosophische
Impuls sich der Auctorität der Tradition entwand und allmälig mit
innerer Selbstständigkeit von sich aus die Lösung seiner Aufgabe zu
unternehmen begann.
Jede Eintheilung des scholaslischen Zeitalters, welche nicht auf die
sem Molive der Stoff-Zufuhr beruht, ist ein apriorislisches Treiben, welches
der Geschichte Gewalt ani.hu t; und wenn man z. B. bei Occam von einer
Selbstauflösung der Scholaslik oder dgl. gesprochen hat, so kann ich
Solches nur als eine theologische oder eine philosophische Grille be
zeichnen ; denn bei richliger geschichtlicher Einsicht zeigt sich, dass jene
angebliche Selbstauflösung gar äusserlich durch ein paar Stellen aus Ari
stoteles und ein paar Capiteln aus der als aristotelisch angebeteten byzan
linischen Logik veranlasst wurde.
Indem ich daran festhalten muss, dass die ganze Scholaslik nur von
der Masse und dem Inhalte des zugeführten Stoffes bedingt wird, und
ich auch den Nachweis hievon wahrlich nicht schuldig geblieben bin,
konnte mich nur ein äusserlich praklisches Moliv dazu veranlassen, jenen
einheitlichen Faden der Scholaslik, welcher sich vom Ende des 13. bis
zum Anfange des 16. Jahrhunderts fortspinnt, in einzelne Stücke zu zer
legen. Nemlich nur um die Ziffern der Anmerkungen nicht in die Tau
sende anschwellen zu lassen und dem Leser gleichsam einmal einen
Ruhepunkt zu gönnen, scheide ich die „allmklige Formulirung der Partei-
Ansichten", soweit dieselbe bis Occam (einschliesslich) zu Tage tritt,
XIX. Die Stoff-Zufuhr. 179
vorläufig als eigenen Abschnitt ab, um sodann das „üppigste Wuchern
der scholaslischen Logik", welches sofort an Occam's Auftreten sich
knüpfte , bis zu den „ersten Erscheinungen der Renaissance" zu be
gleiten und hierauf nach diesen die „reiche Nachblüthe" der Scholaslik
darzustellen.
Jene Stoff-Zufuhr nun, welche (wie Abschn. XVII zeigte) im 13.
Jahrh. von byzanlinischer, aristotelischer und arabischer Seite her statt
gefunden hatte , musste nothwendig gleichsam einem Verdauungs-Processe
unterliegen, bei welchem wir allerdings Gelegenheit haben, in ähnlicher
Weise , wie Walther von der Vogelweide in anderem Sinne gethan , die
Grösse des Magens der Kirche zu bewundern; denn es ist staunenswert!),
wie viel heidnische Litteratur seit Albertus Magnus all jene frommen
Männer verschluckten, ohne hierüber die geringsten Beschwerden zu ver
spüren. Man bedenke nur, dass neben der reichen Saat byzanlinischen
Unsinnes die sämmtlichen Bücher des Aristoteles, d. h. auch die physika
lischen und naturwissenschaftlichen Schriften nebst der Ethik und Polilik,
sowie die Metaphysik mit ihrem astronomischen Gottesbegriffe, und ausserdem
neben einzelnen griechischen Commentatoren die ganze Litteratur
der arabischen Erklärer, welche ihrerseits zugleich auch auf Ptolemäus,
Euklides, Geber, Galenus und Hippokrates hinübergriffen , binnen etlicher
Jahrzehnte eingedrungen waren und ihrer weiteren Pflege an den tradi
lionell bestehenden Schulen harrten.
Diese massenhafte Wucht eines neuen Lehrstoffes musste sowohl im
Allgemeinen in pädagogischer Beziehung als auch insbesondere für den
Betrieb der Logik eine weitgreifende Wirkung ausüben. Nemlich auch
der übliche Schul - Unterricht überhaupt musste nun im Vergleiche mit
den früheren Jahrhunderten nothwendig eine völlige Umänderung er
fahren; denn unter den sieben freien Künsten war es einerseits gerade
die „Dialectica", welche jetzt zu einer ausgedehnten aristotelischen,
byzanlinischen und arabischen Schul - Litteratur anschwoll. Und andrer
seits musste sich an den höheren Lehranstalten seit dem Ende des 13.
Jahrhunderts allmälig jener Uebergang vermitteln, welcher von der facultas
„artium" zur facultas „philosophorum", sowie zur Selbstständigkeit der
medicinischen Facultäten führte. Alle Lehrgegenstände aber, — auch die
Theologie nicht ausgenommen, welche ja bekanntlich an der Pariser Uni
versität das Maassgebende war —, besassen eine Voraussetzung und eine
unerlässliche Vorbedingung an der Logik, welche hiemit neben ihrer neuen
quanlitaliven Fülle auch qualitaliv eine bevorzugte Stelle einnahm, wie
keine andere der sieben Künste sich einer solchen rühmen konnte. Nur
die „Grammatica" erhielt sich selbstständiger und wurde nicht (wie die
übrigen Disciplinen) in dem neu sich gestaltenden philosophischen Cursus
absorbirt. So kam es, dass die „logische" und (— wenn für das 13. Jahrh.
der Ausdruck zulässig sein soll —) die „philologische" Schulbildung wie
gleichberechligt nebeneinander stehen, ja zuweilen sich gegenseilig be
kämpfen konnten (ein Vorspiel der Zustände nach dem Wiedererwachen des
Alterthumes), zumal da die „Logiker" in der unausgesetzten Uebung ihrer
abstrusen Schulweisheit leicht verknöchern und, was sonslige Lectüre be
trifft, förmlich verwildern mussten, so dass sie mit Recht zum Gespötte
ihrer philologischen Gegner wurden.
12*
XJX. Pädagogisches.
;., , i .Poch ;uffl nicht weiter in die Geschichte.1 döP Pädagogik hinüberzugleiten1),
beschränke ich mich darauf, Ein Document zu erwähnen, welches
einen solchen Thatbestand für jene Zeit constalirt. Es ist diess des
Heinrich von An.dly (um d. J. 1270) Gedicht „Die Schlacht der sieben
freien Künste" 2) , in welchem die Pariser Logiker einerseits und die
grammalische Schule zu Orleans andrerseits als die kämpfenden Parteien
auftreten. Den orleanislischen Philologen, in deren Schlachtreihen mehrere
klassische Autoren kämpfen3), war von den Parisern der Spitzname
„Autoriaux" gegeben worden, hingegen die Logiker wurden von ihren
Gegnern. „Quiquelique" od-er wohl richliger „Quiqueliquique", d. h. zu
deutsch „Kikeriki", genannt 4). De* Kampf selbst, in welchem als Führer
der Logiker einige uns nicht näher bekannte Personen erscheinen 5), aber
auch . der „Barbarismus" sich denselben als Bundesgenosse beigesellt 6),
führt zuletzt dazu , dass die Philosophen auf dem Mont l'Heri von den
Grammalikern belagert werden und in grosser Bedrängniss einen Parla
mentär zu den Feinden schicken, welcher jedoch als gänzlich unver
ständlich von diesen zurückgeschickt wird7). Indem- aber .endlich die
. I) Ich mnss hier die gleiche Resignalion üben wie Abschn. XHI , Anm. 1.
Welcherlei Schul-Logjk aber pädagogischer Stoff gewesen sei, fällt natürlich der
Geschichte der Logik anheim.
2) Es ist dieses der provenc.alischen Litteratur angehörende Gedicht selbst
noch ungedruckt, ,:imd wir sind aufweine französische Inhaltsaugabe desselben iu
liolices et Extraits des Maauseripls etc. Vol.. V, p. 49Q ff, angewiesen.. (Uebrig«ns
hat der nemliche Henri d'Andlg auch eine Liebeskioge des Aristoleles ,— Lai d'Aristole
— tm Troubadour-Slile verfasst; s. Legrand d'Aussg, Fabliaux et Vontes, 3. Auf).
•Paris 1829] Vol. I, p. 273 ff.)1
. 3) .Nat. et Extr; a^'a. O. "p, , 503 u. 508 f. Neben Donatus, Priscijmus und
Marcianus Capella erscheinen; Viigitlus, Horatis,s, Properlius , Terenljus , Aratus,
Seneca, Persius, Juvenalis, Stalius,. Lucanus , Cioudianus, Aviemis, Cato, auch Sedutius
und Prudenlius.. \Venn auch Homer genannt wird, so ist schwerlich an
Lectttre desselben zu denken.
• • I 4) EbendJ p. 503; Diö 'richligere form j,{hüqueliquique" treffen Wir merk
würdiger Wfcise.in dem gleichzeiligen Roman du Renart (ed. Miton, Vol. lII, p. 53)
v. 21205 ff., ,d. h. in jener Branche, in welcher Renart und der Katcr Tybert die
Vesper singen. Dort lesen wir: Sez-tu (Soi/s-J,i) rien de dialeclique? Oit(0ui); lole
Qhiqueliquique. ' Repondras moi se ge t'op'ds. Oit; par derere mou dos. Ör enlestl
dvnl '& " ftirgument, Se di pain d'orge est de frommt, Ge di pain de froment est
d'arge'. 'Nate-aventure ait"ainz ta gorge, Que pain d'orge soit de froment u. s. f.
,. 5) .Nol. et Extr. p. 503 f.: 'A cetle nquvelle Logique ful effragec. He'ios,
s'eeria-t-elle, favais dans Raoul de Builli un defenseur redoutable, et io mort
me Pa enlevi. Cependant eile ne perdil point courage , eile s'occupa du soin
'd'dssembler des troupe's; et menda celles qu'elle avait & Tournai : (vgl. Abschn. XIII,
Anm. 326)1 La staient Je-an le Page, Poilaue de Gämaches, Nicole-aux-
JIauleis-fesses. Elle' d,ipeel,a vers eux Fierre.de Courtcnai, et les fit inviter
nar tui, de se rendre au ptulöl a Paris. Ils pioqerent sur uns. cl,ve dans un char
Triv'e et Quadruve, et se mirent en mard,e. Le char e"tait traine' par les bedeaux et
conduit par Ro berl -le-Nain (diesen trafen wir schon früher, s. Abschn. XIV,
Anm. 447 ff.) v t Che'ron-le-Vieux, qui Paigmllon en main piqtmient Patlelage.
6) Ebend. p. 508: Dom liorbarisme, quoique homme-lige de Grammaire, avait
pris-^les armes eontre elle,paree qu'it psrssedait des lerres dans le pags de Logique.
7) Ebend. p. 511: Dans celle detresse Logique • envoga proposer io paix d
sa rivale; lnais le de'pule' qu etle chotsil pour ce message connaissait si peu les
rtgles du iangage et U s"exprima si mal, qu'on ne voutut'pas lVconier, et qu'it
ful renvoge. ...'.'l. , •/ . . ..1 .1 • ' '.t • ,
,
XIX. Die Parteispalturig{ 181
Astronomie ihre Blitze1 gegen das Heer der grammalischen • Philologie'
schleudert, zieht sich dasselbe nach Orleans und Blois zurück und meidet
auch in Zukunft Paris 8). Der Dichter des Ganzen aber schliesst mit
einer Prophezeiung und zugleich einer Warnung vor grammalischer Ver
wilderung 9). - • :: ' ••• .
Was aber hingegen die innere Entwicklung der logischen Theorie
selbst, und was vor Allem die zahlreichen Gontroversen und verschiedenen
Partei-Stellungen betrifft , so muss ich mit grösster Entschiedenheit den
allgemeinen Grundsatz, welcher seinen reichen Detail - Nachweis finden
wird, vorausschicken, dass auch für diese ganze Periode der Scholaslik
die Abhängigkeit vom vorhandenen Stoffe das allein Maassgebende ist. Das
zugängliche Material war nun weit reichhalliger geworden, als es im
12. Jahrh. gewesen war, und darum haben jetzt die Logiker mehr Anknüpfungs-
Punkte und mehr Auctoritäts-Aussprüche bei ihren Disputalionen
zur Verfügung, als damals. Aus diesem Grunde, und aus keinem anderen,
entsteht nun eine weit manigfalligere Controversen-Litteratur. Wenn schon
im 12. Jahrh. auf Grundlage eines ungleich beschränkteren Materiales
dreizehn verschiedene logische Parteien entstanden waren, so ist es nicht
zu wundern, wenn jetzt seit dem Ende des 13. Jahrh., wo man auf eine
grosse Zahl neuer Quellen - Stellen sich berufen und Jeder irgend eine
einzelne derselben für sich in Anspruch nehmen konnte, die Partei-
Stellung sich fast ins Endlose zersplittert und dabei zugleich in manigfalligster
Kreuzung und Mischung wieder verwandtschaftliche Berührungs
punkte entgegengesetzter Meinungen aufzeigt.
Man glaube nur ja nicht, dass man ihit den zwei Schlagworten
„Realismus" und „Nominalismus" die logische Parteistellung irgendwie
erfassen , geschweige denn geschichtlich entwickeln könne. Jene beiden
Worte exislirten in derjenigen Periode, mit welcher wir uns vorerst zu
nächst beschäftigen müssen, gar nicht; und es wird erst der spätere
Verlauf zeigen, wann diese zwei Partei-Worte von den Theologen in
Umlauf gesetzt wurden, wobei jedoch zugleich zu Tag treten wird , dass
man dann auch von „Terministen" und von „Formalisten" sprach. \
Ebenso verfehlt ist es, wenn man nur den Gegensatz zwischen
„Thomisten" und „Scolisten" ins Auge fasst und hiedurch die Parteiung
erledigen zu können glaubt. Allerdings zwar hat jenes polemische Ver
halten zwischen Dominikanern und Minoriten für die Geschichte der Theo
logie und der priesterlichen Hierarchie eine wesentliche Bedeutung; aber
sowie die Geschichte der Logik einerseits in der glücklichen Lage ist,
alles theologische Gezänke ignoriren zu dürfen, so findet sie andrerseits
auch den tatsächlichen Stand der Dinge, dass in der Darlegung der
8) Ebend.': Astronomie, re"duile au de'sespoir, tanfa io foudre sur eux, eite
bnio leur lenles, dissipa li'ur armee Depuis ce jour Poe'sie-io-courtoise s'est
relirte entre Orteans et Blois, mais eite n'ose ptus se pre'senler en France, oti sa
rivale domine. . •
9) Ebend.: Messieurs, les choses dureront encore ainsi unc trentaine d'anne'es.
Mais lorsqu' une ge'ne'ralion nouvelle naitra, celle-ci fera de ta Grammaire le cas
qu'on en faisait au lemps de Henri d'Andlg. En allendant je vous d,lctare que laut
elere qui tle connait point les regles du tangage et qui n'g conforme point ses
discours, est un homme A conspuer. • ''..i••
182 XIX. Die Parteispaltung.
logischen Theorie Dominikaner Manches aus der Lehre des Scotus auf
nehmen und umgekehrt Franziskaner sich in einigen Ansichten an Thomas
anlehnen. Kurz gerade in der Logik erscheinen damals wohl Einige
als blosse Nachtreter einer stricten Partei-Observanz , aber viele Andere
. verfolgen ihre eigenen Wege, indem aus dem vorliegenden Materiale der
Eine diese und der Andere jene Quellen - Stellen zu seinem Stützpunkte
wählte , so dass hiedurch fast alle nur möglichen Schatlirungen , auch
mit Einschluss von Extremen, zu Tag traten. Erst am Ende des 15.
und im 16. Jahrhundert fanden es die Theologen bequemer, die ein
schlägige Litteratur nur in zwei Lager zu theilen, wobei dann Thomislen
und Scolisten sich wie Weifen und Ghibellinen gegenseilig in den
Haaren lagen.
Ueberhaupt ja ersehen wir auch, dass jenen Autoren des Mittelalters,
welche bisher in der Geschichte der Philosophie (sei es in grösseren Werken
oder in kleineren Compendien) stets regelmässig als weit hervorragende
besprochen wurden und werden, noch eine erkleckliche Anzahl Anderer
beizufügen ist, welchen man die Ebenbürligkeit schwerlich bestreiten
kann. D. h. in speculaliver Beziehung gelten mir überhaupt alle Schrift
steller des Mittelalters als werthlos; aber in demjenigen, was sie einmal
als Schriftsteller zu Tage gefördert haben, finde ich es nicht gerecht
ferligt, wenn man mit so ungleichem Maassstabe misst, dass man gegen
über einigen tradilionell gebliebenen Hauptfiguren über Andere gänzlich
mit Slillschweigen hinweggeht oder sie höchstens mit etlichen schablonen
arligen Bemerkungen abferligt.
Die reiche Fülle verschiedener Meinungen, welche aus dem aufge
speicherten Materiale hervorwuchsen, beruhte nun ursprünglich nicht in
einem Streite über die Universalien, sondern wurde vorerst durch theo
logische Bedenken hervorgerufen , welche in Bezug auf ein paar ander
weilige Lehren des von Albert und Thomas vertretenen arabischen Aristotelismus
auftauchten. Den ersten Anstoss nemlich gaben, wie sich zeigen
wird, die Fragen über das principium individualionis und über nnilas
formae oder beziehungsweise pluralilas formarvm, wobei, je nach
dem man diese Fragen beantwortete, die Orthodoxie gefährdet zu
sein schien.
Aber eben mittelbar hingen diese Gesichtspunkte mit der Auffassung
der sog. „Universalien in re" zusammen, und so wurde wohl auch der
Universalien-Streit in Mitleidenschaft gezogen. Aber dieser letztere tritt
nun in ganz anderer Weise auf als im 12. Jahrhunderte. Denn jene
arabische von Albert und Thomas acceplirte Theorie, dass die Universalien
zugleich ante rem und in re und posl rem seien, war doch gar zu be
quem, um nicht von Allen zugegeben zu werden. Keiner verneint, dass
. die allgemeinen Ideen der Dinge ursprünglich im göttlichen Schöpfer be
gründet sind , Keiner verneint, dass sie in der erscheinenden Welt in
' das Einzeln-Sein hinaustreten , und Keiner verneint , dass sie aus diesem
Gebiete des Singulären wieder vom menschlichen Denken erfasst werden.
Ein Streit ist nur darüber möglich , was Gegenstand der Logik sei, ob
sämmtliche drei Universalien, oder ob zwei derselben, oder ob nur Eines;
und je nachdem diese Frage entschieden ist , kann dann noch darüber
gestritten werden, wie die Universalität mit der Singularität sowohl in
XIX. Die Parteispaltung. : 183
den objecliven Dingen ajs auch in der subjecliven Denk -Werkstätte zu
vereinbaren sei.
Zur Erörterung aber der hierüber entstehenden Controversen war
man auf Auctoritäts-Stellen des vorhandenen Materiales angewiesen. Und
da musste der Platonismus den Kürzeren ziehen; denn den Plato kannte
man nur aus dem Timaeus (d. h. Chalcidius), aus Auguslinus und aus
einzelnen Stellen der Araber, indem die Originalschriften Plato's bekanntlichst
erst zur Zeit der Renaissance kund wurden. Darum gibt es vor der X
florenlinischen Academie der Mediceer keinen eigentlichen Platoniker.
Und der auguslinisch-kirchliche Platonismus tritt im 14. Jahrh. nur ent
weder schüchtern (Heinrich von Göthals) oder roh polemisch (Franciscus
Mairon) oder in unklarem Selbstwiderspruche (Walter Burleigh) auf, wobei
wir zugleich das Schauspiel haben, dass auch solche platonisch Gesinnte
sich dennoch der übermächligen Auctorität der aristotelischen Logik nicht
entwinden können.
Hingegen eben ein reiches Material lag in den Schriften des Aristo
teles und der Araber, sowie Einzelnes in der byzanlinischen Logik vor.
Und sowie im 12. Jahrh. jede der verschiedenen Parteien sich auf irgend
eine vereinzelte Stelle des Boethius gestützt hatte, so waren es nun, wie fc
sich von selbst versteht, vor Allem einzelne Stellen aus Aristoteles, an
welche man anknüpfte, wobei ja jetzt auch die Metaphysik, De anima,
die Physik und die Ethik zu Gebot standen. Sowie aber von einem
wirklichen Verständnisse der Gesammt-Philosophie des Aristoteles in jener
Zeit natürlich keine Rede sein kann, so sind es nur die wechselnden
Bilder eines halbverdauten Aristotelismus , welche aus herausgerissenen t
Stellen formulirt uns als Partei-Ansichten begegnen. Was man in solcher '
zerbröckelter Weise sich aus den genannten Schriften des Aristoteles
(— um selbst vom Organon abzusehen —) herauslas, war bald ein Dua
lismus zwischen Idealität und Empirie (s. Abschn. IV, Anm. 16, 25, 76),
bald ein Psychologismus (ebend. Anm. 54, 56—61), bald ein Empirismus
(ebd. Anm. 50, 52), bald ein Sensualismus (ebd. Anm. 62, 69 f.), bald
ein Intellectualismus (ebd. Anm. 65, 86), welcher die in der Seele auf
tretenden Universalien (ebd. Anm. 64, 176) aus den bleibenden Sinnes-
Eindrücken (ebd. Anm. 63, 87) durch eine schaffende Thäligkeit zur
Verwirklichung bringt (ebd. Anm. 68, 85, 97) und so durch Erkenntniss
des Singulären (ebd. Anm. 82) in dem uns Kenntlicheren das Ideelle
erfasst (ebd. Anm. 74), bald hinwiederum die species intelligibilis (ebd.
Anm. 63), bald die für das Denken entscheidende Funclion der mensch
lichen Sprache (ebd. Anm. 23, 101, 109—113) oder die Modalität der
Bezeichnung (ebd. Anm. 147), bald auch das principium identitatis (ebd.
Anm. 163 ff., 171, 178). Hiezu aber kam aus der arabischen Litteratur
der schon bei Albert und Thomas recipirte Begriff der intentio secunda
in allen möglichen Wendungen und Avicenna's Bemerkungen zum Porphyrius.
Und die byzanlinische Logik spendete als einflussreiche Beisteuer
ihren Begriff des terminus nebst all seinem Zubehör.
So kam es bei jedem einzelnen Autor jener Periode nur darauf an,
welche und wie viele der erwähnten Ingredienzien und in wie starker
Dosis er dieselben mischte (Duns Scotus ist hierin wohl der umfassendste);
seine Parteistellung wurde hiedurch erzeugt. Und in solcher Art erwuchs
184 XIX. Die Parteispaltung. Stephan Tempier.
jenes bunte Vielerlei von Ansichten , welches ich nun in »einer wech
selnden Gestaltung einzeln darzustellen hahe. Jene Momente aber, welche
bei Aristoteles selbst das schwerer Wiegende waren, bedingten zuletzt
durch ihre eigene Wucht auch das Zünglein der Wage im geschicht
lichen Verlaufe.
Paris urid Oxford waren die hervorragendsten örtlichen Sitze der
logischen Litteratur, und dort auch wurden die ersten Fäden gesponnen,
c welche, wenn auch ursprünglich rein theologischen Inhaltes, für die spätere
Parteistellung der Logiker maassgebend wirkten ; und zwar war es Paris,
in welchem man hauptsächlich die Frage über das principium individualionis
anregte, sowie andrerseits in Oxford die Controverse über unitas
formae überwiegend in den Vordergrund trat. i••'
Nemlich in Paris hatte der Bischof Stephan Tempier schon i. J.
1270 mehrere philosophische und theologische Sälze als irrthümliche be
zeichnet und wiederholte i. J. 1 276 diese Censur in sehr vermehrter Auf
lage 10). Diese oberhirtliche Fürsorge für das Seelenheil der Gläubigen
wurde uns jedoch nicht im Geringsten interessiren, wenn nicht Ein Punkt
in die Geschichte der Logik eingriffe; und zwar müssen wir zugestehen,
dass, wenn ""man einmal auf dem Standpunkte der Orthodoxie steht, hier
mit schärferem Denken, als bei Albert und seinem Nachtreter Thomas,
die Consequenzen des arabischen Aristolelismus crfasst werden. Tempier
nemlich Verneint zunächst kurzweg, dass (— Wie jene Beiden dem Avicenna
nachgebetet hatten —) der Grund der Individualisirung in der
Materie liege11); sodann aber führt ihn eine der Oealions-Theorie ent
nommene Wendung 12) zu der präcisen Formulirung seines Einwandes,
dass , wenn die Materie das principium individuationis wäre , sowohl
die Einzeln-Pe'rsönh'chkeit der Engel als auch die Individualität der Seele
preisgegeben werden müsste 13) , wohingegen ja bekanntlichst in diesen
beiden Beziehungen die Orthodoxie von immateriellen Individuen spricht.
Dass aber mit diesen Censuren, welche auch bei anderen Autoren jener
Zeit stets mit diesen nemlichen Worten angeführt werden14), wirklich
10) Gedruckt sind diese Censuren Tempier's fast in allen Ausgaben des Petrus
Lombardus (als Anhang zum IV. Buche), auch bei Joli. Chrgsost., de non cond. ecel.
Ed. Paris 1560, ferner in Ribl. Patr.Max. Vol. Ht, sodann bei Butacus, Hist. im.
Paris., Vol. III, p. 434 ff., zuletzl unter Vergleichung mehrerer Handschriften hei
Car. Du Flessis d'Argentre' , Coll. iudic. de nov. error. (Par. 1728. fol.), Vol. t, p.
175 ff. u. p. 188 ff. (Hiernach cilire ich).
11) p. 198, Nro. 1: Quod formae non recipiunt divisionem nisi secundum divisionem
maleriac (fast ebenso p. 183, Nro. 191). p. 198, Nro. 4: Quod individua
eiusdem speciei, ut Soerales el Pioto, differunt soio positione maleriae (ebenso
p. 180, Nro. 97). Vgl. Thomas, Abschn. XVII, Anm. 519, nnd Albert, ebend.
Anm. 388. i , | . ,
12) p. 180, Nro. 96: Quod deus non polest mulliplicare individua sub una
specie sine maleria (ebenso p. 190, Nro. 41). ,
13) p. 179, Nro. 81: Quod, quia inlelligenliae non habent maleriam, deus non
possel facere ptures eiusdem speciei (ebenso p. 192, Nro. 17). p. 188, Nro. 6:
»nini iln,s non passet facere ptures animas in numero. Arabische Meinungen , an
welchen man in dieser Beziehung Anstoss nehmen mussle, s. Abschn. XVI, Anm.
117 u. 134.
14) Z. B: ' Henr: Goethals, Quodlib. (ed. Vinet. 1613. fol.) II, 8, f. 55 v. Aegid.
Rom.', Quodlib. (ed. Bonon. 1481. fol.) H, 7.
XIX. Stephan Tempier. Robert Kilwardby. 185
Thomas gemeint sei, indem Tempier nur eine volle Consequenz desselben
aufdeckt, steht sowohl an sich für jeden Kenner dieser Litteratur als
auch durch beslimmte gleichzeilige Zeugnisse fest 15). Jener zweite controverse
Punkt, nemlich die Frage über nnitas formae , erscheint
bei Tempier noch nicht vollständig foramlirt, sondern erst nur im
Keime »«).
Hingegen in Oxford treffen wir in eben: dieser letzteren Beziehung
eine ganz entschiedene Parteistellung. Dort war in jenem nemlichen
Jahre 1276 der Erzbischof von Canterbury Robert Kilwardby (gest.
1279) mit einer Censur mehrerer Lehrsätze aufgetreten 17), wobei unter
Anderem die Annahme, dass die Form eine einheitliche sei, an dem
üblichen Beispiele von homo oder humanitas mit klaren und einschnei
denden Worten als eine irrthümliche bezeichnet wird18). Dass aber auch
hei diesem Verdammungs-Urtheile nicht logische, sondern nur theologische
Molive (betreffs des Körpers Chrisli und der Heiligen) obwalteten, ist
uns ausdrücklich bezeugt19); ja, was das logische Moliv der Universalien
betrifft, müssen wir gleich bei diesen ersten Regungen einer Partei-
Polemik entschieden darauf hinweisen , dass auch Kilwardby mit der
15) Der nach den so eben angeführten Worlen „dc»s non flosset facere ptures
eiusdem speciei" in den Druckausgaben erscheinende Zusatz „<l quod maleria non
est in angelis; contra fratrem Thomam" fehlt allerdings in den von D'Argentre benfllzten
Handschriften. Aber in der Sache ändert diess Nichts. Denn schon Gatt
fried von Fontaines, der Zeitgenosse und Mitkämpfer jener Controversen (s. unten
Anm. 58 ff.), war sich dessen genau bewusst, dass jenes Pariser Verdammnngs-
Urtheit hierin gegen Thomas gerichlet war. Derselbe sagt nemlich in einer von
D'Argentre, p. 215 A, aus Handschriflen mltgetheitlen Stelle: Isli aulem arliculi
sunt eliam in detrimentum non modicum doctrinae studenlibus perulilis recen- '
lissimi et excellenlissimi doctoris, sciticet fratris Thomae, quae ex praediclis arliculis
minus iusle aliqualiter diffamatur. Hiezu das ausdrückliche Zeugniss des Duns
Scatus, unlen Anm. 124. Was über diese Angelegenheit die modernen Anbeler des
„heitigen" Thomas denken, ist gleichgüllig, und die Unkritik, welche durch
Werner's Werk (Abschn. XVII, Anm. 481) sich hindurchzieht, bleibt erfolglos.
16) D'Argentre' a. a. O. p. 180, Nr. 104: Quod humanitas non est forma rei,
sed ralionis (ebenso p. 196, Nro. 2); und p. 196, Nro. 5: Quod homo est homo
praeler animam ralionalem.
17) Gedruckt in Hist, et anliqu. univ. Oxoniensis (Oxf. 1674, fol.), Vol. t, p.
125 f., und hierauf gleichfalls bei D'Argentre'.
18) D'Argentm, p. 186, Nro. 12: Quod vegdaliva, sensiliva et intellectira sunt
una forma simpliciter. Vgl. Thomas Abschn. XVII, Anm. 521.
19) Aus einem Schreiben des Johannes Peccam (s. über ihn unlen Anm. 25)
theitt Wood in Hist. et ant. im. Oxon., I, p. 130, Folgendes mlt: Unum vero Merum
expresse nolavimus arlicutum quorundam dicenlium, in homine esse tantummodo
formam unam, quod ex ipso sequitur, ut putamus, nec Corpus Chrisli fuisse
unum numero vivum et mortuum, nec aliqua sanctorum corpora tola vel secundum
parles aliquas in orbe existere vel in urbe, quoniam sine substanlialis formae
unitale nulta polest numeraliler substanlia esse una. Ebenso berichtet etwas späler
auch Oceam, Dialog, (ed. Lugdun. 1494, fol.), Pars I, Lib. II, c. 24, f. XIV r. B:
Saepe audni a mullis Anglicis et Britonibus enarrare, quod de opinione Thomae de
unitale formae, quando conctusiones, quac ex ipsa sequuntur, explicabantur, scandatum
fuil in Anglia prope infinitum Quod corpus Chrisli non fuit idem numero
vivum et mortuum, et quod corpus Chrisli, quod iacuil in sepulero, in ipso triduo
nunquam fuit corpus Chrisli, dum viveret ; quod corpus et reliquiae, quae a fidelibus
pro corporibus sanctorum venerantur, nunquam fuerunt corpora, quia caro
mortua nunquam fuit viva.- ' '
186 XIX. Robert Kilwardby.
allgemein recipirten arabisch-aristotelischen Auffassung einverstanden war,
wornach die Universalien auf Grund vorausgegangener Sinneswahrnehmung
erst in der denkenden Seele entstehen20).
Aber neben jenem Einen folgenreichen Punkte erstreckte Kilwardby
seine Krilik auch auf das eigentliche Gebiet der Logik, und zwar sind
es merkwürdiger Weise mehrere der byzanlinischen Logik angehörende
Sätze, welche er als irrthümliche verurtheilt, so dass wir hier neuerdings
einen Beleg dafür finden, dass im 13. Jahrh. sich sehr Viele und sehr
einlässlich mit diesem Zweige der Logik beschäfligt haben müssen. Nemlich
neben zwei selbstverständlichen logischen Ketzereien werden hier
neun einzelne herausgerissene Sätze verdammt, welche theils die suppositio
und dislributio, theils die ampliatio, theils die reslrielio, ja sogar
bereits die consequenlia betreffen 2 1).
Es gehört jedoch Kilwardby überhaupt zu den fruchtbarsten logi
schen Schriftstellern seiner Zeit, und nur durch eigenthümliche Verhält
nisse kann es gekommen sein, dass man am Ende des 15. Jahrb., wo
doch eine überreiche Litteratur der Logik gedruckt wurde, diesen Autor
völlig bei Seite setzte. Wahrscheinlich ignorirten ihn die Thomisten ab
sichtlich, während er bei den Franziskanern durch Duns Scotus und
20) Aus Kitwardby's ungedruckter Schrift De ortu scientiarum theitt Haureau,
De ln Phitos. scol. II, p. 244 nach einer Pariser Handschrift eine längere Stelle
mit, in welcher wir lesen : Omnis doctrina et disciplina intellectiva ex praecxistenli
fit cognilione, seitleet sensitiva Haurit igitur anima ralionalis a rebus extra
scienliam per sensum, . . . . per quoddam hnustorium, quo deferuntur species sensibites
ab extra usque ad animam ralionalem, in qua fit universale, quod est principium
scienliae. S. bei Thomas, Abschn. XVII, 493 ff.
21) D'Argentrt a. a. O. p. 185: De erroribus in logica. 1. Quod contraria
possunt simul esse vera in uliqua maleria. 2. Quod sgllogismus peccans in malenu
non est sgllogismus. 3. Quod non est supposilio in proposilione magis pro supposito,
quam pro significato (d. h. eine Gleichstellung des suppositum und des significatum
versliesse gegen die ersten Grundiogen der Supposilion, s. bei Petrus Hisp.
Abschn. XVII, Anm. 201, u. bei Shyrcswood ebend. Anm. 59 f.). 4. Et ideo idem
est dicere „cuiustibel hominis asinus currit" et „asinus cuiustibel hominis currit"
(diess wäre eine Cousequenz einer solchen falschen Gleicbsteltung, weit im ersteren
Satze das Gewicht auf dem suppositum, und in letzlerem auf dem significatum läge).
5. Ilem quod animal (so in Hist. un. Oxon., D'ArgentnI gibt nach Einer Handschrift
omnis Isic] animal) est omnis homo (s. das Sophisma bei Petrus Hispunus ebend.
Anm. 240). 6. Quod signum non distribuit subicctum in comparalione ad praedii-
alum (diess rersliesse gegen die bei Petrus Hisp. ebend. Anm. 240 gegebene
Dislinclion). 7. Quod veritas de necessitale praedicali tamen est existenlia subiecli
(so richliger in Htst. un, Oxon., als bei D'Argentre ; inhaltlich konnle dieser Satz
an die amplialio des Pelr. Hisp., ebd. Anm. 225, angeknüpft werden, zumal da
schon Shyreswood die necessitas in einer Weise besprochen hatte, — s. ebend.
Anm. 80 — , welche uns bei Späteren wieder begegnen wird, s. folg. Abschn.,
Anm. 382). 8. Quod non est ponere demonstralionem sine rebus entibus (diess be
zieht sich auf die Lehre betreffs der restriclio, s. Abschn. XVII, Anm. 236). 9. Quod
omnis proposilio de luturo vera est eliam necessaria (wir trafen diese Controverse
bezüglich der amplialio, — ebd. Anm. 226 —, schon bei Robert Caplto , s. ebd.
Anm. 357). 10. Quod lerminus cum verbo de praesenli distribuitur pro omnibus
differenliis lemporum (wie bei Albertus Magnus, ebd. Anm. 470, so weist auch hier
dieser streilige Punkt mehr auf Shyreswood, ebd. Anm. 64, als auf Petrus Hispanus
zurück). 1 1 . Quod ex negaliva de praedicato finito sequitur affirmaliva de praedicalo
in/inito sine constanlia subiecli (dass dieses die Lehre von der consequentia betrifft,
ist ersichtlich; s. Abschn. XVII, Anm. 610 ff., bes. 621 ff.).
; XIX. Robert Kilwardby. 187
Occam verdunkelt war. Ausser Commentaren zu den naturphilosophischen
Büchern und zur Metaphysik des Aristoteles verfasste er gegen zwanzig
Schriften, welche sich auf Logik beziehen und das ganze Organon um
fassen; aber all Dieses ist nur noch in Handschriften vorhanden22). Er
zeigt sich uns dabei als einen höchst einlässlich breiten und scrupulöscn
Comuientator, welcher Wort für Wort dem aristotelischen Texte folgt, un
aufhörlich auf den Faden des Zusammenhanges hinweist, jede Zeile zu
klarstem Verständnisse zu bringen sucht, und hiehci nach Art der Araber
immer Schwierigkeiten erhebt, nur um dieselben zu widerlegen und so
einer vollständigen Erklärung zu dienen 23).
22) Nach Que'lif, Seriptt. ord. Praedic. I, p. 374, und Baioeus, Seriptt. M. Mai.
Brit. IV, c. 46, schrieb er: In Isagogen Porphgrii, De rebus praedicabitibus, In Praedicamenta
Aristolelis, De divisione enlis, De unitale formarum, De ,vtali,'is, De
natura retalionis, De reioliunis praedicamento, In sex principia Gitberli, Perihermenias,
In Priora et Posteriora Analglica, In Topica Arist., In Etenchos, In divisiones
Boethii, De modo significandi, Quaesliones dialeclicae, Sophistria grammalicalis, Sophistria
logicalis. Die beiden letzteren Schriflen jedoch scheinen mir etwas ver
dächlig zu sein, da Solches unler solchem Tilel schwerlich vor Duns Scolus verfasst
wurde.
23) Wenn nemlich Haun!au a. a. O. p. 246 von ihm sagt: „Si nous n'avions
pns ne'glige' les mgsteres de Baroco et de Baraliplon, pour cireonserire nos recherehes
dans io limile des queslions recommande'es par Porphgrius, nous aurions d faire connaitre
ici les inge'nieuses explicalions donnifes par Robert Kittvardbg sur les formes
vnrie'es du sgllogisme ; nous diront simplement que ce ful im des ptus habites logiciens
du XIII. siecle1', so mnss ich nach genauer Einsichtnahme des von Haurtau
erwähnlen Codex Sorbonn. 1791 allerdings mir eriouben, dieses Urtheit etwas ein
zuschränken. Denn dass Kitwardby un habite logicien war, gebe ich gerne zu;
aber ingcnicusrs siad seine Erklärungen der Syllogislik wahrlich nicht, indem er
auch dort nur mit ängstlichem Fleisse bemüht ist, sämmtliche Schlnssweisen einem
eifrigen, wenn auch stupiden, Schüler verständlich zu machon. Ich könnle aus
genannter Handschrift z. B. berichten, wie er in der Einleitung zur erslen Analylik
mehrere Seiten den Discussionen widmet, inwieferne die Logik modum inquirendi
lehre (s. Albert und Thomas, Abschn. XVII, Anm. 363 u. 489), und hierin des
Bocthius invrnlio et iudicium (Abschn. XII, Anm. 76) liege, aber dabei das Verhältniss
zu den übrigen Wissenschaften zweifelbaft sei, ob ferner, wenn die Logik
das allen Gemeinsame enthält und so modum sciendi und zugleich scieniiam lehrt,
ihr nicht abermals zu ihrer Reclificirung eine Wissenschaft vorausgehen müsse, oder
wie sie sich zur Metaphysik, welche gleichfalls Gemeinsames lehrt, verhalle, u. s. f.
Nur zur Probe aber witl ich eine beliebige Slelle aus der Syllogislik (in welcher
er nirgends die byzanlinischen Knnstworte oder Memorialverse anwendet) über die
zweite Schtussfigur anführen: Dubitatur de hoc, quod dicit, secundam figuram esse,
quando medium de utroque extremo dicitur omni vel nullo ; hoc enim non videtur,
cum nunquam sit sgllogismus ex negalivis. Dubitatur de his, quae contrarie dicit
in littera (bekanntlich heisst „litlera" immer der zu erklärende Text); medium enim
esse, per quod unum extremum distat ab alio; sed per id, quod praedicatur de
utroqtle extrem», non distat unum ab allere ; ergo id quod praedicatur de utroque,
non erit ipsorum medium, cuius oppositum dicil in litlera. Adhuc medium est, quod
aequaliler distat ab utroque extremorum; ergo extrema aequaliler distant a medio;
ergo unum extremum non est propinquius medio, cuius oppositum dicit. Adhuc me
dium, cum sit id, per quod extremum distat ab extremo, est intcr extrema; ergo
non est primum in positione, euius tamen oppositum dicit. Haec omnia sotuta sunt
aequivocalione medii; obiecta enim procedunt accipiendo medium proprie, quod est
medium in conlinuis ; ita enim est intcr extrema secundum posilionem et aeque distans
ab eis; hie aulem accipitur medium metaphgsice pro eo, quod est medium uniendi
intellectus extremorum. Et nolandum, quod medium sgllogislicum aliquando est utroque
modo medium, et tale medium est in prima figura; aliquando aulem sicul
188 XIX. Robert Kilwardby. Johannes Peccam.
Der geschichtliche Faden aber der sich Steigernden Controversen-
Litteratur knüpft nicht an die Commentare Kilwardby's, sondern an jenes
Verdict an, welches er gegen die unitas formae gefällt hatte. Und jeden
falls stand er hierin nicht allein, sondern es hatte schon i. J. 1278 eine
geschlossene Fraclion den Kampf gegen Thomas nach dieser Seite hin
aufgenommen. Wenigstens berichtet in jenem Jahre ein Vertheidiger des
Thomas, Aegidius von Lessines (s. unten Anm. 52 ff.), dass seine Gegner
die unüas formae nur als die addilive Einheit einer Zusammensetzung
(„aggregatum") verstehen wollen. Diese Ansicht nemlich, welche eben
sosehr als jene des Thomas .auf Avicenna beruhte , stützte sich darauf,
dass sowohl im Körper als auch in der Seele die vielen einzelnen Glieder
und Bestandtheile eine, selhstständjge Wesensform an sich haben, und
somit im Menschen nur die letzte zusammenfassende (complexiva) Form
eine Verbindungs-Einheit herbeiführe, während, wenn man (wie Thomas)
in die intellectuelle Seele die ausschliesslich einzige Form des Menschen-
Wesens verlege , alle übrigen Einzeln-Formen der Bestandtheile erdrückt
und vernichtet werden müssten 24).
Hatte somit diese Polemik gegen Thomas einen Rückhalt an einer
compacteren, wenn auch vielleicht noch kleinen , Partei gewonnen , so ist
es erklärlich, dass Kilwardby's Nachfolger im. erzbischöflichen Stuhle,
Johannes Peccam, i. J. 1284 die Censuren seines Vorgängers in wenig
geänderter Form erneuerte25) und hiedurch jedenfalls verhinderte, dass
der Streit etwa eingeschlafen wäre. Uebrigens ist um der folgenden Ent
wicklung willen der Umstand sehr beachtenswerth , dass, während Kilin
aliis figuris sotum dicitur medium, quia est unilivum extremorum, unde in secunda
figura dicitur medium primum posilione, quia oblinet in sgllogismo situm el condilionem
eius, quod est primum in ordine praedicabiti ; maior vero extremitas dicitur
esse propinquius posilione medio, quia magis habet conditionem et situm medii in
ordine praedicabiti, subiicitur enim et praedicatur; minor vero extremitas dicitur esse
longius posita medio, quia privatur condilione medii in ordine praedicabiti, subiicitur
enim tantum. Palet igitur u. s. f. Solcher Art aber ist der ganze Commentar!
24) Aus einer Pariser Handschrift mitgetheitt bei Haurtnu a. a. O. p. 248:
Dicunt enim, quod homo unam habet formam, quae non est una simpliciler, sed ex
mullis composita, quarum ullima et complexiva lolius aggregali est inlellectus.
Sicut enim ex mullis di/finilis ad ini'icem naturaliler ordinalis una diffiniti est forma,
sie est in rebus compoiitis per naturam de formis constituenlibus eas. Et StCHl ex
parte corporis multa sunt membra proprias formas el propriam maleriam habentia,
quorum tmll,nn est allerum , tamen conslituunt unum corpus per ordinem et colligalionem
naturalem, quam habent ad invicem, sed non conslituunt unum corpus simpliciler:
sie ex parle animae multac sunt partes essentialiler differenles, quae tamen
per ordinem el colligalionem naturalem unam animam efficiunt, non tamen ita, quod
anima sit simplex Et ex formis rorporalibus iam memoralis et hac spirituali.
quae constal ex mullis, humanitas una resultat. Aliam unitalem formarum dicunt
non esse secundum phitosophiam quod posilio de unitale formarum sccundum
istum modum est veritale subnixa ...... Secundum vero alium modum, quando (Haure'au
gibt „quidem") dicitur ullima forma composili omnium aliarum acliones supplere
et in eius adventu omnes alias corrumpi, dicunt, quod nulio veritale fulta est. Dass
aber mich für diese unitas composili, welche in Wahrheit eine pturalitas ist, die
Quelle bei Avicenna vorliege, s. Abschn. XVI, Anm. 92.
25) Hist. naiv. Oxon. l, p. 129 f. Aus der byzanlinischen Logik erscheinpn
hier (in sehr fehlerhaflem Drucke) von obigen Sätzen (Anm. 21) nur die Nummern
3, 5, 6 u. 10. Der Thesis betreffs der unitas formae ist nur die Wendung ge
geben: Corpus vivum el mortuum est aequivoce dictum; vgl. Anm. 19.
.;,, ;iXlX. .Johannes Peccam, Wilhelm Lamari*. . .189
wardby noch dem Dominikaner-Orden • (— .Albertus und Thomas —r) ange
hörte, Peccam schon Franziskaner war 26). Wir werden nemlich sehen,
wie der Gegensatz dieser beiden Orden sich auch für die Logik principieller
ausbildet. S. An m. 221. ., . , :,ä, ,, ; -
An Peccam nun schliesst sich der Franziskaner Wilhelm Lamarre
an, welcher in eben jenem Jahre 1284 sein „Correctorium fralris Thomae"
(die Thomisten nannten es immer „Curruptorium") ausgehen liess. Diese
Schrift .selbst zwar .ist verloren, wir kennen jedoch ihren Inhalt hin
reichend genau aus den langen wörtlichen Anführungen in jenem „Defensorium",
welches fälschlich (•— s. unten Anm. 71 —),für ein Werk
des Aegidius Romanus gehalten wurde - "). Lamarre gab nicht bloss den
bisherigen Einwänden gegen Thomas eine präcisere und reichere Begrün
dung, sondern vermehrte dieselben auch um einen sehr wichligen Punkt.
Einen wahrlich komischen Eindruck bei seiner Polemik macht allerdings
die Art und Weise, wie er dogmalische Momente als ganz ebenbürlig
neben arabisch-aristotelischen Auctoritäten verwendet; aber es ist diess nur
die natürliche Folge der von Thomas angebahnten Verquickung. Was
das principium individuationis betrifft, so kehrt hier nicht bloss das
obige (Anm, 13) Moliv aus der Angelologie wieder28), sondern es wird
auch ausdrücklich die Gefahr hervorgehoben , welche der persönlichen
Unsterblichkeit durch .einen averroislischen Monopsychismus droht29). Be
züglich der unitas . formae, bei welcher Lamarre gleichfalls (vgl. Anm. 19)
an den Körper Chrisli und auch an die Transsubstanlialion denkt, formulirt
er jene so eben (Anm. 24) angeführte gegnerische Ansicht nur etwas
präciser dahin, dass in dem Beispiele von homo oder humanitas die
vegetalive und die sensilive und die intellectuelle Seele eine pluralilas
formarum begründen, 'bei welchen eine Gradabstufung der Vervollkomm
nung zur addiliven Einheit des „zusammengesetzten1' Wesens führe, und
auch er erinnert daran, dass, falls die intellectuelle Seele die alleinige
Wesens-Form wäre, beim Ausscheiden derselben das Sein des Körpers
,untergehen müsste ^?)i Neu aber und für den weiteren Verlauf der Par-
26) Ebend. p. 131. - , . . , ,
27) Unler den mehreren Drucken desselben citire ich nach „Defensorium seu
Correctorium fundamentarii doctoris domini Egidii Romani in Corruptorium librorum
Angelici doctons sancli Thomae a quodam emulo depraoalorum". Venet.
1516. fol. , , ; .
28) Ebend. f. 9 v. B: Quod impossibite est duos angelos esse eiusdem speciei
Dicimus, quod habent maleriam spiritualem, et tunc maleriae eorum dislinguuntur
non per divisionem quanlitulis, sed per mulliplicalionem numerabilitalis, sicut
cum unus puncfus fit duo puncta (über die Wo,lform „punctus — puncta'' .s. vor.
Abschn., Anm. 140). Das nemliche Thema f. 17 r. B u. f. 47 r. A.
29) Ebend. f. 54 v. B: Individualionem animae fieri per corpus, videtur esse
falsum, quia sequitur ex hoc, qund vel anima post separalionem a corpore
d{',:inul esse, vel sallem quod post marlem hominum erit unus intellectus tantum vel
anima, ..... quod eral errat- Averrois. i"
30) Ebend. f. 18 r. A: Haec positio de umtale, formae wbstantialis reprobatur
a magtstris prima, qusd ex ipsa sequuntur ptura contrariu fidei catholieae, secundo
quia contradicit phitosophiae, lertio quia repugnal saerae seripturae (B) Contra
fidem de corpore Chrisli mortuo Fides ponit, quod in saeramento altaris etc
Si soio anima intellectiva immediale essel perfectio maleriae primae, tunc in homine
non esset forma animalis nec mixti t'orma una et eadem nu,nero dalnl esse
190 XIX. Wilhelm Laniarre. Heinrich Goethals v. Gent.
teiung höchst beachtenswerth ist, dass er auch gegen jene übertriebene
Formulirung kämpft, mit welcher Thomas gesagt hatte, dass es kein Er
kennen des Singulären gebe (Abschn. XVII, Anm. 499). Nemlich neben
geschmacklosen theologischen Gründen bemerkt Lamarre ganz richlig, dass
dann auch keine singulären Urtheile möglich seien und Ober Einzelnes
Nichts syllogislisch erschlossen werden könne, ja überhaupt es unbegreif
lich bleibe, wie dann jenes „colligere" der Universalien (ebd., Anm. 494)
von Statten gehe 3 1)• Was aber die dreifache Geltung der Universalien
betrifft, so schliesst auch er sich unter ausdrücklicher Anführung des
Avicenna an die allgemein recipirte Auffassung an 32).
Indem aber auch Heinrich Goethals von Gent (geb. 1217, gest.
1293), welcher in der Sorbonne als Lehrer auftrat und bekanntlich den
Beinamen Doctor solemnis erhielt, sich selbst als einen Theilnehmer der
Pariser Censuren bekennt 33), so liegt hierin jedenfalls schon eine äussere
Anknüpfung an die so eben erwähnte Richtung; dass aber auch innere
Gründe uns veranlassen, ihn gerade hier zu erwähnen, wird die folgende
Darstellung seiner Ansichten von selbst /eigen. Bei dem Verluste seiner
„Logica", welchen wir beklagen, vielleicht aber auch verschmerzen können,
sind wir auf seine um d. J. 1278 verfassten Quodlibeta und auf die etwas
später geschriebene Summa quaestionum theologiae angewiesen34), und
wenn es den Versuch gelten soll, diesen so verschieden aufgefassten
Autor35), insoweit er die Geschichte der Logik berührt, in möglichster
corporale et spirituale (f. 18 v. A) Ponimus, formam animae inlellectivae prima
perficere maleriam suam spiritualem et medianle hac maleriam suam corporalem
Sunt duue, qun,' sunt incompletae, quae dant esse incompletum corpori humano, quod
perficitur et completur advenienle anima ralionali Vegetaliva, sensiliva el inlellecliva
sunt tres forn,ae, quae se haben! secundum esse completum el incompletum,
secundum polentiam et actum convenienles quoad essenlialem unitalem Pturalitus
ergo formarum nun est contra unitalem compositi essentialem, nisi fiiil tales, quae
um! se habent secundum esse incompletum et completum. f. 50 v. B : Bes, in qua est
mullitudo el gradus formarum, est una per formam ullimam. Hiezu f. 29 v. A: Si
,iialne,a hominis nnltum aliud habet esse, quam animae inlellectivae, matenu hominis
in instanti separalionis animae perdit omne esse, cuius contrarium videmus.
31) Ebend. f. 4 v. A: Secundum hoc animae separatae el angelt Christum non
cognoscerent Peccatum actio singutaris est, et de hoc, quod homo non
cognoscit, non poenilel nec se corrigit Si inlellectus non cognoscil singuioria,
l,mc non polerit facere proposilionem aliquam, in qua esset singuioris res, el ita nec
sgllogizare. Tunc non passet ex mullis singuioribus colligere unum universale; ex
incognilis enim non polest inlentionem cognoscibitem abstrahsre.
32) Ebend. f. 48 r. B. S. Abschn. XVI, Anm. 184. Vgl. vor. Anm. 20.
33} Henrici Goethals a Gandavo aurea Quodlibeta ed. Zuccolius, Venet. 1613.
fol., II, 9, f. 59 v. A: l'.rrnr est, substantiam sine operalione non esse in loco, ul
dicit unus articutus intcr damnulos nuper per sententiam episcopi (d. h. des Slephan
Tempier). f. 60 v. B : In hoc enim concordabant omnes magistri theologiae congregali
super hoc, quorum ego eram unus, unanimiler eoncedentes.
34) Erstere cilire ich nach der su eben genannlen Ausgabe , letztere nach :
Summa1' quaestionum ordinariarum theologi receplo praeconio Solemnis Henrici a
Gandavo. Paris 1520. fol. 2 Voll.
35) So lesen wir z. B. in dem sonst vortrefflichen Werke Haure'au's, H, p. 276 :
Duns-Scol vint reprendre, commenler Pune apres Pautre les the'ses du Docleur Solennet,
el tui emprunter ses principaux arguments contre le pMpate'lisme ontologique
de Saint Thomas (diese Auffassung hat K. Werner gedankenlos, wie immer, in sein
Buch über Thomas, l, p. 866, aufgenommen). Wohl weit richliger urtheitt ober
XIX. Heinrich Goethals v. Gent. 19t
Kürze zu charakterisiren , so dürfte nach meiner Ansicht das Richlige
vielleicht in Folgendem liegen. Der äusserst redselige Goethals, welcher
am Liebsten aus Auguslin, Bernhard v. Clairvaux, Hugo v. St. Victor n. dgl.
schöpft 36) , wäre nach seiner ganzen Anlage der ausgesprochenste Platoniker
gewesen (s. Abschn. XVII, Anm. 571 z. Anf.), wenn ihn nicht
hieran die allgewallige Auctorität des damaligen arabischen Aristotelismus
gehindert hätte. Und so gestaltet sich bei ihm einerseits der unklare
Mischmasch des Thomas zur lächerlichen Monstrosität, während er andrer
seits die erwähnten dogmalischen Bedenken, welche man gegen den Thomismus
erhob, theilte. Darum hatte ein scharfsinniger Kopf wie Duns Scotus
ebensosehr ein leichtes Spiel gegen ihn, als die Thomisten mit Vergnügen
ihn angriffen.
Indem Goethals aus Thomas das Verhältniss der Universalien zur
'Sinneswahrnehmung selbst mit Einschluss der sog. „reflexio" adoplirt37),
betont er schon bezüglich der Musterbilder, in welchen die Wahrheit der
Dinge liege, sehr stark den helfenden allgemeinen Einfluss der höchsten
Intelligenz , welcher auch bei dem blossen natürlichen Erkennen nicht
ausgeschlossen sei38), und da er sodann diese Musterbilder (im Unter
schiede gegen Thomas) ganz entschieden platonisch als selbstständige
Wesen fasst und dieselben so den künstlichen Gebilden der intentio
Goetbals CA. Jourdain, La phitos. de St. Thomas, II, p. 46: Bim qu'it soit toujours
eile avec honneur, el que son adversaire habituet, Duns Scot, respecle en tui, toul en
le combaUant, une des tumieres de tu schotastique, it est un peu rest,* dans Pisolement.
In der Monographie von Francois Huet (Reckerches Iiist. et erit. sur io vie,
les euvrages et ta doctrine de Henri de Gand. 1838) gebricht es in sehr fühlbarer
Weise an der nöthigen Kenntniss der damaligen Sachioge der phitosophischen
Controversen überhaupt.
36) Daher auch seine gänzliche Intoleranz gegen jedweden Betrieb einer Wissen
schaft, insoferne derselbe nicht der Theologie dient; z. B. S. thcot. VII, 10, f. LX r.:
De scientiis igitur phitosophicis pure specutulivis absotule dicendum, quod non licel
eas addiscere nisi in usum theologiae, nisi forle quis aliquam ittarum scienliarum
diseat, uf melior disponatur ad discendum quacdam alia, vetuli logicam.
37) Ebend. l, l, f. I v.: Homo aulem nihit pereipit de re nisi sotum idotum
eius, ut speciem receptam per sensus, quae idotum rei est, non ipsa res (bei Thomas
'hiess es phantasma, Abschn. XVII, Anm. 500). Ebend. XIII, 6, f. XC1V v.: Inlellectus
sub speciebus sensibitium investigando, quasi sublus fodiendo, penetral ad
cognosecndum ea, quae lulent intelligibilia sub speciebus sensit,itium. Ebend. XL,
2, f. CCLVII r.: Proprium obiectum intellectus ereali universale est, quod est ei ralio
cognoscendi omnia singuioria sub ipso. Quodlib. IV, 21, f. 201 r. A : Direcle ergo
el per se intellectus nosler non cognoscit nisi universale abstractum a siuguiori; indirecle
aulem el quasi quadam refiexione converlendo se ad phantasmata, in quibus
sunt formae sub ralione singuioris (die genaue, ja wörtliche Uebereinslimmung mit
Thomas s. ebd. Anm. 499).
38) S. theol. t, 2, f. IV v.: Homo per suam animam absque omni speciali divina
ittustralione polest aliqua scire aul cognoscere, et hoc ex puris naturalibus; dico
aulem „ex puris naturalibus" non exctudendo generalem influenliam primi intelligenlis,
quod est primum agens in omni actione inlellectuali el cogniliva In prima
cognilione intellectus nosler omnino sequitur sensum Ex parle aulem inlelligibitis
ralio est Quia igitur verum dicil inlentionem rei in respectu ad suum
exemptar, inlenlio veritalis in re apprehendi non polest nisi apprehendendo
conformitalem eius ad suum exemptar. Ebend. II, 2, f. XXIII v. : Adspieiendo ad
exemptar inereatum, quod est causa rei; cognilio enim, quae aequiritur per
phantasmata, non polest esse, quin sit obscurata. (Vgl. bei Thomas, Anm. 513.)
192 XIX. Heinrich Goethals v. Gent.
secunda gegenüberstellt39), so muss nun das Gebiet der letzteren, d. h.
die Universalien „post rem, in eine mirakulöse Verbindung mit der göttlidien
Region treten, indem das ,,0rgan" des Gottesbevvusstseins im Men
schen den Schlüssel zur Erkenntniss der wabren Wesenheiten enthält 40).
Ja die Erkenntniss der im ewigen Lichte liegenden Universalieu ist zu
letzt ein Gesrhenk der Gnade Gottes, welcher ganz nach Belieben sie dem
Einen verleiht und dem Anderen entzieht 4 1). Mit dieser auguslinischen
Weisheit könnten wir nun den Goethals füglich seinem Schicksale über
lassen , wenn nicht der Umstand hinzukäme , dass er trotzdem sagt , es
sei eigentlich doch das Gescheideste., wenii man den Plato und den Ari
stoteles miteinander verbinde42), was ihm .jedoch abermals .unmöglich
Ernst sein kann, da er anderwärts mehrmals die Ansicht Plato's jener
des Aristoteles principiell vorzieht43). Was Wunder, wenn den Ge
schichtschreiber der Philosophie bei solchen Autoren nur das Gefühl des
Ekels überkommt.
Wenn sodann Goethals sich der allgemein geltenden Tradilion be
treffs der mehrfachen Geltung der Universalien anschliesst, so lässt er
allerdings einmal gelegentlich durchblicken, dass ihm die praedicabilitas
derselben gerade nicht besonders am Herzen liege 44) ; und überhaupt ja
39) Quodlib. VII, l, f. 386 v. A : Sunt idcae principales quaedam formae vel
raliones aelernae , quae divina intelligentia conlinentur, sccundum quas formatur
nm,u'. quod oritur, et quarum participalione fit, ut sit, quidquid est, quomodo est
Eorum quae sunt in ereaturis, quaedam sunt res aliquaJnaturales, quaedam vero non
sunt res, sed tantum intentiones sccundae inlellectus sive ralionis circa res, ....formqe
artificiales tantum, quae per riolentiam habent esse (vgl. bei Thomas, Am». 506 u.
bes. 511) De islis ullimis generibus entium dico, quod non habent proprias
ideas in deo, sed sotum dico ideas rerum naturalium, cirea quas inlellectus concipit
inlenliones secundas. ,
40) S. tbeol. XXIV, 9, f. CXLVI r. : Deus ut tux est et veritas, prima (t ralio
cognqscendi alia in eo, quod per ipsum alia coguoscuntur et discernuntur. Ebend.
l, f. CXXXVII v.: Debet igitur homo habere in se organum, per quod polest in specuiolionem
essentiae et quidditalis dei per intellectualem operalionem procedere.
41) Ebend. I, 2, f, VII v.: Homo ex puris naturalibus Mingere non polest ad
rsguios tucis aelernae, ut in eis videat rerum sinceram veritalem; (icet enim pura
,1.1 i n ml , ti allingaut ad ipsas, non tamen ipsa naturalia ex se agere possunt, ut
allingant itios; sed itios deus offert, quibus vult, et quibus r all, subtrahit. Hiezu
,juddt. IX, 15, f. 111, wo er sich fast wörtlich wie Albert (Abschn. XVII, A,nu.
396) äussert.
42) S. theol. t, 4, f. XII v.: Modus Aristolelis, si non sensit id, quod dixit
Piolo, erat diminutus, quia nimium altribuebat, immo lotum, causis parlicuioribus
Modus Piotonis, si non sensit, quod Aristoleles, simitiler eral diminutu», quia nimis
parum altribuebal causis parttcuioribus Dictum ergo utriusque, et Aristolelis et
Piotonis, coniungendum est in omnibus et in istis generalionibus istarum formarum.
Vgl. bei Thomas, ebd. Anm. 515.
43) Ebend. XXV, 3, f. CL1V v.: f'fafo multo melius senliebat et fidei magis congruentia,
quam Aristoleles Piolo verius, quam Aristoleles senliebal. Quodlib.
IX, 15, f. 111 v.: Ml,il omnino conctudunt raliones Aristolelis contra Piolonem, ut
palet inspicieuli eas. Ebenso, jedoch mlt jener Mental-Reservalion des Thomas (a. a. O.),
lesen wir S. theot. I, 2, f. VII v. : Istc ergo est verior modus aequirendi scientiam et
noliliam veritulis, quam itle, quem posuit Aristoleles ex sofa sensuum experienlia,
si tamen sie intellexit Aristoleles et in idem cum Piotane non consensit, immo, quod
verius ereditur, ctsi Ptaloni in modo dicendi obviavit occultando divinam doctrinam
magistri sui, eandem tamen cum Piotone de nolilia veritalis habuit sentenliam.
44) S. theol. l, 3, f. X v.: Est considerare tres veritales sibi correspondentes;
XIX. . Heinrich Goethals v. Gent 193
waren bei ihm, wie gesagt, die Universalien posl rem in eine so glück
liche myslische Nähe an die Universalien ante rem hinangerückt worden,
dass es ihm zuletzt sogar gleichgüllig ist, ob jene „Wesenheiten", welche
die Gattungsbegriffe sind, in der menschlichen Seele schon angeboren liegen
oder erst durch Erfahrung „gesammelt" werden 45).
Hingegen sind es die Universalien in re, an welche sich seine anlithomislischen
Ansichten knüpfen. Nemlich indem es sich hiebei um die
existentia im Gegensatze gegen die essentia, welche in den Universalien
ante rem liegt, handelt46), muss die Materialität in Betracht kommen,
welche jedoch Goethals durchaus nicht als ein bloss potenzielles Sein an
erkennen will ; sondern er hält daran fest, dass die von Gott erschaffene
Materie als selbstständiges Wesen zunächst das absolute Substrat aller
Entwicklung sei, hernach aber erst als formungsfähig in das Stadium der
Potenzialität trete, um hierauf nach Actualisirung der Form als Stütze
des Ganzen zu verbleiben , so dass in jenem zweiten Stadium auch die
formgebenden Universalien gleichfalls in einem Mittel-Zustande der Poten
zialität und der Actualität sich befinden47). Sowie aber bei einem derveritalem
exemptaris divini, secundo veritalem rei productae ab illu, lertio
veritalem in conceptu mentis ab utraque expressam. Quodlib. VII, l, f. 388 r. B:
Sciendum, quod quidditas et essentia rei, licel sotum duplex esse habet, sc. vimim in
singuioribus extra intellectum, aliud in ipso inlellectu, quadruplicem tamen habet
consideralionem: unam , ut est in ipsis singuioribus extra; aliam , ut habet esse in
inlellectu ; aliam, ut abstrahitur a singuioribus et Herum applicabite est eisdem per
praedicalionem; quartam vero habet secundum se et absotule, quae secundum istam
consideralionem, ut dicit Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 93), non esl nisi id quod
est, ut „humanitas" non est nisj humanitas tantum, cui omnia alia accidunt. (Auch
Albert hatte ein vierfaches Sein der Universalien aufgezählt, während er von einem
dreifachen hatte reden wollen, s. Abschn. XVII, Anm. 395). S. theot. XLIIf, 2,
f. IX r.: Est sciendum, quod ralio universalis consistit non tam in modo praedicandi
idem de pturibus, quam in natura et proprietale praedicatae rei, quae debet esse
natura et esseulia aliqua Secundum ralionem triplieis esse consideratur, se.
esse quidditalivi et esse naturalis et esse ralionis. Et secundum primum esse praecedit
esse naturale et esse ralionis, sicut simplex compositum (also die objeclive
Wesenhelt hat den Vorgang vor der Erscheinung und vor dem Begriffe).
45) Quodlib. IV, 7, f. 148 r. A: Quorundam eral opinio (nemlich des Albert
und des Thomas, s. Abschn. XVII, Anm. 382 n. 500) de intellectu quocunque erealo,
quod ex se sotum in polenlia est ad actum intelligendi quaecunque , propler quod
oportet ipsum delerminari per aliquid ad ittud (B) Tale aulem delerminans, ut
dixit ilio opinio, non est nisi species intelligibitis informans intellectum et impressa
ipsi ut subiecto f. 150 r. B: Falsum esl ergo, quod dicit dicta opinio, quod
itio omnia non habent fieri in inlelligenle nisi per speciem impressivam. Immo sunt
per essenliam intelligibitis informanlem actum intelligendi et per hoc ipsum inlelli
genlem, ul est forma expressiva exemptaris (v. A) Habemus quasi reguioriler
infixam naturae humanae noliliam, secundum quam, quidquid tale aspicimus, stalim
hominem esse cognoscimus Secundum hanc nolitiam cognilio nostra informatur
et secundum species et secundum genera rerum, vel natura insita vel experienlia
collecta.
46) Ebend. V, 4, f. 234 v. A : Ea, quae alia sunt a deo, dupliciter possunt
considerari: uno modo quoad esse essentiae eorum, quod est esse eorum quidditalivum;
alio modo quoad esse exislenliae.
47) Ebend. t, 10, f. 13 r. A: Oportet exctudere falsam imaginalionem, quam
habent quidam (A. h. jedenfalls Aristoleliker, s. bei Albert ebend. Anm. 388) de
maleria, videlicet quod nihit sit nisi polentia quaedam et ita, quantum de se est,
non est (v. A) Malaria non ita est prope nihit nec ita in polentia, quin sit
I'tUNTL, Gesch. III. 13
194 XIX. Heinrich Goethals v. Gent.
arligen Realismus das principium individualionis überhaupt nicht in die
Materie verlegt werden kann, so schliesst auch Goethals sich jenen obigen
theologischen Bedenken gegen Thomas (Anm. 13 u. 28) an, durchschneidet
aber die Schwierigkeit in ebenso überraschender als kindlicher Weise,
indem er (wie Roger Raco, s. Abschn. XVII, Anm. 581) kurzweg den
lieben Gott für die Individualion verantwortlich macht und somit sich
auch dabei beruhigt, dass der liebe Gott schon wissen werde, wie das
Ding wohl zugehe48).
Eine adäquate Erledigung findet auch die Frage über unilas formae,
an welche er einmal ausführlich den aristotelischen Standpunkt als Maass
stab anzulegen versucht49). Aber wo er sie zu lösen unternimmt, kömmt
er unter Erwähnung der verschiedenen Ansichten und Hinweisung auf
die theologischen Momente zu dem Resultate , dass . da eine Unterschei
dung mehrerer Wesensformen in Einem Wesen immer nur auf einer be
grifflichen oder einer reellen Verschiedenheit beruhen könne, im Menschen
jedenfalls zwei Formen, eine natürliche und eine übernatürliche, anzualiqua
natura et sukstanlia, nec habet esse stmm, quo est quid capax formarum,
a forma, sed a deo (so anch schon Thomas, ebd. Anm. 517) f. 14 r. A: Est
•u!itur in maleria considerare triplex esse, sc. esse simpliciler, el esse aliquid duplex,
m,nM. qu,, est formarum quaedam capacitas, aliud, quo est composili fuleimentum.
Esse primum tmbel parlieipalione quadam a deo Asse secuadum, quo n,aleria
est capacitas quaedam, habet a sua natura, qua est id, quod est differens a
forma Esse lertium non habet maleria nisi per hoc, quod iam eapit in se ittud,
cuius de se capax est. Ehend. IV, 14, f. 174 v. A: Maleria dicitur subiectum secundum
triplicem statum. Uno priusquam actu transmutatur ad formam, el dicitur subiectum
absotule. Alio, inquantum iam actu transmutatur ad foemam, et i nuc dicitur, quod
est subiectum generalionis et ens in polenlia medium intcr non ens purum et enssimpliciler
Terlio modo, inquantum actu est sub forma, et tunc habet in actu
esse itlius formae f. 175 r. B.: Matcria id, quod est, in polenlia est, et singuiore
compositum id, quod est, in actu est; universale aulem quasi medium quodammodo
est aliquid in actu, quia est fornia, et quodammodo in polentia, quia est
incompleta; et ideo debet maleria educi de polentia in actum procedendo a formis
universalibus ad singuiores.
48) S. theol. XXV, 3, f. CLV r. : Necesse esse accidentibus dividi non polest ;
per malerias eliam dividi non polest, quia necesse esse non polest kahere maleriam,
quia maleria est in polentia Proprietalem enim esse atlerius, non removet, eam
esse proprietalem huius, puta, si ponantur duo angels eiusdem esse speciei sine
omni maleria el accidentibus, quibus distinguantur. Quodlib. II, 8, f. 54 T. A.:
!Innoiin ista (d. h. über die zwei Engel) tangit difficultatem de causa individualionis
(vgl. ob. Anm. 14) f. 56 r. A: Sancti nostri, qui vere sciunt, eas esse
ereaturas, sentiunt, hoc in eis factum esse a deo, qui est natura naturans omnia,
quia sciticet sunt multa individua in qualibel specie Palel igitur ciorissime,
quod maleria et quantitas non possunt dici praecisa ralio et causa individualionis
f. 56v.B: Solum quod inercatum est, id est deus; omne enim ercatum ab eo, qui
ereavit, i. e. deo, lerminatur. Sed quales secundum substantiam sint differentes,
nescimus; sotus aulem deus, qui fecit eos, novit. Die nemliche Frage ebend. XI, l,
f. 180 ff. Was hingegen die Individualisirung der Species betrifft, so äussert sich
Goethals ebend. V, 8, f. 244 ff. mlt Berufung auf Gilbert (Abschn. XIV, Anm. 479)
ganz übereinslimmend mit Thomas, s. Abschn. XVII, Anm. 520.
49) Quodlib. IX, 14, f. 108 ff. Er kommt dort unter Beiziehung vieler Slellen
des Aristoleles zu dem Resultale, dass aus demselben streng genommen weder die
unitas formae noch die pturalitas formarum erwiesen werden könne, d. h. er spricht
die Incommensurabitltät aus, welche zwischen dem Aristolelismus und den dama
ligen theologischen Bekümmernissen besteht.
XIX. Heinrich Goethals v. Gent. Aegidius v. Lessines. 195
nehmen seien80). Freilich konnten wir schon aus seinen Erklärungen
über die Materie entnehmen, dass er zu jenen gewöhnlichen christlichen
Dualisten gehöre , welche das Sein so scharf als möglich in zwei Theile
zerreissen , um die Kluft zuletzt durch ein göttliches Wunder zu über
brücken. In solcher Weise hat er ja auch betreffs der Erkenntniss des
Einzelnen, welche Lamaire schärfer ins Auge fasste (ob. Anm. 31), ledig
lich ein der Moraltheologie entnommenes Bedenken 51).
War somit im 8. und 9. Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts der Thomismus
von verschiedenen Seiten her zum Gegenstande beslimmter immer
wiederkehrender Angriffe gemacht worden, so verhielten sich erklärlicher
Weise die Schüler und strengen Anhänger des Thomas nicht als ruhige
Zuschauer, sondern vertheidigten nach Kräften ihren Lehrer.
So suchte schon Aegidius von Lessines in einer i. J. 1278
verfassten Schrift „De unüate formae" 52) den Thomas gegen den Ver
dacht der AnOrthodoxie zu schützen58); in philosophischer Beziehung
aber wiederholt er dabei auf dem Standpunkte des thomislischen Aristo-
50) Ebend. III, 14, f. 108 r. A: In formis substanlialibus, quae sunt actus tantum
n ,m nali per se exislere nec agere separalim, nultum est inconveniens, quod ipsa
essentia earum est ipsa polenlia, qua compositum agit suam propriam et per se
aclionem debitam ei ralione formae substanlialis. Ebend. IV, 13, f. 162 v. B: Est
aulem positio ponentium gradus formarum in omnibus talis, sc. quod in qualilni re
naturali et individuali sunt ptures formae substanliales ordinem et colligantiam nati1 •
ralem ad invicem habenles et simul per suam substanliam exislenles in eodem, quarum
itio, quae est ullimo adveniem, compleliva est enlis itlius (s. ob. Anm. 24 u.
30) f. 164 v. A: tjuia aliquibus apparet, quod non sit alia ralio, quare in
eodem ptures formas secundum gradus ponere oporlebat, quam diversitas operalionum,
negant pturalitalem formarum de qualibet re f. 166 r. A: Quandoque in seriplis
aliquot um phitosophorum vel aliorum doctorum inveniatur gradus et ordo formarum
substanlialium in eadem re a solo agenle naturali producta in esse, semper debet
expani quoad diversas raliones intenlionum in inlelligendo vel quoad diversas virtules
ei principia agendi. Hierauf folgen f. 168 die obigen theologischen Einwände
betreffs des Körpers Chrisli und des Abendmahles (s. Anm. 19 u. 30), sodann aber
die Entscheidung f. 170 v. B: Dicmius igitur negando pturalitalem formarum re et
natura differentium in rebus naturalibus a solo unico agenle naturali preductarum,
quod necesse est ponere pturalitalem et gradum formarum in homine propler duplex
agens, unum naturale et allerum supernaturale Agens supernaturale producit de
nih.Ho formam, quae est anima, perficienlem hominem complelive in esse specifieo, ad
quam suscipiendam disponit materiam agens naturale. Hiezu ebend. 14, f. 181 v. B:
Homo secundum duas formas est tantum unum in actu.
51) Ebend. IV, 21, f. 201 r. A: Si inlellectus ralionalis singuioria non cognosceret,
nec votuntas ralionalis ad singutaria amorem kahere possei; vanum enim
esset praeceptum de diteclione proximi. Hierauf aber folgt die oben, Anm. 37, an
geführle Slelle, welche von Uebertreibungen des Thomismns absehend demselben
zuslimmt.
52) Die Wissenschaft verdankt eine nähere Kenntniss dieses Autors dem Fleisse
tiaure'au's, welcher (De io phit. scol. n, p. 247 ff.) aus einer Sorbonner Handschrift
Einiges mittheitt.
53) Ebend. p. 247: Quoniam in quaeslione de unitale formae in uno ente,
cirea quam doctores tam in theologia quam in phitosophia authentici et famosi diversimode
senliunt et diversa lenent ac tradunt, nonnulli eorum sie suam positionem conantur
adstrusre, ul reliquam damnent et reprobent ac eam asserant nec veritale
subnixam et non solum inopinabitem esse sed eliam haerelicam et contra fidem catholicam,
ideo sequens opus atlentauimus u. s. w.
13*
196 XIX. Aegid. v. Lessines. Bernh. v. Trilia. Gottfr. v. Fontaines.
telismus 54) nur in verstärkter Betheuerung die Ansicht seines Lehrers,
indem er an der Hand Avicenua's die Einheit der Wesensform, in welcher
das totale Sein des Dinges nach all seinen Theilen liegt, behauptet und
die Manigfalligkeit der verschiedenen wesenthchen Bestandtheile als eine
Lloss accidentelle den Momenten der Gestaltung und der äusseren Thäligkeit
zuweist 55).
Auch von Bernhard von Trilia (gest. 1292), welcher ongefähr
zur selben Zeit mit seinen „Quaestiones de cognitione animae" zur
Vertheidigung des Thomismus auftrat, können wir, soweit unsere Kunde
reicht, betreffs der logischen Streitpunkte nichts Anderes berichten , als
dass er die Universalien sowohl in objecliver Beziehung '''') als auch
hinsichtlich des subjecliven Erkennens ganz im Anschlusse an Thomas
besprach 5 7).
Wenn sodann der Sorbonnist Gottfried von Fontaines (oder
de Fontibus) jene Verdammungs - Urtheile , welche Tempier gegen ein
zelne Arlikel gerichtet hatte, missbilligte , da jene Dinge durchaus nicht
so spruchreif, sondern erst noch eines näheren Studiums bedürflig
seien58), so werden wir ihn schon darum den Anhängern des Thomas
54) Ebend. p. 250 : Dicimus cum Aristolele summa phitosoplio, omnes formas
maleriales produci de polenlia maleriat , quae naturaliler et per viam naturae
producuntur.
55) Ebend.: Primo sciendum, in unoquoque ente uno singutari unam lant um
esse formam substantialem, dantem esse subiecto et omnibus, quue subiecto (zu lesen
de subiecto) et quae in subiecto dicuntur anle adventum huius formae. Concedimus
et ponimus ita, quod lotum esse subiecli et omnium partium eius essenlialium sit
ab ipsa forma, quae dal esse ipsi subiecto speci/icum Corpus tale, quod est
subiectum animae, ralionem, qua est corpus huius animalis, habet a forma, quae est
anima; et ralionem, qua est phgsicum corpus huius animalis, simililer habet ab
anima; et ralionem, qua dicitur esse corpus phgsicum organicum huius animalis,
habet ab eadem anima (p. 251) Quia lotum esse individui est ipsum esse speciei,
ideo , quia ab anima inest huius esse speciei, per consequens ipsa erit esse tolum
quod est individuo; unöe dal esse et corpori et parlibus eiut et omnibus, quae di
cuntur esse in ipso individuo ltt ml esse, a quo denominantur parles ipsius
subiecli in quantum differunt in esse, v. g. quod caro dicitur earo et non os et
sie de singulis, non est aliud ab esse, quod haben! ab anima, nisi per accidens tantum,
inquantum istae parles considerantur distinctae per figuram animalis et per
officia diuma. Vgl. Abscbn. XVI, Anm. 93 u. 98.
56) Gleichfalls von Haunfau ans Handschriften veröffentlicht, ebeod. p. 255:
Alii .... posuerunt , omnes formas naturales esse tolaliler ab extrinse»o , et hoc vel
per parlicipalionem idearum , ut Pioto posuit , vel ex in/tuenlia inlelligentiae separatae
Sed neutra istarum opinionum videtur conveniens esse Ideo alii
mediam viam lenenles posuerunt, omnes formas naturales praecxislere in maleria in
polenlia, non in actu, et haec est posilio phitosophi el omn,um Peripalelicorum.
Vgl. Abschn. XVII, Anm. 508.
57) Ebend. p. 256: Cirea adquisitionem formarum inlelligibitium in anima
quidam posuerunt, originem humanae scientiae lntaliter ab inleriori esse, ponentes,
formas omnium rerum cognoscibitium inditas animae naturaliter ex sua erealione
Requiritur, quod animae ralionales non habeant polentiam intelleclivam naturaliter
per species inlellectuales a principio completam, sed compleatur in eis successive
accipiendo eas a rebus per artionem alicuius agi'ntis naturali, Intcitigere est
propria operalio et perfectio animae ralionalis. Vgl. ebd., Anm. 493.
58) Aus Sorbonner Handschriflen der Quodlibeta GottfHed's mltgetbeitt bei
D'Argentn! (s. ob. Anm. 10), l, p. 214: Cum altqua maleria est sie indelerminata
in certitudine veritalis, quod absque periculo fidei el morum licel cirea hoc dioersi
XIX. Gottfried v. Fontaines. 197
beizählen dürfen. Und es bestärkt uns hierin Dasjenige, was wir von
seinen um d. J. 1283 verfassten Quodlibeta wissen59), wenn auch in den
kirchlichen Fragen, durch welche damals die Pariser Universität in Be
wegung gesetzt war, die Stellung Gottfrieds als eines Lehrers an der
Sorbonne einen beslimmenden Einfluss ausüben musste. Für uns hier
ist ja nur die logische Parteistellung maassgebend. Vor Allem steht auch
Gottfried wie alle Uebrigen auf der arabischen Doctrin vom dreifachen
Sein der Universalien , und es hat dabei (im Hinblicke auf Albert und
Thomas) selbst nichts Auffallendes, wenn er die Universalien post rem
als ein „esse diminutum" bezeichnet60). Auch finden wir ihn in wört
licher Uebereinslimmung mit Thomas , was das Verhältniss des abstrahirenden
Denkens zur Sinneswahrnchmung61), und was die Singularität
der exislirenden Dinge betrifft 62) , so dass auch hier in anliplatonischem
Sinne die Realität der Universalien beschränkt wird 63) , indem nach
thomislisch- aristotelischer Weise auch bei der Schöpfung die ewigen
Formen im Denken Gottes nur als Potenzen des göttlichen Willens-Actes
der Verwirklichung vorliegen sollen 64).
mode opinari absque lemeraria cuiuscunque partis asserlione, ponere vincutum vel
ligamen , quo homines ad unam opinionem delinentur, est impedire nolitiam veritalis
Quantum ad articulos aulem ptures sunt, de quibus diversimode
opinari licet, worauf er namentlich die zwei oben, Anm. 12 u. 13, angeführlen
Arlikel nennt und wieder hinzufügt: videntur passe pro opinabitibus reputari
(p. 215) Palet ergo per dictos articulos, quod studentes condemnalione ipsorum in
profectu studii pturimum impediuntur. Hiezu ob. Anm. 15.
59) Wir sind auf dasjenige angewiesen, was Haure'au a. a. O. p. 291 ff. aus
Handschriften veröffentlicht. Ich möchle jedoch nicht behaupten, durch jene frag
mentarischen Mittheitnngen zu einer vollständig klaren Einsicht geiongt zu sein,
zumal da der Text der dabei benutzten Handschriften jedenfalls in einem argen
Zustande sich befindet.
60) Haurtau, p. 303: // commence par ttablir qu'it g a trois manieres d'etre
pour les choses: dans io nature „esse reale", dans Pintellect humain „esse diminutum",
dans Pintellect divin avant io ere'alion „esse in causis, esse in polentia". Die
Bezeichnung „esse diminutum" ist nur ein verschärfter Ausdruck desjenigen, was
wir bei Albert und Thomas (Abschn. XVII, Anm. 393 u. 505) als „simitiludo" und
besonders in des Letzteren (ebd. Anm. 500) Redeweise ,,maleria impedit inlellectum"
trafen.
61) Ebend. p. 294: Universalia in suo esse universali et abstracto non habent
esse in rerum natura, sed tantum in intellectu. p. 296: Inlellectus agens aliquid
/ facit cirea rem sive cirea phantasma, quod est repraesentalivum rei intelligibitis,
quia'. . .. inlellectus fäcit universalitalem in rebus. S. ebend. Anm. 378, 493, 500.
62) Ebend. p. 297: Nulta res malerialis existit extra in rerum natura, nisi
singuioriler sit, sc. per conditiones individuanles designata. p. 302: Res non existunt
nisi singutariter, prout nofflme proprio significantur ; communiter aulem sive secundum
suam communitalem non existunt , sed sotum inlelliguntur, et sie eliam nomine
communi generis et speciei significantur. S. ebend. Anm. 497 f., 509.
63) Ebend. p. 297 : Rei extra non dal inlellectus universalitalem realem et for
malem, sed hoc dal ei, quod, quia atlingitur secundum hunc modum quo sie atlingitur,
fit obiectum inlellectus abstracli et causat abstractum conceptum, qui est uni
versale formaliler; et hoc est, quod dicitur, quod, licet res existant singutariter,
tamen universaliter inlelliguntur. S. ebend. Anm. 497, 501, 505.
64) Ebend. p. 303 : Res antequam existant, non habent aliquod esse reale, nec
quantum ad esse essentiae sieul nee exislenliae (vgl. ob. Anm. 46), nisi esse inlellectum
et in polenlia sive polenliale IViAi/ ponitur in deo habere ralionem lemporalis
exempioris ad conslituendum aliquid, nisi ralio idealis, quae est etiam ralio
198 XIX. Gottfried v. Fontaines.
Auch das principium individuationis scheint Gottfried doch nur in
der Absicht ausführlichst erörtert zu haben, um zuletzt den Standpunkt
des Thomas zu vertheidigen und zu begründen. Nemlich davon aus
gehend , dass ja das totale Wesen der Species im Individuum zur Er
scheinung komme, bestreitet er, dass die Individualisirung auf einem
accidentellen Momente beruhen könne, da ein solches gleichsam die Un
wesentlichkeit selbst sei, und man dann nicht bloss das Wesen und den
Träger desselben ungehörig zerreissen müsse, sondern auch die substan
lielle Verschiedenheit der Individuen gänzlich lilge 65). Während aber
alle Vervielfälligung und Manigfalligkeit sicher ein Quanlitalives zu sein
scheine, und man daher geneigt sein müsse, die Individualion , wenn je
überhaupt in ein Nicht-Substanlielles, vor Allem gerade in die Quanlität
zu verlegen, so kehre sich jener principielle Einwand von selbst auch
gegen diese Annahme, weil eben die Quanlität (als eine der übrigen neun
Kategorien, welche der Substanz gegenüberstehen) zu dem Accidentellen
gehöre66). So bleibt zur Lösung der Frage nur der aristotelische Be
griff der individuellen Substanz übrig, welche freilich nie ohne die quan
litaliv auftretende Materie ein Sein haben kann ; eben aber die concrete
Determinalion, welche somit von materiellem Bestande begleitet ist, sei im
e/fectiva accedenle voluntate, sicut in nobis ars medicinae et domus in menle
In divina scienlia vel inlelligenlia nihil ponitm nisi istae ideae, per quas intelligimus
cogniliones, quas dcus habet de rebus quantum ad totum id, quod sunt vel
natae sunt esse • et sie de rebus, antequam in se ipsis existant, non ponitur nisi esse
cognitum eorum. S. Abschn. XVII, ÄIlITl. 501, 511, 513.
65) Ebend. p. 298: Cum individua ptura sub eadem specie in aliquo conveniant,
per itlud aulem, per quod conveniunt, differre non possunt, videtur, quod
supra naturam, quam importal species , a!ltlal individuum aliquid, per quod natura
communis in itlo individuetur Sed non videtur posse intelligi, addi aliquid perlinens
ad essenliam et naturam individui , quia itiom tolam dicit species , quae est
totum esse individuorum (vgl. ob. Anm. 55); ergo si aliquid additur, videtur esse
aliquod perlinens ad naturam accidentalem Videtur ergo, quod individualio fiat
per accidenlia Secundum hoc esset dicendum , quod quidditas et habens quidditalem
differrent realiler Sed itlud non videtur posse stare, quia individuum non
addit supra speciem id, quod non ptus ineluditur in significato individui quam
speciei Ilem quod poslerius est allero, non polest esse causa itlius secundum
quod poslerius. Sed omnia accidentia individua (diess letzlere Wort ist als sinnlos
zu streichen) videntur esse posleriora et adventicia substanliae Ilem non videtur
posse dici, quod accidenlia faciant individua vel numero divisa, quia nec secundum
se habent esse simpliciler Ilem si per accidentia solum fieret individualio et
formalis divisio vel dislinclio singuiorium sub una specie , non differrent substantialiter
ad invicem, sed solo accidenle, nec essel uHuS homo alias ab allero in
substantia Ergo individualio in genere substanliae non videtur causari ex
accidentibus.
66) Ebend. p. 300: Sed quia inler omnia entia quanlitali soli per se videtur
conoenire divisibilitas in ptura eiusdcm .ralionis, videtur ergo, quod haec indi
vidualio vel divisio vel disiinctio secundum numerum et individuum habet esse
per ipsam soiom quantitalem; et ideo tola difficultas praesenlis inquisilionis quantum
ad enlia malerialia videtur versari cirea quanlitalem; nam si aliquod accidens sit
causa individualionii, hoc videtur quantitali tribuendum (p. 301) Oportet dicere,
quod, si quanlitas divisa sit praecisa ralio formalis huius diversitalis , et non ipsa
forma substantialis , unum individuum differret ab aliu sotum accidentaliler sive
secundum formam accidentalem , et eaent ptura secundum quanlitalem sive ptura
quanta, et non secundum substanliam, sive non essent ptures substantiae, quod est
manifestum inconveniens.
XIX. Gottfried v. Fontaines. 199
Vergleiche gegen das undeterminirte Wesen der Species der Grund der
Individualion 67).
Ebenso verbleibt Gottfried, was die unilas formae betrifft, bei der
gleichen thomislischen Auffassung. Sowie er nemlich die dogmalischen
Bedenken des Tempier durch eine Dislinclion zwischen Individuum und
Form beseiligt 68), so betont er auch die Einheitlichkeit jenes Vorganges,
durch welchen ein scheinbar zusammengesetztes Wesen aus dem potenzielten
Sein zum actuellen hinübergeführt wird69); und dasjenige, was
als eine Manigfalligkeit mehrerer Formen in Einem Wesen erscheinen
könnte, setzt er eigentlich auf Rechnung der intentio secunda, indem er
es als verschiedene „significata", oder als verschiedene Begriffsbildung
(res aliter et aliter conceptd), welche an Einer und der nemlichen Sache
wirkt, bezeichnet 70).
Sowie es aber eine besondere Aufgabe der Anhänger des Thomas
sein musste, den oben (Anm. 27 ff.) erwähnten Angriffen Lamarre's ent
gegenzutreten, so unterzogen sich derselben auch wirklich mehrere Thomisten,
nemlich Richard Clapwel, Johannes Parisieusis, Aegidius Romanus,
und etwas später Herveus Natalis und Wilhelm Durand. Jedoch es sind
diese Vertheidigungsschriften entweder verloren gegangen oder nur hand-
67) Ebend. p. 301 : Cum suppositum dicat individuum in genere substanliae,
est ens per se exislens el in se subsislens; tale quid aulem est substanlia prima,
qtKM proprie et principaliler et maxime dicitur substanlia. Ergo in sua ralione
non inetudit nisi quae ad ralionem substantiae perlinent, ..... et sie, quamvis non
habeal esse sine quanlitale, inquantum est substanlia malerialis, tamen itiom per se
in sua ratione non inetudit Quidquid importat natura significata nomine communi
sub ralione communi et in de l crmin ata , cum hoc non sit nisi id quod ad
substanliam pertinet, hoc latimt est naturale, quod (Haurfau gibt tolum et natura
aliquid) importat sub ralione propria et delerminata suppositum significatum nomine
individui Dicendum est de hoc homine, puta Soerate, comparato ad hominem,
quod huiusmodi accidenlia delerminata non magis sunt de significato vel ralione in
dividui, puta Soeralis, quam accidenlia indelerminata de ralione speciei, puta hominis,
cum species tamquam substanlia secunda de individuo tamquam de substanlia
prima per se et essenlialiter praedicetur. Vgl. bei Thomas, Abschn. XVH, Anm. 520.
Vielleicht träle die Uebereinslimmung noch deutlicher hervor, wenn unsere Quelle
reichlicher flösse.
68) Bei D'Argentre' a. a. O. p. 216: Alia aulem opinio, quae ponil ptures
formas, ponit, quod eodem modo oporlet ponere idem corpus numero in
aliis hominibus, sicut in Christo (s. ob. Anm. 19 u. 30) Eliam nec Parisiis
habetur pro errore, quod corpus Chrisli vel allerius hominis, quantum ad formam,
sil aliud vivum et mortuum vel divisum, licet esset error ponere de corpore Chrisli,
quod non sit idem, quantum ad suppositum, rivum et mortuum.
69) Bei Haureau a. a. O. p. 291: JVon alia produclione producitur polenlia et
accidens, sed eo ipso, quo producitur unica produclione tolum compositum per se ex
polenlia et actu, producuntur parles in Mo composito ex consequenli, quia producto
tolo producuntur partes. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 521. Auch hier jedoch wäre
eine reichere Mittheitung wünschenswert)! gewesen.
70) Ebend. p. 294: Nec entia specialia se habent ad ens sicut species delerminantes
ipsum, sed magis sunt significata eius eliam usque ad specialissima descendendo.
p. 302: palel quomodo suppositum est idem vel non idem cum natura, quia
non differt sicut conceptus communis et indelerminatus , qualis est conceptus generis,
et conceptus specialis el determinatus , qualis est conceptus speciei, nec differt
natura speciei, quae significant unam et eandem rem aliler el aliler conceptam et
intellcctam, quantum ad id, quod ad ipsam essenliam rei pertinet. Vgl. bei Thomas,
ebd. Anm. 506, und unlen Anm. 74.
200 XIX. Johannes von Paris.
schriftlich vorhanden mit Ausnahme jener einen, welche unter dem Namen
des Aegidius Romanus gedruckt wurde, aber mit grosser Wahrscheinlich
keit dem Johannes Parisiensis dem Jüngeren (um d. J. 1290)
zugeschrieben werden muss71). Die Widerlegung selbst ist hier, was
den ersten Angriffspunkt, d. h. das principium individuationis (s. ob.
Anm. 28 f.), betrifft, unendlich sehwach, denn sowohl bei der Individua
lität der Engel 72) als auch bei jener der menschlichen Seele 73) appellirt
der Verfasser einfach an die göttliche Allmacht und kann so seinem
Gegner Goethals (s. Anm. 48) brüderlichst die Hand reichen. Besser
ist die Frage über unitas formae erörtert, indem vorerst die Bedenken
hervorgehoben werden, welche aus der Annahme einer Vielheit der Formen
(auch hei jener Gradabslufung der Vervollkommnung, s. ob. Anm. 30) sich
ergeben, sodann aber gleichsam ein Vermittlungsversuch folgt, welcher
die grösste Aehnlichkeit mit der so eben erwähnten Ansicht des Gottfried
von Fontaines hat; nemlich auch hier wird daran festgehalten, dass sach
lich nur Eine Form wirke und bestehe, aber andrerseits knüpft sich das
Zugeständniss daran, dass die Denkauffassung an Einem Wesen verschie
denes bald höher bald niedriger liegendes Allgemeines festhalten und in
gleicher Weise mehrere Formen des Einen Wesens unterscheiden könne 74).
71) Die Gründe, warum Argidius Romanus nicht der Verfasser des Defensorium's
sein könne, hat schon Oudin, Comm. de seriptt. eceles. III, p. 635 ff.
schiogend dargelegt, und die Molive, aus welchen er dasselbe dem Johannes Pari
siensis zuweist, halte ich, sowelt in solchen Dingen überhaupt sichere Resultale
erreichbar sind, für nahezu hinreichend. Dass von den beiden Johannes Parisienses,
welche dem 13. Jahrh. angehören, nur der Jüngere, welcher den Reinamen „Pungens
asinum" trug, in Frage kommen kann ( — der Aeltere blühte um 1230 —), verstcht
sich von selbst. Was über beide in Hist. litt, de io France, XIX, p. 422, gesagt
ist, lohnt sich kaum der Mühe des Lesens.
72) In der oben (Anm. 27) angeführten Ausgabe f. 9 v. R : Cum eo ipso, quod
sunt formae simplices sine maleria subsislentes, manifestum sit, eos differre soio
differenlia formali, quae facit diversitalem in specie, dicere, eos non esse passe
eiusdem speciei, non ptus derogal divinae polcntiae, quam dicere, quaecunque differunt
specie, non passe esse eiusdem speciei. (Als Reispiele dieses göttlichen Wunders
folgen dann canis und tupus!)
73) Ebend. f. 54 v. B: "lulin sunt impossibitia naturae, quae non sunt impossibitia
deo .... (f. 55 r. A) Deus ipse est principium effeclivum animae tam quaad
esse, quam eliam quoad numeralionem.
74) Ebend. f. 18 v. B : Mullifarie mullisque modis magistri et mulli cirea unitalem
formae substanlialis ioboraverunt (f. 19 r. B) Oporlebit istos secundum
modum, quo ioquuntur, fingere, quod forma animae ralionalis primo perficiel suam
maleriam pure spiritualem, et medianle hac maleriam sensilicae minus spiritualem,
el mediantibus itlis ullerius maleriam vegetalivae minime spirltualem, et tandem ullimo
maleriam corporalem; et erunt quatuor (f. 19 v. A) Oportet, «lfam formam
perfecliorem inctudere in se lolam imperfectionem, quae est in forma imperfecliori
(B) Ex quo sequitur, quod in itio una re, cuius sunt istae formae, sunt duae existcnliae
vel duo actus essendi vel subsistendi, quod est impossibile. Esse enim est ipsa
actualitas quidditalis vel naturae, cuius est Impossibite est omnino per modum,
quo isli ponunt, pturalitalem formarum substantialium in eodem sustinere. Ergo
modus alius, siquidem possibite est, inveniatur et hoc ex dicendis in articulo
proximo domino adiuvanle palebit. Diese Lösung nun ist folgende: (f. 20 v. B)
Omnes formae substanliales in hac proprietale conveniunt, quod quaelibel dal esse
substanliae et conslituit ens subsistens, et ideo inlellectus noster habet tmum communem
conceptum el abstrahit unam formam communem, secundum quam quodlibel
constitutum dicitur substanlia (f. 21 r. A) /•.'l sie intelligendum est de generibus
XIX. Job. v. Paris. Th.Docking. Ol.Brito. Jac.v.Rav. K. v. Kalberst. 201
Der Vorwurf endlich betreffs der Erkenntniss des Singulären (Anm. 31)
wird hier im Anschlusse an jene Stellen, in welchen sich Thomas weniger
einseilig geäussert hatte, glücklich beseiligt 75).
Möglicher Weise nun könnte auch die eine oder andere jener klei
neren Schriften, welche mit Unrecht dem Thomas von Aquin zugewiesen
wurden (s. Abschn. XVII, Anm. 484), bereits in diesen ersten Stadien
der Parteikämpfe ihre Entstehung gehabt haben, nemlich allenfalls „De
natura gener is" und „De intellectu et intelligibili" ; da jedoch andere
derselben entschieden schon auf scolislische Ansichten Bezug nehmen, so
halte ich es für besser, die Darstellung des Pseudo-Thomas nicht allzusehr
zu zerreissen, und somit auch die zwei genannten kleinen Schriften neben
anderen erst unten nach Scotus zu besprechen 78) , indem ja zwingende
chronologische Gründe betreffs einer früheren Abfassungszeit jener beiden
nicht vorliegen.
Hingegen soll um der Vollständigkeit willen nicht unerwähnt bleiben,
dass noch jener Zeit sowohl Thomas Docking (Cancellarius in Oxford),
welcher die zweite Analylik commenlirte 77), als auch Olivier Brito,
welcher eine Erläuterung zu Sophist. Elenchi schrieb 78) , angehörten.
Diese Schriften Beider aber besitzen wir nicht mehr. Auch Jacobus de
Ravanis (gest. 1296) möge nicht gänzlich ungenannt bleiben, wenn auch
die frühere Annahme , dass er als der erste die Logik auf die Jurispru
denz angewendet und hiedurch einen gänzlichen Umschwung des Rechts
studiums hervorgerufen habe, in neuerer Zeit auf ein höchst bescheidenes
Maass geschichtlicher Wahrheit reducirt wurde79). Ob Konrad von
Halberstadt (um 1295) wirklich „De logica" geschrieben habe, muss
dahingestellt bleiben80).
Nun aber traten alle jene Controversen , welche durch die Logik
des Albert und des Thomas hervorgerufen worden waren und theils
für theils gegen den Letzteren Partei genommen hatten, durch den Franet
speciebus sibi invicem subordinalis .... Cum enim species sit id ipsum quod genus,
puta „Aomo" est ittud ipsum quod „animal", prout animal de homine praedicatur
uec est pars hominis secundum rem, sed sofum secundum ralionem, simitiler
oporlet dicere, formam speciei esse formam ipsius generis Una igitur forma
secundum rem est ptures secundum ralionem, sc. magis universalts et minus universalis.
Et sie maleriam recipere formam magis universalem ante aliam, non est aliud,
quam maleriam recipere formam conceptam secundum ralionem unam ante semelipsam
conceptam semndum ralionem aliam. S. Anm. 70, woselbst „aliler et aliter concepta".
So stehen wir hier jenen älleren Ansichten über „status" (Abschn. XIV, Anm. 129)
oder über „maneries" (ebend. Anm. 85) so ziemlich nahe.
75) Ebend. f. 4 v. A : Per species inlelligibites universales, quas abstrahit inlellectus,
non polest actu inlelligere nisi comerlendo se ad phantasmata singutarium
Thomas intendebat sotum, quod non cognoscit singuioria rerum malerialium
primo et direcle a. s. f., kurz mit den nemlichen Worlen , wie wir bei
Thomas, vor. Abschn., Anm. 499 f. „refiexio" oder „maleria impedil" u. dgl.
trafen.
76) S. unlen Anm. 265 ff.
77) Oudin a. a. O. III, p. 525.
78) Hist. litt, de io France, XXF, p. 303.
79) Savigng, Gesch. d. röm. Rechts im Mitleiolt., V (2. Aufl.), p. 605 ff.
80) Denn die Gioubwürdigkeit des Trithemius (Aim. Hirsaug. ad ann. 1295) ist
bekanntlich sehr gering. Was aber die angebliche „Mensa phitosophica" Konrad's
betrifft, s. unlen bei Auguitbertus in Abschn. XXII.
202 XIX. Duns Scotus.
ziskaner Johannes Duns Scotus (gest. 1308 — bekanntlich „Doctor
sublilis" genannt —) insofernc in ein höheres Stadium, als derselbe sie
sirenge und präcis formulirte und hiemit in fester Parteistellung folge
richlig durchführte. Es ist leicht gesagt, Duns Scotus sei der abstruseste
aller Scholasliker , während doch ein genaueres (allerdings mühevolles)
Studium seiner Schriften ihn uns als einen scharfsinnigen Denker zeigt,
welcher das damals zugängliche Material vollständig kannte und zugleich
mit dislinclivem Verstande durchdrang. Anziehende Reize als Schriftsteller
besitzt er wahrlich nicht, denn seine Methode besteht bis zur Ermüdung
des Lesers darin, dass er unablässig bei jeder Frage oder jeder Thesis
zunächst mit „Videtur, quod non" die möglichen Gegengründe (zuweilen
wirklich mit haarsträubender Spitzfmdigkeit) aufstöbert, sodann unter „In
oppositum" die Gegengründe der Gegengründe und die posiliven Gründe
vorführt, und hierauf zuletzt die „Solutio" darbietet, und zwar meist mit
detaillirter Rückbeziehung auf die Gründe und Gegengründe. Aber hinter
dieser struppigen Form steckt ein Denken, welches, soweit diess im Mittelalter
überhaupt möglich war, wenigstens weiss , was es will , und auf
Grundlage der damaligen allgemeinen Anschauungen die Tragweite der
Begriffe durchmisst, und diess ist im Vergleiche mit der Bornirtheit eines
Albert und eines Thomas jedenfalls für den Leser wohlthuend. Auch
besitzt Scotus darin unsere Sympathie, dass er (— um mit modernen
Worten zu sprechen —) auf der Unerkennbarkeit des Absoluten steht,
dass er als Indeterminist die thomislisehe Unterordnung des Praklischen
unter das Theorelische entschieden bekämpft, und dass er der Theologie
nur eine praklische Wirksamkeit im Gebiete des praklischen Glaubens zu
weist, wobei sich in dem Verzichte auf theorelische Begründung des
Dogmas wieder einmal die Richligkeit des auguslinischen „Credo, quia
absurdum" zeigt. Doch diese Gesichtspunkte überschreiten die Gränzen
der Geschichte der „Logik" 81).
Um aber dasjenige darzustellen, was von Scotus hieher gehört, ist
es vor Allem nothwendig, unter seinen Schriften 82) die zweifelhaften oder
unächten von den unbestreitbar ächten auszuscheiden. Somit müssen hier
in Betracht kommen vor Allem seine Quaestiones in universam logicam
(d. h. zum Porphyrius und zum ganzen Organon mit Ausschluss der
Topik), sodann abgesehen von einzelnen Stellen der Commentare zu De
anima und zur Physik auch die Quaestiones in melaphgs. (die Condusiones
ex libr. metaph. sind eigentlich eine blosse Inhaltsangabe), ferner,
wie sich von selbst versteht, der ausführliche Commentar zum Petrus
Lombardus, d. h. das sogenannte JOpus Oxoniense, sowie die Beportata
Parisiensia (eine Art Auszug des eben genannten grösseren Werkes),
auch der Tractatus de modis significandi seu grammatica speculaliva*3').
81) Mit einigen Worten jedoch müssen wir unten (Anm. 221) wieder darauf
zurückkommen.
82) Es gibt nur Eine Gesammt -Ausgabe der Werke des Scatus, welche der
überaus gelehrte Wadding (Lugdun. 1639, 12 Bände fol.) besorgle und durch zahl
reiche Commentare bereicherte.
83) Letzlerer Zusatz in der Titel-Ueberschrift durfle wohl erst von der scolislischen
Schule ausgegangen sein ; wenn aber als Verfasser dieses Buches auch
XIX. Duns Scotus. 203
»*
und der Traclatus de primo principio und die Theoremata; in den
Quaesliones quodlibelales aber leimt Scotus die Detail-Erörterung der
logischen Haupt-Controversen meistens ab , insoferne dieselben schon bei
Erklärung des Sentenliarius besprochen sind. Hingegen muss ich als unächte
Schriften bei Seite lassen sowohl den Commentarius lextualis in libr.
metaph.^*) als auch die Quaestiones miscellaneae de formalitatibus 85).
Die Logik des Duns Scotus, welche, wie sich zeigen wird, einen
reichhalligen Kreis scolislischer Litteratur zur Folge hatte, beruht nicht
etwa auf völlig neuen Pfaden, welche er von sich aus geschaffen und er
öffnet hätte, sondern derselbe ist, was das tradilionelle Material betrifft,
ebenso abhängig und bedingt wie alle Autoren des Mittelalters. Aber er
unterscheidet sich von Anderen zunächst durch eine überaus reichliche
Beiziehung der byzanlinischen Logik, bei welcher er häufig auch bis zu
Wilhelm Shyreswood zurückgreift86), und sodann vor Allem durch eine
begriffsmässige Präcision und Consequenz , mit welcher er das aristote
lische, arabische und byzanlinische Material ausnützt, so dass hiedurch
wirklich manche neuen Wendungen aus dem alten Stoffe heraustreten und
sich trotz aller Gegnerschaft der Uebergang zu Occam vermittelt.
Was zunächst die Stellung der Logik überhaupt betrifft, so tritt die
selbe bei Scotus ebenso wie bei Albertus Magnus grundsätzlich innerhalb
der „speculaliven" Begabung des Menschen dualislisch neben die „realen"
Disciplinen (Physik, Mathemalik, Metaphysik), indem die „ralionale" Wissen
schaft (Grammalik , Rhetorik und Logik enthaltend) dem subjecliven Er
fassen des Objecliven angehört87). Das Verhältniss der Grammalik zur
der Augusliner Albertus de Saxonia genannt wurde, so scheint Wadding (Vol. I,
p. 41 f.) diesen Verdacht der Unächtheit genügend beseiligt zu haben.
84) Derselbe ist entweder ganz von Antonius Andreas (s. unten Ann,. 443 ff.)
verfasst oder wenigstens von ihm revidirt und vermehrt, eine Annahme, welche
auch durch den von Wadding (Vol. IV, Proam,.) zu Hitfe gerufenen Cavelli nicht
widerlegt ist.
85) Der Bericht selbst, welchen Wadding (Vol. III, p. 441) dieser unvollendelen
Schrift vorausschickt, enthält eigentlich mehr Gründe der Unächtheit, als der Aechthelt.
Es versleht sich von selbst, dass das Buch der scolislischen Schule angehört.
Wir werden unten die Keime desselben beim ächlen Scatus (Anm. 147 II'.) und
späler die scolislische Lehre betreffs der Formalitales selbst sehen (Anm. 529 ff.).
86) An Einer Slelle Quaest. in metaph. V, 7, (Vol. IV) p. 618 B nennt er ge
legentlich des „infinitum" Hen Shyreswood mlt Namen; andere slillschweigende
Ruckbeziehungen werden wir unten mehrere treffen.
87) Senf. Lib. HI, Dist. 34, (Vol. VII) p. 728 f., woselbst Scatns in folgender
tabeliorischer Form den habitus des Menschen eintheitt:
Imetaphgsicu»
i reolis Imathemalicus
\ \phgsicus
J "
intsllectuali, I ralionalis rhetorieus
\grammahcus
vraclicus { cIrea aj'*''e; prudenlia
' ' " \ cirea faelibite: medicina und sämmlliche Gewerbe
{ad aller um: tustitia
ad *e ipsum{ f°*M0.
' \ lemperanlia.
Ou. sup. An. post. I, 47, p. 415 A (die logischen Commentare slehen sämmtlich in
Vol. I): i'«s mlionis est subiectum logicae, ens inquantum mobite est subiectum na204
XIX. Duns Scolus.
Logik wird dabei allerdings in der üblichen Weise abgegränzt; aber in
Be/ug auf Wahrheit und Falschheit der Urtheile, worin natürlich der Um
kreis der Logik liegt, hält sich Scotus nicht bloss an die aristotelischen
Bestandtheile des Urtheiles, sondern zieht principiell auch den Inhalt der
byzanlinischen Logik bei, indem er an significatio und supposüio terminorum,
sowie an consequentia und copulatio u. dgl. denkt88).
Auch den Unterschied, welcher zwischen Logik und Metaphysik neben
manchen Berührungspunkten doch als ein wesentlicher besteht, erblickt
Scotus ebenso wie all seine älteren und jüngeren Zeitgenossen in jener
intentio secunda, welcher wir nun seit den Arabern stets schon begeg
neten, und er spricht in manigfalligen Wendungen wiederholt es aus,
dass die Logik jene Momente, welche von ratio oder von intellertus oder
von conceptus ausgehen, kurz also der subjecliven Werkstätte angehören,
auf das objeclive Wesen der Dinge „anwende" — applicare — 89).
Eben hiedurch entscheidet er auch jene Frage, ob die Logik als
i,,n,lu.t sciendi selbst eine Wissenschaft sei (s. bei Albert und Thomas
Abschn. XVII, Anm. 363 ff. u. 489), im Anschlusse an Alfarabi dahin,
dass die Logik einerseits als docens wirklich eine Wissenschaft ist und
turalis scienliae, ens sub absotuta ralione est subiectum metaphgsicae. Vgl. Abschn.
XVII, Anm. 362. und selbst Hngo v. St. Victor, Abschn. XIV, Anm. 45.
88) Qu. sup. An. pr. I, 19, p. 301 B: De partibus oralionis . . . . grammalicus
considerat ....in ordine ad congruitalem Sed logicus considerat de islis in ordine
ad veritalem et falsitalem, sc. prout possunt esse pnrles principales enuulialionis verae
vel falsae, sc. subiectum, praedicatum, vel copuio, et tales parles sunt praecise nomina
et verba. Nam aliae parles oralionis non sunt nisi delerminaliones vel dispositiones
designanles significalionem vel suppostlionem lerminorum, sc. nominis et verbi; aut
modum significandi vel supponendi, aul diversum modum sequendi unius ex allero,
vel diversum modum copuiondi diversa ab invicem, et sie de aliis.
89) 0n. sup. Etench. l, p. 224 A: Logica est de communibus et phitosopbia
prima (s. Abschn. XVII, Anm. 480 u. 546), sed diversimode; nam phitosophia prima
consideral ens, inquantum ens est, unde consideral rem secundum suam quidditalem,
et quia quidditas rei est entitas per se rei, considerat rem secundum suam enlita"
lem SinuHler logica est de enle communi, sed ens est duplex, sc. naturae
elralionis; ens aulem naturae inquantum tale est, cuius esse non dependet ab anima;
sed ens ralionis dicitur de quibusdam inlenlionibus, quas adinvenit ralio in ipsis
rebus Quia ergo logica est de huiusmodi intenlionibus, quae applicabites sunt
omnibus rebus, ideo dicitur ex communibus procedere. Qu. sup. An. post. 1,43, p. 412 B:
Scienlia dicitur communis dupliciler: uno modo communitale subiecli, alio modo communitale
applicalionis. Primo modo metaphgsica est scientia communis; secundo
modo dialeclica est communis. Sent. Lib. II, Dist. 3, 0n. l, (Vol. IV) p. 357: Non
sotum ipsa natura est de se indifferens ad esse in inlellectu et in particuiori ac per
hoc ad esse universale et singutare, sed et ipsa habens esse in intellectu non habet
primo ex se universalitalem ; licet enim ipsa inlelligatur sub universalitale ut sub
modo inlelligendi ipsam, tamen universalitas non est pars conceptus eius primi, quia
non conceptus metaphgsici, sed logici; logicus enim considerat secundas inlenliones
applicatas primis secundum ipsum Avicennam (s. Abschn. XVI, Anm. 74). Qu. in
Praedicam. 2, p. 126 A: Praedicamenta dupliciter possunt considerari: uno modo, in
quantum considerantur a ralione, sive aliqua proprietas ab intellectu causata eis altrilm.
il ne. Primo modo de eis consideral metapbgsicus, secundo modo hie de eis
consideratur. Qu. sup. An. post. l, 27, p. 387 B : Aristoleles in tola logica conctudit
passiones de inlenlionibus secundis, ut de enuntialione et sgllogismo, quia inlenliones
secundae sunt subiectum Ingicae, de quibus logica consideral passiones. Vgl. Abschn.
XVII, Anm. 363, 380, 394, 489, 506.
XIX. Duns Scotus. 205
andrerseits als utens den modus für alle übrigen enthält 90), so das» wir
hier wieder in anderer Weise als bei Lambert v. Auxerre (ebend. Anm.
104) den Begriff einer „angewandten Logik" treffen.
Was aber den eigentlichen Gegenstand und Zweck der Logik betrifft,'
so erwähnt Scotus jene Ansicht, nach welcher der Begriff als das
wesentliche Object betrachtet und in den Thäligkeiten des einfachen Er
fassens, des Zusammensetzen und des Erörterns (— Kategorien, Urtheil,
Syllogislik —) die Begriffsbildung in den Vordergrund gestellt wurde91),
und er schliesst sich auch ausdrücklich an eben diese tradilionelle Dreitheilung
des Gebietes der Logik an92); aber er stellt sich dabei grund
sätzlich auf jene Seite der arabischen Auffassung (Abschn. XVI, Anm. 15,
78 f., 240), nach welcher zum Behufe des Fortschreitens von Bekanntem
zu Unbekanntem der Syllogismus als der ursprüngliche und eigenthümliche
Gegenstand der Logik zu bezeichnen ist, so dass die einfachen Be
griffe und deren Zusammensetzung in den Urtheilen nur als Bestandtheile
90) Qu. sup. Porph. l, p. 87 A: Quaero, utrum iogica sil scientia. Videtur,
quod non. Modus sciendi nnn est sc,entia; togica est modus scicaili; ergo etc
Dicendum, quod logica est scienlia; quae enim in ea docentur, demonstralive conctudnnlue
sicut in nliis scienlii!, ; ergo sciuntur.... Intelligendum est tamen, quod Iogica
dupliciler consideratur. Uno modo inquantum est ducens, el sie ex necessariis et propriis
principiis procedit ad necessarias conctusiones, et sie est scienlia. Alio modo
inq itanlum ulimur ea applicando eam ad itio. in quibus est usus, et sie non est ex
propriis, sed ex comnmnibus, nec sie est scienlia p. 88 A: Malerialiler haec
praedicalio „Modus sciendi est scientia" est vera, quia togica docet modum sciendi
pro tanto, quia est de sgllogismo vel de argumento, per quod tahtum habetur scienlia.
Qu. sup. An. post. t, Prooem. p. 343 A: Scientia demonstraliva dupliciter polest considerari.
Uno modo , inquantum ulitur demonstralione , per itiom sc. demonstrans
effectus in aliis scienliis, et isto modo dicitur quaelibet scientia demonstraliva. Alio
modo, quae docet, ex quibus el ex qualibus debel esse demonstralio. Das
arabische Original s. Abscha. XVI, Anm. 15. Natürlich hat diese Unterscheidung
Nichts damit zu schaffen, wenn Scatus anderwärts ((,n. sup. Etench. 3, p. 225 B)
mit Aristoleles sagt: Scientia dialectica lraditur per demonstralionem, usus tamen
eius in probabitibus consislit ; denn Letzleres bezieht sich auf die rhetorische Praxis
des Dialeklikers.
91) Qu. sup. Porph. 3, p. 88 B : Dicitur, quod subieetum logicae est conceptus
formatus ab actu ralionis, quia itle communis est omnibus in Iogica consideralis.
Nam enm actus ralionis sit triplex, primus sc. indivisibitium inteiligentia, secundus
compositio vel divisio istorum simplicium, lertius discursus formatus a nolo ad ignotum,
de conceptu formalo a primo actu est ilber Praedicamentorum, qui est de incomplexo
(Qu. sup. An. pr. I, 7, p. 282 B: Definitio et deseriplio dantur de lerminis
incomplexis), de conceptu formalo a secundo actu est liber Perihermenias, de
conceptu formalo a lertio actu est tola nova togica, quae est de sgllogismo et de
eius parlibus subiectivis. Die Grundioge dieser Ansicht s. bei Thomas, Abschn.
XVII, Anm. 491.
92) Op. II sup. Periberm., Prooem. p. 211: Duplex est operalio intellectus.
Una, quae dicitur indivisibitium intelligentia, secundum quam dicitur intellectus formare
conceptus simplices; alia est, secundum quam componit et dividit lslis
duabus operalionibus additur lertia, quae est discurrere ab uno ad aliud, ul a nolis
ad ignota Kst universaliter liber Praedicamentorum de simplicibus conceplibus,
quos fom,at, vel quae sunt intelligibitia secundum quod sunt dicibitia et ordtnabilia
in genere per se (vgl. ebend. Anm. 429) De secunda est liber Perihermenias,
inlellectus enim componens et dividens formal enunlialionem, el non est
enunlialio ipse actus intellectus, sed magis agitur ab intellectu. De islis aulem,
quae cadunl snb lerlia operalione intellectus, sunt libri novae logicae, in qua docetur,
quomodo est procedendum a nolo ad cognitionem incogniti.
206 XIX. Duns Scotus.
der Schlüsse eine logische Geltung besitzen93); d. h. er erkennt an, dass
die durchgeführte Wissenschaft als solche doch nur durch die Operalion
des Schliessens zu Stande komme, während die ersten Principien aller
dings unmittelbar durch einen einheitlichen Act des Intellectus erfasst
werden müssen94). Von besonderer Wichligkeit aber ist uns dabei, dass
Scotus in jenen drei so eben angeführten Stellen die Syllogislik (d. h.
die beiden Analyliken und die Topik) als „nova logica" und die Kate
gorien nebst der Lehre vom Urtheile als „veltts logica" bezeichnet, und
somit diese litterarische Unterscheidung, welche wir schon früher in ihrer
Entstehung betrachten konnten, hier bereits als recipirt erscheint 95).
Aber im Dienste dieser syllogislischen Aufgabe der Logik ist es eben
jene Denk-Operaliou als solche (ob. Anm. 89), welche den entscheidenden
Partei-Standpunkt des Scotus in Auffassung der Logik überhaupt und ins
besondere der Universalien mit sich bringt; nemlich wenn derselbe sich
präcis und deutlich dahin ausdrückt, dass die Logik weder eine scientia
realis noch eine scientia sermocinalis sei, sondern conceptus und actus
ralionis gerade als Drittes in Mitte zwischen res und vox stehen, so
befinden wir uns hier, wenn je irgendwo, bei einem Coneeptualismus,
welcher allerdings das Verhällniss des Denkens zur Sprachbezeichnung
nicht ausser Acht lassen kann 9Ö), aber auch die Beziehung zu den Denk-
Objecten feststellen muss, so dass Sein und Denken gleichsam parallel
laufen und der Grundgedanke einer gewissen Wechselwirkung zu einer
Auffassung führt, welche zugleich metaphysisch realislisch auftritt und
logisch nominalislische Handhaben darbietet.
Während nemlieh alle Theile der Logik (d. h. Alles, was eine innere
Beziehung zum Syllogismus hat) in der subjecliven Werkstätte des Geistes
93) 0n. sup. porph. 3, p. 89 A : Dicendum ergo, quod subiectum primum et ,
proprium logieae est sgllogismus, 51110 stalim post delerminalionem de eius par- , \
libus in vetsri logica praemittit eius definitionem in primo Priorum Prnpler \
ipsum enim in veteri logica delerminatur de eius parlibus integralibus, sc. de incomplexo
et de enunlialione, et de parlibus subiectivis in libris Topicorum, Priorum et
Posteriorum, et de aliis speciebus argumentalionis , quia itioe reducuntur ad ipsum
Ergo penes eius divisionem el attributa Mi palet divisio logieae Sgllogismus
quoad proprictales formaliter ipsum consequentes est subicctum libri Priorum; est
autem subiectum tolius logieae quoad omnes passiones in se vel in suis parlibus inlegralibus
et subieclivis vel reducibitibus ad ipsum. Schon Albert (s. ebend. Anm. 370)
baue gegen eine solche Auffassung, welche den Syllogismus allzu einseilig betont,
polemisirt.
94) 0u. sup. An. post. t, l, p. 344 B: Principia proprie non sunt scita, sed
inlellecta; intellectus enim est principiorum , scienlia conctusionum. Hiezu unten
Anm. 108.
95) S. Abschn. XVII, Anm. 5 u. 103.
96) Qu. in Praedicam. l, p. 125 A: Logica non est scienlia realis nec sermo
cinalis, quia nec sermonem nec sermonis passiones considerat; ....immo quod ista '
divisio sit insufficlens, sie oslenditur: medium inler rem el sermonem vel vocem est
conceptus. Ergo sicut est aliqua scientia per se de rebus, aliqua per se de vocibus
significalivis, ita polest aliqua scientia esse per se de conceptu, et haec est
logica, unde per se habet dici scientia ralionalis, quod est de conceplibus formalis
ab actu ralionis Mull um comenit cum sermone propler duo: primo, quia
conceptus est immediatum significatum per vocem, de quo conceptu est logica; secundo,
quia passiones conceptus insunt voci significalivae, sicul incomplexum et complexum,
significare verum vel falsum, ul signo per naturam significali. S. Abschn. IV,
Anm. 111 ff.
XIX. Duns Scotus. 207
— mens — ein selbstständiges Sein besitzen, welches an sich vom Wort
ausdrucke unabhängig ist und seine innere Priorität auch in dieser äusseren
Verflechtung bewahrt97), sind die Universalien bei Leibe nicht fictiones
intellectus, denn dann wäre ja die Metaphysik und jede andere reale
Wissenschaft für sich gegenstandslos oder mit der Logik idenlisch 98), '
sowie umgekehrt die Universalien nur dann als blosse Pigmente betrachtet
werden könnten , wenn es in der objecliven Welt keine reale Wesens-
Einheit, sondern nur numeräre Einzelnheit gäbe "). Kurz Scotus erweist,
wie schon Albert gethan hatte, die objeclive Existenz der Universalien in
der That aus der subjectiven Auffassung, weil es ja von dem Nicht
Seienden keine Erkenntniss geben könne und somit dem Universale Etwas
ausserhalb „entsprechen" (correspondere) müsse, was eben bei bloss Fingirtem
nicht der Fall sei, d. h. das Universale komme ursprünglich und
dem Stoffe nach durch gelegentliche Veranlassung von der objecliven
Eigenthümlichkeit der Dinge her, formell aber in seinem wirklichen Auf
treten als Universale liege es im Intellectus 100). Hierin nun liegt der
Schlüssel zu allem Folgenden ; denn Scotus kann so in dem tradilionellen
arabischen Spruche „Intellectus agit universalilalem in rebus" zugleich
den Accent auf die Worte „in rebus" in realislischem Sinne legen101)
und dabei die ratio universalitatis als eine das Wesen der Dinge an '
sich nicht berührende Modalität, welche auf Rechnung des subjecliven
Denkens fällt, bezeichnen102); er kann das Denken an dem Maassstabe
der objecliven Realität und zugleich die mit künstlerischem Wirken er
zeugten Gertanken an dem Maassstabe des subjecliven Denkens messen,
so dass schliesslich für die Dinge und für das Denken der höchste
97) Ebend. p. 124 B: fsle liber (A. h. Calegoriae) non est de decem vocibus
ut de primo subiccto, nec aliqua pars logicae est de voce, quia omnes passiones
sgllogismi el omnes partes eins possunt sibi messe secundum esse, quod habent in
mente, etiamsi non proferantur; sed est de aliquo priore, quod respectu vocis significalivae
tantum habet ralionem significali. Ebenso 0u. sup. Periherm. I, l, p. 186 A.
98) Theorem. 4, (Vol. 111) p. 269 A: Universalia non sunt ficliones intellectus;
tunc enim nunquam in quid praedicarentur de re extra nec ad definitionem perlinerent,
nec metaphgsica differret a logica, immo omnis sci'enlia esset logica, quia de imiversali.
Vgl. nnlen Anm. 154.
99) Sent. Lib. II, Dist. 3, 0u. l, (Vol. VI) p. 336: Si omnis unitas realis est
numeralis, ergo omnis diversitas realis est numerulis, et ita omnia essent aeque
dislincta, et tunc sequitur, quod non ptus polest intellectus abstrahere a Soerale et
linea, et esset quodlibet universale pure figmentum.
100) 0n. sup. Porph. 4, p. 90 A: Universale est ens, quia sub ralione non enlis
nihit intelligitur, quia intelligibitc movct intellectum (B) Universale est ab inlellectu,
el cum dicitur „ergo est figmentum", dico, quod non sequitur, quia figmento
nihit correspondet in re extra, universali aulen, aliquid extra correspondet, a quo
mmetur intellectus ad causandum talem intenlionem Effective est ab intellectu,
sed malerialiter sive originaliter sive occasionaliter est a proprietale in re, figmentum
vero minime est. S. Abschn. XVII, Anm. 297.
101) Ebend. 9, p. 93 B: Inlellectus facit universalitalem in rebus (s. Abschn. /
XVI, Anm. 181, vgl. Abschn. XVII, Anm. 378); ergo itta est in-re, non in inlellectu.
102) Ebend. 5, p. 90 B: Universale est per se intelli gibite , quod palel sie:
Primum obiectuni intellectus, sc. quod quid est, inlelligitur sub ralione universalitalis
; itio vero ralio non est idem essentialiter cum itlo quod quid est, sed modus
eius accidentalis ; ergo intellectus polest cognoscere differentiam intcr suum obiectum
primum et ittum modum. S. bei Albert ebend. Anm. 392.
208 XIX. Duns Scotus.
Maassstab in Gott liegt103); und er kann in einer an Abälard erinnernden
Weise in den Universalien das esse in mullis und das praedicari de
mullis vereinigen104).
Natürlich liegt in dieser Unklarheit über das Wesen eines logischen
Subjeclivismus und eines metaphysischen Objeclivismus auch bei Scotus
eine höchst bedenkliche Schwäche speculaliver Auffassung vor; aber für
einen „Philosophen" wird ja hoffentlich ohnediess Niemand irgend einen
Autor des Mittelalters halten. Hingegen hat Scotus von einem solchen
durch die allgemeine Tradilion damals besiegelten Standpunkte aus als
eiu verstandesmässig sehr geschulter Denker die Consequenzeu durch alle
einzelnen Fragen hindurch festgehalten und durchgeführt. So nimmt auch
Scotus vor Allem die allgemein recipirte arabische Unterscheidung einer
doppelten intentio in dem Sinne auf, dass die secunda intentio, d. h.
die eigentlich logische, ein nachfolgendes Erzeugniss der Denk-Operalion
sei und so als Universale bezeichnet werde, während die prima intentio
als ursprünglich unbedingtes Erfassen auf die objeclive Quiddität gehe,
welche wohl gleichfalls Universale genannt werde, aber an sich gleich
güllig gegen Allgemeinheit oder Einzeluheit sei und daher auch im Denken
nicht mit concreter Gegenständlichkeit (subiective), sondern eben nur un
mittelbar vorstellungsweise (obiective) auftrete105). Und hierin liegt bei
ihm auch die Auffassung der üblichen arabischen Dreigliederung in universalia
ante rem, in re, post rem; denn er findet das Universale zu
nächst eben in der secunda intentio, un4 dann auch in dem von derselben
benannten Gegenstande der prima intentio, indem der letztere entweder
103) Op. II sup. Periherm., 3, p. 215 B: Duplex est inlellectus. Quidam est
mensuratus a rebus, quidam est mensura rerum. Intellectus noster per comparalionem
ad res naturales est mensuratus et dicitur verus ex hoc, quod est conformis rei, quae
est sua mensura. Arlificialia aulem comparantur ad intellectum nostrum sicut mensurata
ad suam mensmam ; igitur dicuntur vera ex hoc, quod allingunt per suam
formam perfectionem formae arlificis Quaelibet res naturalis secundum suam
formam imitatur quodammodo speciem eins in menle divina , unde vera dicitur, se
cundum quod ad ralionem ittius speciei allingit lntellectus noster simititer
dicitur verus, quia est conformis suae mensurae.
104) Qu. sup. Porph. 6, p. 91 B: Inest aliquid universali, quia si definilio
ipsius universalis vera sit, quae est „praedicabite de pturibus" (s. Abschu. IV, Anm.
197), tunc convertibile praeler essenliam universalis erit ittud, quod ponit
primo Posteriorum, sc. „esse unum in mullis et de mullis" (ebeud. Anm. 137). Et
e converso, si ittud sit definilio bona et vera, ittud eril proprium. Vgl. Abschn.
XVII, Anm. 167. u. Abschn. XIV, Anm. 291 ff.
105) Qu. de anima, 17, 14 (Vol. II) p. 546 A: Universale accipitur aliquando
pro inlenlione secunda, quae sequitur operalionem primam intellectus, qua inlelligitur
quidditas absotule, ..... et isto modo est in intellectu tanquam aliquid factum per
operalionem intellectus Aliquando autem universale accipitur pro re subiecta
inlenlioni secundae, i. e. pro quidditale rei absotuta, quae, quantum est de se, nec
est universalis nec singuioris, sed de se est indifferens (s. Abschn. XVI, Anm. 74);
et tale est obiectum inlellectus directum, non aulem est in intellectu subieclive, sed
tantum obiective. An unzähligen Stellen treflVn wir fortan bis in das 18. Jahrhun
dert (d. h. bis Alex. Baumgarten) diesen Gebrauch der Worte „subieclive" und
„obiective", welcher zu dem jetzigen sich genau umgekehrt verhält: nemlich damals
hiess subieclivum dasjenige, was sich auf das Subject der Urtheite, also auf die
concrelen Gegenstände des Denkens, bezieht; hingegen obieclivum jenes, was im
blossen obiicere, d. h. im Vorstelligmachen , liegt und hiemit auf Rechnung des
Vorslellenden fällt.
XIX. Duus Scotus. 209
das entferntere Object, nemlieh die ursprüngliche quidditalive Natur (d. h.
ante rem], oder das niihere Objeet, nemlieh das individualisirte Wesen
(d. h. in re) sein kann, in welch letzterem Falle die Universalität nur in
der indeterminirten Allgemeinheit der Aussagbarkeit liegt106). Auch be
zeichnet er das Universale ante rem ausdrücklich als das ursprünglich
erste Vorgestellte des Denkens , sowie die secunda intentio (d. h. posl
rem) als „forma", und das Universale in re als ein „Aggregat aus Ge
genständlichkeit und Form" l07). Ja er ist geneigt, für die Erkenntnis*
der einfachen Begriffe (Kategorien) und für die Zusammensetzung der
selben (Urtheil) demjenigen, was Sache der prima inlentio ist, eine
Priorität zuzuschreiben und die secunda intentio principiell (vgl. ob.
Amn. 93 f.) dem syllogisüschen Verfahren zuzuweisen, durch welches so
dann die wissenschaftliche Entwicklung der prima inlentio erfolge tos).
Beachtenswerth aber ist (— um üccam's und seiner Vorläufer willen —),
dass bei Scotus zum ersten Male jene Umstellung der Universalien auch
im Gewände byzanlinischer Logik auftritt, indem das Universale dasjenige
heisst, was von einem Gemeinbegriffe bezeichnet wird, welcher eine wirk
liche Objeclivität bedeutet, und somit das Universale in re zum „esse in
supposüis" wird, während die anderen beiden Stellungen des Universale
als Quiddität und als Denkform wiederkehren lü!)).
Schon aus dem Bisherigen aber ist ersichtlich, dass bei Scotus die
hauptsächliche Schwierigkeit sowohl logisch als auch ontologisch in den Uni-
106) 0u. in metaph.Wt, 18, (Vol. IV) p. 723 A: universale sumt polest tripliciter:
Pro intentione secunda, quae est quaedam relalio ralionis in praedicabiti ad
illud, de quo est praedicabite Alio modo accipitur pro Mo, quod denominatur
ab itio intenlione, quod est aliqua res primae intenlionis, nam secundae inlcntiones
applicantur primis. El sie accipi polest dupliciter: Uno modo pro Mo, quod quasi
ul subiectum remotum denominatur ista inlentione; alio modo pro subiecto propinquo;
prima modo dicitur natura absotule sumpta universale, quia non est de se baec ;
secundo modo non est unirersuk', nisi sil actu indelerminatum ita, quod unum inlelligibite
numero sit dicibite de omni supposito. Vgl. Anm. 109.
107) 0u. sup. Porph. 3, p. 89 B: Universale sicul celera conereta tripliciter
surnitur. Quandoque enim sumitur pro subiecto, i. e. pro re primae intenlionis, cui
applicatur intentio universalts, et hoc modo universale est primum obiectum inlellectus
; quandoque sumitur pro forma, sc. pro re secundae intentionis causata ab
intellectu el applicabiti rebus primae intentionis, et sie loquitur logicus proprie de
universali; lertio modo pro aggregalo ex subiecto et forma, el ittud est ens per accitiens,
quia aggregal diversas naturas, ex quibus non fit unum per se. Vgl. unlen
Anm. 147.
108) Qu. sup. An. post. l, 46, p. 414 B: Triplex est operalio intellectus. Una
est intelligentia simplicium; alia est compositio vel divisio. Et quoad itios duas
nperalienes n's primae intentionis sunt notae prius intellectui, quam secundae. Terlia
est operalio discursiva a praemissis ad conctusiones, el itle discursus est intenlio
seconda el est actus ralionis, per quem ducimur in cognitionem primarum inlenlionum
el aliarum scicntiarum ; el ideo quoad bunc actum logica est prior el ita prior inquantum
ad doctrinam, quia per discursum doctrinamur.
109) Qu. sup. Porph. 11, p. 94 A: Significatum lermini communis significuntis
veram naturam triplieiter polest considerari. Uno quidem modo secundum esse in
suppositis, quod dicitur esse maleriale eius ; secundo modo consideratur absotule
secumtum esse quidditalivum; lertio modo ul per formam intelligibitem ab inlellectn
apprehenditur, quod est esse cognitum, el sie insunt ei intenliones. tntellectus
enim considerans naturam hominis unam iu mullis el de mullis ab uliqua propnetale
,i'psrta in natura sie considerata movetur ad causandum intentiune,n et Mam causatan,
attribuit Mi naturae, cuius est proprietas el a qua accipitur.
Pmim, Gesch. 1II. 14
210 XIX. Duns Scotus.
versauen in re auftrete, und dass durch die Art und Weise der Lösung
derselben auch die Auffassung der Universalien ante rem und post rem
modificirt werden müsse. Der Kern der ganzen Frage liegt bei Scotus
in dem Begriffe der „species intelligibilis" (s. bei Aristoteles, Abschn.
IV, Anm. 63, und aus diesem bei Thomas, Abschn. XVII, Anm. 499 u. 510),
welche einerseits in den llealismus der ursprünglichen Wesens-Quiddität
(ante rem) zurückgreift und andrerseits doch zu einem anli-platonischen
Conceptnalismus verarbeitet wird. Dasjenige nemlich, durch welches die
Tbüligkeit des Denkens veranlasst wird (s. ob. Anm. 100), könne unmög
lich das blosse sinnliche Bild der Gegenstände sein, denn dieses sei von
vorneherein ungleicharlig , sondern sowohl hei Parlicularem als auch bei
Universellem wirke auf den Intellectus eine gestaltende Form (species
informans), durch welche derselbe als thäliger mittelst eines Sammelns
(colligere) oder gleichsam mittelst eines Vermehrens die Form eines uni
versalen Objectes erfasse110). Eben diese species intelligibilis siehe dem
nach in Mitte zwischen der reinen Spiritualität des Denkens und der
Materialität des Siimes-F.indruckes, sowie ja auch hei letzterem selbst
wieder eine dreifache Abstufung iii Object, Medium und Organ vorliege111).
Und somit sei hiebei nicht in platonischer Weise von Einflüssen der Ideal-
Welt, sondern von Formen die Rede , welche in den Dingen unter individualisirendeu
Umständen auf die Sinnes-Wahrnehmuug wirken, aber von
der Denkth.'iligkcit in andere Formen umgesetzt werden112); denn nach
Plato's Ansicht müsse der intellectus agens hinvvcgfallen, hingegen gerade
wenn das Universale als solches nicht in concretcr Existenz sich findet,
110) 0u. de rer. princ, 14, 3, (Vol. III) p. 129 A: Species inlelligit,itis requiritur
in inlellectu propler duo. Unum est, si res intellecta sit corporalis, quia species
sensus propler suam malerialitalem el improporlionem non possent movere inlellectum
; et ideo est necesse, ul fiul ab ea abstraclio seu, ut melius dicam, mulliplicalio
speciei inleliigibitis virtule tuminis intellectus agentis.... Sccundo requiritur
species propler obii'cti absenliam (B) Intellectus per speciem informantem inlelligit
tam universalia quam parlicuioria et alia .tpecie particuioria et alia universalia
.46 omnibus istis speciebus, puta sensalionis a specie rei sensibitis, ul
est in sensu el ut est in imuginalionc, colligit speciem rei universalis intellectus
communis. Ebenil. 15, p. 137 A: Obiecta bene agunt in inlellectum immitlendo
spec,em, maxime mm hoc fial in virtule intellectus agentis. Dass ich grundsätzlich
darauf verzichte, in die Geschichte der Psychologie (intellectus passivus n. aclivus
u. dgl.) überzugreifen, habe ich schon längst oben, Abschn. XVI, Anm. 4 f. aus
gesprochen.
111) Ebend. 14, p. 124 B: Habet species sensibitis esse tripliciter, sc. in obiecto
extra, quod est maleriale; in medio, et hoc esse est quodammodo spiritnale
et immaleriale; habet esse in organo et hoc adhuc magis spiritualiter (p. 1 25 A)
Ex his palet, qualiler phantasma habet esse quoddam maleriale respectu eorum. quae
sunt in sensu Sie in tntellectu non polest deveniri ab extn'mo, sc. a phantasmale,
ad extremum, sc. ad intellectim, seu ad ücturu intelligendi, qui est pure spiritualis,
nisi per medium intcr spirituale et corporale ; huiusmodi aulem medium est
species intelligibitis, quae non habet adeo esse maleriale sicul phantasma, nec adeo
spirituale ul intellectus.
112) 0n. sup. An. post. t, 3, p. 347 B: Dicitur secundum Ptalanicos, quoll nos
intelligimus per species influxas ab ideis (p. 348 A) fies mulliplical suam
speciem per sensus exleriores ..'...usquc ad pJ,autasiam, el ista species exislit sub
modo materiali et concipitm sub conditionibus individuantibus ; sed ista, ul sic, non
polest perficere intellectum. Ideo intellectus agens ex ilio specie in pbantasmate posita
gignit aliam speciem in iulellectu possibiti.
XIX. Duns Scotus. 211
sei es Sache des Intellectus, das exislirende Ding als Darsteller eines
Universale zu fassen , so dass dabei der auf die Singularität gerichtete
Sinnes-Eindruck mitspielt und doch zugleich die Quiddität der species in
lelligibilis aus dem Einzelnen „hervorleuchtet" ll3). Ja es folge aus dieser
provocirenden Wirkung der species intelligibilis eine passive Empfäng
lichkeit, welche mit dem Denken wesentlich verbunden sei und eine
pussin intentionalis genannt werden könne114), jedoch nur in dem Sinne,
dass diese Passivität des unmittelbar natürlichen Empfangens dem acliven
Wirken der Denkthäligkeit vorhergeht115), und die objecliven Dinge nur
die gelegentlichen Veranlasser der universalen Auffassung sind118). So
seien die Universalien, welche der Intellectus trotz aller Abhängigkeit von
dem Sinnlichen doch in höherer Weise erfasse, in der That „erworbene"
Formen — species acquisitae — ln), und wenn man z. B. von Artbegriflen
spreche , so sei diess nicht so zu verstehen , dass dieselben als
solche wirklich exisliren , sondern nur dass sie mittelst der aus den
Einzelndingen geschöpften species intelligibilis vom Intellectus actucll
erfasst werden118). Eben die Einzelndinge aber seien es demnach,
welche der Intellectus zunächst früher erkenne , denn gerade weil das
Universale als wirkliches Universale nicht in dem Einzelndinge selbst
sein , sondern nur durch das Denken aus demselben gemacht werden
könne, müsse doch dasjenige, an welchem die abstrahlende Thätigkeit
113) Senf. IM. I, Dist. 3, OK. 6, (Vol. V) p. 521 : Si essenliae rerum essent
universales, sicul posuit Ptalo, non indigeremus secondum ipsum iulellectu agmle.
Cum aulem universale inquantum universale nihit sit in existentia, sed l»»lum ,vi( in
aliquo ul repraesentante ipsum obiectum sub tali ralione, inlellestus agens facit
aliquid repraesentalivum universalis de eo, quod fuil repraesentalivum sinijalaris.
Ebend. p. 538: Nihil intelligimus in universal» nisi cuius singutare pkantasiamur,
nec est alia conversio ad phantasma, nisi quod intelligens universale imaginatur sin
guiore eius, nee inlellectus vidct quod quid est in phantasmalibus sicut in ralione
videndi, sed intelligens quod quid est retucens in specie intelligibiti videl ittud in suo
singuiori viso. Vgl. Report. Paris, l, Dist. 3, 0u. 4, (Vol. XI) p. 47 A.
114) S,'Ht. f-)l,. l, a. a. O. p. 529: Non tantum intellectus palitur ab obiecto
reali imprimente talem speciem realem, sed ab itla obiecto ul in specie intelligibiti
palitur passione intenlionali, et itio passio est receplio iulellcclionis, quae est ab
inlelligibiti, inquantum intelligibitc est retucens in specie intelligibiti, et istud pali
est inlelligere.
115) Eb,md. p. 517: Inleliectus polest kahere obiectum actu universale perfecte
sibi praessns in ralione obiecti prius naturaliler, quum actu inlelligat; in itlo
priori habet obiectum sibi praesens in specie inlelligibiti, et ita habet speciem inlelligibitem
priorem actu.
116) (/u. in Praedicam. 3, p. 127 B: Res non est tola causa iitlenlionis , sed
tantum eccasio, inquantum sciticet movel intellectum, ut actu consideret, et intellectus
est principalis causa. S. Amn. 100.
117) tJu. sup. An. post. l, 46, p. 414 A: Onmss virtules sensitivae ,n-dinatae
sunt ad ,nlellectum ; prius enim apprehenditur species a sensibus ra-icnoribus, et
postea a sensu communi, lertio a phantasia, quarto ab intellectu, et ita inleliectus
in cognoscendo aliquo modo dependel a polentiis sensilivis et loquor de inlellectu,
secundum quod cognoscilur per species aequisitas.
118) 0n. sup.Porph. 18, p. 104 B: Ad ralionem generis requiritur, quod multas
habeal actu species, non quae existant actu vel polentia, sed quod tantum actu concipiantur
per speciem intelligibitem ab individuis acceptam quandoque existenlibus,
et quod actu habeant aplitudinem parlicipandi genus, quia talis actualitas esl illorum,
inquantum dicuntur species generis.
14*
212 XIX. Duns Scotus.
geübt werden soll, zuerst berührt werden, und wenn man wohl sagen
könne , dass in solcher Erkenntniss des Einzelnen ein unbeslimmt (confuse)
Allgemeines erfasst werde, so sei eben hier die Allgemeinheit noch
in die örtliche Individualisirung verflochten , während das logisch Allge
meine gerade diese Verflechtung ausschliesse ; kurz bei dem Erkennen
des concret Exislirenden (entüas actualis oder eoeistentia actualis, s. unten
Anm. 139 ff.) seien drei Stufen, deren erste das concrete Sein sinnfällig
betrachte, während die zweite das reflexive Bewusstsein (vgl. unten Anm.
124) dieser Betrachtung enthalte, und die dritte das Object mit dem
Universale vergleiche (comparare) und so als Intellectus auftrete 1 1 '•'}. Jene
abstrahirende Thäligkeit aber, welche Scotus wieder unterscheidet, je
nachdem entweder bloss von den Einzelndingen oder zugleich auch von
materiellen Modalitäten abgesehen werden soll, und welche er so mit der
byzanlinischen Lehre von der distributio in Verbindung bringt120), will
er in entschiedenem Gegensatze gegen Platonismus ausdrücklichst nicht
als ein „Entblössen" (denudare) von allem sinnlichen Eindrucke betrachtet
wissen , denn das Universale müsse wesentlich von den sinnfälligen Ein
zelndingen ausgesagt werden können, und eben nur darin liege die Er
hebung des Actes der Intelligenz über jene unbeslimmte Allgemeinheit
119) 0u. de «r. princ. 13, 3, (Vol. IM) p. 117 B: Prius cognnscit inlellectus
singuiore, quam universale; impossibite est enim, quod ralionem unirersalis ab aliquo
abstrahat, nisi id, a quo abstrahit, praecognoscat (p. 118 A) Si cognitio
refertur ad modum, quo inlellectus perficitur, cum universale inquontum tale omnino
non sit in re, sed fial aclione animae per abstractionem a singuioribus, necessc est,
ul actio intellectus prius utlingal singuiore, ex quo per actionem quasi de quadam
muleria facial universale, et posterius universale allingat, et sie malerialiter loquendo
prius cognoseat particutare In hoc homine particuiori exislenle actu baec
hu,nanitas el baec animalitas, quae actu existunt, primo supponunt hanc enlitalem
actualem Unde cum dicitur, quod cognitio nostra incipit a magis confusis et
magis universalibus, talis confusio et universalitas non exctudit singuioritalem el
signalionem actualis existentiae in re extra, nec tale confusum et universale est ittud,
a cuius ralione exctuditur „hie et n»ne", immo in eo inctuduntur Universale
aulem, de quo quaeris, allerius generis est, quia de ralione sua exctudit „hie et
nune" et signalionem et actuaiitulem exisleuliue. (Vgl. Abschn. XVII, Anm. 500.)
(B) Naturali ordine intellectus primo apprehendit actualitalem exislentis rei sensibilis
, secundo actum imaginalionis et rem imaginatam, et ab isto polest abstrahere
universale per considerulionem, el sie est rcrum, quod apprehensio universalis
semper est posterior apprehenstone particuioris Prior-est nolilia singutaris et a
sensu el ab inlellectu, quam uolilia universalis. Ebend. p. 112 A: Intellectus tripliciler
versatur cirea cognilionem actualis exislentiae rei: uno modo specutundo
ipsum actu esse in ipsa sensalione , alio modo reflexive (vgl. ebend. Anm. 520
u. unten Anm. 124) ink'lligendo, se inieitigere, ittud esse actu, lertio modo
companmdo ittud ad universale iulelligendo, quia haec albedo non sotum est actu.
sed eliam est color.
120) Qu. sup. An. post. I, 37, p. 403 A: Duplex est abstraclio. Una est a
maleria el supposilis, sicul homo abstrabitur ab itlo homine el ab isto et a maleria,
ul ab homine albo et nigro Alia est abstraclio a suppositis, sed non a maleria,
sicul homo albus abstrahitur ab itlo homine i•f ab isto, sed non a maleria, quia
album consequitur passioues maleriales. f)uplici isti abstractioni correspondet duplnx
signum distribulivum, quia lermino communi abstrarto a suppositis el a maleria
correspondet hoc siiinum „omnis" Sed hoc signum „unusquisque" correspondet
lermino communi abstracto a suppositis, sed non a maleria. Was wir bei Pelrus
Hispanus (Abschn. XVII, Anm. 240 ff.) über „omnis" sahen, erhält sumit hier eine
spitzfindige Bereicherung.
XIX. üuns Seotus. 213
(commune), welche in der noch sinnlichen Stufe des Wahrnehmens
walte121). So kann Seotus nicht bloss der aristotelischen Auffassung
betrell's desjenigen, was uns und was an sich kenntlich ist, sich anschliessen
m), sondern auch zugestehen, dass es Allgemein-Begriffe gibt,
welche mit dem Keisatze (circumstantia) der Parlicularität behaftet und
in dieser Verflechtung mit sinnlichen Einllriirkeii selbst den Thieren zu
gänglich sind, wohingegen die eigentlichen Universalien dem Intellectus
anheimfallen123). Jedenfalls aber muss Seotus mit jener oben (Anm. 3l)
erwähnten Polemik übereinslimmen, welche schon Lamarre gegen Thomas
betreffs der angeblichen Unerkennbarkeit des Singulären geffihrt hatte,
und Seotus hält daran fest, dass mit dem Universale zugleich das Ein
zelne erkannt werde, indem ja Letzteres von Ersterem nicht ausgeschlossen
werde , sondern eben nur die Individualisirung des Allgemeinen sei, so
dass auch der thomislisehe Begriff der reflexio nicht völlig genügen
könne124); kurz an dem sinnfälligen Veränderlichen seien seine Verän
derlichkeit und seine Cnveränderlichkeit nicht schroffe Gegensätze, sondern
nur verschiedene Beziehungen , welche eben auf Einzelnheit und Allge
meinheit beruhen m).
121) Senf. Lib. II, Dist. 3, 0u. l, (Vol. VI) p. 360: Universale in actu est
itl1ul. quod habet unitalem indi/ferenlem, secundum qunm ipsum idem est in polentia
proxima, ut dicatur de quolibet supposito Apparet improbälio itlius dicli, quod
inlellectus agens facit universal italem in rebus per hoc. quod denudal ipsum quod
quid est in phantasmale exislens. Nam ubicunque est, anlequam in inlellectu possibiti
habeat esse obieclive, nnn tamen est tale, cui polenlia proxima convenit
dici de quolibet, sed tantum est in polenlia proxima, ul *it in inlellectu possibiti;
est ergo in re commune, quod non est de se hoc, et per consequens ei de se non
repuanat esse non hoc; sed tale commune non est universale in actu, quia deficit ei
tlio differenlia, secundum quam ipsum idem uliqua idenlitale est praedicabite
de quolibet individuo. Ebenso Report. Paris, l], Dist. 12, Qu. 5, (Vol. XI) p. 328 B.
Vgl. auch Qu. in metaph. VII, 18 (Vol. IV) p. 721 f.
122) 0u. de anima, 16, l, (Vol. II) p. 539 A: Minus universale est, quod prius
nolum est nobis prioritale lemporis et cognilione confusa Iltud cognoscitur
posterius, cuius abstraclio est difficitior Prius cognoscitur magis universale a
nobis cognitione distincta.
123) Qu. in phgs. I, 5, (Vol. II) p. 16 A: Duplex est conceptus universalts;
quidam cum circumstantia particuiori sibi appropriata, ut „hoc corpus''...., alius est
sine tali cireumstanlia Cum inlellectus habet actualiler conceptum universalem
mm, cireumstantiis, oportet, quod actualiler respiciat et inlendat ad phantasmata
(p. 17 B) Brulis insunt conceptus universales cum cireumstantiis
singutaribus.
124) 0u. de anima, 22, 3, (Vol. H) p. 574 A: Dicit Thomas...., quod
inlellectus noster pro statu viae non polest cognoscere singuiore, quia secundum ipsum
maleria est principium singutaritalis Contra hoc procedendum est destruendo
suum principium individualionis, unde excommunicatus est Parisiis iste arlicutus, quod
non possint esse ptura individua eiusdem speciei (s. oh. Anm. 15) Impossibite
est, abstrahere universalia a singuiori non cognito singuiori Inlellectus non polest
inteiligere universale, nisi simul intelligat singuiorc, non ergo tantum per reflexionem
(vgl. Anm. 119) Singuiore est a nobis intelligibite secundum se, quia inlelligibititas
sequitur entitalem Singuiore nit,it addit ultra universale nisi gradum
singuioritalis, sed non exctuditur ralione universalitalis in eo conlentae. S. Abschn.
IV, Anm. 82.
125) Qu. sup. An. post. I, 10, p. 357 A: De mutabiti, secundum quod mutabite
, est scienlia, et eliam secundum quod immulubiti'. Istae raliones non sunt
oppositae, quia reiotae sunt ad diversu. Scientia enim est de mutabiti, secun214
XIX. Duns Scolus.
Aus all diesem geht hervor, dass nach des Scotus Auffassung die
Universalien als reine Quiddität der Dinge ante rem die metaphysische
Grundlage sind (bis zurück zu Gottes Denken, Anm. 103), aber zugleich
in re mit Individualisirung behaftet nicht wirkliche Universalien genannt
werden können, sondern nur als Sache der prima intentio (Anm. 107)
bei jener gelegentlichen Reizung des Intellectus durch die wahrnehmbaren
Einzelndinge die Wirkung einer species informans äussern (Anm. 100
u. 110), um sodann in der secunda intentio durch die Thätigkeit des
Intellectus zu eigentlichen Universalien posl rem erst gemacht zu werden.
Durch diese Grundlage aber ist hiemit bei Scotus sowohl in logisch subjecliver
Beziehung die Auffassung der significatio, als auch ontologisch
objecliv die Begründung des Principes der Individualion und der pluralüas
formarum folgerichlig bedingt.
Vor Allem nein! ich sei es gerade jene species inteliigibilis, nicht
aber die concrete Sache selbst, welche durch den menschlichen Sprach
ausdruck (vox) bezeichnet werde (vgl. Avicenna, Abschn. XVI, Anm. 85),
und zwar beziehe sich diese Bezeichnung auf die objeclive Seite der
species inteliigibilis, A. h. insoferne dieselbe den Wesensgehalt einer
Sache vorstelle , nicht hingegen insoferne sie subjecliv den Intellectus
reize; die Sache selbst daher könne vom Worte nur mittelbar, d. h. eben
mittelst der species intelligibilis (s. auch Anm. 118), bezeichnet werden,
denn insoferne die Dinge als concrete exisliren , werden sie auch nicht
an sich unmittelbar erkannt, sondern nur insoferne sie Gegenstand der
Denk-Auffassung sind 126). Also jene aristotelischen passiones animae
(vgl. ob. Anm. 114), welche der Intellectus durch die das Wesen ent
haltende species intelligibilis empfängt, sind Gegenstand der Wortbezeichnung,
nicht hingegen der reine Uract der Quiddität noch auch der
individualisirte Bestand der concreten Sache, denn nur demjenigen, was
der Intellectus erfasst, wird, sobald er es thut, ein Name aufgeprägt,
welcher nach seiner psychologischen Geltung ein Gleichniss der Sache
und nach seiner Geltung für die Wissenschaft das ursprüngliche Medium
ist, mittelst dessen die species inteliigibilis als ein Zeichen der Sache
vom Intellectus festgehalten wird 127).
dam quod est immutabite non in se, sed respectu passionis immntabitis. Vgl. unten
Anm. 145.
126) Qu. sup. Periherm. l, 2, p. 187 A: Polest quaeri, utrum nomen significet
rem vel speciem in anima, et intelligitur quaeslio non de nominibus imposilis ad
significandum sisnititudines vel specws, sed rfe quocitnque alio nomine cuicunque
imposito ßico aulem speciem intelligitnlium simititudinem inlelligibitem, quae
est in inlellectu ul in snbiecto, sicul species sensibitis est simititudo rei setuihitis,
quae est in sensu ul in subiecto (B) Species inteliigibilis immediale signifvatur
per vocem, sed itio dupliciter consideratur . aut inquantum esl quid acciden*
(zu lesI'n excitans), sc. informau* animam, aul inquantum repraesentat rem (vgl. ob.
Anm. 113). Primo modo non lignificatur per vocem sed secundo modo; ctim
enim omns signum, inquantum sigiumt. sit signum signali, sequitur, quod eote siqnificuns
simititudinem, inquantum signum rei, significal ipsam rem, sed mediale, quia
se. immediato significal id, quod est signum ei, inquantum et signum p. 188 B:
Res significatur, non tamen secundum quod existit. quia nec sie per se intctligitur,
sed secundum quod per se pereipitur ab iniellectu. S. Anm. 124.
127) Op. II sup. Periherm. l, p. 212 B: Hamen prima significal passiones animae„
(s. Abschn. IV, Anm. 108) i. e. concepliones intellectus Tria se babent sMOTi
XIX. Duns Scotus. 215
Insoweit nun auf diese Weise Denkact und Bezeichnung innig mit
einander verbunden sind , unterscheidet Scotus zunächst für beide ge
meinschaftlich ein „abstractes" Auftreten von einem „concreten" (— ein
Sprachgebrauch, welcher sich durch die Scolisten vollends einbürgerte —),
insoferne ersteres auf die Wesenheit in ihrer reinen Eigeuthümlichkeit,
letzteres auf ihre in den Einzelndingen geäusserte gestaltende Kraft ge
richtet ist128). Sodann aber bemüht er sich, Denkact und Bezeichnung
selbst wieder zu unterscheiden, und da weist er dem eigentlichen „modus
intelligendi" das Gebiet der secunda intentio zu, d. h. jene Momente,
welche den bezeichneten Dingen nur durch eine beslimmte Auffassungs
weise zukommen (wie z. B. „Mensch" nicht nothwendig als „Art" zu
denken ist, sondern auch als „dieser Mensch" gedacht werden kann) und
daher nur in äusserlicher Verknüpfung durch „esl" mit dem Bezeichneten
verbunden werden, wohingegen der „modus signi/icandi" von der Namengebung
her dem Bezeichneten einwohne und stets untrennbar mit ihm
verbunden bleibe, daher in diesem Modus das „principium formale" der
Einheit des Bezeichneten liege 129). Und diese Betrachtung führt er nun
in jener oben (Anm. 83) erwähnten Schrift, welche in ihrem grössten
Theile der Grammalik angehört, weitläufiger aus. Nemlich der modus
significandi sei entweder activus, insoferne er in der Eigenthümlichkeit
des Wortausdruckes selbst, oder aber passivus , insoferne er in der
dum ordinem. Primum est species intelligibitis, secundum quam est in actu, sicut
actus primus in sua propria natura Secundum est, quod ralio rei est quod
quid eral esse rei (d. h. das TÖ n' JjV etvrts), quod obiicitur virtuli inlelleclivae,
inquantum est actus, qui est species intelligibitis, secundum quem actum fertur virtus
cognoscens in ipsum quod quid eral esse— (p. 213 A) Terlium est res particuioriter
existens sub conditionibus individuantibus. Primum non significatur primo per vocem,
quia quod quid est primo intelligitur, quam species rei intelligitur, quia intellectus
species inlelligibites non intelligit nisi per reflexionem, sicut actum suum.
Tertium vero, sc. res exislenles individualiler per suam ralionem propriam, non
possunt primo significare, quia intellectus est in actu primo per suum obiectum proprium,
quod est quod quid est rei; intellectus non intelligil primo singuiore, sed
quod quid est sine conditionibus malerialibus, et sicul intelligitur, imponitur
ei nomen Simititudinem convenit ostendere dupliciter: vel secundum esse, quod
habel in anima, vel secundum quod est duclivum in cognilionem rei. Si primo modo
consideretur, sie nomen significal simititudinem rei ; s« aulem consideretur, prout
ducil in cognitionem rei, tunc non primo signifieatur, sed est, quo primo intelligibite
intelligitur Nomen mediante specie in anima, quam primo significat, signi
fical posterius rem (p. 213 B) Voces significant species, inquantum sunt
signa rerumf
128) Qu. in Praedicam. 8, p. 136B: Quamlibel cssentiam contingit sub ralione
propria inlelligere et eliam significare , el tali modo intelligendi correspondel modus
signi/icandi abstractus; alio modo contingit intelligere istam essentiam, inquantum
informat subiectum, el huic modo intelligendi correspondel modus signi/icandi coneretus.
S. Absclm. IV, Anm. 147.
129) 0u. sup. Porph. 16, p. 102 A: Quidam sunt modi, qui proprie dicuntur
modi significandi, qui conveniunt dictioni ex impositione, et itli sunt a significalo
inseparabites Ali, reru sunt modi magis proprie dicli modi intelligendi, quia
tantum insunt signi/icalo, secundum quod sub aliquo certo modo concipitur, qui quidem
sunt separabites; polest enim „Aomo" intelligi sub opposito huius inlentionis
„species" sine repugnantia, ut „isle homo" Modi, qui sunt inseparabites a signi-
/icalo, ....sunt formalia principia seu raliones, sub quibus signi/icata uniuntur
Secundi modi extranei eunt significalis et uniuntur per hoc verbum „esl". Esse enim
est rei per se, istae aulem inlentiones non insunl rebus per se, sed ul comparantur
216 XIX. Duns Scotus.
Eigenthümlichkeit der bezeichneten Sache liege, und (— • wobei wieder
byzanlinische Logik, und zwar namentlich Shyreswood beigezogen ist —)
das Wort bekomme durch den Intelleclus die doppelte Funclion, dass es
sowohl als dictio etwas bezeichnet (significaC) , als auch gemeinschaftlich
mit anderen diess thut (consigni/icat) und somit zum Redetheile wird130)-
Dabei aber sei daran festzuhalten, dass jeder modus significandi activus
dennocl, ursprünglich von einer Eigenthümlichkeit einer Sache herkomme,
denn nur durch Objecte ja könne der Intellectus determinirt werden (s.
ob. Anm. 114), und auch die erdichteten oder privaliven Ausdrücke seien
hiegegen kein Einwand, indem dieselben jedenfalls auf einem posiliv realen
Vorgange in der Seele bei uben 131). Ja eben darum müsse auch der
modus intelligendi als ein activus und ein passivus unterschieden wer
den, indem letzterer in der Eigenthümlichkeit der aufgefasslen Sache und
ersterer in der Eigenthümlichkeit der Auffassung selbst liege, so dass
hiemit der modus significandi activus unmittelbar von einem modus in
telligendi activus herrühre132). Auch knüpft sich die folgerichlige Be
merkung daran, dass somit das Sein und die passiven Modalitäten des
Denkens und des Bezeichnens sachlich das Nemliche sind, aber der Form
nach (formaliter) sich unterscheiden, wohingegen Passivität und Aclivität
des Denkens und Bezeichnens formell zusammentreffen und materiell
divergiren 133); auch liege die passive Modalität des Bezeichnens stofflich
ad intellectum; ideo isti modi non sunt unili per se nec sunt principia formalia,
sub quibus significata formalia uniuntur.
130) Gramm, spec. l, (Vol. 1) p. 45 A : Modus significandi activus est modus
sive proprietas voeis ab intetlectu sibi concessa, qua medianle vox proprietalem rei
significat. Modus significandi passivus est modus sive proprietas rei, prout est per
vocem significata Intellectus duplicem voci ratlonem tribuit, sc. ralionem signi
ficandi, per quam e/ficitur signum vel significans, et sie formaliter est diclio, ei ralio
nem eonsignificandi, per quam vox significans fil consignum vel consignificans, et sie
formaliter est pars oralionis. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 32, 67, 125, 199.
131) Ebend. c. 2, p. 46 A : Oportet, omnem modum significandi activum ab aliqua
rei proprietale radicaliter oriri, quia intellectus ad ipsam rei proprietalem
(,spie.,t quia inte llectus , cum sit virtus passira de se iaaelerminala, ad actum
delerminatum non vadil , nisi aliunde delerminetur Sed si contra hoc obiiciatur,
quia privaliones el figmenta sub nullis proprietalibus cadunt, dicendum,
quod non oporlet, quod semper modus significandi activus dictiouis trahatur a pro
prietale rei itlius dictionis, cuius est modus significandi, sed polest accipi a proprie
tale rei allerius dictionis PHvatione» inlelligimus ex suis habiübus Liee l
privaliones non sint enlia posiliva extra animam, sin,l tamen entia quia eorum intelligi est eorum esse (s. Abscbn. IV, Anm. 422)p.osiliva in anima,
132) Ebend. c. 3, p. 46 B : Modi significandi activi immediale a modis inlelligendi
passivis sumuntm Modus intelligendi aclivus est ralio concipiendi, qua
mediante intellectus rei proprietales significat, concipit vel apprehen,Ht; modus aulem
intelligendi passivus est proprietas rei , prout ab intellectu apprehensa Modi
significandi actit'i non sumuntur a modis essendi, nisi ul hi modi essendi ab intellectu
apprebenduntur.
133) Ebend. c. 4, p. 46 B: Modus essendi et modus inlelligendi passivus et
modus significaudi passivus sunl idem muleHaliter et realiler, sed differunt forma
liler; (p. 47 A) nam modus essendi dicit absotule proprietalem rei, el modus
intclliqi'ndi passivus dirit proprietalem rei sub modo inlelligendi et modus signifi
candi passivus Modus tntelligendi aclivus el passivus differuul malerialiter el
conveniunt formaliter .... Modus significandi activu* el passivus diffenmt malerialiter
et sunt idem formaliler.
XIX. Duns Scolus. 217
in den Dingen und formell im Worte, hingegen die aclive stofflich im
Worte und nur nach entfernterer oder näherer Causalität in den Dingen
oder im Denken 134).
Was aber nun hingegen die objeclive Seite der Universalien m re
betrifft, so tritt zunächst die Frage über das principium individualionis
in den Vordergrund , welche bei Scotus ganz folgerichlig wieder auf
seinen Conceptualismns zurückweist. Vor Allem muss bezüglich der Individualisirung
die concrete Existenz, d. h. wie es Scotus nennt, das esse
existere, so scharf als möglich von der Wesenheit, d. h. von dem esse
essentiae, sowohl bei Substanzen als auch bei Merkmalen getrennt wer
den135), was sich auch bis in den Sprachgebrauch des Wortes „ens"
erstreckt136). Die Wesenheit selbst nemlich ist nur die substanlielle
Form überhaupt, und aus ihr folgt in erster Linie nur das „Sein" des
wirklich Seienden (esse actualüer entis) . hingegen Existenz ist nur eine
Folge der Individualisirung, so dass das Exisliren für Wesenheiten etwas
Accidentelles , für Individuen aber das Wesentliche ist137). Und wenn
somit der aristotelische Begriff des ovvoAoil erfasst wird 138), so sucht
Scotus den sich hieran knüpfenden Folgerungen zu entgehen , um nicht
jenen Bedenken Raum zu geben , welche seitens der Orthodoxie gegen
die Lehre des Albert und des Thomas erhoben worden waren. Nemlich
auch bei ihm bietet die Angelologie die Veranlassung dar (vgl. oben Anm.
13 ff., 28, 48), über das Prmcip der Individualion eine feste Ansicht zu
gewinnen und auszusprechen. In einer Weise, welche fast an Gilbertus
134) Ebend. c. 5, p. 47 A: Modus significandi passivus malerialiler est in re ut
in subiecto formaliter aulem est in eo subiecto, in quo est modus significandi
aclivus Modus aulem signif,candi activus, cum sit proprictas vocis significalivae,
malerialiter est in voce significaliva ut in subieeto, in proprietale aulem rei sicul
causatum in causa remota, in intellectu sicul causatum in causa proxima, in construelione
sicul eßciens in suo cffectu proprio.
135) Qu. sup. An. post. I, 30, p. 392 B: Substanliae duplex est esse, sc. esse
essenliae et exislenliae. Esse essenliae est de essentia, esse exislere non. Eodem
modo inesse accidenlis est duplex , sc. inesse exislere et inesse essentiae
(p. 393 A) Inhaerenlia accidenlis actualis «on est de essentia accidenlis; inkaerentia
tamen secundum aplitudinem est de eius essentia.
136) Eb,r,d. II, 4, p. 420 B: „Ens" nomen et „ens" participium non significant
puram entitalem rei sive quidditalem, sed ,,ens" parlicipiuru sionifical rei existentiam,
quae est extra essentiam et itli essenliuliter accidit.
137) Ehend. 6, p. 422 A : Esse, quod est actualiter enlis, non est de essentia.
Huum polest esse duplex ralio. Prima, quia esse est modus essenliae, modus aulem
rei non est de essentia. Item, si esse essel aetus intrinsecus essentiae, et eliam
ipsius essentiae est unus actus essentialis, ut forma substanlialis , tunc unius composili
i'ssent duo actns substanliales compleli ; sed dno actns substantiales compleli
fi,ciunt duo composita; ergo mmm compositum esset duo composita. Palet ergo, quod
esse, quod est actualiter entis, non est de eisentia, sicul nec esse exislere. Ista
tamen duo esse sunt distincta, quia esse, quod est actualiler entis, primo consequitnr
essentium et est proprium esse ipsius essenliae, sed esse exislere primo consequitur
ipsum individuum. Ebend. 4 , p. 420 A : Esse exislere non consequitur
essenlium primo, sed primo consequitur individuum ; individuum enim per se el primo
existit. essentia nonnisi per accidens.
138) Ebend. I, 39, p. 406 R: „Hoc aliquid" et „simul totum" in re sunt
necessario coniuncta, quia non est ponere, naturam speciei e.vistere, sicul ponit Plato,
praeler singutaria, igitur corruplo rsgnolon" necessario rom,mpitur „hoc aliquid".
Vgl. Absehu. XVII, Anm. 391.
218 XIX. Duns Scotus.
I'orretanus erinnert, nimmt er Individualion als eine Untheilbarkeit, welche
einen inneren Gegensatz gegen Manigfaltigkeit in sich trage , und indem
er als Grund dieser Sprödigkeit des Individuums die concrete Posilion
selbst, d. h. die entüas positiva, bezeichnet139), polemisirt er ausführlich
gegen Thomas; denn gegen die Annahme einer Beslimmtheit durch Raum-
Dimensionen (Ahsclui. XVII, Anm. 519) spreche jedenfalls schon der Um
stand, dass es immaterielle Individuen gebe , und somit von der natür
lichen Materie abzusehen sei, wohingegen der Begriff einer snbstantialüas
singularis allseitig genüge140); auch könne die zum „Dieses -Sein" be
stimmte Einheit (imilas signala ut haec) überhaupt unmöglich in der
Quanlität liegen , denn diese sei jedenfalls keine Substanz , sondern nur
ein Accidens (vgl. Gottfried v. Fontaines, ob. Anm. 65 f.) , und enthalte
auch nicht den Unterschied singulärer Individualitäten in sich , da ja die
Zahlen sich gegenseilig als Art-Unterschiede verhalten, wozu noch komme,
dass die Theile eines Quantums nie den Begriff des Ganzen als ihr Prädicat
annehmen, während von den Individuen stets die Specics als Prädicat
ausgesagt wird141); ebensowenig aber könne auch die Materie der Grund
der Individualion sein, denn, — wie schon Lamarre bemerkt hatte, s. ob.
Anm. 30 —, die Materie verbleibe auch noch beim Tode des Indivi
duums142). Das Einzige hingegen, wodurch das Individuum eben zum
Individuum werde, könne nur dasjenige sein, was in seinem Begriffe
gegenüber allen höherliegenden Begriffen als Eigenthümliches liege, und
139) Sent. Lib. II, Dist. 3, Qu. 2, (Vol. VI) p. 375: Necesse est, per aliquod
posit,v um intrinsccum huic iopidi tanquam per ralionem propriam repugnare sibi,
dirit,i in partes subiectivas ; et ittud posilivum erit, quod dicitur esse per se causa
individualionis, el per individualionem intelligo istam indivisibititalem Cum in
qualibet unitale sit dare entitalem posilivam, quae sit ralio per se itlius unitalis et
iitii,s repugnanliac ad mullitudinem oppositam, maxime vel aequaliler erit hoc dare
in unitale perfectissima. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 479.
140) 0n. «n metaph. V, 4, (Vol. IV) p. 605 B : Dicit Thomas, quod unitas numeralis
causatur ex maleria una, sc,'undum quod substal dimensionibus dcterminalis.
Contra: In immalerialibus est unum, el tamen non est ibi talis maleria
Mani/estior est nobis umtat in materialibus, quam in immalerialibus, non tamen
exeludit, quin sit in immalerialibus Singniore simpliciter substantiale habet
ralionem malerialem, et substanlialitas appropriatur simpliciter singuiori, unde
unum nutner» est, cuius maleria est una numero, i. e. cuius substanlialitas est
singuioris simpliciler, el tunc nihit est ad maleriam realem.
141) Senf. Lib. II, Dist. 3, 0n. 4, (Vol. VI) p. 383: Intelligo per individua
lionem sive unitalem numeralem sive per singuioritalem non quidsm unitatem indelerminatam,
secundum quam quodlibel in specie dicitur unum numero, sed unitatem
signatam ut „hanc" p. 384: Substantia est prior naturaliter omni accidenle
Ergo convenit substanliae primae ex ralione sua, quod sit „hacc", prius naturaliter,
quam detrrminetur aliquo accidente p. 389: Si quanlitas sit primo individuans
substantiam, oporleret, quod ipsa in se primo sit haec el de se distinctu numeraliti'r
ab alia ; sed tunc tua proposilio non est vera, sc. quod omnis differentia formalis
est specifica; quantitas enim haec et itio sunt formae, ergo different specifice
p. 391 : Tolum universale, quod dividitur in individua et in parles subicclivas, praedieatur
de qualibel itiorum partium subiectivarum ita, quod quaelit,ct pars subiectiva
est ipsum; parles aulem quantitalivae, in quas fit divisio lolius continui, nunquam
recipiunt praedicalionem lolius divisi in ipsas.
142) Eilend. 5, p. 402: Maleria est eadem in generato et corrupto ; ergo habet
eandem singutaritolem in genito el corrupto. Vgl. überhaupt Report. Par. II, Dist. 12,
0u. 5 fl'., (Vol. XI) p. 326 ff.
XIX. Duns Scotus. 219
diess sei nun die entilas positiva1*3} , wofür Scotus als Ausdrirck des
aristotelischen rode n elvai auch das Wort „haecceilas" gebraucht144).
Und wenn auch die Entstehung der Individuen eine quanlitalive und
materielle Vervielfälligung des Artbegriffes mit sich bringe, so sei doch
nur die haecceitas die wahre und nnerlässliche Ursache (causa, sine qua
non), und darum folge alle Entstehung und Zeugung diesem Impulse der
Individualion; daher auch walte in der objekliven Welt eben nur diese
Duplicität von Allgemeinheit und Einzelnheit (vgl. ob. Anm. 125), denn
erstere werde in letzterer individualisirt, hingegen für den subjectiven
Begriff, also für den Standpunkt eines Couceptualismus , liege allerdings
die abstract gefasste haecceitas selbst in Mitte zwischen dem Universale
und dem singulären Dinge145). So werde das Sein der ursprünglichen
Quiddität (d. h. das Universale ante rem) im Denken scharf geschieden
von dem Sein des Individuums, denn in der Quiddität selbst kann kein
Grund der Individualion erblickt werden, und die entitas quidditativa
liege jedenfalls dem Formalen und hiemit im Urtheile dem Prädicale
näher, während die entitas individui dem Materiellen und somit (wie
die aristotelische ngoorr] ovaia) dem Subjecte der Urtheile zugewen
det sei146).
143) Senf. a. a. O. Qu. 6, p. 403: Omne inferius inctudit in se aliquid, quod
non inctuditur in inlellectu superioris ; ergo aliquid per se inctuditur in ralione
naturae ; itlud aulem inelusum est enlitas positiva.
144) Report. Paris. II, Dist. 12, 0u. 5, (Vol. XI) p. 327 B: Non polest intclligi
haecceitas ut universale, cuni ipsa haecceitas de se sit „haec" p. 329 A :
Haecceitas est numero baec essenlialiter.
145) 0u. sup. An. post. t, 36, p. 401 B : Naturae speciei accidit mulliplicari
per multa eins dimrsa inilividua; individua enim per qunntitalem mulliplicantur el
alias condiliones maleriales ; sed naturae speciei accidunt condilionrs maleriales, ideo
mullitudo individuorum accidit naturae speciei (p. 402 A) Haecceitas est causa,
sine qua non, et non causa posiliva, et isto modo generalio primo consequitur naturam
in hoc Generalio primo polest inessc diversis individui s, non tamen inquantum
dislincta sunt bgpostalice, sed pro eo, quod generalio consequitur primo
naturam, quae est in hoc et quae est in itlo. Et ita generalio quodammodo est
universalis, non simpliciler, quia non ut universale est ahstractum, quia universale
abstractum sie non coneipitur, inquantum hoc posilive, nec sub hoc, sed ita quod
haecceitas sit causa, sine qua non. Sed naturae tamen inest primo generalio conlingenter,
non tamen conlingit sine haecccitale (somit vollständig das aristo
telische „avÖQo,noi; äv&(!ionov ysvvif", s. Ahsc,hn. IV, Anm. 463) Tu dices:
ergo est ponere medium intcr universale el singulure. Dicitur, quod non sequitur.
Sed tantum. quod sil ponere medium intcr universale el singuiore, secundum quod
concipitur inquantum hoc; sed inler simpliciter universale ct simpliciter singutare non
est medium. Nalura enim, quae in hoc primo generatur, non est simpliciter univer
sal^, sed est simpliciter singuioris ; est tamen universalis secundum quid, quia non
concipitur inquantum hoc posilive.
146) &»;. Lib. II, Dist. 3, Qu. 6, p. 408: Enlilas individui est diversa ab omni
enlitule quidilitaliva, quia intelligendo quameunque entitalem quidditalivam non
habetur in quidditale inlellecta, unde ipsa sit haec ; ergo Mn enlitas. quae de se est
haec, est alia entitas a quidditate Omni t realitas specifica constituit in esse
formnli, quia in esse quidditalivo ; realitas individui constituil praccise in esse maleriali,
h. e. in esse contracto. Et ex hoc sequitur itio distinctio logicalis, quod ista
entitas essenlialiler est formalis et itta malerialis, quia itta constituit in rulione
subiicibitis et ista in ralione praetiicabitis. pmcdicatum autrm formale habct ralionem
formar, et sui,iicibile habet ralionem maleriae. Ebenso ehend. p. 419.
22(I XIX. Duns Scotus.
Hieran aber knüpfen sich hei Scotus noch Erwägungen , welche in
Biilde von seinen Schülern so sehr ausgebeutet wurden (insbesondere
betreffs der Trinitäl), dass sich allmälig fast eine eigene kleine Litteratur,
nemlieh die der „Fornsalitales" , abzweigte. Schon im Bisherigen auch
(s. Anm. 129 u. 133) waren uns Stellen begegnet, in welchen das Wort
„formalüer" zur Bezeichnung der subjectiv logischen Auffassung diente,
und diese letztere kommt nun bezüglich der Individualion noch näher in
Betracht. Vorerst nemlieh ist die so eben erwähnte entitas quiddüativa
sowohl im Stolle als auch in der Form und in der Zusammensetzung des
Stoffes und der Form (s. oh. Anm. 107) der eigentliche Prioritiits-Standpmikt,
zu welchem behufs der Individualion, d. h. der „entitas ut haee",
wst noch eine ullima realüas hinzutreten muss, und während dann im
Individuum jene drei Momente sachlich coincidiren , müssen sie doch
logisch als formaliter distincta betrachtet werden147). Sodann gilt inner
halb der entitas determinaliva des Individuums das Gleiche auch in Bezug
auf die in ihm individualisirten Gattungs- und Art-Begriffe, denn sachlich
treffen diese im Einzeln-Dinge zusammen, aber formell sind sie sicher
„non idem", so dass in einer Gradabstufung sowohl die Gattung als
auch die Art als auch das Individuum je für sich eine eigene „forma
lilas" besitzt, und insbesondere die Formalitas des Individuums einen
über die Quidditäl hinausgehenden Zusatz in der Häcceität enthält14s).
Auf diese Weise kann dann zwischen einer identitas formalis und einer
identitas reaiis derarlig unterschieden werden, dass in letzterer die erslere
durchaus nicht involvirt ist, denn formell idenlisch ist nur, was ursprüng
lich und begrifflich ein „idem" ist; und jener Unterschied selbst soll
wieder nicht so fast durch das posilive Wort „dislinclum", sondern
besser durch den negaliven Ausdruck „formalüer non idem" ausge
sprochen werden 149). Natürlich liegt hiemit der Höhepunkt der formellen
147) Ebend. p. 413: Enlitas quidditaliva est nnturaliler prior ista enlitale, M
cst baec Sicut compositum non iuctudit suam entitalem, qua esl hoc, inquantum
natura, ita nec maleria, inquantum natura, inctudit suaiu entitulem, qua est haec,
nec forma, inquantum natura, inctudit suam. Ergo iita entitas non est maleria vel
forma nec compositum, inquantum quodlibel istorum est natura, sed est ullima realitas
entis, quod est maleria vel fornu, vel compositum, ita quod quodlibel commune
et tamen delerminabite adhuc polest dislingui, quantumcunque sit una res, in ptures
realitales formaliter distinctas, quarum haec formaliter non est itio.
148) Report. Paris. H, Dist. 12, OK. 8, (Vol. XI) p. 331 B: Cum singutarin
sunt differentia, ipsa reducuntur ad prima divena; itio non sunt nihita, non accidentia,
non natura, igitur aliqua enlitas delerminaliva nalurae, ul proprietales individuali's
Igitur non necesse est, rem, a qua accipitur differentia specificu, esse
aliud re ab itta. a quo est genus acreptum ; semper tamen est non idem formaliter.
Kl ista proprietas individui nunquam est res alia a formu sperifica, tamen semper
est non idem formaliter IHssimite tamen est in hoc, quod formalitas speeifica
semper est simpliciler perfectior gradu vel formalitate generis; sed non nportrt provrietalem
individui esse simpliciler perfectiorem formalitale spesifica. Secunda dissimititudo
: formalitas specifica contrahit ad esse quidditulivum simpliciter perfectum,
sed formalitas individui contrahit quidditalem ad aliquid extra quidditalem, quia
omnino allerius ralionis.
149) Sent. Üb. t, Dist. 2, 0u. 7, (Vol. V) p. 355 (gelegentlich der Trinitäts-
Lehre) : Voco aulem idenlitalem formalem, ubi itlud, quod sie dicitur idem, inctudit
ittud, cui sie esl idem, in ralione sua formali el per consequens Essentia non inctudit in ralione sua formali proprietalem spupeprossietiprneicmoe mcoodno
XIX. Duns Scotus. 221
Idenlität in jener ideniitas adaequata, welche zwischen der Auflassung
einer Definilion und der Auffassung des Definirten besteht150), während
im Uebrigen sogar bei dem Unendlichen (— Trinität —) immer noch
eine formelle Nicht-Idenlität möglich bleibt151). Sowie aber bezüglich
der Frage, ob Etwas idem oder distinctum sei, die Probe im contrudictorischen
Urtheile liegt152), und überhaupt dabei logische Momente in
die grammalischen Formen einwirken, da z. B. albus nur materiell iden
lisch mit color, hingegen albedo formell idenlisch ist153), so weisen
andrerseits gerade sämmtliche formalitates quiddilativae auf das ontologische
Gebiet der metaphysischen Grundlagen des Seienden hinüber154).
In eben diesem letzteren Momente aber finden wir wieder die
Brücke zu demjenigen , was bezüglich der ontologischen Seite der Uni
versalien in re uns noch zu besprechen übrig ist, nemlieh zur pluralitas
formarum. In dieser Frage kann Scotus, wie sich erwarten lässt, nicht
den Standpunkt eines Gottfried v. Fontaines oder eines Johannes Parisiensis
theilen, welch beide die in Einem Wesen enthaltene Vielheit der
Formen dem subjecliven Denk-Verfahren zuwiesen (s. ob. Anm. 70 u. 74),
sondern er stellt sich grundsätzlich auf die objeclive Auffassung des
Lamarre (Anm. 30) und gelangt bezüglich des Menschen-Wesens zum Dua
lismus des Goethals (Anm. 50). Dass die Wesen aus einer wesentlichen
verso, et ideo polest concedi, quod ante omnem actum intellectus est realitas essenliae,
quae formaliter von est itio vet non est eadem formaliter Mi. Numquid igitur
ilebet concedi aliqua distinclio? Respondeo: Melius est uli ista negaliva „Hoc non est
formaliter idem", IfnKOT „Hoc est sie et sie distinctum". Sed nonne sequitur: „A et
B von sunt idem formaliter, ergo sunt formaliter distincta"? Responileo, quod non
oportet sequi, quin formalitns in antecedente negatur et in consequenle affirmutur
Manifestatur per exrmpl', Si ponatur albedo species simplex, est tamen in albedine
aliquid realiler, unde habet ralionem coloris, et aliquid, urtde habet ralionem
dif[ere!,liae, et baec realitas formaliter non est itta realitas; imo una est extra realitalem
allerius, formal,ler loquendo, sicul si essent duae res, licel modo per idenlitatem
istae duae realitales sint una res. Hoc exemplum , quod ideulitas realis
»,m necessario conrtudit identitalem formalem.
150) Quodlib. du. l, (Vol. XII) p. 11: Aliquid est idem essentialiter, sive
sil idem essentialiter iilentitale adaequata, sicul in ereaturis iitud est idem, quod
inlellitjitur per definilionem, ei, quod inlelligitur per definitum, sive sit idem tanquam
inctusum essentialiter in itlo, quomodo ittud, quod intelligitur per partem definilion,s,
possei dici idem ei, quod inlellifiitur per definitum. Diess dürfle wohl auf die Lehre
von der Consequentia zurückweisen, s. Ahschn. XVII, Anm. 623.
151) Sent. Lib. I, Dist. 5, Qu. 2, (Vol. V) p. 663: Perfeclio idenlitalis exetudit
omnem compositionem et quasicomposilionem, quae identitas est propler infinitalem,
et tamen infinitas nnu lollit formaliter raliones, quin kaec formaliter non sit itio.
152) Sent. IM,. IV, Dist. 49, Qu. 2, (Vol. X) p. 338: Dislinctorum in enlitale
absotuta allerum polest esse absque contradictionc sine allem. Quodlib. Qu. 3,
(Vol. XII) p. 82: Universaliter enim quod convenit alicui sie, quod omnimoda rantradictio
sit, iltud esse sine hoc, hoc est idem realiler Mi.
153) Qu. de anima, 21, 12, (Vol. II) p. 567 B : Licel genus el differentia non
sint idem formaliler, quia ralio differenliae non ineludit ralionem formalem generis,
tamen sont idem realiler vel i,lentice ; quundocunque enim aliqua sunt idem formaliter,
si iungantur sine medio, est nugalio, ut „color albedo'', non tamen si sunt idem
idenlicc sotum, et non formaliter, ul „color albus".
154) Sent. Lib. II, Dist. 16, Qu. t, (Vol. Vl) p. 772: Kns rontinel multas passiones,
quae non sunt res aliae ab ipso ente, distinguuntur tamen ab inviccm
formaliter et quidditalive el eliam t,b ente, formulitale dico reali et quidditaliva ;
uliter tuetaphgsica non esset scienliu realis. Vgl. ob. Anm. 98.
222 XIX. Duns Scotus.
Mehrheit zusammengesetzt sind, steht ihm von vorneherein fest, und nur
wenn man sich an den Wortausdruck anklammern wolle, gestehe er zu,
dass die letzte abschliessend hinzukommende Form des Zusammengesetzten,
wodurch es ist, was es ist, allerdings Eine sei, aher eben hiemit sei die
Vielheit der hiedurch verbundenen Formen nicht verneint155). Eine zeit
liche Stufenfolge aber der verschiedenen Formen , deren die je frühere
auf die je spätere mitwirke, verhindere es, dass das zusammengesetzte
Wesen etwa bloss ein Aggregat wiire156); und selbst bei der Annahme
einer gleichzeiligen Wirkung bestehe eine natürliche Rangfolge der For
men, welche bei Substanzen zu grösserer Vollkommenheit und hei Accidenlien
abwärts zur allmäligen Unvollkommenheit führe157). So sei auch
beim Menschen-Wesen in der Form der „Mischung" die ganze Vielheit
vorausgehender Formen enthalten , und es trete hiezu als zweite Haupt
form das Intellectuelle hinzu158). Abgesehen aber von der fortschreitenden
wirksamen Kraft der Wesens-Bildung könne allerdings eine Vielheit von
Formen als eine gleichzeilig exislirende nur z. B. in den Körpertheileji
bestehen, deren jeder seine eigene Wesensform hat, hingegen für das
Zustandekommen des schliesslich einheitlichen Wesens wirke eben eine
Gradabstufung (gradus) mehrerer Formen109); und insoweit beim Ent-
155) Sent. Lib. IV, Dist. II, 0u. 3, (Vol. VIII) p. 649: Esse tolius composili
ineludit esse omnium partium et inctudit multa esse pa,lialia multarum partium vel
formarum, sicut tolum ens ex mullis formis inctudit Mas actualitales partiales. Si
tumen omnino fiat vis in verko, concedo, quod formale esse lolius composili est
principalilei per unam formam, et ilio fonna est, qua lolum compoütum est hoc
ens; ista aulem est utlima adveniens omnibus praecedentibus. Et hoc modo lotum
compositum dividitur in duas partes essentiales, in actum proprium, sc. ullimam for
mam, qua est itiud, quod est, et in proprium polentiam itlius actus, quae ineludit
maleriam primam cum omnibus formis pruecedenlibu^. Et isto modo concedo, quod
esse illud lotale est complelive ab una forma, quae dal loli ittud, quod est; sed
ex hoc non sequitur, quod in lolo inctudatur praecise una~ forma, vel quin in lolo
inciudantur plures formae p. 653: Frustra enim poneretur eorporeitus alia ab
intetlectiva, si ipsa inctudal vegetalivam el sensitivam el sensiliva el vegetaliva inciudont
corporeitatem ; sed secundum aliam viam est facitis responsio ; kic enim est
nccessitas ponendi plura p. 654: Licel intellectiva non habeal propriam repugnuntiam
ad aliquam formam naturalem, tamen informando materiam requiril qualttales
aliquas; .... itioe antem sunt quolitales consequentes formam priorem.
156) Theorem. 21, (Vol. 1II) p. 319 A: Forma prior adveniens posleriori dal
perfertionem non tantum sibi propriam, sed eliam posleriori propriam; aliler non
fieret n,mm ex maleria et forma, nisi aggregalione. Ehend. 22, p. 327 A: Si
formae sunt ptures in esse perfecto, et actiones; quia forma est principium sufficiens
actionis.
157) Sent. a. a. O. p. 645 : Ptures sunt mutaliones partiales lerminatae ad
plures fonuus parliales praecedentes vel ordinc duralionis, si pouatur una forma prius
lempore induci quam alia, vel ordine naturae, si ponamus omnes itios simul lempore
induci p. 648: Quamdiu proceditur in substantialibus, semper posterior est
perfectior prioribus; quando aulem venitur ad uccidentales, sequens est imperfeclior
ullima praecedente.
158) Ebend. p. 640: Forma mistionis conlinel virtualiler omnes formas, quae
possunt esse seorsim in aliis formis corporis. Ideo aulem intellecliva non c,inlinel
istam formam mislionis, forma aulem mistionis continet omnes alias extensas
vel extensibites ; el ideo itioe duae sufficiunt in homine.
159) OB. de anima, 15, 12, (Vol. II) p. 533 A: Secundum diverses gradus in
formis ptures formae possunt unum maleriam tam informare per hoc, quod forma
praecedens lenel se ex parte maleriae, et hoc lerminat polentialitalem eius disponendu
XIX. Duns Scotus. 223
stehungs-Processe eines Wesens zwei Formen in ihrem Zusammentreircn
eine neue dritte bewirken, sei diese letztere eben hiedurch eine intensivere
(intensior), als die vorausgehenden, während bei denjenigen Formen,
welche nicht zum Vorgange der Wesensbildung selbst gehören (z. B. den
Formen der Kürpeiihcile) sehr wohl mehrere Formen gleicher Art neben
einander bestehen können 1B0). —- Uebrigens bot Scotus, indem er auf
physikalischem Gebiete diese Gradualität der Formen, d. h. die Steigerung
und das Nachlassen derselben, näher erörterte1li1), auch hierin die Ver
anlassung dazu dar, dass bald von verschiedenen Seiten mehrere Schriften
„De intenswuK et remissione furmarum" verfasst wurden.
Mag somit dasjenige seine Erledigung gefunden haben, was bei Scotus
die Auffassung der Universalien und die Entscheidung der mit denselben
zusammenhangenden Controversen betrifft, so bleibt uns nun noch übrig,
Um auch durch die einzelneu Theile der Logik hindurch zu begleiten.
Hiebei aber wird sich uns als seine wichligste Eigenthümlichkeit zeigen,
dass er häufig und in reichem Maasse die Lehren der byzanlinischen
Logik cinllicht, für deren allmälige Fortbildung er uns ohuediess schon
oben (vor. Absehn., Anm. 586 ff.) als geschichllicher Zeuge gedient halle;
und während es allerdings auch möglich wäre, die sämmllichen byzan
linischen Gruppen des Scolus abgesondert für sich darzustellen , will ich
dieselben doch lieber, um einen sachgemässeren Eindruck hervorzubringen,
einzeln dort einreihen, wo sie Scotus selbst gleichsam als Ergänzungen
betrachtet zu haben scheint (in ähnlicher Weise uiusste ich ja bereits
oben an zwei Stellen, Anm. 88 u. 109, verfahren).
Im Commentare zur Isagoge benützt Scotus das von Albert auf
gespeicherte Material und erörtert so die Fünfzahl der Universalien 16-),
die verschiedenen Definilionen des genus l63), wobei er daran festhält,
dass die Gattung nicht Stoü" ist164), die Definilionen der spedes165; und
der differentia unter Beiziehung der arabischen Unterscheidung zwischen
ipsam ad fonnam sequi'nlem, sirul e converso una formu polest ptures mulerias informare
per hoc, qnud allera se lenet ex parle formue. du. in Pbgs. I, 24, 4, (Vol. Il)
p. 97 B: Quod t!ntu..s,b,l,' est, simul ptures /oroias substantiules esse in eodem subiecto,
est verum, nisi secundum diversas portiones maleriae, in quihus sunt diversae
partes fo!mae, et ex quibus constituitur uua fom,a; secundo islud est verum de
formis educlis de polenlia maleriae.
160) Qu. in metaph. V, 7, (Vol. IV) p. 618 B: Quaecunque formae eiustiem
speciei in eodem faeiunt unum, ittud unum lertium est intensiu* utroque; ss tunc
ttuue species sint simul in medio et faciunt unum, causnbunt speciem unam int,'nsiorem
p. 619 B: Omnes formue habentcs differenliam in eodem subiecto, si
imlnri,ntiir per motum, uccessario differunt sp,'cic; tan,en de uliis non inductis pet'
motum non est nccessarium, imo pussibite est, quod duac laJes eiusdem ipecici sml
in eodem subieeto. Ebend. VII, 20, p. 733 B, wo jl'doch nur die Mehrheit der
Tbeite eines lebenden Wesens gemeint ist, deren jeder seine ihm eigentbüiulici,e
'A esensfonn haben muss.
161) Qu. in phgs. III, 4, 14, (Vol. II) p. 180 B.
162) (!u. s»p. Potph. 12, p. 95 f. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 400. u. AbsHm.
XVI, Anm. 107.
163) Ehend. 15, p. 98 f. u. 17, p. 103. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 401. und
Abschn. XVI, Anm. 109.
164) Ebd. 16, p. 100. Vgl. Absclm. XVII, Anm. 422.
165) Ebd. 20 f., p. 106 ff. Vgl. Abschn. XVH, Anm. 411. ". Abschn. XVI,
Anm. 121.
224 XIX. Duns Scotus.
substantiale und essentiale luu) und Fixirung der richligen Wortform167),
sodann noch proprium und accidens im Anschlusse an Avicenna (jedoch
ohne ihn zu nennen) polemisch gegen Porphyrius lB>s); was aber bei
Albert über die Tabula logica und das wechselseilige Verhällniss der
fünf Universalien sich findet109), ist hier nicht berücksichligt.
Bei Erörterung der Kategorien verwirft Scotus Albert's Auffassung
des Begriffes „praedicabüe" 1 ' u), bespricht aber im Anschlusse an Albert
das „ens" äusserst ausführlich171), desgleichen die sog. Anteprädicamente1'
2) und die regula de quocunque 1 ' 3J ; die Begriindung der Zehnzahl
der Kategorien weist er der Metaphysik zu174) und lässt in der
weitschweifigen Detail-Erklärung auf die Substanz die Quanlität, dann die
Relalion und erst hierauf die Qualität folgen170). Als ein Verdienst muss
hervorgehoben werden, dass er im Vergleiche mit Albert verständig genug
ist, behufs einer Ergänzung der Kategorien das stümperhafte Machwerk
des Gilbertus Porretanus zu verschmähen t7u).
In der Lehre vom Urt heile nimmt Scotus von vorneherein in
Shyreswood's Weise den byzanlinischen Begriff der Syncategoreumata auf,
welche nicht, wie das Subject und das Prüdicat, auf ein von ihnen be
zeichnetes und ihnen entsprechendes Ding hinweisen , sondern nur den
Sinn der Auffassung modificiren ! 7 ") und daher auch nie als selbststündige
Redetheile auftreten178); denn wenn sie beim Prädicate stehen, sind sie
nur ein Theil desselben, ohne es in seinem Verhältnisse zum Subjecte zu
determiniren, und wenn sie beim Subjecte stehen, beslimmen sie dasselbe
166; Ebd. 23—27, p. 109— 114. Vgl. Abschn. XVlI, Anm. 418 ff. u. Absehn.
XVI, Anm. 94, 135 ff., 158.
167J Ebd. 29, p. 114 f. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 150 (das übliche Beispiel
ist auch hier „ralionale''}.
168) Ebd. 30 ff., p. 116 ff. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 425 ff. u. Abschn. XVI,
Anm. 152 ff.
169) S. Abschn. XVII, Anm. 414 u. 427.
170) Qu. sup. Praedicam. 2, p. 126; s. Abschn. XVII, Anm. 429.
171) Ebeud. 4, p. 128 ff. Qu. sup. Etench. 15, p. 237 A: Quod quaedam res
ad invicem babent hubitudinem, ideo dicit primus pbitosophus (A, h. der Metaphy
siker), Ituod „ens'' dicitur de substanliu et accidentibus analogice; sed quia logicus
fonsiderat res, ul sub ralione cadunt, ideo dicit, quod „ens" aequivoce dicitur de
substaulia et accidcnte. Vgl. ebd. Anm. 415. u. Abschn. XVI, Anm. 32.
172) Qu. sup. Praed. 5-8, p. 131-137.
173) Ebd. 9, p. 138.
174) Ebd. 11, p. 142 B. Doch fmdet sich eine solche metaphysische Erörte
rung bei ihm nicht.
175) Ebd. 12—30. Die gleiche Reihenfolge trafen wir auch bei Vincenz v.
Benuvais, Abschn. XVII, Anm. 309.
176) Vgl. Abschn. XV11, Anm. 439 f.
177) Qu. sup. An. pr. \, 8, p. 284 B: In propositione inveniuntur duplices lermmi:
quidam, qui sunt ul subiectum et pra,'dicolum, et sunt lermini calegoremalici;
alti sunt lcrmin» ,gncalegoremalici, ul signa universalia, purtieuioria, copuio universalis,
coniunctiones et lwiusmodi, et istis lerminis non correspondel aliquod significatum
uliud a significulis lerminorum calegon'malicorum, sed per ipsos intellectus
aliler intelligit et apprehendil eandem rem. (Auch Shyreswood hatle ja die Copuio
„esf" zu den Syncalegoreumata gerechnet, s. Abschn. XVII, Anm. 78.)
178) Op. 11 Mp. Veriherm., Prooem. p. 212 : JVominu et verba sunt mugis porles
interpretalionis , quam interpretaliones , et dictiones sgncalegoremalicae non babent
ralionem interpretulionis, quia non sunt dictiones per se significantes.
XIX. Duns Scotus. 225
nur im Vergleiche zum Prädicate, ohne selbst ein Theil des Subjectes zu
sein 179), d. h. sie heben dann nur die Unentschiedenheit des Subjeetsbegriffes
auf, um ihn in ein beslimmtes Verhältniss der Supposilion zu
bringen 180)- Hingegen ebendarum verbleibt dem Verbum als solchem
seine sachliche Geltung, indem es nicht, wie die Syncategoreumata, eine
blosse Modalität, sondern einen Thatbestand ausdrückt, neben welchem die
satzbildende Funclion als zweites hergeht181).
Diese grundsätzliche Bezugnahme auf byzanlinischen Stoff tritt bei
Scotus nun überall hervor, wo Gelegenheit dazu ist. In Bezug auf die
Quanlität der Urtheile polemisirt er ausdrücklich gegen eine Erörterung,
welche über das Wort „omnis" sich bei Petrus Hispanus findet, da bei
dem Zeichen der Universalität es genüge, die Funclion aufzufassen, welche
es für die Supposilion überhaupt ausübe 182). Dann auch fasst er die
Frage als eine ganz allgemeine auf, ob die quanlitaliven Momente für
sämmtliche Arten der Urtheile Geltung haben, und hiebei führt er aus
dem „Auctor Summularum" (d. h. aus Petrus Hispanus) eine Menge von
Beispielen an, denkt auch an die hypothelischen, exclusiven, excepliven
Urtheile, und erwähnt gelegentlich die Worte „continue, ab aelerno,
omnino", auch „ceteri, singuli", neben vielen anderen längst tradilio
nellen Syncategoreumata183). Und während betreffs der Qualität etwa
179) Q«. in Praedicam. 12, p. 144 B: Omne sgncalegoremalicum in praedicalo
est pars praedicali; ... aliter ex ceris sequeretur falsum sie „Nultus homo est omnis
homo" (s. bei Petrus Hispauus , Abschn. XVII, Anm. 246) p. 145 A: Sgncalegoremalicum
additum praedicato non delerminal ipsum in comparalione ad subiectum,
. — et ita est sgncalegoremalicum respectu partis praedicali, sed non respectu praedicali,
quia ipsum est alia pars praedicali. Sed sgncalegoremalicum additum subiecto
non est pars subiecli, quia delerminat ittud , cui additur, in comparalione ad
praedicatum. Somit steht Scatus auch hierin auf dem Eintheitungs-Molive des
Shyreswood (s. ebend. Anm. 66 f. u. 80), nicht aber auf dem engeren Begriffe des
Syncategorenma , wie er bei Petrus Hispanus (Abschn. XVII, Anm. 256) erscheint;
und auch die Späleren folgen dem Scotus.
180) Ebend. p. 144 A: „Homo" de se indifferens est ad multas accepliones, sc.
pro voce, pro intentione, pro suppositis ; signa vero, ul „omnis, aliquis", sibi addita
indifferentiam ad intentiones et ad voces tollunt et delerminant ipsum ad acceplionem
tantum pro suppositis.
181) Op. 11 sup'. Periherm. 4, p. 217 B: Verbum non tantum est unio sive modus
uniendi extrema, sed et est res quaedam unita, cui apponitur praedicatum; quia in
verbo sunt duo, sc. compositio el res.
182) 0n. sup. An. pr. I, 7, p. 282 B: Signum universale non requirit aliquem
certum numerum suppositorum lermini communis , cui additur, sicut aliqui dicunt
(s. Abschn. XVII, Anm. 241), quod hoc signum „omnis" ad minus requirit tna
supposita; quia signum universale affirmalivum non denolat aliud, quam praedicatum
dici de omni supposito subiecli, non connotando mullitudinem vel paucitalem
suppositorum.
183) Ebend. 4, p. 278 A: An omnis proposilio sit universalis, parlicuioris, indefinita,
vel singuioris. Arguitur, quod non, de islis proposilionibus „Omnis homo est
totum in quanlitatc" (s. bei Petrus Hispanus , Abschn. XVII , Anm. 208) , „Omnis
homo est lerminus communis signo universali delerminatus" (ebd. Anm. 202), ...de
quibus non videtur, quod sint universales, quia tunc essent falsae, et tamen ponit
ipsas auctor Summutarum lsta „Omnis Phoenix est" (ebd. Anm. 242) non est
universalis, quia subiectum non dislribuitur pro pluribus, et tamen hoc signum
„omnis" ad minus requiril tna supposita (ebd. Anm. 241) Dubitatur de propo
silionibus hgpothclicis, quantae sint Tria quaesita „Quac, Qualis, Quanta"
(ebd. Anm. 153) uo« solum quaerunt de calegorica, immo tam de calegorica quam
PRANTL, Gesch. III. 15
XIX. U,ms Scotus.
erwähnt werden mag, dass im Anschlusse an arabische Lehre bei Urtheilen
jeder Art das Hauptgewicht auf die Stellung der Negalion gelegt wird l84),
und daher die Zusammensetzung des Verbums mit einer Negalion das
Urtheil zu einem negaliven macht185), so ist es hinwiederum die Moda
lität, welche Anknüpfungen an Byzanlinisches darbietet Scotus nemlich
zieht das ganze Gebiet der Exponibilia bei und betrachtet (wie auch
schon Andere getl,an hatten, s. Abschn. XVII, Anm. 604) als versleckt
hypothelische Urtheile alle Exclusiv-, Copulaliv-, Reduplicativ- Sälze und
auch diejenigen Sälze, welche auf incipit und desinü oder auf den jün
geren Syncategoreumata generari, corrumpi beruhen t*6), sowie er gleich
falls aus den späteren Erweiterungen jener Logik bei den Worten „scio,
cognosco, ignoro" u. dgl. die Unterscheidung eines sensus compositus
und eines sensus divisus aufnimmt187), während die Berücksichligung
der Relaliva auf die ältere Formalion zurückweist188). Auch benützt er
hgpothelica, ut palct in Summulis ; proposiliones hgpothelicae sunt quantae
secundum quantitalem calegoricorum, ex quibus componuntur, ut ista „St onn,is
homo currit, omnis homo movetur"' (hier jedoch tauscht den Scotus sein Gedachtniss,
denn in den „Summuioe" findet sich Solches nirgends, wohl hiugegen bei
Algazeli, s. Abschn. XVI, Anm. 261) Dubitatur de propositionibus exelusieis,
exceplivii et huiusmodi, ut ista „Tantum animal est homo" aequipollet isti copulalivae
„Animal est homo, el nit,il ab animali est homo1' (s. Petr. Hispanus, Abschn.
XVII, Anm. 260) Dubitatur de ista „Q.nnes apostoli sunt duodecim" (ebd.
Anm. 240,1 , quod hoc signum „omnis" lenetur collectiec Dubilatur de isla
„Totus Soerules est minor Soerafe" (ebd. Anm. 252), et dicitur, quod est universalis
capiendo hoc signum „lotus" distribulive (ebd. Anm. 267) Dubitatur de propositionibus
, in quibus ponitur aliquis istorum lerminorum „rnntinni' (vgl. ebend.
Anm. 597), ab aelerno, omnino" et huiusmodi (abermals eine Vermehrung der Syncalegoreumata)
Dubitatur de ista „Infinita puncta sunt in conlinuo" ; respondctur,
quod accipiendo hoc signum ,. ?«/''"/"" sgncalegoremalice tunc ipsa est universalis
affirmaliva (s. ebend. Anm. 264) Dubitatur de propositionibus, in quibus
ponuntur reioliva diversitalis, ut ista nomina „celeri, sinqulf et huiusmodi (ebd. Anm.
217, woselbst jedoch ausser „aJ,us" kein anderes Beispiel erwähnt ist).
184) Ebend. I, 3, p. 277 A: Proposilio calegorica, in qua ponitur lerminus infinitus
sive a parle subiecti sive a parle praedicali, est affirmalira, dum tamen
coputam non praecedal negalio aliqua Proposiliones hgpothelicae non sunt
affirmalivae vel negalivae ralione calegoricarum, ex quibus componuntur, sed ralioae
coniunrlionis. S. bei Algazeli, Abschn. XVI, Anm. 260.
185) 0u. sup. Perihi'tm. II, l, p. 204 B' Verbum infinitum in oralione positum
non differt a verbo pure negaliva (p. 205 A) Negalio non tantum refertur ad
rem verbi, sed ad compositionem ; ideo übi ponitur verbum infmitum in oralione, if/a
est propositio negaliva simpliciter.
186) 0u. sup. An. pr. t, 3, p. 276 B: Quaedam est proposilio mere calegorica
el aliqua hgpothelica et aliqua, quae non est hgpothelica per coniunctionem expressam,
aequipollet tamen hgpothelicae, ut proposilio exctusiva (s. Abschn. XVII,
Anm. 76 f. u. 260), copuioliva (ebd. Anm. 86 u. 589), reduplicaliva (ebd. Anm. 262)
et proposiliones, in quibus ponuntur ista verba „incipit, desinit (i'bd.Anm.81 u.263),
generari, corrumpi" vel consimitia (ebd. Anm. 600) p. 277 B : Proposiliones,
in qu,bus ponuntur huiusmodi dictiones, possunt dici affirmalive vel negalive cum
uddilione.
187) 0u. m phgs. I1F, l, 3, (Vol. II) p. 170 A: fslo verba „scio, cognosco,
ignoro" facivnt proposilionem in sensu composito, sc. quando praecedunt vel sequuntur
totam proposilionem, sed in sensu diviso, quando ponuntur inler parles propositionis.
S. ebend. Anm. 585 f. u. 598.
188) Qu. sup. Periherm. II, 10, p. 208 A: Reiolivum substantiae refert idem cum
suo antecedente, „qui" vero est reiolivum substantiae etc. s. ebend. Anm. 213.
XIX. Duns Scolus. 227
hiebet erklärlicher Weise die ampliatiols9} und greift mit der copulatio
bis zu Shyreswood zurück190). Und diese letzteren Momente verwerthet
er auch hei Erörterung eines aristotelischen Beispieles, welches schon im
früheren Mittelalter die Erklärer beschäfligt hatte („Homerus est poeta",
s. Ahschn. XIV, Anm. 211), indem die Tragweite eines im Präsens stehen
den Verbuuis durch die distributioltl) und beziehungsweise auch durch
die restrictio bedingt ist 192). Auch modificirt er jene von Späteren (s.
Ahschn. XVII, Anm. 595) über die Umsetzung modaler Urtheile in Urtheile
des Stattfindens aufgestellten Regeln in spitzfindigster Weise, je
nachdem in dem ursprünglichen Urtheile ein Pluralis oder eine copulalive
Conjunclion oder ein Zahlwort oder ein Syncategoreuma ent
halten ist193).
Was die Lehre vom Schlusse betrifft, so begegnen wir sofort
einer Berücksichligung des Begriffes der consequentia (s. ebend. Anm.
610 ff.), indem Scotus Denjenigen gegenüber, welche bei der aristoteli
schen Definilion des Syllogismus an die Exponibilia dachten, auf den
Unterschied hinweist, welcher zwischen Syllogismus und consequentia
189) Qu. sup. Anat. pr. I, 12, p. 291 A: Propositionum de messe quaedam
sunt, in quibus ponitur aliquis lerminus a,nt'ln,lirns (ebd. Anm. 225 f. u. 598) subiccli
vel praedicali ad supponendum pro suppositis possibitibus praelerili vel
futuri aut cuiustibel lemporis indifferenler; aliquae sunt, in quibus non ponitur huiusmodi
lenninus.
190) Op. II sup. Periherm. 6, p. 218 A: Ulrum verbum de praesenli coyulel
„nunc", quod instat, vel indi/ferenler quodlibel praesens „Hie homo est homo"
copniot pro isto nunc, et eras cum dico ,,bonm esl", coputabit pro isto nunc, quod
est tunc, sub ralione pruesentialitalis et non pro hoc singutari nunc. Unde sie .copuiol
verbum de praesenti pro quolibet praesenli , quousque babeat ralionem praesenlis, et
non pro iustanti significalo. S. bei Shyreswood, Abschn. XVII, Anm. 63, vgl. ebend.
Anm. 127.
191) 0«. sup. Periherm. I, 9, p. 196 B: Utrum lerminus communis suppositus
»erdo de praesenti supponal tantum pro praesentibus. 10, p. 197 B: Ulrum in proposilione
de praelerito stcl subiectum tantum pro iilis, quae fuerunt, et de futuro
tantum pro illis, qui erunt. Vgl. ebend. Anm. 470. Auch gebraucht Scotus in all
diesen Capileln (qu. 6 ff.) häulig das Beispiel ,.Antichristus", vgl. eb^nd. Anm. 224.
11, p. 198 A: Terminus communis in quacunque proposilione supl,onit pro quibuscunque
suppositis sive existentibus sive non cxiilentibus Terminus pro
omnibus distribuitur in quacunquc propositioue, in qua absotule sumitur. Vgl. ebend.
Anm. 238 ff.
192l Ebend. 13, p. 202 A: Ulrum terminus communis possit restringi
(B) Terminus suppowns verbo de praesenli restringitur, et causa restriclionis est
actualis inhaerenlia praedicali ad subiectum p. 203 B: Sed cum per pmposilionem
de praesenti non ptus significutur, nisi extremum inesse extremo, polest dubitari,
per quid signi/icetur actualis int,aerentia, quae est causa restrictionis (die Lösung
aber dieses Zweifels fehlt). S. ehend. Anm. 230 ff.
193) 0u. in phgs. VI, 2, 6, (Vol. It) p. 356 B: Istae reguioe sunt modificandae.
Primo si allerum extremum sit pturalis numeri, non oporlet, quod itta proposilio
ponatur in esse per unam de praesenli Secundo si allerum extremum sit copuiotum,
non oporlet, quod per unam proposilionem ponatur in esse, sed per plures
Terlio quando ab uno extremo proposilionis ponitur lerminus numeralis, tunc itio
ponenda est in esse per plures proposiliones Quarto quando a parle praedicali
proposilionis ponitur sgncalegorema vel aliquod inctudens sgncalegorema, tunc non
oportelj quando itio propositio ponitur in esse, quod iltud sgncalegorema maneal sub
propria forma a parte praedicali Istis quatuor conditionibus observalis iltae
reguioe sunt univenaliier concedendae.
15*
XIX. Duns Scotus.
bestehe, indem zur letzteren auch schon die Umkehrung, die Aequipollenz,
das Enthymema u. dgl. (s. ebend. Anm. 611 u. 616) gehöre, wobei nur
aus Einem Satze ein anderer gefolgert werde194). Doch hängt eben
damit wieder die äusserst ausführliche Erörterung über die Umkehrung
der Urtheile zusammen, indem dabei die consequentia in ihrer engeren
Bedeutung mitspielt und überhaupt trotz allem Anschlusse an Aristoteles,
bei welchem natürlich die Lehre von der Umkehrung nur im Dienste der
Syllogislik steht, doch jener Standpunkt durchblickt, nach welchem die
Umkehrung eine niedrere Stufe des Syllogismus selbst sein soll (s. ebend.
Anm. 616). Scotus zeigt bei dieser Gelegenheit die ganze Schärfe seines
logischen Denkens, und wenn wir auch für den byzanlinischen Wust
grammalischer Dinge uns wahrlich nicht erwärmen können und gerne
zugestehen, dass Scotus da, wo gebotene Gelegenheit gewesen wäre195),
die principiellen Schwierigkeiten des aristotelischen Buches De interpr.
ebensowenig als Albert (ebd. Anm. 455) gründlich gelöst habe, so trifll
er doch bezüglich der Umkehrung der Urtheile vielfach das Richlige,
indem er auf Fälle hinweist, in welchen die bloss den Umfang der Be
griffe berücksichligende tradilionelle Lehre nicht zureicht.
So weist er an der Hand byzanlinischer Logik betreffs des allgemein
bejahenden Urtheiles nicht bloss darauf hin, dass die übliche Regel der
Umkehrung desselben für das exceplive, exclusive und reduplicalive Urtheil
(s. Abschn. XVII, Anm. 260 ff.) nicht gelten könne, sondern hebt auch
ausdrücklich hervor, dass ein allgemein bejahendes Urtheil, dessen Prädicat
ein nicht vereinzelter Gemeinbegriff ist, rein umgekehrt werden kann,
wenn Subjects- und Prädicats-Begriff vertauschbar sind, wenn ein Unter
begriff von einem Oberbegriffe ausgesagt wird , und wenn (nach den
Regeln der consequentia) der Vordersatz eine Unmöglichkeit enthält196).
194) Qu. sup. An. pr. I, 5, p. 280 A: liio definitio (d. h. des Syllogismus bei
Aristoleles) compelit consequenliae, in qua arguitur ab exponibitibus ad expositam,
ul dicendo „animal est homo, el nihit aliud ab animali est homo; igitur
tantum animal est Aomo" (s. Abschn. XVII, Anm. 260). Und die Lösung dieses
EiuwanJes ioutet p. 280 D: Ponuntur ista „in qua quibusdam positis" (d. h. eben
diese in der aristolelischen Definilion des Syllogismus vorkommenden Worte) ad
differentiam consequcntiae, in qua ex una proposilione infertur alia, cuiusmodi est
conversio, aequipollentia, enthgmema el huiusmodi, quarum aliquae sunt consequentiae
formales et aliquae maleriales.
195) Qu. sup. Periherm. H, 3 ff., p. 205 ff.
196) 0n. sup. An. pr. I, 14, p. 293 B: Proposilio exctusiva est tmiversalis
affirmaliva, et tamen convertitur simpliciler in universalem affirmalivam Propositio
excepliva est universalis affirmaliva...., el tamen non convertitur in parlicuiorem
affirmalivam. Proposilio reduplicaliva est unicersalis affirmaliva , et
tamen non converlitur in parlicutarem affirmalivam. Hierauf werden ausführlichst
sämmtliche Falle unterschieden, je nachdem im allgemein bejahenden Urtheite das
Prädicat ein lerminus diseretus (s. Abschn. XVIf, Anm. 624) oder communis und in
letzterem Falle entweder non distributus oder distributus ist (s. ebend. Anm. 238 ff.),
welch letzleres wieder entweder affirmalive oder negalive eintreten kann. Und da
wird z. B. betreffs der gewöhnlichen aristolelischen Urtheitsform bemerkt (p. 294 A):
Universalis affirmaliva, cuius praedicatum est lerminus communis non distributus ,
in tribus casibus polest converli simpliciter gralia maleriae: Quando antecedens est
impossibite, et ideo sequitur „Omnis homo est asinus, igitur omnis asinus est homo",
quia ad impossibite sequitur quodlibct (s. ebend. Anm. 621 ff.) Quando subiectum
el praedicatum sunt lermini convertibites (es ist diess vollständig richlig,
XIX. Duns Scotus. 229
Auch heim allgemein verneinenden Urtheile fällt ihm für die Umkehrung
das Hauptgewicht auf die distributio , denn wenn dieselbe durch die
Salzform ausgeschlossen ist, lässt sich das Urtheil nur parlicular umkeh
ren, und wenn sie negaliv auftritt, muss die Umkehrung mittelst eines
Relalivsatzes vorgenommen werden 197). Desgleichen wird das parlicular
bejahende Urtheil, falls sein Prädicat eine Distribulion zulässt, in ein all
gemein bejahendes umgekehrt werden müssen; wenn aber das Prädicat
ein terminus discretus ist, tritt auch hier das Mittel eines Relalivsatzes
ein 198). Und auch die Frage über das parlicular verneinende Urtheil
(dieselbe blieb bekannllichst noch später ein Gegenstand verschiedener
Ansichten) erledigt er in gleicher Weise, indem ihm die Umkehrung des
selben in ein parlicular verneinendes Urtheil jedenfalls -statthaft erscheint,
insoferne nur im umgekehrten Urtheile die Distribulion ausgeschlossen
bleibt (d. h. die Negalion dem Prädicate vorangeht); denn nach consequentia
formalis muss die im ursprünglichen Urtheile stattfindende
Distribulion bei der Umkehrung wegfallen, während nach consequentia
materialis sie in jenen nemlichen Fällen möglich bleibt, in welchen
das allgemein bejahende Urtheil rein umgekehrt werden kann199). Aber
man denke nur an Urtheite, wie z. B. „Alle Körper sind schwer" oder „Alle Wirbelthiere
haben Btutgefasse" n. dgl.) Quando inferias praedicatur de suo superiori
„Omne animal est homo, igitur omnis homo est animal". Sodann noch:
Omnis universalis affirmaliua, cuius subiectum est lerminus communis distributus,
converlitur gralia formae in parlicuiorem affirmalivam Omnis propositio uni
versalis affirmaliva de lerminis rectis infert exctusivam de lerminis transpositis.
197) Ebend. 12, p. 291 B: Duplex est universalis negaliva; quaedam cuius
praedicatum distribuitur, ut „nultus homo est asinus" ; aliqua, in qua praedicatum
nan distribuitur, ul „omnis homo animal non est" Omnis proposilio universalis
negaliva, cuius praedicatum distribuitur, polest coneerli simpliciter Universalis
negaliva, cuius praedicatum non distribuitur, non polest converli simpliciler, ut
ista „Omnis phoenix animal non est'' converlenda est in istam „Quoddam animal
non est phoenix" Omne signum positum a parle subiecli in conversa debet
manere a parte praedicali in converlenle, sc. quando subiectum est lerminus communis
restrictus, : ut „Nultus homo est mulier", igitur „JV»fla mulier est nultus
homo" Oportet mutare signum secundum dcelinalionem grammalicalem, ul
„Nultus homo est capra", „Nulio capra est aliquis homo" (p. 292 A)
Quando praedicatum distribuitur negalive, ut ista „Nultus homo est null!tni animal"
converlitur in istam „Nihit, quod est nultum animat, est homo".
198) Ebend. 13, p. 292 B: Duplex invenitur proposilio parlicuioris affirmaliva;
quaedam, cuius praedicatum est lerminus diseretus, ut „Quidam homo est Soerales",
et talis sine aliquo addilo non polest converti simpliciler, sed per accidens in singuiorem;
st addantur istae dicliones „quod est", bene convertitur simpliciler....
„Aliquid, quod est Soerales, est homo" Alia est proposilio particuioris , cuius
praedicatum distribuitur, ut „Quaedam tuna est omnis luna", et infert quandam uni
versalem de lerminis transpositis, ul istam „Igitur omnis tuna est tuna".
199) Ebend. 15, p. 295 B: Quaedam est parlicuioris negaliva, cuius praedicatum
est distributum, sc. quando praedicatum sequitur negalionem, ul „Quidam homo non
est asinus" ; alia est, cuius praedicatum non distribuitur eo quod praecedit negalionem,
ut „Quidam homo animal non est" Omnis particutaris negaliva, sive
sit de praedicalo distributo sive non distributo, convertitur in particuiorem negalivam,
cuius praed,catum non est distributum (p. 296 A) Nulio propositio parlicutaris
negaliva de praedicato distribuln convertitur in particuiorem negalivam de praedicalo
distribulo gralia formae Et dico nolabitiler „consequentia formali", quia in aliquibus
lerminis sequitur gralia maleriae Quando ulerque lerminus est converlibitis
Quando superius negatur de inferiori Quando antccedens est
impossibite Quando consequens est necessarium. S. Abschn. XVII, Aniii. 623.
230 XIX. Duns Scotus.
höchst unnütz verschwendet ist der Scharfsinn, wenn Scotus sich auch
um die Umkehrung von Urtheilen bemüht, in welchen ein sog. Casus
obliquus vorkommt, und hiefür sogar Regeln aufstellt200). Was endlich
die Umkehrung der modalen Urtheile betrifft, macht es sich Scotus mit
der aristotelischen Lehre ziemlich leicht, indem er die Schwierigkeiten
dadurch beseiligen zu können glaubt, dass Aristoteles die Modalität eben
nur nach dem sog. sensus divisus (s. Abschn. XVII, Anm. 585) verstanden
wissen wolle201).
In jenem Abschnitte der ersten Analylik, welcher den Syllogismen
selbst und ihren Formen gewidmet ist, begegnen wir dem gleichen Ein
flusse byzanlinischer Logik. Um nemlich eine anderweilige Stelle nur
der Vollständigkeit willen zu erwähnen , woselbst Scotus auch die logi
schen Censuren Kilwardby's in der Frage über Stoff und Form des
Syllogismus berücksichligt 202), sehen wir, wie er die Gilligkdt der Regel,
dass aus bloss negaliven Prämissen ein Schlusssatz nicht erreicht werden
könne , mit Gründen bestreitet, welche der Lehre von der consequentia
entnommen sind, da nach consequentia formalis aus einem negaliven
Satze nicht bloss stets ein hypothelisches Urtheil, sondern auch jedenfalls
irgend Etwas durch Umkehrung, Aequipollenz und Subalternalion gefolgert
werden könne203). Dass er im Commentare überall häufig sich der seit
Shyreswood auftretenden Kunstworte (Barbara, Celarent u. s. f., s. Abschn.
XVII, Anm. 52) bedient, hat für uns durchaus Nichts auffallendes, aber
er ist hierin unter den Erklärern des Organons der Erste 204). Bei der
200) Ebend. 18, p. 300 A: Proposiliones, in quibus lermini obliqui sunt subiecta,
exsolvendae sunt in quasdam alias de subiecto reclo per istud pronimen „quod",
v. g. „Hominis asinus currit"' resolvenda est in istam „Homo est, cuius asinus
currit" Sunt aliquae reguioe in conversionibus propositionum de obliquo observandae,
e. g. „Cuiustibet contradiclionis allera pars est rera" primo resolvenda
esl in ,sl',m „Quaelibel contradictio est aliquid, cuius aitera pars est vera" et tunc
converlenda est in istam „Aliquid, cuius allera pars est vera, esl contradictio"
„Asinus est hominis" concertitur in istam „Ens hominis est asinus".
201) Ebend. 26, p. 310 B: Aristoleles .... dieit, quod proposiliones modales
simititer convertuntur itlis de inesse (s. hingegen Abschn. IV, Anm. 545 ff.), et inlelligit
de illis in sensu diviso. Ehend. 28, p. 316 B: Aristoleles non intelligil de
modalibus propositionibus in sensu composilo, quia sie pauca eius dicta essent vera.
202) 0u. sup. Etench. 4, p. 226 B : Utrum sgllogismus peccans in maleria
sit sgllogismus (s. ob. Anm. 21, woselbst Nro. 2) (p. 227 A) Sgllogismus sie
se hubet, sicut cireutus nultam maleriam sitri delerminat, unde in quacunque
maleria reperiatur sive forli sive debiti, dummodo forma circuli ibi salvetur, cireutus
dicitur; simititer »gllogismus.
203) 0u. sup. An. pr. 1,21, p. 304A: Ad unam calegoricam de inesse negalivam
sequitur formaliler una hgpothelica, quia quaelibet proposilio infert se ipsam
formaliler cum quacunque alia subdisiunctione, sicul sequitur formaliler „Nultus homo
euer«", igitur „Nultus homo curril vel deus non est" Ex una negaliva bene
polest sequi alia negaliva gralia formae per conversionem, per aequipollentiam,
per suballernalionem. Vgl. ob. Anm. 194.
204) Ebend. 7, p. 283 A; 22 ff., p. 305 ff.; 25, p. 309 A; 27 ff., p. 313 ff.;
II, 3, p. 333 A; 6, p. 337 A. n. s. f. Man sagle bisher zuweiten, diese Knnstausdrücke
hab,1 schon Thomas aufgenommen ; dass aber dieses nur Pseudo-Thomas
sei, s. unten Anm. 344. Hingegen wenn wir dieselben auch bei Raimundus Lnltus
trafen (vor. Absclm., Anm. 63), so fallt allerdings, wie ich schon oben hervorhob,
die schriftslellerische Thäligkeit des Lnltus im Ganzen um einige Jahre später, als
jene des Scatus.
XIX. Duns Scotus. 231
ersten Schlussfigur erwähnt und löst er ein Bedenken, welches auf den
amplialiven Worten und dem Sophisma „Nichts Lebendiges ist todt, Alle
Menschen sind lebendig, Kein Mensch ist todt" (vgl. ob. Anm. 191) be
ruht205). Auch den sgllogismus expositorius (s. Abschn. XVII, Anm. 624)
erörtert er und gibt unter Benützung jenes nemlichen Beispieles betreffs
der Flussnamen einige auf distribulio beruhende Regeln über die formale
Geltung dieses Schlusses208). Wo er die Frage über die Zulänglichkeit
der drei Schlussfiguren bespricht, sagt er nicht bloss, dass die hypothe
lischen Schlüsse damit überhaupt Nichts zu schaffen haben (s. sogleich
Anm. 209), sondern weist auch ausdrücklich (wie Albert, s. Abschn. XVII,
Anm. 466) die vierte Figur als unberechligt ah, da aus einer Umstellung
der Prämissen keine Verschiedenheit der Figur folge, sondern die Anord
nung des Ober- und des Unter-Begriffes das Maassgebende sei207). Bei
den modalen Schlüssen vergisst er nicht, auch jene Modalitäten in Er
wägung zu ziehen, welche durch die Begriffe „scio, opinor" u. dgl. hin
zugekommen waren (Anm. 187), und stellt im Hinblicke auf sensus
composüus oder divisus (vgl. Anm. 201) Regeln auf 208). Den hypo
thelischen Schluss aber bespricht er in ächt aristotelischem Sinne209).
205) Ebend. 22, p. 305 B : Dicunt aliqui, quod isli modi (A. h. die ersten
vier Modi der ersten Figur) tenent gralia formac execplis duobus casibus. Primus
est, quando arguitur in lerminis divinis. Secundus, quando orguitur ex terminis,
qui ampliantur (vgl. ob. Anm. 189) et ideo non sequitur „Nultum vivum esl
mortuum, Omnis humo est vivus, Igitur nulius homo est mortüus". Die Lösung
dieses Zweifels folgt c. 23, p. 307 A: Debet conctudi additis islis diclionibus „qui
est" ad subiectum conctusionis arguendo sie: „JVuff«m -mortuum est vivum, Omnis
homo est vivus, Igitur nultus homo sst, qui est n,ortuai . Vgl. Anm. 197 f.
206) Ebend. 11, p. 290 A: De sgllogismo expositorio affirmalivo dico, quod in
qualibel trium figurarum polest fieri bonus „Soerales est musicus, n l buni est
Soerales, igitur album est musicum" „Haec essenlia divina est paler, fitius est
haec essenlia divina, igitur fitius est paler" „Sequana fuil a centum mmi s,
haec aqua est Sequona, igitur haec aqua fuit a centum annis" (B) De sgllo
gismo expositorio negalivo dico, quod valet in prima figura gralia formae maiore
exislenle negaliva JVon valet in prima figura, si minor fuerit negaliva; et causa
est, quia si minor fuerit negaliva et maior affirmaliva, tunc maior extremitas non
est distribtda in praemissis, immo stal delerminale, et tamen stat confuse el distribulive
in conctusione , modo ex non distributo nunquam sequitur distributum
gralia formae.
207) Ebend. 34, p. 325 A: Utrum omnis sgllogismus fiat in aliqua trium figurarum,
Arguitur primo, quod non Quol modis polest fieri ordinalio, tol erunt
figurae; sed quatuor modis diversis polest fieri huiusmodi ordinalio ; igitur quatuor
erunt figurae Seenndo, quod sgllogismi ex hgpothesi non reducuntur in
praedictas figuras JVo« oportet, fieri sgilogismum hgpothelicum in aliqua trium
figurarum, et hoc dico, • quantum ad lolalem processum (p. 326 A) Vocatur
sgllogismus oslensivus, qui immediale infert conctusionem intentam; sed vocatur »gl
logismus ex hgpothesi, qui immediale non infert conelusionem inlentam Sotum
tribus modis polest fieri debita ordinalio respectu extremorum secundum subiectionem
et praedicalionem ; igitur tres erunt figurae el non ptures Propier soiom transposilionem
non provenit diversitas alicuius praemissae nec conelusionis, per consequens
nec diversitas figurae.
208) Ebend. 36, p. 329 A: Ex maiore de hoc modo „scire" in sensu composito
et minore de inesse non fit sgllogismus ad conctudendum de hoc modo „sn're", lieel
bene ad coneludendum de inesse De hoc modo „opinor" fit bonus sgllogismus
sumendo maiorem in sensu diviso el minorem de inesse.
209) Ebend. H, l, p. 332 A: Istum sgllogismum vocat Aristoleles sgllogismum
232 XIX. Duns Scotus. Manigfalligkeit der Parteien.
Im Commentare zur zweiten Analytik schliesst sich Scotus viel
fach an Robert Capito an, welchen er häufig selbst cilirt, entnimmt aber
auch Manches aus Albert, wie z. B. die Angaben über dignitas, subiectum
und passio 210) und die Grundlagen der höchst ausführliehen Erörterungen
über per se („perseüas"), primo und necessarium 211)-, wobei übrigens
selbst hier noch aus Petrus Hispanus die restrictio im Begriffe der „necessitas
diminuta" hereinspielt212). Auch die üblichen Bemerkungen über
demonstralio potissima fehlen nicht213).
Was endlich den Commentar zu Soph. Elenchi betrifft, welchen
der scolislische Herausgeber der Gesammtwerke des Scotus unmittelbar
nach der Lehie vom Urtheile einreihte214), so behandelt derselbe über
haupt nur die ersten fünf Capitel der Schrift215), aber Einzelnes in
wahrhaft peinlicher Ausführlichkeit, so z. B. die aequivocatio und die
amphibologia''16), wobei auch Vieles aus des Boethius Erklärung der
' ciceronischen Topik entnommen ist. Natürlich fand Scotus hier gleich
falls manigfache Gelegenheit, auf byzanlinischen Stoff einzugehen, und
so begegnen wir wieder der distributio211") und der copulalio*1®), sowie
im Anschlusse an ältere Formationen den Syncategoreumata „el"219)
und „solus" 220).
Jene manigfalligen Folgen nun, in welchen das Auftreten des Scotus
bis zu Occam hinab und auch über diesen hinaus eine nachhallige Wir
kung äusserte, werden wohl nur dadurch ihre angemessene Darstellnng
finden können, dass wir in der Hauptsache uns vom chronologischen
Faden leiten lassen; denn vorerst in jenen fünfzig Jahren, welche im
Ganzen zwischen der Thäligkeit des Scotus und jener Oceam's liegen,
zeigt es sich als untliunlteh , eine Gruppirung nach Parteien für die Dar
stellung zu Grunde zu legen , da , wie ich schon bemerkte , erstens die
ad transsumplionem (s. Abschn. IV, Anfn. 583 u. 592), quia quando debemus probare
unum, transferimus nos ad probandum aliud, ex quo virtule alicuius suppositionis
inferimus inlentum. Vgl. Anm. 207.
210) Qu. sup. An. post. I, 4, p. 349 A. S. Abschn. XVII, Anm. 475.
211) Ebend. 15—40, p. 365—407. S. ebend. Anm. 473 f.
212) Ebend. 39, p. 406 A. S. ebend. Anm. 234.
213) Ebend. 44, p. 413 A. S. ebend. Anm. 476.
214) p. 224 ff.
215) D. h. nur bis zur Rückführung aller Sophismen auf ignoralio elenchi.
Schon die Vertreter der byzanlinischen Logik behandellen nicht das ganze Buch,
schritlen aber doch bis Cap. 15 vor; s. ebend. Anm. 197.
216) .0u. sup. Etench. 9—22, p. 231 -244.
217) Ebend. 14, p. 234 B : Utrum signum universale adveniens lermino aequivoco
possit ipsum distribuere pro omnibus supposilis cuiusiibet sui significali. Die Frage
wird bejaht, denn (p. 235 A) distribulio est acceplio alicuins communis pro quolibel
eins suppnsito, quorum quodlibel est ipsum. S. Ab$chn. XVII, Anm. 66 u. bes. 238.
218) Ebend. 10, p. 230 B: Utrum lerminus aequivocus contineat sua significata
per modum coputalionis liio significantur copuiolive per lerminum, quae actu
concipiuntur sermone proiolo. Vgl. ob. Anm. 190.
219) Ebend. 30, p. 251 A: Utrum haec dictio „el" operetur polentialem mulliplicalionem
Coniunctio per se copuiot inler lerminos, per aecidens aulem intcr
proposiliones. Vgl. bei Shyroswood, Abschn. XVII, Anm. 86.
220) Ebend. 32, p. 252 B: „Solum" polest leneri calegoremalice vel sgncalegoremalice
Sl »gncalegoremalice, tunc significal praecisam acceplionem itlius, cui
adiungitnr. S. gleichfalls bei Shyreswood ebd. Anm. 76, ,
XTX. Manigfalligkeit d. Parteien. Dominikaner u. Franziskaner. 233
beliebte bequemere Scheidung in Thomisten und Scolisten als zwei ausschliesslich
bestehende Parteien dem thatsächlichen Verhältnisse nicht ent
spricht, und zweitens, wenn man auch behufs einer leichteren Uebersichtlichkeit
diese Zweitheilung mit Gewalt in die Geschichte hineinconstruiren
wollte, dennoch die beständige Rücksicht, welche jeder einzelne Autor
auf seine jeweiligen Zeitgenossen und nächsten Vorgänger nimmt, den
monotonen Charakter eines angeblichen Thomismus und eines angeblichen
Scolismus sehr fühlbar unterbrechen würde. Das Richlige ja ist, dass
neben etlichen Autoren, welche in bornirter Treue die Ansicht des Einen
der beiden Meister nur der Operalion des Wiederkäuens unterwerfen, in
den einzelnen Fragen die bunteste Kreuzung verschiedener Ansichten auf
Grund gewisser Auctoritäts-Stellen zu Tag tritt; dieses Verhältniss aber
spinnt sich während eines halben Jahrhunderts gleichsam von Jahr zu Jahr
von Autor zu Autor fort bis zu Occam.
Allerdings zieht sich Ein beslimmtes Moliv durch diese Verschieden
heit der logischen Ansichten hindurch, welches mit dem Geiste der reli
giösen Orden , denen Thomas und Scotus angehörten , in theologischer
Hinsicht zusammenhängt. Nemlich die Dominikaner oder Prädicatoren,
aus welchen die meisten Thomisten hervorgingen, vertraten die gelehrte
Theologie in einer speculaliven Conslruclion des Dogmas, "welche auch die
obersten Principien desselben demonstrirbar zu fassen versuchte; hingegen
die Franziskaner oder Minoriten, welche den Scotus zu den ihrigen
zählten, standen in Bethäligung der Seelsorge den Interessen des sog.
niederen Volkes näher und betonten so grundsätzlich das Bedürfnis? einer
praklischen Theologie als einer Seelen-Arznei, während sie auf eine theo
relische Construclion der obersten Fragen verzichteten oder sogar auf
zeigten, dass dieselbe eben durch die logische Formulirung sich leicht in
dialeklische Widersprüche verwickeln lasse. So mussten die Franziskaner
allerdings sich dahin neigen , dass sie auch für die Logik einer prakli
schen Tendenz zusteuerten, wobei das hierin waltende rhetorische Moliv
eine Werthsehätzung der menschlichen Sprache nahe legte; und Jedermann
weiss, dass der sog. Nominalismus Occam's eben aus dem Franziskaner-
Orden hervorging. Aber gewiss ist auch einerseits, dass ohne die byzan
linische Logik jene Richtung, welche man später als Nominalismus sligmalisirte,
nicht entstanden wäre, und andrerseits dass darum durchaus noch
nicht die Dominikaner als ledigliche Realisten den Franziskanern gegen
überzustellen seien, denn Realist (— wenn man überhaupt diese Slich
worte so anwenden dürfte —) war vor Allem auch der Franziskaner
Scotus selbst. Kurz also, wenn auch zugegeben wird, dass in den
Ordens-Principien gewisse Momente lagen , welche (analog dem Conflicte
zwischen den Bettelorden und der päpstlichen Hierarchie) ihrerseits in
die Logik herüberspielen konnten, so ist doch nicht zu vergessen, dass
gerade die Logik als solche ein etwas neutraleres Gebiet war, auf welchem
weit speciellere Controversen nach Maassgabe eines neu anwachsenden
Materiales durchgekämpft werden mussten. Und so besteht auch hierin
wieder eine vielfach sich durchkreuzende Manigfalligkeit, indem durchaus
nicht sämmtliche Dominikaner kurzweg Thomisten oder alle Franziskaner
lediglich Scolisten sind, sondern innerhalb beider Orden die verschiedensten
234 XIX. Dominikaner u. Franziskaner. Siger v. Brabant.
Nüancirungen heraustreten221). Was eine fortschrittliche Tendenz betrifft,
ist es nach dem Gesagten allerdings nicht zu wundern, dass im ge
schichtlichen Faden das relalive Uebergewicht unleugbar auf Seite der
Franziskaner liegt.
Der erste, welcher uns in der langen Reihe der vorzuführenden
Autoren begegnet, ist Siger von Brabant (oder de Curlraco, ge
storben noch vor d. J. 1300), welcher anfänglich an der Sorbonne mit
den übrigen dorligen Lehrern die scolislische Auffassung der Theologie
vertrat, hernach aber zu den Thomisten überging222), wodurch er sich
auch die beifällige Erwähnung erwarb, welche er in Dante's Divina commedia
fand 223). Was uns über seine noch ungedruckten Schriften be
kannt ist, lässt darauf schliessen , dass dieselben noch in der Zeit der
scolislischen Richtung des Verfassers entstanden sind. Schon der Umstand,
dass er sich mit den „Modi signißcandi" beschäfligte, gibt einen Finger
zeig224). Auch eine uns einzeln überlieferte Aeusserung Siger's über
die Universalien, welche er zum Gegenstande einer Monographie gemacht
zu haben scheint, enthält nicht bloss gleichfalls eine Betonung der significalio,
sondern auch den durchaus scolislischen (s. ob. Anm. 107) Aus
druck ,,aggregatum"^b). Er bearbeitete die zweite Analylik in einem,
wie es scheint, höchst ausführlichen Commentare, in welchem er bereits
ein besonderes Gewicht auf die verschiedenen Arten der Fehlschlüsse
gelegt haben muss228), so dass er wohl einer Lieblings-Neigung folgte,
221) Ich werde daher häufig ausdrücklich darauf hinweisen, welchem Orden
ein Auior angehört habe.
222) Was sein Leben betrifft, fmdet sich eine (ausnahmsweise) vortreffliche
Abhandtung über ihn in Histoire litler. de io France, Vol. XXI, p. 96— 127; bezüg
lich seiner Schriften hätle ich allerdings eine reichere Detait-Mittheitung aus dem
handschriftlich in Paris vorhandenen Materiale gewünscht.
223) Paradiso, X, v. 136: Essa e' io tuce elerna dt Sigieri, Che leggendo nel
vico degli strami (d. h. in Paris in der rue du fouarre) sitlogizzd iniiidiosi veri.
Dass Dante überhaupt der thomislischen Bichtung angehörle, ist bekannt, s. CA.
Jqurdain, In phitos. de St. Thomas d'Aquin, II, p. 128 ff. u. Wegele . Dante Alighieri's
Leben u. Werke, 2. Aufl. (Jena 1865), p. 387, 409, 457 ff., 490. Speciell
für die Gesch. d. Logik bielen Dante's Schriften keinen Anioss dar, näher auf ihn
einzugehen.
224) Hist. litt, de Fr. a. a. O. p. 117, wornach der Anfang einer Schrift
Siger's „Summa modorum significandf ioutete : Quoniam grammalica est sermocinalis
scienlia, sermonem et passiones eins in communi ad exprimenstum principaliter
mentis conceptus per sermonem coniugatum considerans , conceptus aulem mentis
duplex etc.
225) Ebend. p. 120 lesen wir, dass Siger's „Quaesliones logicales" folgendermaassen
beginnen: Varia disculienda per ordinem proponimus. Primum est, utrum
lerminus conceplionis signipcet universaliler conceptum mentis, sicut quidam »ofunl.
Secundum est, utrum universaliter significel formam, sicut Pioto votuit, vel et aggregatum.
Tertium est, utrum anima per terminum conceplionis sit significabitis. Auch
diese Verwendung des byzanlinischen Begriffes „lerminus" würde uns eine Ver
öffentlichung der Schrift Siger's wünschenswert!) machen. Eine andere Stelle aus
derselben ioutet (ebend.): Et si universalia. inquantum universalia, esse conceptus
mentis quis dubitet, requiral in reseriplo a nobis, quod sie incipit „Significatum est
nobis, nonnullos doctores" (diese letzlere Schrift fand sich in den Pariser Hand
schriften nicht mehr).
226) Ebend. p. 119, woselbst als Gegenstände der Erörterung, welche in 215
Fragen gepflogen wird, beispielsweise angeführt werden : Quid est sgllogismus con
XIX. Siger von Brabant. Richard von Middleton. 235
indem er specielle Schriften über „falladae" 22T) und auch über „1mpossibilia"
verfasste 228).
Hingegen trat schon zur nemlichcn Zeit der Franziskaner Richard
von Middleton (oder de media villa, gest. i. J. 1300) gewissen mög
lichen Uebertreibungen der Lehre des Scotus gegenüber und sympathisirte
somit mit den Dominikanern, wobei die Art und Weise seines Thomismus
uns mehrfach an Gottfried von Fontaines erinnert. Allerdings ist Richard,
von welchem wir Quodlibeta und einen Commentar zum Petrus Lombardus
besitzen229), ein Autor, an welchem die Theologie ein grösseres
Interesse haben wird , als die Logik ; was jedoch von seinen Ansichten
hieher gehört , dürfte Folgendes sein. — In der Universalien-Frage be
gegnen wir auch bei Richard der üblichen arabischen Dreigliederung, nur
modificirt er dieselbe betreffs der Universalicn post rem; denn er spricht
von einer Viergliederung, indem das Universale zunächst als Causalität
(in causando, A. h. somit ante rem) bis zurück zur Schöpferkraft Gottes
zu fassen sei, sodann aber (in re) eine Gleicharligkeit (indifferentia in
informando) der Formbildung in der Vielheit beslimmter concreter Wesen
enthalte, und hiedurch (post rem) einerseits eine Gleicharligkeit der Vor
stellung in der Seele (indifferentia in repraesentando) und andererseits
eine Gleicharligkeit der Aussage (indifferentia in praedicando) bedeute;
und während nun das Universale in den ersten drei Beziehungen, d. h.
ante rem. und in re und in repraesentando, in Wahrheit doch nur ein
Singuläres sei, komme ihm nur in der vierten Bedeutung eine eigentliche
Universalität zu, denn nur da enthalte es die von numerärer Einzelnheit
absehende Denkauffassung der Wesenheit und zugleich die Aussagbarkeit,
so dass es nach keiner dieser beiden Seiten als Universale objecliv exislire,
sondern eben nur auf secunda intentio beruhe 230). Erinnert uns
trariae deceplionis. Quid est sgllogismus infirmus. Quid est sgllogismus fatuus. Qvid
est »gllogismus medicus (?). Quid est sgllogismus diversivus. Ferner sei auch die
Rede von einem sgllogismus lingiosus (doch wohl litigiosus?), falsigraphicus, oslensivus
etc. Als Proben der Beantwortungen werden ebend. folgende Regeln mitgetbeitt:
Sgllogismus contrariue deceplionis est sgllogismus ignoranliae, sodann Sgllo
gismus latuus est, qui est ex dnersis propositionibus diversimode sumplis, dicendo
„/n nova fert animus (bekanntlich der Anfang der Metamorphosen Ovid's) ; ergo tu
es asinus". Ferner Bene sgllogizare est ex probabitioribus et nolioribus propositum
demonstrare.
227) Ebend. p. 117, wo wir ans den „Faliodae" nach einem unverständlich
abgedrucklen Sophisma folgende zwei Beispiele fmden: Quod ambuiot, calcat; ambuiol
aulem totam diem; ergo caleat lotam diem. Quidquid bibisti, habes in corpore;
cgphum vero bibisli; ergo habes cgphum in corpore.
228) Ebend. p. 120 f. aus den „Impossibitia" ein Beispiel : Deus non est. Non
omnia habent causam unam; erqo dcus non est.
229) Authorali theologi Ricardi de media vitta, minoritane famitie ornamenti,
trio n'cognita reconcinnataquc Quodlibeta etc. Venctiis 1509. fol. und Saeralissimi
theologi Ricardi de Mediavitta ordinis seraphm mmorum conventualium In libros senlentiarum
quaestiones. 4 Bände. Venet. 1507 — 9. fol.
230) In Sentent. H, dist. 3, qu l, f. 17 r. A: Universale quadruplieiter polest
accipi. Uuo modo in causando, secundum quem modum dicimus, quod deus est
universalts causa omnium. Alio modo per indifferentiam aplitudinis ad informandum
plura, secundum qurm modum forma, quantum ex se nata est informare ptures
parlet maleriae unigeneas, diceretur universalts, si äset actu existens a miileria
separata. Tertio mudo per indifferentiam in repraesentando, secundum quem modum
236 XIX. Richard von Middleton.
nun dieses theilweise an den naiven Wirrwarr eines Albert und eines
Thomas (s. Abschn. XVII, Anm. 383 u. 496), sowie an die Indifferenz-
Lehre des 12. Jahrh. mit Einschluss des Gilbertus Porretanus (Abschn.
XIV, Anm. 132 ff. u. 473 ff.), so kann Richard allerdings anliplatoniseh
mit Gottfried v. Fontaines sagen, dass die Universalien in Gottes Denken
ehen nur als gedachte, nicht aber als reale Wesen exisliren 231), und
folgerichlig muss er auch betreffs der Universalien in re jeder scolislischen
Ausschreitung entgegentreten, da ja die Annahme, dass das im Singulären
enthaltene Universale der ursprüngliche und erste Gegenstand des Erkennens
sei , und dass das Universale als ein der Art nach idenlisches
sehr wohl in mehreren Individuen ungetheilt bestehen könne, nicht hloss
im Widerspruche mit Aristoteles (bezüglich der Undefmirbarkeit des Sin
gulären) stehe, sondern auch zu der Alternalive führe, dass entweder
das Universale, welches doch ein erschaffenes Ding ist, ebenso wie Gott
Einheit und Mehrheit in seinem ungetheilten Wesen enthalte, oder dass
es ganz überflüssig sei, neben den Einzeln-Dingen überhaupt noch von
einer Existenz eines Universale als solchen zu sprechen 232).
Ist sonach durch diese Auffassung der Universalien bei Richard nur
species in intellectu exislens dicitur universalis sub ralione, qua non repraesentat
hominem hunc vel iltum, sed hominem inquantum homo est; de qua dicil Avicenna
quinto metapb. (s. Abschn. XVI, Anm. 184), quod quamvis respectu individuorum sit
nniversalis, tamen respectu animae, in qua imprimitur, est singutaris. ijnnrtn modo
per indifferentiam in praedicando, secundum quem modum dicit Porphgrius ; et
hoc est proprie universale, nam universale dictum tribus modis primis secundum rei
veritalem singuiore est. Dico ergo, quod ipsum universale duo complectitur, sc. id
quod est universale, ut ipsam hominis vel angeli essenliam ut inlellectam praeter
unitalem et mullitudinem numeralem, et ipsam universalitalem, quae est praedicabitis
de pturibus. Sed neutro modo est in reali exislenlia angetus universalis nec quaecunque
res alia, quia ipso universalitas est res conslituta a ralione et dicilur
secunda inlenlio.
231) In Senlent. l, dist. 19, qu. 3, f. 68 v. B: Sicut essenliae omnium naturarum
ab aelerno fuerunt intellectae a divino inlellectu, quamvis ab aelerno non fuerunt,
ita veritales, quamvis ab aelerno non fuerunt, tamen ab aelerno fuerunt inlellectae.
S. ob. Anm. 64.
232) In senlent. t, a. a. O. : Dixerunt aliqui, quod universale quorumeunque
singutarium eil in reali exislenlia non separatum a singuioribus in quolibel singuiori
(s. bei Scolns Anm. 141, 145, 148 u. bes. 138), quod sub ipso conlinetur existens
indivisum (s. Anm. 139). Unde universale hominum, cum unus boma corrumpitur,
non corrumpitur, quia in aliis remanet totum, et cum aliquis homo generatur,
universale hominis non generatur, sed itle homo universale, quod in aliis eral salvatum,
in se suscipit. Et hoc dicebant ittud esse, quod est proprium obiectum
intellectus et primum et ittud, quo intelligitur singutare per reflexionem ; quia
enim est in singuioribus, ideo per cognitionem ipsius refleclitur intellectus ad singu
tarium cognitionem (s. Anm. 124). Et cum dicebatur, quod idem ereatum non polest
esse in pturibus suppositis indi,'isum, dicebant, hoc esse verum de identitale in
numero, non de idenlitale in specie (s. Anm. 148 f.). Sed haec opinio falsa est et
improbabilis ; salis palet per ea, quae phitosophus seplimo metaph. probat (s.
Abschn. IV, Anm. 484 ff.) Praelerea aut ipsum universale esset de ralione
cuiustibel singuioris sui aul non. Si sie, tunc res ereata simplex indivisa esset de
ralione pturium suppositonim ; quod est impossibite, solius enim divinae essenliae
proprium est, quod sine mulliplicalione sui sit tola de ralione pturium suppositorum.
Si non, tunc ipsum universale realiler exislere, ul dicunt, essel inulile, quia non
esset ulite ad singuiorium exislentiam, cum esset aliquid extra essentiam eorum, nec
ad eorum cognitionem, cum non esset de ralione eorum.
XIX. Richard von Michlleton. 237
dasjenige mit Protest zurückgewiesen, was man den Realismus der Scolisten
nennen könnte , so verbleibt immerbin der Conceplualismus des
Scotus mit Einschluss seiner sprachlichen Seite (ob. Anm. 96) als posilive
Ansicht Riehard's. Indem aber dabei ebenso, wie bei Scotus, die grösseren
Schwierigkeiten in den Universalien in re liegen, lenkt Richard nach dieser
Seite hin mit seinem sprachlichen Conceptualismus mehr in einen geläu
terten Thomismus ein. Nemlich im Anschlusse an Thomas nimmt er an,
dass in Gottes Denken um der Verwirklichung des Einzelnen willen auch
die Idee der Individuen (nicht bloss der Art-Uegriffe) liegen müsse 233)(
und ebenso nimmt er betreffs des Einzeln-Seins aus Thomas die Begriffe
„esse signatum" und „incommunicabile" beifällig auf234). Aber wenn
es sich um die Frage über das principium individualionis handelt, folgt
er schon darin der Ansicht des Gottfried v. Fontaines, dass das Sein der
Individuen keinenfalls ein accidentellcs sein könne235), und auch an den
nemlichen Autor erinnert uns die Erklärung, dass das concrete Seiende
stets durch anderweilige Wesenheiten bedingt sei und die beslimmt determinirte
Modificalion der Form im Individuum auf eine Verbindung eines
Materiellen und eines Formellen hinweise230). Eben darum kann sich
Richard durchaus nicht mit der „species intelligibilis" des Scotus (s. Anm.
110) befreunden, denn dieselbe habe höchstens einen Sinn, wenn man
unter ihr das begriffsmässig entstandene „Wort" verstehe, denn die Idee
eines Dinges als ewige könne nicht ein Werkzeug für unser mit Ver
gänglichkeit behaftetes Denken sein, und letzteres habe seinen Ausgangs
punkt, auf welchen es sich stütze, nur in den Sinnen, vermöge deren
wir die Eigenthümlichkeiten der Dinge erfassen , um dann aus den vorfindlichen
Ähnlichkeiten („similitudo", s. Abschn. XVII, Anm. 393 u. 395,
u. Abschn. XIV, Anm. 474) auf syllogislischem Wege auf ein für sich
bestehendes Substrat zu gelangen237). So erhält Richard's Conceptualismus
233) Quodl. f. l r. B: In menle divina sunt ideae specierum et singuiorium
contentorum sub speciebus Cum ipsa idea sit ipsa divina essentia, inquautum
apprehensa a divino intellectu ut imitabitis ab aliis a se, et idco r um nun tantum
sit imitubilis a speciebus , sed eliam ab tndie,duis specierum, dico, quod est idea
nun lantiiii, specierum, sed eliam singuiorium. In Sentent. t, ttist. 36, art. 3, qu. 4,
f. 111 v. B: Idea in deo non tantummodo dicit ralioncm cognitionis, sed eliam ralionem
faetionis rerum. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 518.
234) Quodl. a. a. O. : Magis differt Petrus a Paulo, quam Petrus ab homine ;
Petrus enim non est Pautus, sed Petrus est homo; aliquo tamen modo differt Petrus
ab homine, inquantum id, quod dicit „homo'' sub esse non signato, dicit „Petrus"
sub esse signalo, et ideo, quod dicit „homo" sub ralione communicabiti, dicit „Petrus"
sub ralione incommunicabiti. Igitur dico, quod maior est differentia secundum ralionem
intcr ideas duorum singuiorium, quam inler ideam speciei et individui. Vgl.
Abschn. XVII, Anm. 520.
235) Ebend. f. 4 v. A: Esse actualis exislenliae, quo ereatura est in primo
actu, non est accidens essentiae ipsius ereaturae. S, ob. Anm. 65 u. hingegen bei
Scotus Anm. 137.
236) Ebend. f. 5 r. A: Omni essentiae ercatae ad suam existenliam necessarium
est aliquid aliud a se, quia omnem essentiam ercatam oportct ab alia essentia esse
et ab alia essentia conservari Si intelligatur esse per essenliam sicut per quoddam
principium formale essendi vel per modum formae significatum, haec propler
hoc in compositis essentiae comprehendit maleriam et formam; sie dico, quod ens
ereatum est per suam essenlium. S. ob. Anm. 67.
237) In Sentent. II, Dist. 24, art. 3, qu. 3, f. 100 v. A: In statu corruplibili
238 XIX. Richard v. Middleton. Petrus v. Auvergne.
eine sehr entschieden empirislische Färbung , welche nicht hloss über
Thomas (Abschn. XVII, A um. 500), sondern auch über Scotus (oh.Anm. 114)
weit hinausgeht, wenn das Erkennen überhaupt principiell als etwas
Passives bezeichnet wird 23s). In jener Frage hingegen, welche die unitas
formae betraf, entfernt sich Richard wieder von den Thomisten , indem
er eine Mehrheit von Formen , welche in Einem Wesen sich vereinigen,
/nliissi . aber für diejenige, welche bei Entstehung der Wesenheit zuletzt
abschliessend gewirkt hat, die Funclion einer artmachenden Einheit be
ansprucht, so dass er hierin auf Seite des Scotus, nicht aber des
Lamarre tritt 239).
Ein umgekehrtes Verhältniss zeigt sich bei einem anderen Zeitge
nossen; nemlich der Dominikaner Petrus von Auvergne (seine Blüthezeit
füllt um d. J. 1300), welcher als äusscrst fruchtbarer Schriftsteller
in zahlreichen (bis jetzt ungedruckten) Commentaren zu den physikalischen
und naturgeschichtlichen Werken des Aristoteles, sowie auch zur Polilik,
zur Metaphysik und zur Logik, sich im Ganzen an Thomas anschloss i4u),
glaubte dennoch zugleich die Gründlichkeit der Exegese durch Aufnahme
mancher Erläuterungen des Scotus steigern zu können. In dem Commentare
zur Isagoge folgt Petrus allerdings darin dem Thomas, dass die Logik
nun cognoscimus per naturam de lege communi substantiam per propriam eius spe
ciem, nisi accipiatur species pro verbo, quod intellectus concipit de ea per suas proprietales.
Non enim cognoscimus eam immediale per suam speciem inereatam, quae
est idi'n, (B) cum ,tin n n idea nun possit kahere ralionem tnstrumentalis agentis
respectu nostri actus inlelligendi, ...... ii am divinam essentiam non cognoscimus immediale
per naturam Praelerea non cognoscimus substanliam per propriam eius
speciem aequisitam, nisi accipiendo speciem pro verbo Intellectus noster nuliom
polest recipere speciem inlelligibilem ab inferiori nisi per Minislerium sensuum
Hon cognoseimus substantiam p'er propriam eius speciem, sed per suas proprietales
argumentando, eo quod in itlis est aliqua simititudo substantiae (f. 101 r. A)
Inlellectus conctudit, quod itli enti natum est aliquod ens subsistere, et tandem conctudit,
itlud ens esse per sc subsislens, et sie deveuit in cognilionem substantiae.
238) Ebend. qu. 2, f. 100 r. A : Nostrum intelligere consistens in simplici apprebensione,
in qua non est composilio nec dit'isio, est pali Molio enim intellectualis
est ab inlelligenle per actwum intellectus, et est in intellectu per passivum
intellectus, el cum ipsa molio intellectualis, inquantum est in inlelligenle, sit
passio, sequitur, quod inlelligere sit pali.
239) i.ino,it. S. 6 v. A : Anima intellectiva est humani corporis forma ita, quod
est forma principulivsima ipsius hominis, h. e. forma hominis compleliva, per quam
homo reponitur in specie hominis (B) Anima intellecliva est forma ullima,
quia in bominc nulio est nobitior ea; sed forma ullima est, per quam compositum
reponitur in specie. Ebenso In Sentent. lI, Vist. 17, art. l, qu. 3, f. 70 r. A. Vgl.
ob. Anm. 30 u. 155.
240) Handschriftlich sind von Petrus de Alvernia in Paris noch vorhanden :
Supplementum commenturii S. Thomac in tit,rum lerlium de coelo, Quaeslioncs super
quatuor libros de coelo et mundo, Super quatuor libros meleororum, Super Arist. de
iuventule el senectule, De somno el vigitia, In quosdam pareorum naluralium libros
a S. Tboma expositos, In Arist. de piontis, In Arist. de motu animalium, Super libros
Politicorum, Super duodecim librus metaphgsicorum, Super totam logicam velerem,
Super Porphgrium, Sophisma delerminatum. S. Haurtau, De io phit. scol. II, p. 260 ff.
Eben durch Haur^au wurde ich auch auf die Pariser Handschrift, welche „Cod.
Sorbonn. Nro. 955" signirt ist, hingewiesen, aus welcher ich Einiges zur Probe mit
theite. Die genauere Einsicht derselben zeigle mir auch , dass die Schrift Super
Porphgrium eben doch nur der ersle Theit des grösseren Ganzen Super lolam logicam
velerem sei.
XIX. Petrus von Auvergne. 259
nwdu.t sciendi sei241), und auf gleicher Quelle und einer Stelle Albert's
beruht es, wenn die Logik ausdrücklich als „formalis" der Metaphysik
gegenübergestellt wird 242). Aber indem Petrus sodann eine neuere
Formulirung der Ansicht erwähnt, dass der Syllogismus nicht der primäre
und wesentliche Gegenstand der Logik sei243), benützt er zur W,der
legung dieser Meinung und zur Begründung der gegentheiligen fast
wörtlich die betreffende Auseinandersetzung des Scotus 244). Was die
Universalien betrifft, bei welchen er auch von Avicenna beeinflusst
wird245), greift er zum Nachweise einer objecliven Existenz derselben
gleichfalls nach Gründen, welche Scotus (sowie auch Vincenz v. Beauvais)
angeführt hatte246); aber natürlich gilt ihm die objeclive Seite der Uni-
241) Cod. Sorbonn. 955 (f. 83 ff.): Cirea librum Porphgrii quaeruntur quaedam
in generali Primo de subiecto ipsius logicae, utrum logica sit de modo
sciendi tanquam de subiecto. Et arguitur quidem sie: Id est subiectum in scientia,
de quo et de cuius partibus lerminatur in tola scientia; sed de modo sciendi el de
partibus eius lerminatur in tota logica; ergo etc Praelerea ittud est subiectum
in scientia, penes cuius divisiones dividitur ilio scienlia; sed secundum divisionem
modorum sciendi dividitur tola logica in artem dividendi, diffiniendi et colligendi
etc. S. Abschn. XVII, Anm. 489.
242) Secundo quaeritur, ulrum sil de enle tanquam subiecto. Et argumentatur,
quod non. Duarum diversarum scientiarum non debet esse subiectum idem, et causa
huius est, quod diversitas subiccli causat diversitalem scientiarum; sed metapbgsica
est de ente tanquam de subiecto; ergo logica non est de enle tanquam de subiecto,
cum sit diversa a metapbgsica. Praelerea scientia, quae est de enle, est realis, sed
logica non est realis, sed formalis. S. ebend. Anm. 362 u. 488.
243) Tertio quaeritur, utrum sit de sgllogismo tanquam de subiecto (vgl. ob.
Anm. 93 u. Abschn. XV/I , Anm. 370). Et videtur, quod non, quia, si totum est
subiectum in lolo, et pars in parle, ergo, si »gllogismus est subiectum in tola lugica,
ergo el parles sgllogismi in parlibus logicae; sed scientia libri elenchorum pars est
log,cae; eo sgllogismus non est subiectum, quia sgllogismus ,ophistieus non e»t
sgllogismus Praelerea omnis scivntia, quae est de sgllugismo tanquam de sul,-
iecto, est alicuius generis delerminali, nam sgllogismus genus delerminatum est; sed
logica non est alicuius generis delerminali. Vgl. ebend. Anm. 370.
244) Ad id dicendum, quod logica est de sgllogismo tanquam de subiecto; de
sgllogismo enim secundum verba el non secundum rem Et sie est tola nova
logica, quae dislinguitur secundum divisionem ipsius sgllugismi, quae stalim apparebit
Dicendum est enim, quod tola logica est de sgllogismo tanquam de sub
iecto, el hoc polest esse dupliciler, aut de ipso sgllogismo in se el absotule aut de
his , quae altribuuntur sgllogismo. Si primo modo, sie est ilber Priorum. Si vero
secundo modo, sie est dupliciler, quia alia altribuuntur sgllogismo aut tanquam parles
inlegrales aul tanquam parles subiectivae; si primo modo, hoc est dupliciler, quia
altribuuntur ei tanquam partes inlegrales remotae, et sie est liber Praedicamentorum,
aul sicul parles inlegrales propinquae, et sie est ilber Periermenias. Si aulem sit
de his, quae altribuuntur tanquam partes subiectivae, sie est tola nova logica, quae
dividitur sie: aul sgllogismus contrahilur per medium, quod est necessarium, et sie
est liber Posteriorum, aut per medium, quod est probabite, et sie est liber Topicorum,
aut per medium, quod est privalio eius, et sie est liber Etenchorum. Alii aulem veleris
logicae sunt de bene esse, ul liber Porphgrii, qui sc. ad cognilionem praedicamentorum.
S. bei Scolus, ob. Anm. 93, das Original dieser Erörlerung.
245) Liber Porphgrii , cuius subiectum sunt universalia , non inquantum
sunt quinque, sed inquantum uniuntur sub hac forma, quae est universale. Vgl.
Abschn. XVl, Anm. 171 f.
246) Quaeritur, utrum universalia habeant esse. Et videtur, quod non, quia
omne, quod est, ideo est, quod unum numero est, sed universale non est unum
numero Ad hoc dicendum, quod universalia possunt probari esse per hoc,
quod dant esse intellectui; haec enim est eorum operalio; quia id, quod dal esse,
210 XIX. Petrus v. Auvergne. Alexander v. Alessandria.
versahen nicht als die ausschliessliche, sondern er ist dabei wieder Thomist
genug, um in jenen bequemen Dualismus einzumünden, welcber durch die
aristotelische Unterscheidung des Polenziellen und des Actuellen einigermaassen
übertüncht ist247).
Hingegen viel enger, wenn auch nicht ausschliesslich, hängt mit der
Lehre des Scotus Dasjenige zusammen, was Alexander von Alessan
dria (gest. i. J. 1314) in seinem Commentare zur Metaphysik kundgab,
welchen man früher für eine Arbeit des Alexander Alesius (s. Abschn.
XVII, Anm. 274) hielt. Allerdings wenn ein zweifaches Auftreten der
Universalien, nemlich sowohl in causando als auch in praedicando, unter
schieden wird (wobei der Wortausdruck uns an Richard v. Middleton
erinnert, s. Anm. 230), kann man immerhin sagen, es sei diess nur der
gewöhnliche thomislische Dualismus 248), und auch die gegen Plato geübte
Polemik liesse sich trotz ihrer schärferen Formulirung auf die nemliche
Quelle zurückführen24*). Aber Alexander spricht sich hinwiederum sehr
entschieden dahin aus, dass die Universalien überhaupt sachlich nicht ge
trennt von dem Einzelnen exisliren, hingegen wohl logisch als ein „modus"
mittelst des „conceptus" losgetrennt werden können250). Und diesem
scolislischen Standpunkte bleibt er auch bei der Frage über das Princip
der Individualion getreu, indem er im Hinblicke auf die Controverse be
treffs der Angelologie daran festhält, dass auch ausserhalb der Materie
eine Individualisirung dadurch stattfinden könne, dass die Wesenheit sich
habet esse necessario; absurde est enim dicere, quod id, quod non habet esse, darel
esse alicui. S. ob. Anm. 100 n. Abschn. XVII, Anm. 297.
247) Sccundo quaeritur, utrum sint separata a singuioribus. Et videtur, quod
sint, quoniam omnis scienlia est incorruplibitium Ad id dicendum, quod opinio
Plalonis fuit, quod universalia essent separata a singuioribus (vgl. Abschn. XVII,
Anm. 501) Et Aristoleles contra ipsum argumentutur, ... .quoniam id, quod faci at
cognitionem de particuioribus , ipsis debel esse in eis Polest esse scicntia de
universalibus, quia etsi non de corruplibitibus secundum se, de corruplibitibus tamen
per accidens bene polest esse scienlia Universale quantum ad rem subiectum
iulmlitun est universale polenlia et hoc modo est coniunctum ipsis particutaribus,
sed universale quantum ad ipsam intuitionem est universale in actu et est in
ipso inlellectu et apprebenditur ab eo et hoc modo separatum est ab ipsis sensibilibus
Intelligendum ergo secundum intenlionem Aristolelis, quod universalia uno
modo separata ab ipsis singuioribus et alio modo non, et uno modo corruplibitia et
alio modo non. Vgl. ebend. Anm. 493, 508.
248) Alexandri de Ales, doctoris irrefragabitis , in XII Aristol. Metapl,gsicae
libros etc. Veneliis 1571. fol. Fol. 7 v. A : Nolandum est, quod universale dicitur
duobus modis, sc. in praedicando et in causando Possumus loqui de universali
in causando vel de universali in praedicando. Ebenso f. 283 v. A. S. Abschn.
XV11, Anm. 507 f.
249) Ebend. f. 28 v. A : Pioto in sua posilione incurrebat duo opposita; ponebat
enim speciem separatam et quod bubtiret esse independens; ponebat autem secundo,
quod haec species esset universale; cum aulem universale habeat esse
dependens ad ittud, cuius est universale, sequitur, quod ista species debuit esse
dependens; et ita erit independens et dependens. S. ebend. Anm. 501.
250) Ebend. f. 66 r. B : Si loquamur de separalione secundum rem, impossibite
est, quod universale sit separatum a singuiori, eandem enim rem, quam dicit
haec humanitas, dicit humanitas ; si aulem loquamur de separalione secundum
ralionem, sie universale separatum est a singutaribus; licet enim unam et eandem
naturam dicant universale et singuiore , tamen itiom dicunt secondum differentem
modum et differentem conceptum; „hie Aomo" enim dicit naturam humanitalis cum
intellectu et conceptu principiorum individuanlium. S. ob. Anm. 129.
XIX. Alexander v. Alessandria. Gerhard v. Bologna. Radulph Brito. 241
mit jenem Auftreten verbinde , welches dem „suppositum" als solchem
zukommt251), wobei wir beachten müssen, dass hiemit bereits damals
im Anschlusse an Scotus selbst (ob. Anm. 109) die Häcceität durch jenen
byzanlinischen Begriff ausgedrückt wurde. Auch die Annahme, dass die
Individualion für die Wesenheit selbst etwas Accidentelles sei, wiederholt
Alexander aus Scotus 252). Und so dürfen wir uns nicht wundern, wenn
hei ihm auch die Lehre betreffs der formalüates (ob. Anm. 147 ff.) eine
Anwendung findet 253). Eigenthümlich aber ist es, dass er dann dennoch
die Frage über unitas /ormae ganz in der nemlichen Weise wie Gott
fried von Fontaines und Johannes Parisiensis beantwortet254).
Vielleicht irren wir auch nicht, wenn wir den Gerhard von
Bologna (gest. 1317) den Vertretern einer scolislischen Richtung bei
zählen, wenn auch bis jetzt noch nicht hinreichendes Material vorliegt,
um die ihn betreffenden Fragen genügend zu entscheiden255).
Zuversichtlicher möchte ich mich über Radulph Brito (um 1317
thälig) äussern, obwohl ich hiebei in Widerspruch mit Haureau's Forschung
gerathe. Wir sind nemlich bezüglich Radulph's nur auf Dasjenige ange
wiesen, was der genannte Gelehrte aus Pariser Handschriften mittheilte;
251) Ebend. f. 118 v. B: Posito, quod diversitas numeralis sub una specie non
polest esse nisi per maleriam, in separatts a maleria non polest esse nisi unum
numero sub una specie Hanc posilionem non repulo reram; eredo enim, quod
mulliplicalio individualis sub una specie possil esse in separatis a maleria ita, quod
haec duo fierent simut, quod ipsa forma sit separata a maleria el eliam mulliplicari
possif individualiter el numeraliler • Imaginabimur enim, quod agens supernaturale
formas separatas mulliplicare polest infra unam speciem per diversa supposita
ita, quod composilio ex supposito et essenlia facit mulliplicalionem individualem,
sicul est compositio ex maleria el forma in formis malerialibus. Vgl.
ob. Anm. 13, 28 u. bes. 109, 139, 145.
252) Ebend. f. 203 v. B: Principia individuanlia aecidunt ipsi essentiae. S.
Anm. 137.
253) Ebend. f. 103 v. B: Non sotum formalitas propinqua dicitur formalilas rei,
sed eliam formalilas remota, quae est de essentia formalitalis propinquae; eo modo,
quo dicimus, quod humanitas non sotum est formalilas Soeralis, sed eliam animalitas.
Vgl. f. 201 v. B, 231 r. B.
254) Ebend. f. 44 r. A : Quaelibet forma specifica componitur ex conceplibus
formalibus, el explicalio horum conceptuum est definitio rerum; et in his conceplibus
est prius el poslerius, et unus conceptus per se facit aliam ralionem, quam
secundus, el omnes simul faciunt unum conceptum, v. g. in specie hominis est conceptus
ralionalitalis el animalitalis et substanliae et eulitalis et hi omnes faciunt
cunceptum hominis. S. ob. Anm. 70 u. 74.
255) Haure'au, welcher Handschriften zweier Werke des Gerhard in Händen
hatte , beruft sich (H, p. 384) auf einige Stellen derselben, in welchen Gerhard
betreffs der Universalien und der unitas formae mlt Thomas übereinslimme. Jene
Slelle aber, welche Haureau im Wortioute mittheitt, ist eher geeignet, unsere
Zweifel über Gerhard's Sleltung zu erregen. Denn wenn wir dort lesen „Formae
communes, in quibus inveniuntur universalia, sunt entia in polentia; el ideo scire
aliquid, secundum quod est universale, est scire in polenlia; communicalio ergo, quae
inlelligitur in formis communibus, habet esse extra animam in polenlia; ista aulem
communicalio, quae intelligitur in maleria, est pura privalio, cum non intelligitur
nisi secundum abtalionem formarum individualium ab eo", — so weiss ich nicht,
ob Solches nicht vielmehr eine Uebertreibung scolislischer Anschauungen sei (s.
Anm. 112—121 u. 142). Allerdings ist es misslich, sich aus etlichen herausge
rissenen Zeiten eine Ansicht bitden zu sollen, und Gerhard wird eine zweifelbafle
Gestalt bleiben, bis Mehreres aus Handschriflen veröffentlicht ist.
PBANIL, Gesch. III. 16
242 XIX. Radulph Brito.
aber ich glaube, mir aus jenem Materiale eine andere Auffassung ent
nehmen zu müssen. Wenn nemlich Radulph schon die intentio secunda,
wie er ausdrücklich sagt, nur „in concreto", nicht aber „in abstracto"
verstanden wissen will, wornach Gattungs- und Art-Begriffe eben nur
nach ihrem „esse in pluribus" zu betrachten seien, so streift dieses
offenbar an die Auffassung des Scotus256), und ebendahin dürfte sicher
auch die entschiedene Betonung der denominalio zurückführen257). Ferner
unterscheidet Radulph ebenso, wie der vorhin genannte Alexander, ein
doppeltes Auftreten der Universalien in causando und in praedicando,
womit er Erklärungen über Priorität und Posteriorität des Singulären
verbindet, welche auf bekannten aristotelischen Stellen beruhen und darum
allerdings sowohl bei Thomas (Abschn. XVII, Anm. 511) als auch bei
Scotus (ob. Anm. 122) eine Rolle spielten258). Aber völlig unzweideulig
tritt der scolislische Standpunkt darin hervor, dass Radulph gleichfalls
(vgl. ob. Anm. 147 u. 155 ff.) an der pluralitas formarum, und zwar
gerade im Interesse der Aussagbarkeit der Universalien, festhalten zu
müssen glaubt259).
256) Bei Haure'au H, p. 389 (aus Pariser Handschriften mltgetheitt) : Inlenlio
nihit aliud est, quam quaedam ralio inlelligendi rem, ut est in pturibus, seu quaedam
cogilalio rei, sicut universale nihit aliud est, quam quaedam ralio inlelligendi,
ut est in pturibus Logica igitur est de secundis inlenlionibus non in abstracto,
sed in conerelo, ul concernunt rem prima inlellectam ; unde logicus non considerat
de generalitale et specialitale in abstracto, sed considerat de genere et specie in con
ereto modo. Istae inlenliones sunt triplices secundum triplicem operalionem ink-llectus.
Una enim est operalio inlellectus, quae apprehendit simplicia; alia est, quae
simplieia apprehensa componit et dividit ; lerlia est, discurrere a praemissis ad consequenliam.
Vgl. ob. Anm. 100 ff.
257) Ebend. : Unde genus et species dicuntur quaedam incomplexa, ul denominata
sunt inlentionibus Lieet aliqui dicant, quod ista sint per se, quia genus
et species dicunt rem, tamen istae inlenliones non dicunt res, nisi ul denominatae
sunt intenlionibus, ut „homo est species". S. ob. Anm. 127.
'258) Ebend. p. 390: Quaedam sunt universalia causalitale, alia propositione
(dass jedoch statt propositione sicher praedicalione gelesen werden muss, zeigen die
sogleich folgenden Worte; s. auch Anm. 248). Modo si quaeratur de universalibus
causalitale, dico, quod itio sunt noliora secundum naturam, quam singuioria, tamen
non sunt noliora quoad nos Si aulem loquimur de universali praedicalione,
dico per dislinclionem, quia aut accipitur pro inlenlione universalis aut pro re subiecta
inlentioni. Si pro intenlione universali, sie dico duo: primo quod universale
itlo modo est poslerius singuioribus, accipiendo singuiore pro re ; secundo dico, si
accipiatur singuiore pro inlentione, quod universale prius est singutari
Accipiendo singuiore pro inlenlione et universale pro inlentione singuiore poslerius est
quam universale S» aulem accipiatur universale et singutare pro re subiecta
intenlioni, adhuc dupliciler possunt eonsiderari, quia vel pro re abstracte sumpta vel
ul consideratur sub aliquibus proprietalibus Si considerentur pro re abstracte,
sie unum non est prius nec poslerius allero Si aulem accipiatur pro re ut stal
sub aliqua proprietale, primo in eodem genere cognitionis universalia sunt
prius ; secundo non facta reiolione ad unam cognitionem universalia sunt
priora singuioribus secundum naturam, non .... quoad nos.
259) Ebend. p. 388: Si genus esset aliquid unum in re per unam formam,
ilio forma esset unius speciei tantum el tunc non possei genus praedicari de alia
specie nisi de itio soio, cuius est forma. Si itio forma sit communis omnibus speciebus,
tunc arguo: itio forma communis aut est eadem mm forma cuiustibet speciei
aul diversa. Si est eadem esscntialiler cum formis specierum, tunc, cum formae
specierum sint multae el non una, sie eliam ista forma generis non erit una, sed
multae. Si sit diversa a formis specierum, aul est diversa numero aul specie aut
XIX. Petrus v. Abano. 243
Treffen wir somit unmittelbar nach dem Auftreten des Scotus ein
relalives Ueberwiegen der von ihm verfochtenen Anschauungen , so dass
dieselben sogar auf thomislischer Seite eine gewisse Aufnahme fanden
und dabei zugleich ihrerseits nicht in schroffer Ausschliesslichkcit festge
halten wurden, so musste es als eine gebotene Nothwcndigkeit erscheinen,
dass nun auch die Thomisten (wie schon früher, s. Anm. 71 ff.) sich
behufs der Reinheit ihrer Lehre zusammenschaarten. Und so treffen wir
den Thomismus im Kampfe nicht bloss gegen Scolisten , sondern auch
gegen Halbthomisten, — ein Kampf, an welchem uns hier natürlich nur
die logischen Controversen interessiren.
Absehend von allem Theologischen darf ich somit hier mit ein paar
Worten auch den berühmten Mediciner Petrus von Abano (gest. 1320)
erwähnen , welcher als Averroist dem Verdammungsurtheile der Kirche
verfiel260). Denn auf dem Gebiete der Logik zeigt sich derselbe als
reiner und strenger Anhänger des Thomas, dessen Ansichten er lediglich
wiederholt, sei es dass es sich um die Universalien281), oder um das
principium individuationis^^), oder um unitas formae handelt263).
Theologische Thomisten hingegen knüpften vielfach an jene früheren
Controversen bezüglich der Schrift „Correctorium fralris Thomae" (s.
bei Lamarre ob. Anm. 27 ff.) an; da jedoch von dieser polemischen
Litteratur, welche in die ersten zwei Jahrzehnte des 14. Jahrh. fällt,
häufig nur die Namen der Autoren und die Titel der Schriften über
liefert sind , können wir, so lange nicht alle einschlägigen Handschriften
gedruckt sind, nicht beurtheilen, in welcher Weise sich etwa die logische
Parteistellung gestaltet habe 264). Aber Einiges, was zu unserem Zwecke
genere; si sit diversa numero ab islis, vere non polerit praedicari de istis, sicut non
vere dieitur, quod Soerales sit Piolo, qui di/ferunt numero; nec si sit diversa specie
vel genere, eliam non praedicabitur vere de istis speciebus Ergo genus non
polest esse idem essenlialiler in diversis speciebus. Hier scheint mir das Missverständniss
Haureau's deutlich vor Augen zu liegen, denn derselbe erklärt die von
ihm mitgetheitle Stelle so, als ob es sich dabei um die Frage handle ,,.« le gerne
pevt etre pris comme une chose" ; aber davon ist ja gar nicht die Rede, sondern
nur von der unitas formae und den ihr entgegenstehenden Bedenken.
260) Da Petrus v. Abano noch starb, ehe der für ihn beslimmle Scheiler
haufen errichtet war, konnte sich die Kirche das Vergnügen nicht versagen,
wenigslens nachträglich die Gebeine desselben zu verbrennen. „Ecelesia non sitit
sanguinem".
261) Concitialor controversiarum, quae inler philosophos el medicos versantur,
Petro Abano Patavino, phitosopbo ac medico ciorissimo, auctore etc. Venet. 1565. fol.,
f. 7 v. B : Universale habet duplex esse : unum quidem in intellectu iam possibiti in
actum aliquando deducto; aliud secundum se, prout a mullis parlicuioribus est quaedam
forma communis per inlellectum abstracta; hie enim species et simititudines
rerum abstrahit a parlicuioribus et signalis congregans, unam quandam naturam
comn,unem natam inesse vel dici de pturibus.
262) Ebend. f. 36 r. B : Individuum est, quod de uno solo praedicatur particuiori
Numero sunt idem, quorum maleria est una, quod ipsa exislens sub cerlis
dimensionibus signalis principium est individualionis et formae susceplionis.
263) Ebend. f. 24 r. A : Ex pluribus entibus actu non fit unum actu per essenliam
Si formae permaneant elementorum in misto actu, ipsum iam pturium exislet
formarum ; quod est falsum, cum unius rei sit unicum esse perfeclivum.
264) So fmden wir einen Rambert von Bologna (gest. 1308), welcher
„Apologelicum contra corruplorium Thomae pro itlius doctrinae defensionc" schrieb (s.
Quelif, Seriptt. ord. Praedicatorum, I, p. 504) , einen Bernhard von Auvergne
16*
244 XIX. Pseudo-Thomas.
hieher gehört, liegt uns in mehreren jener sog. Opuscula vor, welche
man später für Arbeiten des Thomas selbst hielt und so in die Ausgaben
der Werke des Thomas aufnahm (vgl. ob. Aum. 76 u. Abschn. XVII, Anm.
484 u. 548 ff.). Es sind dieses Schriften, welche grösstentheils erst
nach Scotus entstanden sein können , aber eben dem Zwecke dienen,
die thomislische Auffassung gegen verschiedene Angriffe zu schützen.
In diesem Sinne stelle ich hier diese Litteratur eines Pseudo-Thomas
zusammen.
Ziemlich unbedeutend an Inhalt sowie an Umfang ist die Schrift De
natura accidentis, welche in der Erörterung des accidens naturale und
seines Verhältnisses zum subslantiale sich ganz an Avicenna anschliesst 2u5),
aber daneben als eine zweite Art das accidens logicum bezeichnet, welches
(ähnlich wie einmal bei Albert) die Universalien in sich enthalten soll 26u).
Was das prineipium individualionis betrifft, so wird hier gelegentlich
unter Berufung auf die schöpferische Kraft der Universalien der Standpunkt
des Thomas wortgetreu wiederholt267). Hingegen die Lehre von der
unitas formae erscheint mit der neuen Wendung, dass in den concreten
Wesen die Eine entscheidende Form verschiedene anderweilige Formen
je nach beslimmten Verhältnissen (proportiones) , in welchen sie zur Ma
terie stehen, zur Wesens-Einheit vereinigt268).
Auch die ausführlichere Monographie „De natura generis" hält sich
in Erörterung des Gattungsbegriffes durchgängig an Avicenna269), dessen
Angaben auch bei anderweiligen Punkten , z. B. in Bezug auf esse und
quiddüas, ausdrücklich cilirt werden270). Bemerkungen über das Verhältniss
der Logik zur Metaphysik und über die Eintheilung des ens sind
unmittelbar aus Aristoteles entnommen271). Was über prima und se-
(oder de Gannalo), welcher von dem angesehenen Thomisten des 15. Jahrh. Johannes
Capreotus öflers beifällig erwähnt wird und mehrere Schriften betreffs jener Controversen
verfassle, nemlich Contra dicta Henrici de Gundavo, quibus impugnal Thomam
, Contra Godefridum eadem de causa, Contra Jacobum Neapolitanum eadem de
causa (Quelif, a. a. O. p. 493); letzlerer Jacobns v. Neapel ist idenlisch mit
Jacobus de Vilerbo (oder Capoccius), und gegen ihn schrieb auch Robert Orphordius,
welcher ausserdem unter gleichem Tilel wie Bernhard gegen Heinrich
Göthals polemisirte (ebd. p. 431). Auch Wilhelm Mackefield schrieb ebenso
gegen Heinrich und ausserdem Contra corruptorem Thomae und De unitale formarum
(ebd. p. 493).
265) In der oben (Abschn. XVII, Anm. 485) erwähnten Ausgabe als Opusc. 41
gedruckt, Vol. XVII, 2, f. 1. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 157 ff.
266) Ebend. f. l v. A: De accidenle logico Omnia universalia accidentia
quaedam sunt sequentia res secundum esse, quod habent in anima. Vgl. Abschn.
XVlI, Anm. 379.
267) f. l r. A: In maleria natae sunt inesse quaedam formae generales et quae
dam speciales , quarum natura est, in maleria facere, quidquid formae generales
natae sunt facere (B) Maleria est prineipium individualionis sub dimensionibus
certis. Vgl. a. a. O. Anm. 508 u. 519.
268,) f. l r. B : Ipsum conslitutum ex maleria et forma, cuius est esse actu, in
quo cum non possint esse ptura esse substanlialia sub una forma, quam sub aliqua
alia forma, per unam formam sequuntur omnia, quae in diversis per diversas fnrmas
conlingunt; proportiones vero, quae pertinent ad istam maleriam, ordinant eam ad
diversas essenlias formarum delerminale.
269) Opusc. 42 ebd. f. l v. A—7 r. A. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 106— 117.
270) f. l v. B u. 2 v. A ; vgl. ebend. Anm. 103 u. 93.
271) f. 2 r. B. Vgl. Abschn. IV, Anm. 231, 298, 380.
XIX. Pseudo-Thomas. 245
cunda intentio gesagt wird , enthält Nichts neues , wenn auch vielleicht
ein leiser Einfluss des Scotus dabei bemerkbar ist272). Hingegen zum
ersten Male begegnet uns hier die Aufzählung von sechs lranscendentia,
nemlich ens, res, aliquid, unum, bonum, vervm, wobei nicht bloss jene
vier Begriffe, welche uns schon beim ächten Thomas begegneten (Abschn.
XVII, Anm. 515) hier um zwei neue (res und aliquid, sicher nach ara
bischem Vorbilde) vermehrt sind, sondern auch die Bezeichnung „transcendentia"
als neu erscheint; und schwerlich irren wir, wenn wir auch
darin eine Einwirkung der scolislischen formalitales erblicken, dass ge
sagt wird, jene sechs Begriffe seien sachlich idenlisch und nur logisch
von einander verschieden 273). Eigenthümlich ist auch, dass der Schluss
der ganzen Schrift in Mathemalik und Naturwissenschaft ausmündet274).
In der Schrift „De pluralüate formarum" ist bereits von Schmähun
gen die Rede, welchen die wichlige Lehre von unüas formae ausgesetzt
sei; um aber dieselbe zu befesligen, könne man theils ex distinctione
formarum, theils ex entitate, theils ex unilale Beweisgründe schöpfen275).
Indem aber die Abhandlung entweder von ihrem Verfasser unvollendet
gelassen oder fragmentarisch überliefert wurde, finden wir nur die beiden
ersten Molive ausgeführt, und zwar in ziemlich wunderlicher Weise.
Wenn nemlich die Formen sich dadurch von einander unterscheiden, dass
die eine vollkommener ist und höher steht, als die andere, und wenn
hiebei wie bei den Zahlen die niedrere in der höheren enthalten ist, so
werde die Natur, welche Nichts überflüssiges thue, doch wohl nicht den
unvollkommneren Grad der Form noch neben dem vollkommneren zur
besonderen Existenz bringen276); ja eine Form müsse gerade um so
einfacher sein, je vollkommner sie sei, denn indem die sämmtlichen nach
272) f. 4 r. B : Nomina primae inlenlionis sunt, quae rebus sunt imposita ab
sotule medianle conceplione, qua fertur inlellectus super ipsam rem in se; nomina
aulem secundae inlentionis sunt itio, quae imponuntur rebus non secundum quod in
se sunt, sed secundum quod subsunt intentioni, quam intellectus facit de eis. Vgl.
ob. Anm. 105.
273) f. l v. B : Sunt aulem sex tran scendenlia, videlicet ens, res, aliquid, unum,
rerum, bonum, quae re idem sunt, sed ralione dislinguuntur. Vgl. Abschn. XVI,
Anm. 32, u. ob. Anm. 149 (mlt den puncta transcendenlia des Raimundus Lultus,
vor. Ahschn. Anm. 140, hat diess keinenfalls Etwas zu schaffen); s. unlen Anm. 355.
274) f. 4 v. B De metaphgsica aulem et logica et earum consideralione , quae
ad omnia se extendunt, actum est; nunc vero de naturali et mathemalica restat
agendum.
275) Opusc. 45, ebd. f. 11 r. B: Inler veritales siquidem de principiis naturac
de unitale formae in uno individuo ad pturimas se exlendit veritales, sufficial
ad praesens, quasdam raliones communes in seriplis adductas contra cavitioliones
fortificare Ostenditur aulem propositum tribus viis ad praesens: prima sumitur
ex dislinclione formarum a se invicem, secunda ex ralione entitalis, lerlia ex ra
lione unitalis.
276) Ebend.: Formae rerum sunt sicut numeri et figurae, quantum ad hoc, quod
una forma addil perfcctionem super aliam, sicul unus numerus addit super alium
et sicut una figura super aliam et virtule continel ipsam; forma ergo perfeclior mrtule
conlinet formam imperfecliorem ; posita ergo forma perfectiori superfluit ponere
imperfecliorem ; cum ergo in natura nihit sit superfluum, non permitlit natura, quod
in eodem composito sint duae formae, quarum una sit perfectior alia. Ad huius
ralionis evidenliam considerandum est, quod omnes formae substanliales wnt
eiusdem generis.
246 XIX. Pseudo-Thomas.
verschiedenen Graden abgestuften Formen zu Ein und der nemlichen
Gattung gehören , sei ein gleichzeiliges Ziisammenbestehen derselben un
möglich277). Auf dieses erste Moliv könne man dann auch sofort das
zweite stiilzen , oder letzteres durch den Hinweis auf die reale Wirkung
der in sich einheitlichen Form erledigen 278).
Die kurze Abhandlung „De inteltectu et intelligibili" zeigt uns neben
dem gewöhnlichen thomislischen Dualismus zwischen Singulürem und
Allgemeinem 279) eine entschiedene Bezugnahme auf Scotus , indem als
Gegenstand der Wortbedeutung nur die subjecliv begriffliche Auffassung,
nicht aber die species intelligibilis , bezeichnet wird 280). Uebrigens
knüpft sich hieran eine etwas myslische Dreitheilung der Sprache , je
nachdem dieselbe vom Herzen oder von der Einbildungskraft oder vom
Munde ausgeht281).
Unter dem Titel „De universalibus" sind uns zwei Tractatus er
halten, deren zweiter jedoch durchaus nicht eine Fortsetzung des ersten
ist, sondern jeder derselben behandelt das Thema derarlig in seiner
eigenen Weise, dass wir zweifellos zwei ganz verschiedene Verfasser vor
uns haben 282). Der erstere beginnt sofort mit einer Aufzählung und
Krilik der verschiedenen Meinungen über die Universalien , wobei die
Epikureer, die Platoniker, die einseilig übertreibenden Scolisten, und die
Anhänger Bonaventura's sämmtlich durch aristotelische Stellen widerlegt
werden283). .Und dasjenige, was sich Thomas aus Aristoteles und Avi-
277) f. 12 v. A: Omnis forma est simplex, et nulta est composita ex /braus, et
tanto forma est simplicior, quanto maior est et perfeclior (B) Unde impossibile
est, quod compaliatur secum aliam in eodem subiecto, cum sit eiusdem generis cum
unaquaque, sicut et omnes formae aliac sum incompossibites propler hoc, quod sunt
eiusdem generis.
278) f. 12 v.B: Secunda via osteudendi propositum sumitur ex polestate essenliali
formae substanlialis, ex hoc sc. quod quaelibet forma substantialis constituit
ens simpliciler; quod passet probari ex prima via supposita incompossibititale
formarum ; ex hoc enim stalim sequitur, quod omne subsistens maleriale, cum sit
unum subiectum unam tuntutu habens maleriam, tantum sit una forma cuiusiibet,
quae facial esse subsislens. Sed tanmen ex propriis huius viae est procedendum ;
pro principio aulem huius viae sumendum est, quod omnis forma naturalis est principium
alicuius motus naturalis et quielis.
279) Opusc. 53, ebd. f. 37 v. B: Ipso, natura, cui accidit (vgl. ob. Anm. 266)
intelligi , non est nisi in singuioribus ; sed hoc ipsum, quod est inlelligi , est in
inlellectu.
280) f. 37 v. A: Vox exlerior neque significat ipsum inlellectum neque speciem
inlelligibitem neque actum inlellectus, sed conceplionem, qua medianle relertur ad rem,
Vgl. ob. Anm. 126 f.
281) Ebend.: Triplex est verbum: verbum cordis sive inlellectuale, verbum imaginalionis
sive imaginabite, verbum oris sive vocale; primum est manans, sccundum
disponens, lertium operans.
282) Opusc. 55, ebd. f. 38 r. A, und Opusc. 56, f. 39 r. B.
283.) f. 38 r. A: Cirea uuiversalia mulliplex fuit et diversorum philosophorum
opinio. Quidam enim, sicul Epicurei, non ponentes distinclionem esse nisi secundum
sensum dicebant, quod nit,il est universale !luidum posuerunt, ea esse et
subsislere praeler singuioria et practer inlellectum, et isti fuerunt Ptatonici ; philosophus
dicit contra Piolonem deridendo eum „gaudeant genera et species, monstra
enim sunl" (s. Abschn. 1II, Anm. 66). Sumamus aulem necessarium argumentum,
quod formal Avicenna contra eum (folgt die Slelle Abschn. XVI, Anm. 188)
Quidam posuerunt universalia nobis innata et conereta per dirtum phitosophi,
quod intelligimus, cum votumus (Abschn. IV, Anm. 107), quod non esset dictum,
XIX. Pseudo-Thomas. 247
cenna behufs eines bequemen Dualismus herausgelesen hatte, bildet nun
die posilive Ansicht des Verfassers, welcher in seinem Wortgebrauche
fast das ganze Register der Terminologie des Albert und des Thomas
(s. Abschn. XVII, Anm. 398) erschöpft und hiezu noch den älteren Aus
druck „diversi respectus" (s. Abschn. XIV, Anm. 137) hinzufügt und
auch seine Uebereinslimmung mit dem thomistischen Princip der Individualion
kundgiebt 2s4). Daran schliessen sich Erörterungen über intentio
universalüatis und über universalia accidentium an, welche wörtlich
theils dem Thomas theils dem Avicenna entnommen sind285); hierauf
aber folgt eine förmliche Casuislik über Priorität oder Posteriorität der
Universalien (vgl. ob. Anm. 258), indem hiebei vorerst der Unterschied
zwischen realem Sein und Erkennbarkeit derselben festzuhalten sei, und
ersteres entweder als Abstractum oder als Form gefasst werden könne,
wovon wiederum die -Form sowohl nach ihrer Thätigkeit als auch nach
ihrer Absicht (intentio) betrachtet werden müsse, für welch beide Ge
sichtspunkte abermals zu unterscheiden sei zwischen höher liegenden und
liefer stehenden Universalien, deren erstere wieder entweder auf ihre
eigene oder auf eine mittelbar entferntere Individualion bezogen werden
können286). Der Rest aber enthält Bemerkungen über den artmachenden
nisl ipsa nobis universalia innata essent et semper actu praesentarentur ipsi animae
(diese Ansicht konnle nur von extremen Scolisten ausgehen, welche den Begriff der
species inlelligibitis in auguslinischem Sinne forcirlen, vgl. ob. Anm. 100 u. 114—125).
Contra quod est eliam phitosophus (folgt die empirislische Stelle Abschn. IV, Anm.
53).'..... Alii vero posuerunt, quod formae intellectuales effiuunt in mentem nostram
ab intellectu agente, ponebant aulem, inlellectum agenlem non esse in nobis, sed
extra nos, et dicebant, istum esse deum (s. Bonaventura, Contra istos est philosophus in lerlio de anima (s. AbsAcbhsnc.hn.lV,XVAInIm,. A6n3m.ff.5) 52)
284) f. 38 r. B : Sentenlia tamen Aristolelis vera est, et tangitur in hoc
duplex esse universalis, unum, secundum quod est in rebus, aliud, secundum quod
est in anima Natura, quae individuatur per maleriam in singuioribus , efficitur
postea universalis per aclionem inlellectus depuranlis ipsam a condilionibus, quae
sunt hie et nunc Lapis non est in anima, sed species iopidis (Abschn. IV,
Anm. 176) Diversis respectibus polest aliquid esse genus et species et univer
sale et parlicuiore Est universalis, inquantum habet ralionem uniformem ad
omnia individua, pront aequaliler est simititudo omnium Habet ralionem
communitalis, secundum quod est communis per repraesentalionem pturium Unitas
generis ex ipsa indelerminalione procedit vel indifferenlia.
285) f. 38 v. A. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 493. u. Abschn. XVI, Anm. 103.
286) Ebend. : Utrum aulem universale sit prius, quam singuiore, dicendum,
quod universale esse prius contingit dupliciler, sc. universale in essendo et universale
in cognoscendo. Si in essendo, tunc universale accipitur pro specie, quae est abstracta
a condilionibus malerialibus, et isto modo palet, quod prius est singu
iore, a quo abstrahitur talis forma Alio modo consideratur universale, prout
est forma realiler existens in rebus, et hoc dupliciler; aut enim refertur ad operalienem
naturae aut ad inlenlionem. Si primo modo, aut loquimur de universal i speciei
specialissimae aut de superiori ad ipsam. Si de superiori, aut comparatur ad suum
proprium singuiore aut ad id, quod mediale continetur ab ipso. Si ad proprium,
tunc prius est in operalione naturae hoc animat, quam unimal, quod omnis
operalio est singuiorium Si formamus universale superius ad singuiore non
proprium, ut animal ad hunc hominem, sie in operalione naturae universale praecedit
singuiore Si aulem loquamur de universali inferiori, ut de specie specialissima,
sie quantum ad operalionem naturae singuiore praecedit universale Si aulem
referamus universale quantum ad inlenlionem naturae, sie adhuc distinguendum est,
quia loquimur aut de universali superiori, ut de genere, aut de inferiori Si
248 XIX. Pseudo-Thomas.
Unterschied, über Einheit, und über das Verhältniss zur Objeclivität, welche
sich wörtlich an Avicenna anschliessen 287).
Der Verfasser der zweiten Abhandlung, welcher auch auf andere
von ihm verfasste Schriften hinweist288), vertritt eine mehr realislische
Auffassung des Thomismus. Indem er an den aristotelischen BegrilV des
xcrfrcUot) anknüpft, nimmt er das Universale als eine „Sache", welche in
mehrerera Gleicharligen „ist" und so von der secunda intentio erfasst
wird, und er verstösst somit ausdrücklich und absichtlich gegen den
älteren Spruch „res de re non praedicalur"289). Dabei aber hält er
einerseits mit Thomas in einer unverkennbar polemischen Wendung gegen
Scotus daran fest, dass das Singuläre nur durch ein Entblössen von seiner
Parlicularität Gegenstand des Erkennens werden könne290); und andrer
seits gebraucht er für jenes aus dem Einzelnen herausgeschälte Universale
den scolislischen Ausdruck „species intelligitiilis", woran sich aber be
züglich der unüas furmae ähnlich wie bei Gottfried v. Fontaines und
Johannes l'arisiensis die Annahme knüpft, dass Gattmigs- und Art-Begrill'e
nur auf einem „diversimode intelligere" beruhen291). Freilich liegt
hiebei immer nur der unklare Dualismus des Thomas zu Grunde, denn
es wird hinwiederum gesagt, dass das Universale einerseits in seiner
eigentlichen Bedeutung formalüer nur in der denkenden Seele als ein
loquamur de superiori, dico, quod universale non inlenditur a natura St
n,fli-m de universali inferiori, ut de specie specialissima loquimur, dicendum,
quod intenlione naturae prius est universale Et sie palet, quid sit tiicendum
de universali quantum ad esse suum. Si aulem loquamur de universali quantum ad
cognilionem suam, hoc polest esse dupliciler, quia est aliquid nolius quoad nos, et
est aliquid nolius simpliciler sive quoad naturam.
287) f. 38 Y. B z. B. ralionalitas, s. Abschn. XVI, Anm. 150, und Abschn. XVII,
Anm. 529; über unitas, s. Abschn. XVI, Anm. 102; sodann f. 39 r. A: Aaimat, inquantum
est animat, nec est genus ncc species ncc tndividuum nec unum a. s. f.,
s. eliend. Anm. 74.
288) Opusc. 56 f. 40 r. A, woselbst wir einmal finden „ut alibi dectarabitur",
dann wieder „sieuf patebit in Topicis" und hierauf „palebit capitulo de proprio''.
289) f. 39 r. B : Quoniam dicit Aristoleles primo Posteriorum (s. Abschn. IV,
Anm. 132) , dico, quod universale, secundum quod universale, comprehendit
primam rem, quae de se nata est, in pluribus esse secundum intrntionem secundam.
f. 39 v. A : Quando dicitur „universale praedicatur de pturibus", sensus est, quod
res subiecta universalitali praedicatur de pturibus. Vgl. Abschn. XIV, Anm. 287.
290) f. 39 r. B : Res, secundum quod est in maleria parlicuiori, intelligi non
polest, nisi abstrahatur ab omnibus conditionibus individuantibus ; tapis enim non
polest inlelligi, nisi per intellectum abstrahatur ab hie et nunc. (. 39 T. B: Singu
iorita* ex hoc, quod est singuioritas, non impedit actionem inlellcctus; aliler inlelligenliae,
cum sint singuiores, non possent intelligi, quod falsum est Singutaritas
non opponitur actioni inlelligibitis, nisi cum sit cum maleria; sed cum
denudatur a maleria, erit inlelligibitis. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 499. u. ob. Anm.
31, 75 u. 121.
291) f. 39 r. B: Prima intentio, quae de iopide est, in intellectu est species
iopidis, quae compelit tapidi, secundum quod iopis , et ab ista prima intentione haec
vox „tapis" imposita est ad significandum naturam iopidis Intellectus intelligit
naturam iopidis medianle specie inlelligibili (s. ob. Anm. 110 ff.), quia sibi non
repugnat esse in pturibus; secundo inlelligit eam, ut est parlicipabitis a pturibus, et
secundum diversum parlicipalionis modum sie diversimode intelligit; nam inquantum
est parlicipabitis a pturibus differenlibus specie, intelligit eam sub intellectu genens ;
et si solum parlicipabitis est a pturibus differenlibus numero, inlelligit eam sub inlellectu
speciei. Vgl. ob. Anm. 70 u. 74.
XIX. Pseudo-Thomas. 249
Accidens des objecliven Wesens vorliege uffd andrerseits zugleich der
Gegenstand selbst sei, welcher vorstellungsweise (obiective) dieser Auf
fassung unterworfen werde292), — eine Annahme, welche auch hier
an jene Stellen Avicenna's geknüpft wird , denen wir schon so oft begejjneten
203). Auch eine Polemik, welche gegen eine platonisirende An
sicht, dass die Universalien individuelle Wesens-Einheiten seien, gerichtet
ist, beruht auf den nemlichen Grundlagen 2!)4). Aber Eine eigeuthiimliche
Annahme hat diese Schrift vor allen übrigen damaligen Erzeugnissen zum
Voraus: es wird nemlicb aus dem Umstande, dass die secundae intentiones
nur in der Seele, und zwar als ein Accidentelles , sich finden, hier der
Schluss gezogen, dass die Logik nur in ungewisser Weise (incertitudinaliter)
eine Wissenschaft sei, da ihr Gegenstand im Vergleiche mit anderen
(realen) Disciplinen und insbesondere im Vergleiche mit der Metaphysik
der schwächste (debitissimum) und ungewisseste sei, denn dasjenige, was
nur psychologisch exislire, habe am Wenigsten am Sein Theil295). Noch
wunderlicher aber gestaltet sich die Sache, wenn der Verfasser wohl
hieraus folgert, dass ein eigentliches Wissen (scire) der Logik nur auf
Grundlage einer Kenntniss der realen Wissenschaften erfolgen könne296),
aber dann doch zugleich behauptet, die Logik müsse vor den übrigen
Disciplinen gelernt werden , weil jene secundae intentiones allem Seien
den gemeinsam seien , und somit auch die Logik selbst gemeinschaftlich
allen Wissenschaften einwohne und für alle das Beweisverfahren ent
halte 2").
292) f. 39 v. A: Quaeritur aulem, utrum universale sit substanlia vel accidens.
Et per hoc solvitur ista quaeslio, quoniam loquendo de universali, secundum quod
universale, est sotum in anima et est accidens (Abschn. XVII, Anm. 379); sed lo
quendo de re subiecta dicitur, quod quandoque est substanlia et quandoque accidens
secundum diversitalem universalium Secunda intentio, quam universale inctudit,
formaliler (diess ist scolistische Terminologie, s. ob. Anm. 129 u. 133) solum est
in anima Res subiccta itli inlenlioni non dicitur proprie subiccta, sed obiecta.
293) Ebend.: Logica principaliter est de secundis intentionibus ; sed quia secundae
intentiones principaliter accipiuntur a proprietalibus rerum medianlibus primis, ideo
Heit Avicenna, quod logica est de secundis inlenlionibus adiunclis primis
(Abschn. XVI, Anm. 74) Avicenna dicit, quod tribus modis dicitur universale
(s. die Stelle ebend. Anm. 184).
294) f. 39 v. B: Aliqui dixerunt, quod universale esset unum numero numerositale
essenliae; hoc aulem falsum est. Nam non requiritur ad unitalem universalis unitas
essenliae, quoniam genus non dicit essentiam unam, sed ptures; sed ideo
dicitur universale unum numero, quia intentio itio, quae est in anima, est una
in numero.
295) f. 40 r. A: Species respectu animae accidens est, et simitiler de aliis in
lenlionibus secundis Sotum habent esse in anima Et ex hoc palet, qualiter
incertitudinaliter logica est scienlia, quia ipsa inler omnes alias scienlias incertior
est; quod est, quia certitudo scienliae dependet a certitudine subiecli. Dicitur enim
metaphgsica cerlissima, eo quod habet suliectum certissimum Sed inler omnia
subiecta scienliarum debilissimum et incerlissimum est subiectum logicae, quia unumquodque,
quantum habel de enlitale, tantum habet de veritale ; nunc autem se
cundae inlentiones sotum habent esse in anima et ab anima, ex quo sequitur, quod
habent debitissimum esse; nam intcr omnia genera entium entia, quae sunt in anima,
minus parlicipant de enlitale. Vgl. bei Albert, Abschn. XVII, Anm. 363.
296) Ebend.: Ideo impnssibile est, logicam scire, nisi fuerit sciens et expertus
in aliis scientiis et specialiler in metaphgsica.
297) Ebend. : Verumtamen, quia huiusmodi secundae inlentiones communes sunt
250 XIX. Pseudo-Thomas.
Das eigenthiimlichste Proiluct aber innerhalb dieser ganzen pseudothomislischen
Litteratur ist die „Summa lolius logicae Aristolelis" 29s),
welche auch geschichtlich Manches interessante darbietet (sei es selbst
nur um Leibnitz's willen). Es ist unmöglich, dieses Buch dem Thomas
zuzuschreiben, denn der Verfasser desselben behandelt nicht nur ausführlich
die hypothelischen Syllogismen, sondern verweist auch auf eine von
ihm selbst geschriebene Monographie über dieselben299), während Thomas
gerade für das demonstralive Wissen die hypothelischen Urtheile und
Schlüsse abwies (s. Abschn. XVII, Anm. 540). Auch ersehen wir aus
einer einzelnen Stelle , dass der Verfasser nicht blos in Spanien lebte,
sondern selbst ein Spanier war300). Wie er hiess, wird ohne neue
Hülfsmittel nimmer zu ergründen sein. Ein thomislischer Standpunkt im
Allgemeinen liegt dem Buche wohl zu Grunde , aber um so auffallender
ist manches Einzelne und insbesondere die häufige Einflechtung byzan
linischer Logik.
Die wesentliche Aufgabe der Logik erblickt der Verfasser (— hierin
von Albert abweichend —) in dem syllogislischen Beweisverfahren, und
so folgt er dem arabischen Molive (Abschn. XVI, Anm. 16 f.) der Eintheilung
der Logik nach den Bestandtheilen des Syllogismus301), will
aber für seine ganze Darstellung auf das Gebiet der Topik und Sophislik
verzichten302). Was zunächst den Inhalt der Isagoge betrifft , schliesst
er sich in der Universalienfrage an Albert und Thomas an , deren Ter
minologie er durch das anliscotislische Wort „denudare" und durch den
bei Roger Baco vorkommenden Ausdruck „convenientia" bereichert303),
i« omnibus entibus, ideo logica est communis omnibus scienliis et polest arguere in
qualibet scientia, nam secundac intenliones ducunt in cognilionem primarum, inquantum
fundatae sunt in eis Ideo logica debet addisci prius omnibus
aliis scienliis.
298)• Opusc,. 48, ebend. f. 14 v. B — 35 v. A. Unter die Werke des Thomas
konnle dieses Buch wahrlich nur durch jenen principiellen Mangel an aller Krilik
gerathen, durch welchen sich das Mitleioller in gleicher Weise auszeichnete, wie
heutzutage die modernen Thomisten in St. Pölten und in Rheinpreussen (s. Abschn.
XVII, Anm. 481).
299) f. 32 r. B : De quibus omnibus composilis proposilionibus et earum varietale
et sgllogismis, qui ex eis fiunt, diffuse dixi in libro, quem feci de hgpolhelicis
sgllogismis; ideo di/fuse de eis nunc tractare praelermitlo, sed videamus sotum modos
sgllogizaudi.
300) f. 24 v. B: Verba infinilivi modi aliquando ponuntur ex parle subiecti, ul
cum dicimus „currere est moveri", et hoc est, quia habent vim nominis; undc Gracci
addunt eis arliculos sicut nominibus ; hoc idem facimus nos in logica vulgari, nam
dicimus nel corere mio", ubi litlera „e/" est arlicutus.
301) f. 14 v. B: Omnes homines natura scire desiderant (bekanntlich die An
fangsworle der aristatelischen Metaphysik) ; scire aulem est effectus demonstralionis ;
quia demonstralio est sgllogismus, ad cognoscendum eam necesse est praecognoscere
sgllogismum; sgllogismus aulem cognosci non poleril partibus ignoralis.
Vgl. hingegen Albert, Abschn. XVII, Anm. 370.
302) f. 15 r. A: De sgllogismo vero applicalo ad maleriam probabitem, qui perlinel
ad partem logicae, quae dialeclica dicitur, de quo tractatur in libro Topicorum,
et de sgllogismo applicalo ad maleriam sophislicam, de quo tractatur in libro Etenchorum,
non inlendo me ad praesens intromitlere.
303) Wir finden nemlich (f. 15 r. A) nicht bloss die Begriffe secunda inlenlio,
maleria signata, hie et nunc (s. Abschn. XVII, Anm. 519), conformitas (s. Abschn.
XIV, Anm. 474), sondern unmittelbar neben letzlerem auch convenienlia (s. Abschn.
XIX. Pseudo-Thnmas. 25t
während er dabei zugleich den thomislischen Dualismus mit der byzan
linischen Wendung ausspricht, dass das praedicabile in dem „dici de"
und das universale in dem „esse in" liege, was natürlich mit der Unter
scheidung eines intcllectiiellen und eines sachlichen Auftretens der Uni
versalien zusammentrifft 30J). Wenn aber in Folge der abstrahirenden
Thäligkeit, welche im Intellectus vor sich geht, die Universalien vorstellungs
weise (obiective, s. ob. Anm. 105) im Denken sich vorfinden305), so wird
zur Uebcrbrückung der Kluft zwischen Subject und Object die species
intelligibilis des Scotus als jene Anschauung herbeigeholt, in welcher die
Universalien gegenständlich (subiective) im Intellectus sind306); nur ver
bleibt dabei dem subjeclivcti Denkacte immer noch jede Verknüpfung und
wechselseilige Beziehung der Gedankendinge, und so kann in aller Schärfe
gesagt werden , dass die Wahrheit überhaupt nur vorstellungsweise be
steht307). Die Frage aber, wie die Universalien in den Dingen zur Individualisirung
gelangen , wird ganz im Sinne des Thomas beantwortet,
wobei jedoch, um der Schwierigkeit betreffs der Angelologie zu entgehen,
jeder Engel sich gefallen lassen muss, zu einer eigenen Species ernannt
zu werden 308). Auch die Controverse über unüas formae wird nach
thomislischer Anschauung erledigt, indem die Aeusserungen Avicenna's,
welche sich auf die Form beziehen, zur Verwendung kommen309).
Ueberhaupt ja ist es Avicenna , von welchem der Verfasser auch in der
Einzeln-Erörterung der fünf Universalien innerhalb seines Thomismus sich
leiten lässt310).
XVII, Anm. 573) und als Ausdruck der abstrahlenden Thäligkelt denudare (vgl.
hingegen Scotus ob. Anm. 121 u. 290).
304) Ebend. : Universalia dicuntur, prout inlellectus altribuit eis esse in pturibus
; praedicabitia vero dicuntur, prout inlellectus altribuit eis dici de pturibus (s. bei
Petrus Hispanns, Abschn. XVII, Anm. 167). Ziemlich ptump spricht sich dieser
Du.,lismus in den Worlen aus, f. 15 r. B: Liect inlentiones fiunt ab intellectu, tamen
oportet, quod aliquod fundamentum habeant in re extra, oder ebenso wenn gesagt
wird, f. 25 v. B: Universale aulem polest dupliciler considerari: uno modo quasi
separatum a singuioribus, sc. secundum esse, quod habet in intellectu obieclive; alio
modo seenndum esse, quod habet in singuioribus.
305) f. 15 v.B: Forma substantialis habet duplex esse. Unum est obieclive in
inlellectu (hiezu vor. Anm. am Schtuss), et secundum hoc esse inlellectus attribuit
sibi nomen abstractum, considerat enim eam inlellectus non considerando maleriam,
in qua est, et proplerea dal sibi nomen abstractum, ut „humanitas". Aliud esse
habet in maleria.
306) f. 25 r. A : Dico, quod in inlellectu quaedam sunt subiective, ut species
inlelligibiles (s. ob. Anm. 118 u. 126 ff.) et aetus inlelligendi et huiusmodi; quaedam
sunt obieclive, ut ea, quae intellectus intelligit. .
307) Ebend.: Quando ergo res, quae est in inlellcctu obieclive, est conformis
sibi ipsi, ut est in rerum natura, tunc talis conformitas dicitur veritas (B) Veritas
est reiolio ralionis, enlia aulem ralionis nusquam sunt subiective, nisi targo
modo intelligatur, secundum ittud, cui ralio attribuit talem respectum ralionis ; habet
ergo veritas sotum esse obieclive; et simititer dico de falsitale. Die Folgerung je
doch, welche wir aus diesem Standpunkte in einer anderen Schritt (ob. Anm. 295)
fliessen sahen, wird hier nicht gezogen.
308) f. 15 v. A: Principium individualionis proprium est a maleria signata
Angeli non differunt inler sc numero, sed quitibel angetus facit speciem per se.
309) f. 15 r. B u. f. 17 v. A ; vgl. Abschn. XVI, Anm. 93. u. Abschn. XVII,
Anm. 523 f.
310) f. 15 v. B über den artmachenden Unterschied (vgl. Abschn. XVI, Anm.
XIX. Pseudo-Thomas.
An die Lehre von den Kategorien, welche in der nemlichen Weise,
wie bei Albert, mit den Universalien in Verbindung gebracht werden311),
knfipft sich vorerst an der Hand aristotelischer Stellen eine Besprechung
des Begriffes „ens"312), welcher jedoch nicht als Gattungsbegriff gefasst
werden soll313). Eigenthümlich aber ist dem Verfasser nicht nur, dass
er die ersten drei Kategorien als „absolute" den übrigen sieben als „re
laliven" gegenüberstellt314), sondern auch dass er erst hier bei der Ka
tegorie der Substanz die arbor Porphgriana verwerthet, mit welcher er
jedoch ebensowenig wie Avicenna durchgängig einverstanden ist315). In
ungleichmässiger Ausführlichkeit behandelt er die Kategorie der Quanlität,
Qualität und Relalion , in deren Erörterung er auch viele theologische
Fragen verflicht316), und betreffs der sechs letzten Kategorien liefert auch
er einen Commentar zum Gilbertus Porretanus 3 n).
In der Lehre vom Urtheile entlehnt er dem Albert die Unterschei
dung zwischen enuntiatio und proposit io 3 1 8) , folgt aber hinwiederum
bezüglich der fünf Arten des Satzes lieber der Auctorität des Boethius319),
und nimmt dann aus der byzanlinischen Logik den Begriff der copula
sowie den Memorial -Vers „Quae ca vel hgp" u. s. f. auf320). Auch da,
wo er bezüglich der allgemeinen Urtheile Gelegenheit findet, seinen thomislischen
Dualismus kundzugeben, und sowohl für die logische Auflassung
als auch für das reale Auftreten der Universalien die möglichen Fälle
einer allgemeinen Aussage formulirt, bewegt er sich in byzanlinischen
Beispielen und in der byzanlinischen Ansicht, dass z. B. omnis eben doch
nur ein Syncategoreuma und ein blosses „Zeichen" sei321), daher er auch
144 ff. u. Abschn. XVII, Anm. 529); f. 16 r. A über Accidens (vgl. Abschn. XVI,
Anm. 156 ff.).
311) f. 15 r. A: Praedicamentum nihit aliud est, quam ordinalio praedicabitnim
in ordine praedicamentali. S. Abschn. XVII, Anm. 429. Auch die Erörterung über
die Synonyma und insbesondere über die Analoga (f. 17 r. A) schliesst sich an Al
bert an; s. ebend. Anm. 432.
312) f. 17 r. B; vgl. Abschn. IV, Anm. 298 u. 301.
313) f. 16 r. A; s. Abschn. XVI, Anm. 32. u. Abschn. XVII, Anm. 415.
314) f. 17 r. B: Contrahitur ens per duos modos, quorum unus est esse ad esse,
et iste modus comprehendit trin praedicamenta absotuta, se. substantiam, quantitalem
el quali talem; secundus est esse ad aliud, et isle modus comprehendit seplem praedicamenta
respecliva.
315) f. 17 v. B: Qualiler aulem praedicamentum substantiae sit ordinatum, palet
in arbore Porphgrii, quam gralia exempli ponimus, licct non in tola reperiam cam
veram. Vgl. Abschn. XVI, Anm. 134.
316) f. 18 v. B — 21 v. A.
317) f. 21 v. B — 24 r. B. Vgl. Abschn; XVII, Anm. 439.
318) f. 24 v. A ; vgl. ebend. Anm. 445. Gelegentlich der Definilion von vox
wird eine aristatelische Stelle (Abschn. IV, Anm. 701) mlt Benützung des byzanli
nischen Begriffes „suppusitum" (vgl. ob. Anm. 109 u. 251) verwendet: Est differenlia
inler diffinilionem suppositorum el diffinitionem formarum etc.
„ 319) f. 25 r. A; vgl. Abschn. XII, Anm. 111. u. Abschn. XVII, Anm. 449.
320) f. 25 v. A; s. Abschn. XVII, Anm. 152 u. 108.
321) Auf die oben, Anm. 304, angeführle Stelle, f. 25 v. B, folgt unmittelbar:
Primo modo considerato universali aliquid de eo polest dupliciler enunliari. Uno modo,
quando ei altribuitur aliquid, quod perlinet ad soiom aclionem intellectus , ut cum
dicimus „homo est species" Alio modo, quando ittud, quod ei altri
buitur, non perlinet ad actum inlellectus, sed ad esse , quod habet ipsa natura intellecta
in rebus, quae sunt extra animam, ut si dicatur „homo est dignissima erea
XIX. Pseudo-Thomas. 253
Albert's „Individuum vagum" mit einem anderen derarligen Zeichen,
nemlich mit quidam, in Verbindung bringt 322). Wenn aber dann bei
Erörterung der Entgegensetzung der Urtheile sieben Erfordernisse des
contradictorischen Gegentheiles aufgezählt werden 323) , so fühlen wir es
merklich, dass wir uns allmälig dem üppigsten Dickicht der Scholaslik
nähern. Bei der Aequipollenz wird der Memorial-Vers „Prae contradie
u. s. f." angeführt324), auch folgt hierauf eine längere Erklärung der
byzanlinischen triplex materia der Urtheile325). Desgleichen wird die
Modalität der Urtheile ausführlich nach älterer und neuerer Tradilion der
byzanlinischen Logik behandelt, denn auf letztere weist die Unterscheidung
der „modales de dicto" und „modales de re" hin326), und ersterer
gehört die Auffassung des Begriffes modus selbst, sowie die Memorial-
Worte „Purpurea u. s. f." an327). Ebenso schliesst sich die Erörterung
über die hypothelischen Urtheile dem nemlichen Vorbilde an , und zwar
ist es die jüngere Formalion, aus welcher die Eintheilung des condilionellen
Urtheiles in rationalis, causalis, temporalis entnommen ist328).
Die Syllogislik knüpft der Verfasser an den tradilionellen arabischen
Begriff der Argumentalion 329), verbindet aber hiemit den Standpunkt des
Boethius, wornach inventio und iudicium die Aufgabe der Logik sind,
turarum" (wörtlich dasselbe Beispiel s. Abschn. XVII, Anm. 206) Secundo modo
enuntiatur aliquid de universali dupliciler. Uno modo cum attribuitur sibi ali
quid ralione ipsius universalis ; alio modo, quando altribuitur ei aliquid ralione
singuioris Et quiaiste modus enunliandi aliquid de universali cadit in communi
apprehensione hominum, ideo inventae sunt quaedam dictiones ut hoc signum „omnis" (s. ehend. Anm. 238 f.). ad designandum modum,
322) f. 26 r. A: Haec diclio „quidam" vel „aliquis" indelerminale formam
alicuius singuioris significat, unde et dicitur individuum vagum; s. ebend.
Anm. 406.
323) Ebend. : Quod sit contradiclio inler aliqua, requiruntur seplem. Primo,
quod opponantur duac proposiliones, quarum una sit affirmaliva et allem negaliva,
quod fafes enunlialiones sint eiusdem subiecli. Terlio, quod sint eiusdem praedicali.
Quarto, quod non fial praedicnlio secundum diversas parles subiecti Quinta,
quod non sit diversus modus ex parle praedicali Sexto, quod non sit diversitas
ex, parte mensurae, taci et lemporis Seplimo, quod non sit diversitas ex habitudine
ad aliquid extrinsecum.
324) f. 26 v. A, s. Abschn. XVII, Anm. 40.
325) Ebend., s. ebd. Anm. 155.
326) f. 26 v. B : Quaedam sunt propositiones modales de dicto, ut „Soeralem
currere est nccesse", in quibus sciticet dictum subiicitur et modus praedicatur (vgl.
ebd. Anm. 161), et istae sunt vere modales Quaedam aulem sunt modales de
re, in quibus videlicet modus interponitur dicto, ut „Soeralem necesse est currere",
quod in Soerale sit necessitas ad currendum. Im Wesen nemlich ist diese
Eintheitung verwandt mit jener, welche wir oben (ebend. Anm. 585) trafen.
327) f. 27 r. A, s. ebd. Anm. 161 n. bes. 164. Die übliche Figur ist hier sehr
vereinfacht, indem in den vier Ecken derselben nur die Satzformen auftrelen:
Necesse est esse, Possibite est esse, Impossibite est esse, Possibite est non esse.
328) f. 27 v. A, vgl. ebend. Anm. 584. Wenn dort gesagt wird „Harmonius
ponit duplicem hgpolhesim", so ist natürlich Ammonius zu lesen, nnd es ist damit
eine Stelle gemeint, welche Boethius (Abschn. XII, Anm. 156) aus Ammonius (Abschn.
XI, Anm. 167 f.) entnommen hatle.
329) f. 27 v. B : Est aulem argumentalio oralio significaliva discursus ralionis
ab uno cognito ad aliud incognitum vel a magis cognito ad minus cognitum. Vgl.
Abschn. XVI, Anm. 15. Hierauf folgt abermals obige (Anm. 318) Unlerscheidung
zwischen propositio und enunlialio.
254 XIX. Pseudo-Thomas.
und erblickt in letzterem das Wesen der aristotelischen Analylik, so dass
wir hier fast ein Vorspiel der späteren Bedeutung des Wortes „iudicium"
finden könnten 330). Als „Principien" des Syllogismus bezeichnet er das
Dictum de omni und üictum de nullo, wozu als Drittes der sgllogismus
conversivus komme, welcher (in deutlicher Anknüpfung an die Lehre von
Consequentia, s. Abschn. XVII, Anm. 613) bei Erhärtung der Schlusskraft
einiger Syllogismen seine Anwendung finde 33 1). Die Erörterung des
Einzelnen, bei welcher er, wie Albert, sich der lermini transcendentes,
d. h. der Buchstaben, bedienen \\'ill 332) , beginnt er, — uns hierin an
Scotus erinnernd, s. ob. Anm. 194 •—, mit der Lehre von der Umkehrung
der Urtheile 333), wobei er die Annahme, dass das allgemein verneinende
Urtheil auch parlicular umgekehrt werden könne, als unnöthig abweist334)
und an der Nicht -Umkehrbarkeit des parlicular verneinenden Urtheiles
festhält335), daher er auch nur den Einen Memorial-Vers „Feci simpliciter
u. s. f." anführt33B). Auch die Umkehrung der modalen Urtheile
bespricht er ausführlich im Anschlusse an die spätere Formalion der
byzanlinischen Logik337).
Nachdem er hierauf die Dreizahl der kategorischen Schlussfiguren
ohne polemische Beziehung auf eine vierte Figur ziemlich schwach durch
blosse Berufung auf einen Memorial-Vers molivirt hat33s), erörtert er die
330) Ebend. : Logica, ut Boethius in sua Topica dicit (s. Abschn. XII, Anm. 76),
duas habet parles, sc. inventivam et iudicalivam Judicium aulem, ut hie sumitur,
est recta delerminalio ralionis in his, qunrum est iudicium Et ideo scientia,
quae est recta delerminalio scibitium, est per causas, sc. cum ralio resoleit causala
in eausas, et proplerea haec pars logicae, sc. iudicaliva, dicilur analglica seu resotuloria,
quia resolvit principiata in principia.
331) f. 28 r. A : Dico aulem principia primas proposiliones per se notas; haec
aulem principia sunt dici de omni et dici de nullo.... Aliqui sgllogismi non possunt
immediale probari per dicta duo principia et proplerea indigent uno alio principio
Hoc aulem principium est : Quando ex opposito consequentit, infertur oppositum
antccedenlis primae conctusionis, tunc prima consequenlia fuit bona Et
haec reductio vocatur ab aliquibus „per impossibite", a pbitosopho vero „per sgllogismum
conversivum". Letzteres ist natürlich falsch, de"hn gerade „per impossibite"
ist aristatelischer Ausdruck (s. Abschn. IV, Anm. 623), hingegen „conversivus'',
welches allerdings bei Albert vorkommt (Abschn. XVII, Anm. 465), weist durch den
Boethius hindurch (Abschn. XII, Anm. 136) nur bis zu den älteren Peripatelikern
' zurück (Abschn. V, Anm. 46).
332) Ebend.: In talibus sgllogismis el eorum propositionibus non curatur, in
qua maleria sint ; ideo ulemur lerminis transcendentibus. S. Abschn. XVII, Anm. 469.
333) Auch die logische Begründung der Umkehrbarkeit bewegt sich, wie bei
Scatus, in den Ausdrücken der Lehre von den Consequenliae.
334) f. 28 r. A : Per accidens convertuntur unieersails affirmaliva et, ul
aliqui dicunt, universalis negaliva; tamen non est necessarium hoc ponere,
exislentibus enim universalibus veris semper parlicuiores sunt verae. Hiernach kann
es zweifelbalt sein, ob mit jenen „aliqui" etwa Scolus gemeint sei ; s. ob. Anm. 196.
335) f. 28 r. B : Parlicuioris vero negaliva non convertitur, quia ex opposito
consequenlis non infertur oppositum antecedentis. Vgl. hingegen ol). Anm. 199.
336) Nemlich der zweite der vier Verse, welche bei Petrus Hispanus vor
kommen (Abschn. XVII, Anm. 156), mussle bei solcher Ansicht des Verfassers
wegfallen.
337) f. 28 r. B u. v. A. S. Abschn. XVII, Anm. 587 u. 594.
338) f. 29 r. A: Plures figurac non pos.iunt esse, quia tres lermini in duabus
proposilionibus non possunt pturies variari. Unde versus: Sub prae u. s. f. s. Abschn.
XVII, Anm. 51 (vgl. ebd. Anm. 181).
XIX. Pseudo-Thomas. 255
inutiles coniugaliones, wobei er die bekannten Regeln, dass nicht beide
Prämissen negaliv, noch auch beide parlicular sein dürfen, durch den
Zusatz vermehrt, dass das Gleiche auch von der Singularität und von der
Unbeslimmtheit der Urlheile gelte339), worauf er die unzulässigen Comhinalionen
betreffs der einzelnen Figuren zusammenfasst340). Hierauf gibt
er für die drei Figuren vorerst nur die vierzehn aristotelischen Modi
an341), fügt aber dann für alle drei Figuren noch „indirecte" Schluss
weisen hinzu, welche er darauf begründet, dass jeder umkehrbare Schluss
satz eines Syllogismus in seiner bewerkstelligten Umkehrung gleichfalls
als Schluss-Resultat zu betrachten sei; hieraus ergeben sich für die erste
Figur die ersten drei theophraslischen Modi (d. h. nach damaliger Ter
minologie Baralipton, Celantes , Vdbitis, oder nach jetziger Jiamalip,
Calemes, Dimaiis), ferner für die zweite Figur zwei neue Modi (d. h.
Caesaro und Cameslros], und ebenso drei neue für die dritte Figur
(nemlich Umkehrung des Schlusssatzes in Darapli, Disamis und Dalisi) ;
betreffs der zwei letzten theophraslischen Modi der ersten Figur (d. h.
nach damaliger Bezeichnung Fapesmo und Frisesomorum , nach jetziger
Fesapo und Fresison) wird die völlig richlige Bemerkung gemacht, dass
dieselben auf dem Versuche beruhen, unzulässige Combinalionen der ersten
Figur dennoch schlussfähig zu machen 342). Indem aber der Verfasser
hiebei den Boethius tadelt, weil er die indirecten Modi der zweiten und
dritten Figur vernachlässigt habe, müssen wir beachten, dass hier Boethius
den doctores moderni beigezählt wird 343). Jedoch trotz dieser Be
reicherung der Syllogislik zählt er zuletzt doch nicht 24, sondern nur
die üblichen 19 Schlussmodi mittelst jener nemlichen Memorial- Verse auf,
welche wir schon seit Shyreswood trafen 344). Hierauf reiht er eine Er-
339) Ebend. : Inulitium coniugalionum quaedam possunt fieri in omnibus figuris.
Sunt quatuor: prima est, si ambae praemissae sunt negalivae; secunda, si
ambae praemissae sunt particuiores ; terlia , si ambae sunt indefinitae; quarta, si
ambae sunt singuiores Ex puris negalivis, parlicuioribus, indefinilis et singuioribus
nihit sequitur.
340) Ebend.: Inulites vero coniugaliones, quae non sunt in omnibus figuris, sunt
duae. (Ina convenil primae et lertiae figurae, sc. quando minor propositio est negaliva;
secunda convenit primae et secundae figurae, sc. quando maior propositio est
particuioris. Vgl. bei Cassiodorus, Abschn. XII, Anm. 182.
341) f. 29 r. B u. v. A.
342) f. 29 v.B: Restat nunc dicere de sgllogismis indirecte coneludentibus
Tales aulem sgllogismi sunt numero decem; quinque enim sunt in prima figura, duo
in secunda, et tres in lertia figura. Sciendum, quod omnis »gllogismus conctudens
aliquam conctusionem, quae concerli polest, eliam polest conctudere itiom, in quam
converlitur. Cum ergo omnes conctusiones dictorum sgllogismorum possunt converli
exceplis parlicuioribus negalivis, omnes tales sgllogismi polerunt conctudere indirecte.
Tales aulem in prima figura sunt tres, sc. primus modus, secundus et lertius ; in
secunda sunt duo, sc. primus et secundus; in lertia sunt tres, sc. primus et lerlius
et quartus. Adducantur aulem in prima figura duo modi, qui sunt contra duo principia
sive reguios datas in prima figura ; nam ambo babent et aller eorum habet maiorem particuiorem. S. Abschn. IX,miAnnomr.em10n0e.galit'am,
343) Ebend. : Doctores aulem moderni, sc. Boelluus, praelermissis quinque, sc.
secundac et lertiae figurae, de solis quinque primae figurae fecerunt mentionem (diess
ist nicht durchaus richlig, s. Abschn. XII, Aam. 136 f.). Quorum primus constat
u. s. f., d. h. es folgen nun die fünf theophraslischen Modi der erslen Figur.
344) f. 30 r. A: Ad memoriter lenendum praedictos sgllogismos inventi sunt quidam
versus, qui taliler designantur: Barbara u. s. f. s. Abschn. XVII, Anm. 52 (nur
256 XIX. Pseiulo-Thomas.
örterung de inventione medü an, welche er dem Albert entnimmt345),
und auf gleicher Quelle beruht, was er in ziemlicher Breite über die
modalen Syllogismen angibt346).
Hingegen glaubte er offenbar, die an Albert und Thomas sich anschliessende
Logik dadurch ergänzen und verbessern zu können, dass er
in reichlicher Ausdehnung die Lehre von den hypothelischen Schlüssen
aufnahm (vgl. Abschn. XVII, Anm. 467 u. 540). Hatte er sich bezüglich
des hypothelischen Urtheiles an die byzanlinische Logik angeschlossen (ob.
Anm. 328), so lässt er nun die dort übliche Dreitheilung fallen347), um
in dieser Gruppe der Logik vollständig dem Boethins zu folgen 34s).
Sehen wir hierauf von einer ganz augenscheinlichen Interpolalion
ab, welche aus der späteren Formalion der byzanlinischen Logik eine
Episode über die Reduplicaliv- Sätze als Exponibilia enthält349), so
bildet den Schluss des Ganzen die Lehre de demonslralione , bezüg
lich deren der Verfasser sich wieder an Albert anlehnt, welcher seiner
seits den arabischen Standpunkt recipirt hatte, dass es sich hier um
fmden wir hier Brocardo statt Bocardo). Hierauf wird ausführlich und deutlich die
Bedeutung der Bucbstaben, welche in jenen Kunstworten vorkommen, erklärt (vgl.
ebend. Anm. 187), wobei es den Anschein hat, als wolle das Sigtum „C" in Bro
cardo und Baroco auf den Ausdruck „conversivus sgllogismus" (s. ob. Anm. 331)
zurückgeführt werden; wenigstens lesen wir dort: aliquando invenitur C et significat,
quod i,le sgllogismus ... polest reduci sotum per sgllogismum conversivum.
345) f. 30 r. A. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 464 (es werden dabei hier nur die
14 dirccten Schtussmodi in Betracht gezogen).
346) f. 31 r. A. Vgl. ebend. Anm. 461.
347) f. 32 r. A : Tres sunt species propositionum hgpolhelicarum, sc. condilionalis,
copuioliva et disiunctiva (s. ebend. Anm. 158). Sgllogismi aulem, qui sunt ex proposilionibus
coputalivis, eodem modo sc habent sicul et sgllogismi calegorici, et ideo
de eis praelermittamus. Sed quia ex propositionibus conditionalibus et disiunctivis
aliter fiunt sgllogismi, quam in propositionibus calegoricis, ideo de eis dicendum est.
348) Vorerst nemlich werden (f. 32 r. A) die condilionalen Urthcite nach Boe
thius eingetbeitt (s. Abschn. XII, Anm. 146 u. 142), dann folgen von den condi
lionalen Schlüssen nur die ersten vier Modi (s. ebend. Anm. 155), d. h. nur der
sog. modus ponens, während der modus tollens wohl erwähnt, aber nicht näher
entwickelt wird; hingegen findet aus Avicenna (Abschn. XVI, Anm. 219) die relalive
Satzform (mit „qui") ihre Verwendung. Hierauf reihen sich (unter Verweisung auf
eine ausführlichere Monographie des Verfassers, s. ob. Anm. 299) die erslen 16
_ zusammengesetzten hypathelischen Schlüsse des Boethius an (s. Abschn. XII, Anm.
157), auf welche in kürzerer Zusammenfassung jene 48 Modi des zusammengesetzten
hypolhelischen Syllogismus folgen, welche Boethius (s. ebend. Anm. 159— 161)
„nach den drei Figuren des kategorischen Schtusses geordnet hatle. Auch das disjunclive
Urtheit wird (f. 32 v. A) grundsätzlich in der nemlichen Weise aufgefasst
wie bei Boethius (s. ebend. Anm. 141 u. 148), woraus sich ebenso eine Reduclion
der verschiedenen disjuncliven Urtheitsformen auf entsprechende hypolhelische Urtbeite
ergibt (s. ebend. Anm. 163).
349) f. 32 v. A, woselbst auf den Abschtuss der Syllogislik (Dictum ergo sil
dc sgllogismis hoc modo; de aliis aulem speciebus argumentalionis non me intromuta;
s. ob. Anm. 302) nun unmitlelbar folgt: Notandum ad lioc: quod propositio
reduplicaliva sit vera, requiritur, quod quatuor propositiones erponenles ipsam, sc.
tres calegoricae et una hgpolbelica, sint verae u. s. w., d. h. es folgen nun Regeln
über die Wahrheit der Reduplicaliv-Sätze, wie wir sie früher, Abschn. XVII, Anm.
262 u. bes. 608 f. trafen. Und um den Charakler einer Inlerpoiolion zweifellos
festzustellen, folgen hierauf noch einige Bemerkungen über die Umkehrung der
kategorischen Urtheite.
XIX. Pseudo-Thomas. Aegidius Romaims. 257
die „Materie" der Syllogismen handle350). Mit Ausschluss jener Erör
terungen, welche in der zweiten Analylik des Aristoteles, sowie natürlich
auch im Gommentare Albert's, der Definilion gewidmet waren, wird
hier in ausführlicher Breite über per se u. dgl.351), über demonstralio
pott'Mma352), über die sog. dignüatesäb3), und zuletzt über die Ein
heitlichkeit einer Wissenschaft gesprochen354), ohne dass wir irgend
Bemerkenswerthes hieraus hervorheben könnten. Nur das Eine dürfte
zu erwähnen sein, dass wir auch hier, wie bereits in einer anderen
Schrift (s. ob. Anm. 273), den sechs transcendentcn Begriffen be
gegnen 355).
Gleichfalls den Thomisten wurde Aegidius Rom an u s (oder de
Colonna, gest. i. J. 1316) beigezählt, von dessen ausgedehnter schrift
stellerischer Thäligkeit hieher gehören: ein Commentar zur sog. vetus
logicaa5®), desgleichen zur ersten Analylik35'), zur zweiten Analylik358),
zu Soph. £iencAi359), ferner eine Schrift De ente et essentia36") , so
dann der Conmientar -/.u Petrus Lonibardus 3r!l), sowie Quodlibela'i6^"),
und ausserdem unter drei kleineren Tractaten die Schriften De parlibus
philosophiae und De gradibus formarum^63). Die Commentare des
Aegidius zum Organon gehören zu denjenigen, welche man „ad litteram"
nannte, d. h. sie geben, abgesehen von den allgemeineren Einleitungen,
nur eine erklärende Umschreibung des Originales Satz für Satz oder, wo
nöthig, Wort für Wort, wobei, was wohl zu beachten ist, nirgends das
350) f. 32 v. B: Quaedam sunt, quae pe,.tinent ad maleriam demonstralionis.
Auch war schon in der Einleitung des ganzen Buches, f. 15 r. A, dieser letzte Theit
bezeichnet als: de sgllogismu applicalo ad matcriam demonslralit'am seu de demonstralione.
Vgl. Abscim. XVII, Anm. 459.
351) f. 33 r. A u. B; vgl. ebend. Anm. 473.
352) Ebend. vgl. ebd. Anm. 476.
353) f. 33 v. A u. f. 34 v. B; vgl. ebd. Anm. 475. u. Abschn. IV, Anm. 147.
354) f. 35 r. B; vgl. Abschn. IV, Anm. 675.
355) f. 33 v. B: Aliquarum proposilionum lermini sunt in communi omnium
wlilia, ut sunt „eus, verum, bonum, unum, aliquid, res" et huiusmodi, quae perlinent
ad primas concepliones inlellectus.
356) Exposilio in arlem velerem, videlicel in universalibus, praedicamentis, postpraedieamcnlis,
sex principiis ct Periermenias. Venet. 1507. fol. (auch später wieder
gedruckt Bergomi 1591. 4). Der Umkreis der „Ars vetus" war ja schon längst
abgegränzt; B. ob. Anm. 95. u. Abschn. XVII, Anm. 5 u. 103.
357) Exposilio super libros Priorum. Venet. 1516. fol.
358) Exposilio super libros Posleriorum Aristolelis cum lextu eiusdem. Venel.
1500. fol.
359) Expositio super libros Etenchorum Aristolelis, Venet. 1500. fol.
360) Egidius Romanus de esse et essenlia. Venet. 1503. fol.
361) In primum Senlentiamm. Venet. 1492. fol. u. 1521. fol. u. ed. Aguitar.
Corduba 1699. fol. (nach letzlerer Ausgabe cilire ich). In secundum Senlentiurum.
Venet. 1482. fol. u. 1581. fol. In lerlium Senlentiarum , ed. Galtucci. Romae
1623. fol.
362) Ohne Titelbiott : Incipiunt quodlibet celeberrimi ac excellentissimi doctoris
domini Egidii de Roma. Bonon. 1481. fol. und Fertitissimi Aegidii Romani Quodlibetta
[sie] — ed. Rhodiginus. Venet. 1504. fol. und ed. Coninek. Lovan. 1646. fol.
(nach letzlerer cilire ich).
363) Tres tractatus domini Egidii di' Ruma De partibus phitosophiae
essenlialibus De differentia rhetoricae et polilicae De gradibus formarum.
S. t. e. a. 4.
PRANTL, Gesch. III. 17
258 XIX. Aegidius Romanus.
Material der byzanlinischen Logik beigezogen wird. Es sind daher nur
einige Einzeinheiten, welche in dieser Beziehung unten zur Erwähnung
kommen müssen. Hingegen, was die Kernfragen betrifft, welche damals
in der Logik umliefen , so äussert sich Acgidius gelegentlich hinreichend
ausführlich, um seinen Standpunkt völlig erkennen zu lassen. Wenn zu
weilen gesagt wurde, durch ihn habe sich die Schule der Thomisten erst
förmlich consolidirt, so ist diess bezüglich der Logik nicht durchaus
richlig. Bei den Theologen galt er wohl als der hervorragendste Thomist304);
aber in der Logik ist es keineswegs ein reiner und stricter
Thomismus, welchem wir hier begegnen, sondern auch Aegidius hat in
ähnlicher Weise, wie wir es auch schon hei Anderen sahen, in die Doctrin
des Thomas manche scolislische Elemente aufgenommen.
Die bei Albert und bei Scotus recipirte Eintheilung der Wissenschaft
in eine reale und eine sermocinale wiederholt Aegidius, jedoch mit der
Wendung, dass die letztere „adminiculaliva" sei, und indem er dann
der Logik den Syllogismus als wesentlichen Gegenstand und als Moliv
ihrer näheren Eintheilung zuweist, folgt er völlig dem Petrus v. Auvergne
und dem Scotus305). Aber da er zugleich daran festhält, dass die Logik
eben doch nur modus sciendi und somit nicht eigentlich selbst eine
Wissenschaft sei, da es auch ein Wissen ohne Logik (nemlich bei Glaubens
gegenständen , wie z. B. betreffs der Engel) gebe306), so betrachtet er
den Unterschied zwischen logiea docens und logica utens in einer von
Scotus sehr abweichenden Weise307). Ja er bringt den Begriff des
364) Z. B. Coninck theitt in der Vorrede seiner Ausgabe der Quodlibeta aus
den „Constituliones s. ordinis Augusliniani" folgende Vorschrift mit: Volumus , ut
magistri regenles in leclionibus et delerminalionibus disputalionum in omnibus sequi
et tueri debeant sanam et catt,olicam doctrinam fundalissimi doctoris nostri B. Aegidii
Romani, quondam nostri s. ordinis generalis; ubi vero eius seripta non reperiuntur,
ex D. Thomae Aquinalis doctrina suppleantur. Oder z. B. Aguitar (in der Ausgabe
des Commentares zu Senlent. I) nennt den Aegidius kurzweg „defensor operum
divi Thomae".
365) Expos, in art. vet. f. 2 v. B : Scienlia specuiotna dividitur in principalem
et adminicuiolivam: principalis est itio, quae est de rebus; adminicuioliva dicitur
quasi adiuvans itiom realem scienliam, sicut sermocinales (s. Abschn. XVIl, Anm.
362 f. u. obige Anm. 87). Ista aulem principalis, quae est de rebus, dividitur in
tres, sc. in nnturalem, metaphgsicam et mathemalicam f. 3 r. A: Adminicuio
liva aulem dividitur in tres partes , sc. in grammalicam , logicam et rhetoricam.
Logica, in qua subiectum est sgllogismus, sie dioi,litur: aut est de sgllogismo aut
de parlibus eius; si de parlibus, aut propinquis aul remolis. Si de remolis, sie est
liber Praedicamentorum ; si de parle propinqua, sie est liber Periermenias
Si aulem de sgllogismo, hoc erit aut de sgllogismo in communi non contracto ad
aliquam maleriam, et sie est liber Priorum; aut contracto ad aliquam maleriam, et
hoc dupliciler, quia aut contrahitur ad maleriam necessariam, et sie est liber Posteriorum,
aut ad maleriam probabitem; et hoc dupliciler, quia aut ad probabitem
simpliciler, et sie est liber Topicorum, aul ad probabitem ap'parenler, et sie est liber
Etenchorum. Omnes alii libri sunt de bene esse (ebenso Expos, s. libr. Etench.
f. 2 r. B). S. ob. Anm. 244.
366) Expos, s. libr. Posler, f. 2 r. A : Logica est quaedam via ad celeras scientias,
quare est magis modus sciendi, quam scientia; nam non est nccessaria
logica propler res scitas, sed propler nostrum modum sciendi. Possunt enim res sein
absque logica; nam substanliae separatae, quia non inlellii/untur cum discursu, ut
sciantur, non indigent logica. Ebenso Expos, ,. libr. Etench. (. 2 v. B.
367) Expos, s. libr. Posler, f. 5 v. A: Logicus, ul est docens, docet logicam,
XIX. Aegidius Romanus. 259
,ttotlus sciendi in älmlicher Weise , wie wir es bei einem Thomislen
sahen (ob. Anm. 330), in Verbindung mit der boethianischen Zweitheilung
des logischen Gebietes308), und findet so in der Erörterung der Syllo
gismen und ihrer Bestandtheile das wesentliche Mittel zur Vermeidung
vou Irrthümern 369). Dass aber eben der Syllogismus der eigentliche
Gegenstand der gesammtcn Logik sei, erweist er dadurch, dass er ver
schiedenen Gegengründen , welche auch schon Petrus v. Auvergne ange
führt hatte, anderweilige Beweisgründe entgegenstellt, und auch die An
nahme Anderer , dass ens rationis oder dass actus ralionis oder dass
modus sciendi als solcher der Gegenstand der Logik sei, beseiligt er in
überraschender Geschwindigkeit durch die Behauptung, dass ja gerade der
Syllogismus all diese verschiedenen Momente schon in sich enthalte 370).
Nur schwankt er mit diesem seinem Standpunkte ein anderes Mal doch
wieder in den Begriff der tradilionellen intentio secunda und hiemit in
conceptus, jedoch in einer von Scotus (oh. Anm. 92) abweichenden Weise,
hinüber, indem er die Erzeugnisse des Erkenntniss-Actes (— formatum
per actum intelligendi —) , unter welchen freilich der Syllogismus das
höchste ist, als Gegenstand der Logik bezeichnet •m).
quae non est scientia, sed modus sciendi, ut est ulens, aggenerat opinionem ....
Üemonstralio proprie sumpta non aggenerat modum sciendi nec opinionem, sed scienlium.
Vgl. Expos, s. libr. Etench. (. 2 v. B. S. hingegen bei Scolus ob. Anm. 90.
368) Expos, s. libr. Prior, f. 2 r. A : Logica modum et ralionem discernendi
,lebet delerminare; sed ralio discernendi secundum Boethium duas habet parles, sc. "~
inventionem et iudicium (Abschn. XII, Anm. 76) Logica simul dcterminat scientiam
et modum sciendi; et non est inconveniens, est enim logica de modo sciendi,
unde polest ilin se ipsam rectificare (B) .Ars inveniendi in Topicis et Etenchis,
ars aulem iudicandi in Pfioribus et Poslerioribus traditur.
369) Expos, s. libr. Posler, f. 2 r. B: Ne in conceplionibus erretur, necesse fuit
tradere scienliam libri Praedicamentorum Ne in formando enuntialionem erretur,
necesse fuit invenire scienliam libri Periermenias Ne in sgllogizando et inducendo
conctusiones ex principiis error accideret, necesse fuit invenire iltam partem
logicae traditam in arle nova, ubi de omni sgllogismo traditur nolilia. Ebenso Expos,
s. libr. Etench. f. 2 r. B.
370) Expos, s. tat. vet. f. 3 v. B : Quaeritur, utrum »gllogismus sit subiectum
in logica. Et arguitur, quod non. Nam sicul se habet subiectum ad scienliam, ita
pars subiecli ad parlem scienliae; sed in aliquu partc logicae, ul in libro Etenchorum,
non est subiectum aliqua pars sgllogismi (vgl. ob. Anm. 243) Nihit est
subiectum tolius et parlis; sed sgllogismus est subiectum in parte logicae, ergo non
erit subiectum in tola logica In oppositum arguitur: Illud est subiectum in
aliqua scientia, cui attribuuntur omnia dcterminnta in itio scientia; sed omnia delerminata
in logica attribuuntur sgllogismo; ergo Ad hanc quaestionem contradicunt
quidam, quod ens (muss heissen ens ralionis, s. sogleich) est subiectum in tola
logica, quia de omnibus ibi praedicatur delermiualis. Alii dicunt, quod hie sit sub
iectum actus ralionis, qui est triplex, sc. simplicium apprehensio, compositorum inlelligentia,
inlellectorum coliolio. Alii dicunt, quod modus sciendi, qui est simuttcr
triplex, sc. diffinitivus, divisivus, collectivus. Sed dicendum, quod sgllogismus non
differt ab istis, prout eliam ponitur subiectum; nam idem est, quod actus ralionis et
quod ens ralionis, et una pars modus sciendi, sub quo alii ad minus comprehenduntur
malerialiter ; nam in sgllogismo ponuntur lermini, qui diffiniuntur et eliam dimduntur.
Kl ita dico, quod sgllogismus est subiectum.
371) Expos, s. libr. Etench. f. 2 v. A : Etsi aliquo modo de aclibus ralionis sit
logica, proprie tamen non est de aclibus, sed est de inlenlionibus et conceplibus, qui
formantur per huiusmodi actus Dialect,ca ergo, quae proprie ralionalis est,
magis erit de huiusmodi conceplibus, quam de ipsis aclibus (B) In inlelligendo
17*
XiX. Aegidius Romanus.
Schon dieses ekleklische Herumtappen zeigt uns den Aegidius als
einen Geistesverwandten des Albert, und so wird nun auch die Universalienfrage
von ihm in einer Weise erledigt, dass der ursprüngliche
Thomismus manche Erweiterung oder Abschwächung erfährt. Er gibt
einmal eine kurze Charakterislik der Ansicht Plato's und jener des Ari
stoteles, in welch letztere er einen sowohl dem Thomas als auch dem
Scotus mundgerechten Dualismus hineininterprelirt, und fügt ausserdem
noch eine dritte Annahme hinzu, welche nach ihrem Wortlaute die meiste
Aehnlichkeit mit Aussprüchen des Roger Baco hat3'2). Auch eine andere
Stelle ist ohne grossen Belang, insoferne nur gesagt wird, dass die Uni
versalien aussagbar und vervielfälligbar sein müssen, sowie dass sie nicht
selbslstäudig für sich, sondern nur in anderen Wesen exisliren und dort
dann ihre verschiedene singuläre Determinalion finden373). Hingegen da,
wo er die Frage erörtert, ob die Universalien in der Seele oder in den
äusseren Dingen seien, gelaugt er nach Anführung der beiderseiligen
Gründe zu dem merkwürdigen Ausspruche, dass, obwohl es neben dem
„in anima" und dem „exlra" kein anderweiliges Drittes gebe , dennoch
die Sache an sich (res de se), welche nur als erkannte ein Universale
sein kann, weder in der Seele noch im äusseren Dinge sei, d. h. doch
wohl, dass man von der „Sache an sich" überhaupt nicht reden könne,
hingegen als Universale sei der Gegenstand des Erkennens nicht ausserhalb
der Seele, denn es komme ihm da Gemeinsamkeit zu, welche in
den äusseren Dingen nicht sei ; kurz er umschreibt den Dualismus des
Thomas mit Ausdrücken des Scotus, wie z. B. species informans und
referre, mit welchen er wieder die Terminologie des Ersteren, z. B.
abstrahere und similüudo, verbindet, und so kommt er zuletzt mit scolislischer
Wendung zu dem Resultate, dass das Universale in seinem for
mellen Sein in der Seele und nach dem materiellen Sein in den äusseren
conctusiones in principiis formamus sgllogismum ; libri ergo arlis novae non erunt de
actu inlelligendi, quo inlelligimus eonelusiones in principiis, sed de sgllogismo, qui
formatur per talem actum. Palel ergo, de quo sit logica universaliler, quia est de
huiusmodi eonceplibus et inlentionibus formalis per actum inlelligendi. Ebenso lle
part. phitos. essent. p. l f.
372) In I Senlent., Dist. XIX, 0n. l, art. l, p. 389 A: De universali sunt
dirersi modi dicendi. Nam Ptulo posuit, universalia esse abstracta; volebal enim,
de omnibus rebus esse multa per participalionem el unum per essentiam (B)
Alia posilio universalis fuil Aristolelis, qui votuit, quod universale est id, quod praedicatur
de rebus nec proprie est substanlia, eo quod est commune mullis nec haben*
proprium esse nec per se esse ; hoc aulem universale nec est quid reale solum nec
quid rationis solum, sed quantum ad esse maleriale est quid reale el est in particutaritms,
esse tamen formale recipit ab anima Isli aulem duplici mudu unirersalis
superadditur modus terlius, sc. quod species, quae est in inlellectu abstracta,
dicitur universale, eo quod habet respectum ad plura, non quia de pturibus praedicatur,
sed quia pturibus est simitis. S. Abschn. XVII, Anra. 571, 573, 577.
373) Ebend. Dist. XXV, 0u. l, art. 2, p. 480 B: Ad esse universalis quatuor
concurrunt: Primo, quod praedicetur de pturibua , secundo, quod pturificetur in
itlis , lerlio, quod non significel per modum hgpastusis sive per modum per se
subsislenlis, sed quod signi/icet per modum existentis in alio , , quarto, quod in
Ais, in quibus exislit, hnbeal aliud et aliud esse, nam homo non secundum idem
esse est in Soerale el Piolone. Das einzig Entscheidende in dieser Aufzähtung ist
eine anlipiotonische Tendenz, welche sich aber, wie wir rmn schon so oft sahen,
fast von selbst verstand.
XIX. Aegidius Romanus. 261
Dingen sei374). Jenes räthselhafte Dritte aber, nemlich die „Sache an
sich" entpuppt sich so als die „species intelligibilis" des Scotus, welche
als potenzielle intentio das Mittlere zwischen Sinneswahrnehmung und
Denken sei375). So kann Aegidius mit der Passivität, welche Scotus dem
Denken zuwies , einverstanden sein , da „passio , similitudo , intellectus,
conceptus" all das Nemliche seien376), und er kann zugleich mit dem
sog. Empirismus des Aristoteles, welchem ja auch Thomas eine Berech
ligung zugestand, sympathisiren , da nach einer aristotelischen Stelle die
Seele an sich eine tabula rasa sei377). Und wiederum kann er das
„esse essentiae" des Scotus beiziehen, welches eben der Denkbetrachtung
(consideralio apud intellectum) unterliege und in seinem Ansichsein Sache
der prima intentio, aber als Universale Gegenstand der secunda intentio
sei378); ja mit diesem Begriffe der consideratio gelangt er zu einer
374) Expos, in art. vet. f. 3 v. B : Quaeritur, utrum universalia habeant esse
in anima ml in re extra. Et arguitur, quod in re extra; nam universale est in itio
natura, quae praedicatur de pluribus, sed res extra est huiusmodi. Secundo sie:
Universale est in eo, cui accidit (s. Abschn. XVII, Anm. 392) inlentio universalis,
sc. genus et species; sed istae intenliones accidunt rebus extra. In oppositum arguitur:
Omne, quod est in re extra, est parlicutare signatum per maleriam (s. ebend.
Anm. 519); sed universale non eit parlicuiore, ergo non est in re extra. Secundo
sie: Si universale esset in re extra, sie bene praedicaretur, ut diceretur „Soerales
est universale" : sed hoc est falsum ; ergo universale non est in re extra. Dicendum
ad hanc quaeslionem. quod res de se non est universalis nisi in eo, quod intelligitur;
nam res de se non habet esse in anima nec in re extra. Licet non sit dare
lertium esse, quin sit in anima vel in re extra, tamen de se in nullo horum est
f. 4 r. A : Secundum esse universale non est extra animam , nam de rulione univer
salis est, ut sibi praesint duo, sc. civitas (natürlich zu lesen unitas) et communitas;
in re aulem extra nihil est commune (vgl. bei Scotus, ob. Anm. 100 u. 121). Prout
aulem itio res et itio natura est in anima per suam speciem, adhuc polest considerari
dupliciler. Uno modo, proul informal animam, et sie est res singutaris (die „species
informans" des Scotus, ob. Anm. 110); alio modo, prout habet esse in an,ma et
ulterius refertur ad res extra, et sie est universalis (das „re/erre" s. Abschn. XVII,
Anm. 377 u. 392 und bei Scatus Anm. 125) Res inlellecta significata (ebenso,
ob. Anm. 129 tf.) per ista nomina „homo, animal" polest dici universale, prout est
intellectus ab,tractus , i. e. secundum quod simititudo (s. Abschn. XVII, Anm. 393
u. 395) apprehensa üb anima refertur ad rem, cuius est simititudo; et itio talis res
non est in anima nisi sicol obiectum in polentia, quam perficit, sed est in re extra.
Et sie palet solulio, quod universale secundum esse formale est in anima (also
die scolislische „formalitas", ob. Anm. 129, 133, 147 ff.), secundum esse materiale
est extra animam, ul dicatur universale iltud, cuius est intellectus abstractus et sinn
litudo eius est apprehensa ab anima.
375) Quodlib. III, 11, p. 170 B: A sensibiti ergo in medio, quod est intenlio
in polentia, causatur species intelligibilis in medio, quae est inlentio in actu;
ab huiusmodi aulem inlentione in actu exislenle in medio rausatur inlentio in sensu.
p. 171 A: Ab hoc ergo extremo, quod est sotum polentia inlelligibite, ad hoc
aliud extremum, ut ad intellectum, per quem sumus intelligenles actu, non est transitus
nisi per medium, ul per speciem intelligibitem. S. ob. Anm. 111.
376) Expos, in art. vet. f. 47 v. B : liio quatuor nomina, sc. passio, simititudo,
intellectus et conceptus, idem penitus signi/icant. S. bei Scatus, Anm. l M u. 127.
377) Ebend. f. 2 r. A: Inlellectus est in polentia passiva ad intelligendum quodlibet
inlelligibite, quod palet per ipsum phitosophum dicenlem, quod anima in prima
«ui erealione est tanquam tabuio rasa, in qua nihit est depictum (s. Abschn. IV,
Anm. 97). Ebenso In II Senlent., Dist. XXVIII, Qu l, art. l, p. 360 A.
378) Quodlib. II, qu. 6, p. 62 B: Res considerata secundum esse essenliae habet
esse ralionis, et inlellectus est Me, qui fertur in ipsam essentiam secundum se ; et
ipsa essentia ereata secundum se non habet esse, sed sotum habet consideralionem
262 XIX. Aegidius Romanus.
blossen Relalivität des Universellen und des Particularen, welche uns nicht
nur an Gottfried von Fontaines und Johannes Parisiensis, sondern fast
noch treffender an die Status- und Indifferenz - Lehre des 12. Jahrh.
erinnert379).
Auch bei der Frage über das Princip der Individualion zeigt uns
Aegidius den gleichen Halb-Thomismus, denn allerdings hält er sich an
das „hie et nunc", durch welches die Einzelndinge von den ewigen Unifersalien
unterschieden seien380), und er verlegt so die Individualisirung
in die quanlitaliv auftretende Materie381); aDer indem er diesen Thomismus
gegen die Pariser Censur Tempier's, welche er als voreilig und
unüberlegt bezeichnet, vertheidigen will, begründet er die Möglichkeit
immaterieller Individuen ebenso, wie Alexander v. Alessandria, in scolislischer
Weise auf das esse selbst, durch welches ja auch allein die
Form der Existenz beslimmt sein könne382), — eine Erklärung, welche
freilich zuletzt, wie bei Göthals und bei Johannes Parisiensis, an Gottes
Allmacht appellirt 383).
n l' a i/ inlellectum (vgl. Scatus, ob. Anm. 135 ff.). Unde esse essenliae, proul est
aliud ab esse naturae, est esse secundum intellectum, et esse essenliae non differt ab
esse universalitalis, quasi unum sit esse ralionis et non aliud, ul isti videntur dicere,
dum n,lm,i , quod res, ul habet esse parlicuiore , babeal esse naturae, ul vero habet
esse universale, habeat esse ralionis, ul aulem habet esse essenliae, habeal esse, quod
nec sit esse naturae nec esse ralionis. Ulrumque enim, tam esse universalitalis quam
esse essentiae, est esse ralionis; sed esse essentiae est ralionis tanquam inlentionis
primae , esse universalitalis est ralionis tanquam intenlionis secundae. Vgl. In I
Senlent., Dist. XXX, 0u. l, art. 3, p. 571 A.
3791 In III Scntent., Dist. XXIII, OB. l, art. l, p. 584 B: Eadem res considerata
cum condilionibus maleriae est particuioris, sine condilionibus est universalis, et ul est
parlicutaris, est corruplibitis, ut universali* incorruplit,itis Aliter el aliter con
siderata polest esse universalis et parlicuioris. Vgl. ebend. Dist. XII, OB. 2, art. 3,
p. 475 B. In II Senlent., Dist. III, 2, 0n. 2, mt. 4, p. 255 A. S. ob. Anm. 70 u. 74.
u. Abschn. XIV, Anm. 85, 129, 137, 141.
380) In I Senlent. Dist. XV, 2, 0«. l, art. 3, p. 292 B: Universalia sunt
aelerna, non quod non inceperint esse, sed quia sunt abstracta a condilionibus ma
leriae, quae sunt hie et nunc, ralione quarum variabititas lemporum habel esse. S.
Abschn. XVII, Anm. 520.
381) Quodlib. I, 11, f. 24 B: Hoc ergo modo fit individualio, quia maleria
habet esse extensum per quanlitalem, el in diversis parlibus maleriae recipiuntur
diversae formac ; forma dividitur el divisa individuatur per maleriam extensam; sed
cum extensio per quanlitalem fiat, ad quanlitalem est recurrendum, cum loqui votumus
de individualione corporum. Ebenso In II Sentent., Dist. III, l, du. l, art. l,
p. 163 A.
382) Ebend. II, 7, p. 65 A: Dicendum, quod de hoc sit arlicutus Parisiensis
(s. ob. Anm. 13) Optandum vero foret, quod maturiori consilio tales articuli
fuissent ordinali, el adhuc sperandum, quod forte de iis in poslerum sit habendum
consitium sanius (B) Forma sub duplici respectu considerari polest ; prima enim
polest comparari ad maleriam, secundo ad esse p. 66 A : Dicere possumus,
quod , quando forma delerminatur per esse, non sit inconveniens, esse ptura in
eadem specie, quia tunc itio ptura per se et primo differunt per esse p. 67 B :
Sicut maleria aliquando unitur propler formam, aliquando forma diversificatur propler
maleriam, sie aliquando esse unitur propler form am, aliquando forma pturificatur
propler esse p. 68 A: Imaginandum est enim, quod secundum naturae cursum
deus det tantum de esse ipsis substantiis separalis, quantum possunt ipsae recipere.
S. ob. Anm. 251.
383) Ebend. 18, p. 96 B: Consuevit communiler die», quod secundum naturae
cursum animae individuentur in suis corporibus, et, poslquam separalne sunt a
XIX. Aegidius Romamis. 263
An die gleichen Vorgänger, nemlich an Gottfried v. Fontaines und
Johann v. Paris, schliesst er sich auch betreffs der unitas formae an,
nur verbindet er mit der Ansicht derselben, dass die Mehrheit der Formen
nur in der subjecliven Denkanffassung liege, das Moliv des Scotus, wornach
die Wesens-Einheit jedenfalls auf Einer letzten abschliessenden Form
beruht384), so dass neben und trotz dieser Einheit durch die denkende
Betrachtung in Einem Wesen immerhin mehrere wirkende Principien erfasst
werden können 385). Und sowie er darauf hinweist, dass hei Sub
stanzen die reelle pluralitas formarum in Conllict mit dem christlichen
Koguia komme, so hält er auch für die Accidenlien die Einheit der Form
aufrecht, da dieselben nur nach dem Grade der Intensität ihrer einheitlichen
Form eine Manigfalligkeit an sich tragen386), welch letztere, d. h. intensio
et remissio, er gelegentlich an dem schon bei Scotus vorkommenden Bei
spiele des Warmen und Kalten darlegt387).
Was die Einzeln-Exegese des Organons betrifft, so treten aus der
selben , wie schon oben bemerkt wurde , nur etliche Punkte als erwähnenswerth
hervor; nemlich dass Aegidius bezüglich der Schrift De sex
principiis, welche er in unerträglicher Weitschweifigkeit commenlirt, nicht
einmal gewiss weiss, ob dieselbe wirklich von Gilbert, oder nicht vielcorporibus,
suum distinclionem relinent secundum esse, quod aequi ,iverunt in cor
poribus Possel tamen deus, si vellet, sine corporibus individuare animas; possei
enim dare animabus tale esse signaltim sine corpore, quod est aequale itli esse,
quod habent, quando infunduntur corporibus (d. h. der liebe Gatt kann vermöge
seiner Allmacht auch Unsinn treiben). Ebenso In I Sentent., Diit. IV, 0u. l, ort.
3, p. 108 A. Vgl. ob. Anm. 48 u. 73.
384) De esse et essenlia, qu, 10, f. 24 r. A : In corporibus animalis non
sunt ptures formae nec ptures nalurae nisi secundum ralionem (vgl. Anm. 70 u. 74)
(lnml nnimn sentit et intelligit, ex hoc non arguitur, quod sint diversa esse,
sed sotum couctuditur, quod in ea sint diversae qualitales et diversae polentiae
Esse non numeratur secundum formas partis, sed sotum secundum formas lolius, vel
si numeratur secundum formas partis, hoc erit sotum secundum formam ullimam et
complelivam , el quod quantumeunque in re ponantur ptures formae partis , tamen
semper est ibi una forma tolius el una forma compleliva; idco semper est ibi unum
esse (vgl. ob. Anm. 156 ff.). In III Sentent., Dist. XXI, 2, Qu. l, a, •f. 3, p. 565 A:
Una igitur forma secundum rem et ptures formae secundum ralionem.
385) In I Senlent., Disl. VI, üu. l, art. l, p. 134 B : A diversis ralionibus sunt
imposita, nam licet sit eadem forma substanlialis, per quam bomo est substantia
el animal et homo, tamen ul per eam est substantia, est principium essendi, ut est
animat, est principium vitae, ul est homo, est principium eius, quod est intelligere.
386) H,' gradibus formarum, p. l (der Druck selbst hat übrigens keine Paginirung)
: Viilelur sufficienler oslendi ex diffinilione accidentium, quod genus in talibus
non contrahatur per additionem alicuius formae, sed sotum ex addilione subiecti.
Non ergo in talibus est dari' realiler gradus formarum, sed si in eis est dare tales
gradus, hoc erit sotum secundum quandam intentionem el ralionem; nam de ipsis
accidenlibus non diffiniliones reales vel phgsicae, sed solum intentionales et logicae
dari possunt (p. 2) In ipsa generalionc substanliarum forte videretur alicui,
quod innolescerent nobis formarum gradus, cum embrgo prius vivat vita piontae,
postea vita animalis, ullimo vita hominis Non est generalio entis, nisi sit generalio
unius (p. 3) Quaeslio tamen est, utrum ponere plures formas in composito
repugnat his, quae lenere debemus secundum fidem catholicam Gradus enim
formarum primo repugvat morti el passioni Chrisli, secundo repugnal eius unioni
U. S, W.
387) Quodlib. III, 11, p. 153 f. u. VI, 9 f., p. 386 ff. S. oben Anm. 160 f.
264 XIX. Aegidius Romanus. Herveus Natalis.
leicht von Alfarabi oder gar von Aristoteles selbst (!) verfasst sei388);
ferner dass er sich der Polemik anschliesst , welche Albert und Scotus
gegen die Berechligung einer vierten Schlussfigur geübt hatten389), dass
er ebenso, wie wir es bei einem anderen Tuomisten sahen (ob. Anm. 331),
das Dictum de omni und de nullo als letzte Principien der Syllogislik
betrachtet, dabei aber dieselben als den ersten „Hammer" bezeichnet,
mittelst dessen die übrigen Hämmer geschmiedet werden390); endlich
dass er betreffs der Defmilion des Mittelbegriffes (wahrscheinlich anderen
Logikern gegenüber) die acht aristotelische Ansicht vertrat391).
Auch Herveus Natalis (oder Brito, gest. i. J. 1322) gehört zu
dieser Gruppe der Halb-Thomisten , unterscheidet sich aber durch schär
feres Denken sehr zu seinem Vortheile von Aegidius und Anderen. Wir
besitzen von ihm einen Commentar zum Sentenliarius 392), Quodlibeta
nebst acht anderweiligen Tractaten , unter welchen De unilate formae
hieher gehört 393), und eine Monographie De intentionibus 394). Was die
Aufgabe der Logik betritl't , so bestreitet Herveus die Ansicht , dass sie
388) Expos, in art. vet. f. 31 v. B: Causa efficiens huins libri ignoratur (es
war nemlich durch Albertus Magnus üblich geworden, nach Art der Commentatoren,
s. Abschn. XI, Anm. 141 . in der Einleitung zum Commentare einer jeden Schrift
verschiedene Fragen zu beantworten) ; quidam dicunt , quod fuit Aristoleles, alii
dicunt, quod fuit Alpharabius, alii dicunt, quod fuit Gitbertus Porretanus Hie
liber dividitur in parles tres, sc. in anteprincipia, principia et postprincipia.
389) Expos, s. libr. Prior, f. 10 r. B: Videtur, quod quarta deberet esse figura,
ubi medium praedicaretur de primo et subilceretur postremo £f dicendum, quod
medium sgllogislimm aul habet condilionem primi in ordine praedicabiti, et tunc est
figura secunda, aut condilionem ullimi, et tunc est figura lerlia, aul condilionem
medii in ordine praedieabiti, et tunc est figura prima Palet igitur, cum non
sint nisi tres dictae condiliones medii, non polest esse figura alia. S. Abschn. XVII,
Anm. 466 u. ob. Anm. 207.
390) Expos, s. libr. Poster, f. 3 v. A: Si aliquis faber fabricaret omnem marteltum,
non possei per marteltum aliquem omnem marleltum fabricare, quia tunc itle
marleltus fabricaret se ipsum Est tamen aliquis sgllogismus, qui probat et roboral
omnem sgllogismum In quibuscunque sgllogismis est principium „dici de omni"
vel „dici de nullo", itli sunt perfecti sgllogismi Reducuntur ad proposilionem
bnnr. quod non contingit simul esse et non esse. Um Spinoza's witlen mag das
Gleichniss (s. Abschn. XVII, Anm. 104 u. 366) beachtenswerth sein.
391) Expos, s. libr. Etench. f. 67 v. — 70 v. findet sich unler dem Tltel Quaeslio
defensiva opinionis de medio demonstralionis Aegidii eine kleine Abhandtung eines
Anhängers des Aegidius über diese Frage. Letzlerer nemlich hatte auch schon in
seiner Expos, s. libr. Posler, f. 122 ff. die Ansicht vertreten, dass bei der demonstralio
polissima es sich behufs des Mittelbegriffes um die Definilion der „passiones
subiecli" handle (s. Abschn. IV, Anm. 699); und da nun Andere die Definilion des
Snbjecles selbst für das Hauplerforderniss hiellen, so polemisirt gegen diese der
Schüler des Aegidius.
392) Hervei Britonis ..... in qualtuor Pein Lombardi senlenliarum votumina.
Venet. 1505. fol.
393) Die älteste Ausgabe (ohne Titelbiott: Hervei Britonis .... quattuor quolibeta
feliciler incipiunt. Venet. 1486. fol.) ist unvollständig. Das Ganze ist nur
gedruckt in: Sublitissima Hervei Natalis Britonis quolibeta undecim cum octo
ipsius profundissimis tractalibus De bealitudine, De verbo, De aelernitale mundi,
De maleria coeli, De reiolione, De pturalitale (im Tilel des Tractates seihst, f. 71 r. A,
steht hingegen richliger De unitale) formarum, De virtulibus, De molu angeli. Venet.
1513. fol.
394) Hervei Britonis theologi excellentissimi liber de inlenlionibus feliciler
incipit. S. l. e. a. 4.
XIX. Herveus Natalis. 265
actus intelligendi zum eigentlichen Gegenstande habe (vgl. ob. Anm. 370),
da hieraus folgen würde, dass sie eine praklische Disciplin sei, und selbst
wenn man diese Consequenz nicht ziehen wolle, jedenfalls jener actus
inteUigendi nicht ein Erzeugniss der Logik selbst sei, sondern auf natür
lichem Wege von den vorgestellten Dingen hervorgerufen werde; und da
eben das Wie dieser Entstehung vom Logiker untersucht werde, seien
sonach die entia rationis, welche vorstellungsweise (obiective, s. sogleich
unten Anm. 399)' im Denken sind, der Gegenstand der Logik, und der
nominalislische Einwand, dass die Logik die Worthezeichnungen zu Syllo
gismen ordnend verbinde, falle darum hinweg, weil die syllogislische
Anordnung schliesslich doch gleichfalls von der Natur der Dinge provocirt
werde395). So bespricht Herveus den Begriff der intentio; er unter
scheidet nemlich eine subjeclive Bedeutung, welche die Modalität des
Vorgestelltwerdens (als species ialelligibitis oder als actus intelligendi
oder als conceptus) enthält, und andrerseits eine sachliche Bedeutung, in
welcher die Beslimmtheit (terminatio) des Verhältnisses zwischen Ding
und Vorstellung, folglich auch das Ding selbst als vorgestelltes liegt; und
insoferne hei letzterer Bedeutung wieder die übliche Unterscheidung einer
prima und secunda intentio gemacht wird , sucht er den schwierigeren
Begriff der prima intentio genau festzustellen; nemlich die sachlich ge
nommene intentio könne entweder „abstract" (s. bei Scotus ob. Anm. 128)
als ledigliche intentionalitas selbst, d. h. als das Aufgefasstsein über
haupt, oder „concret" als der Gegenstand der Auffassung verstanden
werden, und im letzteren Falle wieder könne man den Gegenstand ent
weder gleichsam als Gefäss der begrifflichen Auffassung oder gleichsam
als Zielscheibe der begriffsmässigen Namenbezeichnung nehmen; und nun
von diesen drei Bedeutungen enthalte weder die erste (als blosse Abstraclion)
noch die zweite (als concrete Verflechtung) , sondern nur die
dritte (als Quelle der Wortbezeichnung) den wahren Begriff der intentio
prima396).- Slimmt nun letzteres völlig mit Scotus überein (s. ob. Anm.
395) Quodlib. I, 3, f. 8 r. B : Cum logica sit de actu intelligendi, qui est quoddam
operabite a nobis, ut videtur, ergo logica erit praclica (v. A) Dicendum,
quod videtur quibusdam , quod logica non sit de actu intelligendi ut de obiecto, sed
de entibus ralionis consequentibus res, ut sunt obieclive in intellectu, quae non fimil
a nobis per habitum logicae , sed fiunt in nobis ab ipsis rebus sie ex natura sua
ordinale moventibus intellectum nostrum. Secundo dico, quod dato, quod actus inlelligendi
obiectum esset ipsius logicae, non tamen ipsa logica esset praclica. quia
actus inlelligendi, qui consideratur in logica, non fit in nobis per logicam, sed fit in
nobis naturaliter ab obiectis , unde homo per logicam- non considerat, qualiler facial
actum inlelligendi, sed qualiter actus inlelligendi fit ab obieclis naturuliler in
nobis. Et si arguatur contra, quia docet facere sgllogismum, respondeo : Si inteiligas
per „facere sgllogismum'' sie ordinare voces significalivas, sie polest fieri per logicam
sgllogismus; si aulem intelligas talem ordinem molionis inlelligendo res, sie logicus
non facit talem ordinem, sed natura rei sie movens.
396) De inlent., f. l v: Uno modo dicitur inlentio ex parle ipsius intelligentis,
sc. omne ittud, quod per modum alicuius repraesentalionis ducit inlellectum in cognilionem
alicuius rei, sive sit species inlelligibitis sive actus intellectus sive conceptus
menlis Alio modo dieitur inlenlio, quod se lenet e.v parte rei intellectae . et
hoc modo dicitur intentio res ipsa, quae inlelligitur, inquautum in ipsam leuditur
sicut in quoddam cognitum per actum inlelligendi, et inlentio sie dicta formaliter cl
in abstracto dicit lerminalionem , quae est quaedam Iiabitailo rei inlellectae ad
actum intelligendi Prima inlenlio cor,erelive et materialiler dicit ittud, quod
266 XIX. Herveus Natalis.
127), so gilt das Gleiche auch von dem hiemit verwandten Grundsatze,
dass die entia ralionis überhaupt nicht mit realer Gegenständlichkeit im
Denken auftreten, sondern nur Dasjenige enthalten, was aus den realen
Dingen in der Werkstätte der Vorstellung erfolgt 397); und wenn hier
nach die Wahrheit als '„Uebereinslimmung des Dinges mit jenen seinen
in der Vorstellung erfassten Folgen" definirt wird und die verschiedenen
Modalitäten dieser „Folgen" das Moliv der Eintheilung der Logik dar
bieten, so wird eben diese in Ausdrücken dargelegt, welche gleichfalls
bei Scotus sich finden398). Indem aber dabei die Worlbezeichnung, d.h.
obige intentio prima, für alle logische Thäligkeit als Voraussetzung gilt,
kann nun die Frage über den eigentlichen Gegenstand der Logik völlig
(iräcis dahin beantwortet werden, dass ens ralionis und intentio secunda
und jene „Folgen des Dinges in der Vorstellung" all das Nemliche sind
und so den Inhalt der Logik ausmachen, welche eben hiedurch den ge
meinschaftlichen H,ndus des wissenschaftlichen Verfahrens darbiete 3").
Bei solcher Auffassung der intentio secunda und des Begriffes der
Wahrheit versteht es sich von selbst, dass nun auch die Universalien nur
inlelligitur Quae conveniunt rebus secundum quod sunt obiective in intellectu,
sicul est „abstractum" et „universale" et simitia, ista perlinent ad secundam intenlionem.
Ebend. f. 7 v.: Intentio, proul se lenel ex parle rei inlellectae , dupliciler
polest accipi, sc. in abstracto ipsa intentionalitas et in conerelo pro eo, cui ista inlenlionalitas
convenit; et hoc dupliciler adhuc, quia ittud, cui talis intentionalitas
convenit, sc.res intellecta, polest accipi, ut inctudit inlentionem istam, vel polest
accipi absotute pro eo, cui ilin inlenlionalitas conrcuit, non ut inctudit, ipsam denominantem
(dass jedoch d,'iin,uinans zu lesen ist, zeigen die sogleich folgenden
Worle). Ista tria se habent. quantum ad accidens ralionis sicul in accidente reali
sc habent albedo, album et corpus f. 8 r. : Si accipiatur inlentio in abstracto,
sc. ipsa intentionalitas , sie nec „homo" nec „Soerales" dteit primam inlentionem; si
aulem accipiatur in conerelo ineludendo ipsam intenlionem denolantem, sie adhuc
„homo" vel „Soerales" non signant primam intenlionem, sicul nec corpus signal .esse
album; si aulem accipiatur prima intenlio pro eo, quod ab i l tn intenlionalitale denominatur,
sie tam ,,f,omo" quam „Soerales" dicunt primam intenlionem. Ebenso
Quodlib. I, 9, f. 20 r. B.
397) Quodlib. III, l, f. 68 r. B: Enlia ralionis non dicunt aliquid existens rea
liler subiective in intellectu vel in aliqua natura reuli, sed dicunt ea, quac consequuntur
rem, proul est obicclive in inlellectu. S. ob. Anm. 105.
398) Ebend. f. 69 r. B: Veritas est quaedam conformitas rei ad id, quod de
ea intelligitur eomequeus rem, ut est obiective in inlellectu enuntialivo (T. B)
Quaedam entia ralionis sire secundae intenliones consequuntur intellectum simplicem,
sicul universale, singuiore sive consimitia ; quaedam comequuntur rem, ut est obiective
in inlellectu enuntialiro, sicul est oppositio, contradictio, contrarietas, veritas et falsitas;
quaedam consequuntur rem, proul est in inlellectu discursivo, sicut antecedens
et consequens et simitia. Et sie palel quud veritas dieit habiludinem ralionis
sive ens ralionis. S. ob. Anm. 91.
399) De intent. t. 64 v. : Logica est de secandis inlentionibus ut de primo el
per se subiecto, non sie intelliqendo, quod omnes secundae inlentiones sint primum
et per se subiectum il,sius logicoe vel sunt partes subiectivae ipsius primo et per se
subieeti, sed sie intelligendo, quod ipsa est de aliqua secunda intentione sive de
aliquo ente ralionis ul de primo el per se subiecto, quo continentur aliquae parles
subiectivae liio scientia, quac considerat principaliter res quantum ad ca, quae
consequuntur eas, proul sunt obiective in inlellectu, est de secunda intentione sive
de ente ralionis ul de primo el per se subiecto; sed lo,iica est huiusmodi. Ehend.
f. 73 v.: Consideralio talium entium ralionis quantum ad ca, quae eis secundum se
et in suo esse ralionis competunt, valel ad habendum modum communem procedendi.
XIX. Herveus Natalis. 267
vorstellungsweise im Denken liegen400), und Herveus sagt ausdrücklich,
dass die Gattungs- und Art-Begriffe als solche nicht sachliche Einheiten,
sondern nur denkmässige Unterscheidungen seien401), d. h. er spitzt eine
Ausdrucksweise des Thomas (s. Abschn. XVII, Anm. 497) nach der Seite
hin zu, dass das Zusammentreffen der Objecte in einem höheren Begriffe
und ihre Gemeinsamkeit erst im Denken vorstellungsweise zu einer Ein
heit (unilas communitalis) sich gestalte402); und hiemit tritt wie bei
Albert (Abschn. XVII, Anm. 384) der natürliche Bestand dem logischen
Denken dualislisch gegenüber, indem das genus naturale als solches nicht
aussagbar, sondern nur Gegenstand einer natürlichen Veränderung (trunsmutalio)
sei , hingegen das genus logicum die Einheitlichkeit des Seins
und zugleich die Beslimmbarkeit der Specialisirung enthalte und so Gegen
stand der Wissenschaft sei 403). So erblicken wir dennoch schliesslich
auch hier jenen gewöhnlichen Dualismus , in welchem sich Thomas und
Scotus die Hand reichen konnten404), wenn auch die Terminologie der
400) ln I Sentent., Dist. 19, 0u. 3, f. 40 v. B: Primum et per se obiectum inlellectus
non est verum, sed ens f. 41 r. B : Veritas est ens ralionis pertinens
ad intenliones secundas; talia aulem non ponunt aliquid secundum rem in aliquo
sicut in subiecto, sed secundum ralionem intelligendi tantum ... . secundum quod est
nbieclive in intellectu Et sie ista conformitas, quae veritas dicitur, conlingit
rei el est in re secundum ralionem intelligendi Et ideo talia dicuntur esse in
intellectu, sicut veritas et universale el simitia, quia non conveniunt rebus nisi
prout sunt obieclive in inlellectu.
401) In II Senlent., Dist. 3, 0". 2, f. 8 v. A: Divisio generis in species vel
speciei in individua non est divisio secundum rem, sed secundum ralionem, quia ibi
ittud, quod dividitur, non est unum secundum rem, sed secundum ralionem inlelligendi;
quum enim unum lignum scinditur secundum rem, unum lignum dividitur in
duo ligna, quae erant anlea partes inlegrales, .... et quando lignum in communi
dividitur in hoc lignum et ittud, .... non est unum re, sed unum ralione, quia
indislincte intellectum dividitur in ligna parlicuioria sicul in parles subieclivas.
402) Quodlib. I, 9, f. 20 r. B: Convenientia hominis et equi in animali polest
atlendi quantum ad duo, sc. quantum ad hoc, quod animal convenit homini et equo,
et hoc est ex natura rei et est quid reale, quia ex natura rei homo habet, quod
sil animal ; el quantum ad unitalem ipsius commnnis, et .... hoc est secundum ra
lionem tantum, quia unitas el indeterminalio, qua obiicitur animal ut unum obiectum
indelerminatum ipsi intellectui, consequitur animat, ut est obieclive in intellectu, licel
\ habeal fundamentum a re.
403) In II Senlent., Dist. 3, Qu. 3, f. 9 r. A: Duplex esl genus, sc. naturale
et logicum. Genus naturale non videtur mihi esse aliquid communc praedicabite,
communitas enim cuiuscunque praedicabitis, quodcunque sit ittud, est communitas
ralionis tantum, et ideo non est ibi unitas nisi logica, quae facit genus logicum.
Unde non videtur mihi, quod communitas, qua conveniunt homo el equus in animali,
sit communitas in genere naturali, immo in genere logico, sc. ul mihi videtur, per
genus naturale debet inlelligi aliquod communc subiectum transmutalionis, et
non vocatur genus subiectum scienliae, sed genus subiectum transmutalionis De
ralione aulem eius, quod est in genere logico, videntur mihi esse tna. Primum, quod
habeat unum modum essendi communem et simitem cum aliis, ex quo sumatur aliquo
modo unitas ralionis generis logici. Secondo debel habere quandam polentialitatem
, ul sil Hmitatum ad genus el speciem. Tertio, quod sie inctudat aliquem
actum specialem, per quam delerminetur ad speciem. Vgl. Quodlib. I, 9, f. 20 r. A.
Uebrigens beruht die ganze Unlerscheidung auf einer aristolelischen Slelle; s.
Abschn. IV, Anm. 334 u. 392.
404) Quodlib. I, 9, f. 20 v. A : Praedicamenta vel genus generalissimum dupliciler
polest accipi: uno modo pro ipsis inlenlionUnts praedicabititalis et generalitulis , alio
modo pro rebus, in quibus tales inlenliones fundantur. Ebend. f. 22 v. B: Distinctia
268 XIX. Herveus Natalis.
Gegensätze zwischen esse formale und esse malerialet0b) oder besonders
zwischen esse und exislere mit Beiziehung der significatio entschieden
dem Scolismus näher liegt406), welchem ja auch die Ausdrücke natura
und suppositwn angehören 407). Darum nimmt bei Herveus auch die
Beantwortung der Frage, wie die allgemeinen Begriffe aus der Singu
larität der Erfahrung hervorgehen können, d. h. die Erörterung der thomislischen
abstractio, einen Charakter an, welcher zwischen den Ansichten
des Thomas und des Scotus in Mitte steht und docli zu beiden hinüber
schwankt (vgl. ob. Anm. 121 — 125); nemlich das abslrahere sei weder
ein rem,overe noch ein imprimere, sondern nur motio intellectus, welche
in aristotelischem Sinne von den Einzelndingen provocirt aus einem polt.'
uziellen Zustande zur Actualität führe 40s); und auf einem solchen
Rückhalte fassend kann Herveus in Einem Athemzuge die Begriffe
idea, similitudo und des Scotus species intelligibilis /ugleich verwerthen
409).
in substanliam , quantitalem etc. est distinclio vel in diversas res rrl in ea,
quae aliquam diversam realitalem important, et quantum ad hoc n,l,tl facit operalio
intellectus; quaulum aulem ad distinclionem sntis in ista, proul praedicamenta sunt,
sc. prout praedicamentum accipitur pro secunda intenlione, sie facit operalio
,nlellectus.
405) In l Sentent., Dist. 35, 0u. l, f. 52 v. B : Acceplio absoluta formae esl
eins acceplio sccundum esse formale, et acceplio eius secundum esse contractum est
eius acceplio secundum esse maleriale.
406) Ehend. Dist. 8, 0u. l, f. 23 r. B: Ksse dicit actum essentiae el essentia
dicit eius subieclum in abstracto, ens vero dicit ct ipsam essentiam et ips».n, esse in
nonereto; ita „ens" participium importat formaliter actum existendi d ex modo
significandi importat subiectum rius. Vgl. Anm. 135 f.
407) In III Scntent., Dist. l, ',)u. l, f. 2 r. B : Di/ferenlia naturae et suppositi
polest atlendi vel secundum differentiam universalis et parlicuioris vel secundum
differenliam, quam babent in singutari ut „haec Aunumitac" et „hie Aomo" St
accipiamus in singvlari, di/ferunt quantum ad modum essendi et quantum ad
modum significandi, cui et correspondet aliquis modus essendi ex parte rei (vgl. Anm.
109, 129 u. 251).
408) In 11 Senlent., Dist 17, Qu. 2, f. 23 v. A: liio abstractio speciei a phantasmale
est realis actio, qua fit species in inlellectu possibiti, quae non praedicatur
de phantasmale, a quo abstrahitur, sicul bomo praedicatur de Soerale, a quo abstrahitur;
ergo qua dicitur intellectus abstrahere a phantasmalibus, non est ul,uil,
quam quaedam realis molio , qua movetur inlellectus a phantasmale vel ad speciem
intelligibitem vel ad actum intelligendi Opinio est, quod intellectus agens agil
in phantasma non nliquid imprimendo phantasmali, sed removendo, unde re maleriali
et singuiori proposita intellectus agens separat a natura universal* condiliones indiivduanles
, quibus impediebatur itio natura Min opinio est , quae ponit , quod
intellectus agens aliquid imprimit phantasmali, in cuius virtule agit, et itlud impressum
est alittua molio sive immutalio spiritualis Est lertius modus ponendi,
qui videtur mihi magis probabitis, sc. quod phantasma dicitur movere inlellectum
polenlialem in rirtulem inlellectus agenlis, non quia ex parte sua aliquid recipiat ab
inteliectu agente, sed magis ex parte effectus.
409) In I Senlent., Dist. 36, 0u. l, f. 53 v. A: tdi-u formaliler dicil formam,
quae repraescntat, quae quidem forma non est formaliter respectus, sed est ittud, ad
quod sicut ad per se fundamentum sequitur respectus Unde nec idea nec forma
exemptaris nec simititudo inlelligibitis exislens apud intellectum , quam vocainus speciem
inlelligibitem, est formaliter respectus (B) Idea est principium cognoscendi,
proul elicitur aut cognoscitur a cognoscente; nam quando res cognosritur per aliam
prius nolam, ittud prius notum supponendo speciem medianle specie maret ad cognilionem
sui el aiiorum.
XIX. Herveus Natalis. 269
Hauptsächlich aber interessirt er sieh um die zwei brennenden Par
teifragen, nemlich um principium individuationis und um unitas formae,
und in diesen beiden Punkten zeigt er allerdings einen überwiegenden
Thomismus. . Was den ersteren betrifft , spricht er vorerst von dem Vor
handensein dreier verschiedener Ansichten410), deren erste wir schon
bisher einige Male durchblicken sahen, vielleicht am deutlichsten bei
Aegidius (ob. Anm. 382 f.), aber theilweise auch bei Gottfried von Fontaines
(ob. Anm. 66, vgl. übrigens auch Anm. '308); dieselbe geht dahin,
dass die Individuen einer Gattung schon in sich selbst durch ihre eigene
essentia in das Einzeln-Dasein treten, indem durch die Wesens-Einheit
selbst eine numerositas essentiae begründet sei, in welcher eben der
Unterschied der Einzeln-lndividueu und hiemit das negalive Moment der
Individualität liege, so dass die Substanz zu ihrer Individualisirung durch
aus nicht einer ausser ihr liegenden Beihilfe bedürfe 4 1 1). Wenn man
aber bei Formulirung dieser Ansicht den Begriff „esse" statt „essentia"
anwende (— womit wohl sicher Aegidius gemeint ist —), so sei diess
von vorneherein unzulässig412). Als zweite führt dann Herveus jene der
Thomisten an, welche jedoch den Gesichtspunkten der ersteren nicht ge
nügen könne413). Gegen die dritte Annahme aber, nemlich gegen die
des Scotus, polemisirt er ausführlich; nemlich wenn man in der haecceitas
den Gegensatz der Gemeinsamkeit erfasst zu haben glaube, so sei doch
zu bedenken, dass eine sachliche Gemeinsamkeit auch im Stoffe und in
der Form nicht vorliege (d. h. jedes Einzelnding habe seinen eigenen
Stoff und seine eigene Form), hingegen eine logische Gemeinsamkeit ebenso
gut auch der Häcceität zukomme, weil eben die Häcceitäl selbst in ver
schiedenen Häcceitäten individualisirt werde; und wenn eben die Häcceitäl
selbst erst noch einer besonderen Determinalion bedürfe, so gelte das
410) Quodlib. III, 9, f. 81 r. A : Utrum maleria sit principium individualionis,
sunt tres opiniones Prima est, quod unumquodque se ipso solo est formaliler
distinctum ab omni alio. Secunda est, quod lalis dislinclio in rebus malerialibus
fit per quantitalem. Terlia est, quod nec sie nec sie, sed unumquodque est
distinctum per suam haecceitatem.
411) Ebend.: Prima opinio probatur: Unumquodque genus habet propria
imlirittiu, nihit inctudentia nisi rem sui generis, sed hoc non esset, nisi unaquaeque
res cuiustibel generis se ipsa per essentiam suam individuaretur in se ipsa et distingueretur
ab omni alio (B) Ab eodem habet unaquaeque res entitalem et unitalem
esssntialem Unaquaeque res est diversa numero per essenliam numerositale
essentiae ab alia lltud, quod non addit supra naturam nisi negalionem, non
habet aliam causam suae unitalis, quam naturam Individua habent unitalem el
distinctionem numeralem per essentium suam, non per aliquid additum, .... quia , st
substantia habet unitalem per aliud a se, aul hoc est, quia maleria habel talem uni
talem per formam, aul forma per maleriam, aul ambo per quanlitalem; sed nullo
ilierum modorum natura substanlialis polest individuari per aliquid diversum a se.
412) Ebend. VIII, 12, f. 152 <r. A : Dicunt mulli, quod iudividualio est per esse,
quia in esse reali non convenit rei universalitas. Sed hoc non est bene dictum, quia,
licel ipso universalitas non sit extra animam, et unaquaeque res sit individua in
suo esse reali, non tamen oporlel propler hoc, quod ipsa individualio sil per esse;
immo essenlia n,agis erit principium individualionis, quam esse.
413) Ebend. III, 9, f. 81 v. A: Quidam lenent, quod divisio numeralis est vel
per divisionem subiectorum sicut in accidenlibus vel per quantitalem sicul in substunliis
malerialibus gensralibus el corruplibilibus : sed ist,, licel babeaut probabites
raliones, tamen non salisfaciunt ralionibus allerius opinionis.
270 XIX. Herveus JSatalis.
Gleiche auch von Materie und Form, und es sei hiemit kein Grund vor
handen, warum die Häcceität in höherem Grade Princip der Individualisirung
sei , als jene beiden ; wolle man aber die Häcceität völlig von
Materie und Form dislinguiren, so könne sie jedenfalls nur entweder eine
Substanz oder ein Accidens sein; im ersteren Falle aber komme man
zuletzt doch wieder bei der Materie an , sowie im letzteren bei der
Quanlität414). Ausserdem auch sei jenes negalive Element, welches der
Häcceität einwohne, als Erklärungsgrund der Positivität des Unterschiedes
der Individuen untauglich415). Die eigene Ansicht endlich des Herveus,
hei deren Darlegung er hauptsächlich an die theologische Frage betreffs
der Engel denkt, nähert sich sehr der ersteren unter den drei ange
führten; nur modificirt er dieselbe dahin, dass die essentia nur inneres
Princip (intraneum) der Individualion sei , was nicht hindere , dass da
neben zuweilen auch noch ein äussercs Princip (exlraneum) wirke, d. h.
die vervielfälligende Funclion der Materie solle nicht geleugnet werden,
wohl aber die Möglichkeit einer Individualisirung ohne Materie offen
bleiben416); und in den materiellen gleichzeilig exislirenden Dingen sei
414) Ebend. f. 81 v. B: Quod aulem haecceitas sit itlud, per quod Individuum
est tndividuum, contra arguo sie: Quando dicitur „ittud, quod est commune
mullis , non est principium individuandi ipsorum", aut inlelligitur de eo, quod est
commune secundum rem, aut secundum ralionem. Si de eo, quod est commune secundum
rem, sie nec maletia nec forma est communis, sallem simul enlibus
actu Si aulem inlelligatur de eo, quod est et habet unilalem secundum ralio
nem , tunc haecceitas est ita communis sicut maleria et forma isto modo , quia haec
haecceitas est haecceitas, ergo et ilin , et ideo non ptus individuabil haecceitas,
quam maleria et forma. Dices, quod haecceitas in communi non est principium individualionis
, sed haecceitas signata Cont,a: Sicul baecceitas signata non est
communis, sed propria, ita maleria et forma signatae ; et per consequens non ptus
individuabit haecceitas signata Dices, quod haecceitas dicit signalionem formae
Contra: Cum haecceitas possil accipi ul communis el ul signata, sicut forma, non
datur ralio, quare dicit signalionem formae ptus, quam e converso Ilem quaero,
utrum ista haecceitas sit aliquid diver sum a maleria et forma signalis per ipsam aul
non. Si non, ergo ponis idem principium individualionis , quod eliam maleria. Si
sie, quaero, aul est substantia aut accidens aul nit,it. Si substantia, adhuc
incidis in idem cum aliis, sc. quod maleria est principium individualionis Si
accidens, relinquitur, quod, si aliquid accidens sit, hoc sit quantitas, ct hoc est,
quod ponunt alii (über Letzleres vgl. ob. Anm. 66).
415) In II Sentent., Dist. 3, 0n. 2, f. 8 v. A : Quidam dicunt, quod in omni
specie cuiuscunque naturae ereatae possunt esse ptura differentia numero ; ittud aulem,
per quod dislinguitur, est, ul dicunt, non ipsa forma secundum se, sed hoc, quod
est esse indislinctum in se, quod importat negalionem divisionis in se ipso, et esse
distinctum ab alio, quod importal negalionem, secundum quam hoc non est ittud
(vgl. Scatus, ob. Anm. 139) Sed istud nihit est dictum, quia negalio pura non
polest distinguere positivum a positivo.
416) Quodl. 1ll, 9, f. 82 r. B: Animae ralionales non plurificantur per
actualem susceplionem in maleria, sed per suas essentias, in quantum in tali
gradu entitalis sie polentiales sunt Rationes inductae ad primam opinionem
bene coneludu.nt, quod unumquodque distinguatur numeraliter ab alio per suam essenliam
sicul per principium iutraneum, sed quod praeler hoc non requiratur aliquod
aliud principium extraneum (v. A) Sufficit, quod itio individua, quantum ad hoc,
quod sunt, et quantum ad hoc, quod distinguuntur numeraliter, intranec distinguantur
per essentiam suam; nihitominus tamen possunt extrinsece habere el entitalem
et pluralitalem ab alio a se Ralio non conctudit, quod forma nunquam plurificetur
per maleriam, sed quod quandoque non pturificatur per maleriam, sicul in
formis, quae pturificantur in eadem maleria successive, vel eliam si qua forma est,
XIX. Herveus Natalis. 271
eben ein Quanlitalives der Grund der Individualion, aber selbstverständ
licher Weise nur die räumliche (d. h. geometrische , nicht die arithme
lische) Quanlität417). Sollen somit nur die scotislischen Einwände, welche
gegen Quanlität und Materie gerichtet waren, abgewiesen sein418), so
muss Herveus dem Thomismus nur noch in der Angelologie auf die Beine
helfen, was er dadurch thut, dass er eine immaterielle Individualion auf
eine Potenzialität, welche der Form in Bezug auf Vervielfälligung ein
wohne, begründet und so ganz hübsch auf den Begriff einer immateriellen
Materie gelangt419), welche er recht deutlich als eine quanlitätslose be
zeichnet420).
Auch betreffs der unitas formae unterwirft er die Meinungen An
derer einer Krilik; nehme man nemlich (wie Lamarre gethan hatte, s. ob.
Anm. 30) von vorneherein eine pluralüas formarum an , so könne man
dieselben entweder für gleicharlig halten, dann aber unmöglich die ein
zelnen selbst wieder als vielheitliche ins Unendliche fort betrachten
( — dieser Einwand ist dumm —), oder andrerseits , wenn man sie als
ungleicharlig nehme, sei es unerklärlich, wie dann aus ihnen Ein Wesen
quae virtule divina possit esse successive in diversis maleriis; quin aulem formae
simul exislenles in maleria et maxime, prout secundum cursum naturae dependent a
maleriis in sua pturalitale, dependeant a maleria, non conctudit.
417) Ebend. VIII, 12, f. 152 v. B: Quod quodlibet individuum divisum sive
dislinctum sit ab alio eiusdem speciei, principium individualionis substauliarum malerialium
est quanlitas, quantum ad ea , quae sunt simul , ijuia maleria non
polest dividi in parles simites nisi per quanlitalem Nolandum aulem, quod diversitas
in quanliluti' polest esse dupliciter, una secundum situm, quantum ad parles
simul exislenles, alia secundum successionem unius quanlitalis post aliam
Diversitas quanlitalis est principium individualionis rerum materialium simul exislenlium
primo modo, non secundo; immo dico, quod diversitas numeralis quantitalis
permanentis el aliorum accidentium sibi in codem subiecto succedentium provenit ex
diversitale quantitalis successivae, quae est lempus.
418) In II Sentent., Dist. 3, Qu. 2, f. 8 v. A : Cum in quolibel individuo eius
dem speciei inveniatur ittud, quod est principium dislinclivum aliorum, oporlet,
quod individua conveniant secundum nnitalem ralionis in eo, quod est dislinclivum
individuarum. Cum ergo individua non conveniant in forma nisi secundum unitalem
ralionis, non videtur necessarium, quod indiridua ciusdem speciei non possint distingui
per formam cireumseripta quantitale et quacunque maleria Sie oportel ponere in
Soerale aliquid reale, per quod realiler differt a Ptatane, quidquid sit itlud, sive
itlud sit sua forma, sive aliquid aliud.
419) Ebend. f. 8 v. B: Cum omnis forma sub se habens muHa habeat quandam
iolitudinem, forma aulem dupliciter iolitudinem possit habere, unam secundum diversos
gradus formales, quorum unus secundum se est nobilior et perfeclior allero (el
hoc est talitudo generis, sub quo sunt diversi gradus formales specifice differenles),
aliam vero secundum pturificalionem numeralem in eodem gradu, prima convenit formis
secundum suam ralionem specificam absolule acceptam, secunda aulem iolitudo
non polest convenire formis secundum suam ralionem absotutam, quia sie pturificari
videtur importare quandam polentialitalem et imperfectionem Ad hoc, quod
tales formae pturificentur sub specie, oportet, quod habeant iliom polentialitalem, quae
facit parlem realem Dicere, quod propler hanc causam deus non passet facere
ptures angelos, quia non est in eis maleria, esset error, quia sequeretur, quod non
possent esse plures animae separatae, cum in eis non sil maleria. Ebend. Dist. 12,
0u. l, f. 17 v. B: Ralio maleriae polest accipi vel secundum quod est subiectum
formae, vel secundum quod est subiectum transmutalionis.
420) Quodl. VIII, 12, f. 152 v. B: Carentia maleriae non est causa, quare
non sint ptura individua eiusdem speciei in angelis, sed carenlia maleriae quantitalem
habenlis.
272 XIX. Herveus Natalis.
zusammengesetzt werden soll; und spreche man, um diesem zu entgehen,
von einem Aggregate, welches zu Emer ahschliessenden Form sich selbst
ergänze (s. Scotus ob. Anm. 155 f.), so würde jene letzte Form nur eine
accidentelle, nie aber eine substanlielle sein. Somit bleibe nur übrig, an
der Einheit der Wesensform festzuhalten und dasjenige, was man an ihr
für vielheitlich halten könnte, als eine Manigfalligkeit von Vervollkommnungs-
Stufen (diversae perfectiones) zu betrachten , welche dann durch
verschiedene Namen ausgedrückt und bezeichnet werden , d. h. Herveus
ist wieder bei Gottfried v. Fontaines (ob. Anm. 70) und Johannes Parisiensis
(Anm. 74, vgl. auch Anm. 291) angekommen421)- Erklärlicher
Weise aber verwirft er von diesem Standpunkte aus entschieden die formalitales
des Scotus422); ja er will die Einheit der Form auch für die
accidentellen Qualitäten gerettet wissen, bei welchen (vgl. Anm. 160 u. 387)
421) De unit. form. 5, f. 73 v. A: üuidam dixerunt, quod omnium rerum natun,
luiin formae erant compositae ex pturibus et diversis tanquam ex parlibus essenlialibus,
sicul humanitas ex anima et corpore (B} Si aulem forma sit composita
ex forma et forma Ha, quod una sit composita ex duabus, tunc m,t erunt ambae
ciusdem speciei aul dit'i'rsarum; si eiusdem, sequeretur , quod ad minus itioe
duae sint simplices, alias oporterel abire in inftnitum; st aulem sint diversarum
specierum, tunc impossitiite erit, ipsas essentiali composiliorie componi ad inricem,
(f. 74 r. A) cum nultus modus essenlialis composilionis inveniatur in ipsa
Ideo alii aliler dixerunt ; posuerunt enim, quod formae naturales erant compositae
itlo modo, qui est per aggregalionem pturium formarum ad efficiendam el complendam
unan, fnrmam resultanlem ex eis, sicut ex pturibus membris resultat
unitns eorporis bumani Sed baec posifto magis irralionabitis est, quam prima.
Sequitur, quod itio forma erit accidens et non substanlia, el per consequens
non erit forma compleliva Sequitur, quod omnes res naturales sint in jenen"
accidenlis (B) Et ideo aliler dicendum, sc. quod forma nuturalis est simplex
(v. A) el quod in nullo composito sunt diversae lormae substantiales. sed sunt
ibi diversae perfecliones. Ebend. 12, f. 77 r. B: Oportel dicere, quod una sit forma
sen essenlia generis et speciei et individui differens solum penes delerminatum sive
signatum el non signatum, umn designulio individui respectu speciei est per
maleriam individualem, designalio aulem speciei respectu generis est per differsntiam
constitulivam, quae sumitur ex pnncipali perfeclione, quam dal forma rei (T. A)
Cum species rerum sint ad modtim numerorum, in quibus unus addil perfeclionem
super alium, oportel necessario dicere, quod perfecliones inferiorum sint in superioribus,
ac per hoc in una el eadem re sint diversae perfecliones essendi, sicul videmus,
quod in homine est perfeclio esse et vitae el sensus et intellectus. Et ideo, cum ralio
rei sumatur ab ipsa re, secundum quod stal sub aliqua perfeclione vel actu, ralio
aulem rei sit, quam significal nomen, contingit, ipsam rem diversis nominibus nominari
vel significari, secundum quod diversac sunt essentiales perfectiones ipsius. Vgl.
ebend. 18, f. 86 r. B.
422) ijuudlit,. t, 9, f. IS v. B: Dicunt quidam, quod genus el differenlia dicunt
diversas formalitales realiler differentes , species aulem differt a genere el differentia
sicut complectens duas formalitales reales; unde species se habent ad genus per additionem
realis formalitalis, spccies aulem realiler differunt non sc lolis, quia in
genere conveniunt , sed differentiis differunt ; differentiae aulem se lolis differunt.
Dicunt aul,'m isli, quod dislinclio formalitalis maior est in ercaturis, quam in divinis.
(Vgl. bei Scolus, ob. Anm. 148 u. 151) f. 19 r. A: Ss natura generis differt
realiler a natura differentiae, sequitur, quod quodlibel tndividuum sit compositum ex
tol rebus, quol sunt inter generalissimum el specialissimhm; sed hoc est falsum ....
(B) Restat ponere opinionem, quam eredo esse veram: In uno et eodem individuo
genus generalissimum et omnes differentiae intermediae dicunt unam el eandem
rem el sumuntur ab una et eadem re, quia si in Soerale substanlia, corporeum,
vivum, sensibite, ralionale dicerent diversas res, sequeretur, quod in uno el eodem
essel aliqua differentia re differens a natura generis.
XIX. Johannes von Jandun. 273
in Folge physikalischer Vorgänge nur eine iidensio oder remissio der
Einen Form eintreten könne423). •
Der Averroist Johannes von Jandun (um 1320) zeigt, was die
logischen Fragen betrifll, gleichfalls einen halb-thomislischen Standpunkt4-'1)
und erinnert uns in dieser Hinsicht an Petrus von Ahano (ob. Anm. 260 If.).
In seinem Commentare zur aristotelischen Metaphysik420) nimmt er be
züglich der liniversalien jene Unterscheidung in causando und p,-aedicando
auf, welcher wir schon bei Alexander v. Alessandria (Anm. 248)
und hei Radulph Brito (Anm. 258) begegneten426), knüpft aber an die
Aussagbarkeit auch die weitere Distinction , dass dabei entweder der Ge
genstand der Auffassung als sachliche Grundlage der Einzeln-Dinge oder
die intentio selbst gemeint sein könne, welch letztere dann wieder in
prima und secunda zerfalle , wobei man jedoch nicht so fast auf den
modus essendi, als vielmehr auf die quidditaliven Momente des Erkennens
blicken solle427). Jedenfalls kann so mit anliplatonischer Wendung das
esse in anima und das esse extra animam dualislisch verbunden wer
den428), da die Universalien post rem vorstellungsweise im Intellectus
423) In l Senlent., Dist. 17, 0u. 4, f. 36 r. A: Dicunt quidam, quod nulio
forma secundum suam absotutam el specificam acceplionem polest habere varialionem
aliqupm etl secundum magis vel secundum minus /•,'/ ideo, ut dicunt, i l tn accidentia,
quae vel inveniuntur in subiectis diversarum specierum vel quae sunt separabitia,
suscipiunt magis vel minus f.-/» opinio non videtur mit,i vera
(B) Si sie inlelligatur, sc. quod in essentia talium formarum non sit realiler loquendo
aliqua iolitudo graduum sie, quod albedo intensa essentialiler non sit perlectior, quom
remissa, eredo esse falsum (v. A) Ralio, quare aliquod acctdens dicitur suscipere
magis el minus, est, quod secundum formam natus est fieri motus Secundum
aulem formam substantiulem non est natus esse motus, ideo nulio forma substantialis
habet talem iolitudinem. Quodlib. II, 13, f. 61 r. A: Sicul in alleralione
non est nisi u,mm n,utatum esse in nein, ita non est ibi nisi una forma.
424) Betreffs anderweiliger Anschauungen desselben, welche nicht die Logik
beireffen , s. Näheres bei E. Renan, Averroes et PAverroisme, p. 269 lF. Uebrigens
verfassle Johann v. Jandun gemeinschaftlich mit seinem Freunde Marsitius v. Padua
auch die bekannle publicisüsche Schrift „Defensor pacis", welche sich im Sinne
Occam's über das Verbältniss zwischen Staat und Kirche aussert. !
425) Perspicacissimi specuiotoris ac summi peripathelici Johannis de Janduno
quaestiones in XII lib,os metaphgsicae (mit Zimara's Commentar). Venet. 1505 fol.
und wiederholt Venet. 1560. fol. (nach letzterem Drucke citire ich).
426) I, 20, p. 82: Duplex est universale, unum in praedicando, aliud in cau
sando. Universale in causando est deus et sub»tanliae abstractae ; universalia
in praedicando capiuntur dupliciter; uno modo quoad simplicem apprehension,'m, ....
alio modo quoad inhaerentiam passionis ad subiectum.
427) VII, 24, p. 523: Quoddam est universale per causalitalem, quoddam per
praediealionem Universale secundum praedicalionem est duplex: uno modo cupitur
pro re intentionata el denominata ab inlenlione; nlin modo capitur pro
intentione, el hoc iterum dupliciler, vel pro prima inlentione, vel pro secunda
(p. 524) fff/. ijni accipiunt conceptus generis el speciei a modis essendi, dicunt,
quod prima intentio est conceptus rei vel inlelleclio secundum suum modum essendi
proprium; sed secunda intentio est conceptus rei secundum modum essendi
communem Sed secundum dicentes, conceptus generis el speciei capi a quidditale
generali vel specifica, dicitur, quod inlenlio prima rei est inUileclio secundum
quidditalem generalem el polenlialem, sed secunda intentio est inlelleclio rei communis
in pturibus Sed universale pro re subiecta est res, quae est apta nata esse in
pturibus vel mulliplicari in ptura.
428) I, 16, p. 57: Universale polest intelligi duplictler. Uno modo pro esse
reali extra animam, quod esse habet subiective in suis suppositis, el pro isto esse
PBAML, Gesch. III. 18
274 XIX. Joh. v. Jandun. Job. v. Neapel. Augusti!ius v. Ancona.
sind, während sie in re die objcclive Bedingung des Wissens enthalten429),
da ja in der concreten Subsistenz das Allgemeine und das Einzelne trotz
aller Wesens- Verschiedenheit vereinigt seien430). Und sowie hiemit für
die subjeclive Auffassung sich der Begriff des ens rutionis (vgl. Anm. 395)
einstellt431), so können nun auch ebenso, wie bei Herveus (Anm. 405)
genus naturale und genus lugicum dualislisch nebeneinandertreten432;.
Desgleichen wird die intentio el remissio formarum , was die substan
liellen Formen betriü't (vgl. Anm. 423), auch hier verneint433).
Hingegen einen etwas strengeren Thomismus scheint Johannes
von Neapel (gest. i. .1. 1330) in diesen Controversen vertreten zu
haben, insoferne wir erfahren, dass er gegen des Herveus Auffassung der
verüas (s. Anm. 398) im Sinne des Thomas polemisirte434).
Auch Augustinus von Ancona (mit dem Beinamen Triumphus,
gest. i. J. 1328) lenkt mehr zu Thomas zurück, welchen er besonders
durch reichliche Benützung Avicenna's zu ergänzen sucht; nur streift er
zuweilen auch an Auffassungen hin, welche erst später (bei Aegidius und
Herveus) in die Controversen eingetreten waren. Seine Schrift De cognilione
animae435) liegt zwar einer Geschichte der Psychologie näher,
jedoch können wir aus ihr etwa Folgendes hervorheben. Als Gegenstand
der Logik, welche er mit Aegidius adminiculativa nennt436), gilt ihm
universale actu habet esse extra animam Alio modo pro esse inlenlionali, quod
subicclive est in anima, causalive extra animam, et ittud sotum non habet esse polentiale
extra animam Piolonici posuerunt universalia secundum esse existenliae
separata a singuioribus , Aristoleles, quod universalia subiective essent in singuioribus,
abstracto tamen secundum inlellectum inlelligenlem ea non intelligendo singuioria
Sed quod universale non generatur seorsim existens a singutaribus, ul
Piolonici posuerunt, palct sotulio etc.
429) VII, 24, p. 524: Universale pro prima et secunda intenlione est realiler
separatem a singuioribus in inlellectu subieclive Universale pro re obiecta,
quae denominatur ab inlentione, non est separatum a singutaribus sensit,itibus
et corporibus secundum esse extra animam Si quidditas rerum esset separata a
rebus naturalibus, tunc de rebus nuturalibus non esset scienlia.
430) Ebend. p. 525: Universulia el singuioria non sunt coniuncta lolaliler, quia
sunt separata secundum essentiom, sed tamen sunt coniuncta secundum subsistentiam.
431) V, 12, p. 312: S; loquamur de specie pro prima vel secunda inlenliene,
tunc non est extra intellvctum, sicut nec conceptus, cum sint entia ralionis.
432) X, 22, p. 636 : Duplex est genus : quoddam est naturale, quoddam hgicum.
Genus naturale dicitur, quod est commune mullis, quae conveniunt in maleria
Sed genus logicum est, quod habet unum modum praedicandi communem univocum
de mullis speciebus.
433) VIII, 6, p. 549: Si formae subslanliales elementorum intenderentur et remitlerentur,
tunc generaliu non esset lerminus alleralionis; sed hoc est folsum
Si forme substantialis intenderetur el remitlerelur, tunc generalio formae substantialis
essel simul cum alleralione,
434) Da mir des Johannes Neapolitanus Quaestiones variae quadraginta duae
Pariais disputatae. Neapoli 1618. fol. nicht zu Gebat standen, muss ich auf Das
jenige verweisen, was Hauntau (II, p. 403) in französischer Paraphrase aus Einem
einzelnen Capltel jener Schrift anführt.
435) Opusculum perulile de cognitione animae et eius polentiis Auguslini de
Anchona. Bononiae 1503. 4.
436) IV, 2 (das Buch ist nicht paginirt): Finis scienliae specutalivae est reritas
Circa huiusmodi adaequalionem rerum ad inlellectum scientiae tripliciler se
habere possunt. Primo direclive et adminicuiolive (s. Anm. 365), secundo principaliter
el obiective, lerlio ex consequcnti el suballernalive. In primo gradu sunt seien
XIX. Auguslinus v. Ancona. 275
im Anschlusse an Avicenna die Verbindung der secunda intentio mit der
prima, und da nur hiertureh die Gefahr vermieden werde , dass der In
halt der Logik zuletzt aus Erdichtetem (figmenta) bestehe, so solle man
auch nur von solchen entia rationis sprechen, welchen etwas Sachliches
entspricht (correspondet) , und in diesem Sinne liege dann der haupt
sächliche Gegenstand der Logik immerhin um der Vermeidung des Irrthumes
willen in der syllogislischen Verknüpfung der secundae intentiones437).
Nemlich in die prima intentio verlegt er sowohl dasjenige,
was Thomas intentio universalitatis genannt hatte, als auch, was bei
demselben reflexio und conversio ad phantasmata hiess438), sowie er
der secunda intentio gleichfalls im Anschlusse an Thomas die ver
gleichende und verbindende Fuuclion des Denkens zuweist439). So fasst
er auch den Uebergang, welcher von der Sinnes-Wahrnehmung zur Allge
meinheit des Denkens stattfindet, völlig in thomislischer Weise440), bedient
liae sermocinales , ul grammalica et logica, in secundo phgsica, mathemalica el metaphgsica,
in lerlio medicina, musica, astronomiu.
437) III, 6: Secundum Avicennam logica est de secundis intentionibus adiunctis
primis (s. Abschn. XVI, Anm. 74) Nam si secundae inlenliones non adiungerentur
primis, non corresponderent eis res mediantibus primis intentionibus, et sie
essent pure figmenta, sicul chimaera (vgl. ob. Anm. 98) Et ex hoc palet,
falsam esse posilionem itlorum, qui dicunt, ens ralionis esse subiectum in logica
(vgl. Anm. 370) Logica non polerit esse de enlibus ralionis tanquam de subieclo,
cum enlia ralionis, secundum quod huiusmodi, sotum sint entia apud animam.
Oporlet ergo, quod sit de talibus eulibus ralionis, quibus aliqua res correspondeal ;
el talia entia ralionis sunt secundae inlentiones (s. bei Herveus, Anm. 395)
Nec eliam oportet, secundas intentiones universaliter sumptas esse subiectum in logica,
sallem ut docens cst, quia tunc non magis esset logica de sgllogismo vel ad reclificandum
actus sgllogisticos, si non esset plus necessaria, quam ad reetificandum conceptus
generis vel specici; quod falsum est, cum in aclibus simplicibus inlellectus
per se non erret, in actibus aulem sgllogislicis eliam per se errare habeat (s. bei
Aegidius, Anm. 369).
438) III, 4: Intellectus .... dupliciter in cognitione rei fieri polest. Primo directo
adspectu, ul quando inlelligit rem sub esse universali • secundo per quandam reflexionem
el conversionem ad phantasmata Directo adspectu inlellectus intelligit
naturam cuiuscunque rei sub esse universali, quod quidem universale est primum el
directum obiectum intellectus, ut intelligit naturam hominis inquantum homo
Per reflexionem .... intellectus uniendo se sensibus et phantasmalibus apprehendentibus
ipsa singuioria specuiotur naturam hominis Ergo intelligendo rem secundum
suum esse singuiore el maleriale prima intenlio formari habet llioe intenliones,
quibus intellectus iulelligil vel directo adspectu vel per reflexionem, primae intenliones
dicuntur, et tanm sub esse universali quam sub esse singuiori primae intentiones
formari habent (s. Abschn. XVII, Anm. 500 f.).
439) Ebend. 5: Videre volumus, quae sunt secundae intentionss, quae genus ct
species el tndividuum el sgllogismus appeliontur Post informalionem, qua informatur
inlellectus conceplüme uniuscuiusque rei secundum se consideratae quasi secundario
modo inlellectus cirea huiusmodi concepliones negoliatur considerando convenientiam
conceplionum vel primarum inlentionum ad invicem, sccundmn quod possunt
pluribus vel paucioribus convenire Genus ergo et species et simitia nomina
secundarum inlentionum sunt, eo quod sunt hae concepliones, quas intellectus sibi
formal de rebus mediantibus primis inlentionibus (s. Abschn. XVII, Anm. 499 u. 506).
440) I, 11: Cum species rerum informantes ipsos sensus repraesentant ipsas
res sub tali esse signalo et sub esse particuiori ipsarum, ut in rerum natura subsistunt,
oporlet, huiusmodi species, ut sunt in sensibus, parlicuiores et maleriales
esse Si simititudines rerum sub esse universali exislerent in cdiqua polentia
sensiliva, non indigrrent huiusmodi simititudines depurari per inlellectum agentem ad
18*
276 XIX. Auguslinus v. Ancona. Antonius Andreas.
sich aber dabei ebenso, wie Aegidius, aueh des stalislischen Begriffes
der species intelligibilis J 4 1) , welchen er jedoch wieder mit Ausdrücken
des Albert (z. B. similüudo) und mit einem Gleichnisse des Thomas er
läutert 442).
Hatte somit dic thomislische Richtuug (wenn auch unter kleinen
Zugeständnissen an die tiegner oder wenigstens mit einigem Schwanken)
bis dahin entschieden das quanlitalive Uebergewichl behauptet, so gewann
nun auch der Scolismus, welcher bereits, wie wir sahen, bei Richard v.
Middleton, Radulph Brito und besonders bei Alexander v. Alessandria
sich sehr merklich geregt hatte, einen hervorragenden Vorkämpfer an dem
Franziskaner Antonius Andreas (oder Andreä, gest. i. J. 1320),
einem unmittelbaren Schüler des Scotus , welcher im Ganzen getreu den
Ansichten dieses seines Lehrers folgte , wenn er auch einige Male dem
thomislisehen Dualismus näher tritt, als die stricte Observanz seiner Schule
vielleicht billigen konnte. Ausser einem Commentare zum Sentenliarius,
in welchem Antonius lediglich den Scotus excerpirt (daher es für mich
unnöthig ist, weiteren Bezug darauf zu nehmen), besitzen wir von ihm
eine Expositio super artem relerew» 443), wobei hier zum gewöhnlichen
Umkreise der Ars vetus (s. ob. Anm. 356) auch noch lioelhius de divi-
,sione beigezogen ist, während in üblicherweise die Syllogislik zur nova
logica gerechnet wird*44); ferner einen Commentar zur Metaphysik443)
und eine Monographie De tribus principüs 446). Die Exegese der logi
schen und metaphysischen Schriften zeigt uns, was die Form betrifft,
hoc, quod possent informare inlellectum possibitem; nam tola causa, quare oportet
ponere intellectum agenlem, videtur esse malerialitas et parlicuioritas specierum existenlium
in sensu, quod ipsa universalia sunt inlelligibitia actu, eo quod actu
possunt movere inlellectum possibitem (s. ebend. Anm. 493 ff.).
441) II, 4: Ponitur intellectus agens, in cuius virtule phantasmata, quae sunt
particutaria, intelligibitia sotum in polentia fiunt et poslea actu, universalia et actu
inlelligibitia et per consequens actu possunt intellectum possibitem mavere el species
inlelligibites in ipso causare (s. ob. Anm. 375).
442) Ebend.- 1 : Ex lumine inlellectus agentis species inlelligibitis recipit actualitalem,
per quam inlellectum possibitem polest movere. Ebend. 2 : Non est possibite,
res secundum se esse pruesenles ipsi intellectui, propler quod oporlet, eas in ipso
inlellectu exislere per suas simititudines (s. Abschn. XVII, Anm. 393 u. 395), quibus
inteilectvs informatus possit ipsas res intettigere Res exteriores sunt principalia
nbiecta ipsius inlellectus, species vero intelligibites praedictarum rerum sunt sicul
ralio intelligendi el cognoscendi ipsas; ideo res ipsae cognoscuntur et intelliguntur
ab inlellectu, non aulem species inlelligibites. Ebend. 3 : Sicul sol est quoddam
universale tumen respectu cnrporalium el sensibitium, ita ltauen intellectus agenlis
est quoddam universale tumen respectu inlelligibitium (s. ebend. Anm. 510).
443) Seripta seu exposiliones Antonii Andreae super arlem vcterem et super
"Roelium de divisionibus. Vencliis 1492 u. 1508 u. 1517. fol. (nach letzlerem Drucke
cilire ich).
444) S. art. vel. i. 63 r. A: Coasideratur in libro Priorum et aliis libris norae
logicae sgllogismus (v. A) Liber Periermenias ordinatur ad libros logicae novae,
sed principaliter ad libros Priorum et mediante itlo ad alias, quia sgllogismus est
ex propositionibus.
445) Quaesliones Antonii Andreac super XII libros metaphgsicae. Veneliis 1481
u. 1514 u. 1523. fol. (nach der letzteren Ausgabe cilire ich).
446) De iribiu principiis renm naturalium. Venet. 1489. fol. und wieder ab
gedruckt bei Nuciarelli (s. Anm. 497) f. 36—57.
XIX. Antonin.s Andreas. 277
den Schüler des Scotus und ausserdem einen Mann von wirklich grosser
Belesenheit447).
Antonius lieht es, den Detail-Erörterungen in philosophischem Prediger-
Ton schwülslig rhetorische Einleitungen vorauszuschicken, in welchen er
alttestamentliche Sprüche scheffelweis ausgicsst, und indem er in solcher
Form auch den Werth der einzelnen Theile der Logik preist, führt er
zum Ruhme dieser Wissenschaft auch einen Memorial-Vers an448). Mit
Scotus stellt er die Logik als intentionalis den realen Disciplinen gegen
über449) und erblickt die wesentliche Aufgabe der ersteren im Syllo
gismus450), daher dieselbe allerdings modus sciendi sei, hiedurch aber
nicht gehindert werde , als selbstständige Wissenschaft auf eigenen Principien
zu beruhen451); und hieran reiht er, wie Scotus, den Unterschied
zwischen logica docens und ulens452). Desgleichen slimmt fast wörtlich
mit Scotus die Angabe überein , dass die Logik trotz der Wortform der
Begriffe nicht nominalislisch aufgefasst werden solle, sondern der Be-
447) Antonius hebt in seinen Commentaren slets das Fortschreiten der Argu
mentalion präcis hervor, erörtert die verschiedenen Wortbedeutungen, führt überall
Gründe (mit „Videtur, quoti sie") und Gegengründe („Vidctur, quod non") an, um
hierauf jeden derselben zu erledigen („Ad evidenliam dictorum resporuletur") , und
dabei benützt er in reichlichstem Maasse Belegstellen aus den übrigen Schriflen des
Aristoleles sowie das bei Albert aufgespeicherle Malerial, womit er, besonders in
der Exegese des Porphyrius, die vollste Ausbeutung des Avicenoa verbiudet.
448) Sup. art. vet. f. 2 r. A: „Gir»m coeli cireuivi sota", Ecel. 24 Haec
aulem scienlia, sc. togicalis, coelum dicitur cireuire pro eo, quod eius considerationi
subditur, quidquid coeli ambitu continetur, per eam enim polerimus sgllogizare
de nmni problemale An,b,lvs huius scienliae cirea subiectum suum inler alias
scientias habet inquisilionis rectitudinem taliorem, specuiolionis claritudinem alliorem,
permansicnis valetudiuem firmiorem De ipsa polest inlelligi, quod dicitur Ecel. 8:
„Cireumduxit me per ea in giro, erant enim multa valde super faciem camps"
(B) De ipsa polest inlelligi, quod dicitur Proverb. 8: „Certa lege et giro valiobat
abgs.tos et aethera firmabat sursum" Ipsa in sui ioudem prorumpens cantat
alta voce
„Frnslra doctores sine me cotuere sorores",
unde de ipsa dicit Salomon Sap. 4: „Cireuibam quaerens, ul mihi itiom assumerem
quasi sponsam". Aehnlich beginnt der Commentar zu den Kalegorien mlt dem Citate
(ebd. f. 17 v. B): „Seripsit in tnhalts verba decem, quae locutus est ad cos", Deuleron.
4, sowie jener zu De interpr. mlt (f. 63 r. A) „Tu ergo Balthasar inlerpretalionem
narra feslivus", Daniel 4, und jener zu Boeth. de divis. mlt (f. 89 r. B) „Qui divisit
mare rubrum in divisiones", Psalm. 135.
449) Ebend. f. 5 r. A : Logicus non considerat res per se, nisi pro quanto fundant
secuudas intenliones et lerminant respectum, ipsas aulem intenliones considerat
per se, et ideo non est artifex realis, sed inlentionalis. Vgl. ob. Anm. 87.
450) Ebend. f. 2 r. B : Matus huius scientiae principaliter sgllogismum considerat
simut, et postmodum secundum gradus participalionis considerut partes e,us, reducens
ad ipsum singuta, quae in ipsa logica pertractantur, tanquam ad finem ullimum, ad
quem omnia ordinantur. Vgl. ob. Anm. 93.
451) Ebend. f. 103 r. A: Dicitur, quod modus sciendi non est scientia specialis,
polest tamen esse communis, et sie est de logica Aliler dicitur, quod falsum
est, quod logica sil modus sciendi Logica docel modum sciendi pro tanto, quia
est de sgllogismo vel de argumento, per quod tantum habetur scienlia In logica
per propria principia oslenduntur propriae conctusiones, licet eius usus sit cirea
communia.
452) Ebend. : Logica dupliciler consideratur : uno modo inquantum est docens,
et sie procedit ex propriis principiis et necessariis; alio modo inquantum uli
278 XIX. Antonius Andreas.
griff eben in Mitte zwischen dem Realen und dem Sprachlichen stehe453),
— ein Coneeptualismus , welchen Antonius sowohl polemisch gegen
Plato richtet 454) als auch insbesondere durch die Bedeutung des Urtheiles
stützt455).
So kann er in einer theils scolislischen theils byzanlinischen Ter
minologie den Universalien ein dreifaches Sein zuweisen, nemlich in den
Dingen , in der Quiddität (d. h. ante rem), und in der logischen inlentto456),
oder ebenso kann er die ersten beiden Seiten zusammenfassen
und mit Alexander v. Alessandria (oder mit Johannes v. Jandun) nur die
Doppelstellung des „causando" und „praedicando" betonen45 '); womit sich
von selbst Bemerkungen über Priorität und Posteriorität verknüpfen 458).
Er stellt nemlich überhaupt ziemlich dualislisch die objeclive Wesens-
Einheit dem Denk-Impulse gegenüber459), so dass er fast bei genus logicum
und genus naturale ankommt460); aber er lenkt diess wieder (selbst
im Wortausdrucke) in die Auffassung des Scotus hinüber, wornach ein
gelegentlicher Causalnexus (occasionaliter] zwischen dem objecliven Uni
versale und der Denkoperalion besteht461), daher er auch die Ansicht
mur logica applicando ad ilio, in quibus est usus, et sie non est ex propriis, sed
ex communibus. Vgl. ob. Anm. 90.
453) Ebend. f. 18 r. B: Liber Praedicamentorum non est de decem vocibus ul de
subiecto primo, nec aliqua pars logicae est de voce, quia omnes passiones sgllogismt
et enunlialionis et lermini possunt sibi inesse secundum esse, quod haben! in menle,
esto, quod non proferantur • sed est de aliquo priore, quod respectu vocis significalivae
habet tantum ralienem significali (v. A) Logica nec est scientia realis nec
sermocinalis, est de conceptu per se Multum convenil cum sermone prapler
duu; quia conceptus esl immediatum significatum per vocem, el quia passiones
conceptus insunt voci significalivae, sicul incomplexio el complexio. Ebenso f. 63 r. A.
S. Anm. 96.
454) Ebend. f. 68 r. B : Ponere, aliquid exislere, secundum quod ei attribuitur
ralio communis, hoc est ponere ideas, secundum quod Pioto posuit; igitur commune,
secundum quod habet ralionem communis, est natura, proul concipitur sub ralione
dicibitis de pturibus.
455) Ebend. f. 66 v. A: Campositio (im Urtheite) est iliorum rerum, non tamen
ul existunt, sed ul inlelliguntur, et ideo veritas et falsitas dieitur cirea compositionem
inlellectus, quia itio compositio ab intellectu causatur et est in intellectu. Vgl.
Anm. 181.
456) Ebend. f. .H v. B: Significatum lermini communis significanlis veram naturam
palest tripliciter considerari. Uno modo secundum esse in supposilis, quod
dieitur esse maleriale eius; secundo modo absotule secundum esse quidditalivum;
lertio modo, ut per formam inlelligibitem ab inlellectu apprehenditur,
quod est esse cognitum, et sie ei insunt inlentiones. Vgl. Anm. 119 u. 129 f.
457) 0n. s. metaph. I, 10, f. 9 v. A: Duplex est universale, sc. in causando el
in praedicando Magis universale secundum causalitalem est nobis minus nolum
S« autem quaeratur de universali secundum praedicalionem, singuiore
simpliciter est nobis nolius, quam universale. Vgl. Anm. 248 u. 426.
458) S. orl. »el., f. 92 v. A: Genus et quodlibel universale, ul dicit mihi praccise
intenlionem, est posterius; genus, ul dicit rem sive primam inlentionem ,
est prius. Vgl. Qu. s. metaph. VII, 16, f. 40 v. A. S. Anm. 108 n. 286.
459) Cc. s. metaph. V, 6. r. 23 r. A: Omnis unitas causata ab inlellectu habet
unitalem in re, qua originatu,, sicul ignis generut ignem sibi simitem in specie,
nullo etiam intellectu existenle.
460) S. art. vet. (. 92 r. A : Vox dividitur in proprias significaliones ; genus
vero non, sed in quasdam quodammodo a se proerealiones. Vgl. bei Herveus ob.
Anm. 403.
461) Ebend. f. 3 r. B: Universale est ab inlellectu, nec sequitur: ergo est fig
XIX. Antonius Andreas. 279
seines Lehrers wiederholt, dass das Universale als Quelle der Bezeichnung
ein Erzeugniss des Intellectus sei462), und hiemit die gegenständliche
Auffassung (subiective) auf das materielle Dasein hinweise, während die
Vorstellung (obiective) das formelle Denk -Element enthalte463). Erklär
licher Weise beruht hierauf eine durchgängig wörtliche Uebereinslimmung
des Antonius mit Scotus in der Auffassung der prima und secunda intentto464),
sowie in Behandlung der Begriffe abstractum und concretum465),
womit eine dualislische Parallelstellung des „in anima" und des
„in rebus extra" sehr wohl sich verträgt46ü). Neu kommt nur hinzu,
dass Antonius mit der intentio auch die byzanlinischen Begriffe signatum
und exercitum in Verbindung bringt467). Die Begründung aber jenes
Causal -Verhältnisses, welches zwischen dem objecliven und subjecliven
Auftreten der Universalien besieht (Anm. 461), führt auch hier zur species
intelligibilis des Scotus 41i8) ; was jedoch das Verhältniss derselben zur
Wortbezeichnung und zu den Einzeln-Objecten betrifft, modiücirt Antonius
mentum, quia figmento nihit correspondel in re extra, universali aulem respondet ali
quid, a quo movetur inlellectus ad causandam talem inlenlionem Universale
effective est ab intellectu, sed malerialiter sive originalsler aul occasionaliler est a
proprietale in re comperta, quod non est verum de figmento (s. Anm. 99 f. u. 116).
462) Ebend. f. 3 I.B: Intellectus est, qui faeit universalitalem in rebus,
universale aulem denominal rem, non inlellectum, ergo est in re subiective, m inlellectu
aulem ut in efficiente (vgl. Anm. 127 u. 123). Hiezu aber unlen Anm. 469.
463) Ebend. f. 87 r. B: Dislinguitur in genere duplex polenlia, sc. subiectiva
et obiectiva: polenlia subiecliva sumitur in re per comparalionem ad materiam, de
qua fit; maleria enim est subiectum omnium formarum et in polenlia ad eas; sed
polenlia obiectiva atlenditur in re per comparalionem ad agens, quod polest ipsam
producere ad esse. Vgl. Anm. 105.
464) Ebend. f. 3 r. A: Universale est nomen coneretum (s. Anm. 128), sumitur
ergo tripliciler sicut alia conereta. Uno modo pro subiecto, i. e. pro re primae inlenlionis,
cui applicatur inlenlio universalis, et hoc modo universale est obiectum
primum inlellectus, et omnis scientia est universalium ; secundo modo sumitur
pro forma, sc. pro re secundae inlenlionis; lerlio modo sumitur pro aggregato ex
subiecto et forma (s. Anm. 107), et ittud est ens per accidens Universale aulem
secundo modo sumptum est de consideralione logici (s. Anm. 89 u. 106). f. 4 r. A:
Scienliu realis est de universali primo modo, quod sc. est res, sed logica est de
universali secundo modo, quod est inlenlio, ideo scienlia ralionalis vocatur (s. Anm.
87). Vgl. f. 4 v.B, f. 46 v. A, u. 0u. s. metaph. VII, 16. f. 40 r. B.
465) S. ort. vet. f. 9 r. A : Sicut est duplex abstractum, unum, quod abstrahit
a subiecto, aliud, quod abstrabit a forma, ut est in supposito, ita est duplex con
eretum per oppositum, unum, quod concernit suppositum, aliud, quod concernit
subiectum; exemptum primi humanitas et homo, exemptum secundi albedo et album
(vgl. Anm. 128).
466) Ebend. f. 4 v. B : Voco primam inlenlionem ipsam rem cognitam vel positam
in esse intellecto et cognito, voco aulem intentionem secundam quandam reiolionem
sive comparalionem inlellectus, qui comparat unam primam inlenlionem ad
aliam primam intenlionem, et sie secundun, diversas comparaliones formal diversas
secundas inlenliones Universale sumptum pro intentione nihit est in rebus extra,
sumptum pro subiecto inlenlionis est vere aliquid in rebui. Ebenso Qu. s.
metaph. VII, 16, f. 40 r. B.
467) S. art. vet. f. 5 v. B: Esse in rebus primae intentionis id exerret, quod
praedicari signal in secundis inlentionibus ; differenlia aulem est inler actum signatum
et exereitum in mullis u. s. f., s. Abschn. XVII, Anm. 605.
468) Ebend. f. 8 v. A: Ad ralionem generis requiritur, quod habeat plures
species actu, non quae existant actu vel polenlia, sed tantum actu concipiantur per
speciem inlelligibitem acceptam ab individuis quandoque exislenlibus (s. Anm. 110 ff.).
280 XIX. Antonius Andreas.
die Ansicht seines Lehrers dahin, dass der eigentliche Gegenstand der
Bezeichnung die Sache selbst schlechthin , d. h. abgesehen von Existenz
oder Nicht-Existenz und abgesehen vom Gedachtwerden , sei, und hiemit
die species intelligibilis erst durch ein Zurückbeugen des Intellectus
(reflexio), also nicht unmittelbar, erfasst werde469). Uebrigens nimmt er
auch den Begriff der verüas (vielleicht auf gleichzeilige Controversen
blickend, s. Anm. 398 u. 434) dualislisch nach einer objecliven und einer
subjectiven Seite, deren letztere gleichfalls ein Zurückbeugen in der Vor
stellung enthalte und in den Urtheilen conform mit dem sachlichen Be
stande auftreten müsse4"0), dabei aber jedenfalls nur dem formellen
Momente der Vorstellung (non subiective, formaliter] angehöre471).
Bezüglich des Princips der Individualion folgt Antonius, wie sich
nicht anders erwarten lässt, gleichfalls dem Scotus. Er nimmt nicht bloss
den Begriff der haecceüas beifällig auf472), sondern schneidet auch noch
entschiedener als Scotus die thomislische Ansicht dadurch ab, dass er
die Materie als ein lediglich Potenzielles von der reinen Actualität der
Form aufs schärfste trennt und zwischen beiden eine begriffliche und
reelle Verschiedenheit statuirt 473). Indem aber hiebei die räumlich aus
gedehnte Materie gemeint ist, erblickt er andrerseits eben jenen nemlichen
Gegensatz gegen die quidditalive Form, welche als solche allgemein ist,
auch in der individuellen Verschiedenheit und Eigenthümlichkeit der
Einzeln- Wesen, und so kommt er dazu, den Begriff der Materie in nichtphysikalischem
, vielmehr ontologischem Sinne in einen Causal-Zusammen-
Ebend. f. 66 r. A : Quaeritur, utrum nomen significet rem vel speciem
Kst una opinio, quod species intelligibitis immediale significatur per vocem (y. A)
Secunda opinio est, quod res primo significatur, non tumen secundum quod existit,
quia nec sie per se intelligitur, sed secundum quod per se concipitur ab inlellectu
Oico, quod res inlelligitur primo, species aulem per reflexionem .:. . , lltud, quod
proprie significatur per vocem, est res, non res ut intelligitur, nec res ut existens nec
ul non existens, sed res absolule, ut abstrahit ab istis et est extraneum Mi -quodlibet
itlorum. Ebenso f. 68 r. A. S. Anm. 126 f.
470) Ebend. f. 64 v. B: Est veritas in rebus, et est veritas in inlellectu
Verum in inlellectu est secundum inlellectus operalionem, secundum quam natus esl
inlellectus conformari obiecto ul mensuratum mensurae JVon est veritas in in
lellectu obieclive nisi refleclenle se super actum suum (f. 65 r. A) Veritas incomplexa
est formaliter habitudo conformitalis ad obieclum simpliciler inlelligibite.
Veritas aulem complexa ad obiectum complexum Compositio est, quando intellectus
apprehendit rerum idenlitalem, divisio vero, quando apprehendil
rerum diversitalem. Fast wörtlich ebenso Qu. s. metaph. VI, 6, f. 30 v. A.
471) S. art. ret. (. 45 r. A : Verum et falsum sunt in oralione sicut in signo
non subiecliVe el dicunt formaliler respectum conformitalis et difformitalis ad rem.
Vgl. Anm. 129, 133, 147.
472) 0u. s. metaph. I, 8, f. 8 v. A : In singuiori est duo considerare, sc. ipsam
singuioritalem, quae polest vocari haecceitas, el naturam subiectam singuioritali, quae
de se est indifferent ad esse hoc.
473) lle tribus pri»c. f. 41 r. A: Licet maleria sit ens in actu entitalivo, quia
est aliquid extra suam causam distinctum, tamen distinguitur contra actum formalem
completum et specificum Maleria est purum actuabite el polentiale, forma est
purum actualivum, el nihit unius ineluditur in ralione allerius, quia aliter nee ittud
esset purum actualivum, nec itiud purum actuabite Maleria dislinguitur realiler
a forma realitale positiva recepliva omnino allerius ralionis a forma (d. h. welche
einen in jeder Beziehung von der Form verschiedenen Wesensgrund enthält), et est
quid primo diversum ab ca.
XIX. Antonius Andreas. 281
hang mit der Häcceität zu bringen 474). Hingegen die physikalische
Malerie, welche nie als einheitliche Urmaterie exislire, finde eben nur
durch specifisch verschiedene Formen ihre beslimmte Qualificirung475);
und was die unkörperlichen Individuen (d. h. die Engel) betrifft, so ge
nüge die ihnen anklebende Passivität zur Erklärung ihrer Individualion476).
Ebenso zeigt sich Antonius als treuer Scolist in der Annahme einer pluralitas
formarum 4 7 7) , sowie in demjenigen, was er über intensio et
remissio formarum, bemerkt, wobei er die Gradabstufung in die Hefähigung
des Einzeln-Dinges, nicht aber in die Form selbsfc, verlegt478).
Ausser diesen allgemeineren Parteifragen muss aber auch noch eini
ges Einzelne , was in des Antonius Exegese (s. Anm. 447) vorkommt,
berührt werden. Bei Erklärung des Porphyrius 47!)) erwähnt er einmal
den aristotelischen Begriff der tabula rasa480), wiederholt auch betreffs
der einzelnen fünf Universalien fast den ganzen Commentar des Avicenna
und des Albert, sowie des Scotus Begründung der Fünfzahl 481), und
474) Qu. s. metapb. V, 5, f. 22 v. B: Quaedam est maleria, quae opponitur
formae tolius el ipsi quidditali et per conscquens est extra ralionem quidditalis formaliter;
el baec est maleria, quae est differentia seu proprietas individualis, quae
est causa propria haecceitalis et individualionis.
475) De tribus princ. f. 45 v. A : Non est una maleria numero omnium generabitium
et corruplibitium, quia impassibite est, eandem maleriam numero informari
simul formis substanlialibus contrarie el specifice dislinctis.
476) S. art. vet. f. 55 r. A: Angetus passet fieri sine erealione ereaturae
eorporalis, tamen in angelo est polenlia passiva, qua passet esse in loeo.
477) Qu. s. metaph. VII, 17, f. 41 r. A: Est una opinio, — quod est aliqua
forma mixti una realiler, sed ptures virtualiter conlinens multas perfecliones
Est atia opinio, quam reputo veram, (B) quod in quolibet vivo praeler formam
animali est alia forma communis cnrporis el mixti, et praeler Aas, quae sunt communes
Mi animali Tel vivo, sunt aliae partiales specificae dislinctae toi, quot organa
dislincta sunt. De tribus princ. f. 51 v B: In quoeunque animato nccesse est ponere
aliquam formam, quae est forma corporis mixti alia ab itio, qua est animatum —
f. 52 r. B : In quolibel vivo praeler formam animali est alia forma corporis et mixti,
el praeler has, quae sunt comn,unes Mi animali vel vivo, sunt aliae partiales sperificae
dislinetae M, quol organa dislineta. Vgl. Anm. 156.
478) De tribus princ. (. 53 r. A: Qualitas secundum se non suscipit magis et
minus, sed sub,cctum secundum itiom (B) Forma specifica est indivisibitis quantum
ad gradum specificum, divisibitis vero quantum ad gradum perfectionalem. S.
art. vct. f. 10 v. A : Quamvis esse specificum in se sit unun, et quasi indivisibile,
secundum quod abstrahit in suo conceptu ab omni gradu individuali, non obstat,
quin possit participari magis el minus secundum tales gradus. Ebend. f. 25 r. A :
Aliqua forma substantii,lis, ul puta forma ignis, non secundum esse specificum, sed
individuale, sc. secundum esse, quod habet in supposilis, habet aliquos gradus et
portiones, secundum quos magis et minus in diversis individuis parlicipatur. Vgl.
f. 36 v. B, f. 44 v. A, f. 62 r. A. S. Anm. 160.
479) Nach einer drei enggedruckle Cotumnen füllenden Lobpreisung der Logik
überhaupt kommt Andreas mit rhetorischem Schwulst (s. Anm. 448) auf die Isagoge,
von welcher er sagt (f. 2 v. B): De auctore huius libri polest dici ittud Matth. 7
„Bene omnia fecit, et surdos facit audire et mutos loqui" n. s. w.
480) S. art. vel. f. 4 v. A : Quidam exponunt (s. die Stelle Abschn. XIl, Anm.
86) „intellectum sofam", cui nihit correspondel in n extra, ut est inlellectus figmenti,
„intellectum nudum", qui est sine omni specie vel habitu, ut est tanquam
tabuio rasa, in qua nihit est depictum (s. Abschn. IV, Anm. 97), „inlell,'ctum
purum" vocant inlellectum angelicum vel divinum Per intellectum solum, nudum
el purum idem intelligitur, el verba ista aequipollent. Vgl. Anm. 377.
481) Ebend. f. 17 r. B, s. Anm. 162.
282 XIX. Antonins Andreas.
ausserdem erwähnt er einen neuen Memorialvers482). Bezüglich der
Kategorien führt er eine spitzfindige Dislinclion des aequivocum an483),
bezeichnet in ähnlicher Weise , wie wir es bei Pseudo - Thomas sahen
(Anm. 314), Quanlität und Qualität als absolute Accidenzien484), verwerthet
bei der Relalion einen Begriff, dem wir bei Raimuudus Lullus
begegneten (vor. Abschn., Anm. 58 u. 70), nemlich den der aequiparantia485),
und zeigt uns bei Besprechung der Gegensätze wieder
(vgl. Anm. 459 ff. u. 466) seine Hinneigung zum Dualismus486). In der
Lehre vom Urtheile finden wir Bemerkungen über das Verhältniss des
Urtheiles zum Syllogismus487), über Copula488), über eine Lückenhaflig
keit der aristotelischen Lehre489) und insbesondere über die modalen
Urtheile, bei welchen er an der älteren Eintheilung in modus nominalis
und adverbialis 490), sowie an der byzanlinischen Regel der modalen
Aussage festhält 4 9 1) , und auch die ältere einfache Figur aufnimmt492).
Und sowie er schon hierin byzanlinische Lehre beizog, so begegnen wir
auch überhaupt häufigen Erwähnungen jener logischen Theorie493), wor
unter besonders die Lehre von den consequentiae hervorragt 494) , bei
welcher er die mathemalische Form der Proporlionen förmlich als eine
Schluss -Weise erwähnt495).
482) Ebend. f. 9 r. B. Es ist jedoch nur der ersle von zwei zusammengehörigen
Versen, welche ich unten (Anm. 615) bei Burleigh anzuführen habe. Einen Prioritäts-
Streit über den Urheber solcher Verse wird wohl Niemand erheben, zumal da Vieles
auf Rechnung späterer Abschreiber fallen kann.
483) Ebd. f. 18 v. A: Aequivocum includit duplicem reiolionem, sc. habitudinem
ad aequivocans et ad aequivocatum.
484) Ebd. f. 43 v. B: Praedicamentorum quaedam sunt substanlia, quaedam
accidentia: substanlia aulem est unum praedicamentum tantum; accidenlium aulem
quaedam sunt absoluta, ul quantitas et qualitas, quaedum sunt respectiva, ut reliqua
seplem.
485) Ebd. f. 30 r. B: Retalivum aequiparantiae est aequivocum, quia proprie
sumptum est ali,juid retatum ad aliud secundum eandem formam, cuiusmodi
sunt „simite" et „aequale". Vgl. f. 10 r. A.
486) Ebd. f. 37 v. B: Opposilio in uno sensu sumpta dicitur univoce de contrarietale
et opposilione reioliva, in alio sensu dicitur univoce de contradiclione et
privaliva opposilinue. Primo modo est ens reale, secundo modo est iulenlio.
487) Ebd. f. 63 v. B; s. Anm. 93.
488) Ebd. f. 67 v. A u. B.
489) Ebd. f. 79 r. B: Aristoleles hie praelermisit mulliplices oppositiones, ubi
subiicitur nomen infinitum universalsler sumptum. Vgl. Abschn. XVII, Anm. 450.
490) Ebd. f. 86 r. A : Duplex est modus, nominalis et adverbialis u. s. f. S.
ebend. Anm. 43.
491) Ebd. f. 84 r. A: In propositionibus modalibus modus ponitur a parle praedicali,
et ei addenda est negalio (v. A) In proposilionibus de modo ipsum
dictum subiicitur, ita quod eliam verbum est pars subiecli. S. ebend. Anm. 161.
492) Ebd. f. 87 r. A: Propler hoc, aliqui hubent hie figuram n. s. f., d. h. es
folgt die auch von Thomas (s. ebend. Anm. 541) aufgenommene Figur, welche uns
zuerst bei Withelm Shyreswood (s. ebend. Anm. 45) begegnet war.
493) So linden wir supposilio personalis f. 22 v. A u. f. 69 r. A, amplialio f. 70
r. B, 73 v. A, 80 v. B, distribuliv f. 83 r. B, appeliolio f. 73 v. B, calegoreumalice et
sgncalegoreumalice f. 8 r. B, 63 r. A, 80 v. B, sensus compositus et divisus (s. ebend.
Anm. 585) f. 76 r. A.
494) Ebd. f. 22 v. A, 39 r. A, 41 v. A, 86 r. A.
495) Ebd. f. 89 r. A: Tenet argumentum a commutata proporlione, quantum ad
contradicere et converti; sed nunquam lenet, quantum ad contradicere et sequi,
XIX. Franciscus Mayron. 283
In einer sehr eigenthümlichen Weise vertritt der Franziskaner
Franciscus Mayron (gest. 1325) den Scolismus, indem er in der
Universalien-Frage (— aber auch nur in dieser —) sich völlig auf einen
platonischen Standpunkt stellt, so dass uns hier ein ähnliches Verhältniss
wie bei Heinrich Göthals (ob. Anm. 36) hegegnet, d. h. Mayron wäre
gleichfalls unter anderen Zeitumständen sicher der exclusivste Platoniker
geworden, und auch ihn hinderte hieran nur die Auctorität des üblich
gewordenen Stoffes und andrerseits der Umstand, dass man damals Plato's
Schriften noch nicht besass. Allerdings macht es eineu fast komischen
Eindruck, wenn Mayron mit seinem platonischen Realismus zugleich eine
reichliche Durchführung der Ansichten des Scolus verbinden zu können
glaubt ; aber daneben könnte es uns selbst freuen , dass einmal Jemand
Selbstständigkeit genug besass , um gegen den allgemeinen Strom zu
schwimmen und auf eigene Faust sich für Plato zu erklären. Wir be
sitzen von ihm einen Commentar zum Petrus Lombardus und Quod-
Zt'fteta490), ferner eine Erklärung der Isagoge und der Kategorien, eine
Schrift De primo principio, Formalitales (s. jedoch unten Anm. 529),
sowie De univocalione enlü497).
Wenden wir uns zu den Hauptfragen498), so begegnen wir vorerst
einer ausschliesslich religiös-dogmalischen Tendenz, welche der Darstellung
der Logik bei Mayron zu Grunde liegt, da es sich dabei nur um die
Mittel zum Siege über die Anorthodoxie handle490). Sodann aber über
sed fit semper faliocia consequenlis, v. gr Sicut se habet homo ad non hominem
secundum consequentiam, sie animal ad non animal secundum consequentium ;
ergo permutalis: Sicut homo ad animat, sie non homo ad non animat; sed omnis
homo est animal; ergo omne non homo est non animat; folsum cst u. s. w.
496) Iltuminali doctoris fratris Francisci de Magronis in primum sententiarum.
Veneliis 1504. fol. tn secundum ebenso. In lertium ebend. 1506. In quartum
ebend. 1507. Quodlibettales [sie] quesliones fertitissimae iltuminali doctoris Franc.
de tiagronis. Veneliis 1507. fol. In einem anderen Venelianer Drucke v. 1520,
welcher mir nicht zugänglich war, sind auch einige der kleineren Schriflen, welche
Nuciarelli herausgab (s. folg. Anm.) enthallen.
497) Contenta in volumine per eximium artium et medicinac oralorem dom.
üiermgmum de Nuciarellis Romanum cotrecta et emendata, lector, insrnies: Passus
super universalia et praedicamenta ittuminali Francisci Maironis (ein ällerer Druck
dieser Schrift ist Bononiae 1479. 4). Formalitales eiusdem. lle primo principio complexo
eiusdem Francisci. De lerminis theologicis eiusdem. Formalitales Petri Thomae
(s. Abschn. XX). De secundis intentionibus llierongmi (d. h. des Nuciarelli selbst).
De entc et essentia divi Thomae. Tria principia rerum naturaiium Antonii Andreac
(s. Anm. 446). Expositio Francisci Maironis s. VIII libr. phgs. De cuiuscunque
scientiae subiecto Comelii Hispani. Super liliras de anima Joannis Scoli. De univocalione
entis Francisci Maironis. Veneliis 1517. fol.
498) Nemlich die Exegese als solche bietet in den Passas suprr universalia
nichts Erhebliches dar, indem nur zum Verständnisse des Wortioules stets „dubia"
oder „difficultales" (meislens vier oder acht) aufgolisrhl und glücklich oder un
glücklich gelöst werden. Jedes einzelne Glied der logischen Lehre heisst dnbei
ein passus, und die Isagoge enthält deren 40, die Kalegorien 65, und der un
vollendet gebliebene Commentar zu De inlerpr. nur 7.
499) Passus s. univ. f. 2 r. A: Ad ostendendum, quod veritas phitosophiae non
contradicit auctoritali divinae sapienliae , deerevi, passus communes phitosophiue
discurrere resecando superltua, quae in hac arle contineri videntur; pracslilulo fine
quadruplici, ... . ul muniliones ralionum pbitosophicarum contra veram phitosophiam
garrienlium destruantur, ul consitia argumentalionum infidelium adversus theo
284 XIX. Frauciscus Mayron.
rascht er uns mit der litterarischen Entdeckung, dass die Isagoge des
Porphyrius eigentlich nur eine zweite Auflage des platonischen „Sophistes"
sei . und da von Plato , auf welchen stets die christlichen Heiligen so
grosse Stücke gehalten, natürlich nur Kundgebungen einer Ur-Wahrheit
zu erwarten seien, so ergehe sich hieraus von selbst der hohe Werth der
Isagoge 500). Aristoteles hingegen gilt dem Mayron als unfähig zu allen
metaphysischen Fragen und als der neidvolle Verderber der platonischen
Ideenlehre501), welcher jedoch nur das Wort „Idee" durch schlechte Er
klärung in Misskredit gebracht haho, während die Sache selbst unzweifel
haft klar sei502); denn die Ideen seien eben die unveränderlichen Muster
bilder der Dinge in der Weisheit Gottes 503).
Darum findet Mayron, dass, wenn man die Universalienfrage bloss
auf den Gegensatz des esse in anima und des esse in re extra stelle,
jede der vier möglichen Annahmen unhaltbar sei: nemlich die Univer
salien können weder ausschliesslich in der Seele sein, da dann alle
Wissenschaften die objeclive Realität verlören , noch auch ausschliesslich
in den Dingen, da immerhin der Priorität der Objecte ein Posteriorisches
im Subjecte entsprechen müsse; ferner könne das Universale nicht zu
gleich theils in der Seele und theils in den Dingen sein , da diess der
Untheilbarkeit der Quiddität widerspreche; noch auch endlich könne man
sagen, dass das Universale in verschiedener Modalität in der Seele und
in den Dingen sei , denn das Gleiche gelte auch von der singulären
logiam insurgentium dissipentur, ut superbiae ingeniorum sublitium adversus
doctrinam calbolicam sr erigentium comprimautur, ut excellenliae inlellectuum
sublilium ad vnitatis noliliam renire cupientium ad Chrisli domini nostri servilium
adducantur. Ebend. f. 9 r. B: Cum in lerlio Sentenliarum votumus tractare de unitale
naturae humanae Chrisli, ul extoltamus suae incarnalionis mgsterium, oporlet, nos
scire, quid genns, quid species et differentia, ut sciamus dissolvere versulias
phitosophorum, proul ee erigunt infideles ad incarnalionis mgsterium impugnandum.
500) Passus s. un. f. 2 r. A : Occurrit primo inconsueta apud Lalinos phitosophin,
liber Ptatonis, qui dicitur Sophisles, qui, licel fuerit, sicut Boethius refert, editus a
Piolone, fuit tamen a Porphgrio repelitus, et ideo vulgo allegatur ihi Porphgrius; quia
tanmen auctoritas Piotonis est praestanlissima inler auctoritales omnium phitosophorum
i,pud sanctos nostros, ideo magis convenit in hoc libro allegare Plntonem, qui fuit
reputatus olim intcr phitosophos sicul Jupiler inler dcos; et secundum quod isle liber
fuit traditns a Piolone. prima veritas in eo contenta est. So nennt er gelegentlich
noch öflers den Plato als den Urheber des Inhaltes der Isagoge.
501) Sent. l, Dist. 47, qu. 3, f. 145 r. B: Aristoleles altribuit ideis quatuor
enndiliones. quas videlm negasse Ptato: prima est singutaritas , secunda, quod
esset ens astu existens, lerlia, quod esset separata localiler, quarta, quod mensuraretur
lempöre (v. A) Sed quare Aristoleles votuit sie facere, una assignatur
votuntas, quia habuit invidiam contra eum Aristoleles füil oplimus phgsicus,
sed pessimus metaphgsiens, iquia nescivil abstrahle, et ideo pessimam metapkgsicam
fecit.
502) Ebend. f. 145 v. A: Ideae non sunt imponendae Piotoni, sind eas imponil
sihi Aristoleles, qund sc. essent quaedam mon»tra in ae're subsistenlia singutaria
(B) Ralio, quare non ponuntur commm,iler ideae, non ost niii propler infamiam vorabuli,
quam sortitum est ex intellectu malo, quem Aristoleles imponit Pioloni; sed
dummodo res sil manifesta. de vorabulo non est curandum.
503) Ebend. qu. l, f. 144 v. A: Deus est sapiens per ideas; sunt raliones
incommutabites et aelernae, quia ad ipsas reducitur omnis incommutabitis veritas;
non dicunt aliquid absotutum formaliter, sed respectivum, quia idea, inquantum
idea, formaliler est exemptar, sed exemptar formaliler est ad aliud.
XIX. Franciscus Mayron. 285
Sinneswahrnehiuung; — kurz Mayron triü't merkwürdiger Weise mit
Aegiilius Romauus (Amu. 374) darin zusammen, dass die Universalien an
sich weder in der Seele noch in den Dingen seien, aber als posiliver
Rest bleibt ihm dabei die platonische Idee, welche weder ein Fabricat
der Seele noch ein Ding, sondern eben die Potenzialität des reellen Seins
sei504); und so habe auch der tradilionell gewordene (arabischej Aussprach
„intellectus agit universatüatem" nur den Sinn, dass die immer
hin relalive Vorstelluugs - Weise (obiectivum), nicht aber das gegenständ
liche Sein, durch die Denkthäligkeit erzeugt werde505). Wenn er aber
in der objecliven Welt die substantielle Allgemeinheit, welcher die ralio
nelle Priorität zukommt, dualislisch neben das Einzelnsein (supposüum,
s. Anm. lOi), 251, 407) und die empirische Priorität desselben hin
stellt D'"'), entscheidet er sich bezüglich der Erkennbarkeit des Singulären
dahin, dass in Folge einer gleichförmigen Vermittlung der Vorstellung
(uniformiter repraesentativum, A. h. der species inieilig ibitis des Scotus)
der Intellectus überhaupt das Einzelne eigentlich in allgemeiner Weise
erfasst507). Hiedurch streift er abermals an Aegidius (Anm. 379), indem
die secunda intentio sich zur Relalivität der Reziehung (respectus) zwi-
504) Ebend. qu. 4, f. 146 r. A: Fuerunt quatuor opiniones. Prima, quod unirersalia
sunt tantum in anima el nuliolenus in re extra, quia, quidquid est in rerum
natura, est sinr/uiore Secunda, quod unirersalia habent esse in rerum natura
et non in anima, quia non sunt extra sua parlicuioria Terlia, quod universalia
partim habent esse in re extra et partim in anima. Quarta, quod habent esse uno
modo in anima, sc. obiectiVe, et alio modo in rerum natura, sc. subieclive, quia inveniuntur
in suis particuioribus essenlialiler el obieclivaliter in inlellectu. Prima via
non polest stare, quia de entibus ercalis in anima nulio est scienlia realis, et tamen
umuis scienlia est de universali Nec secunda, quia priori repugnat, esse sine
posleriori, sed un,cersalia sunt priora Ncc lertia, quia eadem simplex quidditas
non polest esse ens ralionis et ens reale Nec quarta, quia eodem modo dicitur
de huc albedine singuiori, quod habet esse obieclive in anima et subiective in rerum
natura Ideo videtur dicendum, quod universalia secundum se non habent es-e
in anima nec in rerum natura, quia tola coordinalio praedicamentalis ,'idetur esse
incommutabitis omni consideralione nostra (B) Universale est non fabricatum
ab anima, eo quod abstrabit ab omni produclione; nec tamen per hoc est ens reale,
sed sotum natum esse ens reale, et sie conceditur esse reale in polentia et non
in actu.
505) Ebend. f. 146 r. B: Infinitae auctoritales auctorum sonant et dicunt, quod
intellectus focit universalitalem in rebus, el universalia sunt ab anima fabricata.
Dici polest, ut vitetur scandatum sequentium eos, quod inlellectus nostsr produiit
universalia in esse cognito, quod est esse obiectivum el secundum quid, et dal eis
esse co,iuitum, non esse simpliciter, el sie secundum tale esse polest dici corum causa.
506) Passus s. un. f. 10 v. B: Substantia polest dupliciler accipi; aul pront
dicitur a substando, et sie superiora prius substant, sicul prius sunt et prius eis
diffinilio convenit entis.per se; aul prout dicitur a subsistendo per modum suppositi,
et sie individua prius subsistunt, quia ralio supposili primo convenit individuo, et
communia nonnisi per individua suppositantur.
507) Sent. I, Dist. 3, qu. S, f. 27 r. A: Dicunt aliqui, quod sotum singuioria
inlelligimus, quia itio praecise intelligimus, quae movent ad inlellectionem sui
Contra istud arguo (B) lltud, quod intelligit per repraesentalivum uniformiler
repraesentans, non intelligit aliquid de his, quae insunt sibi per accidens.... Omne,
quod inlelliqil aliqua distincta, ut dislincta, non decipitur cirea distinctionem eorum;
sed intellectus decipitur cirea distinclionem singutarium, ergo non cognoscit ea uf
dislincta Necessario oportel dicere, quod ralionem particuioris cognoscimus satlem
in general,, et lalis cognitio parlicuioris sufficit ad cognilionem universalis.
296 XIX. Franciscus Mayron.
sehen Allgemeinem und Einzelnem gestaltet508); ja er erblickt darin
sogar nur gemeinsame höhere Merkmale, welche nicht das Wesen selbst
sind (non est essentiale), während die unmittelbare bejahende oder ver
neinende Aussage Sache der prima intentio sei 509). Nur verwahrt er
sich ausdrücklich gegen nominalislische Einseitigkeit und schliesst sich
vollständig dem Intellectualismus (— menlalis —) des Scotus an510), so
dass er auch das Gebiet des „conceptus" überhaupt erst von der secunda
intentio an beginnen und in aufsteigender Linie zum Allgemeinsten und
auch zu transscendentia (s. Anm. 273, 355) sich erheben lässt511).
Dabei aber blickt freilich wieder der Dualismus in der Annahme durch,
dass die Wahrheit einerseits ein Zustand der objectiven Dinge sei und
andrerseits in der Verknüpfung der Begriffe liege512).
Was das Princip der Individualion betrifft, schliesst sich Mayron so
wohl in der Unterscheidung zwischen esse und existere613) als auch im
Begriffe der haecceilas völlig an Scotus an514), wenn er auch mit dem
Wortausdrucke „modus intrinsecus" uns an Herveus (Anm. 416) erinnern
könnte515). Possierlich ist es allerdings, wenn er die Häcceität für pla
tonisch und zugleich für aristotelisch hält und den Porphyrius darüber
508) Passus s. uH. f. 10 r. B : Communicari et commune esse perlinent ad secundas
inlentiones, sicut esse universale, quae sunt respectus consequenles et
convenienles inferioribus et superioribus, ul ab invicem distinguuntur.
509) Sent. l, Dist. 23, qu. l, f. 82 v. A: Quandocunque aliquid est commune
et superius assignatur mullis el non est eis essentiale, ittud est secunda intentio ....
Quidquid praedicatur de superiori et inferiori affirmalive el e contra negalive, ittud
est prima intentio Ista propositio habet solum instantiam in secundis inlenlionibus,
quia dato, quod homo sil spccies, el bic bomo sit bomo, non tamen hie
homo est species.
510) Passus s. un. f. 2 r. B: Cum dicitur, quod pruedicabite est, quod est aptum
natum, de pturibus praedicari eel dici, non accipitur hie sotum diclio rocalis,
imo principaliter mentalis, cum actus praedicalionis sit principaliter in inlellectu,
sicut actus composilionis.
511) Senf. I, Prot.,qu.8, f. 5 v. B: Utrum a conceplibus simpliciler simplicibus
el primo diversis polest abstrahi aliquis conceptus communis. Sine argumenlis respondco,
quod non; quod tarnen est intelligendum de conceptu quidditalivo Conceptus
sunt in quadruplici genere ; primi sunt secundarum intentionum, alii communis simarum
passionum, alii habitudinum transcendentium, alii privalionum. Exemptum primi,
sicul a Petra et Marlina abstrahitur species, exemplum secundi verilas el bonitas,
lerlii identitas, diversitas, distinctio, quarti unitas et simplicitas.
512) Passus s. un. f. 10 r. A: Veritas dupliciler accipi polest: uno modo, proul
dicit ordinem rerun, ad intellectum, secundum quod ipsae sunt intelligibites, et sie
veritas est passio enlis ; alio modo, proul dicit habitudinem unius lermini ad alium
in complexione, el sie lermini secundum sc sumpli veritatem non habent, quia talis
veritas non est ad se, sed ad aliud.
513) Quodlib. 8, l, f. 18 v. A: Iltud est esse essenliae, quod perlinet ad cuiuslibel
entis ,]uidditalem, quia in rebus habenlibus essentiam quidditas et essentia idem
sunt, el in hoc differt ittud esse ab esse extslenliae, quia ittud non pertinet
communiler ad quidditalem. S. Anm. 135.
514) Passus s. un. f. 9 r. B : Species dicit lotam essenliam individuomm, quia
individua non adduril ad speciem nisi haecseitalem. quae nuliom dicit quidditalem
nec per consequens diffinilivam ralionem.
515) Senf. II, Dist. 34, qu. 4, f. 25 v. A: Proprietas individui non est quidditas
nec pars eius, sed est modus intrinsecus et est idem realiler cum natura, quam
individuat, quia nuliom naturam polest deus producere sine singuioritale.
XIX. Franciscus Mayron. 287
tadelt, dass er hierin von seinem Originale abgewichen seinl6). Die Angelologie
macht ihm mit Gottes Hilfe keine Beschwerde517). Gleichfalls
dem Scotus folgt er bezüglich der pturalitas /brmorum518).
Während aus dem Umkreise vereinzelter Bemerkungen (s. ob. Anm.
498) höchstens etwa erwähnt werden mag, dass Mayron neben aller Füg
samkeit unter die Auctoritäl der Tradilion doch an eine Moliviruug der
Zehnzahl der Kategorien denkt519), oder dass er für die Kategorie der
Qualität und ihre verschiedenen Unterarten eine eigene arbor Porphgriana
entwirft520), oder dass er bei der Relalion eine sprachliche und eine
sachliche Seite unterscheidet521), treten mit grösserer Wichligkeit seine
Erörterungen über das sog. principium identitalis und seine Behandlung
der formalitates hervor.
In erstercr Beziehung nemlich ist Mayron unter den Autoren des
Mittelalters (— betreffs der anliken Logik s. Abschn. VI, Anm. 136, Abschn.
XI, Aiim. 22, 81 u. 161, Abschn. XII, Anm. 138 — ) in der That der Erste,
welcher den Inhalt einer vielbesprochenen aristotelischen Stelle als einen
allerobersten Grundsatz unter dem Titel „primum principium complexum"
bezeichnet und unter Hinzufügung einiger byzanlinisch-grammalischer Be
merkungen genau formulirt: „De quolibet dicitur affirmalio vel negalio,
el de nullo ambo simul" 6^2). Sofort aber wendet er auch auf dieses
Princip dasjenige an, was er von den Universalien sagt (Anm. 504), d. h.
jener höchste Grundsatz sei an sich weder in der Seele noch in den
516) Passus s. un. f. 4 r. A: Opinio fuil Porphgril, quod istac proprietales
individuorum accidentales essent causa el ralio individualionis ipsius substanliae
Hie non est admitlendus dominus Porphgrius, quia itlud dixit a se, non ul habuit a
Halone vel Aristolele, nisi forte inlelligat per istas proprietales haecceitales (in dem
ganzen Drucke sleht überall „ecf,eifas" für haccceitas).
517) Sent. II, Di*t. 3, qu. 2, f. 9 v. A: Omnis angetus est in natura specifica,
cut non repvgnat, esse in pturibus; et si non repugnat, deus poleril facere.
518) Ebend. Dist. 16, f. 19 v. A: Utrum in corpore hominis sunt plures formae
substanliales Dico, quod omnes parles helerogeneae differunt specie Sunt
ptura individua parlialia et unum tndividuum tolale essentiale.
519) Passus s. un, f. 10 v. B: Cum omnes hodie supponant, decem praedicamentu
esse, ipsa non sunt neganda, et tuuc hubetur soio fides per auctoritalem, el istud
redigitur in obsequium Chrisli, quia, si intellectui Aristolelis se gralis subiugaverunt
tol sollerles, mullo mugis est subiiciendus inlellectus iugo Chrisli Tamen
sequendo dicta communia immerus iste praedicamentorum polest sie deduci u. s. w.,
s. Anm. 174.
520) Ebend. f. 16 r. B.
521) Senf, l, Dist. 29, qu. l, f. 94 r. B: Dieiditur reiolio in reiolionem secund
»m esse sl in reiolionem secundum dici Reioliva secundum dici ilin sunt, quae
sunt aliorum praedicamentorum et secundum se sunt absotuta Reioliva aulem
semndum esse sunt in praedicamento reiolionis qu. 2, f. 95 v. B : Uninersalite,'
omnis reiolio formaliter differt a suo fundamento (d. h. im Inleresse der Triuität).
522) De primo prine. f. 27 v. A: Quid est primum principium complexum? El
dicitur ab omnibus, quod est ittud, de quo phitosopbus tractat (s. Abschn. IV, Anm.
163 ff.), sc. „de quolibet dicitur affirmalio vel negalio, et de nullo ambo simuP'
Istud principium non est unum unitale simplicitalis, sed unitale inlegritalis, quia ista
proposilio est hgpolhelica copuioliva , cum coniungal duas propositiones calegoricos
per hanc dictionem „el" ; prima pars est universalis affirmaliva de praedicato
disiuncto, secunda pars est universalis negaliva de praedicalo copuioto ;
intcr duas parles est tulis ordo in essendo, qualis in proferendo, ita quod in ordine
naturae universalis affirmaliva praecedit universalem negalivam. Vgl. Sentent. t,
bist, l, qu. l, f. l r. B.
288 XIX. Franciscus Mayron.
objecliven Dingen , sondern als ewige Wahrheit dem Creatürlichen ent
rückt könne er nur accidentell in Seelen oder Dingen auftreten 52:)); er
sei nemlich formell und vorstellungsweise und musterbildlich (nicht aber
essenliell) im Geiste Gottes''24), keineufalls jedoch eine That der endlichen
menschlichen Vernunft525), sondern nur eine habituelle Eigenschaft der
selben 52B), und ebenso gelte er auch in den die vielheitlichen Dinge betreflenden
Urtheilen nur in jener obigen einfachen Form, denn durch
modifictrende Zusätze verliere er sofort seine Geltung52'): insoferne er
aber von allem Seienden , und somit auch von Gott selbst gelten müsse,
werde hiebei „ens" als univocum für Jedwedes gebraucht528).
Das zweite wichlige Moment aber ist, dass uns bei Mayron zum
ersten Male eine greifbare Probe davon begegnet, dass in der Schule des
Scotus sich in Bälde aus der Lehre desselben (s. Anm. 1 47 ff.) die Litteratur
der Vormulitates entwickelte. Allerdings ist die unter Mayron's
Namen gedruckte Schrift ein Erzeuyniss zweiter Hand 5211), und es ist
uns völlig unmöglich , auszuscheiden , was etwa von ihm selbst und was
von dem späteren Bearbeiter herrühre, zumal da, wie öfters deutlich ge
sagt wird , sich bereits Mehrere mit diesem Thema beschäftigt hatten ;
und auch eine vereinzelte Stelle des ächten Mayron, wo derselbe gele
gentlich auf diesen Gegenstand kommt, scheint sicher auf eine primilivere
523) Ebend. f. 27 v. B: htud primum prineipium, sicut reguio, habet esse obieclive
in intellectu; habet esse subiective in rerum natura, quia, ubicunque
inveniuntur lermini proposilionis , per se nole invenitur ; se rundum se non hnbet
esse in anima nec in rerum natura , quia eins veritas , cum sit aelerna , pruevenit
extra naturam animae et extra naturam cuiusiibel ereaturae, per accidens habet
esse in anima et per accidens habet esse in rerum natura.
524) Ebend.: Primum prineipium habet esse in menle divina formaliter, quia
lermini tnctuduntur formaliler in intellectu dieino, habet esse in mente divina
obieclivuliler, quia .... dicitur esse obiective in intellectu, quod ab intellectu pereipitur,
habet esse in mente dieina exempioriler Nen habet äse in menle
divina essentialiter, quia tunc non inveniretur nisi in intellectu divino.
525) Ebd. t'. 28 r. A : Num tstud primum prineipium est actus ralionis. Dicunt
aliqui, quod sie Sed contra istud arguo, quia actus intelligendi est causatus
et lemporalis et corruplibitis et quaedam qualitas, quae ad imum genus delerminatur
et est in polenlia nostrae votuntalis, ...istud aulem prineipium summe
necessarium non subiacet votuntali u. s. f.
526) Ebd. f. 28 v. B: Primum prineipium complexum est ittud, de quo est
primus habitus intellectus, quia, cum intellectus sit habitus principiorum, oportet ergo,
quod primus habitus sit de primo principio Primum prineipium iugreditur primam
demonstralionem.
527) Ebend.: Dicebant aliqui, quod primum prineipium lenel quontun,cunque
modi/icatum Sed si accipiatur modificalio quidditalive, ul dicatur „De quolit'et
quidditalive dicitur alfirmalio vel negalio", ista est lalsa, quia homo non est quid
ditalive alln,s nec non albus Licel de quolibel sit simpliciter necessarium dicere
iustum vel non iustum, non tamen cum modificalione adaequalionis.
528) De univoc. entis, (. 82 r. A : Quaeritur, utrum subiectum primi principii
complexi dictum de deo et ereatura habeal eundem conceptum Non accipitur hie
conceptus pro actu intelligendi, secundum quod non accipitur pro ente ralionis,
quaerimus aulem hie conceptum quiddilaln'um laitur subiectum primi prin
cipii, quod est ens, habel conceptum univocum de deo et ereatura.
529) Schon der Titel lautet (f. 21 v. Bl: Incipit tractatus formalitatum secun
dum doctrinam Francisci Maironis, und ausserdcm lesen wir einmal im Texle selbst
!f. 22 r. A): Quaniquam mulli explicuerunt divisionem entis, breviter tamen secundum
meulem l''ran,isci de Maironis haec est.
XIX. Franciscus Mayron. 289
Form der Lehre hinzuweisen 530). Aber trotzdem ist jene Schrift nach
Inhalt und Gestalt das älteste Document dieser Art, welches uns zu Gehot
steht, und so müssen wir ein wenig dabei verweilen.
Als üblich gewordener Gegenstand der formalitales wird von vorneherein
das Verhältniss zwischen formeller und realer Dislinclion (s. Anm.
149) bezeichnet531), und die Erörterung über den Begriff der formalüas
ist bereits polemisch gegen Diejenigen gewendet, welche ihn in Anbetracht
der Materie direct auf forma bezogen und daher bei Einer Form un
möglich von mehreren formalilates sprechen konnten , wohingegen das
Richlige der Hinblick auf essentia sei , welche ja gleichfalls mehrere
essentialia enthalte, so dass ebenso eine Vielheit von formalitales sich
sehr wohl mit der Einheit der Form vertrage532). Eine Unterscheidung
mehrerer Bedeutungen des Wortes forma, unter welchen die einen Abschluss
(perfectio") ausdrückenden als sachlich - reale abgewiesen werden,
führt dann dazu, formalüas sofort mit quidditas zu idenlificiren533), so
dass auch hier (vgl. Anm. 511) eine aufsteigende Linie vom Specielleren
bis zu lranscendentia fortschreitet534). Nun aber können ferner zur
Form noch neun verschiedene modi intrinseci derarlig hinzutreten, dass
durch sie die formalüas selbst nicht geändert wird535), und unter diesen
530) Senf, l, llisl. 8, qu. l, f. 44 v. A: Sunl quatuor gradus distinctionum non
ful,cicali ab intellectu sive ab anima. Primn est nsentiqlis, quando quidditas
cum sua existentia est distincta ab alia quidditale r, um sua existentia. Secunda est
realis, ut inler patrem et lilium. .... est inler rem et ran, Terlia est formalis
et ista est inler quidditalem et quidd,talem Quarta est quidditalis et modi
intrinseci, sicul intcr quidditalem hominis et eius finitalem. Vgl. Anm. 537 u. 539.
531) Formalit. f. 21 v. A: Sulent doctores communiler invesligare, utrum itio,
quai' distinguuntur formalitcr, dtslinguantur realiler.
532) Ehend. f. 21 v. B: /Yrnio videndum est, qutd sit formalitas Formalitas
non est ralio cunseqtlens conditionem formae adaequatae. Haec conctusio posita
est contra quorundam opinionem, qui dixerunt, quod sicul malerialitas dicitur a
maleria, sie formalitas dicitur a forma, et per consequens, .s,euf est una forma vel
ptures formae, ita est una formalitas vel plures formalitales, unde apud istos ponere
ptures formalitales sine pluribus formis erul contradiclio ; el ideo apud eos forma
litales consequebantur conditionem formae adaequatae. Cuius oppositum probatur
sie: Sicul se habet esscntiale ad esscntiam, ita se habet formale ad formam; sed cum
unitale essentiae stal pturalitas ralionum essenlialium ; igitur cum unitale formae stal
formalitatum pluralitas.
533) Klmnl.: Forma accipitur quadrup lieiter: uno modo pro perfeclione, quae
est pars rei substanlialis, secundo modo pro perfectione, quae non est pars rei
substantialis. sed accidentalis, lertiu modo pro perfeclione, quae consequitur
tnt nm naturam, el sie risibititas polest dici forma hominis, quarto modo
pro ralione d,ffin!lira seu quidditaliva. .... Et islis tribus modis (d. b. in den erslen
drei Bedeutungen) accipiendo „formaliler"' tantum Valet, quantum „realiler", .... tamen
non e converso Formalitas non est ralio diffiniliva rei adaequale Formalitas
est quidditas uniuscuiusque rei, sive ipsum sil diffinibite sive non.
534) Ebd. f. 22 r. A: Formalitales sunt in quadruplici differentia, quia quaedam
specialissima, ut humanitas el asineitas, secundae sunt subaliernac, ul animalitas,
lertiae sunt generalissimae , ut formalitas qualitalis et quanlitalis, quartae sunt
transcendentes, ut enlitas, unitas, veritas, bonitas.
535) f. 22 r. B : Modus intrinsecus est itle, qui adveiiiens alieui formae seu
quidditali non varial eius formalem ralionem Sciendum, quod nuvem sunt
genera modorum intrinsecorum, videlicel finitum el infinitum, actus el polentia, necessarium
el contingens, existentia, realitas et haecceitas.
I'KANTl., Gesch. 1II. 10
290 XIX. Franciscus Mayron.
nehmen haecceitas, existentia, realitas, welche hierauf in ziemlich nichts
sagender Weise definirt werden, eine hervorragende Stelle ein03u). Insoferne
aber hiebei der Modus von der Quiddität selbst oder ein Modus
von einem anderen oder an Einem Ding zwei entgegengesetzte Modi oder
Ein Modus an zwei Dingen unterschieden werden kann, findet schon hier
die „dislinctio" eine vierfache Verwendung53"). Und so beginnt nun die
Erörterung über dislinctio selbst, bei welcher stets ihr Gegensatz, d. h.
identitas, in Sicht bleibt. Als das Wesentliche der Dislinclion wird eine
gewisse Bezugsetzung (respectus) bezeichnet, welche stets auf ein Verhältniss
der Ungleichheit — disquiparantia — gerichtet sei538), und
indem nun sieben Arten einer solchen Dislinclion, welcher ebensoviele
Idenlitäten entsprechen, zu unterscheiden seien539), werden dieselben
hierauf ein/.eln besprochen, nemlich: ratione540), ex natura rei 54 1), formalüer,
wobei definüio, divitio, descriptio, demonslralio, und selbst die
byzanlinische reduplicatio (s. Abschn. XVJI, Anm. 262) als Mittel dienen542),
536) f. 22 v. B : Haccccitas nihit aliud est, nisi quidam mudus intrinsecus, qui
immediale contrahit el primo quidditalem ad esse, et nominatur differenlia indiridualis
(f. 23 r. A) Haecceitas adveniens naturae specificae facit eam hoc vel
individmim Existentia nihit aliud est, nisi ittud esse, medianle quo quidditas
exislil Realitas est quidam modus intrinsecus, med,anle quo realitantur omnia,
,l a n r sunt in aliquo.
537) f. 23 r. A : Quadruplex est distinclio in istis modis intrinsecis. Prima
est, qua modus dislingvitur o quidditatc, cuius est mo,tus Secunda est, quod
unus modus disparatus distinguitur ab alio modo disparato Terlia distinctio est
modorum oppositorum, ul finiti et infinili Quarta est duorum modorum eiusdem
ordinis, sicul haecceitas Soeralis et baecceitas Piolonis.
538) f. 23 r. B : Distinclio non est quid absotutum, sed quid respeclivum
(v. A) Respectus, quem dicit distinctio, est intrinsecus adveniens Respectus
distiuctionis est respectus disquiparantiae, quia respectus aequiparanliae (vgl. Anm.
485) nunquam babel extrema nisi unius ralionis.
539) f. 23 v. B : Modi dislinctionum sunt seplem, qu,miam, quae distinguuntur,
aut distinguuntur ralione, aut ex natura rei, auf distinctione formali, aul reali, aul
essentiali, aut distinctione se tolis subiective, aul dislincliom se tolis obiective
Sunt seplem modi idenlitatum , ä. h. die nemlichen sieben Arten, wie jene der
dislinctio.
540) Ebend. : Dislinguuntur ralione, quae dislinguuntur per actum coltalivum
vel comparalivum intellectus, „Soerales est Soerales", Soerales positus in subiccto
distinguitur a Soerale posito in praedicalo soio ralione.
541) f. 24 r. A: Dislinguuntur ex natura rei itta, quae habent esse praeler
opus intellectus; et sie dislinguuntur lolum et partes , effectus el causa, superius
et inferius.
542) f. 24 r. B: Dislinguuntur formaliter itio, quorum praedicata non ponuntur
in cadem diffinitione, sed in diversis, ul homo el asinus lila sunt idem for
maliter, quae de se invicem praedicantur Investigatur dislinctio formalis quatiior
modis, sc. diffinitione, dieisione, deseriplione, demonstralionc Diffinitivne,
quia itio, quae sie se habent, quod unum non ponitur in diffinilione allerius nec
est sua diffinilio, formaliter dislinguuntur Divisionr, quando aliquid commune
dividitur per differcntias oppositas, omne contentum sub uno membro distinguitur
formaliter ab omni conlento sub alio Deseriplio constal ex genere et differenlia
et propria passione, sed quae habent distinctas prnprias passiones, habent dislinetas
deseripliones Demonstralione, quandocunque aliquid esl demonstrabite de uno,
quod non de reliquo, talia distinguuntur formaliter, cum demonstraliones varientur
per media Alio modo polest invesligari per redf,plicalionem, nam reduplicalio
dicit causam formalem, arguendo sie: homo, inquantum homo, est auimat.
XIX. Franciscus Mayron. 291
dann realiter 543), essentialiter 544) , se totis suMeciive 545), und se
totis obiective 546). Nachdem sodann mehrere Zweitheilungen der Dinge
in bunter Verwirrung mit einigen Bestandtheilen des Organons in Ver
bindung gebracht werden547), und namentlich die für das Particuläre
dienenden synonymen Ausdrücke „particulare, singulare, natura, subsislentia,
substantia, hgpostasis, res naturae, suppositum, persona" ihre
specielle Besprechung fmden548), wird als Resultat des Ganzen zusammengefasst,
wie es zwei Arten der distinctio formalis, desgleichen zwei
Arten der identilas formalis, und ebenso zwei Arten der distinctio realis
gebe, sowie dass hei reeller und essenlieller Idenlität eben eine formelle
Dislinclion stattfmde und hierin die formalitas ihre eigentliche Auf
gabe habe549).
543) f. 24 v. B: Ilio d,stinguuntur realiler, quorum extrema distincta sunt res
posilivae, ita quod unum de allere non praedicatur abstraclive, quorum exislenlia
unius pole s l esse sine existenlia allerius Notanter dico „cuius extrema distincta
sunt res posilivae" ad removendum enlia ralionis, inler quae non ponitur dislinctio
realis.
544) f. 25 r. B : liio distinguontur essenlialiter, quae per aliquam polentiam
possunt esse separata, ut maleria et forma, accidens et subiectum, vel quando unum
non dependet ab alio, et quando unum est natura prius alio.
545) f. 25 v. B: lita distinguuntur se tolis subiective, quae in nulio realitale
quidditalive conveniunt quoad unum modum dicendi. Et itio dicuntur esse idem se
lolis subiective, quae quidditalive conveniunt in aliqua realitale polentiali et contrahibiti
per realitalem differentiae .
546) Ebend. : liio distinguuntur se tolis obieclive, de quibus non polest pracdicari
aliquod praedicatum quidditalive, sive ittud dicat realitalem polenlialem sive
non. liio vero sunt idem ebiective, de quibus polest praedicari tale praedicatum
quidditalive.
547) f. 26 r. B: De numero rerum quaedam dicuntur universales, quaedam parlicuiores,
et ista divisio habetur primo Perihermenias Quaedam dicuntur simpliciter
et quaedam secundum quid Quaedam sunt primae intenlionis et quaedam
secundae, et ista divisio babetur in Praedicamenlis et coincidit cum duabus
primis Quaedam sunt hoc aliquid, et quaedam quale quid, et coincidit cum
duabus primis, quia hoc aliquid idem est quod singuiore.
548) Ebend. : Quaedam nolanda sunt, quibus datur intelligi, quod particuioria
exctudunt de se universale, si sumatur proprie; sed differenler, sc. tndividuum, hoc
aliquid, parlicuiore, singuiore, natura, subsislentia, substanlia, hgpostasis, res naturae,
suppositum, persona Individuum sumitur ab indivisibititale Aliquid sumitur
a delerminalione Parlicuiore dicitur partibitc, unde dicit aliquam partem naturae
Singuiore dicitur a solitudine (v. A) Existcntia dicit actum essendi.
Substuntia dicitur quasi sub aliis stans, sicul accidvntibus Hgpostasis idnm
est quod substantia Res naturae dicitur participans naturam Suppositum
idem omnino significat, quod res naturae Persona est idem, quod individuum
subsistens.
549) f. 26 v. B: Aliqua esse distincta formaliter, conlingit duplicller. Uno modo,
quod unum non est diffinitio nec pars diffinitionis allerius; sccundo modo,
quod non habent eandem realitalem, sunt tamen aliquo modo idem aliqua idenlitale
singuiori Aliqua possunt esse idem formaliter duobus modis: uno modo
ex eo, quod aliquam realitalem universalem habent secundum quid et aliquam secundum
quale quid; alio modo ex eo, quod unum ponitur in diffinitione allerius.
Aliqua possunt esse dupliciler dislincta realiler, sc. uno modo, sicul res et res,
et sie distinguuntur proprie realiler; alio modo ex natura rei, et sie est distinclio
realis improprie liio , quae distinguuntur formaliler, distinguuntur realiler
dislinclione improprie dicta Ilio, quae sunt eadem formaliter, sunt distincta
realiler, et intelligo de identitale formali proprie dicta Cum distinclione formali
stat idenlitas realis et essenlialis, et sie sumitur formalitas proprie loquendo. Diese
19*
292 XIX. Durand v. Pourcain.
Wie wenig aber es dem wahren Thatbestaude entspreche, die Autoren
jener Zeit kurzweg in Thomisten und Scolisten zu gruppiren, zeigt sich
deutlich schon an dem Dominikaner Durand von Pourc,ain (gest. i. J.
1332), welcher in seinem Commentare zum Sentenliarius550) so ziemlich
seine eigenen Wege geht und bald sich weit von Thomas entfernt, bald
den Scotus entschieden bekämpft, und dennoch in anderen Beziehungen
an beide Richtungen anknüpft. Als Gegenstand der Logik gilt ihm ens
ralionis (vgl. bei Herveus, Anm. 395) , insofern dasselbe aus dem actus
rationis unter einer Namensbezeichnung hervorgeht und so zum Ausdrucke
der Vorstellung (obiective) wird, denn gegenständlich (subiective) sei das
ens rationis ebensowenig in der Seele, als man es etwa für ein Nichts
halten dürfe; und was dann in solchem ens rationis den objecliven
Dingen durch die Thäligkeit des Intellectus, sei es in einfachem Erfassen
oder im Zusammensetzen oder im discursiven Vergleichen (s. ebenfalls bei
Herveus, Anm. 398) zukommt, bilde die Hauptgruppen der Logik551).
Der menschliche Intellectus aber sei (im Vergleiche mit der nur auf Singuläres
gerichteten Sinneswahrnehmung) das Organ zur Erkenntniss sowohl
des Einzelnen als auch des Allgemeinen, und hierin gleichsam nur graduell
verschieden vom Denken Gottes 552). Indem aber so Durand (mit Augustinus)
die höchste Stufe des Intelligiblen in den „Ideen" Gottes er
kennt553), folgt er dennoch dem allgemeinen auliplatonischen Zuge
letzteren Grundsätze sind es auch, welche in der oben (Anm. 85) erwähnlen Schrift
eines Scolisten „Quaesliones miscelioneae de formalitalibus" lediglich als allgemein
güllig vorausgesetzt werden und in solcher Weise ihre unablässige Anwendung auf
das Trinitäts-Gezänke und andere theologische Fragen fmden.
550) Dn. Durandi a Sancto Portiano in Sententias theol. P. Lombardi commentariorum
libri quatuor. Antverpiae 1576. fol.
551) I, Dist. 19, qu. 5, 7, f. 66 r. A: Ens ralionis non est aliud, quam denominalio
obiecli ab actu rationis secundum ea, quae altribuuntur rei sotum, ul cognita
est, v. g. „esse universale, esse genus" dicuntur esse cntia ralionis, quia talia dicuntur
de re tantum, ul est obieclive eognita; ita quod ens ralionis non est penitus nihil,
nec dicitur ens ralionis, quia sit in anima subieclive. Ebend. 6, 11, f. 66 v. B :
Sicut dislinguimus triplicem actum intetligendi, sc. simplicem, componenlem et discursivum,
sie sunt enlia ralionis in lriplici differentia, quia quaedam conveniunt rei,
proul est eognita per inlellectum simplicem, sicul universale, genus et species. Quae
dam conveniunt rei, ul est inlellecta per inlellectum enunlialivum componenlem et
dividentem Alia vero consequuntur res, prout sunt obieclive in intellectu discursivo,
sicut antecedens et consequens, »gllogismus, enthgmema el simitia. De quibus
omnibus tanquam de enlibus ralionis eonsideral logicus. Man hüte sich, auf obiges
Wort „denominafto" ein allzu einseif,ges Gewicht zu legen; denn Nominalist ist
Durand, wie sich zeigen wird, durchaus nicht, wenn er auch einen entschiedenen
Inlellectualismus vertritt; dass die Begriffe nicht ausserhalb der Wortform exisliren,
hatte ja z. B. auch Scatus anerkannt.
552) I, Dist. 35, qu. 3, 16, f. 96 r. B : In nobis cognitio sensitiva est sotum
singuiorium et nullo modo umversalium, cognitio aulem intellectiva tanquam perfectior
est tam singuiorium quam universalium ; el multo magis cognitio inlellecliva
dei propler suam perfeclionem est non sotum universalium, sed eliam singuiorium,
quia cognitio dei ineludit perfeclionem omnium. S. Abschn. XVII, Anm. 517.
553) I, Dist. 36, qu. 3, 7, f. 98 r. A : Ideae sunt in deo, el propriissime sunt
in eo, quod omne agens per inlellectum habet penes se ralionem rei f,endae,
quam cognoscit et iuxta quam exempioriter rem producit, .... sed deus producit res
per intellectum et artem, ....ergo deus habet penes se raliones rerum, quas cognoscit
et iuxta yuas res producit, has aulem vocamus ideas. Die hierauf folgende längere
Erörterung schliesst sich hauptsächlich au Auguslin an.
XIX. Durand v. Pourcain. 293
seiner Zeit und bezeichnet die Ideenlehre als verfehlt554); hingegen
will er auch nicht unbedingt von Aristoteles sich ins Schlepptau nehmen
lassen 555).
Das esse intentionale als Erzeugniss der subjecliven Denkthäligkeit
bildet einen Gegensatz gegen das esse reaie556), welch letzteres bald als
tndividuum bald als suppositum bald als persona (vgl. Anm. 548) auf
tritt557). Aber insoweit Bezeichnung waltet, ist es nach beiden Seiten
hin stets Ein und das nemliche Object, welches bezeichnet wird, und nur
die Art und Weise der Bezeichnung ist verschieden, indem sie den (seit
Scotus eingebürgerten, s. Anm. 128) Gegensatz des Concreten und des
Abstracten zu Tag treten lässt558). Und so wird nun in der That der
thomislische Begriff des absirahere (Abschn. XVII, Anm. 493) für Durand
der entscheidende. Nemlich das Universale sei bei Leibe nicht der erste
vorgestellte Gegenstand des Denkens, noch gehe es ihm vorher, sondern
indem die denkende Betrachtung von den individuellen Momenten abstrahiren
muss, sei der Ausgangspunkt das Singuläre und erst der Ziel
punkt des Weges das Universale 559). Das Erzeugniss dieses Vorganges
erhalte dann seine Namensbezeichnung als Universale, und diese Thäligkeit
des intellectus abslrahens genüge überhaupt zur Erklärung (s. Herveus,
Anm. 408); denn, sowie es spasshaft (frivolum) sei, von einer „universalitas"
in den Dingen zu reden, da dieselben nur als singuläre exisliren
554) II, Dist. 3, qu. 2, 19, f. 137 r. B: Pluto erravit , si inlellexit , formas
separates esse universales praedicalione, praeler errorem, qui est in ponendo, eas
separatas esse a rebus.
555) I, Dist. 3, qu. 5, 29, f. 28 r. A: De inlentione Aristolelis dicendum, quod,
quidquid ipse inlenderit, de hoc non est tantum curandum, sicul de veritale.
556) II, Dist. 13, qu. 2, 6, f. 155 r. B: Esse intenlionale polest dupliciler accipi.
Uno modo proul distinguitur contra esse reale, et sie dicuntur habere esse intentionale
itio, quae non sunt nisi per operalionem inlellectus, sicul genus el species et
logicae inlentiones, el iste est proprius modus accipiendi inlenlionem Alio modo
dicitur aliquid habere esse inlenlionale iorge, quia habet esse debite.
557) It, ßisl. 3, qu. 2, 5, f. 136 v. A: Individuum, suppositum el persona
aliquo modo sunt idem et aliquo modo differunt. Quaelibel enim natura singutaris,
in quocunque genere sit, polest dici individua; suppositum aulem non dicitur nisi
natura singuioris in praedicamento substantiae, nee quaecunque talis, sed sotum
eompleta; persona dicitur ittud idem in natura intellectuali solum. Ergo omnis per
sona est suppositum, el omne suppositum est tndividuum, sed non vice versa. Vgl.
III, Dist. l, qu. l, 17, f. 211 r. A.
558) I, Dist. 34, qu. l, 15, f. 92 r. B: Suppositum el natura, h. e. coneretum
el abstractum, sive accepta in universali ul homo el humanitas, sive in singuiori ul
hie homo vel haec humanitas, non important aliud de principali stijnificalo, sed idem
penitus, ex modo tamen signipcandi suppositum seu coneretum aliquid connolat, quod
non coanotat natura Abstractum enim significat naturam sccundum se absque
habitudine ad aliquid el ideo ex suo modo significandi nihil connolal praeler na
turam, coneretum aulem significat per modum habenlis naturam ul „homo habens
humanitalem''.
559) I, Dist. 3, qu. 5, 28, f. 28 r. A : Universale, i. e. ralio vel intenlio universalitalts
aut res sub intentione universalitalis non est primum obiectum intellectus
nec praeexislit inlelleclioni, sed est aliquid formatum per operalionem inlelligendi,
per quam res secundum consideralionem abstrahitur a condilionibus individuanlibus,
in qua operalione inlelleclus abstrahens habet pro lermino a quo singutaria, a quibns
abstrahit, el pro lermino ad quem ipsum universale abstractum; el quia lerminus a
quo praecedit lerminum ad quem, ideo consideralio singutarium praecedit universale
abstractum ab ipsis.
294 XIX. Durand v. Pourc,ain.
(s. Anm. 400 f.), so bedürfe man auch wedor einer species intelligMlis
noch eines besonderen intellectus agens r,60); die erstere nemlich sei
ebenso überflüssig (— hiemit entfernt er sich von Herveus —), als eine
eigene species sensibilis für die Sinneswahrnehmung, und der Intellectus
empfange eben seine Vorstellungs - Gegenstände von der vorausgehenden
niedrigeren Potenz, d. h. von den Sinnen501); und desgleichen sei ein
intellectus agens nicht nothwendiger als ein sensus agens, welcher noch
von Niemandem statuirt worden sei, ja im Gegentheile die abstrahirende
••Betrachtung empfange ja passiv die Objecte ihres Thuns, und in solchem
Sinne müsse man eher von einem intellectus possibilis sprechen 5B2).
Indem aber die Denkoperalion bis zur Erkenntniss des Wesens (esse
essen!iae im Gegensatze gegen esse existentiae , s. Anm. 135) vordringt,
kann Durand auch darauf hinweisen , dass hiemit die Stufe einer Unab
hängigkeit des begrilllichen Denkens von der empirischen Existenz der
Objecte erreicht sei583). Aber dass im Intellectus Alles nur vorstellungs-
560) II, Dist. 3, qu. 7, 6, f. 140 r. B: Primum cognitum ab inlellectu non est
universale, sed singuiors Polenlia enim per smm actum non facil suum obiectum,
sed supponit, sicul visus quoad actum videndi praesupponit colorem. Sed universale
vel condilio universalis non praecedit actum intelligendi, imo fit per actam intelligendi
eo modo, quo polest sibi compelere fieri ; esse enim universale non est aliud , quam
esse inlellectum absque conditionibus singuioritalis et individualionis ita, quod esse
universale est solo, denominalio obiecti ab actu sie intelligendi Si dicatur, quod
inlellectus agens facit universalitalem in rebus, ...... non valet, quia ficlilium
est, intellectum agenlem ponere, et frivolum est, dicere, quod universalitas (man be
achte, dass „universalitas", nicht aber „universale" gesagt ist, denn dass eine gött
liche Idee im Singnlären verwirklicht werde, verneinte Durand wahrlich nicht) fiat
in rebus, quia universalitas non polest esse in rebus, sed sofum singuioritas Et
si dicatur, quod inlellectus agens non facit universale nisi quia cum phantasmale
causal speciem in inlellectu, non valet, quia nulio species est in inlellectu,
quae repraesental ei suum obiectum 12, f. 140 v. A: Universale est unum per
abstractionem a mullis et de mullis, de quibus dicitur, et in hac abstractione singutaria,
a quibus fit abstraclio, babent rntionem quasi lermini a quo et universale
ralionem lermini ad quem; sed lerminus a quo praecedit lerminum ad quem; ergo
intellectus abstrahens prius inlelligit singuioria, quam universale.
561) II, Dist. 3, qu. 6, 10, f. 139 v. A: Non est ponere speciem in sensu
Species enim coloris exislens in oculo nullo modo videtur nec vitleri polest ab ipso,
sicut quitibel experitur. Ilem talis species si ducerel in cognitionem allerius, hoc
facerel ralione simititudinis, unde communiter vocatur simititudo, et sie haberei ralio
nem imaginis; imago aulem ducens in cognitionem itlius, cuius est imago, est prima
cognitum, quod non polest dici de tali specie Quod aulem in inlellectu nostro
non sit ponere speciem talem, palet per eandem ralionem Sed sensus et inlel
lectus in nobis sunt polentiae ordinatae ; ergo per sotum actum prioris polentiae,
i. e. sensus, praesentutur sufficienter intellectui suum obiectum, nec oporlel ponere
aliquam speciem.
562) I, Dist. 3, qu. 5, 26, f. 27 r. B : Sicul non ponitur sensus agens, qui cum
obiecto causet actum sentiendi, sie non oporlel ponere iulellectum agentem ad hoc,
ul cum phantasmale moveat intellectum possibitem ad actum intelligendi Cum
intellectus agens non agal in pbantasmata aliqvid imprimendo vel aliquid abstrahendo
neque secundum rem neque secundum ralionem, nec ngal in inlellectum possibitem
nec sine phantasmule nec cum phantasmale , videtur, quod non debeal ipsum ponere,
nec Auguslinus unquam posuit ipsum Abstraflerv universale a singuioribus
non est operalio inlellectus agentis, quia talis abstractio est sotum serundum
consideralionem ; et ideo opus itlius polenliae est, cuius est considerare, quod non
convenit inlellectui agenti, sed possibiti.
563) I, Dist. 35, 7u. 3, 11, f. 95 v. B: Sicut res polest inlelligi quantum ad
XIX. Durand v. Pourcjain. 295
weise (obiective) vor sieh gehe, wiederholt er auf das deutlichste in
seinen Bemerkungen über die Wahrheit (vgl. bei Herveus, Anm. 397),
wobei er gegen Jene polemisirt, welche von einer gegenständlichen (sub
iective) Richtung im Intellectus sprechen 564).
Mit besonderer Vorliebe aber erörtert er die Frage über das Princip
der Individualion. Wolle man dasselbe in der Materie finden, so weist
Durand in ähnlicher Weise wie Herveus (Anm. 414) darauf hin, dass
ebensosehr es auch der Form zukomme, in Einem Individuum zu sein,
und es ihr in gleichem Grade wie der Materie widerspreche, in mehreren
zu sein , und umgekehrt auch die Materie mehreren einwohne und von
mehreren ausgesagt werde565), ja dass — ausser dem die Angelologie
betreffenden Bedenken — die Materie sogar in höherem Grade etwas
Gemeinsames sei , als die Form , indem Ein und dieselbe Materie selbst
zeitlich nacheinander in mehreren Individuen auftrete 566). Ferner die
Annahme, dass die .Quanlität Princip der Individualisirung sei, zeige sich
darum als unhaltbar , weil das quanlitalive Auftreten der Dinge nur die
Folge einer bereits stattgehabten Individualion sei 567). Und da nun
esse exislenliae, ita polest inlelligi quantum ad esse essentiae; sed ad hoc, qi,od
res intelligatur quantum ad esse essentiae, non reqtiiritur, quod res habeat actu itlud
esse; possum enim formare conceptum de rosa, quae nultum esse essenliae habet actu.
564) I, Dist. 19, qu. 5, 8, f. 66 r. A: Sicut communiler dicitur, veritas est conformitas
vel adaequalio intellectus ad mu. Qualiler cmlem hoc sit inlelligendum,
advertendum sst, quod non est intelligendmn de conformalionc intellectus et rei secundum
itlud, quod sunt essentialiter, cum res extra sil corpus, intellectus
aulem non Restut ergo, quod talis conformitas attendatur secundum aliquid,
quod est in inlellectu subieclive vel obieclive. Et diennt aliqui, quod allenditur
secundum id, quod est subiective in intellectu, quod est species rei, quae est similitudo
eius, vel secundum negantes species ipse esl actus intelligendi, qui est etiam
simititudo rei. Sed istud non videtur verum (B) Ita conformitas, in qua consislil
veritas, atlenditur secundum id, quod habet sc ad inlellectum obiectivc, et non
subiective. Est enim veritas conformitas eiutdem ad se ipsum secundum aliud et
',liiiil. esse, sc. esse intellectum et esse reale; reiolio eiusdem ad se ipsum
secundum esse apprehensum el secundum esse reale (v. A) Veritas est conformi
tas rerum, ul intellectae sunt, ad se ipsas, ut existunt (6, f. 66 v. B) Veritas
est in intellectu obiective, non quidem sicul obiectum cognitum princip aliter, sed
ul quidam modus conveniens rei sotum, ut est cognita, Vgl. II, Dist. 37, qu. l, 7,
f. 139 v. A.
565) II, Dist. 3, qu. 2, 6, f. 136 v. A: Prima est (sc. opinio), quod maleria
est primum et per se principium individualionis in habentibus maleriam Esse
m,ti'tn in pluribus per realem identitalem el dici de plmibus per praedicalionem essenlialem
est de ralione universalis, sie enim universale est unum in mullis; et per
oppositum tndividuum vel singuiore est in HlH! solo et dicitur de uno solo. Isto
aulem modo non ptus convenit maleriae esse in uno solo, nec ptus repugnal ei esse
in pturibus et dici de pturibus, quam formae; eliam maleria dicitur de hac et
de itta et est in itlis per modum, quo universale est in singuioribus.
566) t, Dist. 35, ,ju. 3, 5, f. 95 v. A: Quod maleria est principium individua
lionis, a forma aulem sumitur ralio universalitalis, valde dubium est, quia maior
eommunitas vidctur esse in maleria, quam in forma llem eadem maleria est
successive in diversis individuis, forma aulem non, propler quod minus videntur individua
distingui per maleriam, quam per formam, el per consequens minus constitui
in esse individuo, quia per idem videtur unumquodque constitui in se et ab
alio dislingui Ilem non omnia singuioria habent maleriam, sicut angels, ergo ex
maleria vel etus productione non polest assignari generalis ralio.
567) II, Dist. 3, qu. 2, 8, f. 136 v. B: Alia est opinio, quod in malerialibus
quantitas est principium individualionis, substantiac vero separatae se ipsis indivi
296 XIX. üurand v. Pourcain.
weder die Materie als ein bloss potenzielles Wesen der erschöpfende
Grund des Quanlitaliven sein könne, noch aber auch die Form, so werde
wohl die ergänzende Vereinigung von Materie und Form als Grund der
Quanlität zu betrachten sein (— ein Gedanke, welcher uns sehr an Bonaventura
erinnert, s. Abschn. XVII, Anm. 553 —), wenn auch mit dem
Vorbehalte, dass einige Wesen nur durch die ihnen anklebende Passivität
(s. bei Ant. Andreas, ob. Anm. 476) bereits ihre Individualisirung finden568).
Jedenfalls nemlich handle es sich um das Princip, in welchem zugleich
Quiddität und individuelles Auftreten begründet sei, und da nun zwischen
diesen beiden nur ein Unterschied im Denken beslehe, während sie sach
lich idenlisch sind (vgl. Anm. 560), sei es durchaus unnöthig, noch ein
anderweiliges Princip der Individualion zu suchen , denn es genüge als
innerer Grund (intrinsece, vgl. bei Herveus Anm. 416) ein Dieses-Sein
der Materie und ein Dieses-Sein der Form, wozu wohl ein äusserliches
Agens (z. B. in der Zeugung) hinzukommen könne, jedoch derarlig, dass
dann das materielle Auftreten nur begleitweise (concomüalive, vgl. ob.
Anm. 62) wirke569). So genüge dann auch bezüglich der Engel, welche
sämmtlich unter Eine Species fallen (vgl. hingegen ob. Anm. 308), die
numeräre Wiederholbarkeit der Form570).
duantur Haec aulem posilio deficit, quia subiectum naturaliler prius est
accidente, sed compositum ex maleria et forma subiectum est quanlitalis ;
quaulitas sequitur substanliam tam tndividuum exislenlem secundum ordinem naturae.
568) I, Dist. 8, qu. 4, 16, f. 40 r. A : Maleria non est causa Malis seu ralio
recepliva quanlitalis, quia maleria est pura polenlia in genere substanliae
Relinquitur ergo, quod, mm maleria non sit Malis ralio recipiendi quantitalem,
nec forma simitiler, de qua nolum est, quaelibet barum est partialis
causa, quae sui unione ad eonstitulionem supposili supplent vicem unius Malis
causae Nihitominus tamen nihit prohibet, maleriam et aliquas formas substanliales
ex alia causa esse quantas in composito, ex itio sc. causa, quod
omnis forma substanlialis sub anima est capax passionis.
569) II, Dist. 3, qu. 3, 14, f. 137 r. A: Dicendum ergo, quod nihit est principium
individualionis, nisi quod est principium naturae et quidditalis Natura
universalis et individua sunt idem secundum rem, differunt autem secundum ralionem,
quia, quod dicit species indelerminale, individuum dicit delerminale; quae delerminalio
et indelerminalio sunt secundum esse et intelligi; universale enim est unum
solum secundum conceptum, singuiore vero est unum secundum esse reale, nam sicut
actio intellectus facit universale, sie actio agentis naturalis lerminatur ad singuiore.
Ergo eadem principia secundum rem et differenlia solum secundum ralionem sunt
quidditalis et individui Nihit enim existit in re extra nisi individuum vel sin
guiore, ergo esse individuum non convenit alicui per aliquid sibi additum, sed per
ittud, quod est. Per quid ergo est Soerales individuum ? Per ittud, per quod est
existens, et haec intrinsecae sunt haec maleria et haec forma. Quod si quaeras,
per quid forma est haec, dico, quod per itlud, per quod est in re extra, et hoc est
extrinsece agens, maleria aulem concomitalive Idem dico de maleria, nisi quod
sua individualio ptus der1endet a forma, quam e converso. Substanliae aulem separatae
nullo modo intrinsece individuantur nisi se ipsis Cum natura communis diversis
individuis sit sotum una secundum ralionem et diversa secundum rem , non oportel
praeler naturam et principia naturae quaerere alia principia individui, sed eadem, ul
sunt existentia, sicul natura communis et individuum sotum differunt ul concepta et
exislens Convenientia est sotum secundum ralionem, sicul el unitas naturae se
cundum speciem est sotum unitas ralionis Forma per se ipsam intrinsece est
haec, et non per hoc, quod recipitur in maleria, nisi concomitalive.
570) Ebend. qu. 3, 7, f. 137 v. B : Differentia secundum absotutam ralionem
fcrmae est specifica; differenlia aulem formae a forma, secundum quod haec et una
XIX. Durami v. Pourrain. Walter Burleigh. 297
Steht hiemit Durand in dieser Frage ganz nahe an Scotus, so folgt
er hingegen völlig der thomislischen Lehre der unitas /brmae 5 7 1) , da
die Eine Form zugleich Princip einer untergeordneten Mehrheit sein
könne072). Aber die intentio et remissio verlegt er wie Antonius An
dreas (Anm. 478) nur in die qualitaliven Formen, und auch dort nur
auf Grundlage der Befähigung des Substrates573).
Desgleichen begegnen wir in Walter Burleigh (gest. i. J. 1337),
über welchem bis jetzt in der Geschichte ein missliches Dunkel schwebte,
einem sehr eigenthümlichen Autor, indem derselbe, wie kein Anderer,
einen aristotelischen Conceptualismus und einen realislischen Platonismus
gleichsam als zwei Theile der Philosophie dualislisch nebeneinander ver
tritt. Von seinen Schriften gehören hiehcr Expositio super artem velerem574),
ein Commentar zur zweiten Analylik575) und De intensione et
remissione formarum516); eine Monographie De novem generibus accisive
singuioris, est numeralis sotum Quod in substanliis separalis non polest
esse differenlia nisi secundum absotutam ralionem formae negandum est 14, f.
138 r. A: Non repugnal naturae angelicae, pturificari secundum numerum in eadem
specie, quod omnis niilura, quae producitur ab agenle actione ilerabiti, polest
pturi/icari secundum numerum; sed omnis ereata natura est huiusmodi, eliam substantiae
separatae.
571) II, Dist. 17, qu. l, 3, f. 159 v. B: Anima inlellecliva unitur corpori sicut
forma Anima est, quo vivimus, senlimus, movemur et inlelligimus. IV, Dist. 43,
qu. 2, 15, f. 392 v. B : Unitus super entitalem addit indivisionem. Vgl. ebend. Dist.
44, qu. l, 10, f. 396 r. A.
572) I, Dist. 2, qu. 2, 18, f. 24 r. B: Forma substantialis est immediatum
principium generalionis seu introduclionis formae in maleriam Polenlia
animae nutritiva et generaliva sunt itlem, quod essentia animae, nec obstat, quod
nutrire et generare sunt ptures actus, quiu, cum sint subordinali, possunt esse ab
eodem principio.
573) I, Dist. 17, qu. 6,- 8, f. 58 v. A: Gradus semndum magis et minus non
conveniunt formi, substantialibus, sed tantum accidentalibus, non quanlitalibus, sed
qualitalibus, non omnibus, sed istis, quae concernunt diversam kabitudinem subiectorum
et agentium. Ebend. qu. 7, 39, f. 60 r. B: Forma inlensa et remissa acquisitae
per motum possunt esse parles unius formae numero, et quae non est una
indivisibititale, sed conlinuitale suarum parlium, quae non sunt simul, sed successive
et una supervenientc alia desinit esse, et hoc modo signari possunt.
574) (Ohne Titelbiott) Praectarissimi viri Guallerii Burtei anglici super
arlem velerem Porphgrii et Aristolelis exposilio sive seriptum feliciter incipit. Venrths
1485. fol. Da dieser äusserst sellene Druck bisher keinem Geschichtschreiber der
Phitosophie zugänglich gewesen zu sein scheint, erklärt es sich, dass man den
Burleigh entweder ganz überging oder schiefe und widersprechende Urtheite (Tiedemann
und Tennemann) über ihn fällle. Der 118 Blätler enthaltende Druck ist
zwar ursprünglich nicht paginirt, ich witl jedoch zu etwaiger Controlle im Fol
genden die Foliatur einschalten. Der Commentar super Porphgrium füllt f. l — 15,
jener super praedicamenta (. 16—61, super sex principia f. t>2 — 80, super perihermenias
t. 80—118. Vgl. Anm. 356.
575) Zusammen gedruckt mit der obigen gleichnamigen Schrift des Robert
Capito, s. Abschn. XVII, Anm. 334. Es ist jedoch für uns hier unnöthig, näher
auf diesen Commentar einzugehen , da derselbe schlechlerdings nur ein paraphrasirendes
Excerpt des aristolelischen Originales ist, dessen einzelne Hauptsätze (d. h.
„conef»stones") Burleigh in d,rselben Weise wie Robert Capito (ebend. Anm. 337)
sorgfälligst formulirt und auch numcrirt.
576) Veneliis 1496. fol.
298 XIX. Walter Burleigh.
dentium scheint wenigstens nie gedruckt worden zu sein877), unrt ob er
den Vorsatz , De universalibus zu schreiben , wirklich ausgeführt habe,
wissen wir nicht578).
Was die Aufgabe der Logik betrifft, schliesst auch er sich an eine
oft erwähnte Stelle Avicenna's an, und indem der dorlige Conceptualismus
auf die Begriffe der prima und secunda intentio führt, äussert er sich
hierüber in einer Weise , welche völlig mit Herveus (Anm. 396 ff.) und
somit theilweise auch mit Ihirand (Anm. 551) übereinslimmt , ja es gilt
ihm ebenso wie dem Herveus (Anm. 399) ens rationis als idenlisch
mit intentio secunda; aber, während er mit Ausdrücken des Scotus
(Anm. 96) diese begriffliche Sphäre in die Mitte zwischen übjeclivität und
Sprachausdruck stellt, so dass die Logik weder de rebus noch de vocibus
sei, entschlüpft ihm doch wiederholt die Redewendung, welche uns ähn
lich schon einmal bei Pseudo-Thomas begegnet war (Anm. 289), dass die
„res secundae intentionis", d. h. „res" intenlional genommen , der Ge
genstand der Logik seien579). Auch denkt er ähnlich wie Roger Baco
(Abschn. XVII, Anm. 563) an eine natürlich angeborene Logik 580) und
spricht mit den Scolisten von einer logica docens und n/ens581), sowie
er dem Scotus darin folgt, dass der Syllogismus die Hauptsache sei582).
Indem er ferner nach dem nemlichen Vorhilde ein entschiedenes Gewicht
auf die significatio legt (vgl. Anm. 129 ff.) und in derselben die formelle
577) Expos, in libr. pbgs. Arist. (s. Anm. 589): Alias raliones multas feci ad
hanc conelusionem in tractutu de novem generibus accidenlium.
578) Exp. s. art. vet. (f. 24 r. A): De ista tamen maleria (d. b. das Verhällniss
von prima und secunda substanlia) plenius apparebit in tractatu de universalibus deo
concedenle.
579) Ebd. (f. l v. A): Videndum est, de quibus est logica, utrum de rebus aut
de conceplibus aul de vocibus, et quid debel esse subiectum in logica. Et dicendum
secundum Avicennam, quod logica cst de intentionibus secundis adiunclis prtmis
(Abschn. XVI, Anm, 74) Sciendum est, quod intenlio, secundum quvd nunc loquimur,
est idem quod conceptns rei, et conceptus rei duplex est, sc. primus et
secundus, v. g. possum habere de homine unum conceptum, quo concipio humanam
naturam absotule, et conceptum, quo concipio naturam humanam in ordine ad
itio, quae participant eandem naturam Conceptus primus dicitur prima inlentio,
conceptus secundus secunda inlenlio. Unde prima intenlio est conceptus immediale
abstractus a rebus, sed secunda intentio est conceptus abstractus a conceptu primo
vel a conceplibus primis. Nomina enim rerum existentium extra animam sunt primae
inlentionis, ut „Aomo" , sed conceptus abstracti ab islis significantur per nomina
secundae intenlionis, ut „genus, species, subiectum, praedicatum" et buiusmodi
Logica est de rebus secundae inlenlionis, ut sunt secundae intentionis, quia in logica
non delerminatur de rebus nec de vocibus nisi per habitudinem ad intentiones secundas
JVon delerminatur de vocibus in logica nisi inquantum significant res, ut
eis insunt inlenliones secundae sive ens ralionis, et non est aliud intelligendum
per ens ralionis, quam res secundae intentionis. S. Anm. 586 u. 597 ff.
580) (f. 2 r. A) Si dicitur, quod itle, qui primo invenit logicam, aequisivit
hanc scientiam sine logica, sciendum, quod logica polest haben dupliciler,
sc. usualiler vel arlificialiter Nulio scientia polest haberi artificialiter absque
logica, quia quicunque seit arlificialiter aliquam conelusionem, seit, se scire itiom.
581) (f. 107 r. B) vgl. Anm. 90 u. 452.
582) (f. l v. B) Si aulem loquimur de primo subiecto in logica primitale principalitalis,
sie dico, quod subiectum primum in logica est sgllosiismus demonstmlivus,
quia eius nolilia principaliter inquiritur in logica. S. Anm. 93.
XIX. Walter Burleigh.
Seite der menschlichen Rede erblickt583), unterscheidet er nicht bloss
-eine prima und secunda impositio (unter letzterer die grammalischen
Namen der Worte verstehend), sondern theilt auch sehr eigenthümlich
das Gebiet der „alten" Logik ein , indem es gewisse gemeinsame Worte
seien, unter welche in der Isagoge Begriffe, in den Kategorien Sachen,
und in der Lehre vom Urthcile Worte selbst subsumirt werden 584).
So sehr jedoch hiebei ein unverkennbarer Conceptualismus festge
halten wird , welcher sogar von nouiinalislischen Logikern beifällig aufge
nommen werden könnte, so will Burleigh dennoch hierüber die realislische
Geltung der Universalien nicht bei Seite schieben. Ja er polemisirt un
ablässig gegen die „Modernen", welche den objecliven Bestaml der Uni
versalien vernachlässigt hätten, d. h. wenn wir uns an die bei Thomisten
(s. Abschn. XVII , Anm. 362) und bei Scolisten (ob. Anm. 87) recipirte
Unterscheidung der realen und der sermocinalen Wissenschaften erinnern
und dabei bedenken, dass die Logik mit Einschluss der Universalienfrage
dem sermocinalen Gebiete zugewiesen wurde, so erblickte eben hierin
Burleigh eine Einseiligkeit, und während er bezüglich der Logik selbst
sich in Uebereinslimmung mit den Vertretern der intentionalilas , also
mit Thomisten, Scolislen, auch mit Herveus u. s. f., befindet, bekämpft er
die Ausschliesslichkeit einer bloss logischen Geltung der Universalien und
theilt im Hinblicke auf Physik und Metaphysik mehr den Standpunkt jener
Scolisten und Halbscolistcn (Richard Middleton, Alexander v. Alessandria,
Wilhelm Brito, Antonius Andreas, auch Johann v. Jandun, s. Anm. 230,
248, 258, 457, 426), welche das „causando" und das „praedicando"
nebeneinanderstellten. Von Wichligkeit aber ist dabei für uns insbeson
dere der Umstand, dass Burleigh in solcher Polemik stets den Ausdruck
„moderni" gebraucht, denn es sind dieses die ältesten Stellen, in welchen
die Vertreter der sermocinalen oder ralionalen Disciplinen (im Gegen
satze gegen die realen Wissenschaften) mit diesem Namen bezeichnet
werden 585).
In solchem Sinne also ist es zu verstehen, wenn Burleigh den Mo
dernen, gerade wie wenn dieselben die Realität der Universalien wirklich
bereits verneint hätten, die Behauptung entgegenstellt, dass die Univer
salien nicht ausschliesslich in der Form von Begriffen und Worten in der
Seele seien, sondern auch ausserhalb der Seele bestehen und nur so ein
srlbstständiges Dasein (d. h. nicht in subieclo) haben , sowie dass eben
derarlige unabhängig von der Seele exislireude Dinge („res", vgl. Anm.
583) (f. 59 r. A) Vox est maleriale in proposilione proiota et respectus ad significatum
per voccm est formale in proposilione, et ideo, si significata sunt et fiunt
diversa, respectns ad significata erunt diversi, et sie non manebit proposilio eadem,
quantum ad suum formale, quamvis maneal eadem, quantum ad suam maleriale.
584) (f. 2 r. A) In libro Porphgrii determinatur de ,'ocibus communibus sulis
conceplibus ponendo, quod universalia non habent esse extra animam; et in libro
Praedicamentorum delerminatur de vocibus communibus rebus solis (hiezu Anm. 593)
et in libro Perihermenias de cocibus communibus solis vocibus, ut de nomine
et verbo Nomina rerum sunt nomina primae impositionis et nomina vocum sunt
nomina secundae impositionis. Nomen primae impositionis dividitur in nomen primae
inlentionis et nomen secundae inlenlionis; nomen primae intentionis est commune
rebus, nomen secundae intentionis est commune conceplibus.
585) S. Abschn. XX.
300 XIX. Walter Burleigh.
579) die Prädicate in den Urtheilen seien 5sB). D. h. indem er an die
objective Werkstätte der Natur denkt und so die tradilionelle Dreigliederung
der Universalien stärker als Andere betont587), weist er darauf
hin , dass die artmachenden Unterschiede jedenfalls in einem objecliven
Thatbestande vorliegen, da im entgegengesetzten Falle die Dinge objecliv
sämmtlich einander gleich wären, ferner dass, wenn der Unterschied
zwischen Allgemeinem und Einzelnem nur in der subjecliven Auffassung
läge (s. bei Durand, Anm. 558), der artmachende Unterschied und die
Form idenlisch wären, während man das reale Moment der Gestaltung der
Dinge und den subjecliven Begriff von einander unterscheiden müsse58*).
So ist es erklärlich, dass Rurleigh gerade im Commentar zur Physik, d. h.
in einer realen Disciplin, seine Polemik gegen jene Modernen übt, da,
wenn die Universalien lediglich Itegrill'e wären, selbst die obersten Gat
tungsbegriffe einerseits unter die noch höhere Gattung der begrifflichen
Auflassung fielen, und andrerseits in ihrer Zahl von der Zahl der auf
fassenden Menschen abhingen, wohingegen die platonische Annahme richlig
sei , dass die von den Einzelndingen getrennt exislirenden Universalien
durch den intellectus agens getrennt von aller Singularität erfasst werden
586) (f. 19 v. B) Apparent duo contraria diclis modernerem. Primum est, quod
universalia de genere substantiae sunt extra animam, quia ittud, quod dicitur de
subiecto et non est in subiecto, est universale de genere substantiae, sed omne ens
non exislens in subiecto est extra animam, quia si esset in anima, essel in subiecto;
cum srgo substanlia secunda non sit in subiecto, sequitur, quod non est in anima;
unde si nihit esset universale nisi vox vel eonceptus, sequeretur, quod omne
universale esset in subiecto et per consequens nihit essel itlud, quod dicitur de sub
iecto et non est in subiecto. Secundum contrarium Hmdernis est, quod propositio
componitur ex rebus extra animam, nam id, quod dicitur de subieeto et non est in
subiecto, praedicatur in proposilione, et ittud est res extra animam. Ebenso f. 93 r. A.
Hiezu Anm. 599 ff.
587) (f. 65 r. B) Quaedam sunt universalia, quae sotummodo praedicantur de
singuioribus faclis a natura, et talia universalia sotum fiunt a natura, et quaedam
fiunt a natura el ab arle Omnis communitas est naturalis (s. Gitbert,
Abschn. XIV, Anm. 461 ff.) Universale est triplex secundum dominum Albertum
a. s. w. (s. Abschn. XVII, Anm. 379).
588) (f. 9 v. B) Dicunt moderni, quod differenliae non sunt nisi eonceptus in
anima, quia si essent res extra animam, universalia kaberent esse extra animam,
quod habent pro inconvenienti. Sed quid de hoc sit dicendum, deliberare non inlendo
; dico tamen, quod res extra animam distinguuntur per differenlia, suas et
non per solos conceptus, quia, si nultus conceptus esset, adhuc homo differrel ab
asino per differenlias suas. Ilem eonceptus in anima sunt accidentia (vgl. ob. Anm.
102 n. Abschn. XVII, Anm. 392), sed substantiae non distinguuntur ab invicem per
soio accidentia, imo essentialiter . Si quis velit pariere, quod differenliae non sunt
nisi conceptus, ipse habet ponere, quod quaelibet res extra animam habet distingui
per se ipsam a qualibel re extra animam, el non per aliquam differentiam superadditam,
et sie habet ponere, quod res extra animam non dislinguuntur ab inncem
realiler per differenlias, sed sotum conceptualiter per differenlias seu per conceptus.
Poncntes vero, quod universalia non sunt extra animam alia a rebus singuioribus, el
ponentes, quod res extra animam non distinguuntur per dilferentias suas, habent
ponere, quod differenliae non sunt realiler nisi formae rerum; unde ralionalitas
hominis est idem realiler, quod anima hominis, el haec ralionalitas est idem, quod
haec anima. Et sie polest dici, quod res extra animam dislinguuntur realiler per
formas suas el distinguuntur conceptualiter per conceptus suarum differentiarum.
f. 93 r. B: Universale realiler est differens a singuioribus conceplibus, a quibus
abstrahitur. Vgl. Anm. 591.
XIX. Waller Burleigh. 301
und so die ganze Quiddität des Individuums repräseuliren 589); denn der
Behauptung, dass überhaupt nur Individuen exisliren (s. Anm. 400 f.,
560) , stehe entgegen , dass die Absicht der von den denkenden Seelen
unabhängigen Werkstätte der Natur auf die Erhaltung der Species ge
richtet sei, welch letztere hiemit ausserhalb der Seele bestehe, und ein
Beweis hiefür liege auch im privatrechllichen Verkehre, z. B. in der Slipulalion
, wo häutig nicht ein beslimmtes Einzeln-Individuum Gegenstand
des Versprechens sei090). Bezeichnend aber ist es, dass Burleigh aus
jener Annahme, dass lediglich Einzelnes exislire , nur eine Vernichtung
der „Metaphysik" folgert, weil die substantielle Realität der Gattungen
und Arten, welche im Wesen (esse) allerdings nicht vom Singulären ge
trennt sind, eben völlig verschieden sei von der subjecliven Auffassung
des Begriffes, welcher gerade im Wesen vom Singulären getrennt ist, —
kurz weil Begriffe nicht Substanzen sind591). Und der schlagendste
589) Expos, in libr. phgs. Arist. (Venet. 1482. fol., der Druck ist nicht pagi-
»irt; was ich anzuführen habe, fmdet sich f. 5 u. 6): Si nihit sit universale nisi
conceptus, tunc genus generalissimum de genere substanliae erit conceptus in anima,
se,! Minis conceptus in anima est in genere et habet genus supra se; ergo genus
generalissimum haberei genus superveniens Ilem sequitur, quod tol erunt genera
generalissima in genere substantiae, quol sunt homines habenles nolitiam itlius gem'iis
Genera et species dantur in responsione ad quaeslionem quaerentem quid
est Species est composita ex causis, sc. ex genere et differenlia, quae sunt
eausae intrinsccae speciei Quando dicitur, quod inlellectus facit universalitalem
in rebus, debet inlelligi, siml Piolo posuil universalitalem in re extra animam,
qm,m Pioto posuit universale existere per se seorsim a singuioribus, intellectus veru
agens facit, universale inlelligi per se seorsim absque hoc, quod eius singuiore inlelligatur
(liiamris universale sit extra animam, tamen non est pars individui,
quia effectus particuioris stmt eausae parlicuiores Universale est de quidditale
individui.
590) Ebend. : Dicunt isti, quod species nihit aliud est, quam quidam conceptus
simplex exislens in anima, quia extra intellectum non est nisi singuiore Ipsis
obviando arguo lllml, quod natura prima intendit, non est singuiore, sed ittud
est aliquid extra animam, ergo aliquid est extra animam, quod non est singuiore
Dicunt isti, quod natura inlendit primo mu singuiorem, alii vero dicunt, quod
natura non inlendil hoc singuiore, puta Soeralem, inquantum huiusmodi, sed inquantum
homo. Sed iltud non valet Illml, quod appelitur appelitu naturali ad conservandum
tndividuum in esse, est res extra animam tllml est extra animam,
cirea quod fiunt promissiones et contractus reales, ut emplio vendilio, donalio, sliputalio;
sed contractus non semper fiunt cirea individua, ergo extra animam est aliqua
res alia a natura individuali hlnr tamen raliones non essent hie ponendae,
nisi quia quidam asserentes , se scire logicam supra omnes mortales , respondent
dicentes, quod sie dicendo „promitto libi bovem" promilto libi unam rem singuiorem
extra animam. Vgl. unten Anm. 798, 879, 885.
591) Exp. s. art. vet. (f. 23 r. B) Moderni dicunt, quod nihit est substantia nisi
singuiore, et probant, quod genera et species, quae dicuntur esse in praedicamento
substanliae, dicuntur substanliae secundae, tamen non substanliae in rei
veritate, sed sotum nominantur vel dicuntur substantiae sncundae (v. A) Quaero,
an haec species homo sit eadem res omnino in Soerate et Piotane, an alia et alia;
non est dms, quod alia, quia tunc essent tol species, quol sunt individua, quod
esset inconreniens Universalia non sunt secundum esse separata a singuioribus,
sed conceptus in anima sunt secundum esse separali a singuioribus exislenlibus sxtra
animam, ergo secundae substantiae, quae sunt unirersalia respectu primarum substanliarum,
non sunt conceptus in anima; uultus conceptus in anima est substanlia
(K) Si nih,l sit substantia nisi substantia singuioris, sequitur, quod
nulio est scientia de substanlia, et sie destrueretur metaphgsica.
302 XIX. Walter Burleigh.
Beleg dafür, dass nach seiner Ansicht die Realität der Universalieu einem
ganz anderen wissenschaftlichen Gebiete angehöre, liegt darin, dass er
gerade in der Logik es ausdrücklich ablehnt , auf diesen Punkt einzu
gehen 592), sowie hinwiederum es sehr erklärlich ist, wenn er die Kate
gorien gleichsam näher an die Metaphysik rückt, weil ja in derselben
(vgl. Anm. 584) von den realen Dingen als Trägern der intenlionalen
Worte die Rede sei 593).
Das Kunststück, zugleich in der Metaphysik augustinischer Platoniker
und in der Logik arabisch-aristotelischer Conceptualist zu sein , ist uns
allerdings in dem philosophisch kurzsichligen Mittelalter längst nichts
Neues mehr; hingegen dass Burleigh in so crasser Weise einem solchen
unversöhnten Dualismus huldigte, hat man bisher noch nicht gewusst.
Auf Grundlage aber dieser Einsicht müssen wir nun bezüglich der Logik
in Kürze noch Einiges erwähnen, worin er wieder mit den so eben ge
tadelten „Modernen" brüderlichst übereinslimmen muss, zumal da die
selben doch sämmtlich die Objeclivität des Seienden zugestanden. Vor
Allem nemlich findet er, dass die Universalien, selbst wenn sie nur in
der Seele exisliren , jedenfalls bloss vorstellungsweise (obiective) be
stehen594), und mit einer überraschenden Wendung, welche uns an
Aegidius (Anm. 374) und an Mayfon (Amn. 504) erinnert, sagt er, die
vorstellungsweise Existenz komme eben demjenigen zu, was weder in der
Seele noch ausser der Seele sei595). Auch die üblichen Begriffe similitudo
und reflexio wendet er an596), womit zusammenhängt, dass er für
den Fall der objecliven Realität der Universalien den Unterschied zwischen
prima und secunda intentio durch die Ausdrücke „primus conceptus"
und „secundarius conceptus" formulirt, jedoch immer wieder mit der
realislischen Wendung (vgl, Anm. 579 u. 586) , wornach „res" begriff-
592) (f. 3 r. B) Dort formulirt er nur die sich ergebenden Fragen sowohl für
den Fall, dass die Universalien in inlellectu, als auch für jenen, dass sie extra
animam seien, aber nicht mit einem Worte deutet er dabei seine eigene Ansicht
an. Und anderwärts sagt er (f. 9 v. B): Sed quia ista quaeslio non perlinet ad
logicam, cirea eam non insisto hie.
593) (f. 16 r. A) Dicit Boethius, quod in hoc libro inlenlio est phitosophi, de
primis rerum nominibus et de iwcibus significanlibus res disputare (s. Abschn. XII,
Anm. 84) Alia est opinio Avicennae et Averrois, quam eredo veriorem, quod
in hoc libro delerminatur de rebus principaliter el ex consequenli et secundario de
vocibus; dicit enim Avicenna etc. (folgt die Stelle Abschn. XVI, Anm. 83)
(B) Dico ergo, quod liber praediramentorum cst de rebus, secundum quod eis insunt
inlenliones secundae, sc. intentio generis generalissimi et suballerni el inlenlio specici
et sie de aliis. Ebenso f. 19 r. B, u. 21 r. A.
594) (f. 59 r. B) Liecl universale non haberet esse existere extra animam, sieut
dicunt moderni, tamen non cst dubium, quin secundum omnes universale babeal esse
obiectioe in inlellectu, polest enim intellectus inlelligere leonem in universali non inlelligendo
istum leonem.
595) (f. 52 v. A) Quae neque existunt in at,iu,u neque extra animam el intelliguntur
ab anima, dicuntur habere esse obieclivum in anima et nullum aliud esse.
596) (f. 81 r. A) Passio animae accipitur pro disposilione intellectus, sc.
pro simititudine rei in inlellectu repraesentanle rem extra animam ; nam res
extra per prius intelligitur, quam passio, quae est in anima, quia res extra inlelligitm
direcle et passio animae indirecte per reflexionem. S. Abschn. XVII, Anm.
398 u. 500.
XIX. Walter Burleigh. 303
lieh erlässt und „res" durch Species bezeichnet wird507). Ja mit einer
gewissen Hefligkeit erinnert er an die alte aristotelische Lehre, welche
wahrlich Niemand verleugnet hatte, dass die menschlichen Urtheile schliesslich
auf einen objecliven Thatbestand (res} angewiesen sind59**); und
wenn vielleicht Einige mittelst läppischer Sophistereien darauf hinwiesen,
dass in den Urtheilcn nicht mehr die Dinge selbst, sondern eben die
subjeclive Auffassung der Dinge auftrete, lässt er sich hingegen zu der
extremen Ausdrucksweise hinreissen, dass wenigstens in einigen Urtheilen
res de re praedicatur (vgl. Abschu. XIV, Anm. 287), während in anderen
Begriffe von Begriffen und wieder in anderen (grammalischen) Worte von
Worten ausgesagt werden599); aber fast in demselben Athemzuge gesteht
er den Modernen zu, dass in allen Urtheilen das Formelle der Satzver
bindung eben doch im Intellectus liege und nur das Materielle, über
welches geredet werde, eine äussere Objeclivität sei000), und dass, wie
bereits bei Aristoteles zu lesen ist, der vom Intellectus herrührenden
„Copula" eine objecliv vorliegende Verbindung oder beziehungsweise
597) (f. 80 v. B) Nomen primae intenlionis est nomen rei, quae non est nata
esse signum, pro quo supponit Nomina secundae intentionis sunt nomina ad
piocitum siynificontia conceptum vel intenlionem animae f•.'l itlud dico supposito,
,tuod tmiversalia sint soioe intenliones animae, ut plures dicunt; supposito tamen,
quod uniuersalia sint res extra animam, quod verius est, dicendum, quod nomen
primae intenlionis est nomen rei, ut cadit sub primo conceptu inlellectus, et nomen
secundae intenlionis est nomen rei, ut cadit sub secundario conceptu intellectus,
». g. nomen „homo" significat rem extra, ul concipitur absolule, et nomen
„species" significat rem, ul comparatur ad inlellectum per individua, quibus est quid
commune.
598) (f. 16 v. A) Quod aulem proposilio possit componi ex rebus, probatur
Conceptus animae significant res; ita est datum ullimum significatum, et
iltud non polest esse conceptus, ergo est res, dislinguendo rem contra vocem et conceptam
(B) Si nihit ex parle rei correspondel , tunc est quid ficlilium
Ex eisdem componuntur proposiliones, de quibus fiunt quaestiones, sed quaesliones
fiunt de rebus extra animam Demonstrationen in scientiis realibus sunt ex rebus.
Ergo aliqua proposilio est, quae nec est composita ex vocibus nec ex con
ceplibus, et per consequens composita est ex rebus.
599) (f. 16 r. B) S» propositio componeretur ex rebus, sequeretur, quod inler
subiectum et praedicatum passet avis voiore , et intcr subicctum et praedicatum »slms
proposilionis „Parisiis est floma" essenf ecntum mitiaria, ilem quod subiectum passet
comedere praedicatum Ad itlud dubium recolo me dixisse et in seriplis reliquisse,
quod intellectus polest facere proposilionem ex quibuscunque, quia pro
posilio non est uliv.d, quam composilio aliquorum per inlellectum ad invicem.... aut
divisio aliquorum ab invicem; sed intellectus polest ad invicem componere res,
... . et polest eliam componere voces el conceptus Et ideo aliqua propositio com
poni tur ex rebus extra animam, aliqua ex vocibus, aliqua ex conceplibus (f. 17
r. A) Credo, quod ittud indubitanter sit verum, quod in aliqua propositione praedicatur
res de re, el in aliqua conceptus de conceptu, ct in aliqua vox de voce.
600) (f. 17 r. A) In omni proposilione est aliquid maleriale el aliquid formale:
formale in proposilione est coputa et itio coputa est in intellectu, quia est compositio
vel divisio inlellectus ; malerialia vero in proposilione sunt subiectum el praedicatum.
Dico ergo, quod nulio proposilio est composita ex rebus tolaliter extra
animam, quia formale est in mente vel in inlellectu, malerialia aulem sunt extra
animam Propositio composita ex vocibus habet esse extra animam, propositio
vero composita ex conceplibus est totaliler in intellectu, el propositio composita ex
rebus partim est in inlellectu et parlim extra inlellectum; quantum ad suum formale
est in inlellectu, sed quantum ad malerialia est tolaliler extra inlellectum.
304 XIX. Walter Burleigh.
Nicht-Verbindung (idetililas oder diversitas exlremorum, d. h. des Subjedes
und Prädicates) „entspreche", indem die Urtheilsbildung einer
seits von der Objeclivität und andrerseits vom Willen des Menschen
provocirt werde 60 1). Nur verbleibt hierin bei Burleigh immer jener
dualislische Zwiespalt, welcher ihn auch dazu führt, Wahrheit in
doppeltem Sinne zu nehmen , nemlich als Uebereinslimmung der Dinge
mit dem Denken und als Uebereinslimmung des Denkens mit den
Dingen 802).
Bezüglich des Princips der Individualion slimmt er völlig mit Durand
(s. Anm. 569) überein , indem auch er eine Häcceität der Materie und
der Form annimmt 603) , sowie ihm gleichfalls (vgl. Anm. 567) die
Quanlität als eine abgeleitete Folge der Materie gilt904). Ebenso ver
hält es sich betreffs der unitas formae (Anm. 571 f.), welche er als
untrennbare Umschliessung mehrerer Formen fasst605), und desgleichen
betreffs der intensio et remissio formarum, welche auch hier wie
hei Durand (Anm. 573) von den Substanzen ausgeschlossen bleibt 606)
und nur bei den qualitaliven Formen je nach Fähigkeit des Substrates
601) (f. 17 r. B) th,hium est, au ipsi copuioe existenti in intellectu correspondcul
aliquid in re aul non. Dicendum, quod copuioe copuionti extrema proposilionis
vere adinvicem correspondel aliquid in re, sc. idenlitas extremorum vel identitas
i- n e um, pro quibus extrema supponunt, el divisioni vel negalioni copuioe ... .
correspondel diversitas extremorum Sed coputae coputanti extrema propositionis
false adinvicem nihit correspondel in re nisi ipsa extrema Et si quaeratur, a
quo ergo movetur intelkctus ad fabricandum huiusmodi copulum vel dirisionem,
dicendum, quod non movetur nisi ab extremis ipsis m propositione el a votuntale
imperante intellectui ad copuiondum extrema. Vgl. f. 82 r. B.
602) (f. 82 r. A) Veritas primo modo est idem, quod conformitas rei ad virtulem
cognoscenlem, per quam manifestal se intellectui talem, qualis est, el
talis veritas est duplex, sc. ereata et inereata; (B) veritas, quae est adaequalio
rei ad virtulem cognilivam ereatam, sc. ad iulellectum nostrum , est ittud, per quod
res est nata de se facere veram exislimalionem Veritas aulem sccundo modo,
quae est adaequalio virtulis cognoscenlis ad rem cognitam, est in virtule cognoscenle
sicut in subiecto, el talis est duplex, sc. quaedam complexa el quaedam incomplexa.
603) (f. 24 r. A) Species de genere substanliae componitur ex genere el differenlia
el ex omnibus superioribus ad ipsum, el huius ralio est, quod effectus particuioris
sunt causae particuiores el effectus universalis sunt causae universales,
sed tndividuum est effectus particuioris el species est cffectus universalis, el ideo
tndividuum non componitur nisi ex bac maleria et hac forma, quae sunt causae
particuiores Quamvis substantiae secundae sint vere res extra animam, ex hoc
non sequitur, quod substanlia singuioris sit composita ex substantia universali et
substanlia particuiori (v. A) Non oportet, quod annihitando tndividuum annihitetur
species hominis, quia species hominis non est pars Soeralis, quia
Soerales non componitur nisi ex hac maleria et hac forma.
604) (f. 32 r. A) Ouaul,tus est quoddam compositum ex maleria el forma inhaerens
substantiae ralione maleriae, sub ralione cuius substantia extenditur el habel
parlem extra partem. (Vgl. f. 34 r. A.)
605) (f. 24 v. A) In genere infimo speciei specialissimae inctuduntur omnia
genera superiora nec separantur ab eo, sed hoc non est iterum conslituere. Vgl.
f. 70 r. B.
606) (f. 8 r. A) De differentiis substantiae verum est, quod non suscipiunt
magis et minus, di/ferenliae tamen per se accidentium bene suscipiunt magis el
minus.
, , ...:, , XIX. Walter Burleigh. / | 305
zugelassen wird 607) , welch letzteres dann Gegenstand physikalischer Er
örterungen istB08). ,
Was endlich noch einige einzelne Punkte der Exegese des Ürganons
betrifft('09), so denkt vorerst auch Burleigh betreffs der Isagoge an die
Möglichkeit, dass das Universale als solches neben den übrigen fünf eigent
lich ein sechstes sei B10), begnügt sich aber doch bei Avicenna's Begrün
dung der Fünfzahl611); ferner schliesst er sich Denjenigen an, welche,
wie Antonius Andreas berichtet (s. Anm. 480), bei Erklärung einer viel
besprochenen Stelle zwischen intellectus solus und nudus und purus
unterschieden B 1 2) ; auch folgt er dem Avicenna in der Erörterung , ob
Gattungs- und Art-Begriff relaliv seien613), sowie dem Albert in der An
nahme, dass die Gattung nicht Stoff, sondern Potenz sei614); die Eigentliumlichkeiten
des Individuums erscheinen bei ihm durch die zwei Verse
ausgedrückt:
Forma, figura, locus, lempus, cum nomine sanguis,
Patria sunt seplem, quae non habet unus et afier615).
Die Kategorien knüpft er trotz obiger realislischer Wendung (Anm. 593)
dennoch mit Albert an die Isagoge an616), entnimmt dann die Er-
607) (f. 29 r. A) Substantia suscipit magis et minus maleriuliler et subieclive,
quia est subiectum formae habenlis gradus distinctos secundum magis et minus: sed
nulio substantia suscipit magis et minus formaliler, quia nulio substantialis forms
neque individualis neque specifica habet gradus dislinctos secundum magis et minus .
unde non debet suslineri, formas elementorum suscipere magis et minus.
(f. 49 v. A) Nulio forma suscipit magis aut minus, sed forma suscipitur in subieeto
secundum magis et minus, secundum esse magis prrfectum et minus perfectum. Ebenso
f. 63 v. B. : ,
608) In dieser Beziehung trifft mit Burleigh der Zeitgenosse desselben Jacobus
deForlivio, welcher auch mehrere medicinische Commentare zu Avicenna schrieb,
in einer oft wörtlichen Uebereinstimmung zusammen. Die Schrift Jacob's De intensione
et remissione formurum ist mit der gleichnamigen Burleigh's gedruckt (s.
Anm. 576). Beide Verfasser besprechen nur die physikalischen Qualitäten, und
zwar insbesondere Warm und Kalt, wobei sie die Gradabstufungen weder aus theitweiser
Addilion noch aus Mischung mit dem Gegensatze, sondern durchgängig nach
den aristolelischen Principien erklärt wissen wollen.
609) Burleigh's Commentar zur Vetus logica ist mit grossem Fleisse und reicher
Belesenhrit geschrieben; er verfahrt überall archilektonisch eintbeitend, numerirt
slets übersichtlich die conctusiones (ähnlich wie Antonius Andreas, s. Anm. 447),
schliesst sich bei der Isagoge an Avicenna und Albert an, verflicht in die Kate
gorien zahlreiche Belegslellen aus der Metaphysik, folgt bei den sex principia Gitbert's
wieder völlig dem Albert, und benützt De inlerpr. hauptsächlich den Boethius.
(Im Commentare zur Physik ist Robert Capito sein Führer).
610) (f. 2 r. B) Universale est hie subiectum accipiendo universale, secundum
quod est commune ad itio quinque et sie loqtlendo de universali iorge concedo,
ijuod est dare sextum universale (s. Al. sehn. XVI, Anm. 172 ff., vgl. Abschn. XI,
Anm. 134).
611) (f. 2 v. A), s. Abschn. XVI, Anm. 94.
612) (f. 3 v. B).
613) (f. 5 r. A), s. Abschn. XVI, Anm. 113 ff. •
614) (f. 22 v. B), s. Abschn. XVII, Anm. 422.
615) (f. 7 r. A) Quodlibet Individuum constat ex mullis aecidenlibus, quorum
collectio non polest simul reperiri in alio individuo (s. Abschn. XI, Anm. 43)... t.
Seplem sunt proprietales, unde versus: „Forma, figura etc." Nur der erste
der zwei Verse findet sich auch bei Antonius Andreas (s. ob. Anm. 482).
616) (f. 16 r. A) Subiectum conlenlivum tolius scienliae traditae in libro Praedi-
Gesch. III. 20
306 XIX. Walter- Burleigh. Armand von Beauvoir.
örterung iiher aequivocum und analogon aus Albert und die doppelte
Bedeutung des ersteren aus Antonius Andreas617), sowie die Entschei
dung einer Controverse über ens wieder aus Albert618), bekämpft aber
offenbar die Unterscheidung, welche von Einigen (Pseudo-Thomas und
Antonius Andreas, s. Anm. 314 u. 484) zwischen absoluten und relaliven
Kategorien gemacht worden war619). Sowie er aber in der Lehre vom
l'rtheile betreffs der modalen Worte bereits die spätere Formalion der
byzanlinischen Logik aufgreift620) und auch bei der Umkehrung der mo
dalen Urtheile die dortigen Memorial-Verse verwendet621), so finden wir
überhaupt bei ihm, — ähnlich wie bei Antonius Andreas, s. Anm. 490 ff. —.
eine sehr reichliche Benützung der byzanlinischen Logik, sowohl der ur
sprünglichen als auch der jüngeren Gestaltung derselben622); ja in Bezug
auf Entstehung der OMigatoria musste uns Burleigh schon oben selbst
als Quelle dienen 623).
Auch die Thomisten, deren Thäligkeit in diese Jahrzehnte fällt, be
flissen sich durchaus nicht einer so strengen Schul-Observanz , als man
nach der oberflächlichen Gegenüberstellung des Thomismus und Scolismus
glauben sollte. So finden wir, dass der Dominikaner Armand von
Beauvoir (oder de bello visu, gest. i. J. 1334), von welchem wir
eine Schrift De declaratione di/ficilium lerminorum 624) und einen Commentar
zu Thomas De ente et e**enti«62&) besitzen, auf das Unzweicamentorum
est ens dicibite incomplexum ordinabite in genere inlelligendo per genas
coordinalionem praedicamentalem (vgl. Abschn. XVII, Anm. 429).
617) (f. 17 v.B), s. ebd. Anm. 432 u. ob. Anm. 483.
618) (f. 6 v. A), s. Abschn. XVII, Anm. 415.
619) (f. 21 r. B) Quidam modernorum dieunt, quod de islis decem praedicamentis
non sunt nisi duo realiler distincta, sc. substantia et qualitas, sed hoc est contra
Aristolelem et omnes alias phitosophos, qui dicunt, decem esse res primas.
620) (f. 112 r. B) Modi facienles proposilionem modalem videntur esse dieliones
denominanles proposilionem, cuiusmodi sunt „neecsse, impossibite, conlingens, possibite,
venim, scitum, dubitatum, conelusum, demonstratum" et huiusmodi. S. Abschn.
XVII, Anm. 588.
621) (f. 117 r. A), es sind die, ebd. Anm. 40 u. 44, angeführten Verse.
622) So begegnet uns suppositin personalis u. simplex a. malerielis f. 23 r. B,
29 v. B, 37 v. A, 42 v. B, 49 r. A, 59 v. B, 84 v. B, 95 r. A, 103 v. A ; appeltalio
f. 27 v. A; amplialio t. 87 r. A, 97 v. B, 100 r. B; distribuliv f. 94 r. A, 95 r. A;
calegoreumalice und sgncalegoreumalicc f. 87 v. A, 109 v. B, Hl v. A, 112 T. B;
beim hypathelischen Urtheite die Hinzufügung von temporalis, causalis, localis (s.
Abschn. XVII, Anm. 583) f. 89 r. B; sentus compositu» et divisus (s. ebd. Anm. 585)
f. 99 r. A, 111 r. B, 117 v.B} Aequipollenz der modalen Urtheite mit kalegorischen
(s. ebd. Anm. 595 n. ob. Anm. 193) f. 91 v. B; eonsequenlia formalis u. bona
(s. Abschn. XVII, .Anm. 615) f. 54 v. B, 58 r. A, 83 r. A, 91 r. A, 92 r. A,
103 r. B. . l •
623) S. Abschu. XVII, Anm. 626.
624) Saerarum lillerarum professor vximius Armandus ordinis praedicotorii
fraler De dectaralione difficitium lerminorum, tam theologicalium quam philosophiae
ae logicae. Coloniae 1502. 4. (nicht paginirt). Das Ganze zerfällt in drei
„tractatus", deren ersler in 6 Capp. als Einleitung dient, während der zweile in
302 Capp. den Umkreis der Logik im Ganzen an die Lehre von der inteuliu an
bindet; der dritte „de cognilione dei" berührt uns hier nicht mehr.
625) (Ohne Titelblatt) Ineipit seriptum sive exposilio fratris Armandi ordinis
praedicalorum super libeltum de enle et essenlia compositum per sanctum Thomam
de Aqmno doctorem angelieum. paduae 1482. 4.
XIX. Armand von Beauvoir. . 307
deuligste sich selbst als Thomisten bezeichnet 626) , aber trotzdem in
manchen wesentlichen Punkten andere Bahnen einschlägt. Indem er die
arabische Unterscheidung zwischen incomplexa und complexa aufnimmt627),
gilt ihm für letztere das sog. prinvipium identitatis (vgl. bei Mayron,
ob. Anm. 522) als oberster Grundsatz, und entsprechend für erstere
ebenso der Begriff des ens 628). Diesen aber nun theilt er sofort dua
lislisch, indem das real Seiende, welches nicht von der denkenden Seele
entspringe, wohl aber in der Seele und ausserhalb der Seele sein könne,
Sache der prima intentio und der realen Disciplinen sei , während das
ralionell Seiende als Erzeugniss der Seele nur innerhalb der Seele vor
stellungsweise bestehe und als secunda intentio Gegenstand der Logik
sei, eine Zweitheilung, welche mit dem grammalischen Unterschiede zwi
schen prima und secunda impositio (vgl. bei Burleigh , ob. Anm. 584)
sachlich völlig coincidire 629). So wird der Begriff der intentio bei
Armand das ausschliesslich entscheidende Moment, welches als einheit
licher Grundton sich durch das ganze Gebiet der Logik hindurchzieht.
Vorerst nemlich hält er die subjeclive und die objeclive Bedeutung der
intentio auseinander, deren erstere darin beruhe, dass irgend ein Dar
stellendes (repraesentans} , d. h. eine (scolislische) species intelligibilit
oder ein actus intelligendi oder ein formirter Begriff, welcher verbum
mentale heisse, den Weg zum Erkennen bahne630), während die letztere,
626) De decior. diff. lerm., Prooem.: In hoc tractatu in propriis viribus vetut in
arundineo baculo nun confidens vesligiis doctorum inhaereo meliorum et praecipue
doctoris communis reverendissimi et praeciorissimi sancti Thomae, cuius seriptura sal
condiens est doctrinam aliam qualemeunq ue ; hanc qui sequitur, non ambuiot in
lenebris u. s. w.
627) Tr. t, c. l : Incomplexis respondet conceplio inlellectus, quae est secundum
primam operalionem intellectus, sc. simplicium intslligenlia; complexis vero respondet
conceplio inlellectus secundum secundum operalionem, quae est simplicium apprehensorum
compositio vel divisio in proposilione.
628) Tr. t, c. 2: Primum aulem principium demonstrabitium et enunliabitium,
ad quod omnia alia resolvuntur, fundatur super esse et est de quolibel „esse vel
non esse". Ergo modo consimiti lerminus incomplexus, ad cuius conceplionem omnes
eoncepliones incomplexorum reducuntur, est ens, quod ab actu essendi sumitur. C. 4 :
Omnes concepliones simplicium et incomplexorum resolvuntur in ens secundum Avicennam
(s. Abschn. XVI, Anm. 32 u. 193).
629) Tr. I, c. 3: Omne ens vel est ralionis tantum, quod est sotum in anima
et ab anima, et hoc ens nihit aicit posilive et subicctive in anima, sed obiective
solum Vel est ens reale, et hoc est, quod non est ab anima, sed polest esse in
anima et extra animam, nec dependel ab operalione inlellectus praecise Ad
primum ergo genus vel modum enlis pertinent omnes secundae inlentiones, ut genus,
species, el nomina, quae designantur nominibus secundae impositionis apud grammalicos
et secundae inlentionis apud logicos, et de talibus proprie est logica. Ad secun
dum aulem modum perlinent omnes res , quae significantur nominibus primae imposilionis
et in logica vocantur primae inlentiones; el de omnibus talibus entibus sunt
omnes scienliae reales. Ebend. c. 6: Secundum grammalicos omne nomen est primae
imposilionis vel secundae, el secundum logicos primae inlenlionis vel secundae; el hoc
realiler idem est, licet voces sint diversae.
630) Tr. II, c. 268: St intentio accipiatur ex parte intelligenlis, sie dicitur in
lenlio omne ittud, quod per modum repraesentanlis ducit intellectum in cognitionem
uniuscuiusque rei ; et quia species intelligibites et actus intelligendi, conceptus menlis
formatus , quem nos verbum mentale dicimus , repraesentalive ducunt in cognilionem
rerum, ideo quodlibet eorum hoc modo inlentio vocatur et quaecunque simititudo
»ive quodcunque exemptar realiler repraesentando ducens in cognitionem rerum.
20*
308 XIX. Armand von Beauvoir.
welche er hauptsächlich erörtern wolle, auf die erkannte Sache selbst
sich beziehe und hier dann entweder bloss formal abstract oder aber
materiell coBcret bezeichnet werden könne "•' 1). Denke man aber in
letzterem Falle lediglich (absolute) an die Sache als objective selbst, so
sei allerdings von keiner intentio mehr die Rede, sondern nur dann,
wenn mau das Verhältniss (habitudo) der Sache zum Erkenutnissacte ins
Auge fasse I'3i;. Jedoch eben das Moliv einer Unterscheidung zwischen
prima und secunda intentio könne nicht aus der subjectiven Bedeutung
der intentiu entnommen werden, da diess auf eine zeitliche Reihenfolge
entweder in der denkenden Seele oder in den auf successive Objecte
angewiesenen Denkacteu führen würde, sondern nur in der objecliven
Bedeutung linde sich der Unterschied, dass einerseits (prima intentiu)
den realen Dingen an sich Etwas zukommt, was nicht selbst wieder em
Erseugniss des Denkens ist, und andrerseits ihnen Etwas vorstellungs
weise (secunda intentio) zukommt, so dass hiemit innerhalb der erwähnten
habitudo der Dualismus zwischen res und ralio das Entscheidende ist633).
Was hingegen den Begriff des intentionale betrefle, so seien jene obigen
Momente, welche in der subjecliven Seele als repraesentantia wirken,
das wesentlich Intenlioaale, während das objeelive Ding an sich erst von
jenen her seinen Namen bekomme und somit nur ein denominalives
Intenlionale seis31). •, , ; , • ,,• . ,. '
Bei solcher Auffassung, welcher man übrigens eine gewisse Schärfe
631) C. 269: Secundo accipitur intentio ex parle rei intellectac, — el sie
loquimur hie de intentione in proposito. Haec aulem inlentio dupliciler accipitur el
invenitur. Uno modo formuliter et tunc signi/icatur in abstracto, ul hoc ,mmen
„inlentionalitas", el haec habitudo in abstracto praecisc signilicat pumm «,.-
ralionis. Alio modo accipitur malerialiler et tunc significatur in conc,elo; iiisn
ergo res mlellecta malerialiler in conereto dicitur intentio sive res intellecta, sive
ens reale, ul honio, iopis el buiusmodi.
632) C. 270: Haec aulem res intellecta, quando est verum ens reale, .... du
pliciter considerari polest. Uno modo absotule, ul est res praecise non habende
respectum ad intellectum, et sie nulio res dicitur intenlio .... Alio modo polest con
siderari r um habitudi'ue ad actum intelligendi, inquantum est intellecta, el sic quaedam
habitudo ipsam conseqsutur, quae formuliler intentio dicitur. , 0 , . ,, ,,
633) C. 271: Ordn iste, undc aliquae dicuntur prIimae intentiones el aliuuas
secundae, non polest sumi ex parte Melliiienlis,"quia sie species intelligibilis, quae
esl primum repraesentulivum inlelligendi, esset prima intentio, et actus intelligendi,
qui est sec.undum, essel secunda intentio, el verbum mentale esset lertiu, quae sunt
falsa. Nec polest sumi ex purle actus intelligendi, quia sie Soerales esset primus
intellcctus el piolo secundus ...... Oporlet, quod iste ordu , accipiatur ex parle rei
i,dellectae, inquantum est inlelleeta; num quaedam sunt inteiligibitia, quia sunt
vera entia realia, quae conveniunt rebus non ex opere intellectus, ..... el haec omnia,
quae sie rebus conveniunt, dicuntur primue inlentiones et nomina talium dicuntur
eliam numina primae imposilionis secundum .gron,malicos Alia sunt, quae con
veniunt rebus, secundum quod swil obiective in. jntellectu et non aliler, .....el ista
dicuntur secundae inlenliones Et sie sunt duo modi essendi generales, sc. se
cundum n'n,, et iste est primus, et secundum ralionem, el iste est secundus; ita
eliam ab islis duobus generibus sumiiur divisio inlentionum.
634) C. 273: Intentionale polest accipi dupliciter, sc. essenlialiter et denominalive
Intenliones, quae sunt ex parle inlelligentis , sunt .species inlelligibites,
actus iulelligendi, conceptus formatus, et dicuntur intenlionalia vel inlenlionata essenlialiter,
quia sunt intentiones rerum. liio aulem, quorum sunl intenliones et quorum
sunt repraesentaliva, dicuntur esse inlentionalia denominalive.
XIX. Armand von Beauvoir. 309
der Dislinclion nicht absprechen kann , versteht es sich von selbst , dass
Armand (ebenso wie alle Uebrigen mit Ausnahme Mayrons) grundsätzlich
gegen den Platonismus polemisirt 635) und das Verhältniss zwischen
Sinneswahrnehmung und [Iniversalien nach aristotelischer Tradilion auffasst636).
Auch zieht er sich betreffs der Universalien eigentlich auf die
Unterscheidung zwischen c.ausando und praedicanAo (s; Anm. 248, 258,
426, 457) zurück, nur stellt er der causalüas die abslractio gegenüber,
welch letztere er (abgesehen von objecliver Immaterralität) neben der
praedicatio der Logik auch in der Physik und in der Mathemalik aner
kennt037). In Bezug auf das Princip der Individualion folgt er dem
Thomas638), welchem er betreffs der Angelologie durch die Ansicht des
Aegidius (ob. Anm. 382 f.) auf die Beine hilftli39); während bei unitas
formae ein einfacher Anschluss an Thomas genügt640); aber die intensio
et remissio formarum erinnert uns an Durand641).
Die Durchführung aber des Begriffes der intmtio durch das Gebiet
der Logik gestaltet sich bei Armand in folgender eigenthümlicher Weise.
Zunächst erörtert er jene Worte, durch welche eine generelle Modalität
des objecliven Seienden ausgedrückt sein soll , d. h. die thomislischeh
635) Expos, s. Hb. de ente .et ess. f. 16 A: Necessitas ponendi ideas a Piotane
est duplex, una ex parle cognilionis, alia ex parle dclionis exlerioris Sed ista
necessitas nulio est, quia, licet ponamus, quod scienlia sit de necessariis et sempilernis,
non oportet tamen propler hoc, quod ponantur separatu' secundum rem; sed
sufficit, quod ponantur separata secundum ralionem et consideralionem ralionis. Alia
causa necessitalis est ex parle aclionis, sed nec ista valet, quia ad istas operaliones
faciendas sufficit agens universale, quod est coetum cum disposilione maleriae.
Dect. diff. lerm., 7V. II, c. 276: Secundum Piotonicos, qui ponunt universalia subsislenlii,,
universale esset prius quam parlicuioria, unde secundum eos parlicuioria
non sunt nisi parlicipalione universulium subsislenlium, quae dicuntur ideae.
636) 7V. II, c. 235 : De prioritale cognilionis diversa in inlellectu et in sensu
respectu universalis et particuioris . . . . . naturaliter quoad nos el in sensu priora
sunt cognilione singutaria, universalia aulem posleriora; in inlellectu aulem s
converso. • i'.i• l i•• •• '• ' "i '' ' '
637) 7V. II, c. 275 : Universale sumitur tripliciter. Est enim quoddam univer
sale causalitale; alio modo dicitur universale abstraclione , abstractio autem est
duplex 'Quaedam sunt abstracta a maleria secundum esse; alio modo
secundum inlellectus consideralionem. ,'. . . Hoc aulem polest fieri tripliciter: uno modo
.... absque hac maleria sensibiti, et talis abstraclio vocatur phgsica ' Alio
modo . . .. intellectus considerat non sotum sine hac maleria sensibiti, sed eliam sine
consideralione sensibitis maleriae, sed non sine maleria intelligibiti, el talis abs
traclio vocatur mathemalica Teriio modo •...'. , . est abstractum communitale
praedicalionis, ....el sie universale sumptum dicitur, quod est aptum natum de pluribus
praedicari. Vgl. Robert Capito, Abschn. XVII, Anm. 344." :l^' -1 '•''''
638) Expos, s. Hb. de enle et ess. f. 11 A u". B. < .' •• cui: . '
639) Ebend. f. 18 A: Simitiler de qualibel specie angelica, qude de se est communicabitis
pturibus, quia si essent plures angeli in eadem specie, cuitibel eorum
esset communicabitis. Sed quia tola talis perfeclio specificata in uno individuo conlinetur,
ideo, alteri non communicutur nec communicari polest eliam virtule divma, el
sie patet sotulio ad obieclionem.
640) Ebend. f. 13 A: Secundum ponenles pluralitalem formarum in uno supposilo
alia forma est itio,' per quam corpus est corpus, et alia, per quam animal est
animat. Sed secundum ponentes unam formam est eadem forma realiler, et quia
islius opinionis fuit sanctus Thomas, idco dicit, qusd anima non est alia forma ab
itio, per quam corpus est corpus.
641) Derl. diff. lerm. Tr. II, c. 261; s. ob. Anm. 673
310 XIX. Armand von Beauvoir.
sechs transcendentia6*^). Dann folgen die Worte der prima intentio,
welche eine specielle Modalität der geschaffenen Dinge bezeichnen, d. h.
die Kategorien, wobei sich uns allerdings das Bedenken erhebt, ob die
selben wirklich zur Logik gehören können, denn sie sind nicht bloss (wie
bei Burleigh, A um. 593) näher an die Metaphysik gerückt, sondern sollen
nach Obigem (Anm. 629) ja wesentlich den realen Uisciplinen anheim
fallen643). Aber erklärlich ist es dann, dass Armand in der Einzeln-
Erörterung, welche ihn auch (wie Mayron) auf die Synonyma substantia,
subsistentia, quiddüas, natura führt044), in reichem Maas.se über den
Umkreis der Logik hinausgreift und Fragen aus der Physik, Ethik, Meta
physik und Theologie disculirt 645). In logischer Beziehung ist zu er
wähnen, dass er bei der Kategorie der Relalion den scolislischen Begriff
der aequiparantia verwerthet646) und bei den sog. Postprädicamenten,
für welche er den Gilbertus Porretanus reichlichst benützt, auch die
byzanlinischen Worte „alietas" und „diversitas" beizieht64'?).
Indem nun der Umkreis der secunda intentio folgt, ist vorerst von
denjenigen Begriffen die Rede, welche sich auf incomplexa (Anm. 627 f.)
beziehen. Dieselben aber werden nach einem eigenthümlichen Gesichtspunkte
eingetheilt648), so dass zuerst jene zur Erörterung kommen, welche den
obigen transcendentia und den Kategorien gemeinsam sind ; als solche wer
den vierzehn (unter ihnen z.B. auch univocum, aequivocum} aufgezählt649)
642) Tr. II, c. 1: Nomina, quae exprimunt modum entis consequentem generaliler
omne ens et addunt hunc modum exprimendo ipsum varie super ens, sunt quinque
transscendentia, et ens, ad quod addunt hunc modum, est sextum transscendens ;
horum aulem sufficienliam, significalionem et di/fercntiam ab invii'em ponit sanctus
Thomas (s. Ahscln,. XVII, Anm. 515), d. h. ausser ens sind es die fimf Begritfe
r,'s, tmun,, aliquid, verum, banum (s. ob. Anin. 273 u. 355, vgl. 511), welche
Armand nun c. 2-28 in metaphysischer und theologischer Beziehung ausführlich
erörlert.
643) C. 29: JVunc dicendum est de nomiuibus primae inlenlionis, quibus exprimuntur
speciales modi essendi enlium realium, quae nomina dicuntur de itlis,
quae conveniunt omni enti erealo; et vocantur a logicis decem rerum genera sive
decem praedicamenta.
644) C. 32 n. 42. Vgl. ob. Anm. 548.
645) Bei Besprechung der Substanz zieht er (c. 50 ff.) nicht bloss generalio
und corruplio bei, sondern auch vita, und zwar insbesondere rilu coulempioliva, bei
der Quanlität (c. 53) aelernitas und infinitum, bei der Qualltät (c. 73 ff.) mittelst
des Begriffes der virtus nicht bloss die drei theologischen Tugenden, sondern über
haupt das ganze Gebiet der Moraltheologie , bei passio (c. 150) die ganze Psycho
logie, bei reiolia (c. 175 ff.) die Trinitätslehre, bei molus (c. 238) die vier aristo
telischen Principien, u. s. f.
646) C. 174; vgl. ob. Anm. 583. n .•
647) C. 205 f. S. Abschn. XVII, Anm. 213, 217, 266.
648) C. 264: Postquam expediti sumus de nominibus primae intmlionis, accedendum
est ad decioralionem nominum sive vocabulorum secundae inlenlionis
In secundis inlen lionibus quaedam sunt communes omnibus transcendenlibus et omnibus
decem rerum generibus, sicut hoc, quod dico praedicabite et multa alia; quae
dam sunt sotum communes decem generibus rerum, sicul hoc, quod dico genus et
species et multa alia; quaedam sunt specialiler pertinenles ad unicum genus, ul hoc,
quod dico suppositum, quod in genere substantiae sotum invenitur.
649) C. 265: Ouae sunt communes transcendentibus et decem ,teneribus, occurrunt
. . . . quatuordecim, et sunt hacc: intenlio, transcendens, universale, abstractum,
coneretum, praedicamentum , praedicabite, praedicatum, subiectum, subilcibüe, univo
cum, aequivocum, analogum, dcuominalivum.
XIX. Armand von Beauvoir. Petrus Paludanus. 311
und einzeln erklärt650). Sodann reihen sich diejenigen an, welche
nur den zehn Kategorien gemeinsam sind, und als solche treten die
Universalien auf, deren Zahl jedoch hier durch Hinzufügung von par
ticularis, singularis, Individuum, auf acht steigt651). Und zuletzt folgen
jene, welche nur einer einzelnen Kategorie zukommen, nemlich entweder
der Substanz652) oder (Lei theologischen Fragen) der Qualität oder
der Relalion 653). Indem aber nun auch noch jene secunda intentio,
welche sich auf complexa bezieht, an die Reihe kommen soll, wird hiebei
zunächst die Lehre vom Urtheile, die Syllogislik und die Topik beigesteckt654),
und den Schluss machen in Bezug auf „condüiones complexorum"
in merkwürdigem Wirrwarr das sog. dictum de omni und die
byzanlinische Reduplicalio 655).
Auch der Dominikaner Petrus Paludanus (oder de palude,
gest. i. J. 1 342), welcher bei den Theologen als hervorragender Vertheidiger
des Thomismus gegen Durand gilt, entfernt sich theilweise von den
Ansichten des Thomas. In seinem Commentare zum 3. u. 4. Buche des
Petrus Lombardus656) begegnen wir wohl dem auch von Thomas aufge
nommenen Aristotelismus betreffs der universalia in re657) und des
650) Ueber intn,tiu wird gehandelt c. 266—273, über inmser,iil,'ns K. 274,
über universale c. 275—277, über abstractum u. coneretum c. 278 f., über praedicatum,
praedicabite, praedicamentum, subiectum, subiicibile c. 280, über die übrigen
vier c. 281.
651) C. 282: Huns dicendum restal de nominibus secundae inlentionis, quae
conveniunt incomplexis i•!.... sunt communes omniin,s praedicamenlis Istorum
nominum est triplex differenlia, cum res in praedicameuto exislens possit sumi in
universali, quod dicitur respectu parlicuioris, et in particuiori, quod dicitur respectu
universalis, item quaedam possunt convenire rei, proul sie vel sie consideratur. Zur
ersten dieser drei Arlen werden nun gerechnet genus, species, differentia (c. 283—285),
zur zweiten parlicuioris, singuioris, tndividuum (c. 286), zur dritlen accidens, proprium
(c. 287).
652) C. 288: Modo restat dicendum de nominibus secundae inlentionis, quae
sotum conveniunt Ais, quae sunt de praedicamento substantiae. Als solche folgen
nun suppositum, hoc aliquid, res naturae, hgpostasis (c. 289—291).
653) C. 292: Nunc dicendum est de nominibus secundae inlenlionis, quae con
veniunt rebus de genere qualilalis De itlo solo hie delermino, cuius usus est
apud theologos, secundum quod dicunt, in deo esse multa altributa. C. 293: De
nominibus secundae inlenlionis, quae conveniunt reiolionibus Unum tale nomen
habet usum apud theologos ...., sc. hoc nomen „nolio" (bis c. 296).
654) C. 297 : ltrstat dicendum de nominibus secundarum intenlionum, quae complexis
conveniunt. Als solche folgen nun in äussersler Kürze (bis c. 299) oralio,
enunlialio, proposilio, praemissa, conelusio, definilio, deseriplio, argumentum, sgllo
gismus (nur die Dreitheitung desselben in demonstralivus, dialecticus, soplrislicus),
enthgmema, induclio, exemptum.
655) C. 300: Dicendum de nominibus secundarum intenlionum, quae rnnsenmnt
quibusdam conditionibus complexorum, wobei (bis c. 302) erörlert werden dici per
se, dici de omni, dici de nullo, und reduplicalio (s. Abschn. XVII, Anm. 262 n. 608 f.),
welch letztere beispielsweise auf die vier aristatelischen Principien und auf Urtheite
über Accidentelles bezogen wird.
656) Praeciorissimi doctoris domini Petri de Palude seriptum super lertium
sentenliarum. Paris. 1518. fol. und Exaclissimi et quam maxime probali ac ciorissimi
doctoris Petri de Palude quartus scufenf«ornw liber. Paris. 1514. fol.
657) III, Dist. 22, qu. l, f. 108 r. A: Homo nomen est speciei in genere sub
stantiae, sed in malerialihus sota substanlia composita est per se in genere sub
312 XIX. Petrus Pahidanus.
Verhältnisses zwischen Denkeinheit und materieller Einzelnheit658): aber
zugleich verwendet auch er (wie so viele Andere, s. Anm. 291, 375, 409,
469) die scolislische species intelligibilis als Darstellung der Objecte
und Veranlassung des Denkens, jedoch mit dem sonderbaren Zusatze,
dass dieselbe in ihrem gegenständlichen (subiective) Vorhandensein im
Denken von anderer Art und Natur sei, als der äussere Gegenstand
selbst859). Bei der Frage aber über das Princip der Individualion wendet
er sich am Weitesten von Thomas ab, indem er den auch von Gottfried
v. Fontaines eingewendeten Gegengrund gegen die Quanlität (s. ob. Anm. 66)
anfährt und dem posiliven Gehalte nach so ziemlich die Ansicht des
Scotus (Anm. 142) und jene des Anton ius Andreas (Anm. 473) miteinander
verbindet, d. h. er verlegt die Individualion überwiegend in die Form
als das Actuelle660), wenn auch die Potenlialität der Materie als zweites
Moment hinzutrete661), während bei den Engeln Gottes Schöpferkraft sich
au der blossen Form genügen lasse662). Hingegen was unüas formae
betrifft, slimmt Paludanus wieder völlig mit Thomas überein603), und
•• ' ,i.. .
stantiae, (B) Homo et equus in singuioribus universaliter non sunt substantia,
i. e. forma, sed situ// totum quoddam ex hac maleria et hac ralione.
658) III, Dist. 5, qu. 2, f. 34 v. B: lltud animal, quod est hamo, non est
commune omni animali, sed proprium huic, et licet significat in communi aliquid
unum ralione, non tamen unum re, nec verificatur de una re pro mullis.
659) IV, »ist. 49, qu. l, f. 227 r. B: fiuplex obiectum cognitivae polenliae:
unum quidem commune, inquantum est polenlia, aliud aulem proprium, inquantum
esl talis polenlia Obiectum intellectus, ut intellectus, est ens, ul autem coniunctus,
ens maleriale (v. A) Hanc aulem speciem, quae dicitur faecre cognilionem,
sive sit actus ipse sive principium eins in eodem subiecto existens , non
possumus dicere esse eiusdem speciei etim obiecto, prout ipsa est in inlellectu, quia
nihit subieclive exislens in inlellectu, sive sit species sive actus sive habitus, polest
esse eiusdem speciei vel naturae cum re exteriori, quae per eam intelligitur ,':....
(. 228 r. A: Nec tamen inler obiectum et actum est simititudo formalis, sed tantum
eittunlis Species est necessaria ad repraesentandum obiectum el ad eliciendum
actum et determinandum.
660) III, Dist. 6, gu. 2, f. 36 v. A : Dicunt, quod suppositum habet esse formaliter
suppositum per qudnlitalem Contra hoc tamen a quibusdam argnitur,
(B) quia quantitas aut quodcunque accidens non polest esse ralio individualionis
substanliae Socfales non est homo vel substanlia nisi per suam substantiam,
et simitiler Pioto (f. 37 r. B) Tenent alii, quod suppositum non differt
realiler a natura, cuius est suppositum, ul Soerales ab humanitale (v. A) Sie
igitur, licet ad esse individui substanliae habenlis maleriam el formam cancurrat tam
maleria quam forma, principalior tamen est forma, per quam principalius substanlia
est substanlia et hoc aliquid Et si quaeratur, per quid haec forma est, dicitur,
quod ab agente efficienter disposilive, subiective a maleria, formaliter aulem et complelive
a se ipsa.
661) III, Dist. 30, qu. 3, f. 175 r. A: fn rebus malerialibus substantialibus sunt
duo principia rei intrinseca, quorum unum dicitur polentia simpliciler, sc. maleria,
aliud aulem dicitur actus simpliciler sive id, secundum quod aliquid dicitur
actu esse simpliciter, sc. forma. . \
662) IV, Dist. 12, qu. 2, f. 50 r. A : Deus polest faecre formam sine maleria el
non e converso, quia maleria non est esse formae nec est causa formalis ipsius.
forma aulem vel est ipsum esse vel est causa formalis ipsius, et deus non polesl
faecre ..... esse sine forma absotule nec esse substantiale sine forma substanliali.
^12663),IM, Bist.' 24, qu.*3,y. 131 v. A: Esse vel est idem existcntiae cum esse
assentiae vel est ei proporlionabite, unde"mirum est, quod in uno enle aliqui
ponunt plures formas substanliales.
XIX. Graliadei von Ascoli. 313
folgt auch dem Aegidius (ob. Anm. 387) bezüglich der intensio et remissio
/brmarum864).
Wieder ein anderes ganz eigenthümliches Bild eines Halb-Thomismus
zeigt uns der Dominikaner Johannes Gratiadei von Ascoli (gest.
1341), indem derselbe der thomislisclien Lehre gleichsam ihre realislische
Seite abzugewinnen sucht und hiedurch zu Anklängen an gegnerische
Richtungen geführt wird. Wir besitzen von ihm einen ziemlich ausführ
lichen Commentar zur Velus logica 66o); einer selhstständig von ihm verfassten
„Logica", welche er dort einmal cilirt666), müsste erst in den
handschriftlichen Schätzen der Bibliotheken nachgespürt werden. — Schon
was die principielle Stellung der Logik betrifft, theilt Graliadei den
Standpunkt des Franziskaners Roger Baco (Ahschn. XVII, Anm. 561),
dass dieselbe zu den praktischen Wissenschaften gehöre, weil sämmtliche
ralionelle Disciplinen abgesehen von ihrer Unter-Eintheilung sich jedenfalls
um ein „opus" rationis drehen 667), und auch wenn man nicht mit Un
recht sage, dass die Logik nur modus sciendi sei und daher weder zu
den speculaliven noch zu den praklischen Zweigen gehöre, sondern alle
umfasse, so müsse man dennoch, insoferne einmal jene Alternalive be
stehe, sie in höherem Grade dem praklischen Gebiete zuweisen 668). So
liegt ihm auch für ens rationis das Eintheilungsmoliv nur in „operalio"
rationis, und indem er diese (wie Herveus und Durand, s. Anm. 398
u. 551) dreigliederig als einfaches Erfassen, Zusammensetzen, discursives
Vergleichen eintheilt , ergiebt sich ihm natürlich die Reihenfolge äer
664) III, Dist. 27, qu. l, f. 147 v. A: Licet subiectum dicatur de minus tali fieri
magis tale, non tamen subiectum dicitur intendi et remitli, sed forma ipsa, secundum
quam subiectum dicitur fieri de minus tali magis tate; sed forma non passet dici
intendi proprie, nisi eadem forma, quae füil remissa, poslea esset intensa, ...:cum
est habitus in gradu.
665) Commentaria Graliadei Escuioni ordinis praedicalorum in tolam arlem
velerem Aristolilem [sie]. Vmet. 1493. fol. Das Buch ist nicht paginirt, daher ich
nur nach den „Lecliones", in welche die Commentare der einzelnen Bücher (Praedirabitia,
Pruedicamenta, Sex principia Gitbert's, Periermenias in zwei Büchern, vgl.
Abschn.XVII, Anra. 442. u. ob. Anm. 574) ehigetheitl sind, ciliren kann. Uebrigens
ist der Druck durch eine Menge der nachlässigsten Druckfehler entstellt, ein Missstand,
welcher bekanntlich bei den Venelianer Incnnabeldrncken nur äusserst selten
vorkömmt; bei Anführung der Quellenslellen corrigire ich Solches slillschweigend.
666) Praedicab. Lect. 7. S. die Stelle unten Anm. 680.
667) Prooem., woselbst nach Eintheitung der Wissenschaft in specuioliva und
praclica und nach Unterabtheitung der ersteren in Melaphysik, Physik, Mathemalik
gesagt wird: Scienliarum vero practicarum distinclio oporlet quod sumatur secundum
dislinclionem operum; opus aulem triplex polest assignari, sc. mechanicum, morale,
et opus ralionis Cirea opus ralionis versantur scientiae ralionales. Utrum
autem ars ralionalis sit dividenda in grammalicam , rhetoricam et logicam, sicut quidam
dividunt (s. ob. Anm. 87 n. Abschn. XVII, Anm. 363), vel polius sit dividenda
in logicam, rhetoricam et poelicam, sicut dividunt alii (s. ebend. Anm. 293), an magis
comprehendat omnes quatuor, non perlinet ad praesenlem locum, quia de sola
itta parle agimus, quae proprie logica vocatur.
668) Prooem. qu. l : Logica vidctur proprie dicenda esse non quidem scienlia
praclica nec specutaliva, sed modus' el regüio generalis omnis scienliae tam praclicae
quam specuiolivae, inquantum earum quaelibet est considerans veritalem Quanrivis
aulem proprie loquendo ipsa logica sit modus el regüio scienliarum, si tamen velimus
ipsam trahere ad denominalionem scienliac specutalivae aut praeticae, magis est dicenda
scienlia praclica, quam specuioliva.
314 XIX. Graliadei von Ascoli.
Bücher des Organons (Kategorien, De interpr., und „nova logica", für
welch letztere er die arabische Unterabtheilung aufnimmt); aber insoweit
es sich dabei um die Isagoge handelt, spricht er mit möglichster Schärfe
die Unterscheidung aus, dass die prima operalio rationis, d. h. das ein
fache Erfassen, einerseits als prima intentio zu den Kategorien und
andrerseits als secunda intentio zu den Universalien führe, und so die
tradilionelle arabische Auffassung des Gegenstandes der Logik sich be
währe, wenn auch das principiellere Ueberaewicht (principalius) auf die
secunda intenlio falle 6Bi)). Scheint aber hiedurch die Stellung der Kate
gorien innerhalb der Logik immerhin wieder bedenklich zu werden (vgl.
bei Burleigh und Armand, ob. A um. 593 u. 643), so hilft sich Graliadei
mit der Distinclion, dass das ens rationis entweder wirkliches Erzeugniss
des Denkens oder nur behufs denkmässiger Anordnung in die geislige
VVerkstätte (operalio) beigezogen sein könne, und somit in letzterem wei
teren Sinne die Kategorien sicher zum ens rationis gehören070); nemlich
nur das ens schlechthin an sich genommen sei Gegenstand der Metaphysik,
die Logik aber als modus sciendi bringe es eben unter die dem Denken
angemessene Anordnung ü 7 1). In solchem Sinne hält er daran fest, dass
ens rationis Gegenstand der Logik sei, und polemisirt ausdrücklich gegen
die scolislische Ansicht, welche den Syllogismus in den Vordergrund
669) Prooem.: Logica aulem cum cirea ens ralionis versetur, oporlel quod secundum
eius dislinclionem dividatur; ens vero ralionis dislinguitur secundum diversam
ralionis operalionem ; est aulem triplex operalio ralionis: simplicium inlelligenlia,
composilio et divisio simplicium apprehensorum, discursus ralionis a nolo
ad ignolum. Et de ente, quod perlinel ad lerliam operalionem , agitur in tola- arle
nova ; de ente, quod perlinet ad secundam operalionem, agitur in libro Periermenias ;
sed de ente, quod pertinel ad primam, ....in libro Praedicamentorum. Ars aulem
nova, quae tola versatur cirea raliocinalionem, oportet quod dislinguatur secundum
diversam consideralionem eius; polest aulem raliocinalio dupliciler considerari, nnn
quidem modo simpliciter sine applicalione ad maleriam aliquam, et alio modo
mm applicalione ad maleriam specialem u. s. f., d. h. Ersteres entbalte die erste
Analylik, Letzteres die zweite Analylik, Topik und Sophislik (nach arabischem
Vorhitde wie bei Albert, s. Abschn. XVII, Anm. 459) 0uitt vero liber Porphgrii
non videtur esse inctusus in tota divisione logicae, sciendum est, quod
simplicia apprebensa, quae perlincnt ad primam operalionem ralionis, sunt duplicia,
quia quaedam sunt , ,/,cir vocantur primae intentionis , ut substantia , quanlitas et
simitia, quaedam vero, quae vocantur secundae intentionis, ul genus, species et simitia.
De utrisque his logicus considerat, quamvis consideret principalius de Ais, quam de
primis; unde el pro tanto dici consuevit, quod logica est de secundis intenlionibus
iunclis primis; de primis ergo agitur in libro Praedicamentorum, sed de secundis in
Porphgrio, non quidem omni modo, sed cum reduclionc ad certum numerum praedicabitium.
Die Haupteintheitung des ens ralionis ebenso Periherm. Lect. 1.
670) Praedicam. Lect. 1: Ens ralionis sumi polest dupliciter: uno quidem modo
ita, quod ens ralionis appelletur id sotum, quod est a rotione inslitutum aul factum;
alio aulem modo sumi polest magis iorge, ut ens ralionis dicatur omne id,
quod polest esse sub ordine ralionis ipsum trahenlis ad suam operalionem , el serundum
hunc modum et decem praedtcamenta continentur sub ente ralionis.
671) Ebend. : De ente dupliciler est loqui: uno quidem modo simpliciler et se
cundum se, et alio modo secundum quod habet ordinem ad ipsam ralionem. El primo
modo considerat dc enle primus phgsicus (d. h. die Metaphysik), secundo aulem modo
de enle habet considerare logicus, unde el logica pro tanto vocatur scienlia ralionalis
Non est inconveniens, sed valde necessarium, esse tales secundas scienlias coramunes,
quales sunt metaphgsica et logica, quarum una est vere et simpliciler scienlia,
alia vero, ut puta logica, est scien,ii reguio et modus.
XIX. Graliadei von Ascoli. 315
stellte; denn nicht der Syllogismus, sondern nur ens rationis sei es, auf
welches die obersten Principien der Logik, nemlich das sog. principium
identüalis (vgl. bei Mayron und Armand, ob. Anm. 522 u. 628) und die
sog. regula de quocunque (vgl. bei Albert, Abschn.XVll, Anm. 438), sich
beziehen, und ausserdem behandle die Logik auch die dem Syllogismus
vorangehenden Zweige um ihrer selbst willen, insoferne sie (— dieses
Moliv ist dem Aegidius entnommen , s. ob. Anm. 369 —) als modus
sciendi überall da eintrete, wo die menschliche Vernunft dem Irrthume
verfallen könne672); und eben diese Irrthumsfähigkeit bestehe auch be
züglich des objecliv sachlichen Gehaltes der prima intentio, A. h. der Ka
tegorien, so dass es unmöglich sei, diese aus der Logik auszuschliessen673).
Den Sprachausdnick , welcher in der scolislischen significatio liegt, will
Graliadei hiebei principiell nicht sehr hoch anschlagen, denn das Moment
der Bedeutsamkeit der Worte sei eben eine Darstellung (repraesentatio),
auf welche sich- die forma dictionis mittelbar beziehe 674), und wohl nicht
ohne Absicht betont er somit, wie Armand (Anm. 630), die innere Sprache,
d. h. das verbum meiUaie675).
Nun aber fasst er auch die secunda intentio , welche doch ein Erzeugniss
der denkenden Seele sein soll (Anm. 670), zuletzt völlig gegen
ständlich ; nemlich mit einer Dislinclion , welche trotz wesentlicher Ab
weichung uns dennoch an Armand (Anm. 630 ff.) erinnert, sagt er, das
672) Prooem. qu. 2: Quaeritur, utrum subiectum logicae sit ens ralionis aul
tantum sgllogismus Subiectum logicae est ens ralionis Constat salis evi
denler, quod sgllogismus non est subiectum principiorum maximc universalium logicae,
nam ista sunt maxime umversalia: „De quolibet est affirmalio vel negalio uero"
et „Quantto allerum de allere praedicatur, quaecunque de praedicato dicuntur, eadem
et de subiecto dicuntur", quorum principiorum non est sgllogismus sublectum, sed ens
ralionis De praedicamenlis et enunlialione considerat logicus non solum in ordine
ad sgllogismum, quod facil in arle nova, sed eliam secundum se, quia logica de
itlis omnibus eliam secundum se delerminare debet, in quibus ipsa ralio errare polest
Si ens ralionis est subiectum lolius trivii, oporlet eliam quod sit subiectum
supremae partis eins, quae pro tanto relinet sibi soli nomen logicae Unde sgllo
gismus non est principale inlentum in logica tola, sed est principale intentum respectu
aliorum conlentorum sub enle ralionis. Praedicam. Lect. l : Communiler consuevit dici,
quod omnia considerata in logica pracler sgllogismum considerantur sotum in ordine
ad sgllogismum Constat aulem, quod sine ullo respectu et ulta habitudine ad
sgllogismum polest ralio errare in ordine rerum praedicamentalium.
673) Praedicam. Lect. l : Quaeritur, utrum logicus considerel de decem praedica
menlis sotum ralione secundarum inlenlionum Dicitur enim, quod logica est
scientia inlenlionum et non scienlia rerum Sed ista opinio non piocet mihi; manifestum
est enim, quod ralio polest errare non sotum in rebus praedicamentalibus quoad
inlenliones secundas, sed eliam quoad ipsarum proprietalem Secundae inlenliones
dicuntur ab Avicenna pro tanto esse subiectum logicae , quia in eis reservatur ralio
enlis ralionis, quod est subiectum in logica, et non quia a subiecto logicae exrtudantur
inlenliones primae.
674) Periherm. Lect. 2: Non debet poni, quod significalio sit essenlialis forma
weis, quantumeunque detur, quod aliqua significalio naturaliler et inseparabititer concomiletur
vocem .... Dicendum est, quod forma diclionis magis convenienler ponitur
esse ralio significandi, quam signi/icalio, quia signi/icalio non est aliud, quam
quaedam repraesentalio.
675) Ebend.: Duplex est diclio et duplex verbum, quia est verbum vocale, quod
profertur sensibiti voce, et est verbum mentale, quod profertur non voce, sed menle
inlelligenle ipsam rem.
316 XIX. Graliadei von Ascoli.
Universale könne einerseits an sich unabhängig von der intentio iinwersalitalis
genommen werden, habe aber dann wieder ein doppeltes Sein,
nemlich entweder ein reales, welches ausserhalb der Seele ist, oder ein
esse intentionale (s. ebend. Anm. 634), welches in Folge einer species
intelligibilis in die Seele verlegt werde; oder andrerseits werde das
Universale mit dar intentio Universalitatis verbunden anfgefasst und man
sage dann, es sei so in der Seele; aber da man ja die Universalität
nicht der species intelligibiliit zuschreibe, sondern dem durch sie vorge
stellten Gegenstande und dieser letztere in den Urtheilen das allgemeine
Prädicat werde (s. bei Burleigh, ob. Anm. 579, 586, 599), so sei das
Universale auch in diesem Sinne ausserhalb der Seele, sowie die intenlio
universulitalis nur causal in die Seele verlegt werden dürfe, indem
auch sie gegenständlich ausserhalb sei und somit in einem tradilionell
gewordenen arabischen Ausspmche mit Recht der Accent auf die Worte
„in rebus" (vgl. bei Scotus, ob. Anm. 101) zu legen -sei676). Wenn
sonach Graliadei die Universalien so sehr realislisch nimmt, dass er sogar
je nach den Gegenständen von körperlichen oder von spirituellen Univer
salien spricht677), so dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch hier
der Ausdruck „res universalis" erscheint67*). Aber platonisch ist die
ser Realismus wahrlich nicht, denn es knüpft sich an denselben die üb
liche Polemik gegen Plato679), sondern er ist vielmehr eine scolislische
676) Praedicab. Lect. 1: Quaeramus, utrum universalia sint extra . inlellertum
vel sint solum in inlellectu De universali loqui possumus dupliciler: uno quidem
modo simpliciler quantum ad naturam suam non considerando ipsam, ut est coniuncta
inlenlioni unnersalitalis, et alio modo loqui possumus quantum ad naturam coniunctam
inlenlioni universalitat! s Primo modo sccundum diversum esse polest inreniri
in inlellectu et extra inlellectum; secundum esse inlenlionale est in inlellectu
informato specie vel simititudine , sed secundum esse reale non est in inlellectu
Secundo modo .... dici consuevit, quod universale est in inlellectu; sed si de hoc
velimus sublililer indagare veritalem, videbimus manifesle, quod eliam universale sie
sumptum est realiler extra intellectum Cum inlellectus attribuit homini universalitalem,
oporlel quod intelligat ipsum hominem; cum aulem inlelligit, oporlet quod
informetur specie vel simititudine hominis ; universalitatem aulem non attribuit huic
simititudini vel speciei hominis, sed homini repraesentato per ipsam , quia simititudo
hominis non praedicatur de hominibus singuiorit,us , sed de eis praedicatur ipse homo
Palet , quod universale quantum ad suam naturam coniunctam universalitali est
extra inlellectum Inlenlio universalitalis non est in inlellectu sicut in subiecto,
sed sicul in causa; sicut aulem in subiecto est in re habente esse extra inlellectum,
inquantum apprehenditur ab inlellectu. Auctoritas aulem commentatoris (A. h. des
Averroes, s. Abschn. XVI, Anm. 181), non enim dicit „intcllectus faci t universalitatem
in speciebus rerum", scd in ipsis „rebus".
677) Ebend.: Quia inlellectus est pure virtus spiritualis nulli organo corporeo
affixa, ideo, quamvis omnia, quae sensu cognoscuntur, sint corporea, non tamen omnia,
quae inlellectu cognoscuntur, sunt corporea, sed quaedam sunt spiritualia, sicut an
gelt, et quaedam sunt corporalia, sicut ista sensibitfa. Secundum hoc dicendum est,
quod non omnia universalia sunt corporalia nee omnia incorporalia , sed universalia
rerum sensibitium sunt corporea, et universalia rerum spiritualium sunt incorporea.
678) Ebend.: De rebus universalibus agitur a logico, secundum quod in ipsis
atlenditur praedicamentalis ordo, ordo aulem praedicamenli inler genera, species et
di/ferenlias versatur.
679) Ebend.: Hato, prout ei imponitur ab Aristolele (vgl. ob. Anm. 502), posuit,
universalia ita esse extra inlellectum, quod votuit eliam ea esse per se exislenlia a
singuioribus separata ...... Sed ista opinio sie inlellecta, sicut sonat, est omnino impussibilis.
XIX. Graliadei von Ascoli. . 317
Uebertreibung, welche allerdings bei einem Halb-Thomisten sich sonderbar
ausnimmt. . ,
Trotzdem aber behauptet er mit den Thomisten, dass das Princip der
individualion in der Materie liege, molivirt jedoch diesen Standpunkt
dadurch, dass, während vom Gattungsbegriffe zum Artbegrifl'e ein Fort
schritt der Vervollkommnung führe , der Uebergang vom letzteren zum
Individuum auf einer Verengung und Begränzung beruhe, welche Schranke
bei den Naturdingen nur in der Materie ihren Grund habe, sowie man
im Allgemeinen von sämmtlicben Individuen (also auch von den immate
riellen, d. h. von den Engeln) sagen könne, dass eine Beslimmtheit (delerminatio)
des Wesens das Princip der Individualion sei 680). Sowie
aber letztere Wendung bereits nicht mehr weit von der haecceüas des
Scotu.s entfernt ist, so drückt er auch die reale Auffassung des Indivi
duums, — abgesehen von der logischen , welche im Einzelnen stets den
Artbegriff erfasst, — wieder in scolislischem Sprachgebrauche aus681).
Aus der Einzelu-Exegese, bei welcher Graliadei in ziemlich breitspu
riger Diclion das tradilionelle Material (besondeis Aviceuna) benutzt, mag
erwähnt werden, dass er getreu seinem Standpunkte das ens ralionis
als höheres Allgemeines über den fünf Universalien u82) und ebenso über
den zehn Kategorien betrachtet 6S3), dass er gelegenttich mit Burleigl
(Anm. 612) die Begriffe intellectus purus, nudus, solus erörtert884), fer
ner ebenso wie Armand (Anm. 653) die theologische Wichligkeit der
Kategorie der Relalion hervorhebt685), sodann den Sex principia Gilberl's
eine principielle Stelle neben den Kategorien zuzuweisen sucht686),
f>80)'Praedicab. Lect. 7: Polest dubituri, quid sit principium individualionis;
videtur enim, quod forma, quia per idem habet res esse et esse tm,/m, sed unumquodque
habet esse per formam f'.'.«f dicendum, quod in rebus malerialibus princi-
[,iuM individualionis non est forma, sed maleria, ...... quia per contraetionem generis
ad speciem ipsum genus deducitur, ad certum perfeclionis yradum, sed per contraetioneu,
speciei ad tndividuum polius itle gradus perfeclionis, qui ponitur in specie,
li,iiilntitr et constringitur, sed perfeclionis limitalio et constriclio suae iolitudinis
est proprie ex eo, ex quo et per quod aretatur et constringitur iolitudo formae, hoc
aulem non est nisi maleria, uude individualio speciei in rebus materialibus attribuilur
maleriae. In logica aulem nostra d,ximus, quod communiler in omnibus principium
individualionis est delerminalio essenliac ad esse.
681) Ebene!.: Logice loquendo non addit tndividuum aliquid supra speciem rea
liler, sed autum secundum ralionem; si aulc.n, non logice, sed realiler loquamur, dicere
possumus, quod tndividuum itio addit supra speciem, sine quibus indiniduum esse non
polest in re. Vgl. ob. Anm. 137 u. 252.
682) Prooem. qu. 3: Quia unius scientiae debel poni unum subiectum et non
quinque, non quinquc ergo universalia, sed aliquid unum comprehendens quinque universqlia
debel poni subiectum in hoc libro Unde oportel dicere, quod ms ralionis
tractum ad ralionem praedicabitis de pturibus sit subiectum in Porphgrio.
683) Praedicam. Lcct. l : Ens ralionis sub ralione ordinabitis in praedicamento
est subiectum huius libri.
684) Praedicab. Lect. 1.
685) Praedicam. Lect. 12: ttulio huius praedicamenli (d. h. relulivni*) habet
quoddam singuiore inler raliones aliorum praedicamentorum accidentium, quia ipsa
manet in deo, alia vers praedieamenta ad divina transtata non manent secundum
raliones suas, sed transeunt in substantiam.
686) Sex princ. Lect. l : Distinguitur aulem ita liber hie ab alio, quia subiectum
libri praedicamentorum est ens ralionis indelerminali generis, sed in hoc libro est sub
iectum ens ralionis generis extrinsecus advenientis.
318 XIX. Graliadei von Ascoli. Johannes Baconthorp.
und der Lehre vom Urtheile ihre Selbständigkeit (vgl. Anm. 672) ge
genüber der Syllogislik gewahrt wissen will 087j.
Nur Weniges ist über den Karmeliter Johannes Bacouthorp
(gest. i. J. 1346) zu berichten, welcher iii seinem dickleibigen Commentare
zum Sentenliarius 68s) die logischen Fragen nur ganz gelegentlich
in Kürze berührt. Wenn er von theologischer Seite als Averroist be
kämpft wurde, so liegen diese Streiligkeiten bekanntlich im Gebiete der
Psychologie (unilas intellectus) und haben an sich mil der Logik Nichts
zu schaffen. Die Universalien verlegt Baconthorp mit ausgesprochener
Polemik gegen Plato in die objecliven Dinge derarlig, dass der univer
selle Gehalt gleichsam als Potenlialität vor aller Aclivität des Denkens den
Realgrund der Vorstellung bilde und dann von der Denkthäligkeit durch
Abstreifen der materiellen Bedingnisse erst zum eigentlichen Universale
erhoben werde689), so dass in Bezug auf diesen Vorgang auch hier (vgl.
Anm. 403, 432) zwischen genus naturale und genus logicum unter
schieden wird61"1). Auch der Begriff der Wahrheit fällt dann folgerichlig
in die Objecte, insoferne dieselben als erkannte mit ihrem eigenen Wesen
übereinslimmen691). Das Princip aber der ludividualion erblickt er in
jeuer Form, durch welche die Materie substanlielles Dasein bekomme,
woneben begleitweise das quanlitalive Dasein der Materie hergehe und
den Grund der Vervielfälligung enthalte, und er glaubt bei dieser
Auffassung sich in Uebereinslimmung mit Thomas zu finden692). In-
687) i'enlmm. Lect. l : Consuevit dici, quod scienlia huius liM pro tanto ordinatur
ad scienliam libri Posleriorum, quia enunlialio, de qua agitur in libro hoc, est
malerialis pars demonstralionis Sed ista posilio fundatur super inconvenienli
molivo, nam enunlialio non est pars demonstralionis nec ullius sgllogismi, Bist ut
subinduit ralionem proposilionis ; in hoc aulem libro non agitur de enunlialione sub
ralione proposilionis, sed sub ralione propria enunlialionis.
688) Doctoris resotuli Joannis Bacconis Anglici Carmelitae radianlissimi opus
super quattuor senlenliarum libris. Mediotani 1510. fol. 4 Bände.
689) I, Prot. qu. 2, f. XI v. B: Universale praecedit omnem actum inlellectus
possibitis et omnem speciem impressam Facit enim inlellectus agens de universali
in polenlia universale in actu f. XII r. A: Universale non oportet quod
kabeat aliquid, in quo sustenletur subieclive, aut aliquid, quo medianle formaliter
inhaereat, sed sufficit, quod habeat aliquid, cui innitatur, ne suum esse obieclivum
sit ficlicium f. XII v. B : Si universalia haberent esse extra animam, sicut posuit
Pioto, non indigeret Aristoleles ponere inlellectum agenlem; sed certum est, quod
universalitas praecedit molionem inlellectus et omnem eius actum exercitum
f. XIII r. A: Quidditas rei malerialis formaliler de se est intelligibitis, sed quam diu
est sub condilionibus malerialibus , non polest mon,ere inlellectum, sed sotum est in
polenlia ad movendum.
690) II, Dist. 3, qu. l, f. XXXIII ff.
691) I, Dist. 19, qu. l, f. CXXVII r. B: Ego aulem diea, quod.... polest accipi
veritas non pro itio adaequalione aut conformitale , quam importat actus inlelligendi
ad rem in esse cognito vel cognoscibiti ibi praecise sislendo, sed pro itio adaequalione,
quam ipsa res in suo esse cognito importat ad se ipsam in sua reali exislenlia extra,
sic inlelligente, quod veritas formaliler est ipsa reclitudo aut conformitas, quam
ipsa res ul intellecta importat ad se ipsam in rerum ndtura extra.
692) III, Dist. 11, qu. l, f. XXXIX r. B: Dico, quod forma est principium individualionis
nec de hoc debet esse opinio alia (v. A) Cum maleriae sit duplex
subsistenlia, se. substanlialis et quanlitaliv a, sicut per subsistenliam quanlitalivam est
indiriiliium de genere quantitalis , ita per substanlialem subsislenliam , quae est per
formam, erit aliquod individuum de genere substanliae , et ita esse tndividuum substantiae
est per se et primo per formam, sicut necessario et concomitanter per quanXIX.
Johannes Baconthorp. Petrus Aureolus. 319
et remissio formarwm bespricht er in der gewöhnlich üblichen
Weise 693).
Hingegen ein hervorragender Autor, welcher wahrlich nicht in der
bequemen Schablone „Thomisten und Scolisten" untergebracht werden
kann, ist Petrus von Verberia, genannt Aureolus (gest. nicht
vor d. J. 1345), von welchem wir einen Commentar zum Petrus Lombardus
und Quodlibeta besitzen 694). Derselbe bekämpft nach einigen
Kichtungen den Scolismus sowie nach anderen den Thomismus und liebt
es überhaupt, der Krilik der Standpunkte Anderer seinen eigenen nach
folgen zu lassen, welcher im Ganzen ein vermittelnder genannt werden
kann.
Sehr eigenthümlich ist schon seine Ansicht über die Aufgabe der
Logik : nemlich der eigentliche Gegenstand derselben könne weder in den
secundae intentiones liegen, da mit diesen sich auch Grammalik und
Rhetorik und in gewissem Sinne selbst die Metaphysik sich beschäflige,
noch iui Syllogismus , da dieser nur einer der mehreren Theile der Lo
gik sei, noch aus dem gleichen- Grunde im modus sciendi, noch auch
in ens rationis , da auch hierüber andere Disciplinen mitsprechen695).
Allerdings sei jedes Schlussverfahren in Theorie und Praxis ein logi
sches B96), aber natürlich sei darum noch nicht die ganze Logik nur
eine Syllogislik , sondern Gegenstand der Logik sei das Wort als Aus
druck der begrifflichen Gedanken (vox expressiva conceptus), denn die
Betrachtung des Logikers erstrecke sich genau so weit, als der Wortaus
druck, insoferne derselbe einfache Begriffe oder deren Zusammensetzung
oder discursive Vergleichung derselben betrelle , und was über diesen
begrifflichen Gehalt der Worte hinausgehe, falle bereits anderen Disciplilitalem
(B) Ilem hoc untu,i Thomas; non enim voluit, quod quunlitas esset principiutn
individualionis, sed mullitudinis.
693} I, Dist. 14, qu. l, f. CIX r. A. und III, Dist. 15, qu. \, f. XLVIII r.
694) Petri Aureoli Verberii Commentaria in primum librum Sentenliarum. Romae
1596. Desgleichen in secundum ebend. 1605, ebenso in lerlium und in quartum.
Ferner Quodlibeta sexdecim. Romae 1605. ful.
695) Sent. l, Prof., p. 65 B: Communiter consuetum est dici de logica, mbiectum
esse in ea modum sciendi vel inlenliones secundas vel sgllogismum lltud non
est subiectum in logica, quod est commune logicae et aliis quibusdam scienliis; sed
consideralio secundarum inteulionum compelit eliam grammalico et rhetorico, modi
namque »ir/n,ficandi sunt secunda inlenlio Praelerea ens in anima est secunda
inlenlio, secundae namque inlenliones non habent esse nisi in anima obieclive, sed c«x
in anima est proprie de consideralione primi phitosophi Nee in ea subiectum est
sgllogismus; ittud enim non est subiectum logices, quod non aequat tolam consideralionem
ipsius, sed ..... sgllogismo destructo duae partes principales (d. h. Caleg. u.
De inlerpr.) logicae remanerent Nec modus sciendi polest esse subiectum; modus
enim sciendi non est aliud, quam modus demonstrandi conctusiones et demonstralionum
principia assumendi; sed haec est una pars logicae tradita in libro Posleriorum, ergo
non est subiectum in tola (p. 66 A) Nee ens ralionis polest poni subiectum;
«ullum enim subiectum excedil consideralionem logici, cum modus significandi et parles
oralionis et coagruum et incongruum, quae considerat grammalicus, sint enlia ralionis,
et simitiler, quae considerat rhetor.
696) Ebend. p. 9 A: Forma consequenliarum et bonitas est de consideralione
logici Docens aliquem modum conctudendi ulitur Mo in quacunque maleria
Quia consequenlia el itiolio est una de secundis intenlionibus, ergo non perlinel ad
realem artificem Consequentiarum scienlia in omni maleria logic« est.
XIX. Petrus Aureolus.
neu aoheim, nemlich der Grammalik die fignificatio (— gegen Scotus.
s. ob. Anm. 12911'. —) oder der Rhetorik die psychologische Wirkung; auch
spreche nicht ,hloss die Etymologie des Wortes „Logik" , sondern auch
die Auctoritäl des Aristoteles für eine solche Auflassung B97). Dürfen
wir somit diese Ansicht als einen nominulislischen Aristolelismus bezeichueu,
so ist dabei sehr zu beachten, dass Aureolus die Logik als eine
praklische Geschicklichkeit betrachtet, deren ordnende Funclion ihren
Zweck in der Verwirklichung der übrigen Wissenschaften besitze, was
sich nicht hloss in der Doppelstelluug des docere und uti (vgl. Anm.
90, 452, 581), sondern insbesondere darin zeige, dass die Logik die
einzige Disciplin sei, welche ihren Gegenstand nach seinen drei genann
ten wesentlichen Thcilen selbst verferligt (operatur). so dass es sich da
bei nur um eben diesen, nicht aber um modus sciendi oder um intenlio
secunda handelt 1)68).
Eben aber jener begriffliche Gehalt der Worte führt ihn auf einge
hende Erörterungen über die intentio, betreffs deren er vorerst drei ver
schiedene Meinungen Anderer erwähnt, um sie zu krilisiren und dann
seine eigene auszusprechen. Allerdings haben wir im Bisherigen eine
weit grössere Anzahl von Ansichten über jenen vielbestrittenen Begriff
gesehen , und andrerseits könnte selbst ein leiser Zweifel übrig bleiben,
ob jede der drei Auffassungen gerade in dem Wortausdrucke, in welchem
sie Aureolus anführt, bei Einem der uns zugänglichen Autoren wiederer
kannt werden müsse ; doch als Docnment jener Zeit, in welcher Aureolus
schrieb, sind uns seine Angaben nicht unwichlig, denn gröbliche Irrthümer
scheinen bei ihm nicht ruitunterzulaufen. Die erste Ansicht, dass
die intentio nur actus intelligendi sei, welcher sich auf die Dinge richte
697) Ebend. p. 66 A: Dicendum est ergo, quod vox ut expressiva conceptus est
subiectum in ea. Illud enim , quod adaequal consideralionem logici , et e converso
i'uius species in part Aus logicalis scienliae sunt subiecta, ittud, inquam, est subiectum
lolius logicae; sed vox expressiva conceptus est huiusmodi. Nam vocum quaedam est
incomplexa conceptus simplicis expressiva, quaedam vero complexa expressiva
conceptus componentis et dividenlis, quaedam discursiva, sc. sgllogismus, et haec
subilcitur in logica nova. Et secundum lioc consideralio logici non excedit vocem
expressivam conceptus, nec adhuc exceditur, quia grammalicus non considerat vocem
ut expressivam conceptus, sed modos concipiendi, quos exprimunt modi significandi:
simitiler rhetor non considerat oralionem ul expressivam conceptus, sed ul impressivam
delectalionis et assensus Logica dicitur a logos, quod est sermo, ergo
est subiectum in ea Oralio ut expressiva conceptus, et non aliler, est subiectum
veri et falsi Praeterea Aristoleles ubique in logica sua consideralionem hanc
inctusit, ac si consideraret de vocibus conceptuum expressivis.
698) Ebend. p. 37 A : Logica est habitus praclicus, habet enim respectum
reguionlis in ordine ad actus inlellectus aliarum scienliarum et dirigit alias scienlias.
Logica et similes non habent pro fine actum proprium medianlibus ipsis elicitum,
sed actum aliarum scienliarum Nultus arlifex dividitur in docenlem et
ulentem, nisi sit praeticus Nultus specuiolis'us habitus operatur suum obiectum,
astrologia enim non facit coelos, sed logicns per habitum logicae facit oraliones
veri expressivas Subiectum enim logicae non est modus sciendi nec inlenlio
secunda, ut aliqui dicere votuerunt, sed oralio veri et conceptuum expressiva. Cuius
species sunt tres, sc. dictio conceptus simplicis expressiva, et proposilio complexorum
conceptuum expressiva, et sgllogismus discursivorum conceptuum expressivus
Constat aulem, quod non sotum ista spemiotur logica, imo et operatur;
ergo est habitus practicus, non specuiolivus.
XIX. Petrus Aureolus. 321
(lendit) und so entweder concret das äussere Sein derselben betreffe
oder abstract in der inneren Sphäre des Denkens die Aehnlichkeiton der
Dinge und deren Nameiisbezeichnuug enthalte , gehört offenbar der scolislischen
Richtung an (s. Scotus Anm. 106 u. 128, Antonius Andreas Anm.
456, 462, 465), obwohl „lendere" auch bei Herveus (Anm. 396), „con
cret und abstract" auch bei Armand (Anm. 631), und „denominalio"
auch bei Durand und Armand (Anm. 551 u. 634) sich findet099). Hiebei
aber tadelt Aureolus vor Allem eben das denominalive Verhältniss,
da dann die Begriffe kein anderes inneres Sein hätten, als etwa auch ge
malte Dinge durch das Gemaltwerden bekommen 700), und so werden wir
uns wohl wieder hüten müssen, den Aureolus als reinen Nominalisten zu
bezeichnen. Die zweite Meinung ist unverkennbar jene des Herveus (s.
Anm. 395 bis 399 , 403) , nemlich dass die intentio eine relalive Bezie
hung der Objecte auf das Denken sei , wobei die Realität an sich einen
Gegensalz gegen die Denkauffassung bilde , aber zugleich mittelbar als
ens ralionis das Substrat der vorstellungsweisen intenlio secunda sei 701),
und auch das Bedenken des Aureolus, dass dann überhaupt noch ein be
sonderes Verhältuiss (habüudo) nothwendig sei und insbesondere die Uni
versalien nur concrelive bestehen, slimmt wörtlich mit Herveus überein
(Anm. 396), wenn auch der Einwand, dass die secunda intentio von den
Kategorien ausgeschlossen sei, eher den mit Herveus verwandten Burleigh
(s. Anm. 593), als den Herveus selbst (vgl. aber Anm. 399) trifft702).
699) Sent. I, Dist. 23, art. l, p. 527 A: Dixerunt aliqui, quod inlenlio .;...
est actus inlellectus, qui pro tanto intcntio appeliotur, quia in alind lendit el obieclire
procedit, intellectiones aiilem quaedam sunt de rebus secundum esse, quod habent
extra, quaedam aulem sunt de rebus praesupposita prima intelleclione,
sicul inlelleclio vuircrsaliliilis Dixerunt ergo isti, quod intentio accipi polest in
abstracto vel in conereto , et in abstracto nit aliud est , quam quaedam rei cognilio,
quam habet intellectus penes se, in conerelo vero res ipso sit cognita (B) Se
cundum sie ponentes logica, quae considerat secundas intenliones, tractat de intelleclionibus
non ut sunt verae res, sed ul sunt rerum similitudines res ipsas denominantes.
700) Ebeod. urt. 2, p. 530 A: Evidenler deficit, quod ait, accidenlia inlel
lectus esse formaliler et in abstracto inlenlionem primam et secundam, et obiectum
tantum denominalive dici; (p. 531 A) qnod imaginatur , quod res concepta denominetur
tantummodo ab actu inlellectus et non capial esse inlentionale ptus, quam
Caesar, qui pingitur, capit J pictura.
701) Art. l, p. 52!s A: Dixerunt alii, quod inlenlionulitas in abstracto est quidam
respectus ralionis leuens se ex parte rei inlellectae in ordine ad inlellectun,
ipsum (B) Dicunt enim, quod habitudo rei cognitas ad in tum intellectus sit
intenlionalitas in abstracto , et ista pturificabitur secundum dislinclionem et ordinem
intelligibitium obiectorum, quod secundae inlentiones non habeant esse reale, imo
dividantur contra tnt,im esse reale p. 529 A: Dixerunt quoque, quod secundae
inlentiones non habent esse alicubi subicclive, nec in inlellectu , mm non sint actus
nec species, nec in rerum natura, sed tantummodo in intellectu obiective, quod
homo et animal non sunt formaliler primae intentiones , sed sunt immediata fundamenta
primarum intenlionum, et simititer nec universale aut parlicuiore sunt secundae
inlentiones, sed sunt fundamentum immediatum secundarum inlentionum,
(B) quod secunda inlenlio, si aceipitur in abstracto, nullo modo polest fundari super
rem extra immndiale exislenlem, sed super secundum genus inlelligibitium, quae sunt
enlia ralionis.
702) Ari. 2, p. 532 A: Animal aut homo, secundum quod huiusmodi, non sunt
primae intentionee , nisi ultra addatur eis reiolio aul habitus inlellecli ad actum in-
PBANTL, Gesch. HI. 21
322 XIX. Petrus Aureolus.
Endlich für die. dritte Ansicht, dass die prima intentio sowohl in der
Seele als auch ausserhalb derselben, und nur die secunda als Act des
Denkens in der Seele sei703), wobei Aureolus tadelt, dass mit der se
cunda intentio der Gegenstand der Logik erschöpft sein solle704), kön
nen wir aus der uns zugänglichen Litteratnr nur auf Armand (Anm. 629.
632) oder etwa auf firaliadei (Anm. 669) hinweisen. Seine eigene Mei
nung aber knüpft Aureolus an die hei dieser Controverse jedesmal wie
derkehrende Stelle des Avicenna , welche er von einem ausschliesslicheu
Conceptualismus aus interpr,Hirt 700); nemlich sowie die intentio weder
, der Denk-Act selbst, noch eine hlosse Beziehung sein könne , so sei sie
sicher Nichts anderes, als der vorstellungsweise Begriff (conceptus obiectivus)
, welcher Denkauffassung und Gegenstand derselben untrennbar
verbunden in sich enthalte und nur in einer Verschiedenheit der Rang
folge einerseits nicht reflectirt prima intentio und andrerseits reflecürl
secunda intentio heisse ; und erst die Vergleichung dieser beiderlei Arteu
der Begriffe unter sich führe innerhalb des ausgesprochenen Wortschatzes
zu einer gegenseiligen Relalivität, welche aber eben darum sich auch bis
in den Syllogismus hinein erstrecke 766),
Die nähere Erklärung aber dieses „Begriffes", welcher gleichsam an
. .Stelle,.der .tntefttto .U'cten soll, knüpft sich .an .eine Bekämpfung der scolellectus.....-
((l. 533 .A) .'f " • opinio dicit de universali et genere ei specie et di/ferenlia,
quod ista nec in abstracto, utpole universalitas, nee in conereto dicendo
universales sunt secundae inlentiones formaliter et in abstracto, sed tantummodo per
modum substrali et quasi concreliee, (B) quod homo et animal per hoc fien,
inlenliones in (onereto, quia stsbiiciuntur, universale vero simililer secundae inlentiones
fdum'iirr per hoc, quod subilciuntur tali habitudini, quae est inlenlionalitas in abstracto
(p. 534 B) Ait, secundas intentiones non esse in praedicamento.
703) Art. l-, p. 530 A: Alii dixerunt, quod prima inlenlio est ipsa rcra res
vel e&islens extra vel eliam in inlellectu subieclive, secunda vero intentio est ipsemel
n,ltis, inquantum e»t quodammodo obitrtun,. \
704) Art. 2, p. 538 A: Ail. logicam esse de lecundis inlenlionibus tanquam de
subiecto adaequato; hoc mim sture non polest. •l• ,-i, «
f* 705) Ebend. p. 530 B: Avicenna dicit, ...quod logica est de secundis inlenlio-
( nibus adiunclis primis; sed manifestum est, quod logica nan coniungit actum inlellectus
\ ,aetui inlellectus, sed conceptus secundarios conceplibus primis; ergo manifestum
\ est, quod secunda et prima intenlio non stint sctus inlelligendi, sed obieclivus
' conceptus. . ... . .. •, -, H « 1 - •,. , . -. .
706) Ebend. p. 539 A: Palet, quod intentianes n,Sn sunt ipse actus inlelligendi,
ul limjit opinio prima et h-,iia, nec eliam obiectum cagnitum, ut fundat reiolionem
ad actum inlelligendi sie, et huiumodi reiolio sit inlenlionalitas abstracta, ut posuit
opinio .secunda ; sed est ^,semet conceptus obieclivus per inlellectum formatus cioudens
indislinjuitxitiler canceplionem passivam et rem, quae concipitur per ipsam. Et idem
.estdtcta inlenlio, quod conceptus, et inlenlio prima idem, quod conceptus primi ordinis,
quos inlellectus formal circa res non reflectendo se super suos conceptus; in
lenliones vero secundae conceptus secundi ordinis, quos intellectus fabricat refleclendo
et redeundo super primos conceptus Sunt aulem omnes istae inlenliones huiusmodi
in praedicamento reiolionis , sicul palet , quod universalitas est reiolio universalis ad
parlicuiore et simitiler parlicuioritas reiolio ad universale, et affirmalio et negalio
sunt quaedam reioliones, coanexio eliam extremorum in medio Considerat ergo
logicus de islis non,,ut sunt quaedam enlia ralionis, sed proul reducuntur ad
oralionem enunlialivaa>,vet.:sgllogisticam vel dicibitem incomplexam. Ebend. p. 541 A:
Sgllogismus , quomodocunquc accipiatur, semper importat respectum, el polest dici,
quod sgllogismus reiolive dicilur ad conctusionem. Vgl. ebend. Dist. 36, art. 2,
p. 836 B. ,
XIX. Petrus Aureolus,
lislischen species intelligibilis, wobei Aureolus schärfer zu Werke, geht,
als Durand (s. Anm. 560 ff.). Nemlich allerdings sei zum Erkennen ein
esse intentionale erforderlich, aber man irre sehr, wenn man von einer
forma specularis als einer im Denken, oder in der Sinneswahrnehmung
gegenständlichen Realität spreche, sondern die objecliven Dinge selbst
seien es , welche ein erscheinendes Dasein (esse apparens) haben und
vom geisligen Blicke erfasst als begriffliche Vorstellungen (notitia oMectiva)
auftreten707); nicht bloss in den Irrthum des Platonismus verfalle
man, wenn man gegenständliche Formen als reale Eindrücke, auf welche
der Intellectus blicken müsse, annehme708), sondern auch die Richlig
keit aller Urtheile, welche ja auf unmittelbarem Anblicke Beruhen, müsse
man verneinen, weil die species intelligibilis des Subjectes nie jene des,
Prädicates ist709). Das Erfassen überhaupt (compfehensio) könne aller
dings ein sinnliches oder ein denkgemässes sein, der Unterschied beider
aber liege nicht in den Gegenständen, sondern nur in einer Modalität
des Erscheinens, insoferne die Sinnesobjecte quanlitaliv materiell erschei
nen und das Denken hievon abstrahirt 7lu); letzteres aber bestehe nicht
darin, dass die Vorstellung selbst sich sachlich von den materiellen Be
dingungen wegwende, denn dieselben seien ja sämmtlich Erkenqtnissobjede,
sondern die Abstraclion sei nur eine Modalität des Erkenneus be
hufs der Universalisirung 711); und in diesem Sinne .sei das Erkennen
an sich unmittelbar wohl auf das Allgemeine gerichtet, aber bei dem
Singulären verbinde sich hiemit die auf einer Empfänglichkeit beruhende
707) Sent. t, Dist. 9, art. l, p. 320 A: Omnis inlelleclio exigil rem positam in
esse inlenlionali, et itio est forma specutaris, de qua isti loquuntur, sed deficiunt a
veritale, quod habeat esse reale, quod sit subiective in intellectu vet phantasmale,
.... quod per itiom procedat inlellectus ad res, cum itio sit vera res, quam
inlellectus specuiotur (B) Res ipsae conspiciuntur mente, et ittud, quod intuemur,
non est forma alia specutaris, sed ipsamel res habens esse apparens, et hoc est menlis
conceptus sive nolilia obiectiva. • - i 'l -
708) Ebend. p. 319 A : Nulta forma realis' etcislens • subicclive' in intellectu vel
in phantasmale est ponenda, ad quam aspiciat inlellectus, cuius produclio diclio appelletur.
Forma ilio, 'quam nos 'adspicere e£perimur, dum inlelligimus'rosäfn simpliciler
aut florem, itio non est aliquid reale impressum inlellectui subieclive aul phantasmalt,
sed nee aliquid reale subsislens, sed est ipsamet res habens ' esse inle,lttonale
conspicuum (B) Redirct, quantum ad hoc, error Piotonis dicenlis, quod inlellecths
adspicit ad exempior, non ad ipsas res; ergo imfossibite est, quod talis forma 'realis
ponatur. Vgl. Anm. 721. ' .,..,.'..
109) Sent. t, Dist. 35, p. 2, art. 4, p. 784 A : Si species est id, ad quod prima
inlelleclio detcmiinatur, .tequitur, quod omnis proposilio et omnis enuntialio erit /ofso;
species namque praedicali non est species subiecli in aliqua proposilione, inlellectus
aulem enuntiat de hoc, quod adspicit, cum dicit „homo est animal".
710) Ebend. p. l, art. l, p. 752 ß: Comprehensio est quid commune ad intelligere,
imaginari e[ sentire ; differunt aulem ista non propler alia i'l alia aiiprehensa,
s,'d di/ferunt in modo apparendi. Sensui namque et itnaginalioni apparent res
sub conditionibus quanlitalis , irilelligere vero abstrabit ab isto modo quanlita
liv/) et maleriali. , ,. ... • .. , .. .«• •,
711) Ebd. p. 4, art. l, p. 808 A: Patct, quod est dictum, sntellectum abstrahere
a condilionibus malerialibus ; abstrahit quidem non obieclive, cum nulta sit malerialis
condilio, quam inlelligere non possit, sed abstrahit modaliler quantum ad modum
cognoscendi. ."•i• •• • '
21*
324 XIX. Petrus Aureolus.
Signatur des Individuellen (signabilitas passiva), welche keineswegs Sache
des Denkens selbst sei712).
Indem also erscheinendes Wesen (apparens) und Erkennen in ihrer
wahren Bedeutung sich wechselseilig einsehliessen ' 1:t), treffe die Be
slimmtheit der Objecte mit einem gewissen unabhängigen Elemente (06-
solutum) im Menschen zusammen (coincidü), welches keineswegs eine
blosse nackte Möglichkeit sein könne , die in lediglicher Passivität zum
Belmfe ihrer Bethäligung auf eine species intelligibilis warten uiüsste,
denn durch eine solche würden ihr nie die Objecte selbst gegenwärlig,
deren sie doch nothweudig eben deswegen bedarf , weil nur von ihnen
dem Erkennen Etwas eingeprägt werden kann , was dann in demselben
unabhängig auftritt ' 14j. Nemlich zum wirklichen Erkennen gehöre erstens
als Vorbedingung ein erscheinendes Object, zweitens als Fundament eine
gewisse Gestaltung des Intellectus , in welcher das übject sich abbildlich
ausprägt, und drittens als Vollendung die Auffassung der Erscheinung
selbst (apparitio); und das Begreifen (concipere) besiehe eben in jener
Gestaltung des realen Abbildes in seinem erscheinenden Wesen 7 1 5). So
ergibt sich folgende präeise Unterscheidung: Begriffliche Auffassung (conceptio)
ist jener Denkact, welcher das (abbildlich) gestaltete Object in Be
zug auf den schaffenden Denkuct selbst und in Bezug auf das Endziel,
d. h. auf die wahre Einsicht, betrachtet; Begriff aber (conceptus) ist das
in solcher Weise gesetzte Object; Wort oder Kundgebung (dictio , locutio)
ist der Denkact, insoferne er das Object in Bezug auf den schaffen
den Denkact selbst betrachtet; Einsicht (intellectio) ist das Endziel, für
welches das Ganze vor sich geht71?).
712) Ebd. ai-/. 4, p. 826 B: Inlellectus est per se et ,mmcdtali. universaliun,,
singuiorium vero non sine sensulione vel imaginalione passiva, quia signatum initinduum,
inijuantum signatum, converlitur in talem signaltönem vel signabilitalem passivam,
quam facit imaginatw vel sensus et nuliolenus intellectus. Ebenso Sent. n,
Dist. 11, art. 2, p. 144.
713) Ebend. p. l, art. t, p. 753 A: Apparats connotat inlelligere tanquam ittuä,
cui apparet, sed e converso inlelligere connolat ipsum tanquam id, quod apparet
(den von Aureotus hier oft gebrauchlen Ausdruck connolare s. Abschn. XVII,
Anm. 598).
^ 714) Ebend.: Ista formalis ralio, quae connolat delerminatum aliquid,
oporlet, quod fundetur vel polius quod coinridat et delerminetur per aliquod absotutum
in ereatura, quod quidem non polest esse nuda polenlia Mellectus respectu inlelligibitium
omnium (p. 753 B) Praesenlia obiectorum est necessaria ad omnem
comprehensionem, sed non esset necessaria, nisi imprimeretur aliquid absotutum
ab obiecto in intellectum et celeras comprehensivas polenlias (p. 754 B) 0uamvis
ergo per spsciem vel per absolutum forte possint res esse praesentes, nihitominus
per agere auf recipere speciem non possunt res esse praesentes, cum baec sint quidam
respectus. Ergo non est possibite, quod inlelligere formaliler sit pali vel recipere
speciem aul agere per eam.
715) Ebend. p. 756 B: Ad inlelligere actuale tria concurrunt: unum quidem
quasi praevium, sc. polenlia obiecti in esse apparenli; aliud vero ut fundamentum,
sc. inlellectus informatus simititudine , sequitur enim inlellectum sie informatum apparilio
obiecli; lerlium vero ut complementum, sc. apparilio. Unde non est aliud con
cipere aliquid, nisi formare iltud per simititudinem realem exislenlem in intellectu.
formare — inquam — in esse apparenli inlellectui ipsi. Sie inlelleclio formalionem
exigit per modum praevii, formaliler vero consislil in reali similitudine, conuolaliee
vero in ipsa apparilione.
716) Senf. I, Dist. 9, art. l, p. 323 A: Actus inlellectus appeliotur conceplio,
XIX. Petrus Aureolus. 325
Was aber die Frage über die Erkenntniss des Singulären betrifft,
theilt Aureolus folgerichlig weder den Standpunkt des Thomas, noch je
nen des Scotus71'), sondern indem er zwischen tndividuum vagum (s.
Abschu. XVII, Anm. 406) und sulstratum, unterscheidet und ersteres nä
her an die Universalien rückt718), gilt ihm bei letzterem die Individuali
tät selbst als ein eigener Begriff, welcher getrennt neben dem Wesens
begriffe des Individuums hergeht719); denn die Quiddität sei immerhin
gewissermaassen ein Qualitalives, welches als das Wesen eines concreten
Trägers (huius) ausgesagt werde, während beim Individuum der Begriff
als ein Dieses-Sein (Aoe) selbst aufgefasst werde und die individuelle To
talität enthalte720).
Während dem Aureolus bei solcher Auffassung des Begriffes und
des individuellen Wesens der Platonismus so sehr als unhaltbar erscheint,
dass er ihn sogar eine Windheutelei (vaniloquium) nennt721), kann er
in der Universalienfrage die übliche Dreigliederung annehmen, indem die
Aussage das post rem, die ratio universalis das ante rem und die concrete
Existenz das in re repräscnlirt 722); und sowie ihm ontologisch als
inquantum adspicil rem formatam sub habitudine producenlis et sub habitudine eins,
cui producitur in esse apparenli. Concipere enim est 'producere intra se Quia
per actum inlellectus res producitur in esse apparenti intra ipsum inlelligenlem, merito
tolum hoc appeliotur conceplio, et res sie posita appeliotur conceptus; nclns
aulem inlellectus, inquantum adspicit in ralione producentis rem huiusmodi apparenlem,
intantiim appeliotur formalio vel diclio vel loculio; actus vero inlellectus, in
quantum est ittud, cui res itio formatur et cui producitur in esse apparenli et relucenli,
intantum dicitur inlelleclio v'el intuiliv.
717) Sent. l, Dist. 35, p. 4, art. l, p. 805 A: Aliqui dicere votuerunt, singuiore
maleriale ab inlellectu nostro primo et direcle cognosci non passe, indirecle aulem et
per quandam reflexionem (s. Abschn. XVII, Anm. 500) (B) Dixerunt vero alii,
quod inlellectus nosler singuiore inlelligit directe, imo primo, quam universale (s. ob.
Anm. 119).
718) Ebend. p. 812 B: Palet, quomodo inlellectus nosler inlelligit singuiore;
vagum enim inlelligit per se , sicut et universale, non est enim communicabite nec
cognoscibite demonstrando aut designando ; singuiore vero substratum non in
lelligit nisi ponendo differenliam intcr actum imaginalionis designalivum et ittud, .
ad quod talis actus demonstralivus delerminatur.
719) Sent. II, Dist. 9, qu. 3, art. 3, p. 1 14 B: Concipiendo hunc hominem nihit
addo in conceptu ad hominem, sed sunt duo concepti,s omnino separali, nec unus
allerum ineludit, ncc unus se habet ad allerum per addilionem. Ebend. Dist. 12, art.
3, p. 164 A.
720) Sent. III, Dist. l, art. l, p. 336 A: Differt aulem a conceptu supposili
(d. h. des Singulären, vgl. ob. Anm. 109 u. 251) conceptus naturae , quia conceptus
supposili ab omni abstrahit qualitale et concipitur ut hoc et ut tolum; quidditas aulem
de se qualitas est quaedam et concipitur non ul hoc, sed ul huius, quod in suo con
ceptu completo habitudinem quandam importat.
721) Senf. I, Dist. 35, p. 2, art. 2, p. 777 A: Nosler inlellectus non sotum
novit universalia, imo et singuioria, in quae sub propriis ralionibus non polerat deducere
nolilia idearum, quas Pioto ponebat. Ebend. Dist. 36, p. 2, art. 3, p. 855
B: Ideac, sicut inlellexit Pioto, sunt aliquid monstruosum et vanitoquium. Vgl.
Anm. 708.
722) Sent. H, Dist. 11, qu. 3, art. 2, p. 138 A: Universale polest tripliciter
accipi: vel universale in praedieando, quod est poslerius et abstrahitur a rebus; ....
eel species universalis in intellectu, quae sit species repraesentans universalem ralionem;
lerlin modo polest accipi in existendo , quia ad ptura se exlendit unum
exislens eliam existendo parlicuioriter.
326 XIX. Petrus Aureolus.
letzte Basis der Universalien ante rem die Ideen 'der göttlichen Intelli
genz gelten 723), so weist er für die Logik darauf hin, dass die blosse
conformitas der Objecte wohl ein Mittel, nicht aLer das Endziel des uni
versellen Begriffes sei 72*).
Nach dem so ehen (Anm. 720) Bemerkten kann es uns nicht uner
wartet sein, sondern nur als folgerichlig erscheinen, dass sich Aureolus
bezüglich -des Principes der Individualion völlig an den Scolismus anschliesst
725) und Lei der entitas positiva des Scotus sowohl für die
materiellen als auch für die immateriellen Individuen begnügt726). Hin
gegen hält er in Folge seines Conceptualismus mit den Thomisten die
unitas formae aufrecht 727), allerdings mit dem vermittelnden Zugeständ
nisse, welches bereits1 Aegidius (oh. Anm. 384 f.) gemacht hatte, dass zu
einer einheitlich abschliessenden Form mehrere andere als unentbehrliche
integrirende Theile sich vereinigen können 72s). Aber weil eben (wie bei
Aegidius) eine solche Mehrheit nur Sache der Denkauffassung sei, ver
wahrt er 'sich mit grösster Entschiedenheit gegen die formalüates des
Scotus, deren realislische Seite den Begriff unfähig mache, der Ausdruck
der Quiddität zu sein 729), da man dabei nothwendiger Weise die ein-
TOT-r-,Trv-;". ,', •, ••',... .'. . ,',,.. ,,. „. , . . • ; .' , "• -. •
1 723) Slfnt. l, Dist. 36, an. 2, p. 848 A: Individua, species et genera ife prae-
' dieamento substanliae habent dislinctas ideas, celera vero non, quamvis habeant aliqv.
aliler cr/ideas mm itlis, ' a quibus separari non possunt in divina intelligenlia.
Ebend. art. 3, p. 854 A: Illud, quod omnia imitantur, et ipsum nihit imilatur, ha
bet proprie ralionem ideae et principbliler , sed omnia imitantur essentiam deitalis
it: s.' f. '"•"..•
724) Sent. II, Dist. 3, qu. 2, art. 2, 'p, 63 B: Licel conformitas sit medium,
quo deveiüm'us lid c'anceptum uhivershlis, tamen inlellectuk non sistit ullimale in ilio
coriformiiale . se,f in co'nceptu universalis, quöd hon inctudit intrinsece itiom conformitalem.
"
• 725) Senf.' II,' Dist.^Q, qu.' 3, art. 3, p. 114 A: Quasro er<jot quid sit prfacipium
individualionis Realiler loquendo quaeslio nulla est , cum quaeritur-, 'q[tld äddil
Individuum ad rälionem speiiei, quoniam omriis res eo, quod' est, singularitb* vst, et
eo ipso, quod cst (ndifferehs et communis ralio, est concepta. Ideo quaerere aliquid,
per qvidres, quae i'xtra' inlellectum est, est singularis , nihit est quaerere (B)
Tunc cum qu'aeritur", per quid est res singutaris , dico, quod ouinis res est se ipsa
singuioris el-per nihit aliud, sed per itiom.
726) 'Ebend. p. 114 B:1 Iridwldmiul: iit quantis habe't,quod'possit'cöhilbere secum
qliud mdi'viduu'm et quod Hit divisum ab omret aliö' individUo in sfecie ista per
• ralivnem qhamiMts ' Vn non' quanlis, puta in angelis et huiusmodi^ individuum
habet per propriam entitalem, quod sit dislinctum ab omni individüo. •' '
'727) Ouddl. 3;' aM.''l, p. 19 B: tfoniia est nAitas fundamentsiläer, h&m'est causa
indivisiönis compositi et fimddmerituhi . . . . -. Si forma est unitas ^ forma alslem no«
uliquid positnum -nisi entitäs, seqüitur, quod nullä raliö potiliva imparletür per imtlälem,
nisi ralio enlitalis formala, ' et per consequens ' iii' formä roltB ehtitalis et unitalis
non dicunt. duas raliones nositivas, sed unam. '"'•"' '''"'•
728) Sent'. II, Dist. l6, qu!2, art. 3, p. 217 A'r Simplhitbs fonhae polest inlelligi
'dufllicilef: yvel qmd non resolvitur fn formas , h. e.in partes, quarum quaelibel sit
'/orm'A; 'el-hoc modix c'oncedo .'. . J .''."tfek ferma dicitur simplex, quia exctudit realilales,
tquarumana''e'lcctusa''priih'i) possit remanere. De tali simpiicitale loquendo non repulo
inconveniens, quod forma aliqua, quantumeunque simplex, habeat in se tales riealitales,
' 'ut habeaht in se' aliqüid, quvd' cum 'uliö in eodem inlegral ralionem indivisibitis for
mae, quöU 'quitiilm sit'üÜimata realitas, per quam forma capial propriam terminalio-
''n'eni ab' alid forma, 'qua ' aniota"re'maneat forma truncata non -Velinen* rälionem et
distinelionem förm'ae.' tioH non est impossibite 'nec repugnkt simpticitali formae ipsim.
729) Senf. II, Dist. 3, qu. 2, art. 3, p. 64 B: Genus et 'diflerenlia exprimunt
XIX. Petrus Aureolus. Wilhelm Occam. 327
heitliche Wesenheit in eine reale Vervielfälligung zerreissen müsse 730):
Und da eben diese Wesens-Einheit in der Form liege, welche wohl einer
Gradabstufung ihrer Spannkraft fähig sei , aber nicht zerbrochen werden
dürfe731), so könne von einer intensio et remissio furmarum nur rela
liv im Hinblicke auf die Fähigkeit der concreten Träger der Formen die
Kede sein 732).
Haben wir somit den Aureolus als einen Autor kennen lernen , ge
gen welchen ein Albert und ein Thomas, sowie manche Andere, unver
gleichlich weit zurückstehen, und hat sich uns bisher überhaupt znr Ge:
nüge gezeigt, dass die bis jetzt bestehende Behandlung der Geschichte
der Scholaslik dem wahren geschichtlichen Sachverhalte nicht entspricht,
indem man den üblichen Anschauungen der Theologen folgend etliche
Autoren als Hauptfiguren ausschliesslich darstellte und die mannigfach ver
schlungene Parteistellung vieler anderer schlechthin ebenbürliger Autoren
ignoriren zu dürfen glaubte , so führt uns nun der geschichtliche Faden
zu Wilhelm Occam (gest. i. J. 1347), bei welchem jene Missstände
der bisherigen Geschichtschreibung sich in erhöhtem Maasse fühlbar ma
chen ; denn was durch den Hass der Theologen über ihn in Umlauf ge
setzt wurde , dass er nemlich die Universalieu als flatun vocis bezeichnet
habe, findet sich in seinen Schriften gar nicht, und was er in der Uni
versalienfrage wirklich behauptete, haben vor ihm und gleichzeilig meh
rere Andere gleichfalls ausgesprochen, und endlich was ihm in der That
omnino eändem realitalem, ut nulio distinctio sii apud itio in esse, sed tantum apud
inlellectum p. 65 A : Si ponerentur plures realitales in una re vel ptures gradus
sive ptures formalitales, ut dicunt alii, aut essent aliquid extrinsecum respicienles
realitalem, aut essent aliquid intrinsecum. Si primo modo, tunc conceptus generis
et differenliae nun exprimerent quidditalem rei , sed aliquos modos adiacenles rei;
oporlet ergo, -quod dicant aliquid intrinsecum, et tunc erit allerum ul actus, allerum
ut polenlia. Vgl. Sent. IV, Dist. 11, qu. 4, art. l, p. 107 B.
730) Quodlih. l, p. 2 B: Fuit quorundam opinio (s. be'i Scatus, Anm. 154), qüöd
in eadem re simplici possunt esse ptures formalitales dislinctae ex natura rei, et aliqui
vocaverunt eas modos reales, aliqui raliones reales, aliqui inlenliones, aliqui
quidditalivas raliones , el omnes idem exprimere tnlendunt ...... p. 3 B: ImpoSsibite
est et contradiclio, quod in eadem re omnino simplici sint ptures modi auf rationes
reales, inlenliones, formalitales, quidditales, sive quocunque nomine censeantur, quin
proporlionaler sint ptures res el essenliae. Ebend. p. 8 A : Omnis formalitas extra
inlellectum est aliqua realitas el aliqua essenlia, et ita nun differunt in aliqua re
formalitas et realitas Nunquam mulliplicatur extra intellectum formalitas, quin
mulliplicetur realitas.
731) Sent. II, IHst. 15, art. l, p. 203 B: Forma non est aliud, quam actualio
el lerminalio ac distinctio maleriae. Non est enim imaginandum, quod forma sit res
aliqua praecise acceptabilis, et quod adveniat maleria mediante unionc,. quae est retulio.
sed uniune. quae est indivisio in aliquo lerlio; unde forma individitur maleriae,
st sx ipsis sie ihdivisis ac indislinclis resultat unitas ipsius compositi ipsis exislenlibus
in composilo..... Aliud est formam intendere el remitlere et diminuere, et aliud
esl ipsam frangere, ut sie fracta amittat passe dare effectum formalem subiecto et
maleriae ; et hoc, quia, ut sie est fundamentata, non salvatur in ea ralio formae.
732) Senf. I, Dist. 17, p. 3, art. 2, p. 452 A: Formae in abstracto possunt dici
maiores seu perfecliores, sed magi, et minus adverbialiter non dicuntur . , . . .
Realitales, lecundum quas sil formae intensio, non distinguuntur specifice ,lec numr.-
raliter nec aliquo modo in actu Forma non est subiectum molus inlensionis,
quia non suscipit gradum Formae non susgipiunt magir et minus in se, sc. in
ordine ad essenlialia praedicata, respertn vsro suhiecti dicuntur magis et minus.
328 XIX. Wilhelm Occam.
allein eigenthümlich ist, hat his jetzt überhaupt Niemand gewusst, nemlich
dass bei ihm die byzanlinische Logik zur grundsätzlichen Basis geworden
ist. Auch die Ansicht, dass mit Occam die Periode einer Auflösung der
Scholaslik beginne , dürfte als schief bezeichnet werden , insoferne sie
gleichfalls schliesslich auf einem theologisirenden Standpunkte beruht.
Denn in jenem einzigen Gebiete, welches innerhalb der zwitterhaften mit
telalterlichen Bestrebungen dem philosophischen Impulse am nächsten liegt.
nemlich in der Logik, beginnt gerade durch und nach Occam erst vollends
das üppigste Dickicht scholaslischer Litteratur; und wenn andrerseits
Occam die Incommensurabilitäl des philosophischen Denkens und der dog
malischen Theologie förmlich zum Grundsatze erhebt und somit eine Schei
dung der Gebiete auch gegenüber den oben (Anm. 10 ff. u. 25) er
wähnten Censuren vertritt733), so dass er für alle Gegenstände religiöser
Auffassung jeden Versuch einer syllogislischen Begründung und Formulirung
als unzureichend oder als widerspruchsvoll abweist734) und folglich
hiefüf nur die unmittelbare Myslik des Glaubens übrig lässt, so ist er in
dieser Beziehung allerdings ein Gegner des Thomismus und jener selbstgenügsamen
theologischen Katheder- Weisheit , welche das logisch Unge
reimte logisch zusammenreimen will; aber der Thomismus ist ja nicht die
ganze Scholaslik, und die Unmittelbarkeit der Myslik tritt nicht erst durch
Occam als etwas Neues ein , sondern nachdem bekanntlich schon Hugo
von St. Victor735) und seine Anhänger lediglich das innere Moliv des
praklischen Glaubens betont hatten, waren es ja seit Honaventura 73B) vor
Allem die Ordensgenossen Occam's , nemlich die Franziskaner, welche
überhaupt der hierarchischen gelehrten Theologie den Rücken kehrten
und in der Religion eine praklische Seelen-Arznei erblickten. Hiemit
hängt auch die Opposilion der Franziskaner gegen die Päpste zusammen,
an welcher sich bekanntlichst Occam in derarliger Weise betheiligte, dass
ihm die Sympathien aller Unbefangenen zugewendet sein müssen ; aber
sowie jene Tendenzen mit real-polilischen Zeitverhältnissen untrennbar ver-
733) Dialogus (gedruckt s. 1. et s. a. (öl.) P. l, L. II, c. 22: Asserliones praecipue
phitosophicae, quae ad theologiam non perlinent, non sunt ab aliquo solemnitee
condemnandae seu inlerdicendae, quia in talibus quitibet debet esse liber, ut libere
dicat, quod sibi ptacet. Et ideo, quia dictus arehiepiscopus damnavit el inlerdixit
opiniones grammalicales, logicales. et pure philosophieas, sua scntenlia fuit lemeraria
reputanda. Ebend. : Opinionem Thomae de unitale formal: in homine inler alias londemnavit,
el tamen tu scis, quod ptures Parisiis ipsam publice lenent et defendurif
et docent, et ita de mullis aliis. Ebend. c. 21: Excommunicantes polestalem, quum
non habebant, indebite usurpaverunt. Andere specielle Beispiele unten Anm. 791, 802,
828. 839, 871, 1039, besonders aber 964.
734) Hauptsächlich ist es das „Centitogium theologicum" (gedruckt als Anhang
des Commentares zum Senlenliarius), in welchem Occam dieses Verfahren durch
gängig übt und hiedurch den Forscher zu einer Vergleichung mit Abäiord's „Sie
et JVtm" reizt. Derjenige aber, welcher jene Schrift Occam's in geschichtlichem
Inleresse zum Gegenstande eines speciellen Studiums machen wollte, müsste un
umgänglich vorerst sich mit Petrus Hispanus und den oben vorgeführlen Erwei
lerungen der byzanlinischen Logik völlig vertraut gemacht haben ; denn dort allein
liegt der syllogislische Schlüssel aller im Cenlilogiuro aufgcthürroten Beweise und
Gegenbeweise.
735) S. Abschn. XIV, Anm. 43 ff.
736) S. Abschn. XVII, Anm. 552.
XIX. Occam (Schriften). 329
bunden waren , ebenso kann aus denselben in litterarischer Beziehung
noch durchaus kein „Verfall der Scholaslik" geschlossen werden.
Unter den zahlreichen Schriften Occam's gehören hieher: der Commentar
zum Petrus Lomhardus 737), die Quodlibeta13*}, und insbesondere
zwei Bearbeitungen der Logik, nemlich die Exposüio aurea super artem
velerem (den Porphyrius, die Kategorien und Du interpret. enthaltend),
welche wir in einer jüngeren Redaclion besitzen 73!'), und die Summa
tolius logicae, welche uns gleichfalls nur in einer Form überliefert ist,
die von späteren Occamisten herrührt740). Indem aber Occam in all sei-
737) Das Titelbiott ioutet: Tabuioe ad diversas huius operis magistri Guithelmi
de Ocham super quatuor libros senlentiarum annotaliones et ad Centitogii theologici
eiusdem conctusiones fäcile reperiendas apprime conducibites. Nach diesem Register
aber folgen ohne neues Titelbiott: Argulissimi alquc ingeniosissimi tam phitosophicarum
quam theologicarum dißcultatum disquisitoris magistri Guithelmi de Ockam
anglici super quatuor libros sentenliarum sublitissimae quaestioues etc. Gedruckt ist
das Ganze Lugduni 1495. fol.
738) Ohne Titelbiott: Venerabilis inecploris fratris Guilhelmi de Ockam anries,
saerae theologiae magistri, veritatum serutaloris acerrimi, de «laleriis plurimis grammalicalibus,
logicalibus, phisicalibas, mathemalicalibus. metaphisicalibus et polissime
theoloaicalibus Quollibeta numero seplem feliciler initium sumunt. Am Schlusse Argenlinae
1491. fol.
739) Exposilio aurea et admodum ulilis super Arto» velerem edita per venerabitem
inceplorem fratrem Guitielmum de Occham cum quacstionibus Alberti pami de
Saxonia. Bononiae 1496. fol. Jedoch am Schlüsse des Buches lesen wir: /-.f sie
est finis tum expositionum super lolam artem velerem secundum meulem venerubitis
inecploris Guilielmi de Occham tum profundissimarum quarslionum Alberti
parvi etc., und es ist hieraus nach der üblichen Bedeutung der Worle „ad mentcm"
zu schließen, dass das Ganze nicht aus erster Hand von Occam herrührt (vgl. ob.
Arn» 529), sondern allenfalls auf nachgeschriebenen Heften beruht; auch wird ja
in jenen Theiten des Commentares, welche nicht dem Albert de Saxonia angehören,
öfters der „renerabitis inceplor" oder „venerabitis expositor Ocham" seihst genannt
(z. B. Praedicam. c. 3 zweimal), und bei der arbor Porphgriana (Praedicab., De
specie) lesen wir die ergötzlichen zwei Uislicha: Smn litis genitrix, solis sed nota
perilis, Per n,e quam plures erubuere viri; Sed decm et splendor nilidissimus Ocham
Ingenio cioram me facit esse suo. — Uebrigens ist der Druck nicht paginirt, und
ich kann daher nur im Grossen nach Capiteln ciliren. ,
740) Der älteste Druck ohne Titelblatt beginnt: Quam magnos veritalis sectaloribus
afferal fructus etc. Am Schlusse vor der Capilel-Uebersicht sleht: Explicit
tractatus logicae frutris Guitlermi Ockan divisus in tres -parles et unaquaeque pars
per capituio dislincta est. Impressum est hoc opus Pari, in vico ciouso Brunelli.
1488. fol. Der dort gedruckte Text erscheint nun durchgängig wörtlichst idenlisch
in den jüngeren Ausgaben , nemlich in Summa tolius logice Magistri Guielmi [sie]
Occham Anglici logicorum argulissimi nuper correcta; am Schlusse: Explicit maqna
constructio logicae fratris Guielmi Occham etc. Veneliis 1508. 4, und desgleichen in
Logicorum aculissimi summa lolius logicae magistn Guitelmi de Occham etc. am
Schlusse wie so eben. Veneliis 1522. fol. (ebenso auch Veneliis 1591. 4; seihst
Haure'uu, De ta pbit. scot. II, p. 421, macht ganz falsche Angaben, denn es exislirt
nicht neben einer Summa logiees noch eine Maior Summa logices, sondern der Text
dieser sämmtlichen Drucke ist schlechthin idenlisch). Aber wenn der aufmerksame
Leser alsbald entdecken muss, dass dieser Text unmöglich in seiner Tolalität so
aus Occam's Händen hervorgegangen sein kann, so geben nur die genannten jün
geren Drucke (in den Dcdicalionen und am Schlusse) den Aufs, htuss, dass wir eine
Uebflrarheitung der ächlen Summa Occam's vor uns haben, welche gegen Ende des
16. Jahrh. in Oberitalien veranstallet wurde, als dnrtselbst .sich eine förmliche
Schule des occamislischen „Nominalismus" etablirte. Man druckle ja damals in
solchen Dingen nur dasjenige, was man brauchte und wie man es brauchle. d. h.
330 XIX. Occaro (Schriften). «
nen Schriften sich selbst ausserordentlich oft wiederholt und dabei in die
Wiederholungen wieder anderweilige Gesichtspunkte einflicht, welche an
derwärts abermals wiederholt sind, so bietet die Darstellung seiner Logik
bezüglich des Quellen-Nachweises eigenthümliche Schwierigkeiten dar, wel
chen ich nur durch manigfaehe Vor- und Rückweise einigermaassen ab
helfen kann, so dass der Leser, welchem es um die Sache zu thnn ist,
hiemit gebeten sein mag, diesen wechselseiligen Verweisungen wirklich
nachzugehen. Jedenfalls jedoch wird es das Geeignetste sein , wenn ich
vorerst Oceam's Auffassung aller damaligen Controverspunkte (d. h. inlentio,
conceptut, species intelligibUis , Universalien , Princip der Individualionl
u. dgl.) cnllecliv aus sätnmllichen einschlägigen Schriften darzu
stellen versuche, und erst hernach die einzelnen Theile und Lehren der
eigentlichen Logik folgen lasse, wobei ich niich an die Anordnung der
Summa totius logicae werde halten müssen.
Vor Allein schliesst sich Occam denjenigen an, welche die Logik zu
den praklischen Disciplinen zählten (s. Roger JJaco Abschn. XVII, Anm.
561 , Graliadei ob. Anm. 667 f. und besonders Aureolus ob. Anm. 698,
häufig ohne mit diplomalischer Treue ein alleres Original als solches reproduciren
zu wollen (sogar manche Drucke pioulinischer und lerenlianischer Comüdien welche
man damals in Oberitalien wirklich auffnnrte, dienen hiefür als Beispiel). Kurz es
zeigt sich (s. z. B. die Kehrseite des Titelbiotles und den Schtuss, d. h. f. 81 T.B,
der Ausgabe r; 1522), dass der Cölesliner Marcus de Benevenlo, „infer cos,
,]uos nominales vocant, minimus" das Werk üccam's, welcher als „Inceptor (vgl.
vorige Anm.) saerae schoioe inviclissimorum Nominalium" galt, neu redigirte; denn
während er derjenige genannt wird, „qui aetale rtösfro veram Nominalium academiam
in Italia suscitavil", sagt er seihst in der an Johannes Antonius de Mbergalis Rononiensis
gerichtelen Dedicalion : „Quio huius veridici dogmalis princeps Magisler
Guitelmus de Occham ex online fratrum minurum Summam quandam tolius logicae
mira doctrina miroqtle ordine composuit, ideo eam libi proposui, quam iuxta modutum
mei ingenioli libi tucidam feci; '; certe ioborem nun medioerem humeris meis
imposui , quem tamen pro le votui tolerare, et si hinc aliquam ulititalem iuvenes
asportaverint, non mihi , sed libi gralias habeant etc." Von diesem Marcus von
Benevent rührt nun nicht bloss jener Prolog her („Quam magnos veritalis" etc.),
welcher in allen Ausgaben vorangestellt ist, sondern auch sämmtliche Tilelüberschriften
der einzelnen Capitel und ausserdem manigfaehe Erweilerungen des Lehr
stoffes, welche sich bald' deutlicher bald undeutlicher als spälere Zusätze verrathen.
Wenn wir z. B. l, 10, f. 5 r. B lesen „Nune de alia divisione nominum, quibus
sehoioslici frequentur utuntur, est dicendum", so kann dies unmöglich Occam selbst
geschrieben haben; oder wenn III, 3, 38, f. 70 v. A gesagt wird „Ideo ad islius
summae complelionem, quae de omni modo anjuendi generalem tradit noliliam, sunt
aliqua persm,tanda el primo disserendum est de obligalionibus", so bedarf es nach
solchem Gestandnisse keines weiteren Beweises, dass die dort eingereihten Oblii/nliones
und Insolubitia eine spälere Interpoiolion sind. Aber wenn ich somlt in
der Dnrstrllnng der Summa' tntim, logicae mit möglichster Vorsicht verfahren und
vorerst krilisch das Spälere ausscheiden soll, so bleibt, wie die Dinge einmal
liegen, zur Beantwortung dc-r Frage, ob Etwas noch von Occam selbst herrühren
könne oder nicht, häufig nur das Kriterium des subjecliven Gefühles übrig; und
wenn auch der Leser hoffentlich zu mir das Vertrauen hegt, dass ich mich in
diese ganze Litleratur hinreichend hineingelebt habe, um mein Gefühl möglichst zu
schärfen, so möge doch bei mangelnden ausseren Zeugnissen hiemit meine Irr
thumsfchigkeit ausdrücklich vorbehallen sein. Entzogen aber soll dem Leser darum
Nichts werden, sondern was ich für unächt halle, wird eben später in Abschn. XX
bei den übrigen Interpoiolionen seine Darsleltung finden. (Uebrigens cilire ich die
-^umma nach der Ausgabe von 1522.) • . •> ""»ni,i ', •
XIX. Occam (Parteistellung). 331
theilweise auch Aegidius ob. Anm. 365; die gegnerische Ansicht aber hei
Herveus ob. Anm. 395); es liege nemlich in sämmtliehen drei sog. sermocinalen
Wissenschaften, d. h. in Grammalik, Rhetorik und Logik, we
sentlich eine Richtschnur der willkürlichen Thätigkeiten des Intellectus,
welche sich von der Aufgabe der Ethik nur dadurch unterscheide, dass
die letztere als dictativa sage, dass Etwas gethan oder nicht gethan wer
den solle, während die sermocinale Richtschnur als ostensiva eine An
leitung gebe, wie das Werk des Geistes zu verrichten sei741); denn um
„Werke", wenn auch nur um die inneren geisligen, d. h. um die intenliones,
handle es sich in der Logik jedenfalls742), und nur insoferne
diese Werke wesentlich in den Urtheilen, d. h. in „sermones", beruhen,
könne man sagen, dass jener Bruchtheil der Logik, welcher nicht die Urtheile,
sondern die Begriffe (Kategorien) zum Gegenstande habe, nicht
praklisch, sondern speculaliv sei743), — eine Sonderstellung der Katego
rien , welche unö sehr entschieden an Burleigh (ob. Anm. 593), an Ar
mand (ob. Anm. 643) und an Graliadei (ob. Anm. 670) erinnert. ' .
Indem aber so dem Occam die Logik eine wissenschaftliche Beslim
mung innerer geisliger Vorgänge ist, und er sie sonach in üblicher Weise
(s. Abschn. XVII, Anm. 362 u. ob. Anm. 87, 629) als ralionalis den rea
len Wissenschaften gegenüberstellt und ausdrücklich ihre formale und
doctrinelle Unabhängigkeit von denselben betont744), nimmt er in ächt
741) Sent. Prolog, qu. 4, 11 N: I.ogica, rhelorica et grammatica sunt vere noliliae
practicae et non specutalivae , quia vere dirigunt inlellectum in operalionibus
suis, quae sunt mediante voltmtate in sua polestale, sicul logica dirigit inlellectum
in sgllogivando, discurrendo et sie de aliis. Polest tamen disli,uiui de practica, quia
quaedam est dictaliva et quaeaam tantum oslensiva; prima est itta, quae delerminale
dictat, aliquid esse faciendum vel non faciendum, et isto modo nec logica nec
rhetorica est practica nec eliam ars quaecunque mechanica, quia niltta darum dictat,
quod domus est facienda Oslensiva non dictat aliquid fugiendum aul persequendum,
sed tantum oslendit, quomodo opus fieri polest; et eodem modo logica
et aliae artes sunt tantum ostensivae et non dictalivae, sunt tamen directivae,.habentque
tales artes frequenter non praxim pro obiecto, sed obiectum präxis. Hiezu
Anm. 820.
742) Expos, aur. Prooem.: Logica est dicenda practica, quia, cum scienlia
logicae tractet de sgllogismis, propositionibus et humsmodi, quae nonnisi a nobis fieri
possunt, sequitur, quod est de operibus nostris, non quidem exterioribus, nisi forte
secundario, sed de inlenlionibus, quae vere opera nostra sunt; et per eonsequens itio
scienlia practica est, et non speculaliva.
743) Ebend. Praedicam. Prooem.: hle liber (d. h. Calegoriae) pro aliqua sui
parte est specuiolieus et pro alia sui partc est praclicus, cuius ralio est, nam aliqua
pars est de operibus nostris, sicul itta, quae est de sermonibus, qui sunt opera nostra
(Näheres über sermo s. unten Anm. 754, 769 ff., 777 f., 792, 797), et itio est
practica; alia pars non est de operibus nostris et itta est specuioliva. Et inler
omnes libros logicae Aristolelis isle est minus praclicus et magis specuiolivus, et ideo
quod dictum est in libro Porphgrii (vorige Anm.), quod logica est magis practica,
est intelligendum quantum ad maiorem sui partem , non aulem quantum ad umnem
sui partem; accipiendo logicam, sicut tradita est ab Aristolele; nec est inconveniens,
aliquam partem logicae esse praclicam et aliam specuiolivam, cum multa ex practicis
e specutalivis dependeant. • '
744) Expos, aur. Prooem.: Ista scienlia (d. h. logica) dicitur ralionalis, ceterae
aulem reales, quia dclerminal de his, quae sine ralione esse non possunt, aliae
aulem scienliae de rebus extra animam exislentibus delerminant. Summa toi. log.
III, 2, 22, f. 53 r. A: 1'nlrni aliqualiter apparere, ..... ad quam scientiam debeant
332 XIX. Occam (Parteistellung).
aristotelischem Geiste den Standpunkt ein, dass das Erkennen in einem •
Verwirklichungsprocesse vom Potenliellen zum Actuellen fortschreite, wornach
der Mensch Nichts singuläres denkend erfassen könne, ohne zugleich
die Real-Potenz der Universalität mitzubesitzen 745). So erkennt er an,
dass für den erkennenden Menschen auf Erden (im Unterschiede vom
Jenseits) die sinnliche Erkenntniss des Einzelnen , welche er ausdrücklich
als intuitiva bezeichnet, nicht überflüssig 'sei 74u), sondern im Zusammen
hange mit dem tiedächtnisse eine nuerlässliche Voraussetzung des denken
den Erkennens bilde747), welche selbst mit unmittelbarer Evidenz ausge
rüstet sei 748) und zu ihrer dislinctiven Deutlichkeit nicht erst eines defmitorischeu
Allgemein-Begrifles bedürfe 74a). Kurz, wir befinden uns bei
Occam auf der Basis eines aristotelischen Empirismus, welcher mit dem
Zugeständnisse , dass alles menschliche Wissen von der Sinneswahrneh-
; mung und von den Einzehi-Objectcn anhebt, zugleich die Forderung ver
knüpft, dass jede Wissenschaft als solche nur von Universellem handle,
eine grundsätzliche Auffassung, welche in byzanlinische Terminologie ein
gekleidet ist, wenn Oceam sagt, dass allerdings die Bestandtheile der Ur-
I theile mittelst suppositio an Stelle singulärer Individuen stehen, aber für
die Wissenschaft doch nur die lermini universales werthvoll sind 750).
perlinere tales „Homo est species, Ralionale est differenlia hominis, Album est accidens"
et huiusmodi. Videlur enini , quod tales ad logicam non perlinent, cum
tales sciri non possunt, nisi perfecte sciatur natura signi/icali per subiectum
Sequeretur eliam, quod, si tales proposiliones per se ad logicam pertinerent, logicus
non passet perfecte scire logicam, nisi cognoscerel naturam omnium reram. imo eliam
nisi cognosceret omnes conctusiones et omnia principia omnium scientiarum
Proplerea dicendum est, quod de talibus propositionibus non se habet logicus intromitlere
nisi forte gralia exempli; polest enim logicus de talibus bene exemplificare
in tradendo nolitiam logicae , sed non pertinel ad logicum , scire eas. llicxn unlen
Anm. 797 u. der Schtuss der Anm. 843.
745) Sent. I, llist. 3, qu. 5 BB : Intellectus procedit de polenlia ad actum,
unde non r1 t aliquis, qui intelligat aliquam rem singutarem quamcunque, quin
.inlim intelligal ret possit inlelligent ens communissimum.
746) Sent. Prolog, qu. l V: Sofa nolilia intuitiva intellectiva non sufficit ad
iudicium tanquam causa proxima, ita quod inlellectus ita habet cognoscere singulorio
Ei ideo sensiliva non superflnil. quamvis soio nolilia intuiliva intellecliva
sufficeret, si esset possibite, eam naturaliter esse pro statu isto sine nolitin intuiliva
sensitiva, sicut est in angelis et anima separata. S. Anm. 786.
747) Ebend. qu. l LI. : lulelleclira est memoria et actus recordandi proprie
dictus, supposito, quod inlellectus non tantum cognoscal nnirersalia, sed eliam
intuilive cognoscal itio, quae sensus cognoscit Omnis cognilio intellecliva praesupponit
necessario imaginalionem sensilivam tam sensus exterioris quam inlerioris.
748) Ehend. qu. l E: Si aliquis videat intuitive Koeralem et albedinem exislen
lem in Soerale, polest evidenler scire , quod Soerales est albus ; si autem tantum
cognoscit Sueralem et albedinem exislenlem in Soerale abstractive, sicut aliquis polest
imaginari in absentia eorum, non sciret evidenler, quod Soerales esset albus, et ideo
non est proposilio per se nota.
749) Seiti.'l, Dist. 3, qu. 7: Ulrum singuiore passet dislincte eognosci ante
cognitionem entis vel cuiuscunque universalis Dico. quod res polest dislincle
eognosci sine ralione eins diffinitiva.
750) Expos, aur. Praedicab. De specie : Omnis disciplina incipit ab indioiduis
Ex sensu, qui non est nisi singutariniu , fit memoria, ex memoria experimentum,
et per experimentum accipitur universale, quod est principium arlis et scientiae ,
et ita sicut omnis cognitio nostra ortum habet a sensu, ita omnis disciplina ortum
haM ab individuis, licet nulio doctrina tractare debral de singuioribv, signanter seu
XIX. Occam (Parteistellung). 333
D. h. Occani vertritt durchaus nicht einen sensualistischen Empirismus,
sondern erkennt die ideale Funclion des Intellectus an, welche von Er
fahrung zu Wissenschart führt und srhliesslich darauf beruht, dass der
Intellectus das Vermögen ist, durch welches wir auch Nicht-Sinnliches
erfassen 751).
Aber innerhalb einer jeden Stufe jenes Ueberganges von potenliellem
Wissen zum actuellen erblickt Occam (auf Grundlage der allgemein recipiirten
arabischen Tradilion) einen wesentlichen Unterschied, je nachdem
entweder in erster Linie eine beifällige Zuslimmung und ein Wissen nur
auf incomplexa, d. h. auf die Bestandtheile eines Urtheiles, gerichtet ist,
oder in zweiter Linie complexa, d. h. Urtheile , zum Gegenstande hal;
und zwar solle nur dieses Letztere, welches stets eine innere Gedanken-
Verknüpfung involvire, im eigentlichen Sinne ein „Wissen" (— res extra
non scitur —^) genannt werden752)- Nemlich ein blosses Erfassen (actus
apprehensivus) finde sowohl betreffs der incomplexa als auch auf
Grundlage dieser betreffs der complexa statt, hingegen seien es ausschliesslich
nur complexa, bei welchen die höher liegende Thäligkeit
des Urtheilens (actus iudicativus) eintrete und eine Beislimmung bei •
Wahrem oder Nichtbeislimmung bei Falschem mit sich bringe753); und
somit ergebe sich ein „Wissen" nur bei complexa, und zwar auch bei
diesen nur dann, wenn der objeclive Thatbestand der Verbindung mit der
scientiu proprie dicta est de individuis , sed de unirersalibus pro indiuiduis
Licel quarumlibet proposilionum scientiarum realium pro maiori parle tam
suhiecln quam praedicata supponant pro rebus singuioribus, tamen mayis itioe prupositiones
sunt notae ct rtioni ulites , quae componuntur ex lerminis universalibus.
751) Seilt. Prof, qu. l Il II: Inlellectus nosier pro statu isto non tantum cognoscit
sensibitia, sed eliam in parlicuiori et intuilive cognoscit aliqua intelligibilia,
quae nulto modo cadunt sub sensu, cuiusmodi sunt intellecliones, actus votuntatis.
delectaliu, tristitia et huiusmodi, quae polest homo experiri inesse sibi, quae
tamen non sunt sensibitia nnlns, (Diese Unterscheidung zwischen dem Gebiele des
Sinnlichen und jenem des Witlens hat Aehulichkeit mlt Kant's Grundsätzen.)
752) Quodl. III, 6: Actus assentiendi est duplex sicut actus sciendi: unus quo
aliquid scitur esse vel non esse, sicut sein, quod tapis non est asinus et tanmen nec
scio iopidem nec usinnm ; n l ins est actus, quo aliquid scitur de aliquo, de
quo habetur scientia Loquendo de ipso assensu dico, quod itle actus non habet
pro obiecto complexum Loquendo vero de actu secundo sciendi vel assentiendi
dico, quod itle actus est proprie complexivus, quia itle actus est, quo aliquid
verum scitur, sed res extra non scitur, non enim scio iopidem vel asinum. Vgl.
ebend. V, qu. 6.
753) Sent. Prolog, qu. l O : lntcr actus inlellectus sunt duo actus, quorum unus
est apprehensivus et est respectu cuiusque, quod polest lerminare actum polenliae
intelleclivae, sies sit complexum sive incomplexum, quia non sntum apprehendimus
incomplexa, sed eliam proposiliones, demonstraliones, tam necessarias quam possibites,
et elium universaliler omnia, quae respiciuntur a polenlia intelleetiva. Alius
actus polest dici iudicalivus, quo inlellectus non tantum apprehendit obiectum, sed
,'lium illi assenlit vel dissentit, et ille actus est tantum respectu complexi, quia nullt
assentimus per intellectum, nisi quod verum existimamus, nec alicui dissentimus, nisi
falsum reputamus. Et sie palel , quod respectu complexi polest esse duplex actus,
sc. apprehensivus et iudicalivus (so findet das lradilionelle boethianische Wort
„iudicium" — s. z. B. ob. Anm. 330 u. 368 — allmälig eine manigrachere Ver
wendung) (T) JVon omuis actus ivdicalivus praesupponit in eadem polentia
noliliam incomplcxana lerminorum , quia praesupponit aclum apprehensivum ,' et actus
apprehensivus praesupponit respectu alicuius complexi noliliam incomplexam terminorum.
Vgl. auch Anm. S93.
334 XIX. Occam (Parteistellung).
subjecliven Beislimmung des Intellectus in Einklang steht754); denn auch
"hei dem Verstehen eines Syllogismus sei Ein und derselbe Äct des Den
kens einerseits ein Wissen, insoferne er auf die Schluss-Verbindung und
hiedurch mittelbar auch auf die verbundenen Begriffe gerichtet sei , und
andrerseits zugleich nicht ein Wissen, insoweit er nur die Begriffe als
unverbundene zum Gegenstand habe755).
Ersehen wir nun schon hieraus, dass für Occam's Auffassung der
Logik das Urtheil ein principielles Uebergewicht besitzen muss, so wird
uns ein ziemlich verschlungener Weg, welcher den Denkact überhaupt
betrifft, an manigfachen Punkten wieder die gleiche Perspeclive zeigen.
Betreffs aber all jener Fragen, welche sich um die Denkthäligkeit selbst
drehen, geht Occam mit obiger (Anm. 744) Scheidung der ralionalen und
der realen Disciplinen grundsätzlich so weit, dass er die Erörterung über
die Existenzweise der geisligen Erzeugnisse, d. h. die Besprechung der
Frage, ob die intentiones, termini, Urtheile, Schlüsse u. dgl. in der Seele
gegenständlich oder vorstellungsweise exisliren, geradezu der Metaphysik
zuweist 756) und somit für die Logik als solche einen reinen selbststän
digen Boden gewinnen will, welcher von Metaphysik ebenso unberührt
bleiben soll als voii Theologie (welcher Art dieser posilive Boden der
eigentlichen Logik als solcher sei, wird sich unten, Anm. 780 ff., zeigen).
Aber trotzdem lässt er selbst in seinen logischen Schriften aus prakli
schem 'Bedürfnisse sich dazu hinreissen, über derarlige Fragen zu spre
chen, indem er sich mit den zu seiner Zeit bestehenden Parteistellungen
auseinandersetzen will ; und ausserdem geben für uns , die wir uns ge
rade um diese Controverspunkte zu allermeist interessiren müssen, die
übrigen Schriften Occam's ein hinreichendes Material.
Kurz also, wenn auch an sich es Aufgabe des Metaphysikers sei,
die Existenzweise der psychischen Vorgänge und Werke zu beslimmen,
so sej doch jedenfalls unbedingt daran festzuhalten , dass es sich hiebei
nicht , um äussere Gegenstände (res extra animam) , sondern um etwas
Inneres' in der Seele handle; und wenn nach Einer Meinung (offenbar
Aegidius, s. ob. Anm. 376 f.) eine blosse qualüas animae zu Grunde ge
legt werde, welche auf einer zur supposüio des Singulären befähigten
754) Sent. III, qu. 4 R: Hoc nomen „scientia" vel „conceptus" significal non
tantum ipsam qualitalem in anima, sed eliam coexislenliam obiecli el conformitalem
obieeti ad scientiam, obieeti inquantum complexi, non incomplexi , ita quod ad hoc,
quod itio qualitas sit in anima, sive sit actus asscntiendi sive sit habitus ex aclibus
assentiendi, non denolatur scientia, nisi quando ittud1 'complexum, respectu cuius est,
habs t esse eo modo, quo inlellectus sibi assentit.
755) Ebend. I, Dist. l, qu. I L: Inlellectus uno actu seit conelusionem, et per
consequens non tantum inletligit conctusionem itlo actu , sed eliam lerminos ittius
conctusionis; el tamen itlo actu seit conctusionem et Mo actu non seit aliquid incomplexum
itlius conctusionis ; et ita idem actus respectu conelusionis dicitur scientia
et respectu lermini non dicitur scienlia.
756) Expos, aur. Prooem.: Ista scienlia (d. h. logica") principaliler tradit noliliam
conceptuum et intenlionum per animam fabricatarum non extra se, quomodo fabricantur
res arlificiates, sed intra se. Verututamen qualia sint talia fabricata, sc.
cumstttodi sint sgllogismi, propositiones, lermini et hurusikodr^ dy 'sc. sint subieclive
in anima exislenles an aliquo alio modo, non ad logicam, sed ad metaphgsicam
perlinet, et ideo hine est pertranseundum. Das Nemliche wird auch von den Univfcrsalien
gesagt, s. Unleti Anm. 777, 780 f.
, iQccarM (Parteistellung). 335
similüudo rei beruhe, während eine andere Ansicht (d. h. Scotus. .s. ob.
Amp. 110ff.).,von ejner eigenen species repraesentqns spreche, so ent
halte die let/tere Annahme sicher etwas völlig Ueberflüssiges (hierüber
sogleich Näheres), und es empfehle sich am meisten eine dritte Meinung
(es ist die des l)nruinl , oh. Anm. 551 u. 556 IV., und des Armand, oh.
Anm. 630, welche hierin den Herveus, ob. Anm. 393, bekämpfen), nemlirh
dass man einfach nur auf actus intetiigendi zu recurriren brauche,
denn in diesem liege es begründet, dass beim Erkennen vorerst ein Einzelu-
Gegenstaud ergriffen (apprehendi) und als psychisches Moment (pas-
«o animae) festgehalten werde, welches bereits an und für sich, nemlich
phne willkürliche Fixirung ein.es, beslimmten Wortes, geeignet sei, durch
xuiil)o*ilio sich auf das Einzeln-Ding /.u beziehen 757). Sowie schon Du-
,ra,n,d die, sqolislische species intelligibilis als „überflüssig" bezeichnet hatte
(s. ob. Anm. 561) und auch Aureolus dieselbe entschieden bekämpfte (ob.
Aiuu. 707 ff.), so verbindet Occam gewissermaassen die Ansichten beider;
denn Trage man, ob eine dergleichen species, sei es als der Deuklhätigk.
eit vorhergehend oder als durch dieselbe hervorgerufen (non sine actu
intelligendi), anzunehmen sei, so sei zu bedenken, dass man überhaupt
nie ohne Noth eine Mehrheit statuiren dürfe, eine Nöthigung aber hierin
nicht vorliege ; hingegen zweifelhaft könne noch bleiben , ob etwa neben
dem Denkacte (praeter actum intelligendi) dennoch ein anderweiliges Mo
ment angenommen werden müsse, wenn auch die Wahrscheinlichkeit da
für spreche, dass es ein sogenanntes „idolum" ' als ein dem äusseren Ge
genstande Aehnlid!es sei , in welchem (in quo) letzterer , sei es gegen
ständlich oder vorstellungsweise, erkannt werde758). Doch äussert sich
,,, .757) Ebend. Perierm. Prooem.: Qualis aulem sit ista passio animae, an sc. .-.<l
res extra animam vel aliquid ens fictum existens obieclive in anima vel aliquid existens
realiler in anima tantum, non perline( ad logicum,, sed ad metaphgsicum. Verumtamen
uliquas opiniones , quae cirea istam difficuitalem ponuntur , volo recitare.
Posset aulem esse una opinio talis, qupd ,'st aliqua qualitas animae (über qualitas
animae s. Anm. 762 u. 865) ili^tinctu realiler ab actu inlelligendi , quae est
obiectum intellectus lerminans actum intelligendi, et ilio qualitas est vera similitudo
rei extra, propler quod repraesentat ipsam rem et pro ipsa supponit ex natura
sua, sicul vox supponit pro rebus ex inslitulione Alia passet esse opinio, quod
est aliquid subiicibile vel praedicabite, ex quo componitur proposilio in menle, quae
correspondel propositioni in voce, et quod itio passio est species rei, quae naturaliler
repraesental rem et polest in propositione pro re naturalistcr supponere. Sed hacc opinio
videtur magis irralionabitis, quam prima, quia talis species non est ponenda propler superfluitalem
Alia possei esse opinio, quod passio animae est ipse actus intelligendi.
Ista videtur mihi probahilior omnibus opinionibus Oui vuli lenere praedictam opinionem,
polest supponere, quod inlellectus apprehendens rem singuiorem elicit unam cognitionem
in se, quae est fantum itlius singuioris, quae vocatur passio animae polens ex natura sua
supponere pro itio re, unde sicut vox ex institulione pro re supponit, ita intentio
,i'sn ex natura sua supponit sine omni institulione pro itio re, cuius est (über diese
„insl»iufto" s. Näheres unlen Anm. 774,781,782,791, 806) llios tres opiniones
reputo iirobabites ; quae tamen sil vera vel falsa , studiosi disculiant. ttoc tamen
npiid me est omnino certum , quod nec passiones animae nec universalia aliqua sunt
res, extra animam et de esse rerum singuiorium, sive sini conceptae sive non.
758) Sent. I, Dist. 27, qu. 2 l '. Manifestum est, in inlellcctu esse actum intelligehdi..
el i,liam habitum , sed ulnim species aliqua praevia actui sit ponenda in
anima vel non, est dubium. Utrum eliam praeler actum intelligendi sit aliquis conceptus
formatus per actum intelligendi vel etiam sit aliquis conceptus habens tantum
esie obiectivum, est dubium. U(rum eliam sit aliqua species in inlellectu, quae non
336 XIX. Occam (Parteislellung).
Occam auch wieder weit zuversichtlicher, wenn er unter Wiederholung
des Molivs , dass die speciea intelligibilis für das unmittelbare sensuale
Erkennen (intuitio, s. oben Anm. 746) eine imnöthige Vervielfälligung sei,
entschieden hervorhebt, dass für den Fortschritt zum abstracten Erkennen
ein Mittelglied notlnvendig sei , welches man aber nicht in einer species
intelligibilis suchen dürfe, sondern in einem psychischen Besitze (habi-
U,s) anerkennen müsse, da der Intellectus aus dem Sinnes-Eindrucke ein
Gebilde (fictum) als Bleibendes erzeuge (vgl. Anm. 768) , was jedenfalls,
möge man es idolum oder simulacrum oder imago oder phantasma
nennen, nur vorstellungsweise (oMective), nie aber gegenständlich (suftirriit'i')
cxislire, und daher auch nicht reell von dcn äusseren Dingen ge
trennt sei, sondern gerade die Dinge selbst, auch wenn sie nicht mehr
gegenwärlig sind, bezeichnet759). Ja, diese Kraft des Intellectus, nach
vorhergegangenem Sinnes-Eindrucke etwas dem Gegenstande Aehnliches
(simile, imago} vorstellungsweise zu bilden (fingere), sei der Objeclivität
derarlig adätjuat, dass der Intellectus, wenn er eine reale Schöpferkraft
besässe, das nemliche Ding als objeclives erzeugen würde760); und so
wie der ausübende Künstler über die bloss vorstellungsweise Existenz
possei esse sine actu intelligendi, est dubium. De primo dubio et lertio dico, quod species
neutro modo dicta est ponenda in inlellectu, quia nunquam ponenda est pturalitas sine
necessitale (vgl. folg. Anm. u. 768), sed quidquid polest salvari per talem speciem,
polest salvari sine ea aeque facititer Sed de sccundo dubio est mihi magts dubium,
hoc tamen est mihi probabite, quamvis nnn affirmem, quod in mlellectu praeler ipsum
arliiii, inlelligendi, quando intelligit aliquid .communc ad ptura, est aliquid vel subieclive
vel obieclive , quod est aliquo modo simile rei extra inlellectae, quod a mullis
vocatur quasi quoddam idotum, in quo ipsa res cognoscitur, quamvis rem singuiorem
cognosci in itlo non aliud sit , quam ipsum idotum cognosci. Die Lösung dieses
Zweifels s. Anm. 768.
759) Ebend. H, qu. 15 C: Est una opinio, quae ponit, quod necessarium est ponere
spreiem impressam intellectui ad hoc, quod intelligat; quod probatur mullipliciter
(folgen acht Molive). ..... (O) Ad coguilionem intuiliv am babendam non oportel ali
quid ponere praeler inlellectum et rem cognitam, et nuliom penitus speciem, .... quia
frustra fit per ptura, quod polest fieri per pauciora, sed per intellectum et rem cognitam
sine omni specie polest f,eri cognilio intuitiva (Q) Ad kabendum noliliam
/• abstractioam oportet necessario ponere aliquid primum praeler obiectum et inlellectum;
aliquid in virtule phantastica relinquitur mediante cognilione intuitiva sensus
\ parlicuioris, quod prius non fuit, quia aliter in absentia rei sensibitis non possei
phantasia habere actum cirea itlud (R) ltlml, quod relinquitur, non esl species,
sed habitus (vgl. Anm. 784) (SS) Quando dicitur, quod intellectus agens fufä^
nhii-rrsnl,1 in actu, verum est, quod facit quoddam esse f,ctum et producil quendam
conceptum in esse obiectivo fi nullo modo subieclive. Ebend. qu. 17 S: fi;
\ phantasia aliquid manet, sed ittud non est obiectum actus , sed habitus quidam incl,
n uns ad phantasiandum obiectum prius sensatun, ..... SimulScfa," phantasmata,
idnln, imagines, non sunt aliqua realiler distincta a rebus extra, sed dicunt rem
ipsam, secundum quod lerminal ipsum actum sensus inlerioris in absentia rei sensi
bitis. Zu letzterem Anm. 765.
760) Ebend. I, Dist. 13, qu. l l' Intellectus noster primo inlelligit intuilive
aliquid singuiore realiler existens , quo inlellecto polest idem intellectus fingere ali
quid consimite prius intellecto, sed ittud sie fictum non polerit habere esse subiectirurn,
snl tantum esse obiectivum, et ideo ittud sie fictum est tantum tale, quale
fuit prius intellectum in esse obieclivo et non est in esse subiertivo, sed erit quasi
imago simitlima rei prius inlellectae in esse obiectivo, in tantum quod si intellectus
haberet vim produclivam realem, sicut habet »im fictivam, ittud productum vere esset
eiusdem ralionis cum itlo praeintellecto. Hiezu Anm. 808.
XIX. Occam (Parteistellung). 337
z. B. des Hauses, welches er ersinnt, auch hinausschreiten und dasselbe
reell herstellen könne761), so erfasse auch der Intellectus in denjenigen
seiner Gehilde, welchen ein äusserer Gegenstand entspricht, denselben mit
solch adäquatester Aehnlichkeit, dass ein solches Gebilde in höherem Grade
durch supposüio sich auf die Einzelndinge beziehen und dieselben ge
meinsam umfassen kann, als diess eine angebliche blosse qualüas animae
könnte762).
, .Hiemit aber sind wir bereits in das Gebiet eines bedenklichen
Schwankens eingetreten, welches bei Occam sogar im Gebrauche der ent
scheidenden Partei-Slichworte erscheint. Nemlich wenn wir auch den
ächt aristotelischen Geist anerkennen, welcher den Verwirklichungsprocess
des Wissens vom Sinnes-Eindrucke beginnen lässt und durch Gedächtniss,
Phantasie und psychische Gebilde hindurch zum Erfassen des Allgemeinen
führt, so ist bei üccam dennoch jener Begriff „fictum" ein gar zweischnei
diges Ding, und sowie er selbst die doppelte Möglichkeit offen liess, dass
das itli,luii, sowohl subjecliv als auch objecliv exisliren könne (Anm. 758),
so lenkt er auch die entschiedene Behauptung, dass es nur vorstellungsweise
exislire (Anm. 759), durch die Erwägung jener völligen Congruenz,
welche zwischen dem psychischen Gebilde und dem äusseren Dinge be
stehe, und mit Benützung der byzanlinischen suppositio (welche freilich
für ihn das Hauptmoment ist) selbst wieder dahin hinüber, dass wir mit
telst der idoia die Dinge so, wie sie sind, erfassen u|id folglich „gegen
ständlich" denken (Anm. 762). So werden wir nicht bloss das gleiche
unentschiedene Offenlassen jener zwei Möglichkeiten wieder betreffs der
Universalien fmden (Anm. 810), sondern wir werden uns auch nicht wun
dern dürfen, wenn Occam anderwärts geradezu behauptet, dass die intenliones
oder Universalien u. dgl. eine gegenständliche (subiective) Existenz
haben l63). Der Sinn hievon ist dann allerdings nicht etwa das Bekenntniss
eines Realismus, sondern nur das so eben Gesagte, d. h. die uns
sehr an Aureolus (Anm. 713 f.) erinnernde Betrachtung, dass die psychi
schen Vorgänge völlig der Aussenwelt adäquat sind und somit das Subjeclive
objecliv ist und umgekehrt764). , .
761) Expos, aur. Perierm. Prooem.: Arlificem excogitare domum, antequam pro-
.-.1,11, HlHl est, arlificem habere domum in esse obieclivo tantum, sed est, ipsum
babere arlem vel scientiam domus, quae est vere qualitas mentis , et talis scienlia
„domus" vocatur.
762) Ebend.: Est dislinguendum de ficlis, quia quaedam sm,l ficta, quibus in
re extra nun polest consimite corresp andere , sicul chimaera : aliqua dicuntur
ficta, quibus in esse reali correspondent vel correspondere possunt consimitia, el huiusmodi
vocantur universalia Universale fictum vel idotum plus distinguitur a re,
quam quaecunque res lHM ab alia, et tamen in esse inlentionali magis sibi assimiiotur,
in tantum quod, si possei realiter produci , sicut polest fings, esset sibi con
stmite poslea ad extra, et per eandem ralionem magis polest supponere pro re et
esse communis et esse id, in quo res inlelligitur, quam inlentio vel aliqua alia qua
litas. Vgl. Anm. 809 u. besonders Anm. 865.
763) Es ist eigenthümlich, dass die letztere Anschauungsweise gerade in den
Quodlibeta an den beiden Stellen, welche allein hierüber sprechen, festgehalten
wird (s. Anm. 768 u. 812); neben die andere Ansicht hingeslellt findet sie sich
auch im Commentar zum Sentenliarius (s. Anm. 787 u. 810).
764) So sehen wir, dass auch ein so bedeulender Mann, wie Occam immerhin
in seiner Zeit war, vuu den eigentlich philosophischen Grundfragen keinep kioren
PBANTL, Gesch. III. 22
338 XIX. Occam (Parteistellung).
Dieses Zusammentreffen der subjecliven Auffassung und des objecliven
Thatbestandes liegt nach Occam's Ansicht schliesslich im actus intelligendi
(Amn. 757), und sowie er schon betreffs der vorstellungsweisen Existenz
der entia rationis behauptet, dass dieselben allerdings weder die äusseren
Dinge selbst, noch aber auch reell von ihnen geschieden seien 76S), so
erinnert er daran, dass das ens ralionis als in der Seele auftretend eben
doch exislire und somit in diesem Sinne eiu ens reale heissen könne 766),
ja er nennt die dem sachlichen Befunde richlig entsprechende qualüas
mentis (gelegentlich einer Aeusserung über die Gegensätze) ausdrücklich
sofort eine „res" 7t'7). Aber er fasst diese res nur als eine in der Denk
werkstätte erzeugte; nemlich das obige Bedenken (Anm. 758) , ob neben
dem Denkacte noch etwas Anderweiliges anzunehmen sei, löst er dahin,
dass die von Mehreren (und , wie wir sahen , auch von ihm selbst) getheilte
Annahme eines eigenen Gebildes (fictum) genau genommen als
eine zwecklose Vervielfälligung überflüssig sei, da es genüge, den actus
intelligendi als solchen festzuhalten; denn dieser sei an sich bereits die
similitudo der Gegenstände und als ein signum rei (oder als intentio
oder passio animae oder cone-eplus, vgl. folg. Anm.) sowohl zur Namen
bezeichnung als auch zur suppositio geeignet, und jede intentio über
haupt sei wahrhaft eben ein tK-lltH intelligendi und in sachgemässer
Uebereinslimmung mit der Objeclivität ein ens reale (s. Anm. 766) oder
eine qualitas animae, welcher eine gegenständliche (subiective) Existenz
zukomme 7B8).
Begriff hat, und somit auch er ebensowenig als z. B. Scatus (s. oben bei Anm. 104)
ein „Phitosoph" genannt werden kann. Allerdings müssen wir hiebe! auch be
denken, dass gerade über Subjeclivität und Objeclivität kaum Jemand unkiorer war,
als Schelling; auch Hcgel's Taschenspieler-Kunststück wird hierin jetzl wohl keinen
besonnenen Denker mehr- täuschen.
765) Seilt. Prolog, qu. l, 3 M: Ens ralionis nee est idem cum re nec distinguitur
realiler ; et hoc secundum opinionem, quae ponit entia ralionis obieclive in anin,a.
Hiezu Anm. 759 gegen Ende.
766) Quodl. V, qu. 21 : Ens reale aliquando accipitur pro mmi vera re existente
in rerum natura , et sie ens ralionis est ens reale; aliquando accipitur pro ente
exislenle sotum extra animam, et sie ens ralionis non est ens reale. Hiezu der
Schtuss der Anm. 865.
767) Ebend. qu. 17: Omnis oppositio realis est inler• res , quia , si sit extra
^ .animam, est inler res extra animam; si sit in anin,a, est intcr res in auima, sive
sit inler signa complexa sive incomplexa; semper enim est inter res, quia inler veras
qualitales mentis.
768) Ehend. IV, qu, 19: Dicunt aliqui , quod intentiones primae et secundae
, ,.sunt quaedam enlia ficta, quae tantum sunt obiective in mente et nullibi subiective.
"' Contra": Quando proposilio verificatur pro rebus, si duae res sufficiunt ad eins veritalem,
superfluum est ponere aliam rem; praeterea tale fictum impedit cogailionem
rei, ergo non est ponendum propler cognitionem praelerea tale fictum non
est ponendum, ut habeatur subiectum et praedicatum in proposilione universali, quia
actus intelligendi sufficit ad hoc Ideo dico, quod tam intentio prima quam
secunda est vere actus intelligendi, quia per actum polest salvari, quidquid salvatur
'i 'perfictum; eo enim, quod actus est simititudo subiecti, polest significare et supponere
pro rebus extra, polest esse subiectum et praedicatum in prnposilione, polest esse
genus et species, sicut fictum. Ex quo palet, quod intentio prima et secunda realiter
distinguuntur, quia inlentio prima est actus inlelligendi significans res, quae non sunf
signa; inlentio secunda est actus significans intentiones primas (über diese Unter
scheidung der intentio s. unten Anm. 776 ff.) ; Palel ex diclis, quod tam inXIX.
Qccam (Parleistellung). 339
Getreu aber dem Standpunkte , dass die wesentliche Aufgabe der
Logik die sermones seien (Anm. 743), verlegt Occam den actus intelli-
,i,'Hili grundsätzlich in das Urtheil , und zwar spricht er dabei , uns an
Armand's und Graliadei's verbum menlale erinnernd (s. ob. Anm. 630 u.
675), von einer „propositio mentalis". Nemlich vor dem in Worten
ausgesprochenen Urtheile gehe stets ein inneres von jedem speciellen
Sprach-Idiome unabhängiges Urtheil voraus, dessen Bestandtheile dasjenige
seien, was bald similituAo bald intentio bald quaütas mentis bald inlellectus
bald conceptus heisse769), und in diesem inneren Urtheile, —
im Unterschiede vom gesprochenen od-er geschriebenen Urtheile —, halte
der Intellectus vorstellungsweise Subject und Prädicat auseinander, wäh
rend er dieselben zugleich auf Ein und das Nemliche beziehe, ähnlich
wie man zwei Zeichen für Ein bezeichnetes wählen könne 770), d. h.
z. B. „allgemeiner Mensch" und „einzelner Mensch" seien essenliell nur
im Urtheile Eins, weil Ersteres von Letzterem wesentlich ausgesagt
werde771); und es werde auch die Wahrheit eines ausgesprochenen Ur-
I heiles erst dadurch erprobt, dass nach Anhörung desselben eine ent
sprechende propositio mentalis als wahr erkannt werde772). Besitzt aber
hiemit jenes innere Urtheil eine grundsätzliche Priorität gegenüber dem
lenliones primae quam secundae sunt vere entia realia ei sunt vere qualitales subii'ctive
exislenles in anima. Summa t. log. I, 12, f. 6 r. A : Inlentio animae vocatur
quoddam ens in anima natum significare aliquid Illud aulen, existens in anima,
quod est signum rei, ex quo propositio mentalis componitur (s. Anm. 777 f.) ad
modum, quo proposilio vocalis componitur ex vocibus, aliquando vocatur inlentio
animae, aliquando conceptus animae, aliquando passio animae, aliquando simititudo
rei Sed quid est in anima id, quod est tale signum? Dicendum est, quod cirea
istud sunt diversae opiniones. Aliqui enim dicunt, quod non est nisi quoddam fictum
per animam; alii, quod est quaedam qualitas sub,eclive existens in anima distincta
ab ,n', l u inlelligendi ; alii dicunt , quod est actus intelligendi. Et pro istis est ralio
itio, quod frustra fit per ptura, quod polest fieri per pauciora (vgl. ob. Anm. 758);
Annm aulem, quae salvantur ponendo aliquid distinctum ab actu intelligendi, possunt
salvari sine tali distinclo, eo quod supponere pro alio et significare aliud ita polest
compelere actui inlelligendi sieul itli ficto; ergo praeter actum intelligendi non oportel
poIlere aliquid aliud,
769) Summa t. log. I, 12, f. 6 r. A: Quando aliquis profert propositionem vocalem,
prius formal interius propositionem unam mentalem, quae nullius idiomalis est,
intantum quod mulli formant frequenler interius propositiones aliquas, quas famen
propler defectum idiomalis exprimere nesciunt. Parles talium proposilionum mentalium
vocantur conceptus, intenliones, simititudines, inlellectus. Sent. Prolog, ifn. l , 2 Y:
Omne subiectum propositionis in mente est intellectio vel aliqua qualitas inhaerens
menti. Vgl. Anm. 797 gegen Ende u. Anm. 809.
770) Sent. t, Dist. 2, 'f"• 3, D: Possunt esse aliqua nomina vel conceptus, quae
dislinguunt subiectum et praedicatum, quae nata sunt esse in intellectu obiective, quia
sof«» intellectus polest facere proposilionem praeler propositionem proiotam et seriptam
et alia huiusmodi; et ita in intellectu distinguuntur, quae tamen redueuntur ad unum
in esse, sicut duo signa redueuntur ad aliquod unum signatum, quae tamen non sunt
realiler itlud unum signatum.
771) Ebend. qu. 4EE: Haec est falsa de virtule sermonis „homo universalis et
homo parlicutaris sunt unum essenlialiter", sed sunt unum essentialiler, quia
unum essentialiler praedicatur de reliquo et importal esscntiam allerius, nec tamen est
realiler de essentia allerius.
772) Quodt. III, qu. 11: Propositio vocalis est vera, quando ex eius proiolione
auditor rst natus concipere et formare proposilionem mentalem veram; hoc aulem
sotum cst in fine psoioliuuis et non in principio nec in medio.
22*
340 XIX. Occam (l'arteistellung).
in Worten ausgesprochenen Urtheile, so liegt diese nach Occam's Ansicht
darin hegründet, dass die Zusammenfassung im (Jrtheile eine geislige ist
und aus Begriffen (conceptus oder intentiones) hervorgeht, und wir
könnten somit Occam uls einen Conceptualisten des Urtheiles bezeichnen,
indem er entschieden (im Gegensatze gegen Thomisten, oh. Anm. 289,
gegen Burleigh. oh. Amn. 586 u. 599, und gegen Graliadei, ob. Anm. 676)
daran festhält, dass res non de re praedieatur, und ihm die sprachlichen
Bestandtheile des Urtheiles nur als Zeichen gelten, welche an Stelle einer
bezeichneten Sache stehen7'3). Die Worte nemlich seien im eigentlichen
Sinne durchaus nicht Zeichen der Begriffe, sondern ursprünglich und
primär bezeichne der Begriff oder ein psychischer Vorgang die Dinge auf
„natürlichem" Wege (— dieses Moliv einer natürlichen Einwirkung, auf
welches Occam immer wieder zurückkommt, hatte schon Herveus hervor
gehoben, s. ob. Anm. 395 —), und erst secundär bezeichne das Wort
in Folge einer willkürlichen Einrichtung (voluntaria inslitutio, vgl. Anm.
781 f., 791, 806) jene nemlichen bereits von der intentio bezeichneten
Dinge , so dass hiemit aus einer Aenderung der Bezeichnung eines Be
griffes nothwendig eine entsprechende Aenderung der Wortbezeichnung
folge, hingegen umgekehrt ein Wort durch Willkur in seiner Bezeichnung
geändert werden könne , ohne dass hiedurch der entsprechende Begriff
sich ändere774); und wolle man etwa hiegegen die Syucutegoreumata
oder die negaliven Worte als Einwand benützen, da diese nicht auf
773) Ebend. qu. 5: Videndum, an sit propositio mentalis; ..... quod probo sie,
quia, ubicunque est complexio sive compositio vffra vel fdlsa, itii est propositio ; sed
in menle est huiusmodi complexio Proposilin mentalis non componitur ex rebus
extra animam, sed ex conceplibus Si aliqua propositio componeretur ex rebus
extra, aliqua possei componi ex anima intellectiva et corpore, et sie aliqua proposilio
possei esse homo In ista proposilione „canis comedit panem" (vgl. die Slelle
aus Seneca, Ep. 48, Abschn. VIII, Anm. 66) subicctum vere comederet praedicatum;
et simuiter est in ista propositioue „Rupertus persequitur Johannem" (ähnliche Bei
spiele s. bei Burleigh, ob. Anm. 599) Omnis proposilio componitur ex nomine
el verbo, .... sed nomina et verba non sunt res extra animam, sed signa rerum
Omnis proposilio vera affirmaliva el vera per idenlitalem rei significatae per subiectum
et pruedicatum, quia ulitnur vocibus pro rebus el lerminis non pro se, sed pro
re, quam significant, quia inlellectus, licet intelligat res extra, tamen non componit
res extra, sed intenliones rerum ad invicem non pro se, sed pro re
significata.
774) Summa f. log. I, l, f. 2 r. B: Dicimus, voces esse signa subordinata con
ceplibus vel inlentionibus unimae, non quia proprie accipiendo hoc vocabulum „signum"
ipsae voces significent ipsos conceptus primo et proprie, sed quia voces imponuntur
ad significandum itio eadem, quae per conceptus mentis significantur, ita quod conceptus
primo naturaliler aliquid significat el secundario vox itlud idem significat, intantum
quod voce inslituta ad significandum aliquid significatum per conceptum mentis,
si conceptus itle mutarel significatum s,mm, eo ipso ipsa vox sine nova institulione
suum significatum permutarel Conceptus sive passio animae naturaliter (vgl.
Anm. 776, 778, 781 f., 784, 788, 791, 810) significat, quidquid significat; terminus
aulem proiotus vel seriptus nihit significal nisi secundum votuntariam institulionem
(vgl. Anm. 757, 781); 'ex quo sequitur alia differenlia , sc. quod terminus proiotus
vel seriptus ad piocitum polest mutare suum significatum , lerminus aulem conceptus
non mutal suum significatum ad piocitum cuiuscunque. Expos, aur. Perierm. Prooem. :
Primo passio significul res el postea vox non passionem animae, sed ipsas res, quos
passio significat, significat, ita quod si passio significata mutaret, et vox sua mutaret
significata. Die gegentheitige Ansicht des Scolus s. Anm. 126.
XIX. Oecam (Parteistellung). 341
natürlichem Wege durch Abstraclion von äusseren Dingen begrifflich ge
wonnen und 7.u realer Bezeichnung verwendet werden können, so sei zu
erwiedern, dass in diesen Fällen dennoch gleichfalls eine Abstraclion und
eine Begrifl'sbildung stattfinde, nur dieselbe gemeiniglich von den bereits
üblichen Worten selbst ausgehe775).
Durch diese Erwägungen über den Sprachausdruck ist nun bei
Occam auch dasjenige bedingt, was er über impositio und intentio, deren
Wechselbeziehung wir schon bei Burleigh (Anm. 584) und bei Armand
(Anui. 629) trafen, in zahlreichen Wiederholungen erörtert. Nemlich wenn
durch die Worte entweder Dinge oder subjeclive Auffassungen oder auch
Worte selbst ihre Bezeichnung (significare) finden können, so sollen Worte
secundae impositionis diejenigen hcissen , durch welche im Sinne der
Grammalik die Worte selbst bezeichnet werden, oder vielmehr in genauerer
Fassung diejenigen, durch welche willkürlich gebildete Zeichen (im Gegen
satze gegen die natürlichen Zeichen, welche die intentiones sind, s. Anm.
774) bezeichnet werden. Alle übrigen Worte seien primae impositionis
im weiteren Sinne, so dass dann auch sämmtliehe Syncategoreumata den
selben beizuzählen seien; hingegen in engcrem Sinne dürfe man zu den
Worten primae impositionis nur die categoremalischen zählen (d. h. jene,
welche wesentliche Bestandtheile des Urtheiles sind , s. die beiden folg.
Anm.); eben dieselben aber seien entweder primae intentionis, wenn sie
ein Ding, oder secundae intentionis, wenn sie eine subjeclive Auffassung,
nemlich einen conceptus oder eine intentio u. dgl. bezeichnen776). Wie
775) Sent. I, tHsl. 2, 7n. 8 K: Diceretar, quod conceptus sgncalegoreumalici et
connotalivi et negalivi non sunt eonceptus abstracli a rebus ex natura sua supponenles
pro rebus vel ipsas modo distincto significantes ; verumtamen possunt tales
conceptus imponi vel conceptus abstraht a vocibus, et iia fit de facto vel semper vel
communiler tunc ab islis vocibus sie significanlibus abstrahit inlellectus conceptus
communes praedicabites de eis.
776) Sent. t, Bist. 22, qu. l C: Quaedam nomina primo significant res extra,
quaedam significant primo eonceptus menlis, quaedam ipsas voces significalivas ;
et est antiqua distinctio, quod nomina quaedam sunt primae impositionis, quaedam
sunt nomina secundae imposilionis. Nomina secundae imposilionis sunt itio, quae
imponuntur ad significandum nomina ipsa, . ... .cuiusmodi sunt Nomina primae imposilionis quaedam sunt nomina primaiestain„lennolmieonni,s veetrbquuma"e.
dam nomina secundae inlenlionis : prima sunt itio, quae significant veras res,
:,e, muln sunt itta, quae sign,ficant conceptus menlis, sicut „genus, species, universale".
Summa t. log. I, 11, f. 5 v. B: Nominum ad piocitum signi/icantium quaedam sunt
nomina primae imposilionis, quaedam sunt nomina secundae impositionis. Nomina
secundae impositionis sunt kuiusmodi „nomen , pronomen , coniunclio , verbum,
casus , numerus , modus , lempus" et huinsmodi , accipiendo itio vocabuio itlo modo,
quo ulitur eis grammalicus Strictc aulem dicitur nomen secundae imposilionis
ittud, quod non significat nisi signa ad piocitum instituta, ita quod non polest compelere
inlentionibus animae, quae sunt naturalia signa; cuiusmudi sunt talia „figura,
coniugalio" et huiusmodi Nomen primae imposilionis polest dupliciter sumi.
Large, et sie omnia nomina, quae non sunt nomina secundae imposilionis, sunt nomina
primae imposilionis; et sie talia signa sgncalegoremalica „omnis, nullus, aliquis, quilibel"
et huiusmodi sunt nomina primae impositionis. Aliler polest accipi stricle , et
tunc soio nomma calegoremalica, quae non sunt nomina secundae impositionis, vocantur
nomina primae impositionis. Nomina aulem primae impositionis stricle accipiendo sunt
in duplici differenlia, quia quaedam sunt nomina primae inlenlionis, et quaedam sunt
nomina secundae intentionis. Nomina secundae inlentionis dicuntur itta, quae praeche
imposita sunt ad significandum tnlenliones animae, quae sunt signa naturalia et alia
342 XIX. Occam (Parteistellung).
sehr aber hiebei das grundsätzliche Gewicht wieder auf das Urtheil, und
zwar im Gewände byzanlinischer Doelrin (nemlich betreffs der supposüio,
s. auch Anm. 798), falle, ersehen wir daraus, dass Occam von der
secunda intentio, deren reale oder nicht-reale Geltung er auch hier dem
Metaphysiker überlässf. (s. Anm. 756), nur die in der Seele liegende
Aussagbarkeit fordert, wornach Begriffe wie z. 1i. genus auf die Namen
der Dinge .angewendet werden, und zwar mittelst der suppositio simplex
(s. Akschn. XVII, Anm. 203), d. h. für einen Gemeinbegrilf und nicht für
das von ihm Bezeichnete , während hingegen durch die intentio prima
nur mittelst der suppositio personalis die bezeichneten Dinge selbst, d. h.
abgesehen von jener Aussagbarkeit, erfasst* werden777). Noch deutlicher
und schärfer drückt sich Occam wiederholt dahin aus, dass intentio über
haupt jenes psychische Moment sei, welches als supposilionsfähig ein
Bestandtheil eines inneren Urtheiles sein könne ; und zwar umfasse die
intentio prima in weiterem Sinne nicht bloss die catcgorematischen
geisligen Zeichen der Dinge, sondern auch die innere Auffassung der
, Svncategorcumata; hingegen im engeren Sinne erstrecke sich dieselbe
nur auf die wesentlichen Bestandtheile des Urtheiles, insoferne dieselben
sich durch suppositio auf Dinge, nicht aber auf Zeichen, beziehen; und
ebenso umfasse die intentio secunda, welche wesentlich in den Zeichen
der intentiones primae liege, im weiteren Sinne sowohl die natürlichen
(s. Anm. 774) als auch die in den Syncategoreumata ausgesprochenen
willkürlichen Zeichen, so dass in solchem Sinne die intentio secunda
nur im Wortausdrucke beruhe; aber in engerem Sinne bedeute sie nur
die auf natürlichem Wege gewonnenen Zeichen, welche von den inten
liones primae ausgesagt werden7 '8). Darum dürfe man auch nicht sagen,
signa ad piocitum instiluta (Näheres s. Anm. 778) vel consequenlia talia signa; et
talia nomina sunt „genus, species, universale, praedicabite" et huiusmodi, quia talia
nomina non sunt nisi intentiones animae, quae sunt signa naturalia aut signa voluntarie
instituta. Ein Beispiel hievon Quodl. VII, qu. 16: „Persona" est nomen primae
inlenlionis, quia significal res , quae non sunt signa Tam nomen secundae inlenlionis
quam primae intentionis est nomen primae imposilionis , et ideo quamvis
„persona" sit nomen primae imposilionis, cum hoc stat, quod sit primae intenlionis.
__- 777) Sent. I, Dist. 23, qu. l D: Intentio prima vocatur res realiler exislens,
( inlenlio aulem secunda vocatur aliquid in anima rebus applicabite praedicabite de
\ nominibus rerum, quando non hubent supposilionem personalem, sed simplicem, sicut
\ sunt „species, genus" j Utrum aulem talia sint realiler et subitsctive in anima an
!obieclive tantum, non rejert ad propositum nec hoc spectal delermindre ad logicum,
qui tamen principaliter dislinctionem intcr nomina primae et secundae inlenlionis habet
considerare , quia logicus praecise habel dicere , quod in ista propositione ,,fiomo est
species" subiectum supponit pro uno communi et nan pro aliquo significalo suo ; utrum
aulem ittud commune sit reale vel non sit reale, nihit ad eum, sed ad metaphgsicum.
• • • l^,Somen secundae intentionis est itlud, quod imponitur ad significandurft talia de
nominibus reru^praedicabitia, quando supponunt simpliciler et non pro suis significatis
'..."] (J)tHaec est differentia intcr nomina primae inlenlionis et secundae, quod
nomina primae ,hfenlionis sunt itio, quae, quando sugponunt personaliter, praecise
stant ,pro rebus non inquantum pniedicabitia, de aliis; nomina secundae intentionis
stant pro aliquibus praedicabitibus de rcJ,us.^>Vgl. Äii"rh. 781 u. 796.
778) Quodl. IV, qu. 19: I.arge dicitur inlenlio prima esse signum intensibite
. existens in anima, quod non significat intentionem vel conceptus in anima vel alia
signa praecise; el isto modo non sofum calegoreumata mentalia, quae significant
res, quae non sunt significalivae , sed eliam sgncalegoreumata mentalia et verba et
coniunctiones et huiusmodi dicuntur primae inlentiones Sed stricte dicitur prima
XIX. Occam (Parteistellung). 343
dass kurzweg die Kategorien sämmtlich intentiones primae seien (wie
die allgemein recipirle Annahme lautete), sondern, wenn man bei den
Kategorien auch au das Verhältniss einer Ueber- und Unter-Ordnung, d. h,
eben an eine Urtheilsverbindung denke , zeige sich , dass in einigen Be
ziehungen eine Kategorie als gemeinsamere Gattung einer anderen über
geordnet werden könne, welch erstere dann darum als secunda intentio
zu bezeichnen sei; denn das Entscheidende bleibe immer, dass die in
tentio prima Dinge , nicht aber Zeichen , hingegen die intentio secunda
nur solche Dinge, welche Zeichen sind, bezeichnet779).
Sind somit die intentiones sevundae, wie sich im Anschlusse an die
allgemein geltende arabische Tradilion von selbst versteht, nichts Anderes
als die Universalien,_so liegt in demjenigen , was wir bisher betrach
teten, bereits der innerste Kern jener Auffassung verborgen, welche Occam
in der Universalienfrage in bunt verschlungener Ausführung vertritt. Fas
sen wir neu dich rückblickend alle diejenigen bisher angeführten Stellen,
in Eins zusammen, in welchen Occam den byzanlinischen Begriff der supposüio
beizieht (Aum. 750, 757, 762, 768," 773, 777, 778), so erkeninlentio
nomen mentale praecise natum esse extremum proposilionis et supponere pro
re , quae non est signum Simuitcr targe accipiendo dicitur inlenlio secunda
animae conceptus, quue sunt naturalia signa rerum, miusmodi sant inlentiones primae
stricle acceptae, sed eliam prout signa mentalia ad piocitum siguificanlia signa sgncalegoreumalica
mentalia; et isto modo forte non habemus nisi vocale correspondens
inlenlioni secundae. Stricte aulem accipiendo dicitur intcntio secunda conceptus, qui
praecise significal inlentiones naturaliler significalivas, cuiusmodi sunt genus, species,
differentia et alia huiusmodi lta de intenlionibus primis, quae supponunt pro
rebus, praedicatur unus conceptus communis, qui est intentio secunda. Summa t.
log. l, 12, f. 6 r. B: Sufficiat, quad inlenlio est quoddam in anima, quod est signum
naturaliler significans aliquid, pro quo polest supponere, vel quod polest esse pars
propositionis mentalis. Tale aulem duplex est. Unum, quod est signum alicuius rei,
quae non est tale signum, et ittud vocatur inlenlio prima Large dicitur
inlentio prima omnc signum inlenlionale exislens in anima, quod non significat inlenliones
vel signa praecise, et itlo modo verba mentalia et sgncalegoremata
mentalia, adverbia, coniunctiones et huiusmodi possunt dici intentiones primae. Stricle
aulem vocatur intentio prima nomen mentale natum pro suo signi/icato supponere.
Inlenlio aulem secunda est itio, quae est signum talium intenlionum primarum, cuius
modi sunt tales intentiones „genus, species" et huiusmodi. Hiezu die betreffende
Stelle in Anm. 768.
779) Quodt. V, qu. 21: Utrum quodlibel praedicamentum sil prima inlenlio vel
secunda Praedicamentum dicitur dupliciler: uno modo accipitur pro primo et
communissimo in linea praedicamentali ; et isto modo quodlibet praedicamentum est
prima inlentio vel nomen primae inlenlionis Alio modo accipitur pro tolo ordine
aliquorum ordinalorum secundum superius et inferius, el sie praedicamentum componitur
etc incomplexis, ex quibus proposiliones affirmalivae et negalivae natae sunt
conslitui Et sie loquendo de praedicamenlis in eo sunt aliquae inlenliones primae
et aliquae inlentiones secundae; nam in praedicamento qualitalis el reiolionis est hoc
commune genus qualitas, nam omne, quod genus est, est qualitas menlis secundum
rei veritalem; simittler hoc commune genus est conceptus reiolivus el ideo est in
geilere reiolionis Intentio prima bene est superior ad inlenlionem secundam, nam
ens in communi est inlenlio prima el tamen est superior ad inlentionem secundam,
quia omnis intentio secunda esl ens et non e converso Ad intenlionem primam
sufficit, quod significel aliquas res, quae non sunt signa, licet cum hoc significel
multas res, quae sunt signa. Inlenlio aulem secunda non significat aliquam rem,
quae non est signum (über „res" in diesem Sinne s. Anm. 767). Ein Duplicat dieser
ganzen Slelle s. unten Anm. 865.
344 XIX. Occam (Parteistellung).
nen wir sofort, dass Occam das Wesen der Allgemeinbegriffe in der
Supposilions-Fähigkeit erblickt (s. unten bes. Änm. 781, 797 f., 800, 806),
in welcher ihm ja auch die Differenz zwischen subiective und oMective
gleichsam als gelilgt erscheint (s. Anm. 762—764). Und diese principielle
Unterordnung der Universalienfrage unter den byzantinischen Be
griff terminus ist die besondere Eigentümlichkeit der Ansicht Occam's;
denn dass die Universalien wenigstens in einer dualislischen Nebenstellung
neben einem realen Sein auf subjecliver Seelenthäligkeit beruhen und im
Urtheile prädicaliv auftreten, hatten schon Alexander v. Alessandria (Anm.
248), Radulph Brito (Anm. 258), auch Aegidius (Anm. 403), Johannes
.landun (Anm. 426, 432), Antonius Andreas (Anm. 457) und Baconthorp
(Anm. 690) hervorgehoben; ferner dass diese fubjeclive Seite an den
Universalien das Entscheidende sei, trafen wir bereits bei Durand (Anm.
560), Burleigh (Anm. 597), Armand (Anm. 632) und Graliadei (Anm.
669); und endlich dass die subjeclive Function wesentlich im Sprachausdrucke
und der Namenbezeichnung wirke, hatten schon Durand und
Armand wenigstens zugegeben (Anm. 551 n. 634), sodann aber Aureolus
förmlich als Princip ausgesprochen (Anm. 697). Somit können wir
in all diesen letzteren Wendungen bei Occam Nichts erheblich neues fin
den, wenn auch spätere Nachkommen, welche den thatsächlichen geschicht
lichen Verlauf nicht kannten oder ignorirten , sich einzig gerade diese
Seite aus Occam herauslasen und denselben so als den wahren Hort eines
nachmals sogenannten „Nominalismus" (s. z. B. Anm. 782) verehrten,
woraus dann eine theologische Polemik gegen den Occamismus erwuchs,
welche unbemerkt bis zum heuligen Tage auf die Geschichtschreibung der
Philosophie einen bedingenden Einfluss ausübte. Hingegen der wahre
geschichtliche Thatbestand liegt darin, dass Occam das Haupt der „Terministen"
war (— wir werden später diesen Parteinamen als einen übli
chen finden —), und nur dadurch hat er sowohl einen wirklich neuen
Standpunkt eingenommen, als auch auf den weiteren Verlauf der Logik
einflussreich gewirkt.
Da die Universalien für die Logik nichts Anderes sind als „termini"
der Urtheile (vgl. Anm. 777 f. 797 u. bes. 798), so sind dem Logiker
eigentlich alle anderweiligen Fragen über die Existenzweise derselben
völlig gleichgüllig780). Aber wenn auch dergleichen Untersuchungen hur
den Metaphysiker berühren (Anm. 756 u. 777), so muss doch zur Vermei
dung schlimmer Irrthümer auch die Logik hierauf eingehen , und ip die
ser Beziehung ist daran festzuhalten , dass alles äusserlich Exislirende
schlechthin singulär ist (— diesen Grundsatz, welchen wir schon bei Herveus,
Anm. 400 f., und bei Durand, Anm. 560, trafen , wiederholt Occam
unablässig -r-), und daher das Universale nie zu den äusseren Dingen
gehören noch auch ein Theil eines Dinges sein kann, sondern nur eine
unkörperliche psychische Veranstaltung (instüutio oder intentio oder conceptus
formatus) ist, welche die äusseren Dinge bezeichnet und zur sup-
\ Sent. t, Dist.1, qu. 4AA: Pures logicus non habet disputare, utrum uni- \-
versalia, qyae sunf lermini proposilionum, sint res extra animam vel tautum in anima
vel in voce vel in seriplo; et ideo non dislinguit, sed aliquando attribuit rei, quod /
convenit universali lermino proposilionis et aliquando e converso.
XIX. Occam (Parteistellung). 345
positio für das Bezeichnete (nicht aber für sich selbst, vgl. Anm. 777,
796 u. 877) fähig ist, ähnlich wie auch in den Worten eine solche Ver
anstaltung der Bezeichnung liegt, nur mit dem Unterschiede, dass die
Worte, welche gleichfalls das von der intentio Bezeichnete bezeichnen
(Anm. 774), aus einer lediglich willkürlichen Veranstaltung hervorge
hen781), so dass man in diesem Sinne auch von einem doppelten Uni
versale sprechen kann, nemlich von einem natürlichen (naturale, vgl.
Anm. 757 u. 774 f.) und einem willkürlichen , welches in den Worten
liegt782).
Die Werkstätte der Natur beabsichligt nur singuläre Dinge (s. Herveus,
Anm. 401, und Durand, Anm. 560, sowie die gegnerische Arisieht
Burleigh's, Anm. 590), indem nur solche ursprünglich und an sich er
zeugt werden783). Im Denken aber entstehen die Universalien, indem
durch die Gegenstände auf lediglich „natürlichem" Wege ohne eigenes
Zuthun des Intellectus oder des Willens aas dem ersten Erfassen und
Festhalten (habitus, vgl. Anm. 759) des Gegenstandes bei ungehindertem
Gedankenlaufe von selbst ein zweiter Denkact veranlasst wird (causatur,
vgl. Scotus, ob. Anm. 116, und Herveus, ob. Anm. 408), welcher vor-
781) Expos, aur. Praedicab. Prooem.: Quamvis praedictae quaesliones non
ad logicum, sed ad metaphgsicum sint pertinentes, quia tamen ex earum ignorantia
mulli modern» in mulliplices errores in logica sunt eiopsi, ideo de ipsis quid sit
dicendum, est docendum Quaelibel res imaginabilis exislens per se sine omni
addilione est res singuioris et una numero, quia omnis res per se vel est cadem
vel diversa ab alia Nultum universale est extra animam exislens realiler in substanliis
individuis nee est de substanlin vel esse earum, sed universaliler est tantum
in anima vel est universale per inslitulionem , quomodo vox protata . ... est universalis,
quia de pluribus est praedicabitis non pro se, sed pro rebus, quas signifivat
JVon sunt nisi quaedam inlenliones vel conceptus formali per inlellectum exprimentes
esse rerum et significanles eas, et non sunt ipsae res, sieut signum non est suum
significatum, nec sunt partes rerum (s. Anm. 794 f.) , non ptus, quam vox est pars
significali sui, sed sunt quaedam praedicabitia de rebus non pro se, quia .... non
supponunt pro se, sed pro suis significalis , quae sunt res singuiores Praeler
ista ipsae voces correspondenles possunt aliquomodo genera vel species appellafi pro
tanto, quia omne itlud , quod significatur per intenlionem vel conceptum, in anima
significatur per vocem et e conveno; tamen hoc non est nisi ad pioätum inslituenlis.
Universalia non sunt corporalia, quia non sunt nisi in mente , in qua non est
aliquod corporale.
782) Summa t. log. I, 14, f. 6 v. B: Universale duplex est. Quoddam est uni
versale naturale, quod est signum naturale praedicabite de pluribus ad modum, quo
fumus naturaliler significat ignem et gemitus infirmi dolorem el risus inleriorem taeliliam;
el tale universale non est nisi inlenlio animae, ita quod nulta substanlia extra
animam nee aliquid accidens extra animam est tale universale; el de tali loquar in
capitulis sequenlibus (also ist dieses das logische Universale). Aliud est universale
per votuntariam institulionem, et sie vox protata, quae est vere qualitas una numero,
est universalis, quia est signum votuntarie inslitutum ad significandum plura; unde
sieut vox dicitur cammunis, ita polest dici universalis, sed hoc non habet ex
naturo, rei, sed tantum ex piocito instituentium. Ebend. 22, f. 9 v. A: De tali
universali, quod est universale ad ptacitum , non loquor, sed de itlo , quod ex
natura sua habet, quod sit universale. So also steht es mit dem angeblichen
„Nominalismus" Occam's derarlig , dass ihm das Sprachliche nur ein seenndäres
Witlkürliches jst.
783) Senf. I, Dist. 2, qu. 4 X: Agens naturale in agendo intendit veram rem
singutarem, quia ittud intendit, quod per se et primo producitur, sed res singuiorii
per se et primo producitur.
346 XIX. Occam (Parteistellung).
stnllungsweise auf ein Sein gerichtet ist, welches dem vorher gegenständ
lich ergriffenen Sein adäquat ist784). So fällt die thomistische „reflexio"
(".'ihnlich wie hei Scotus , Anm. 124) bei richliger Erwägung des intuili
ven Erfassens (s. Amu. 740) von selbst hinweg 7*5); denn bezüglich der
Reihenfolge der Entstehung ist das erste Erkannte stets ein Singuläres,
d. h. ein concretes Ding, nicht aber ein Zeichen (wie z. K. ein Begriff
oder ein Wort), da es ausserhalb der Seele nur siuguläre Dinge gibt;
aber auf diese erste intuilive Erkenntniss folgt unmittelbar ein erstes abstractes
Erfassen, welches bereits den Charakter der Gemeinsamkeit trägt,
und soweit dann dieses Gemeinsame dem Singulärcn adäquat ist, tritt
das Erkannte als ein Universale mit diesem ihm gehörenden Vorrange
auf7s6). Versteht mau unter abstracteui Erlassen ein Absehen von der
vielheitlichen Singularität, und folgt man dcr wahrscheinlichen Annahme,
dass die Univcrsalicn eine gegenständliche Existenz in der Seele haben
(s. Anm. 763 u. 768), so wird in Folge dessen, dass das Universale dem
Singulären adäquat ist, das abstracte Erkennen und das sinnlich intuilive
Erkennen das nemliche sein; hingegen wenn man Ahstraclion als cm Ab
sehen von: Existenz oder Nicht-Existenz des Gegenstandes nimmt, so un
terscheidet sich dieselbe vom intuiliven Erlassen, da letzteres auf ein
jeweilig Exislirendes gerichtet ist; aber dennoch liegt auch dann der Un-
784) Kbrm!. II, qu. 25 P : Universalia et intentiones secundae causantur naturaliter
sine omni activitale intellectus et votuntalis a noliliis incomplexis lerminorum
lier istam riun,. (/H/« primo cognosco aliqua singuioria in particuiori intuilive vel
abstraclive, et buc causatur (vgl. Anm. 806) ab obiecto vel Iiabitu derelicto ex primo
actu, et tmbiln nolitia stalim ad eins praesentiam, si nnn sit impedimentum, sequitur
naturaliter alius aetus dislinctus a primo terminatus ad aliquid tate esse obiectivum,
quale prius vidit in esse subiectivo, el itle actus secundus pruducit universalia et inlentiones
secundas.
785) Seal Prolog, qu. l DU: Proprie loquendo et stricte nulla est inlelleclio
reflexa, quia reflexiv slririe sampln inctudit necessafio ad minus duo, sicut pulet in
molu locali reflexn ; accipiendo tamen reflexionem iorge concedo, quod itio intelleclio
est reflexa, cum hoc tamen stat, quod est intuitiva.
786) Quodl. I, qu. 13: Utrum primum cognitum ab intellectu primitale generalionis
sit singutare. Et videtur primo, quod non, quia universale est primum el
proprium obiectum inlellectus tn oppositum: Idem omnino est obiectum sensus
el inlellectus; sed singuiore est primum obiectum sensus tali primitale Sciendum
est, quod hie capitur singuiore pro re, quae est unum numero et non est signum,
....quomodo diclio seripta, conceptus et vox » Secundo sciendum est, quod non
mlelligitur ista quaestio de quacunque cognilionc singuioris, quia quaecunque cognilio
universalis sie est singuioris, .....sed de cognilione propria simplici et singuiori . . . .
Dico tunc primv, quod singuiore praedicto modo accipiendo est primo cognitum,
(JuM res f. r /tu an nnum, quae non esl signum, tali cognilione primo mlelligitur,
sed omnis res extra animam es( jinguiore, Secundo dico, quod cognilio simplex
el propria singularis el primo, tali primitale est intuitiva Tertio dico, quod
cognitio prima abstracliva primitale generalionis et simplex non est cognitio propria
singuioris, sed communis, ..... sicut de veniente a remolis palet, quod causal sensalionem,
virtule cuius possum tantum iudicare, quod ittud visum est ens; manifestum
est, quod in Mo casu cognilio abstractiva, quam habeo primo primitale generalionis,
est ,',utiuIxi entis el nullius inferioris , el per consequens non est conceptus proprius
singuioris ...... Intuitiva est propria cognitio singuioris non propler maiorem assimiiolionem
uni quam allen, sed quia naturaliler ab uno el non ab allero causatur
Conceptus generis nunquam abstrahitur ab uno individuo ..... Universale est obiectum
primum primitale adaequalionis, non primitale generalionis. Vgl. Anm. 806 u. 810
a. Ende.
XIX. Occam (Parteistellung). 347
terschied beider Erkenntnissweisen nur in ihnen selbst, d. h. nur in der
geisligen Funclion, nicht aber etwa in den Objecten derselben l87).
Das Universale ist somit keinenfalls eine ausserhalb der Seele exislirende
Einzeln-Substanz, denn ausserdem könnte jedes eonerete Wesen
ein Universale sein, sowie auch mit der Vernichtung eines Individuums so
fort die ganze Gattung untergehen müsste; sondern das Universale ist nur
eine psychische intentio, und wenn man diese nach richliger Auflassung
mit actus intelligendi idenlificirt (Anm. 757 u. 768), so ist sie ein na
türliches Zeichen, welches ebenso, wie z. B. durch Seufzen Schmerz be
zeichnet wird, als Hestandtheil eines inneren Urtheiles, d. h. als lerminus,
einen äusseren Gegenstand bezeichnet und hiemit nur der prädicaliven
Aussage dient, während Substanzen als solche, wie sich von selbst ver
sieht, nicht Prädicat oder Subject eines Urtheiles sein können, wenn man
nicht auf sophislische Spielereien verfallen will788). Die Gemeinsamkeit
aber (communitas) , welche dabei den Universalien als ausgesagten zu-
787) Senf. Prolog, qu.l Z: Nolilia abstractiva polest accipi dupliciler: uno modo,
quod sit respectu alicuius abstracli a mullis singuioribus ; el sie cognilio abstractiva
nun est nisi cognilio alicuius universalis abstrahibitis a mullis, el si universale
sil vera qualitas existeus in anima subiective , quod polest leneri probabititer, concedendum
est, quod ittud universale possit videri intuilive et quod cadem est nolilia
intuitiva et abstractiva..... Aliter accipitur cognilio abstracliva, secundum quod abstrahil
ab exislenlia el non-existenlia ....... Nolilia intuiliv n est talis, quod ss
Soerales in rei veritale sil albus , polest evidenler eognosci, quod Soerates est
albus; el universaliler omnis nolilia incomplexa lermini- vel lerminorum seu rei vel
r i'r un,, virtule cuius polest evidenler eognosci aliqua veritas conlingens, maxime de
praesenli, est nolilia intuitiva. Abstracliva aulem est ista, virtule cuius de re conlingenti
non polest sciri evidenler, utrum sit vel non sit, et per ittum modum abstrabil
ab exislenlia et non-existentia Aliquando propler imperfeclionem nolitiac intuitivae
polest accidere , quod nulioe vel paucae veritales contingentes de re sie
intuilive cognita possint eognosci (CC) Omne ittud el sub eadem ralione, quod
erit obiectum intuitivae, polest esse obiectum abstraclivac, et manifestum est, quod
quidquid reale polest eognosci abstractive, polest eliam cognosci intuilive (GG)
Ideo dico, quod nolilia intuiliva et abstractiva se ipsis differunt, el non penes obiecta
et penes causas suas quascunque, quamvis naturaliler nolitia intuiliru non possil esse
sine exislentia rei, nolilia aulem abstracliva polest esse naturaliler ipsa re simpliciter
destructa.
788) Summa f. log. I, 15, f. 6 v. B: Quod nullum universale sit aligua substantia
extra animam existens, evidenler probari polest Nultum universale est
substanlia singuioris el nna numero; si enim diceretur, quod sie, sequitur, quod
Soerales erit aliquoa universale, quia non est maior ralio, quod unun, universale sit
una substantia singuioris, quam alia Sequeretur, quod deus non passet unum
tndividuum simpliciler annihiiore, nisi celera individua destrueret, quia, si annihitarel
aliquod tndividuum, destruerel lolum, quod est de essentia itlius Nultum uni
versale est substanlia, qualilereunque consideretur ; unde consideralio intellectus non
facit, quod aliquid sit substanlia vel non- substanlia, quamvis significalio lermini
faciat, quod de Mb, non pro se, praediectur hoc nomen „substantia" vel non praedicetur
Quodlibet universale est inlentio animae, quae secundum unam probabitcm
opinionem ab actu inlelligendi non dislinguitur ; unde dicunt, quod inlentio,
qua intelligo homines, est signum naturale significans hominem , ita naturale , sieut
gemitus est signum infirmitalis vel dolori, ; el est tale signum, quod polest stare pro
hominibus in proposilionibus mentalit,us, sicul vox polest stare pro rebus in proposilionibus
vocalibus Quod autem substanlia non sit nuta praedicari, palel.
quia, si sie, sequeretur, quod propositio componeretur ex substantiis particuläribus
el per consequens subiectum erit Romae et praedicatum Oxoniac (bezüglich des Letz
leren vgl. A um. 599).
348 XIX. Occam (I'arteistellung).
kommt, ist nicht etwa eine objeclive Wesens-idenlität des Universalen und
des Singulären, sondern beruht lediglich auf dem Begriffe des „Zeichens"
'signum), welches ja als solches mehrerera Bezeichneten gemeinsam ist 789);
und daher wird bei Erkenntniss eines Universale hinwiederum nicht ausschliesslich
oder einseilig bloss der geislige Begriff erkannt , sondern zu
gleich mit ihm gemeinsam auch das Singuläre, auf welches er sich be
zieht700). Aber dabei dürfe man sich durch das Wort „singularis" nicht
täuschen lassen, denn dasselbe habe einen doppelten Sinn : nemlich einer
seits bedeute „s-ingulare" dasjenige, was Eines und nicht Vieles ist, und
in diesem Sinne sei Alles und Jedes ein Singuläres , mag es ein Ding
oder ein Zeichen oder eine intentio oder ein Universale sein, indem auch
letzteres irgend Ein beslimmtes psychisches Moment ist, und somit gebe
es in diesem Sinne, da für die' Philosophie Nichts zugleich Eines und
Vieles ist (— anders in der Theologie, welche ja lehrt, dass 1—3 ist,
vgl. Anm. 733 ' —), fiherhaupl gar kein Universale; hiegegen andrerseits
bedeute „singulare" dasjenige, was in der Einheit seines Seins auch nur
Eines (nicht aber Vieles) „bezeichnen" kann, und in diesem Sinne besiehe
ein Unterschied oder selbst ein Gegensatz zwischen dem Singulären und
dem Universale, insoferne letzteres, während es allerdings Eines ist, zu
gleich wesentlichst den Beruf hat, Mehreres zu bezeichnen, und somit
gebe es von Natur aus sowohl singuläre als auch universelle intentiones
animae, eine Unterscheidung, welche bei den Worten nur auf willkürli
cher Einrichtung (Anm. 7*57, 774, 781) beruhe, daher auch die Singu
larität, vermöge deren ein Wort „terminus discretus" ist, als dritte Be
deutung des „singulare" genommen werden könne791).
789) Expos, aur. Praedicab. de genere: Iltud, quod praedicatur de pluribus
differenlibus specic, non est aliqua res, quae sit de esse itlorum, de quibus praedirutnf.
sed est una intenlio in anima naluraliler significans omnes itios res, de qui
bus praedicatur Et idco genus non est commune ptuhbus per tdentitatem in eis,
sed per quandam communitalem signi, quomodo »dem signum est commune ad plura
signata Divisio praedicabitium non est divisio primo rerum, quae sint in genere
substanliac, sed est divisio nominum vel conceptuum vel inlentionum in anima.
790) Sent. I, Dist. 2, qu. 4 Q: Secundum unam opinionem intellectus intelligendo
hominem, non inlelligendo aliquem hominem singutarem, non intelligil rem
unam de genere substantiae, sed tantum intelligit quendam conceptum menlis
Sed secundum alium opinionem vere intelligitur quitibet homo singuioris, non cognilione
propria nec aequivalenti. sed communi tuntum.
791) Expos, aur. Perierm. C. 5: Vox est singuioris in se, sc. quia est una res
et non ptures ; polest tamen esse universalis per significalionem et praedicalionem.
Singuiore accipitur dupliciter: uno modo pro co, quod est unum et non ptura,
et isto Modo qunelibet res, sive sil signum sive signatum sive vox sive conceptus, diritur
singutaris, et sie nulio res est universalis quia nihit est unum et plura
secimdum phitosophus, quamvis secundum theologos passet concedi, sed de hoc non
est modo curaudum (d. h. die Trinitäts-Lehre liegt ausserhalb der Phitosophie)....
Alio modo uccipitur pro eo, quod non est praedicabite et quod non signi/icat ptura,
et universale dicitur per oppositum ittud, quod praedicatur de pturibus et est signum
plurium et ptura sit!ni/ii'nt, quamvis ipsum in rei veritale sil unum et non ptura,
et isto modo secundo accipiendo singuiore et universale non est idem Intenlionum
animae quaedam sunt universales et quaedam singuiores, voces aulem non
sunt singuiores nee universales nisi per inslitulionem sive ad piocitum. Summa t.
log. I, 14, f. 6 v. B : Sinauiore polest sumi dupliciler. llno modo hoc nomen „singutare"
siqni/ical ittud, quod est unum et non ptura; et hoc modo lenenlei, quod uni
versale est quaedam qualitas menlis praedicabitis de pluribus, non tamen pro sc, sed
XIX. ;0ccam (Parteistellung). 349
Kehrt somit Occam betreffs der Universalien .ebenso wie bei intentio
(Anm. 778) immer wieder auf die Aussagbarkeit, auf „diei de pluribus",
und somit grundsätzlich (vgl. Anm. 768) auf das Urtheil zurück™2), so
ist es schliesslich eben dieser nemlid,e Standpunkt, welchen- er in peinli
cher Ausführlichkeit und unter serupulöser Formulirung aller möglichen
Fragen, aller Gründe und Gegengründe, bei der üiscussion über die. Uni
versalien im Commentar zu Petrus Lombardus vertritt. Folgen wir dem
dorligen Verlaufe (einige anderweilige Belegstellen aus anderen Schriften
bei einzelnen Punkten nicht vernachlässigend), so begegnet uns als erste
die Frage, ob die Universalieu wirkliche Dinge ausserhalb der Seele seien,
welche den einzelnen Dingen, deren gemeinsame Prädicate sie sind, we
sentlich innen einwohnen , während sie von denselben real verschieden
sind; und indem nun gegenüber dem Standpunkte der subjecliv psychi
schen Auffassung diese Frage dennoch im Hinblicke auf die Wesens-Einheit
gleichnamiger Individuen und auf die Unvergänglichkeit der Allgemeinbegriü'e
manigfach bejaht werde 79!i), bemerkt hiegegen Occam vorerst,
pto Mis pluribus, dicere babent, quod quodlibel universale est vere et realiter singutare
(diess beruht auf einer schou von Middleton, ob. Anm. 230, benützlen Stelle
Avicenna's) Aliler accipitur nomen „singuiore" pro omni eo, quod est unum et
est signum alicuius singuioris nec est natum esse signum pturium. Et sie nullum
universale est singuiore, quia quodlibel universale natum est esse signum pturium.
Unde vocando universale aliquid, quod non est unum numero, quam acceplionem
mulli tribuunt universali, dico, quod nit,it est universale, nisi forte ubutctur vueabulo
dicendo, poputum non esse unum numero et esse universale; sed puerite esset.
Dicendum est igitur, quod quodlibel universale est una res singuioris, .et ideo non est
universale nisi per significalionem, quia est signum pturium Forma, quamvis in
comparalione indivitiuorum sit uninersalis, tamen in comparalione auimae, singuioris,
in qua imprimitur, est individua, ipsa enim est una ex formis, quae sunt in intellectu.
Quodl. V, qu. 12: Ulrum universale sit singuiore Logice loquendo tripliciter
accipitur singuiore et indiridnum. Uno modo dicitur singuiore, quod est una
res numero et non .ptures res; alio modo dicitur singuiore res extra animam, uuoi'
est una et non ptures nec est signum alicuius; lerlio modo signmu yroprium
uni, quod vocatur le,miuus diseretus ...... Universale est singuiore et individuum
primo modo, quia vere est una qualitas menlis singuioris el non est plures qualitales.
Sed secundo modo non est singuiore, quia nullo modo, est res extra animam
quodcunque unüersale; similiter universale non est singuiore lertio modo, quia uni
versale est signum naturale vel voiuntarium ammune pturibus .et. non tantum uni.
S. Anm. 839. . . . .
792) Expos, aur. Praedicab. de specic: Ordo praedicamentalis non comiionitu,
ex rebus extra animam, sed ex conceplibus et intenlionibus in anima, quae non ba
bent aliquem ordinem, nil,i quod unum est communius el dicitur de pluribus el ittud
vocatur superius, el aliud est minus commune et dicitur de paucioribus el ittud est
inferius Species conlinet individua non sicut quoddam lolum, de cuius essentia
sint individua, sed contineri hie idem est quod de pturibus praedicari.
793) Sent. t, Dist. 2, qu. 4 A: Quaero, utrum ittud, quod immediale i'l proxime
denominatur ab inlenlione universalis el univoci sit aliqua vera res extra ani
mam intrinscca el essentiulis itlis, quibus est univoca et communis, dislincta realiter
ab itlis. Primo, quod sit vera res essenliulis et iutrinseca itlis, quibus est communs,
videtur, quia isti duo homines, universalts el particuioris sciticet, cui accidit
univocalio, sunt unum essentialiler ; sed ittud, quod est unum . essentialiter cum aliquo
ente reali extra animam, est vefc res el essenlialis alicui rei Secundo, quod
sit res dislincta realiler, videtur, quia impossibite est, eandem rem esse corruplibitem
el incorruplibitem ; sed universalia sunt ituorruplibitia, ergo non sunt eaedem
res cum singuioribus. Ad oppositum: unum el ens sunt ex rebus universalibus,
quae non habent esse extra animam Ad istam quaestionem ,'st una opinio,
350 XIX. Occam (Parteistellung).
rlass bei solcher Annahme die l'niversalien bereits singularisirt, d. h. zu
concreten Einzeln-Dingen gemacht seien, bei welchen eine angebliche communicabilüas
(thomislische Ansicht, s. Absclm. XVII, Anm. 380—392 u.
494) einerseits zweifelhaft bleibe und andrerseits eine Singularisirung oder
örtliche Vervielfälligung doch nicht ausschliesse ; ferner dass die Universalien
dann nur Summanden oder Theile (vgl. Anm. 781, 799 f.) des We
sens der Einzelndinge sein könnten, wornach in einem Individuum ebenso
viele „res" stecken müssten, als Universalien von ihm ausgesagt werden;
ausserdem dass das Universale nicht Gegensätze in sich aufnehmen könne,
was doch bekanntlich bei Substanzen wesentlich der Fall sei; endlich
dass mit der Vernichtung Eines Individuums der Untergang der ganzen
Gattung verbunden sein müsste794). Ueberhaupt ja sei die Annahme einer
derarligen Existenz der Universalien weder zur Erklärung des Urtheiles
nöthig oder zulässig, weil der Theil (— Theile aber seien in solchem
Sinne die Universalien —) nicht wesentlich vom Ganzen prädicirt werden
könne, noch bedürfe man derselben zum Behufe der realen Disciplinen,
weil für diese das Unheil allein genüge (s. sogleich Anm. 797 f.), noch
auch endlich zum Behufe der Defmilion , da diese immer etwas vom dequodlibel
universale univocum est quaedam res existens extra animam realiler
in quolibet singuiori el de essenlia cuiustibel singutaris dislincta realiler a quolibel
singutari et a quolibel alio universali Pro itio opinione arguunt mullipliciter,
d. h. es werden nun dreizehn Gründe für dieselben angeführt.
794) Ebend. D: Ista opinio est simpliciter falsa et absurda; ideo arguo contra
eam primo sie: rlulta una res numero non variata nec mulliplicata est in pturibus
supposilis vel singuioribus nec eliam quibuscunque individuis erealis simul et semel,
sed talis res si ponerelur, esset una numero, ergo non esset in pturibus singuioribus
nee de essenlia itlorum Sed res singuioris et universalis per se sunt duae res
dislinctae realiler et aeque simplices, vel res universalis est magis simplex, ncc maiorem
pluralitalem rerum intrinsecam itutudit una quam alia , sc. res universalis quam
singuioris; igitur si res singutaris est una numero, res universalis erit una numero.
St dicitur, quod itio res universali!, est realiler communicabitis mullis et est
realiler in mullis, non sie aulem res singuioris, el ideo, quamvis non inctudat intrinsece
maiorem pturalitalem rerum, non tamen est una numero sicul res singutaris, con
tra quaero, quomodo est communirabitis mullis el quomodo est in mullis Si dicitur,
quod ipsa non variata in se nec mulliplicata communicatur mullis et distincta
remanet realiler ab itlis , talis communicabititas vel exislenlia in mullis non eaceludit
unitulem numeralem Omnis res faciens numerum cum alia re dislincta est una
res numero vel ptures res numero ; sed talis res universalis si ponatur, vere facil nu
merum cum re singuiori; ergo ipsa est ona res numero vel ptures res numero; sed
non est ptures res numero ; ergo est una numero Si diritur , quod itio res
unirersalis est de essenlia Soeralis el non tola essentia Soeralis, quiu tunc non esset
res alia a Soerale , ergo est pars essentialiter Soeralis , ex Mo sequuntur multa ab
surda Sequeretur , quod tol essent res realiler dislinctae in quolibel singuiori,
quol sunt unnersalia praedicabitia univoce de eodem Omnis res extra animam
in genere substantiae est suscepliva contrariorum; ergo si sit aliqua substanlia uni
versalis, vere eril suscepliva contrariorum; sed nultum universale est susceplivum con
trariorum; ergo nultum tale universale est res realis in genere substanliae. Summa t.
log. n, 2, f. 25 v. B: Si humanilus sit alia res a singutarilmt et sit de essenlia
singuioriam , ergo tdem non vuriatum esset in pturibus, et ita nnum non variatiim
numeraliler esset in diversis loris; quod est falsum. Simitiler idem non variatum
damnatum in iuda el salvatum in Christo, et ita aliquid esset damnatum el miserum
in Christo; quod est absurdum, Simitiler tunc deus non possei aliquid tndividuum
annihitare, nisi destruerel omnia individua eiusdem generis.
XIX. Occam (ParteistellungX 351
finirten Gegenstande Verschiedenes ist795). Hiezu aber fügt er noch einen
anderen Einwand, welcher nach der Lehre von consequentia formulirt ist
und auf der Theorie der suppositio beruht (vgl. Anm. 777 u. 781); uemlich
falls das Universale in dem angegebenen Sinne eine „res" wäre,
d. h. nicht bloss ein Zeichen für ein Bezeichnetes, so müsste es befähigt
sein, für sich selbst supponirt zu werden ; dann aber käme man bei der
Folgerung „Mensch ist eine Species, also ist Thier eine Species" oder bei
dem Urtheile „Die niederste Species ist eine Substanz" zu falschen Be
hauptungen, sowohl wenn man nach suppositio personalis, als auch wenn
man nach mppositiu simplex verfährt; also könne das Universale nicht
eine res sein 796). Ausserdem müsse um der logisch Ungeübten willen
bemerkt werden, dass der Bestand der realen Disciplinen durchaus nicht
einen Einwand gegen die Subjeclivität der psychisch erfassten Universa
lien in sich schliesse (wie Burleigh gemeint hatte, s. ob. Anm. 591 u. 598);
denn vor Allem habe jede Wissenschaft, möge sie real oder ralional sein,
nur Urtheile zum Gegenstande, weil Urtheile allein es seien, welche „gewusst"
werden (s. Anm. 754), wobei es für die Wahrheit des Urtheiles
gleichgüllig sei, ob es aus Geschriebenem oder aus gesprochenen Worten
oder innerlich ans Begriffen bestehe; Worte ja seien bei jeder Wissen
schaft üblich , der Unterschied hingegen liege nur darin , dass bei den
realen Disciplinen die Worte (oder lermini) durch suppositio auf concrete
einzelne Dinge, bei den ralionalen durch suppositio auf Begriffe,
und bei den grammalischen Theorien durch supposüio auf Worte selbst
795) Sent. l, ». a. O. : Ideo dien aliler ad quaestionem, quod nulio res realiler
distincta a singuioribus rebus et intrinsera eis est universalis el communis eis, quia
talis res non esset porienda nisi ad salvandam praedicalionem essentialem unius de
allero n-l ad salvandam scienliam de rebus et diffiniliones rerum , quas omnes innun
a l arguenles pro opinione Pialonis. Sed primum non valet, quia so ipso, quod
ponitur intrinseca ,lu et distincta a re singuiori, oportet, quod sit pars rei, sed pars
non tn,t,'sl praedicari essentialiter de re Nec propler secundum oportel pone,e,
quill ad babendum scieuliam realem sufficit habere propositiones per se, quae possunt
haben sine tali alia re Nec oporlet talem rem ponere propler lerlium (F)
quia nunquam diffinilio et diffinitum sunt eadem res; sicul enim non sunt idem lerminus,
ita non sunt eadem res, hoc non obstanle, quod pro eadem re supponunt (letz
teres ebenso Summa t. log. l, 20, f. 8 v. B. und hiezu Anm. 848). •i .
796) Ebend. Ab inferiori ad superius est bona consequenlia (s. Abschn. XVII,
Anm. 623), quando sc. superius et inferius supponunt pro rebus celeris, quamvis non
sequttur, quando supponunt pro se tpjis ; ergo .lequitur „hon,o est species, ergo animal
est species''; quaeru ergo, quomodo supponit „animal" ; aul personaliler, el tunc
baec est falsa, quia nultum animal est species; aut simpliciter , el tunc est falsa,
quia tunc animal supponit pro Mo communi, et Ma res communis non est species
speciulissinia, sed genus Praelerea si haec sit vera „species specialist.ima est
substantia" , aut substantia supponit simpliciter aut personaliter: si simpliciter, tunc
haec est falsa, quia tunc species specialissima esset genus generalissimum; si personul,ler,
adbuc est falsa, quia tunc supponit pro suppositis et singuioribus, et per consequens
species specialissima essel aliquid singuiore. Ideo dico, quod nulio res talis est, quae
sit universalis et intrinseca itlis, quibus est communis. Summa t. log. \, 66, f. 21
T. B: Suppositiu simplex est, quando terminus supponit pro intentione animac (s.
unten Anm. 877 u. 879), quae aliquando est communis pturibus per praedicalionem,
atiquando vero est propria um; et ralio Imius est, quod nihit est aparle rei, quando
sil simpliciter singuiore. linde error iltorum, qui eredebunt, aliquid esse in re praeler
singuiore, el quod bumanitas distincta a singuioribus est aliquid in individuis el
de essentia eorum, induxit eos in itlos errores et mullos alias logieales.
352 XIX. Occam (Partcistellung).
sich beziehen (vgl. Anm. 776); jene iiuieren Urlheile aber, welche allen
ausgesprochenen Urtlteilen zu Grunde liegen (Anm. 769), seien eben nur
aus solchen lernt int zusammengesetzt, welche Begriffe sind797). Darum
solle man auch , mit Soph»stereien , welche dem jurislischen Gebiete der
Slipulation entnommen sind .(s. oh., Anm. 590),, nicht weiteren Unfug trei
ben; denn sowie jene derarligen Beispiele sich einfach durch suppositio
confusa tantum (s. Abschu. XVII, Anm. 205 II'.) lösen , so kommv über
haupt in den (Jrtheilen Alles auf die suppusitio an, deren Kenntniss in
allem Detail allerdings Sache des Logikers sei798).
Die zweite Frage, welche dahin geht, ob die Universalien als wirkliche
797) Sent. a. a. O. qu. 4 Ml Scienlia realis non est semper de rebus tanquam
de -itlis, quae immediale sciuntur, sed de aliis pro rebus tantum supponenlibus
Proptcr ahquos inexereitalos in logica seiendem est, quod scienlia quaelibet, sive sit
realis sive ralionalis, esl tantum de propositionibus lanquam de itlis, quae sciuntur,
quia soioe proposiliones sciuntur Sicul proposilio proiota vere componitur ex
vocibus et propositio seripta vere componitur ex srripturis , ita propositio tantum
eoncepta componitur tantum ex intelleclionibus vel concepiibus seu intentionibus animae
Stcut propusitio proiota scitur, ita propositio in mente, quae nullius
1 l min u1' est, vere scitur Scientia aliquarum talium proposilionum proiotarum est
realis et aliquarum ralionalis, et tamen itio scita el omnes parles islorum vere sunt
voces, quia, cum partes aliquarum supponunt et stant non pro se ipsis vocibus, sed
pro rebus extra, puta pro subieclis, ideo itiorum proposilionhm scienlia dicitur reatIs;
aliae aulempartes aliarum propositionum stant pro ipsis eonceplibus menlis, ideo scienlia
itiorum polest dici ralionalis vel logicalis ; el istarum propositionum proiotarum, e. g.
„homo est vox bissglioba", polest dici grammalica. Et tamen omnes proposiliones tales
el partes earum sunt voces, et sotum dicuntur ad diversus scientias perlinere, quia
partes pro diversis supponunt, quia aliquae supponunt pro rebus, aliquae pro concepiibus
menlibus, el aliquae pro ipsis vocibus. Ergo eodem modn proportionabililer de proposilionibus
in menle, quae vere possunt sciri a nobis, quia omnes lermini itiorum sunt
tantum conceptus el non sunt ipsae substantiac extra In istn propositione in
menle „omne corpus componitur ex maleria el forma singuiori" non fit suppositio
pro aliquo corpore universali, quia nultum tale corpus est,.... sed scientia isto modo
est de rebus singuioribus, quia pro ipsis singuioribus lermini supponunt. Ebeud. N:
\,l,il refert ad scientiam realem, an lermiui propositionis scitae sint res extra animam
vel tantum sint in anitua, dummodo stent et supponavt pro ipsis rebus extra;
el ita propler scientiam realem non opportel ponere tales res universales distinctas
realiler a rebus singuioribus. Hiezu Anm. 843 a. Ende.
798) Ebend. X : S« prolerviatur, quod haec est vera „aliquis promitlit, se
daturum nilen aliquem equum" , tunc quaero : aut iste promitlil alleri rem aliquam
singuiorem aut universalem aut conceptum. Non rem singutarem, quia non plus
nnum, quam nimm, el ita vel nultum equum promitlil el ita possei lenere promissum
nullum equum dando, vel promitlit quemlibel equum et ita non passet lenere promis
sum nisi dando quemlibel equum. Si promittal rem universalem, habetur propositum.
Si conceptum, boc non est verum, quia promitlit veram rem Ista cavitiolio non
esset hie pouenda, nisi quia aliqui putantes, se scire logicam, ponderurent talia puerilia,
propler quae ponuntur multa absurda cirea suppositionem lerminorum Est
faliocia figurae dictionis commutando unum modum supponendi in alium l»
ista propositione „equum" supponit confuse tantum vel aliquo modu consimiti, qu,a
non supponit conluse el distribulive Saepe terminus praedicatus habet supposi
lionem confusam tuntum v,'t aliquam, quantum ad praedicata , consimitem cum signo
distribulivo praecedenli; verumtumen utrum n sermonis habeat suppositionem confusam
tantum vel non, ad praesens non curo, el ideo ista omittantur, quia pertinent ad logicos.
Ignoranlia tamen istorum facit multa difficitia el in lbeologia el in aliis scienliis
realibus, quae, si ista pueritia essent perfeete scita, essent valde facitia. Hiezu
d. Schtuss d. Anm. 879; vgl. auch Anm. 806; die logische Lösung aber des juri
slischen Beispieles s. nulen Anm. 885.
XIX. Occam (Parteistellung). 353
äussere Dinge in den Individuen, von welchen sie reell verschieden
seien, mittelst einer Vervielfälligung reell exisliren , liegt eigentlich näher
an der Controverse über das Princip der Individualion, wurde aber jeden
falls nur von Halh-Thomisten auf Grundlage Albert's (s. Abschn. XVII, Anm.
378, 381 f., 393) bejaht; denn soweit unsere Kenntniss der verschiede
nen Parteistellungen reicht, finden wir diese Ansicht hauptsächlich von
Herveus (ob. Anm. 411 u. 416), theilweise auch von Gottfried von Fontaines
(ob. Anm. 66) und von Aegidius (ob. Anm. 382 f.) vertreten; Occam
aber bekämpft dieselbe darum, weil im Hinblicke auf die Verschiedenheit
der Individuen dann zuletzt ebenso viele niederste Arten statuirt werden
müssten, als es Individuen gibt, und weil auch hier das Universale zu
einem real verschiedenen wesentlichen Theile des Einzeln-Dinges gemacht
werde, während das Bestehen eines Theiles im Wesen , wenn überhaupt
zulässig, nur in der prädicaliven Aussage der Artbegrifl'e im Vergleiche
mit den Gattungsbegriffen gefunden werden könne799), sowie man bei
Allem stets das Verhältniss der Aussage und der Supposilions-Fähigkeit
als einzig richliges im Auge behalten müsse800). ;
Die Beantwortung hingegen der dritten Frage, welche gleichfalls in
das Princip der Individualion hinüberspielt, nemlich ob die Universalien
etwas ausserhalb der Seele Bestehendes seien , welches nur formaliter
(nicht aber real) vom Individuum verschieden sei, ist direct gegen Scotus
799) Senf. I, Dist. 2, qu. 5 A: Quaero secundo, utrum universale el univocum
sit vera res extra animam realiler d,slincta ab individuo, in eo tamen realiler existens
realiler mulliplicata et variata (B) Est una opinio, quae imponitur doctori sublili
a quibusdam, sicul ab aliis opinio recitata in praecedentc quaeslione (d. h.
\,nu. 793) sibi imponitur (sonach bestanden damals sogar darüber Meinungsver
schiedenheilen, was Lehre des Scatus sei und was nicht; jedenfalls aber waren die
beiderseiligen Referenten, auf welche sich hier Occam beruft, ziemlich unwissende
Menschen, wahrscheinlich ächte Thomislen); et esl opinio, quod universale est vera
res extra animam dislincta realiler ab una di/ferenlia contrahenle, realiler tamen
mulliplicata el variata per talem differenlium contrahenlem. Sed ista opinio videtur
esse simpliciter falsa, quia (C) humanitas Soeralis realiler dislinguitur a differentia
contrahenle itiom humanitalem (A. h. wenn zum Universale die Individuation
als etwas Verschiedenes hinzutreten soll) Si humanitas sit alia el alia, ergo
tol erunt species specialissimae, quol sunt individua (D) Dico ad quaestionem,
quod in individuo non est aliqua natura ut"versalis realiler distincta a differenlia
contrahenle, quia non passet ibi poni talis natura, nisi esset pars essentialis ipsius
individui Simititer si in individuo essent talia duo realiler dislincta, non videtur
tnctudere contradictionem , quin unum istorum passet esse sine allero, el tunc possei
esse gradus individualis sine natura contracta vel e converso, quorum utrumque est
absurdum Universale aliquo modo significal parlem, quando est genus ad multa
composita dislincta formis specificis; et ideo universale non est realiter pars,
et ideo non oporlet, quod realiter mulliplicetur.
800) Expos, aur. Praedicab. De specie: Sicut genus non est de esse speciei nec
pars eius, ita species non est de esse individui, sed est quaedam min, l in in anima
significans ipsa individua, el est praedicabitis de eis non pro se, sed pro ipsis indi-,
viduis, quia praedicatum non supponit pro se, quia tunc denotaretur, quod Soerales
esset hoc praedicatum commune „Aomo", quod est manifesle falsum, sed „Aomo"
supponit pro ipsis individuis Ideo species non est realiler in individuo. Summa
t. log. t, 20, f. 8 v. A : Genus non est aliqua res extra animam exislens de essentia
itlorum, de quibus praedicatur, sed est quaedam intenlio animae praedicabitis de
mullis, non quidem pro sr, sed pro rebus, quas significat.
PKAHTL, Gesch. III. 23
354 XIX. Occam (Parteistellung).
gerichtet801). Und zwar wendet Occam gegen denselben ein, dass es im
Umkreise der natürlichen Dinge üherhaupt keine formale Unterscheidung
ohne eine reale geben könne (anders verhalte es sich freilich bei der
Trinität, vgl. Anm. 791), dass der änssere fiegenstand, welcher als sol
cher singnlär ist, nicht zugleich gemeinsam sein könne, dass es (wie oben
Anm. ROO) zuletzt so viele Arten als Individuen geben müsste, oder dass
entweder alles Singuläre ein Universale wäre oder es kein Universale
gäbe (wie oben Anm. 794) und somit der Unterschied der Individuen ge
lilgt werde, dass von Natur aus nicht das Allgemeine als das Frühere
beabsichligt werde, sondern gerade das Singuläre (ob. Anm. 783), endlich
dass in den Urtheilen das Prädicat zugleich sein eigenes Subject wäre,
weil ja der höhere und der niedere Begriff real das Nemliche seien802).
801) Sent. l, Dist. 2, qu. 6 A: Quaero lertio, utrum aliquid, quod est univer
sale et univocum, sit realiler extra animam ex natura rei distinctum ab individuo,
quamvis non realiler Dicitur, quod in re extra animam est natura eadem realiter
cum differeulia contrahente ad ,lelerminatum tndividuum, dislincta tamen formaliter,
quae de se nec est universalis nec particuioris, sed incomplele est universalis
in re, et complele secundum esse in inlellectu. Et ista opinio ' est, ul ererfo, opinio
sublilis doctoris, qui alios in sublilitale iudicil execllebal (s. ob; Anm. 100, 102,
121 f.) Et est de inlentione istius doctoris, quod praeler unitalem numeralem
est unitas realis minor imitale numerali (Anm. 141) Non est ergo ista enlitas
maleria vel forma vel comp,mtum. inquantum quodlibel istorum est natura, sed est
ullima realitas entis, quod est materia, et entis, quod est forma, et enlis, quod est
compositum (Anm. 147) (D) Pro conctusione principali istius opinionis arguitur
mullipliciler (folgen neun Gründe). l . ••
802) Ebend. E: Contra istam opinionem polest argui duplici via. Primo, quod
impossibite est, in ereaturis aliqua differre formaliter, nisi dislinguantur realiter (s.
Anm. 817) (F) Secunda via polest argui contra praedictam opinionem, quod
non est vera, eliam posito, quod esset talis dislinctio; primo sie: quandocunque convenit
alicui realiter unum oppositum, reliquum oppositomm sibi non convenit
realiler; sed per le omnis res extra animam est realiter singutaris una numero,
, .. ergo nulio res extra animam est realiler communis nec una unitale opposita
unitali singuioritalis (G) Secundo principaliler iuxta istam viam arguo sie,
quia, si natura isto modo esset communis, sequerctur, quod tol essent species et
genera, quol sunt individua (H) Si dicatur, quod res non est complele univer
salis, sed solum secundum quod est considerata ab inlellectu, contra quaero de itlo,
quid immediale denominatur universale. Aul est praecise una res extra animam, aut
erit praecise ens ralionis, aul est aggregatum ex ente reali et ente ralionis. Si detur
primum, habetur, quod res singuioris est simpliciter complele universale contra dictum
proprium Si detur secundum, sequitur, quod nulio res esl universalis nee complelive
nec inchoalive Si detur lertium, stabit, quod quol sunt individua,
tol erunt genera generalissima (J) Tertio arguo sie: humanitas in Soerate et
humanitas in Piotane realiter distinguuntur, ergo utraque itiorum est realiler una
numero, et per consequens ncutra est communis (M) Quae sunt una res in
ereaturis, non sunt allerius et allerius ralionis; sed differenlia individualis et natura
contractu sunt una res Socrales inctuderel aliquid allerius ralionis ab illo, quod
est in Piolone, quod falsum est, quia tunc Soerales et Piolo non essent simpliciter
eiusdem ralionis (O) Quod natura est prior naturaliler huc rntitale, ul haec
est, hoc non est verum (R) Iltud. quod est universale et univocum, non est
aliquid realiler ex parle rei, distinctum formaliter ab individuo, quia tune
quandocunque praedicatur superius de inferiori, praedicaretur idem de se, quia superius
et inferius essent eadem res (in Bezug auf Letzteres vgl. Anm. 8]2). Summa
f. log. II, 2, f. 26 r. A: Nec valel dicere, quod humanitas Soeralis non •diilinguitur
a Soerale realiler, sed formaliter tantum; quia talis dislinctio non est ponenda in
ereaturis, quamvis aliquo modo possei poni in divinis; el hoc, quia in ereaturis im
.XIX. Occam (Parteistellung). 355
Die gleichen Einwände richtet Occam auch anderwärts gegen die Srolisten
mit specieller Bezugnahme auf das Princip der Individualion, bezüg
lich dessen er in ganz ähnlicher Weise, wie Durand (oh. Anm. 569) und
Burleigh (ob. Anm. 603) im Gegensatze gegen die Häcceität des Scotus an
eine maleria parlicularis in Verbindung mit einer forma partinularis
denkt803), woraus folgt, dass Individuen gleicher Art lediglich mittelst
ihrer selbst in einem Gemeinsamen zusammentreffen, was durch die intentio
in einem Zeichen des Wesens ausgedrückt wird , sei es als ein
Substanlielles oder sei es als eine der übrigen neun Kategorien ; denn
dass man das Universale selbst auch ein Accidens nennen könne, betreffe
nur das psychische Auftreten desselben, nicht aber das Wesen des durch
die intentio Bezeichneten 804).
Durch die vierte Frage werden die vorhergehenden drei zusammen
allgemeiner dahin formulirt, ob das Universale überhaupt in irgend einer
Weise sachlich ausserhalb der Seele exislire; und aus einer Aufzählung
possibite est dare aliquam rem unam numero, quae sit realiler plures res et quaelibel
ittarum, sicul est in divinis, nam divina essenlia est tres personae etc.
803) Summa t. log. t, 16, t. 7 r. B: Videtur tamen aliquibus, quod ^. universale
aliquo modo est extra animam et in individuis, hon quidem dislinctum ab las rea
liler, sed tamen formaliler; unde dicunt, quod in Soerale est natura humana, quae
contrahitur ad Soeralem per unam differenliam individualem , quae ab ilio natura
non dislinguitur realiler, sed formaliler, unde non sunt duae res, una tamen non est
formaliler alia. Sed haec opinio videtur esse irralionabitis, quia in ereaturis non
polest esse aliqua distinctio qualileretmque extra animam, nisi ubi sunt res dislinctae.
Ilem eadem res non est rommunis el propria Ilem si natura communis
esset eadem realiler omni differenliae individuali, ergo tol essent realiler naturae
communes, quol sunt differenliae individuales Ilem quaelibet res se ipso, et
non per aliud, dislinguitur, a quocunque dislinguitur (v. A) Dicendum est igitur,
quod in ereaturis nulio est talis dislinclio formalis Et ideo non est imaginandum,
quod in Soerale sit humanitas vel natura humana distincta a Soerale quocunque
modo, cui addatur una differentia individualis contrahens itiom naturam, sed quidquid
imaginabile substanliale existens in Soerale vel est maleria particuioris vel forma
particuioris vel aliquid compositum ex his, et ideo omnis eisentia et quidditas el
quidquid est substantiae, si sil realiler extra animam, vel est simpliciter et absolule
maleria vel est forma vel compontum ex his.
804) Ebend. 17, f. 7 v. A: Mullis non parvae auctoritalis viris videtur, quod
universale aliquo modo sit extra animam el de essenlia substanliarum parlicuiorium,
ad quod probandum nonnulios raliones el auctoritales adducunt. Unde dicunt, quod,
quando aliqua realiler conveniunt el realiler differunt, per aliud conveniunt et per
aliud differunt, ergo inctudunt aliqua praeler ista, quibus distinguuntur
Ilem ptus conveniunt Soerales et Pioto, quam Soerales et asinus (s. ob. Anm. 99),
ergo in aliquo conveniunt Soerales et Ptato, in quo non conveniunt Soerales et asinus.
Ilem si universale non esset substantia, omnc universale esset accidens
Et ad istas railones respondeo Concedendum est, quod Soerales per idem convenil
specificc cum Piotone et differt numeraliler ab eodem, sed sufficit, quod
se ipsis conveniant Loquendo de vi vocis el secundum proprietalem sermonis
concedendum est, quod nultum universale est de essenlia cuiuscunque substantiae •
omne enim universale est inlenlio animae vel aliquod signum votuntarie inslitutum,
tale autem non est de essenlia substantiae Sed magis proprie loquendo debel
concedi, quod universale exprimit vel explicat essenliam substanliae, h. e. naturam,
quae est substanlia Habent Hecre itli, qui ponunt, intentiones animae esse
qualitales menlis, quod omnia universalia sunt accidenlia, non tamen omnia universalia
sunt sigua accidentium, sed aliqua sunt signa substanliarum tantum et itio
conslituunt praedicamentum substunliae, alia aulem conslituunt alia praedicamenta.
(Betreffs des Letzteren vgl. Anm. 812.)
23*
356 XIX. Occam (Parteistellung).
verschiedener Meinungen, wobei wir deutlich nicht bloss den Thomismus
und den Scolismus, sondern auch Baconthorp, Aegidius. Durand, Burleigh,
Mayron, Herveus und Aureolus wiedererkennen , liest sich Occam in sei
ner Weise heraus, dass Alle ehen doch in irgend einer Beziehung das
Universale mit dem Singulären idenlificiren und somit dem ersteren einen
sachlichen Charakter beilegen s05). Hingegen nach seiner eigenen Ansicht
müsse durchweg daran festgehalten werden , dass in der Aussenwell
schlechthin nur Singuläres exislire (s. Anm. 781 u. 783) und dass dieses
unseren Intellectus reize („movet", vgl. Anm. 784) , welcher dann den
Gegenstand vorerst verworren und hierauf deutlich (confuse und distincte,
vgl. Anm. 786 f.) erfasse; und es liege somit alle Universalität lediglich
im subjecliven Intellfictus, wie schon Aristoteles mit Recht gegen Plato
bemerkt habe , und nur durch willkürlichen Sprachgebrauch (voluntaria
inslüitiio, s. Anm. 757 u. bes. 782) könne eine äussere Substanz als uni
versell bezeichnet werden; denn das richlige Verhältniss des Gemeinbe
griffes zu dem entsprechenden äusseren Einzelndinge liege immer nur
(vgl. Anm. 798) in der supposüio personalis 806).
805) Senf. I, Dist. 2, gu. 7 A: 0uarte quaero, utrum itlud, quod est universale
et commune univocum, sit quomodocunque realiler a parte rei extra animam
(B) Omnes, quos vidi, concordant dicentes, quod natura, quae esl aliquomodo uni
versalis, satlem in polentia et incomplele (diess bei Baconthorp, s. ob. Anm. 689),
est realiler in individuo, quamvis aliqui dicant, quod dislinguitur realiler (so die
strengen Thomisten und auch die Mehrzahl der Halbthomisten), aliqui, quod tantum
formnliler (so die Scolislen) , aliqui , quod nullo modo ex natura rei, sed tantum
secundum ralionem vel per consid,'ralionem inlellectus (s. bei Aegidius, Anm. 379, bei
Durand, Anm. 559 i'., und bei Burleigh, Anm. 58S). Unde dieunt aliqui, quod in
ereaturis est quaedam forma, quae secundum rem et naturam nultam unitalem habet
in se omnino, *ed in se est naturaliter divisa et habet sotum unitalem secundum inletlectum
ralionis (s. bei Mayron, Anm. 509 u. 515) (C) Vult ergo ista opinio,
quod forma generis non eit simplex ex se, sed ex se est divisa, sed forma speciei
ex se est una simplex et ut sie est universalis, sed ipsa forma ul signata in hoc
supposito est parlicuioris ; ita quod ista opinio ponit , quod tam forma generis quam
speciei subsislit in ipsis singuioribus, quamvis aliler et aliter. Alii autem ponunt,
quod res secundum esse suum in e/fectu est singuioris et eadem res secundum esse
suum in inlellectu est universalis (s. bei Herveus, Anm. 402) (E) Alii aulem
moderni ponunt, quod eadem res sub uno conceptu est universalis et sub alio conceptu
est singuioris (s. bei Aureotus , Anm. 70f5) (F) Sie ergo omnes istae
opiniones ponunt, quod universale et stnguiore sunt eadem res realiler nec differunt
nisi secundum ralionem; omnes conveniunt in hoc, quod universalia sant aliquo
modo a parle rei ita, quod sunt universalia realiler in ipsis singuioribus. Pro ista
conctusione polest argui mullipliciler (d. h. es folgen nun zweiundzwanzig Gründe).
806) Ebend. F : Omnis res posiliva extra animam eo ipso est singuioris, et haec
res sie singuioris est apta nata movere inlellectum ad concipiendum ipsam confuse et
ad concipiendum ipsam dislincte. Et voco conceptum confusum, quo inlellectus non
dislinguil unam rem ab alia, et sie Soerales movet intellectum ad concipiendum
hominem, et per illn.n, intellectus non distinguit nec distincle cognoscil Soeralem a
Piotone ; eliam movet intellectum ad concipiendum ipsum modo non confuso, et
sie dico, quod hie Soerales est homu (G) /Von videtur, quod aliqua res extra
animam sit substantia universalis , nisi forte per votuntariom inslitulionrm
(S) Nulin res extra animam, nee per sc nec per aliquid additum reale vel ralionis
nec qualilereunque consideretur vel intelligutur, est universalis, quia tanta est impossibititas,
quod aliqua res sil extra animam quocunque modo universalis, nisi
forle per inslitulionem votuntariam, quomodo ista vox „homo" est singutaris et uni
versalis, quanta est impossibititas, quod homo per quameunque consideralionem- vel
XIX. Occam (Parteistellung). 357
Gilt hiemit als feststehend, dass die Universalien nicht ausserhalb der
Seele exisliren , • so ist endlich als Gegenstand einer fünften Frage noch
die Erörterung übrig , oh dieselben eine vorstellungsweise oder eine ge
genständliche Existenz in der Seele haben; und indem Occam auch hier
wieder verschiedene Meinungen aufzählt, welche uns nach Maassgabe un
serer Kenntniss der Parteien auf Aureolus, auf die Scolisten, auf Burleigh
und auf Durand zurückweisen, und dabei bemerkt, dass man nicht vor
schnell conceptus und intelleclio idenlificiren solle (s. Anm. 753), dass
die Annahme einer species intelligibilis überflüssig sei (Anm. 758), fer
ner dass die Universalicn ebensowenig Dinge (Anm. 784) als etwa bloss
willkürliche Veranstaltungen (Anm. 781 f.) seien 807), so wendet er sich
zunächst äusserst entschieden gegen die Annahme eines gegenständlichen
Seins (subiective) der Universalien, indem er mit den gleichen Moliven,
ja mit den nemlichen Worten, wie oben (Anm. 759 f.), im Interesse der
vorstellungsweisen Existenz der Universalien den Begriff des „Fictums"
festhält808), und abermals darauf hinweist, dass in dem inneren, von
secundum quodcunque esse sil asinus (T) Phitosaphus primo probat, quod universalia
non sunt substantiae, secundo, quod non sunt talia exempioria, qualia posuil
rin l n (Y) Res polest intelligi non tantum confuse. sed eliam perfecle el dislincle
nullo superiori intellecto; el quando dicitur, quod Soerales non polest intelligi nisi
intellecto animali, dico, quod isln polest dislingui, — q,nn „animali" polest sup
ponere simpliciler, et tunc est falsa, quia tunc denolat, quod Soerales non polest
intelligi nisi inlellecto hoc communi animali, et hoc est simpliciler falsum; vel polest
supponere pro re et personaliler, el sie concedo.
807) Sent. l, Dist. 2, qu. 8 A : Quinta quaero, utrum universale univocum sit
aliquid reale exislens alicubi subiective, .... quia universale primo movel intcllectum.
Possent esse diversae opiniones, quarum multas reputo simplieiter fatsas
Prima opinio passet esse, quod universale est conceptus menlis et quod iste conceptus
est realiler ipsa inlelleclio (s. bei Aureotus, Anm. 706 n. 716) Contra istam
opinionem polest argui. quia conceptus non est ipsa inlelleclio (C) Secunda
opinio polest esse, quod universale est ,pecies aliqua, quae, quia aequaliler respicit
omne singuiore, dicitur universale, et ita est universale in repraesentando el tamen
singuiore in essendo (so die Scolisleo). Sed ista opinio videtur esse fatsa, quia
talis species non est necessaria (D) Alia possei esse opinio, quod aliqua est
vera res sequens actum inlellectus, qui esset simititudo rei el propler hoc esset universalis,
quia aequaliler omnia respicerel (s. bei Burleigh, Anm. 585 ff.). Sed
null a talis est ponenda (E) Quarta passet esse opinio, quod nihit est universale
ex natura sua, sed tantum ex institulione illo modo, quo vox est universalis, quia
nulio res ex natura sua habet supponere pro alia re nec vere praedicari de alia re,
sicul nec vox, sed tantum ex insliMionc rotuntaria (s. bei Durand, Anm. 551)
Sed haec opinio non videtur vera , quia tunc nihit ex natura sua esset species vel
genus nec e converso.
808) Ehend. E: Universale non est aliquid reale habens esse subieclivum nec in
,iiii,iin nec extra animam, sed tantum habet esse obieclivum in anima et est quoddam
fictum habens esse tale in esse obieclivo, quale habet res extra in esse subieclivo,
el hoc per istum modum, quod intellectus videns aliquam rem extra animam fmgil
consimitem rem in menle, ita quod, si haberet virtulem produclivam, talem rem in
esse subieclivo, numero distinctam a priori, produceret extra, et esset consimitiler
el proporlionabitiler sicut est de artifice Et isto modo universale non est per
generalianem, sed per abstraclionem, quae non est nisi fictio quaedam. (F) Figmenta
habent esse in anima et non subieclivum, quia tunc essent verae res; ergo sunt
aliqua, quae tantum habent esse obieclivum. Simititer propositioaes , sgllogismi et
huiusmodi, de quibus est logica, non habent esse subiectivum; ergo tantum habent
esse obieclivum, ita quod eorum esse est eorum cognosci; ergo sunt intin, entia habenlid
tantum esse obieclivum Simitiler omnes quasi dislinguunt intentiones
358 XIX. Occam (Parteistellung).
speciellen Sprachidiomcn unabhängigen, Urtheile, (Anm. 769) nur Begriffe,
nicht aber Dinge, als Subject oder Prädicat auftreten (A^im. 788), sowie
dass der vom Intellectus gebildete Begriff von Natur aus universell sei,
während die Worte hiezu einer willkürlichen Veranstaltung bedürfen
(Anm. 781 f. u. 791), und endlich dass jenes subjeclive Gebilde nicht
ohne Realität sei (Anm. 762), sondern ihm ein adäquates Wirkhches ent
spreche su9). Aber unmittelbar hernach spricht er mit der nemlichen
llnentschiedenheit , welche wir schon oben (Anm. 758) trafen, von der
Möglichkeit, dass die Universalien dennoch auch eine gegenständliche Exi
stenz haben, indem ihnen auch dann jene „natürliche" (s. Anm. 774) Be
fähigung der Bezeichnung und der Supposilion u. dgl. im Vergleiche mit
der willkürlichen Sprachbedeutung immerhin zukomme; und er sagt aus
drücklich, dass ihm principiell nur daran liege, die Universalien im Ge
gensalze gegen die äusseren Einzelndinge , aus welchen sie geschöpft
werden, als psychische Erzeugnisse festzuhalten, mögen sie dann als sol
che gegenständlich oder vorstellungsweise exisliren 810), obgleich ihm an
derwärts hinwiederum das erklärliche Bedenken aufsteigt, dass bei ge
genständlicher Geltung die Universalien sehr nahe an die platonisch«
Ideenlehre (vgl. Anm. 806) gerückt würden811)- Aber sowie wir schon
secundas ab inlentionibus primis non vocando inlentiones secundas aliquas reales
qualitales in na im n ; ergo mm non sint realiler extra, non possunt esse nisi obieclive
in 1 I a im a.
809) Ebend. F: Idem est subiectum in propositione universali el particuiori
non tantum in proposilionibus in voce, sed eliam in propositionibus in menle, quae
nullius linguae s mil: et in itlis non subiicitur aliqua res ; ergo tantum conceptus ;
passet ergo dici, quod sicul vox est universalis et genus et species el tantum per
tnslitulionem, ita conceptus sie fictus et abstractus a rebus singuioribus praecognitio
est universalts ex natura sua; et polest aliquis uli isto modo loquendi vocando conceptum
et universale sie fictum lltud sie fictum vere est obiectum cognitum ab
intellectu, et propler ista pati'st esse lerminus proposilionis et supponere pro omnibus
itlis, quorum est imago vel simititudo , et hoc ert esse universale el commune ad
itio (H) Universale non est figmentum tale, cui non correspondel aliquid consimile
in esse subiectivo, quale iltud fingitur in esse obiectivo Si fingatur
domus in menle, antequam producatur, non est figmentum sicut chimaera vel ali
quid tal,'.
810) Ebend. Q: Cut non piocet ista opinio de talibus fictis in esse obiectivo,
polest tenere, quod conceptus el quodlibet universale est aliqua qualita, exislens subiective
in menle, quae ex natura sua est signum rei extra, sicut vox est signum rei
ad piocitum instituentis, et tunc polest dici, quod per omnem modum, sicut voces et
signa voluntarie instituta significant el consignificant , ita sunt quaedam
qualitules exislenles in menle subicclive, quibus ex natura sua competunt talia, qualia
competunt vocibus per voluntariam inslitulionem Et secundum istam opinionem
debet concedi, quod quodlibel universale el genus generalissimum est vere res singnioris
exislens res delerminali generis, est tamen universalis per praedicalionem non
pro se, sed pro rebus, quas significat Verumtamen ista opinio possei diversimode
poni Quamlibet istarum opinionum repulo probabitem, sed quae Marum
sit verior, relinquo iudicio aliorum. Hoc tamen leneo, quod nultum universale, nisi
forle sit universale per votuntariam institulionem, est aliquid existens quocunque
modo extra animam , sed omne itlud, quod esl universale praedicabite de pturibus
ex natura sua, est in menle vel subiective vel obieclive (R) lltud, quod
movet (s. Anm. 784 u. 806) inlellectum primo, non est universale, sed singuiore,
el ideo singuiore inlelligitur primo primitale generalionis (über Letzleres das
Nähere Anm. 786).
811) Sent. t, Dist. 35, au. 5 G : Generis el differenliae et aliorum universaXIX.
Öccam (Parteistellung). 359
oben bemerken mussten (Anm. 76ä f.), dass es in diesem Punkte bei
Occam an der nöthigen Klarheit gebreche, so stützt er einmal sogar aus
drücklich die gegenständliche Existenz der Universalien gegen Einwände,
welche er selbst gegen Scotus und dessen Anhänger erhoben hatte: nem
lich wenn gesagt werde, dass dann die Universalien als Qualitäten des
Denkens nur arcidentcll wären, so erwidert er in gleicher Weise wie
dort (s. A um. 804) ; oder wenn man entgegenhalte, dass nicht das Nemliche
von verschiedenen Kategorien ausgesagt werden könne, so hilft ihm
wieder die Lehre von der Supposilion aus der Klemme, denn das Urtheil
„die Substanz ist eine Qualität" bestehe zu Recht, sobald das Subject
desselben nach suppositio materialis oder simplex gelte, nicht hingegen,
wenn nach suppositio personalis ; oder endlich wenn man einwende,
dass dann das Nem liehe zugleich niederer und höherer Begriff wäre
(s. Anm. 802), so verweist er darauf, dass ja auch z. B. das Wort
„dictio" ein Nomen sei und doch zugleich als Begriff höher liege, als
der Begriff des Nomens812).
Glauben wir hiemit Occam's Auffassung der Universalien in genü
gender Weise dargelegt zu haben, so ist durch dieselbe die Entscheidung
anderer Controversen folgerichlig von selbst bedingt. So mussten wir
schon oben die Frage über das principium individualionis nicht bloss
nebenbei berühren (Anm. 799), sondern eigentlich im Sinne Occam's be
reits beantworten (Anm. 802—804); und in völliger Uebereinslimmung
mit dem dort Angeführten erklärt Occam , das Princip der Individualrsirung
liege lediglich darin, dass die Individuen sich durch sich selbst (se
ipsis) unterscheiden, und ebenso verhalte es sich auch mit demjenigen,
worin sie unter sich zusammentreffen , denn genau genommen solle man
nicht sagen , dass sie „in" Etwas (in aliquibus) zusammentreffen , son
dern richliger „durch" Etwas (aliquibus} , und diess seien eben die In
dividuen selbst, indem sie durch sich selbst (se ipsis) zusammentreffen;
eben dadurch ja könne der abstrahirende Intellectus Universalien erfas
sen, welche nicht etwa erdichtete Gebilde (purum figmentum, vgl. Anm.
762), sondern supposilionsfähig seien813). Indem aber so die Singulariflum
non suni ideae, nisi poneretur, quod universalia essent quaedam res subiective
existentes in anima et sotum communia rebus extra per praedicalionem.
812) "0uorfi. V, qn. 13 : Universale sotum est in anima, et non obicclive tantum,
sicut prius ostensum est (s. Anm. 768) ; ergo subieclive ; ergo est qualitas
menlis Sed contra : quia hoc dato tunc omnia praedicamenta essent accidenlia ;
praelerea idem non praedicatur de diversis praedicamenlis; praeterea
sequitur, quod idem sit superius ad se Ad primum istorum concedo, quod om
nia universalia sunt accidenlia ; tamen non sunt omnia signa accidentium, sed aliqua
universalia sunt signa substantiarum Ad aliud dico, quod idem non praedicatur
de diversis praedicamenlis, quando praedicamenta stant personaliter et significalive
; sed quando supponit malerialiter aul simpliciler, non est inconveniens , idem
praedicari de diversis praedicamenlis. tI mir. si-in ista proposilione „substanlia est
qualitas" subiectum supponit malerialiter vel simpliciler, itio est vera;'et simititer
ista „quanlitas est qualitas"; sed si supponant personaliler, tunc non sunt verae
Ad aliud dico, quod eadem difficnttas est hie, sicut de isto nomine „d,cjio" et Aoc
non,ine „nomen", quia hoc nomen „diclio" est unum contentum sub nomine, quia est
nomen et non omne nomen est hoc nomen „diclio", -et tamen hoc nomen „diclio" est
quodammodo superius ad omnia nomma. vi • • "
813) Sent. t, Dist. 2, 7u. 6 EE: Ad ittud, quod innuitur, quod si omnis
360 XIX. .Occam (Parteistellung).
tät dem Singulären unmittelbar von selbst und ohne allen anderweiligen
Zusatz zukommt814), so könne man auch den Begriff der Quiddität in
dem Sinne nehmen , dass er das ganze aus Stoff und Form bestehende
Wesen bedeute, wornach z. B. zwischen „Mensch" und „Menschheit" nur
ein sprachlicher Unterschied (mittelst eines Syncategoreuma) bestehe, wäh
rend andrerseits, wenn man unter der Quiddität nur die Form versiehe,
allerdings zwischen ihr und ihrem Träger unterschieden werden müsse,
wenn auch für die Angelologie wieder der Vorbehalt nöthig sei , dass
die Quiddität eines Engels idenlisch mit dem betreffenden Engel selbst
ist 8 1 5). Nimmt man aber in jenem ersteren Sinne essentitt und exislentia
als gleichbedeutend816), so sind die scolislischen „formalüates" eigent
lich im Principe von vorneherein schon weggefallen, da nach Occam's
Auffassung, wie wir auch schon oben (Anm. 802) sahen, Nichts formell
diversitas esset numeralis, non ptus possei intellectus abstrahere a Soerale et Piolone
aliquid commune, quam a Soerale et linea, et quodlibel universale esset purum figmentum
inlellectus (s. die nemlichen Worte bei Scatus, ob. Anm. 99), dico ad primum,
quod ex hoc ipso, quod Soerales et Pioto se ipsis differunt solo numero et
Soerales per substantiam suam est simitlimus Pioloni, omni alio cireumseripto intellectus
polest abstrahere aliquid commune Soerali ct Pioloni, quod non erit commune
Soerali et albedini ; nec eil alia causa quaerenda nisi quia Soerates est Soerales et
Pioto est Piolo et ulerque est homo De virtule sermonis non debel concedi, quod
Soerales et Pioto in aliquo conveniunt nec in aliquibus, sed quod conveniunt aliquitius,
quia se ipsis, et quod Soerales convenit cum Piolone non in aliquo, sed aliquo, quia
se ipso. Si tunc dicatur, quod Soerales et Piolo conveniunt in homine, dico, quod
„homine" polest supponere vel simpliciter vel personaliler. Primo modo polest concedi,
quia hoc non est aliud dicere, quam quod homo est quoddam commune praedicabite
de Soerale et Ptatane. Si aulem „homine" supponit personaliter pro alia re, sie est
simpliciler falsum, quia in nullo homine communi nec in alia re conveniunt, sed con
veniunt rebus, quia hominibus, quia se ipsis.
^. , 814) Ebend. P: Quaelibet res singuioris se ipsa est singuioris, quia singuioritas
immediate convenit Mi, cuius est Sienl iltml, quod est singuiore, se
habet ad esse singuiore, ita quod est universale, se habet ad esse universale ; ergo
sicut itlml, quod est singaiore, non polest per aliquid additum sibi fieri universale
vel commune, ita ittud, quod est commune, non polest per aliquid sibi additum fieri
singuiore; ergo quidquid est singuiore, per nihit additum est singuiore se ipso
Omnis res extra animam est realiler singuioris et una numero.
/ • 815) Sent. IV, qu. 11 E: Quidditas uno modo accipitur pro omnibus, quae sunt
de essentia rei, quae faciunt unum per se, et isto modo quidditas est unum compo-
\^.. sitero praecise ex maleria et forma, nec est aliqua differentia intcr hanc humanitalem
et hunc hominem vel humanitalem ct hominem, nisi quia humanitas ineludit
aliquod sgncalegoreuma ex usu loqnendi aequivalenter vel virtualiler, propler quam
inctusionem polest aliquid praedicari de homine, quod non de humanitale. Alio modo
accipitur quidditas pro forma ullima, qua aliquid differt ab alio, quod non est idem
cum itlo ; et de quidditale sie accepta est verum, quod quidditas differt ab eo, cuius
est quidditas, et quod in separalis (d. h. z. B. bei den Engeln) est idem quidditas
cum eo, cuius est quidditas. Quodt. II, qu. l : Essenlia angeli nunquam dislinguebatur
ab eius exislenlia. Uebrigens war auch die oben (Anm. 13) erwähnte Verurtheitung
derjenigen Sätze, welche für die Angelologie Anstoss erregten , schon im
J. 1325 in Paris zurückgenommen worden ; s. D'Argentre', Coll. iudic. de nov. error.
I, p. 208 u. 217.
816) Quodl. II, qu. 7: Sicut existenlia polest esse exislenlia et polest non esse
existentia, ita essenlia polest esse essenlia et polest non esse essentia. Unde idem
omnino sighificatur per unum et consignificatur, quod per reliquum Exislenlia et
essenlia idem omnino significant. Summa tol. log. III , 2, 27 , f. 53 v. B : Utrum
esse et existentia rei sint duo extra animam dislincta inler se? mihi videtur, quod
non sunt talia duo, nec esse existenliae aliquid significal dislinctum a re. .;;
XIX. Occam (Begriff). 36.1
unterschieden werden kann, was nicht real verschieden ist, noch auch
umgekehrt, und somit identitas und dislinctio völlig gleichmässig in das
individuelle Wesen selbst verlegt werden817). — Bezüglich der Frage
über unitas formae kann und muss sich Occam in Folge seines Conceptualismus
an Diejenigen anschliessen (s. Gottfried v. Fontaines, Anm.
70, Johannes v. Paris, Anm. 74, Alexander v. Alessandria, Anm. 254,
Aegidius, Anm. 384, und Herveus, Anm. 421), welche eine letzte total
abschliessende Einheit neben einer durch sie verbundenen Vielheit der
Formen anerkannten818), sowie er desgleichen die intensio et remissio
formarum nicht in die Form selbst, sondern in den Grad der Receptionsfähigkeit
des concreten Wesens verlegt819).
Ist uns somit durch das Bisherige der Standpunkt, welchen Occam
in den damaligen logischen Controversen einnahm, möglichst nach allen
Seiten ersichtlich geworden, so möge nun noch desselben umfassendes
Compendium der Logik zur Darstellung kommen, in welchem wir
wohl eine Summe gar manigfacher Bestrebungen erblicken dürfen, die auf
successive Fortbildung der byzanlinischen Logik gerichtet waren ; denn
dass in dem sämmtlichen Detail der vielen Unterabtheilungt-.n des Ganzen
alles Einzelne ein persönliches Erzeugniss Occam's sei, ist nicht nur nicht
nachweisbar, sondern geradezu unglaublich. Occam benützte, wie sich
von selbst versteht, die damals umlaufende Theorie der Logik, welche
seinem grundsätzlichen Standpunkte adäquat war, und mag dieselbe, wäh
rend er sie zu einem grösseren Compendium verarbeitete , in manchen
Punkten präciser formulirt, ja gewiss auch bereichert haben; aber hierin
überall auszuscheiden, was Occam's und was Anderer Eigenthum sei, ist
uns nach Maassgabe der vorhandenen Quellen nicht verstattet ; ja es läuft
unleugbar in den gedruckten Texten auch manches Spätere mitunter (s.
Anm. 739 u. 740), was uns Vorsicht in der Darstellung gebietet. Indem
ich aber die in der Summa tolius logicae vorliegende Anordnung
und Reihenfolge des Stoffes sicher für eine von Occam selbst her
rührende halten muss , folge ich hiemit dem Verlaufe der Capitel der
selben und füge an einzelnen Stellen, wo es nöthig ist, anderweilige
Belege aus der Expositio aurea oder den beiden anderen Werken
Occam's bei.
817) Expos, aur. Praedicab. De genere: proprie et stricte loquendo nihil dislinguitur
ab aliquo per aliquid nisi per se ipsum vel intrinsecum sibi, situt homo non
dislinguitur ab asino nisi per se ipsum vel per aliquam parlem essenlialem sui.
Sent. l, Dist. 2, qu. 3, B: Nihit reale polest dislingui nec esse idem ralitme cum
aliquo reali, ita quod, sicut distinclio ralioni* et identitas ralionis se habet ad enlia
ralionis, ita differenlia realis et identitas realis se habet ad cntia realia, et hoc
forle non exctudendo dislinclionem formalem et idenlitalem, ubi debet poni. Ideo dico,
quod nulio res nec a se ipsa nec a quacunquc alia polerit dislingui vel esse eadem
ralione. Vgl. Anm. 828.
818) Quodl. II, qu. 10: Ilominis est tantum unum esse tolale, sed ptura esse
parlialia. Sent. II, qu. 9 CC: Secundum opinionem, quam reputo veram, in homine
sunt ptures formae substanliales, sallem forma corporeitalis et anima inlellectiva. Vgl.
ebend. qu. 22 H, u. IV, qu. 7 E.
819) Sent. I, Dist. 17, qu. 4 C: Forma non suscipit magis et minus, quia forma
nihit recipit, sed magis in aliquo recipitur realiter. Vgl. Sent. III, qu. 6 D u. R, sowie
Expos, aur. Praedicam. C. 9.
362 XIX. Occam (Begriff).
Nach einem kurzen Proömium, in welchem die Logik als ein im
Gehrauche sich steigerndes Werkzeug (s. Anm. 741) bezeichnet wird 820),
beginnt Occam, wie wir nicht anders erwailcn durften (s. Anm. 780 und
meine dort vorhergehenden Bemerkungen), sofort mit der Erörterung über
terminus s21) , bei dessen Eintheilung, welche jener des Urtheiles
(Anm. 770) parallel geht , das Hauptgewicht auf terminus conceptus,
d. h. intentio oder dergleichen (Anm. 768 f.) gelegt wird 822) ; denn un
ter drei Bedeutungen des lerminus sei diejenige die eigentliche und präcise,
dass derselbe als ein „Bezeichnendes" entweder Subject oder Prädical
eines Urtheiles sei (vgl. Anm. 773 u. 778), daher die Syneategoreuni.
H, l oder die Interjeclionen u. dgl. in diesem Sinne nicht lermini seien,
und auch andere Fragen, wie z. B. über die Casus obliqui, nicht der
Logik, sondern der Grammalik anheimfallen 823). Insoweit aber jener
geislig innerliche Begriff (lerminus mentalis) von dem ausgesprochenen
(lerminus vocalis) unterschieden werde, habe letzterer mit ersterem den
noch einige Eigenschaften gemeinsam, wie z. B. Casus oder Numerus,
während andere Eigenthümlichkeiten, z. B. grammatisches Geschlecht oder
Conjugalion, nur dem letzteren angehören 824). Aus der hierauf folgen-
820) Summa !. log. Prooem., f. 2 r. B : Logica enim est omnium arlium aplissimum
instrumentmn, sine qua nulio scientia perfecle haberi polest , quae non more
malerialium instrumentorum usu erebro consumitur, sed per cuiustibel allerius artis
vel scientiae studiosum exereilium continuum recipit inerementam,
821) l, l, f. 2 r. B: Omnes logicae tractalores inlendunt adstruere, quod argumsnta
el sgllogismi ex proposilionibus et propositiones ex lerminis componuntur;
unde lerminus aliud non est, quam pars propinqua proposilionis.
822) Ebend.: Triplex est lerminus: seriptus, prolutus, conceptus .... Terminus
conceptus est intenlio seu passio animae aliquid naturaliter significans vel consignificans
nata esse pars proposilionis mentalis. Die hierauf folgende längere Stelle
über das Verhältniss zwischen Wortausdruck 'und Begriff habe ich bereits oben,
Anin. 774, angeführt.
823) C. 2, f. 2 v. A: Terminus tripliciler accipitur. Uno modo pro
omni eo, quod polest esse copuio vel extremum propositionis calegoricae Aliter
omne incomplexum vocatur lerminus Terlia modo accipitur praecise et magis
stricte pro itlo, quod significalive sumptum polest esse subiMum vel praedicatum
alicuius proposilionis • el hoc modo nullum verbum nec coniunctio nec adverbium nec
inlerieclio est lerminus ; multa eliam nomina non sunt termini, ul nomina sgncalegoremalica,
quia talia, quamvis possint esse extrema propositionis, si sumantnr malerialiter
vel simpliciler, tamen, quandu sumuntur significalive, non possunt esse extrema
Quomodo nuleni el respestu quorum verborum obliquus polest esse subiectum,
el respectu quorum non, perlinet ad grammalicum, cuius est constructiones
vocum considerare.
824) C. 3, f. 2 v. B: Accidentia communia convenicntia tam nominibus mentalibus
quam vocalibus et seriplis sunt casus et numerus Accislenlia vero propria no
minibus vocalibus et smplis sunt genus el figura ; talia enim accidenlia nominibus
propler necessitalem significalionis non conveniunt (f. 3 r. A) Simitiler de ver
borum accidentibus est dicendum. Accidenlia communia sunt modus, genus, numerus,
lempus el persona Accidenlia aulem propria vertris ad plueitum institulis sunt
coniugalio el figura. Ebenso Quodt. V, qu. 8: Ulrum omnia accidentia grammalicalia
lerminorum vocalium competant mentalibus Omne, quod accidit lermino mentali,
aecidit lermino vocali, sed non e converso, quia aliqua accidunt lern,inis voca
libus propler necessitalem significalionis el expressionis (darunter versteht er Casus,
Numerus und Comparalivform der declinirbaren Worle, sowie Modus, Genus, Tem
pus, Persona, Numerus der Verba), et itta conveniunt lerminis mentalibus ; alia accidunt
lerminis vocalibus propler ornatum sermonis vel propler congruitalem (nemlich
XIX. Occam (Begriff). 363
den Unterscheidung zwischen Categoreumata und Syncategoreumata mag
hervorgehoben werden , dass Occam die letzteren mit den Ziffern ver
gleicht, deren Werth durch ihre Stellung sich ändert825). Hernach reiht
sich ein längerer Excurs an über die seit Scotus (ob. Anm. 128) in der
Logik eingebürgerten Begriffe „concretum" und „abstractum" , welchen
wir für ächt occamisch halten müssen, da dem hauptsächlichen Kerne nach
das Nemliche auch anderwärts bei Occam vorkömmt826): nemlich der
wesentliche Unterschied zwischen concreten und abstracten Worten liege
in der suppositio derselben, in welcher sie verschiedentlich entweder
sich gegenseilig berühren oder von einander abweichen können827);
jedoch seien sie vom Standpunkte der Bezeichnung aus zuweilen auch
wahre Synonyma 828), was in manchen Fällen durch Verbindung des con-
Genus und Figura der declinirbaren Worte und Conjugalio und Fignra der Verba),
,- 1 itio non conveniunt lerminis mentalibus.
825) Summa t. log. t, 4, f. 3 r A: Terminorum quidam sunt calegoremalici et
.luidn.nl syncategoremalici, gut non habent finitam significalionem et certam nec
significant aliquas res distinctas a rebus significalis per calegorema, simt in algorismo
cifra per se posita nihit significat, sed addita alleri Ifigurac facit eam significare.
826) Quodt. V, qu. 9 : Aliqua sunt conereta et abstracto, quae sie se habent,
quod coneretum significal aliquam rem et supponit pro itio, quam nullo modo abstrac
tum significat nec pro itta supponit : exemptum est de iusto et iustilia Secundus
modus principalis est, quando coneretum et abstractum sunt sgnongma, ut calor
et caliditas Terlius modus est quando abstracta ad piocitum instituenlinn,
n-t ex usu loquenlium inctudunt aliqua sgncalegoreumata vel delerminaliones
adverbiales, ut „humanitas" tantum valet sicut ,,f,omo, inquantum homo"
,hmrtus modus est, quando abstracta non supponunt nisi pro mullis simul sumplis,
conereta aulem supponunt pro uno solo ; exemptum „popuf»s" et „popu/ar«s".
Coneretum et abstractum primo et lerlio et quarto modis ita conveniunt numinibus
mentalibus, sicut vocalibus, et per consequens talia mentalia variantur per conereta
et abstracto Sed secundo modo sotum variant nomina vocalia, et non men
talia. Vgl. auch Anm. 885 u. 918.
827) Summa t. log. t, 5, f. 3 r B : Coneretum el abstractum sunt nomina consimite
principium secundum vocem habentia, sed non consimititer lerminanlia . . .. .
Quandoque coneretum aliquam rem significal vel connolal sive importal sive dat inlelligere,
pro qua eliam supponit, quam abstractum nullo modo significat nec aliquo
modo supponit pro eodem, ut „iustus" el „iuslilia" Sunt aulem ad praesens
talium nominum tres differenliae, quasi tres species inferiores. Prima est, quando abs
tractum supponit pro accidenle vel forma quacunque realiler inhaerente subiecto, et
coneretum supponit pro subiecto eiusdem accidentis vel formae, vel e converso ; primo
modo est de talibus „albedo, album" e converso aulem „ignis, igneus" Secunda
differentia est, quando coneretum supponit pro parte et abstractum pro toto
vel e converso, sicut in istis „anima, animatum" Terlia differenlia est, quando
coneretum et abstractum supponunt pro dislinctis, quorum tamen neutrum est subiectum
nec pars allerius Tales lermini quandoque se habent, sicul causa et effectus,
quandoque, sicut signum et signatum, quandoque, sicut locus et locatum.
828) C. 6, f. 3 v. A: Nomen coneretum et abstractum quandoque sunt sgno
ngma. C. 7, f. 4 r. A: Sie se habent adinvicem homo el humanitas, sicut se habent
Soerales et Soeraleitas ; hanc enim ponunt consimitiler fingentes tale abstractum de
hoc nominc „Soerafes" sicut de hoc nominc „Aomo"; sed „Soer,«ies" nuliom rem dislinctam
realiler nec formaliler (vgl. Anm. 817) signiftcut, quae non significatur per
hoc nomen „Soeraleitas" secundum sie fingenles, nec e converso ; ergo nihil
signi/icatur per hoc nomen „homo", quin significetur per hoc nomen „humanitas", et
e converso Sed quamvis haec fuerit inlenlio Aristolelis, tamen secundum veritalem
theologorum non est sie dicendum (d. h. besonders betreffs der Trinitä t, s.
364 XIX. Occam (Begriff).
creten Wortes mit einem Syncategoreuma (z. B. mit „totus") bewerkstel
ligt werde, zugleich aber dann zu Sophismen und unnöthigen sprachlichlogischen
Schwierigkeiten führen könne829), sowie andrerseits auch
iluunlitalive Momente des durch die Worte Bezeichneten in Frage kom
men können830). Wenn aher sodann mit einleitenden Worten, welche
den Stempel der Unächtheit an der Stirne tragen , noch ein Unterschied
zwischen „absoluta" und „connotativa" erörtert wird , so ist möglicher
Weise auch inhaltlich das Ganze nur ein Zusatz des späteren Heraiisge
hers, wenn uns auch der Begriff „connotatum" in der Fortbildung der
byzanlinischen Logik schon früher (Absehn. XVII, Anm. 598) begegnete,
und selbst Occam anderwärts eine solche Dislinction , und zwar in rei
cherer Gliederung (s. Anm. 846 u. bes. 917 ff.) berücksichligt 831)- Jeden
falls bespricht hernach Occam noch als Momente der willkürlichen Sprachoinrichtung
zunächst die schon oben angeführten Unterschiede zwischen
prima und secunda impositio 832), woran sich als Incidenzpunkt prima
und secunda intentio anschliesst 833), und sodann die Verhältnisse des
Anm. 733). Vgl. Sent. I, Dist. 2, qu. 3, F: Quaedam sunt sgnongma, quia simpliciler
idem signi/icant et connotant, ita quod nihit significatur et connolatur per unum,
quin eodem modo significetur et connoletur seu consignificetur per reliquum; et sie
deitas et deus, homo sl humanitas, et multa talia sunt »gnongma Aliler homo
et humanitas non sunt sgnongma, et hoc, quia reliquerunt in dubio, quantum est ex
impositione istorum nominum, an haec sit vera „homo est humanitas" vel falsa.
829) C. 8, f. 4 v. B : Stint quaedam nomina abstracta vel esse possunt ad pioci-
, u m inslituta ita , quod abstractum in significando aequivaleat conerelo sumplo
cum aliquo sgncalegoremale vel nun aliqua alia diclionc vel diclionibus In
lnllt,ns magis pulo difficultalem vocalem dependenlem ex logica, quam realem, propler
quod nesciens logicam qualernos innumeros cirea talia inuliliter replerel faciens difficultalem,
übi nulta est (f. 5 r. A) : Sie mim concedunt erudili in logica, quod
hoc signum „tolus" ineludit suum distribuibite, ul aequivaleal isli „quaelibet pars",
quando sumitur sgncalegoremalice ; unde itio „Tolus Soerales est minor Soerale"
aequivalet isli „Quaelibet pars Soeralis est minor Soerale'' (s. Abschn. XVII,
Anm. 252).
830) C. 9, f. 5 r. B: Quaedam sunt abstracta, quae non supponuM nisi pro
mullis simul sumplis, conereta aulem pro uno solo verificari possunt, statt se habent
„poputus" et „popuioris".
831) C. 10, f. 5 r. B: Poslquam de nominibus conerelis et abstraclis discussum
est, nunc de alia divisione nominum, quibus schoiostici frequenter utuntur, est dicendum
(s. ob. Anm. 740). Unde sciendum est, quod nominum quaedam sunt mere absotuta,
quaedam sunt mere connolaliva. Mere absotuta sunt itta, quae non significant
aliquid principaliler et aliud vel idem secundario, sed quidquid signiftcatur per tale
nomen, aeque primo significatur, sicut palet de hoc nomine „animal" Nomen
aulem connolalivum est itlud, quod significat aliquid primario et aliquid secundario ;
huiusmodi sunt omnia nomina reioliva, omnia nomina perlinentia ad genus
quantitalis, eliam talia nomina „unum, bouum, verum, inttllectus, polenlia,
actus etc."
832) C. 11, f. 5 v. B: Posilis divisionibus, quae possunt competere tam lerminis
naturaliter significanlibus quam lerminis ad piocitum institulis, dicendum est de quibusdam
divisionibus competenlibus lerminis ad piocitum inslitulis. Est igitur prima
divisio talis: nominum ad piocitum significantium quaedam sunt nomina primae impositionis,
quaedam secundae imposilionis. Das Weilere ist schon oben, Anm. 776,
angefahrt.
833) C. 12, f. 6 r. A: Quia dictum est in praecedenti capitulo, quod quaedam
>unl nomina primae inlenlionis et quaedam secundae inlentionis, et quia ignoranlia
vocabulorum mullis est errandi occasio , ideo incidentaliter videndum est , quid sit
XIX. Occam (Begriff). 365
Synonymen und Homonymen834), womit der Abschnitt De dtvisionibus
terminorum seinen Schluss findet.
Ein nichtssagender Uebergang, — sei es dass er von Occam oder
vom Herausgeber herruhre — , führt dann vorerst zu rlen termini secundae
intentionis , d. h. 'IM den Universalien835), bezüglich deren
die allgemeinen Erörterungen , welche den sämmtliche fünf umfassenden
Gemeinbegriff „Universale" betreffen s36), bereits oben ihre Verwen
dung gefunden haben s37). Nachdem die Fünfzahl der Universalien
in üblicher Weise begründet worden838), treten dennoch wieder Be
merkungen über Individuum, sinyulare, suppositum (vgl. bei Mayron,
Anmerk. 548) voraus, welche drei Begriffe für die Logik, nicht aber
für die Theologie, synonym seien 839). Aus der Erläuterung der einzel
nen fünf Universalien , welche in der Expositio aurea weit ausführ
licher ist und sich mehr Satz für Satz an den Commentar Avicenna's
anschliesst, als in der S,nn um, mag höchstens die auch ander
wärts wiederholte Bemerkung hervorgehoben werden , dass der Gat
tungsbegriff nicht als Materie des Artbegriffes zu betrachten sei 840) ;
et quid primo, quid secunda. Das Weilere s. gleichfalls oben, Anm.
768 f. u. 778.
834) C. 13, f. 6 r. B: Soio vox vel aliquod signum ad piocitum institutum est
aequivocum vel univocum Kst aulem itio vox aequivoca, quae significans plura
non est signum subordination uni conceptui Unum est aequivocum a casu,
aliud est aequivocum a consitio Univocum aulem dicitur omne itlml. quod est
subordinatum uni conceptui. Vgl. Quodl. IV, qu. 16. u. Expos, aur. Praedicam. De
aequie., woselbst auch die Unlerscheidung zwischen aequivocans und aequivocal
u m (s. bei Alumnus Andreas, Anm. 483, und bei Bmleigh, Aum. 617) aufge
nommen ist.
835) C. 14, f. 6 v. B: Cum igitur non su/ficial logico tantum generalis nolilia
lerminorum, sed oporleat cognoscere lerminus in speciali magis , ideo postquam de
dnisionibus generalibus lerminorum tractatum est, de quibusdam conlenlis sub aliqua
itiorum divisionum persequendum est. Est igitur primo tractandum de lerminis secundae
intenlionis, ...... el ideo de itlis. quae ponuntur quinque universalia , ,'st
modo dicendum. ,
836) Ebend. : Primo tamen dicendum est de hoc communi „universale", quia
pruedicatur de omni universali el eliam de sinuuiori (vgl. Armand, ob. Anm. 651).
Expos, aur. Praedicob. Prooem.: Universale dicitur subiectum libri Porphgrii , non
qu,a ipsum vere sit subiectum, sed quia ipsum praedicatur de subicctis, sc. de genere,
specie etc. Vgl. Burleigh, ob. Anm. 610.
837) C. 14—17; s. ob. Anm. 782, 788, 791, 803 f.
838) C. 18, f. 8 r. A.
839) C. 19, f. 8 r. B: Apud logicos hnec nomina convertibitia sunt: individuum,
singuiore, suppositum; quamvis apud theologos singuiore el suppositum non convertantur
(s. Anm. 733), sed in hoc capitulo dicendum est de istis nominibus Mo
modo, quo logici utuntur eis. Apud logicum tripliciler accipitur individuum etc.,
d. b. es folgt nun die nemliche Aufzähtung dreier Bedeutungen, welche wir oben
(Anm. 791) aus einer Stelle der Quodlibeta betreffs des „singuiore'' trafen.
840) C. 20, f. 8 v. A: Genus non est pars speciei .... nec genus importat maleriam
Improprie tamen ulendo vocabul» polest dici, quod genus dicit aliquando
maleriam, quod non est aliud, quam dicere, quod in quolibet significalo per tale genus
invenitur maleria eiusdem ralionis. Expos, aur. Praedicab. Prooem.: Falsum est, quod
communiler dicitur a modernis, quod genus dicit partem malerialcm et differentia
dicit parlem formalem, quia de ralione generis non est ptus significare partem malerialem,
quam formalem, sed tolum, differentia vero aliquando dicit partem malerialem.
Sent. I, Dist.S, qu. 20: Genus non est proprie maleria, sed dicitur maleria mein
366 XIX. Occam (Begriff).
,lenn alles Uebrige bewegt sich nur in dem gewöhnlichsten Fahr
wasser 841).
Mittelst eines auf die Schüler berechneten Ueberganges, welcher in
solcher Form vielleicht auf Rechnung des Herausgehers fällt, kommen
nun noch anderweilige termini secundae intentionis el secundae imposilionis
an die Reihe, welche entweder allen Universalien oder einigen
oder einer Verknüpfung einiger oder nur Einem Universale bezüglich
eines anderen zukommen können (— eine Eintheilung, welche uns einigermaassen
an Armand, Anm. 648 ff., erinnert —); und zwar sollen zuerst
diejenigen folgen , welche bei einer Verknüpfung mehrerer Universalien
in Betracht kommen , nemlich definüio und descriplio 842). Betreffs der
Definilion, auf welche wir unten, Anm. 1012 ff., noch einmal zurück
kommen müssen, unterscheidet Occam auf aristotelisch-arabischer Grund
lage eine sachliche (quid rei) und eine sprachliche (quid nominis); die
erstere bedeute im engeren Sinne ein Urtheit, welches in Kürze lediglich
das natürliche Wesen in seiner Totalität ausdrücke , und dieselbe könne
entweder mit Beihilfe einiger Casus obliqvi ausgesprochen werden und
sei dann de/inüio naturalis, oder ohne solche Sprachmittel, in welchem
Falle sie definüio metaphgsicalis sei ; keinenfalls aber dürfe neben diese
beuten Arten eine definüio logicalis als dritte gestellt werden, denn die
Logik (s. Ami). 744 u. 797) habe es nur mit Zeichen, nicht aber mit
Dingen, zu thun und schreibe nur die Verfahrungsweise vor843); die
pborice, quia sicul materiae praecxistenti advenit forma el facil unum cum ca. ita
generi advenit differentia et facil unam diffinitionem cum ea proprie dictam vel
per additamentum. Expos, aur. Praedicub. De differ. : In diffinitioni' genus est loco
maleriae respectu differentiac, i. e. habet respectu differentiae aliquam condilionem
maleriae, quia, sicul maleria est prior ipsa forma et forma advenit maleriae, ita in
diffinitione genus, quod est quaedam intenlio sive conee'ptus in anima, praecedit differentiam
el differentia advenit sitii.
841) Wie z. B. die Erörterungen f,ber die Reiolivität der Gattungs- und Artbegrift'e
c. 22, f. 9 r. A, vgl. Expos, aur. Praedicab. De specie und Sent. I, Dist. 8,
qu. 3 f. oder ebend. 11, qu. 9 KK: Non est di/ferentia intcr genus el speciem quantum
ad significare lotum, quia tam genus quam species signilicant iolum, sed
genus signilicat plura tata, quam species.
842) C. 26, f. 10 r. B: Quoniam logici non sotum utuntur praediclis vocabulis
secundai' intentionis, sed eliam mulli lermini alii secundae intentionis el secundae
impositionis in usum logicorum reniunt, el ne studiosi per ignorantiam signi/icalionis
eorum in inquisitione veritalis retrudantur, volo nunc compenaiose de aliquibus eorum
ad instruclionem simplicium pertractare. Terminorum aulem, quibus utuntur logici,
quidam sunt communes omnit,us universalibus, quidam sunt proprii aliquibus eorum,
quidam competunt aliquibus eorum simul acceplis, quidam competunt uni respectu allerius.
Termini vero, qui competunt pluribus simul acceplis, sunt di/finitio, deseriplio
el alia huiusmodi.
843) Ebend.: Diffmilio dupliciter accipitur, quia quaedam est diffinitio exprimens
quid rei, et quaedam quid nominis. Diffinitio exprimens quid rei dupliciter ac
cipitur: uno modo targe, el sie comprehendit diffinilionem stricte sumptam et diffinilionem
deseripliram ; aliter accipitur stricte, el sie est sermo compendiosus exprimens
lotam naturam rei nec aliquid extrinsecus rei declorans. Hoc aulem polest fieri du
pliciter. Nam quandoque in tali sermone ponuntur casus obliqui exprimentes partes
rei esscntiales, sicut si diffiniam bominem sie dicendo „homo est substantia composita
ex corpore el anima intellectiva", el itio polest vocari diffinitio naturalis. Alia
est diffinilio, in qua nullus casus obliquus ponitur; ..... talis est ilio diffinilio no
minis „substantia animata sensibitis ralionalis", .....et ista polest vocari metaphg
XIX. Oc,cam (Begriff). 367
sprachliche Definilion hingegen sei nur eine erklärende Erweiterung eines
Wortausdruckes 844). Anderwärts reducirt er diese beiden Arten der
Definilion auf die schon hei Alhert (Abschn. XVII, Anm. 478) vorkom
mende Unterscheidung einer definüio formalis und matm'ofe 84ri). oder
er zieht hinwiederum auch eine Eintheilung der Worte in absoluta, connotaliva
(s. Anm. 831 u. 917 ff.), pos$iMlia, impossibilia, relaliva, adverbia
u. dgl. bei 840). Das Wesen der Beschreibung (descriptio) liege
in der Angabe accidenteller und eigenthümlicher Merkmale, und in der
„beschreibenden Definilion" seien dieselben mit den substanliellen Eigenthümlichkciten
vermischt84'). Jedenfalls aber sei das definitum nicht
als real idenlisch mit definüio zu nehmen (s. ob. Anm. 795 am Schluss),
da man nur sagen könne, dass beide reell das Nemliche bezeichnen s4s),
und darum sei das Definirte ein Begriil', welcher mit der Defmilion in
einem rein umkehrbaren Urtheile beliebig die Stelle tauschen könne,
während in anderem Sinne genommen allerdings das Definirte nichts
Anderes als eine singuläre äussere Sache sei849).
sicalis Ex quo palet, falsum esse, quod aliqui dicunt, quod hominis quaedam
est diffinilio logicalis, quaedam naturalis, quaedam metaphgsicalis, quia loqicus, cum
n n n t ruf l »l de rebus, quae non sunt signa, nun tractat de homine nee habet hominem
diffinire, sed habet docere, quomodo aliae scientiae tractanles de homine ipsum diffinire
habent.
844) Ebend. f. 10 v. A : Diffinilio aulem exprimens quid nominis est oralio explicite
deciorans , quidquid per unam diclionem importatur implicite , sicul si quis
volem, nli,mi docere , quid significel hoc nomen „nlbnn,", 1lirnt, quod idem signific.al
quod haec oralio „aliquid habens albedinem".
845) Sent. Prolog, qu. 2, 6 L : Diffinilio aliquando datur per principia essenlialia,
et itio est formalis . . . . , Aliae aulem diffinitiones datae per alias causas sunt
diffinitiones maleriales el istae ul in lduribus sunt diffiniliones exprimentes quid
nominis, non exprimentes quid rei. Vgl. ebend. I, Dist. 8, qu. 5 f. Eine ganz andere
Bedeutung der formalen und der materialen Delinilion s. unten Anm. 1015.
846) Quodt. V, qu. 19: Diffinilio proprie dicta (A. h. expriiuens quid rei) est
oralio lonaa composita ex genere proprio et differenliis essenlialibus significanlibus
parles essenliales diffinili Diffinilio exprimens quid nominis est oralio expliciti'
deciorans , quid per unam dictionem importatur. Höchst ansführlich wird hierauf
über die Unterschiede dieser beiden Defmltionen gehandelt: erstere nemlich sei
sotum nominum absotulorum (z. B. homo, leo) , ferner sotum possibitium und solun,
a nm i!, a m sumptorum significalive ; hingegen letzlere könne auch connotalivorum et
reiolivorum, sowie impossibitium und ebenso verborum, adverbiorum, coniunctionum
sein.
847) Summa t. l. I, 27, f. 10 v. B : Deseriplio est sermo compendiost,s comppsitus
ex accidenlibus et propriis, v. gr. „homo est erecle ambuiolivus iotus
habens ungues" (c. 28) Deseripliva aulem diffinilio .est mixta ex substantialibus
et aceidentalibus , v. gr. „homo est animal ralionale mortale erecle ambuions tatos
habens ungues".
848) C. 26, f. 10 v. A : Diffinitio non est eadem cum diffinito, quia secundum
omnes diffinitio est sermo mentalis , vocalis , vel seriptus , el per consequens non est
eadem realiler cum diffinilo sive cum re nec cum una dictione; tamen diffinilio significal
idem cum diffinito, et sie inlelligunt recte loquentes, quando dicunt, quod diffi
nilio el diffinitum sunt idem realiler, h. e. significant idem realiter.
849) C. 29, f. 10 v. B: Diffinitum dupliciler accipitur: uno modo pro itlo, cuius
parles vel essenlia per diffinilionem exprimuntur, el sie diffinitio est ipsarum rerum
singuiorium . . . . . el substantia particuioris diffinitur. Alio modo accipitur diffinitum
pro aliquo convertibiti cum diffinitione, de quo diffinitio adaequale praedicatur, et sie
diffinitum est una diclio convertibitis cum difffnilione significans Mud idem praecise,
XIX. Occam (Begriff).
Hierauf nun sollen jene lermini secundae intentionis et secundae
impositionis folgen, welche sämmtlichen Universalien zukommen 850). So
wie jedoch nicht ersichtlich ist, warum dem so sei, so werden auch die
ührigen Gesichtspunkte obiger (Anm. 842) Eintheihmg nicht weiter be
rücksichligt , und wir linden in einer unorganischen Reihenfolge , Im
welche vielleicht Occam selbst nicht verantwortlich ist-, eine Erörterung
mehrerer in der Logik überhaupt üblicher Termini. Nemlich zuerst wird
an dem Begriffe „subiectum" die reale und die logische Bedeutung un
terschieden und letztere von einem weiteren Sinne durch einen engen
und engeren bis zum engsten verfolgt851), worauf das Gleiche mit „praedicatum"
geschieht, wiihrend die Frage über das Verhältniss der Copula
zum Prädicate als eine hloss sprachliche hei Seite geschoben wird K52);
hingegen folgt die entschiedene Betonung des Grundsatzes, dass es sich
beim Prädicate für die Logik nie um reale Inhärenz, sondern eben nur
um das Verhältniss der Aussage handle 85:l). Dann reiht sich plötzlich
„significare" an, dessen mehrere Bedeutungen in die sehr lockere Ver
bindung mit den Universalien kommen , dass letztere stets Mebreres be
zeichnen s54), und schwerlich ist der Zusammenhang ein innigerer, wenn
quod significal diffiuitio. (Fast wörtlich ebenso Quodl. V, qu. 20) Sleut dictum
est de diffinito, ita dici debel de deseripto.
850) C. 30, f. II r. A : Dicto de ierminis, qui non competunt alicui universali,
cuiusmodi sunt diffinitio et deseriplio et huiusmodi (quia nultum universale est diffinilio
vel deseriplio, sed quaelibel diffinitio vel deseriplio ex pturibus universalibus
est composita) dicendum est nunc de lerminis convenienlibus omnibus universalibus,
cuiusmodi sunt subiectum, praedicatum et huiusmodi.
851) Ebend.: Subiectum dupliciler accipitur: hoc quidem ad exislentiam, hoc
aulem ad praedicalionem. Ad exislenliam dicitur aliquid, quod realiler subsislil
alleri rei inhaerenti sibi et advenit'nli realiler Dicitur subiectum per
praedicalionem, quod est pars propositionis praecedens coputam ; et subiectum
sie acceptum polest mullipliciler accipi. Primo tarae omne itlud , quod polest iu
quacunque proposilione veru vel lalsa subiici Secundo stricle , quod subiicitur
alleri in praedicalione directa Tertio strictius pro itlo, quod est subiectum
in ennctusiaue demonstrata, quae scitur vel est nata sciri Strictissime pro aliquo
primo primitule aliqua intcr talia subiecta.
852) C. 31, f. 1] r. A: Sicul subiectum dicitur itio pars proposilionis , quae
praeecdit copuiom, ita itio pars, quae sequitur, dicitur praedicotum. Votunt tamen
aliqui dicere, quod praedicatum est copuio cum itlo, quod sequitur copuiom ; qualitercunque
tamen sit, quia hoc dependet ex sumplionc vocabuli, quod est ad ptacitum,
ideo pertranseu. Praedicatum tamen mullipliciler dicitur u. s. f.; nemlich diese
Dislinclion des Prädicates entspricht genau jener des Subjecles.
N53) C. 32, f. 1 1 r. B : Sicut aulem praedicatum praedicatur de subiecto , ita
praedicatum dicimus esse in subiecto, convenire subieeto el inhaerere subiecto et
buiusmodi, quae non sunt intelligenda, acsi praedicatum realiler inhaererel subiecto
illo modo, quo albedo inhaerel parieli, sed omnia talia significant idem, quod praedicari,
nee aliter accipienda sunt; aecidenlia omnia .' possurit dici esse iu
substantia sicul in subiecto non quidem per realem int,aerentiam secundum opinionem
mullorum, sed per praedicalionem veram.
854) C. 33, f. 11 r. B: Significare mullipliriter accipitur apud logicos. Nam
uno modo dicitur signum aliquid significare , quando supponit vel natum est pro
aliquo supponere, ita quod de pronomine demonstrante ittud medianle hoc verbo „est"
idem nomen praedicatur; haec enim vera est „itle est albus" demonstrando Soeralem
Aliter accipitur siqnificare , quando itlud signum in aliqua propositione
de praelerito vel praesenti vel futuro vel in alia propositione vera de modo polest
pro itlo supponere, et sie album .... significal eliam ittud, quod polest esse album.
XIX. Occam (Begriff). 369
hierauf „dividi" nach älterer Tradilion erörtert wird855). Ebenso wenig
vermögen wir einzusehen, warum nun „totum" und „pars" in realem
und in logischem Sinne folgen850), oder aus welchen Moliven sodann
die Erklärung der „opposüa" hieher gestellt sei, betreffs deren zu be
merken ist, dass hier von einer dritten Art der Entgegensetzung der
Urtheile gesprochen wird, welche eintrete, wenn die Subjecte zweier
Urtheile, deren Qualität verschieden ist, im Verhältnisse einer Subalternalion
stehen857). Endlich in unerklärlicher Verbindung werden noch
einige Worte über die logische Bedeutung des Begriffes „passio" an
geknüpft 858).
Jedenfalls nahm Occam hierauf den Uebergang zu den lermini primae
intentionis , d. h. zu den Kategorien, bei welchen es sich zu
nächst, — abgesehen von ihrer logischen oder realen Geltung — , um
zwei Begriffe handle, welche allen Kategorien gemeinsam seien, nemlich
um ens und u/mm 8o9). Dass „ens" nur homonym, nicht aber synonym,
Aliler accipitur, quando ittud dicitur significari, a quo ipsa vox imponitur vel
primo significatur per conceptum principalem vel voceui principalem, et sie dicimus,
quod album significal albedinem Quarto modo accipitur significare communissime,
quando aliquod signum, quod natum est esse pars propositionis vel natum est esse
oralio vel propositio, aliquid importal sive principaliler sive secundario Signi
ficare igitur secundum aliquam sui significalionem compelit universali cuitibet; uni
versale i',iin, secundum Damascenum in logica sua (s. Abschn. XI, Anm. 50, denn
nur Porphyrius ist es, aus welchem Damascenus geschöpft hat; s. ebend. Anm. 171)
i'.--f. quod multa significat ; omne enim universale vel significat ptura primo modo
vel secundo modo alia vero universalia significant ptura lerlio vel quarto modo.
855) C. 34, f. 11 v, A: Non aulem solum universale significal ptura, sed eliam
dividitur in plura. Sed sciendum est, quod dividi mullipliciler accipilur
Sunt auiem secundum Damascenum in logica sua octo modi dividendi (s. ebend.
Anm. 170).
856) C. 35, f. 11 v. B: Tolum mullipliciter dicitur. Uno modo dicitur totum
aliquid complectens plures parles, sine quibus in rerum natura esse non polest
Mil,'r accipitur tnt,im pro aliquo communi ad multa, et sie logici communiler
nliu,litr Et quol niodis dicitur lotum, tol modis dicilur proporlionabitiler pars.
857) C. 36, r. 11 v. B: Post pracilicta dicendum est de oppositis. Et sciendum
est, quod hoc nomen „opposita" significal tam res extra animam quam in anima
(lH(H!l signa rerum. Sed omnes res extra animam, quae non sunt signa, si sint oppositae,
non opponuntur nisi contrarie vel secundum unam opinionem aliquae res
reiolive opponuntur Sed si loquamur de oppositione, quae est inler signa rerum,
cuiusmodi sunt conceptus et voces et seripturae, sie secundum peripalelicos hoc nomen
„opposita" dicitur tam de complexis quam incomplexis. Complexorum aulem oppositorum
polest triplex modus assignari. Quae dam enim opponuntur contradictorie
Aliquae proposiliones opponuntur contrarie . . . . . Tertii modi opposilionis non habemus
nomen impositum, est aulem, quando aliquae proposiliones non sunt contradictoriae
neque contrariae, sed inferunt proposiliones contradictorias vel una infert contradictoriam
allerius et propler hoc nullo modo possunt s inm t esse verae, sicut ......
„Nullum animal currit, Aliquis homo curril" Oppositorum aulem incomplexorum
quatuor modi ponuntur u. s. f. (d. h. es folgen die tradilionellen vier Arlen).
858) C. 37, f. 12 r. B: Restat nunc de uno vocabulo, quo logici tractando de
demonstralione (s. Abschn. XVII, Anm. 475; frequenler utuntur, disserere, sc. de hoc
vocabulo ,,/<u.s.w,," Secundum quod logici loquuntur de passione, sciendum est,
quod passio non est aliqua res extra animam inhaerens alicui, cuius dicitur passio,
sed passio est quoddam praedicabite mentale vel vocale vel seriptum Passio
semper supponit pro itlo eodem, pro quo subiectum supponit, quamvis aliquid aliud
ab itlo significet aliquo modo.
859) C. 38, f. 12 v. A: Dirin de lerminis quibusdam secundae inlenlionis et de
PRAHTL, Gesch. III. 24
370 XIX. Occam (Begriff.
von Allem ausgesagt werde und in solchem Sinne verschiedenen Eintheilungen
unlerliege suo), erörtert er auch anderwärts unter Beiziehung der
Lehre von der Supposilion *ul) ; und desgleichen bespricht er „unum",
welches als passio entis mehrere ühliche Bedeutungen hahe su2), an einer
anderen Stelle auf gleicher Grundlage betreffs seines Wcchsclverhältnisses
•M ens , da nur hei suppositio personalis diese beiden Begriffe sachlich
idenlisch seien s63). Indem dann die Erklärung der Kategorien selbst
folgen solls04), erörtert Occam in einer längeren Stelle, von welcher
wir ein anderweiliges Duplicat bereits oben, Anm. 779, trafen, die Be
deutung des Begriffs praedicamentum ; ncmlich nach Einer Meinung be
deute Kategorie das Verhältniss einer wechselseiligen lieber- und Unter-
Ordnung (es ist dicss die Auffassung, welche wir seit Albert, Abschn.
XVII, Anm. 429, hei Pseudo-Thomas, ob. Anm. 311, hei Mayron, Anm. 520.
und bei Burleigh, Anm. 616, recipirt fanden; dass Occam sie verwirft,
s. sogleich unten Anm. 868), wobei dann dasjenige, was an sich intentio
prima sei, um der Aussage willen als intentio secunda bezeichnet wer
den könne, wohingegen nach einer anderen Ansicht die Kategorien nur
als die erste gemeinsame Grundlage jener Aussagen , welche eine Unteroder
Ueber-Ordnung enthalten, genommen werden (s. gleichfalls Anm. 868);
jedenfalls aber müsse daran festgehalten werden, dass die Kategorien
ebenso wie alle übrigen ücnkuperalionen, während sie eniia rationis
sind, in Wahrheit wirklich exislireu 865). Nur ist bei Letzterem, wie
quibusdam secundae impositionis, videndum est de lerminis primae intenlionis. Primo
tamen dicendum est de quibusdam rommunibus omnibus, sive sint res, quae non sunt
signa, sive sint res, quae sunt signa (vgl. ob. Anm. 779), cuiusmodi sunt ens
et unum.
860) Ebend. : Accipitur hoc nomen „ens", secundum quod sibi correspondct
unus canceptus communis omnilms rebus praedicabitibus in quid Tamen hoc
nomen „ens" est aequivocum, quia non praedicatur de omnibus sibi subiicibit,bus,
quando significalive sumitur, secundum unum conceptum , sed sibi diversi conceptus
respondent Ens dividitur, quia hoc quidem est secundum accidens, ittud vero
secundum se Simititer phitosophus dividit ens .... in ens in polenlia et ens
in actu.
861) Quodl. V, qu. 14: Huic nomini „ens" correspondet unus conceptus com
munis praedicabitis de omnibus rebus Hoc nomen „ens" <sl aequivocum, quia
licet praedicetur univoce de omnibus subiicibitibus, et hoc, sive supponat simpliciter
sive personaliler, tamen non praedicatur de omnibus subiicibitibus significalive acceplis
secundum unum conceptum, sed bvic, nomini diversi conceptus conespondent. Expos,
aur. Praedicab. De specie: Ens non dicitur univoce de decem praedicamenlis, sed
aequivoce.
862) Summa t. log. l, 39, f. 12 v. B: Unum aulem est passio enlis, quia
significat aliquid, quod non eodem modo significatur per ens, quamvis aliquo modu
signilicatur per ens Unum tamen mullipliciter dicitur ; tamen ad praesens
sufficiat, ponere tres modos unius, quibus logici utuntur frequenler, ä. h. es folgen
nun unum numero, unum specie, unum genere.
863) Senf. I, Bist. 2, qu. 3, K : Ens et unum, si supponant personaliler, polius
sunt una res et una natura, quam dicant eandem naturam, et »i sie supponant, non
aliter dislinguuntur ens et unum, quam ens et ens, et unum et unum. Si aulem
supponant simpliciter vel malerialiler, sie non sunt una res nec una natura, sed dicunt
eandem naturam et dislingmmtur intcr se, sicut duo conceptus vel duo nomina, quae
non sunt sgnongma.
864) Summa t. log. t, 40, f. 13 r. A : Post praedicta restat dicere de inferioribus
ad ens, quae sunt decem praedicamenta.
865) Ebend.: Hoc nomen „praedicamentum" est nomen secundae imposilionis
XIX. Occam (Begriff). 371
sich für Occam von selbst versteht, nicht von der äusseren Existenz der
concreten Dinge, welche als solche stets singulär sind, die Rede, sondern
bei den Kategorien handelt es sich um bezeichnende Worte und somit
um Denkanffassungen und Begriffe, welche gemeinsam von Allem, was
unter sie fällt, ausgesagt werden s66) , und zwar derarlig, dass Ein und
der nemliche Gegenstand durch mehrere Kategorien bezeichnet werden
kann 86 ')• Eben jene Auffassung aber, wornach man bei den Kategorien
einseilig auf das Verhältniss einer Ueber- oder Unter-Ordnung blickte,
müsse nicht bloss zu einer missbräuchlichen Erweiterung des Begriffes
„Gattung", sondern auch zu der Uebertreibung führen, dass man für die
Kategorie des Wann eine quandeitas oder für jene des Wo eine ubeitas
ersann und in gleicher Weise auch bei allen Adverbien, Präposilionen u.
dgl. verfahren musste, während nach der richligen und ursprünglichen
vel intentionis sicut hoc nomen „genus", quamvis itio , de quibus praedicatur, sint
incomplexa primae intentionis. Verumtamen praedicamentum dupliciler accipitur: uno
modo pro tolo ordine aliquorum ordinalorum secundum superius et inferius ; alio
modo accipitur pro primo et communissimo in tali ordine. Et hoc secundo modo
accipiendo „praedicamentum" quodlibel praedicamentum est unum incomplexum primae
inlentionis, et hoc quia significat res, quae non sunt signa. Accipiendo aulem „prae
dicamentum" primo modo polest dici, quod in aliqua tali ordinalione sunt incomplexa
primae intentionis et in aliqua incomplexa secundae inlentionis, vel polest dici, quod
aliqua talia sunt primae intenlionis et aliqua secundae inlenlionis, sicut secundum
opinionem, quae ponit, quod inlenlio vel conceptus est qualitas subiective existcus in
mente (betreffs dieser Meinung vgl. Anm. 757 u. 762) , tunc hoc commune „genus"
est in praedicamento qualilulis vel retalionis ; nam amne genus est qualitas secundum
itiom opinionem, et hoc commune „genus" est secunda intenlio vel nomen secundae
intentionis , hoc aulem commune „cofor" est prima inlenlio , et simititer de mullis
uliis (B) Verumtamen sciendum, quod secundum opinionem, quac ponit, quod
inlentio vel conceptus sive passio animae est qualitas menlis, non ideo aliquid dicitur
ens ralionis, quia non est vera res existens in rerum natura, sed ideo dicitur
ens ralionis, quia non est nisi in ralione, qua mens ulitur pro alio vel inlelligitur
aliud; et sie omnes propositiones et consequentiae et lermini mentales sunt enlia ralionis,
et tamen sunt vere et realiler existentia in rerum natura et entia perfecliora
et realiora, quam qualitas quaecunque corporalis (über diese objeclive Realität der
logischen Funclionen s. oben Anm. 764 u. 766 ff.).
866) Expos, aur, Praedicam. Prooem.: In hoc opere (d. h. Calegoriae) haec
intenlio est, de primis rerum nominibus et de vocibus res significanlibus disputare,
non ideo quod secundum aliquam proprietalem figuramque formantur, sed in eo quod
significantes sunt In grammalica delerminatur de vocibus delerminando
congruitalem et incongruitalem in oralione In libro vero Praedicamentorum delerminatur
de vocibus, quales res sionificent, ostendendo Et ignoranlia inlen
lionis Aristolelis in hoc libro facit mullos modernes errare eredentes muH a hie dicta
pro rebus, quae tanmen pro solis vocibus et proporlionabititer pro inlentionibus seu
conceplibus in anima vult intelligi. Ebend. Cap. 4: Ista non est divisio rerum extra
animam, quia res extra animam non praedicantur de pluribus, non enim praedicatur
nisi vox vel conceptus vel aliquod signum ad piocitum institutum; sed ista est divisio
vocum sive conceptuum sive intenlionum in anima iVaHa est substanlia realiler
extra animam nisi sotum substantia particuioris (s. Anm. 781). Et ista est divisio
incomplexorum, ex quibus componuntur propositiones et ex quibus lineae praedicamentales
componuntur. Ebenso Cap. 7. Ebend. Praedicab. De specie: Non dicit (sc.
Aristoleles) decem praedicamenta esse decem res intrinsecas omnibus aliis rebus, sed
l a »l um quod sunt decem principia, i. e. decem communia praedicabitia de aliis conlenlis
sub se, non pro se, sed pro aliis.
867) Ebend. Praedicam. Cap. 7: Praedicamenta sunt distincta, non tamen consimililer
distinguuntur res significatae per ipsa, sed eadem res, satlem aliqua, significatur
per diversa praedicamenta, quamvis non eodem modo.
24*
372 XIX. üccam (Begriff).
(d. h. eigentlich, wie wir oft genug sahen, arabischen) Ausicht die Kate
gorien als incomplexa Nichts weiteres, als die einfachen Grundlagen und
Bestandtheile der Urtheile seien *8*).
Die Zehnzahl der Kategorien molivirt Oceam in seinem Couipendium
völlig nach der allgemein üblichen Weise sua); aber an emem anderen
Orte erhebt er sich zu der wahrhaft merkwürdigen liöhe der einzig rich
ligen Auffassung, dass es in objectiver Hinsicht überhaupt nur drei Kate
gorien gebe, nemlich Substanz, qualitalive Beslimmtheit und Uelalion s7v).
Ja auch in der Einzeln-Erörterung der Kategorien , welche im Uebrigen
Nichts bemerkenswerthes enthält, blickt hauptsächlich im Compendiuui die
ser grundsätzliche Gedanke überall insoferne durch, als Occam stets nach
zuweisen sucht, dass für die Philosophie im Sinne des Aristoteles, d. h.
abgesehen von den Interessen der christlichen Dogmalik, keine der übri
gen neun Kategorien eine selbstständige von der Substanz unterschiedene
Sache sei, sondern jede derselben nur den Wortausdruck einer Inhärenz
enthalte871). Mit erklärlicher Vorliebe stützt er einzelne Begründungen
868) Summa /. log. l, 41, f. 13 r. B : Ponuntur aulem ab omnibus auctoribus
decem praedicamenta ; sed in modo ponendi, ut nübi videtur, mulli moderni discordant
ab antiquis ; nam mulli ponunt, quod in praedicamento sunt multa ordinata secundum
superius et inlerius ; undc, ut talem praedicaliouem habeant de adverbiis, fingunt
nomina abslracta, sicut de „quando", quod est adverbium, fmgunt tale abstractum
„quandeitas", de „nl'i" „ubeitas" et sie de aliis. Sed antiqui non posueruut talem
ordinem in quolibet praedicomento, et ideo hoc nomine „praedicamentum" el simitiler
talibus nominibus „genus, species" et consimitibus ,minus iorge ulebantur , quam
faciunt mulli moderni, unde ipsi dicentes , semper superius praedicari de tnleriori,
exlendebant praedicari ad verba, extendebant eliam praedicalionetu ad praedicalionem
adverbiorum et proposilionum Intenlio antiquorum mihi videtur ralionabitior
(v. A) Secundum inlenlionem antiquorum existenlia in praedicamenlis
non sunt nisi quaedam incomplexa , ex quibus affirmalio et negalio natae sunt
conslitui.
869) EbeDd. f. 13 v. A: Sumitur aulem dislinclio itlorum praedicamentorum . . . .
distinclione inlerrogalionum de substanlia sive de indiriduo substantiae (B) MM
aulem incomplexa non sunt in alitiuo praedicamento, propler quod coniunctiones et
sgncalegoreumata in nullo praedicamento reponuntur; per talia enim ad nuliom quaeslionem
respondetur. Vgl. Quodl. V, qu. 22.
870) Sent. l, Dist. 8, qu. 2 D : Quaedam sunt genera, quae significant res simpliciter
et absotule sine omni connotalione ; et si ita essel , passet dici , quod sunt
tantum tria genera generalissima, sc. substanlia, qualitas et respectus Alio modo
dicitur genus omne praedieabite primo modo dicendi per se et in abstracto de alio,
isto modo possunt dici dccem genera generalissima. Dass ich meinerseits jene Drei
zahl der Kategorien unbedingt für die einzig mögliche phitosophische Constraclion
der aristolelischen Kalegorien halle, gioube ich im I. Bande genügend dargelegt zu
haben; und auch die Bemerkungen, welch» Fr. Brentano (Von der mannigfachen
Bedeutung des Seienden nach Aristoleles. Freiburg 1862. S. 74 u. 183) dagegen
richtele, schienen mir nicht geeignet, meine Ansicht nmzustossen.
871) So z. B. bezüglich der Quanlität Summa t. log. l, 44, f. 15 v. A: Est
alia opinio, quae mild videtur de mente Aristolelis, sive sit haerelica sive catholica,
quam volo nunc recitare, quamvis nolim asserere; et ideo, quia istam opinionem
posui, quando seripsi super phitosophiam , non seripsi eam tanquam meum, sed tanquam
Aristolelis exposilioni magis consonam, ul mihi videtur, et eodem modo sine
asserlione nunc recitabo eam. Est igitur itio opinio, quam mulli i'atholici ponunt et
theologi lenent et lenuerunt , quod nulio quantitas est realiler dislincta a substanlia
et qualitale, sive tales propositiones „substanlia est quanlitas" vel „quantitas est
qualitas"' sint concedendae sive non. Oder betreffs der Kategorie des Wann ebend.
c. 59, f. 20 r. B : Secundum viam Aristolelis , ut mihi videtur, huc praedicamentum
XIX. Occam (Begriff). 373
auf die Lehre von der Supposilion 872); den Gilhertus Porretanus aber
betreffs der sechs letzten Kategorien beizuziehen , hält auch Occam (wie
Scotus, ob. Anm. 176) mit Recht für unnöthig 873).
Den letzten Abschnitt des ersten Haupttheiles bildet hierauf die aus
führliche Lehre von der supposilio, welche hier gewissermaassen als
ein Mittelglied zwischen Begriff und Urtheil erscheint, insoferne sie eine
proprietas terminorum ist, welche dem terminus eben nur in der Satz
verbindung zukommt874). Die ganze Darstellung aber beruht sichtlich
auf einem längeren Betriebe und einer manigfachen Umarbeitung des by
zanlinischen Stoffes (s. z. B. unten Anm. 922), und wahrscheinlich müs
sen wir diesem Umstande es auch zuschreiben j dass hier die übrigen
proprietales terminorum, mit Einschluss der Exponibilia erst bei der
Lehre vom Urtheile zur Sprache kommen und mit derselben innig ver
woben werden (s. unten Anm. 906 ff.); denn dass diese Gruppirung des
Stoffes erst von Occam selbst ersonnen sei, möchte ich bezweifeln. Nur
die appellatio (vgl. Abschn. XVII, Anm. 64, 129, 228 u. 601) will Occam
nicht als ein Gegenstück der Supposilion (wie bei Petrus Hispanus) gel
ten lassen , sondern dieselbe derarlig in die letztere verflochten wissen,
dass sowohl die Subjects- als auch die Prädicats-Begriffe dieser „Suppo
silion im weiteren Sinne" anheimfallen 875). An die genauer formulirte
Definilion der Supposilion reiht sich die besondere Warnung , dass die
wahrhaft sachgemässe Aussagbarkeit in keiner Weise verletzt werde876).
„quando" non importal aliquam rem dislinctam a substanlia et qualitnle, sed importat
itios easdem res , quamvis non nominaliler, sed adrerbialiler tantum. Auch
führt Occam überall sowohl für diese aristatelische als auch für die gegnerische
Auffassung die Molive und ebenso die Folgerungen an; insoferne aber dabei auch
theologische Fragen mitspielen und insbesondere bei der Kategorie der Reiolion
das Trinitäts-Gezänke hereinragt („filialio und „palernitas", womit sich auch Occam
abquält), so mögen all diese Dinge ohne Neid den Theologen überlassen bleiben,
welche für ihr eigentbümliches Gebiet auch in anderen Schriften Occams Manches
über Quanlität (üuocH. IV, qu. 30 u. 32), über Reiolion (ebend. qu. 16 u. 22 f. und
VII, qu. 5), über die sechs letzten Kalegorien (ebend. VII, qu. 9 — 12) und deren
Verhältniss zur Reiolion (Sent. I, Dist. 30, qu. 2 u. 3) benützen könnten.
872) Z. B. Expos, aur. Praedicam. Cap. 12: Hoc nomen „ad aliquid" vel „reiolivum"
si praecise supponeret personaliler et pro rebus et non pro signis rerum,
baec esset falsa „Hoc nomen scienlia est retalio"; sed supponit praecise pro
nominibus ipsis vel signis rerum. Vgl. ebend. c. 17.
873) Summa t. log. I, 57 ff. Auch in der Exposilio aurea verzichtet er auf
diese Ergänzung.
874) Summa f. log. I, 63, f. 20 v. B : Dicto de signi/icalione lerminorum restat
dicere de supposilionc , quae est proprietas conveniens lermino, sed nunquam nisi in
proposilione.
875) Ebend.: Supposilio aecipitur dupliciter, se. iorge et strivle. Large accepta
non dislinguitur contra appeltalionem, sed appeliolio est unum conlentum sub supposilione;
aliler accipitur stricle, secundum quod dislinguitur contra appeliolionem; sed
sie non intendo hqui de supposilione, sed primo modo; et sie tam subiectum quam
praedicatum supponit.
876) Ebend.: Dicitur aulem supposilio, i. e. pro aliis posilio, ita quod, quando
lerminus in propositione stat pro aliquo, ulimur itlo lermino pro itlo, sc. de quo
sive pronomine demonstranle ipsum itle lerminus vel rectus Ulms lermini, si sit
obliquus, verificatur (f. 21 r. A) Est aulem una reguio generalis, quod nun
quam lerminus in propositione , sallem quando significalive accipitur, supponit pro
aliquo nisi de quo praedicatur vere ; ex quo sequitur, quod falsum est, quod aliqui
ignoranles dicunt, quod coneretum a parle praedicali supponil pro forma, sc. quod
374 XIX. Occam (Begriff.
In der Eintheilung der Snpposilion schliesst sich Occam völlig an die jün
gere Formalion der byzanlinischen Logik an (s. Abschn. XVII, Anm. 596) ;
nur die (Jnterabtheilung der supposüio confusa erscheint bei ihm in
jener nemlichen Weise, welche wir bei Shyreswood trafen (s. ebend.
Anm. 61); auch ist in dem Wortlaute der Definilionen der drei obersten
Hauptarten der Einfluss jener zahlreichen Erörterungen ersichtlich, welche
über significatum (supposüio personalis), über intentio (supp. simplex)
und über vox (svpp. materiaiis) üblich und nothwendig geworden
waren877). Während aber aus diesen Defmilionen folgt, dass jeder Be
griff in jedem Urtheile zur supposüio personalis befähigt sein kann, hin
gegen supposüio simplex und malerialis nur unter gewissen regelmässigen
Bedingungen statthaft sind878), knüpfen sich hieran äusserst scrupulöse
Controversen über die Art der Supposilions-Fähigkeit in einigen tradilio
nellen Beispielen, zu deren Lösung Occam auch die den späteren Autoren
(s. Abschn. XVII, Amn. 605) angehörende Unterscheidung zwischen exercüum
und signatum verwendet 879).
in itta „Soerales est ajbus" litlera „albus" supponit pro albedine, nam haec est simpliciler
falsa „albedo est alba". Die metaphorische Supposilion s. unlen Anm. 891.
877) C. 64, f. 21 r. A : Supposilio prima dividitur in supposilionem simplicem,
personalem et malerialem. Supposilio personalis universaliter est itio, quando ler
minus supponit pro suo significato, sive ittud significatum sit res extra animam sive
vox sive inlentio animae sive seriptum sive quodcunque aliud imaginabite, ita quod,
quandocunque subiectum sive praedicatum proposilionis supponit pro suo signi/icato
(vgl. Anm. 781), ita quod significalive lenetur, semper est suppositio personalis
SM/i;lo.M'f/() simplex est, quando lerminus supponit pro inlentione animae, »ed non
lenetur significalive, e. g. „homo est species" Ex hoc palet falsitas opinionis
communiter dicentium, quod supposilio simplex est, quando lerminus supponit pro
suo significato, quia intentio animae proprie non est significatum tsrmini, quiu
talis lerminus significat veras res et non inlenliones animae. Suppositio maleriaiis
est, quando lerminus non supponil significalive, sed supponit vel pro voce vel pro
seriplo, sieut „Aomo est nomen".
878) C. 65, f. 21 r. B: Terminus in quacunque propositione ponatur, polefst hahere
supposilionem personalem, nisi ex rotuntale ulenlium arctetur ad aliam, sicut ler
minus aequivocus in quacunque proposilione polest supponere pro quolibel significalo,
nisi arctetur ex votuutale ulentium ad significatum certum. Sed lerminus non in
omni proposilione polest haberv suppositionem simplicem vel malerialem, sed tunc
tantum, quando talis lerminus comparatur alleri extremo, quod respicil intentionem
animae vel vocem vel seriptum ...... Polest ergo reguio ista dari, quod quando ler
minus polens habere istam triplicem suppositionem comparatur extremo communi vocibus
proiolis sive seriplis, tunc propositio, in qua ponitur, est distinguenda, eo quod
talis lerminus polest habere suppositionem personalem vel malerialem; quando vero
comparatur extremo significanti intentionem animae, est dislingnenda , eo quod polest
habere supposilionem personalem vel simplicem; quando vero comparatur extremo
communi omnibus praedictis, tunc est distinguenda, eo quod polest habere suppositio
nem personalem, simplicem vel malerialem.
879) C. 66, f. 21 v. A : Sed contra praedicta polest obiici mullipliciler. Primo
sie: haec <»f vera „Homo est dignissima ereaturarum" (s. Abschn. XVII, Anm. 206);
quaero, quam supposilionem habeal iittera „homo"; non personalem, quia quaelibel
singuioris est falsa (d. h. es gibt hier keinen descensus ad singuioria , s. ebend.
u. ausführlicher im byzanlinischen Originale Abschn. XV, Anm. 73); ergo habet
simplicem; sed si supposilio simplex essel pro intentione animae, itio esset falsa, quia
inlenlio non est dignissima ereaturarum PraeHrea: Haec est vera „Color est
primum obiectum visus", et quaelibel singuioris est falsa, ergo habet simplicem sappositionem;
sed si supponeret pro animae inlenlione, itio esset faisa Praelerea:
Vox non praedicatur de voce nec inlenlio de inlentione Ad primum istorum
XIX. Occam (Begriff). 375
Die Einzeln-Erörterung beginnt mit der supp. materialis , welche
folgerichlig auch auf ganze Sätze ausgedehnt, aher mit tmnöthiger Spitz
fmdigkeit in zwei Arten unterschieden wird880); sodann folgt in glei
cher Tragweite supp. «mpfe881), und hierauf supp. personalis, welche
einer ausführlicheren Besprechung unterworfen wird. Nemlich vorerst
scheidet Occam von dieser Supposilion alle Syncategoreumata und alle
Verba aus und weist darauf hin , dass zusammengesetzte Subjecte oder
Prädicate nicht in ihre Bestandtheile aufgelöst werden dürfen 882). Nach
dem er sodann durch Defmilionen die Eintheilung in discreta und com
munis, welch letztere in determinata und confusa, und deren letztere
abermals in confusa tantum und confusa et distributwa zerfällt, festge
stellt hat883), erörtert er mit Uebergehuug der discreta diese einzelnen
dicendum, quod opinio dicentium, quod in ilin „Homo est dignissima ereaturarum" subiectum
habet supposilionem simplicem, est falsa; imo habet tantum suppositionem per
sonalem Ad secundum dicendum est, quod omnes tales „Color est primum
obicctum visus" et ceterae tales multae sunt simpliciter falsae de virtule sermonis,
tamen Mae, quas inlendebal phitosophus per eas, sunt verae Phitosophus et
mull, alia accipiunt frequenler actum exereitum pro actu signato et e converso.
Est aulem actus exereitus , qui importatur per hoc verbum „esl" vel aliud
huiusmodi; actus aulem signatus est itle, qui per hoc verbum „praedicari" importatur
vel per hoc verbum „subiici" vel „verificari" vel „compelere" vel aliquod
huiusmodi (es folgt sodann die schon oben, Anm. 796, angeführte Stelle über
supposilio simplex) Ad lerlium dicendum est, quod vox praedicatur de voce et
intenlio de intenlione, non tamen pro se, sed pro re (s. Anm. 788 f.) Si aulem
adtn,f obiiciatur, quod haec est vera ,,Piper venditur hie et Romoe", et tamen nulio
singuioris est vera, nisi secundum quod supponil simpliciter et non pro inlenlione
animae, dicendum est, quod nultus vult enlere ittud commune piper,
sed quitibet inlendit emere rem singuiorem (s. Anm. 798 u. 885).
880) C. 67, f. 22 r. A : De supposilione, maleriali sciendum est, quod
cuitibet, quod polest esse pars proposilionis, compelere polest; omne enim tale polest
esse extremum proposilionis et pro voce vel pro seriplo supponere. Et de nominibus
quidem manifestum est; .... hoc eliam idem palel de adverbiis, verbis, pronominibus,
ooniunclionibus , praepositionibus et interieclionibus, sicul ,,1'cm' est adverbium"; ....
simititer aulem proposiliones et oraliones talem supposilionem habere possunt , quod
palet in istis „Homo est animal'' est propositio vera Polest aulem dividi
suppositio malerialis, quia quaedam est, quando vox vel seriptum supponit pro se,
sicut „Homo est nomen"; quandoque aulem vox vel seriptum vel conceptus non
supponit pro se, sed pro voce vel seripto, quam tamen vocem vel seriptum non significat,
sicut . . . „Animal praedicatur de homine".
881) C. 68 ebd.: Sicut aulem cuitibel complexo polest compelere supposilio
malerialis, ita cuitibel complexo vel incomplexo significalivo vel consignificalivo polest
compelere supposilio simplex.
882) C. 69 ebd. : Nunc accedendum est ad supposilionem personalem, cirea quam
sciendum est, quod calegorema sotum, quod est extremum propositionis, significalive
sumptum supponit personaliler. Per primum exeluduntur omnia sgncalegoremata
Per secundum exctuditur omne verbum, quia nunquam verbum polest esse extremum
propositionis, quando accipitur significalive Per lerlium exeluditur pars extremi,
quantumeunque sit nomen et calegorema, sicul hie „Homo albus est animol" nec litlera
,,fio»,o" supponit nec litlera „albus", sed totum extremum]. ... Per quartum exctuduntur
calegoremata talia, quando supponunt simpliciler vel malerialiler.
883) C. 70, f. 22 r. B : Suppositio aulem personalis polest dividi primo in suppo
sitionem diseretam et communem. Supposilio disereta est, in qua supponit nomen
proprium alicuius vel pronomen demonstralivum significalive sumptum, et talis suppolilio
reddit proposilionem singuiorem .... Supposilio personalis communis est, quando
lerminus communis supponit; dividitur in supposilionem confusam et delerminatam.
Supposilio determinata est, quando contingil descendere per aliquam disiunclivam
376 XIX. Occam (Begriff).
Arten, insoweit bei denselben keine „relaliven" Begriffe verwendet wer
den (dieselben folgen weiter unten, s. Anm. 890) ; und zwar beschränkt
er die supp. determinata auf jene Urtheile, welche weder ein distribuirendes
Zeichen der Allgemeinheit noch eine Negalion enthalten884); da
bei aber erhebt er bezüglich einiger Beispiele wieder haarspaltende Be
denken, indem er z. B. bei Sätzen, welche sich um den jurislischen Be
griff der Stipulalion drehen (vgl. ob. Anm. 798), betreffs der Supposilion
einen wesentlichen Unterschied zwischen „Equus tibi promülitur" und
„Promüto libi equum" herausgrübelt , oder z. B. in Bezug auf die Supposilions-
Fähigkeit der abstracten Worte und der ihnen entsprechenden
concreten Ausdrücke, welch beide zuweilen wirklich synonym sein kön
nen (s. ob. Anm. 826 ff.), sieh auf den Unterschied der Bezeichnung stützt,
je nachdem durch dieselbe das Ding selbst oder eine intentio getroffen
wird 885). Die hierauf folgende supp. confusa tantum ist ihm nur durch
ad singuioria Supposilio personalis confusa est supposilio personal» lermini
communis, quae non est delerminal a ; et itio dividitur, quia quaedam est supposilio
confusa tantum et quaedam est confusa et distribuliva. Suppositio confusa tantum
est, quando lerminus communis supponit personaliter et non conlingit descendere ad
singuioria per disiunclivam nulio varialione facto a parte allerius extremi, sed per
proposilionem de disiuncto extremo, et contingit eam inferri ex quacunque singuiori.
Supposilio confusa et distribuliva est, quando conlingit aliquo modo descendere
copuiolive , si lerminus communis habeal multa conlenta et ex nullo uno formaliler
infertur.
884) C. 71, f. 22 v. A: Islis visis videndum est, quando est, quod lerminus habet
mann supposilionem personalem et quando aliam ; et primo videndum est de lerminis
non reiolivis, secundo de reiolivis (vgl. Abschn. XVII, Anm. 202) Est ergo
primo sciendum , quod, quando in proposilione calegorica nultum signum universale
distribuens lolum extremum propositionir additur lermino communi nec mediale nec
immediale, i. e. nec a parte eiusdem extremi nec ex parte extremi praccedentis , nec
negalio praecedit nec aliqua diclio inctudens aequivalenler negalionem , semper talis
lerminus supponit delerminale.
885) C. 72, f. 22 v. B : Cirea praedicta polest dubitari primo, qualiler supponit
litlera „Aomo" in ista „Soerales fuit Aomo", posito quod Soerales non sit Se
cundo est dubium de islis „Homo albus est Aomo", posito quod nultus sit albus
Tertio, qualiler subiectum supponit in talibus „Equus libi promitlitur"
Simititer quarta dubitalio est de talibus „Ille privatur visu" Quinta est, qualem
supposilionem habet praedicatum in itio „Genus et species sunt substantiae"
Sexta est de istis „Ar U:/ est res extra animam" Seplima est de islis „Ille bis
fuit albus" Ad primum Merum dicendum est, quod in omnibus talibus termini
supponunt personaliler, pro quo est notandum, quod tunc lerminus supponit personaliter,
quando pro significalis suis, quae sunt, vel pro Ais, quae fuerunt significata vel
erunt vel possunt esse, supponit (diess fällt eigentlich der Lehre von der amplialio
anheim, s. Abschn. XVII, Anm. 225) (f. 23 r. A) Ad secundum dubium dicendum
est, quod de virtule sermonis concedendum est, si nultus Aomo est albus , quod
subiecta pro nullo supponunt, et tamen sumuntur significalive Ad lertium di
cendum est , quod tales proposiliones „Equus libi promitlitur" et simites de virtule
sermonis sunt falsae, quia quaelibel singutaris est falsa et non conlingit descen
dere ad singuioria disiunctive, sed tantum per disiunctum praedicatum (B) Stricle
loquendo de virtute sermonis litlera ,,equus" non supponit confuse tantum, quia non
supponit, cum sit pars extremi; quia in itio „Equus libi promitlitur" litlera
„equus" est subiectum, et non est pars subiecli, et ideo oporlet, quod supponal de
lerminale, cum neque signum nec negalio nec aliquid inctudens tale praecedat, et
ideo oporlet, quod contingal descendere ad singuioria disiunclive. Sed in itta „Pro
mitle libi equum" litlera „equum" non est extremum, sed est pars extremi, quia ittud
lolum est praedicatum „promitlens libi equum", quia ittae aequivalent „Promitlo libi
XIX. Occam (Begriff). 377
die Stellung des Zeichens der Allgemeinheit bedingt, so dass hier der
Sprachgebrauch eine entscheidendere Rolle spielt, als die logisch begriff
liche Bedeutung der Satztheile 8s6). Bei der supp. confusa et distributiva
holt er erst hier die Eintheilung derselben in mobilis und immobilis
nach (s. Absclm. XVII, Anm. 61), und verlegt die erstere in jene allge
meinen Urtheile, sowohl bejahende als auch verneinende , welche weder
Excepliv- noch Exclusiv-Sätze sind noch auch durch die Stellung der Ne
galion ein Hinderniss enthalten , und um des negaliven Gehaltes willen
zieht er auch die Ausdrücke „differt, alivd" zu dieser Art der Supposilion
bei887); die letztere aber, d. h. die immobilis, wird auf die Subequum"
et „Ego sum promitlens libi equum", ...... et ita non oporlet, quod supponat
delerminatc Ad quartum dicendum esf , quod in talibus „Ilie privatur
»,s«" litlera „visu", quod est pars extremi, non proprie supponit; supponit
,-iiin, confuse et distribulive aliquo modo et aliquo delerminale , sc. pro itlis , quae
aliquando fuerunt, quia aequivalel isti „Ille null nm visum habet et aptus natus est
habere visum" (v. A) Ad quintum dicendum est, quod de virtule sermonis haec
est falsa „Genera et species sunt substanliae" et tunc litlera „substanliae" supponit
personaliter et delerminale , quia hoc nomen „substanlia" non imponitur ad significandum
intenliones animae , sed veras substanlias (s. Anm. 774) Ad sextum
dicendum est, quod diversi diversimode utuntur talibus abstractis: nsm aliquando
utuntur eis pro rebus, aliquando pro nominibus ; si prinio modo, debet dici, quod
supponunt pro itlis, pro quibus supponunt sua conereta Proprie loquendo talia
conereta et abstracta, si abstracta imponantur ad significandum praecise res , sunt
nomina sgnongma (B) Alii aulem dicunt, quod omnia talia nomina abstracta
significant reioliones ralionis et pro itlis supponunt. (Auch anderwärts kommt Occam
auf diese Unterscheidung zu sprechen, nemlich Expos, aur. Praedicam. Cap. 17:
Est rrguio logicorum, quod lerminus secundae , — d. h. ein Abstractnm wie z. B.
caecitas — , si supponit personaliter, supponit pro lerminis , quorum est naturale
signum vel ad ptacitum inslitutum, si supponit pro se ipso Si supponit simpliciler
, supponit pro inlenlione , cui subordinatur in significando.) Ad seplimum
dubium dicendum est, quod in itta .,Soerales bis fuit albus" ponitur una diclio aequivalenter
inctudens negalionem, rc primo fuit albus et aliquo tempore post non
erat albus et poslea fuit albus, et ideo nec subiectum nee praedicatum supponit
determinale.
886) C. 73, f. 23 v. B : Videndum est de suppositione confusa tantum, cirea
quam diversae reguioe dantur. Una est: Quando lerminus communis sequitur signum
universale affirmalivum mediale, tunc stat confuse tantum , i. e. semper in unirersali
affirmalivu praedicatum stal confuse tantum ; sed quantumeunque signum uni
versale ponitur a parle subiecti, si tamen proposilio non sit universalis affirmaliva
nec signum universale distribuit tolum subiectum , praerticatum non supponit confuse
tantum Alia reguta datur, qunndo signum universale vel ineludens aequivalenter
signum universale praecedit lerminum a parle eiusdem extremi, ita tamen, quod non
delerminat tolum praecedens coputam, facit ittud , quod sequitur a parle eiusdem,
stare confuse tantum Sed utrum ittud sit tenendum de virtule sermonis vel non,
non enro ; tamen secundum usum loquenlium, propler quem multum valet talia scire,
oportet sie dicere (f. 24 r. A) Terlia reguio polest dari, quod semper subiectum
exctusive affirmalive supponit confuse tantum.
887) C. 74, f. 24 r. A: Cirea supposilionem confusam et distribulivam dantur
regutae diversae, et primo de suppositione confusa et distribuliva mobiti: quarum
primn est, quod in omni proposilione universali affirmaliva et negaliva, quae non est
errtusira nec excepliva, stat subiectum confuse et distribulive mobititer Secunda
est. quod in omni tali universali negaliva praedicatum, si sit distribulive non impeditum,
stat confuse et distribulive. Terlia est, quod, quando negalio delerminans
compositionem principalem praecedit praedicatum, stat confuse et distribulive
Quarta reguta est: ittud, quod sequitur immediale hoc verbum „dilferl" vel hoc verbum
„dislinguitur" vel parlicipia eis correspondenlia vel hoc nomen „aliud" vel ei
378 XIX. Occam (Begriff).
jecte der Exceptiv-Sätze beschränkt, und zwar nur für den Fall, dass
diese Supposition nicht als eine absoluta , sondern als eine limitata zu
nehmen ist sss). Doch drangen sich ihm auch hiebei wieder spitzfindige
Zweifel über die Supposilion der Prädicate auf, falls in einem Urtheile
die Worte „bis" oder „incipü, desinü" vorkommen (s. Abschu. XVII,
Anm. 254 u. 263), und er findet, dass hier eine eigene Art der Supposition
obwalte, welche keinen technischen Namen habe und nur theilweise
mit der confusa tantum verwandt sei, was er jedoch an einer anderen
Stelle durch eine anderweilige Dislinclion wieder sehr modificirt 889).
Indem sodann die Supposition der relaliven Begriffe folgt (vgl. Abschn.
XVII, Anm. 212—220), gibt er kur/, die Eintheilung und die charakteriaequivalens,
stal confuse et distribulive (s. Abschn. XVII , Anm. 266) Est igitur
universaliter dicendum, quod, quidquid facit lerminum stare confuse et distribu
live, est signum universale vel negalio vel aliquid ucquivalens negalioni.
888) l'! l"' ml. f. 24 r. B: Cirea suppositionem confusam et distritnilirum immobi
lem est sciendum, quod semper subiectum fafcm suppositionem habet in propo silione
excepliva. Hiezu II, 18, f. 31 r. B: Distinguendum est de suppositione con/usa et
distribuliva, quia quaedam est absotuta, sc. quando lerminus distribuitur pro quolibel
suo conlento , ita quod non ptus pro uno , quam pro allero ; et talem supposilionem
confusam et distribulivam non habet lerminus sive subiectum in propositione excepliva.
Alia est limitata et articutata, quando sc. lerminus pro aliquo contento distribuitur,
et hoc non accidit nisi quando itio proposilio calegorica aequivalel uni copuiolivae
compositae ex una affirmalica et alia negaliva, sicul accidit in propositione excepliva.
Si autem itio excepliva fuerit negaliva , tunc tam subiectum quam praedicatum supponunt
confuse et distribulive, sed limitale. S. unlen Anm. 935.
889) l, 75, f. 24 r. B: Polest aulem dubitari de talibus „Soerates desinil
esse albus, Soerales bis fuit Romae, Soerales incipit esse gramn,alicus" et huiusmodi,
quomodo praedicata in eis supponunt; quia enim non supponunt delerminale , palet,
quia non contingit descendere per disiunctieam Polest dii:i, quod lermimts praedicatus
in talibus proposilionibus vel eliam ittud , quod sequitur verbum adteclivum
vel substanlivum , non habct suppositionem ncc delerminatam ncc confusam et distribulivam,
sed unam aliam, pro qua tamen nomen non habemus Ilio suppositio
convenit cum confusa tantum, quia, sicul quando lerminus supponit confuse tantum,
a quolibel pronomine demonstrante aliquid singuiore contentum sub subiecto ad termi
num communem contingit adscendere, sie contingit in proposito; differt autem a
suppositione confusa tantum, quia non contingit descendere ad disiunctum ex nominibus
propriis tantum itlorum, pro quibus lerminus communis supponit; non enim se
quitur „Soerales incipit esse grammalicus, ergo Soerales incipit esse itle vel itle" demonstrando
omnes grammalicos. Jedoch II, 19, f. 31 v. B lesen wir: Difficultas est
de suppositione praedicali (d. h. bei incipit und äesinit) ; el est sciendum, quod prae
dicatum in tali propositione universali affirmaliva supponit confuse tantum;
stmulier eliam in universali negaliva stal confuse el distribulive; sed in propositione
non universali stat delerminale. Verumtamen suppositio delerminata el confusa
el distribuliva duplex est. Una est, quando conlingit descendere ad itio , pro quibus
lerminus supponit vel supponere polest, per pronomina demonstraliva, sicul in ista
„Homo curril" litlera „homo" supponit pro hoc homine el pro itlo, et sequitur
bene „Homo currit, itfitur boc currit'' demonstralo itlo homine et „ittud currit" demonstrato
alio Aliquando aulem contingit descendere per pronomina
demonstraliva simul sumpta cum Mo communi, sub quo debei esse descensus. Prima
modo non supponit praedicatum delerminale; non enim seqnitur „Soerales incipit esse
albus, igitur incipit esse hoc vel hoc" quocunque demonstralo Secundo modo prae
dicatum supponit delerminale; nam bene sequitur „Soerales incipit esse albus, ergo
incipit esse hoc album vel itlud album" Et si dicatur, quod „hoc album et hoc"
demoustrando idem convertuntur , igitur ab uno ad reliquum est bona consequentia,
dicendum est, quod haec reguio, quod ab uno convertibiti ad reliquum est bona con
sequentia, habet multas instanlias. S. unten Anm. 938.
XIX. Oceam (Begriff, Unheil). 379
slischen Merkmale derselben an ; es handelt sich nemlich zuerst um die
retativa subslantiae, welche entweder identitalis oder diversüvtis sein
können, deren erstere entweder non reciproca oder reciproca sind, und
sodann um die relaliva accidentis 890). Endlich noch wirft er, wie
auch schon Andere gethan hatten (s. Abschn. XVII, Anm. 596), einen Blick
auf die „uneigentliche" Supposition, welche auf Metapher und Synekdoche
oder Antonymie oder dgl. beruhe und bei krilischer Lectiire der Autoren
häufig beachtet werden müsse 891).
Den zweiten Haupttheil nimmt die Lehre vom Urtheile ein, deren
wesentliche Gliederung Orcam darin erblickt, dass zuerst über die ver
schiedenen Eintheilungen des Unheiles , hierauf über die Wahrheit der
sämmtlichen Arten desselben, und zuletzt über die Umkehrung derselben
gehandelt werden soll 892). Dabei aber müssen wir von vorneherein
als höchst beachtenswerth hervorheben , dass Occam , während er in der
Exposiiio aurea eine sorgfällige und getreue Worterklärung des aristote
lischen Buches darbietet, hier in seinem ausführlichen Compendium die
Lehre des Aristoteles völlig bei Seite schiebt und die ganze Darstellung
des Unheiles durch das Material der byzanlinischen Logik absorbiren
lässt Diese letztere hatte sich sonach allmälig zu einer derarligen Gel
tung emporgerungen, dass man die üblichen Haupt-Themata der aristoteli
schen Tradilion, wie z. B. die conträre und contradictorische Entgegen
setzung, nun für unwichlig bezüglich der Lehre vom Urtheile halten und
890) I, 76, f. 24 v. A: Videndum est de suppositione reiolivorum, non aecipiendo
retalivum itlo modo, qun logicus accipit, sed quo grammalicus, quod reiolivum
est rei ante tatae recordalivum Quoddam vocatur reiolivum substantiac et quoddam
accidenlis; reiolivum substantiae vocatur „is, itle, «lem" (das Pronomen „qui",
welches nach üblicher Tradilion hicher gerechnet wurde, hehandell Occam bei den
connolaliven Begriffen, s. Anm. 922); retalivum accidenlis .Jnlis, föf" el huiusmodi.
Reiolivorum substanliae quaedam sunt identitalis, quaedam diversitalis ; reiolivorum
identilalis quaedam sunt reciproca, quaedam non reciproca. Non reciproca
semper supponunt pro itlo, pro quo supponunt sua anlecedentia ; ... . sicul
,,Soerales currit et itle disputal" .' unde sciendum, quod tale reiolivum nunquan,
debel poni in eadem calegorica cum suo anlecedente Cirea reioliva idenlitalis
reciproca est sciendum, quod d,fferunt in hoc ab aliis, quia possunt poni in eadem
calegorica cum suo anlecedente et in alia, sicul palet de istis „se, suum", nam bene
dicitur ,,Soerales videt se" Semper tale retalivum habel talem suppositionem
el supponit pro eis, pro quibus supponit suum anlecedens (B) Cirea reiolivum
diversitalis est sciendum, quod dicitur ideo, quia non verificatur pro eudem, pro quo
suum anlecedens, sicul „Allerum itlorum est verum et reliquum falsum" litlera
,,reliquum" verifivatur pro Mo, pro quo non verificatur hoc anlecedens „allerum"
Cirea reioliva accidentium est sciendum, quod tale retalivum non supponit nee
verificatur pro itlo, pro quo suum anlecedens supponit, sed pro aliquo simiti vel
aequali, sicul „Soerales est albus et talis est Pioto".
891) C. 77, f. 24 v. B: Oportct aulem cognoscere, quod, sicul est suppositio propria,
sc. quando lerminus supponit praecise pro eo, quod significal proprie, ita sup
posilio impropria est, quando lerminus accipitur improprie. Mulliplex aulem est supposilio
impropria, sc. antonomalica, alia est sgncedochica, ulin est metapliorica
Multum ulile est, cognoscere, quando lerminus accipitur proprle,
quia vix invenitur aliquod vocabutum, .quin in diversis libris sanctorum el phitosophorum
aequivoce accipiatur.
892) II, l, f. 25 r. A: Poslquam dicta sunt aliqua de lerminis, nunc dicendum
est de proposilionibus ; et primo ponendae sunt aliquae dirisiones, secundo videndum
est de veritale proposilionum , quid requiritur et sufficit , lertio de conversione propositionum.
380 XIX. Occam (Urtheil).
dafiir die byzanlinischen proprielales terminorum mit Einschluss der Exponibilia
zum eigentlichen Gegenstande der Erörterungen über das Urtheil
machen konnte ; dass man statt dessen all jene Dinge in die Lehre von
Consequentia hineinschob, wird sich unten zeigen, s. Anm. 1029. Für
Occam liegt hierin allerdings nach Allem, was wir im Obigen sahen, eine
strenge Folgerichligkeit; denn sowie er iiherhaupl (auch in den Parteikontroversen)
grundsätzlich vom terminus und von der Supposilions-
Fähigkeit desselben ausgegangen war, so ist ihm auch bei allen Punkten,
welche betrefl's des Urlheiles in Frage kommen , zuletzt die Supposilion
der entscheidende Grund-Ton, so dass er alles Uehrige anderwärts unter
bringen muss, — ein Verhilltniss, von welchem wir uns alsbald bei
jedem Schritte überzeugen werden. Nur hat die Supposilion, wie er
anderwärts ausdrücklich hervorhebt, hier im Urtheile eine andere Funclion,
als bei den Kategorien (vgl. ob. Anm. 866), indem bezüglich der Satzver
bindung die Worte nicht so fast für die Dinge supponiren, sondern über
wiegend für Worte, d. h. insoferne aus denselben als Worten Wahrheit
oder Falschheit hervorgeht s93).
Unter den Eintheilungen der Urtheile führt Occam zuerst die Schei
dung in kategorisches und hypothelisches Urtheil an, bei welch letzterem
er aus der jüngeren byzanlinischen Tradilion (s. Abschn. XVII, Anm. 583 f.)
die Vermehrung der Unterarten desselben, jedoch mit Ausnahme der propositio
localis , aufnimmt894). Hierauf lässt er die Eintheilung in Inhärenz-
und modale Urtheile folgen , und bei letzteren schliesst er sich
gleichfalls beifällig an jene spätere Vermehrung der modalen Ausdrücke
an (s. ebcnd. Anm. 588), ja er fügt noch aus dem Umkreise seiner eige
nen beliebten Dislinclionen die Begiifle conceptum, prolatum, scriptum
hinzu, indem er überhaupt meint, dass Aristoteles nur um der Kürze
willen sich auf vier Formen der Modalität beschränkt habe 895). Die
gleiche Einwirkung der damaligen jüngeren Litteratur (s. ebend. Anm. 604,
und bei Scotus, ob. Anm. 186) zeigt sich auch in der hiernach folgenden
Unterscheidung, dass einige categorische Urtheile, d. h. nemlich sämmtliche
893) Expos. our. Praedicam. Prooem.: In libro Perihermmias delerminatur de
vocibus. secundum quod reritalem vel falsitalem proposilionis sunt causalivae. Ebend.
Perierm. Prooem. : Phitosophus hie loquitur principaliter de vocibus supponenlibus pro
vocibus, quamvis forle incidenter delerminat de vocibus supponentibus pro rebus. Vgl.
Anm. 753.
894) Summa t. l. a. a. O.: Una divisio propositionum est, quod proposilionum
alia est calegorica alia hgpothelica: hgpolhctica dividitur in quinque species
secundum opinionem communem, sc. in copuiolivam, disiunclivam, condilionalem,
causalem et lemporalem. S. unten Anm. 955 — 961.
895) Ebend.: Alia divisio proposilionum est , quod quaedam est propositio de
inesse et quaedam modalis Et est sciendum , quod quasi omnes sophistae eoncordant
in hoc, quod tantum sunt quatuor modi, sc. necessarium, impossibite, conlingens
et possit,ite (s. Abschn. XVIt, Anm. 161); sed tales modi sunt ptures,
quam quatuor praedicti , nam .... alia proposilio est vera, alia est scita , alia est
falsa, ulia ignola, alia seripta , alia proiota, alia concepta (über die letzteren drei
s. ob. Anm. 769 f. n. 797), simitiler alia est eredita, alia opinata, alia dubitata,
et sie de aliis Et si quaeratur , quare phitosophus non tractavit de islis nec
ittas connumeravit inler proposiliones modales, dicendum est, quod phitosophus brevitali
studens, quia itio, quae de aliis diclt, possunt islis applicari, noluit de istis
pertractare. S. xmten Anm. 914 ff.
XIX. Occam (Urtheil). 381
exponibleu Sätze, äquipollent mit hypothelischen seien 8!Ui). Wenn aher
sodann über die Eintheilung in Bejahung und Verneinung hier nur mit
zwei Worten hinweggeeilt wird897), so finden wir bei Occam anderwärts
einige Bemerkungen, welche überraschend richlig sind und wahrhaft einen
lieferen Einblick in das Wesen der Negalion beurkunden; er hält nenilich
nicht nur getreu seinem allgemeinen Standpunkte daran fest, dass auch
sämmtliche Negalionen auf Rechnung der subjecliven Auffassung zu setzen
seien 8a5), sondern er erkennt auch die affirmalive Bedeutung der negaliveu
Begriffe an 8!1:'), und dass er dieselbe wenigstens bei jenen Worten,
.welche mit dem privaliven „in" zusammengesetzt sind, nicht in die un
endliche Weite schweifen lässt, erhellt daraus, dass er z. B. für d;is
Prädicat „ungerecht" als logische Voraussetzung die reale Möglichkeit des
Gerecht- oder Uugerecht-Seins fordert, sowie hinwiederum aus der Unter
scheidung einer dreifachen Funclion der privaliven Ausdrücke (J00). Die
Eintheilung der Urtheile nach der Quanlität gibt er in jener Vollzähligkeit
an, welche in der byzanlinischen Logik üblich war, nimmt aber dabei
auch Gelegenheit, betreffs einiger Beispiele die Controverse zu entschei
den, zu welcherlei Quanlität dieselben zu rechnen seien901). Ausserdem
896) Ebeod. : Terlia divisio propositionum calegoricarum polest esse itio, quotl
nlm proposilio calegorica est aequivalens proposilioni hgpolhelicae, n! in non;
istae propositiones sunt exctusivac et exceplivae el reduplicalivae et quaedam
aliae. S. untea Anu,. 917 ff.
897) Kbrml. f. 25 r. B: Alm divisio proposilionum est, quod quaedam est affitmaliva
et quaedam negaliva.
898) Expos, nur. Praedicam. Cap. 17: Privaliones et eliam negaliones non sunt
a parte rei distincte a rebus positinis, quia nitiil est a parte rei extra animam nisi
res, el ideo si privat,u vel negalio non sit res, non est a parte rei.
899) Quodl. V, qu. 7: Conceptus negalivus aliquid significal negalive, aliquid
affirmalive ; exemptum: „non albedo" significat negalive albedines, de quibus nun
veri/icatur nec pro itlis supponit; affirmalive aulem significat omnia alia ab aU,edine
et de itlis praedicatur affirmalive el pro itlis supponit, quia quocunque alio demoustrato
ab albedine hacc est vera „hoc est non albedo".
900) Expos, aur. Perierm. II, c. l : liiffereulia est inler praedicatum infinitum
el inter praedicutum pricalmum. Nam praedicatum inlinitum dicitur de pturibus, sc.
de omnibus existenlibus , de quibus non dicitur nomen privalivum, sicut „iniustum"
non polest dici de quolibet, quod non est iustum, quia non dicitur de asino , sed
tantum de hominibus. Et de tali praedicalo privalivo tales reguioe sunt. Ab affirmalnu
de praedicalo finito sequitur negalivu de praedicalo privalivo Ab affirmaliva
de praedicaln privalivo sequitur negaliva de praedicato finito. Summa t. log. III, 3,
9, f. 60 v. A : Nomina privaliea sunt in triplici differenlia. Aliquod enim praecise
d,cit privaliouem lurmae et carentiam in subiecto, cui additur, et aequivalet
,wmini infinito, sicut „inconuplibite" Alia sunt, quae important formam in
aliquo eounutando delerminatum subiectum, s,cut „iniustus" Alia sunt,
quae importan!, non esse in aliquo formam tulem nec esse passe connolando deleiminatum
subiectum, sicul „caecus".
901) Summa t. l. II, l, t. 25 r. B: Alia divisio est, quod quaedam est universalis,
quaedam particuioris, quaedam indefinita, quaedam singuioris Tumen de
muH ,x propositionibus polest esse dubium, quontae sint Ilio est singuioris „Isti
currunt", quia subiectum est pronomen demonstralivum vel lerminus communis sumptus
cum pronomine demonstralivo Haec est indefinita „Allerum itlorum currit", sicul
,lla est universalis „Ulrumque itlorum currit" Quando relulivum refert nom»n
diseretum, tunc reddit proposilionem singuiorem; quando refert nomen commune, tunc
reddit indefinitam; el ideo itio „Soerales currit el ille disputal" est singuioris, sed
secunda pars istius copuiolivae ,,Homo currit el itle dispulat" est indefinita
382 XIX. Occam (Unheil).
führt er noch eine Eintheilung an, welche auf dem Tempus des Verbums
beruht und somit der ampliatio angehört au2), und endlich eine läppische
Eintheilung je nach easus rectus oder casus obliquus 903).
In den zweiten Gegenstand der Lehre vom Urtheile, nemlich in die
Frage über die Wahrheit derselben , verflicht nun Occam sämmtliche
proprielales lerminorum, sowie den ganzen Umkreis der Exponibilia.
Während nemlich das singuläre Urtheil einfach auf den Begriff der Supposition
(im Gegensatze gegen objecliv reale Idenlität oder Inhärenz) be
gründet wird 904), und das Gleiche auch heim parlicularen und beim un
beslimmten Urtheile geschieht, insoferne diese beiden nach supposüio
personalis, nicht jedoch nach supp. materialis oder simplex, unter sich
logisch synonym sind 905) , stellt sich ihm schon bei der Erörterung des
allgemeinen Unheiles das Gebiet der distributio ein (s. Abschn. XVII,
Anm. 238 —255), in welches theilweise auch die restrictio (ebend. Anm.
231 ff.) hereinspielt. Denn als das Wesentliche des allgemeinen Unheiles
betrachtet er die distribuliven „Zeichen der Allgemeinheit", deren Eintheilung
bei ihm im Vergleiche mit Petrus Hispanus (ebend. Anm. 239)
Ilioe sunt parlicuiores ,,Non omnis bomo cu,rit" el „Nonnullus homo est animal"
De talibus propositionibus „Homo est species" el universaliter, quando lerminus
supponit mulerialiler vel simpliciler (s. Anm. 877), polest dici, quod sunt singuiores
vel indefinitae. Uebrigens ist zu beachten, dass Occam die Memorial-Verse der
byzanlinischen Logik (s. Ahschu. XVlI, Anm. 108 u. 153) verschmäht ; vgl. Anm.
»41 u. 955.
902) Ebend. f. 25 v. A: Est etiam alia divisio propositionum , quia quaedam
proposiliones sunt de praesenli, quaedam de praelerito, quaedam de futuro,
quaedam secundum formam vocis sunt de praesenli el tamen aequipollent proposilionibus
de praeterito vel de futuro, ut tales „Hoc est praeleritum, hoc est futurum".
S. Anm. 912.
903) Ebend.: Alia divisio est, quod quaedam propositiones sunt de recto el
quaedam de obliquo; el quandoque obliquus ponitur a parie subiecli, ut „Hominem
vidct asinus", quandoque a parte praedicali, ut „^»mus est hominis". S. Anm.
913, 942, 971.
904) C. 2, f. 25 v. B: Ad veritalem proposilionis singuioris, quae non aequivalet
mullis proposilionibus, non requiritur, quod subiectum el praedicatum sunt idem rea
liler, nec quod praedicatum a parte rei sit in subiecto vel insit realiler ipsi subiecto,
nec quod uniatur ipsi subiecto a parte rei extra animam; sed sufficit et requiritur,
quod subiectum et praedicatum supponant pro eodem. Ebenso Expos, aur.
Praedicab. De genere: Per istam propositionem „Soerales est albus" non denolatur,
quod Soerales sil vox, quantumeunque vox hie praedicetur, sed denolatur in tali
proposilione, quod ittud, pro 9110 subiectum supponit, sit ittud, pro quo praedicatum
supponit Quando subiectum et praedicatum habent supposilionem personalem el
supponunt non pro se ipsis, sed pro suis significalis, tunc non requiritur, quod sub
iectum et praedicatum sint idem, sed oportet, quod supponant pro eodem.
905) C. 3, f. 26 r. A: Videndum est, quid requiritur ad reritalem indefinitae el
parlicuioris Si non voectur propositio indefinila vel particuioris, nisi quando ler
minus supponit personaliter, tune semper indefinita et particutaris convertuntur
Et ad veritalem talis sufficil, quod subiectum et praedicatum supponant pro aliquo
eodem, si sit propositio affirmaliva et non addatur signum universale a parle praedicali;
sed si talis sit negaliva, requiritur quod subiectum et praedicatum non
supponant pro omni eodem Sed secundum aliam opinionem aliter debet dici
Qui ponit, quod omnis propositio est indefinita, in qua subiisitur lerminus communis
sine signo, sive supponat simpliciler sive personaliler sive malerialiter, debet consequenler
dicere, quod non semper parlicuioris el indefinita convertuntur, sicut
iilae non eonvertuntur „Homo est species" et „Aliquis homo est species'1.
XIX. Occam (Urtheil). 383
einigermaassen modificirt erscheint, namentlich durch eine spitzfindige
Unterscheidung, wornach man bei den distribuliven Worten der Accidenlien
nur an eme disjunctive oder copulalive Distribulion von Art-Formen
oder dgl. (vgl. ehend. Anm. 253 u. 589) denken dürfe 906). Indem so
dann zuerst die umfassenderen distribuliven Zeichen „omnis, nullus" und
detfen Synonyma an die Reihe kommen, wird eine allgemeine Bemerkung
über den syncategoreumalischen Charakter derselben, sowie eine ziemlIch
einfällige grammalische Unterscheidung zwischen „omnis" und „quilibet"
vorausgeschickt'"17), und hierauf die Regel der Wahrheit der allgemeinen
Urtheile angegeben, welche abermals lediglich auf der Supposilion beruht,
woran sich polemische Erörterungen über die Annahme, dass „omnis"
sich stets wenigstens auf drei Objecte beziehen müsse, und über einige
tradilionelle Beispiel-Sätze mit Einschluss des Grundsatzes, dass „omnis"
nicht im Prädicate stehen könne, anknüpfen 90s). Dann folgt über „uler-
906) C. 4, f. 26 v. A : Proposiliones universales sunt in mulliplici differenlia secUndum
mullitudinem signorum universalium. Sunt mim aliqua signa universalia
distritmliva indifferenler tam pro substantia quam pro accidente, sicut „omnis, quilibet,
nultus, quisque, ulerque, neuler" et sie de aliis; alia sunt distribuliVa pro accidente
, ut „quoelibel (zu lesen „qualisiibel", s. Abschn. XVII, Anm. 239 u. 253},
quoliescunquc" et si forle sint aliqua alia talia. Sed ista dislinclio polest intelligi
bene el male; si enim intelligatur, quod „quaelibel" (ebenso) sit signum distribulivum
pro accidenle, sicut „omnis" vel aliquod tale pro substantia et accidenle, falsum est;
si aulem intelligatur, quod sit aliquo modo distribulinum, sc. disiunclive sub disiunctione
vel copuiolione inler species vel aliquo modo tali, polest concedi, Alia
ponitur dislinclio signorum universalium, quod quaedam sunt distribuliva pro partibus
subiectivis et quaedam pro partitms essentialibus »el integralibus ; prima sunt, sicul
„omnis, nultus, ulerque, neuler", secunda sunt, sicut „lotus'' Alia ponitur divisio
signorum, quod quaedam possunt distrikuere pro quocunque, sicul „omnis, nultus" el
huiusmodi, quaedam pro duobus tantum, sicul „neuler, ulerque".
907) Ebend. : Primo ergo dicendum est de itlis, quac distribuunt pro substanlia
et accidente et pro partibus subieclivis el pro quocunque Nultum signum per' se
signi/ical aliquid nec impon,tur ad signi/icandum aliquid delerminale , sed sie inslituitur,
ul faciat ittud , cui additur, stare pro omnibus suis significalis el non pro
aliquibus tantum; el ideo dicitur sgncalegoreuma Hoc signum „omnis" di/fert
ab istis „quitibet, unusquisque", quia hoc signum „omnis" non polest addi nisi lermino
consimilis casus ; sed itta signa ,,quitibet, unusquisque" possunt addi
lermino consimitis casus el dissimitis, unde bene dicitur „Quitibel homo cumf"
et „Quilibet itlorum chrrit".
908) Ebend. : Ponendae sunt aliquae reguioe communes istis signis Bsl
primo sciendum, quod ad veritalem talii nniversalis non requiritur, quod subiectum
el praedicatum sint idem realiler, sed requiritur, quod praedicatum supponat pro
omniin,s itlis , pro quibus supponit subicctum £a; hoc palet falsitas quorundam
dictorum , quae a quibusdam ponuntur : unum est, quod hoc signum ,,omnis" exigit
tria appeliota (vgl. Abscln,. XVII, Anm. 241); nam ponatur, quod uHus sotus angetus
inlelligal et nultus homo ; tunc est vera „omnc intelleclivum ereatum est angetus".
Aliqui solvunt male hoc sophisma ,, Omnis phoenix est" (s. ehend. Anm. 242)
dicentes , iitam esse falsam co quod litlera „omnis" exigit tna appetiota Ex
islis eliam sequitur , quod falsum est, quod aliqui dicunt , quod st sil unum album
tantum et tantum unum nigrum et tantum unum medium, quaeliuet istarum est falsa
„Omne album est, Omne nigrum est, Omne medium est" (f. 27 r. A) Palet,
quod omnes tales de virtule sermonis sunt falsae „Omne animal est sanam" • posito
quod unus leo sit sanus el unus bos el unus homo, el sie de aliis, simitiler et ista
„Omne animal fuit in area fioae" (s. ebend. Anm. 235), et sie de mullis aliis,
quia babent multas singuiores falsas nec praediratum compelit omnibus itlis, pro
quibus supponit subiectum Secundo sciendum, quod omnis propositio universalis,
384 XIX. Occam (Unheil).
que" und „neuler" (vgl. ebend. Anm. 248 f.) die selbstverständliche Regel
der Wahrheit und die ausdrückliche Bemerkung, dass dieselben stets zwei
Objecte erfordern909), worauf bei „totus" (ebend. Anm. 252 u. 267) der
Unterschied des categoreumatischen und des syncategoreumalischeu Ge
brauches dieses Wortes, welches überhaupt sehr verschiedene Anwendun
gen linde, hervorgehoben und in Kürze das hiebei übliche Sophisma be
sprochen wird910). Die distribuliven Zeichen der Accideutien (s. ebend.
Anm. 253 11'.) ferligt Occam äusserst schnöde ab , indem sie einerseits
eigentlich gar keine selbstständigen Zeichen seien und andrerseits auch
selten Anwendung fänden911;.
Hierauf lässt er jene Urtheile folgen, deren Verbum im Futurum oder
Präteritum steht (s. ob. Anm. 902). Dieselben bilden nach älterer und
jüngerer byzanlinischer Tradilion (s. Abschn. XV11, Anm. 226 f. u. 600)
eigentlich nur einen Bruchtheil der Lehre von der Amplialion ; aber so
wie Occam sich der technischen Ausdrücke „ampliatio" oder „ampliativus"
u. dgl. überhaupt nicht bedient, so behandelt er hier auch nur jene
Seite, welche sich auf das Tempus der Verba bezieht, Anderes anderswo
in; qua praedicatum sumitur universaliler, est falsa, si praedieatum et sub,ectum verificetur
de pturibus conlentis; si aulem praedicatur praecise de uno solo conlento et
simitiler subiectum , tunc possei esse proposilio vera, sicut, st non essel nisi unum
animat, puta unus bomu , haec esset vera ,,0mnis homu esl omne animal" (dieser
formalen Spielerei lässt sich eiue vernünflige Wendung geben, z. B. „Alle Körper
sind sämmlliches Schwere") Terlio scicndum, quod hoc sitinum „onmis"
polest accipi distribulive vel colleetive: si lenctur distribulive, sicul „Omnes
apostoli dei sunt duodecim" (vgl. ebend. Aum. 240;, denutatur, .;««'f hoc praedicatum
..d,uniefim" ci're dicitur de quolibel , de quo vere praedicatur hoc subiectum
„apostoli" Si a iürm lenetur collective, tunc denotatur, quod praedicatum
competal omnibus simul sumplis.i
909) C. 5, f. 27 r. B: Consequenler delerminandum est de signis distribulivis
non pro quibuscunque , sed pro duobus tantum, cuiusmodi sunt „ulerque" et „neu
ler" Ad veritalem talis requiritur, quod praedicotum vere competal utrique illo-
,n ,n demonst,alorum, si sit affirmaliva, vel negetur ab utroque , si sit negaliua
Differt proposilio universulis, in qua ponitur hoc signum „ulerque", ab ilio, in qua
ponitur hoc signum ,, onmis", quia nunquam polest talis uuiversalis , in qua ponitur
„ulerque" a parte subiecli, esse vera, übi ponitur praedicatum universaliler sumptum.
Causa imit"1 diversitalis est, quia hoc signum „omnis" polest addi lermino habenti
unum suppositum (s. vorige Anm.) , sed litlera „ulerque" requirit semper duo
supposita.
910) C. 6, ebend.: De signo distribulico pro partibus integralibus , cuiusmodi
ponitur „totus", est sciendum, quod hoc signum polest aliquando sumi calegoreumalice
vel sgucalegoreumalice. Si sumatur calegoreumalice , sie significal idem quod
„perlectum" Si aulem tenctur sgncalegoreumalice, sie est unum signum distribulivum
pro partibus proprie diclis importalis per lermmum, cui additur, ut
ista propositio ,,Talus Soerales est minor Soerule'' (s. Abschn. XVII, Anm. 252) aequivalel
isti „Quaelil,el psrs Soeralis est minor Soerale" (v. A) Yerumtamen est
sciendum, quod aliquando, sire ex usu sive ex usu sermonis vel ex benepiocito ulenlis,
„tolus" tantum distribuit pro parlibus integralibus, non pro esseulialibus ,
quandoque aulem distribuit pro omnibus partibus, sive sunt essenliales sive integrales
sive qualescunque.
911) Ebend. f. 27 v. A: De signis aulem, quae sunt distribuliva accidentium,
cuiusmodi sunt „qualecunque, quantumlibel", est sciendum, quod huiusmodi non sunt
proprie signa, sed sunt aequicalentia uni composito ex aliis signis, sicul „quantumlibel"
idem est quod „habens de omni specie quantitulis aliquam quanlitalem"
lsta aulem signa non sunt multum usitata in llleologia, ideo pertranseo de eis.
XIX. Oceam (Unheil). 385
unterbringend (s. unten Anm. 937—939). Die betreffenden Regeln lie
gen näher an der jüngeren Formalion dieser Lehre 912). Bei den Urtheilen,
deren Subject oder Prädicat ein casus obliquus ist (ob. Anm. 903),
verzichtet er schliesslich selbst darauf, sichere Regeln ihrer Wahrheit auf
zustellen 913).
Während sodann das hypothelische Urtheil, welches hier seine pas
sendste Stelle gefunden hätte, «rst am Schlusse dieses ganzen Haupttheiles
erscheint (s. Anm. 955 ff.), reihen sich die modalen Urtheile an, in deren
Eintheilung er abermals der jüngeren Tradilion folgt (s. Abschn. XVII,
Anm. 585, und bei Scotus ob. Anm. 187); nur subslituirt er die Ter
minologie „cum dicto" und „sine dicto" und setzt den sensus divisus
der modalen cum dicto als synonym mit den modalen sine dicto91*).
Indem er auch hier die schon oben (Anm. 895) erwähnte Vermehrung
der modalen Ausdrücke benützt, knüpft er beim sensus composüus dieser
Urtheile die Regel ihrer Wahrheit einfach an die Begriffe der betreffen
den Modalitäten selbst, weist aber zugleich in äusserster Spitzfindigkeit
auch auf Beispiele allgemeiner modaler Urtheile hin, welche wahr sind,
obwohl die ihnen entsprechenden singulären unrichlig sind915). Beim
912) C. 7, ebend. : Videndum est de propositionibus de praelerito et futuro. Pro
quo sciendum est, quod ..... subie'ctum polest supponere pro eo, quod est , vel pro
eo, quod fuit, si sil propositio de praelerito; aut pro eo, quod est,- vel pro eo, quod
erit, si sit propositio de futuro; et sive sie sive sie, si proposilio sit affirmaiiva,
requiritur, quod praedicetur sub propria forma, i. e. praedicatum praedicetur de eo,
pro quo supponit subiectum Unde ilio est differenlia inler proposiliones de praesenti
et proposiliones de praelerito et futuro, quod praedicatum in propositione de
praesenli stat eodem modo, quo stat subiectum, nm aliquod additum impediat; sed
in propositione de praelerito el futuro est varialio, i/uia praedicatum non tantum
supponit pro itlo vel itlis, pro quo vel quibus verificatur in propositionibus de prae
lerito et futuro, sed requiritur, quod ipsum praedicatum verificetur de itlo, pro
quo subiectum supponit. • . i . •
913) C. 8, f. 27 v. B: Ad veritulem propositionis , cuius allerum extremum est
lerminus obliquus, requiritur, quod subiectum el praedicatum non supponant pro eodem
vel sallem non pro nnmi eodem; aliquando tamen possunt supponere pro eodem secundum
diversitalem verborum et regiminis casus obliqui; nec est fäcile in his
generalem reguiom et certam dare.
914) C. 9, ebend.: Aliquando dicitur proposilio de modo, quia accipitur dictum
talis proposHionis cum tali modo, sicut potest de islis „Omnem bominem esse animat,
est necessdrium" . . Mio, aulem dicitur propositio modalis, in qua ponitur modus
sine tali dicto propositionis. Proposilio modalis primo modo dicta semper est dislinguenda
secundum compositionem et divisionem. Et in sensu composito denotatur
semper, quod talis modus verificatur de proposiliane itlius dicli, sicut.... denolatur,
quod itle modus „necessarium" verificetur de ilio proposilione „Omnis bomo est
animal" Sed sensus divisus talis propositionis semper aequivalet tali proposilioni
acceptae cum modo sine tali dicto, sicut ista in sensu diviso „Soeralem
esse animat, est scitum" aequhalel isti „Soerales scitur esse animal". Etwas modificirt
und mlt einer älleren Tradilion verflochten (s. Abschn. XVII, Anm. 43) er
scheint diese Eintheitung Expos, aur. Perierm. H : Aliqua proposilio est modalis modo
nominali , sicul „Possibile est, omnem hominem currere" ; aliqua est modalis
modo verhals, sicut „Omnis homo polest currere" ; aliqua est modalis modo adverbiali,
sicul „Homo necessario currit"' Si proposilio sit modalis modo nomi-
' nuli, ..... dislinguitur secundum compositionem et divisionem u. s. f.
915) Summa t. l. a. a. O. f. 28 r. A: Talis universalis de necessario polerit
esse necessaria el vera, quamvis tamen quaelibet eius singuioris sit conlinaens vel
fulsa, sicut haec est vera el necessaria in sensu composito „Omne verum contingens
PBANTL, Gesch. III. 25
386 XlX.'-'Occam (Unheil).
divisus, d. h. bei den modalen Urtheilen sine dicto besiehe die
ses letztere Verhältniss nicht, die Erprobung ihrer Wahrheit aber sei
eben doch nur nach dem semsus composüus vorzunehmen , da es sich
darum handle, ob die betreflende Modalilät wirklich von dem ganzen Satze
ausgesagt werden könne .Jl6).
Mit jenen Urtheilen nuu, welche äquivalent mit hypothelischen sein
sollen (s. Anm. 896), kommen die Exponibilia an die Keihe ; Üccam aber,
oder vielmehr wahrscheinlich eine von ihm schon vorgefundene reichere
Fliege dieses Zweiges, vermehrt dieselben sofort durch den Begriff der
lermini connotativi et relativ^11), dessen erste Keime uns wohl in
dunkler Spur schon oben hei jüngeren Formen der byzanlinischen Logik
im sog. connotatum begegneten (Absehn. XVII, Anm. 598). Es sollen
nemlich connotalive oder relalive Begriffe zunächst diejenigen sein, welche
einer Verdeutlichung (exposüio) durch eine sog. Wort-Ueliuilion bedürfen
(z. B. „Weiss ist, was Weisse hat"'), indem ein concretes Wort durch
Benützung des ihm entsprechenden abstracten exponirt werden soll
(— dass das Verhältniss zwischen „abstract" und „concret" gleichsam ein
Lieblingsthema Occam's war, s. ob. Anm. 826 ff. u. 885 —); und zwar
seien zur Exposilion eines solchen Urtheiles stets zwei Urtheile erforder
lich, z. B. der Satz „Sokrates ist weiss" werde expouirt durch „Sqkrales
ist" und durch „dem Sokrates haftet die Weisse an"; ja auch die Aus
drucke „incipü, desinit" u. dgl. seien eigentlich lüeher zu rechnen01*).
esse verum, est necessanum"', et tamen quqelibet singuioris est falsa SimiUler
aliquando est talis proposilio universalis impossibitis, et tame» q uaelibet singuioris
est possitiitis et conlingens, sicut palet de ista „Utrumque istorum esse verum, est
verum" demonstralis duabus contradictoriis contingentibus SulJtcit scire, quid
requiritur ad reritulem lnlivm proposilionum, in sciendo, qu,d requiritur ad hoc,
quod aliqua proposilio sil necessuria, et ad hoc, nund sit conlingens vet vera vel
impossibitis eel scita rel iynutu vel credita, et sie de aliis.
916) C. 10, f. 28 r. B : Cirea proposiliones modales sine dklo proposilionis, quae
,ii,ii,un, aequivulent proposilionibns sumylis cum dicto in sensu divisionis, ... .. est
sciendum, quod fufes «ton conilertuntur cum primis, imo polest una itiorum esse vera
sine alia et e converso Ad ve,ttülem talium propositionum requiritur, quod praedicotum
sub propria forma con,petal Mi, pro quo subiectum supponit, vel pronomini
demonstranli itiud, pro quo subicctum supponit, sc. quod modus expressus in tali
propositione vere praedicetur de tali proposilionc de inesse, in qua ipsummet praedicatum
praedicatur de pronomiuc demonstranle ittud, pro quo subiectum supponit
(v. A) Semndo nolandum, quod tules prvposiliones de modo consimililer se kabent
ad suas singuiores, sicut propossttones de inesse Praedicta eliam sunt inlelligenda
de aliis proposilionibus mudalibus, sicut de islis „Omnis homo scitur a le esse
antmoi". •
917) C. 11, f. 28 v. A: Dicendum est de prepositionibus aequivalentibus proposilioniuus
hgpolllelicis Quaelibet calegorica, ex qua sequuntur ptures proposiliones
calegoricac tanquam exponenles eam, i. e. exprimenles, quid itta propositio de sua
forma importat, polest dici aequivalens proposilioni hgpolheticae ; huiusmodi sunt
exolusivae, exceplivae et reduplicalivae, et hniusmodi sunt eliam propositiones , in
quibus ponuntur lermini cunnidaliri i'l reiolivi, sicut sunt itioe „Aliquid album currit,
Omne album es( corpus, Omne agens producit aliquid, Omnis De istis primo est dicendum. Vgl. Anm. 831 u. 846. quanlitas est in loco".
918) Ebend.: Terminus proprie dicitur connotalivus vel reiolivus, qui habet quid
nominis, i. e. diffinilionem exprimentem quid nominis, ita quod non polest sciri quid
nominis ipsius, nisi habende uralionem, quae significut aliquid primario et aliud secundario,
sicut d,lfiuil,u albi exprimens quid nominis est „habens albedinem"
Ha quando aliquid per aliquem lerminum connotatur vet consignificatur, pro quo tamen
XIX. Occam (Urtheil). 387
Ferner sollen die negaliven Begriffe, z. B. „Nicht-Mensch", als connotalive
gelten, welche durch zwei oder mehrere Urtheile exponirt werden 919),
sowie die privaliven, z.B. „blind", welche wenigstens dreier exponirender
Urtheile bedürfen920), und desgleichen die erdichteten Begriffe, bei deren
Exposilion das Eine der beiden Urtheile stets ein unwahres sein müsse921).
Endlich sogar das Pronomen „qui", welches in der früheren Tradilion
zur suppositio retalivoi-um gehört hutte (s. Abscbn. XVII, Anm. 212 ff. u.
vgl. ob. Anm. 890), wird nun diesen connotaliven Begriffen beigezählt;
die Regeln der Exposilion dieser Relaliv-Sätze beruhen auf einer Unter
scheidung der Quanlität derselben, wobei Occam auf den möglichen Dop
pelsinn der allgemeinen Urtheile , welche „qui"' enthalten ; hinweist und
zugleich deutlich davon Zeugnis» gibt, dass mit solcher Umbildung des
byzanlinischen Materiales sich schon Viele vor ihm beschäfligt hatten 9'i2).
Anderes noch über die connotaliven Begriffe s. unten Anm. 1015.
lalis lerminus supponere non polest, quia de tali non verificatur, semper talis lerminus
vel est connotalivus vel retalivus, ut itle lerminus „alium"; simititer est
de »imo, cavo (s. Abschn. IV, Anm. 482) Quaelibet proposilio, quae habet
talem lern,inum, est hnbens exponcntes exprimenles, quid importatur per talem proposilionem
Sufficit dicere de aliquitms, ul per itios sciri pussil proporlionabililer
de a/its, quomodo exponuntur Quandocunque ponitur in propmitmne coneretum.
cui correspondel abstractum importans rem informanlem aliam r cm, semper ad verilui,'
m talis propositionis requiruntur duae proposiliones, quae possunt vocari exponenles
eius, et una debet esse in recto et alia in obliquo, sicut «d reritalem islius
„Soerales est albus" requiritur, quod haec sit vera „Soerales esl", et quod baec sit
vera „Soerali inest albedo" (f. 29 r. A) Et de talibus propositiombus sunt eliam
omnes proposiliones, in quibus ponitur hoc verbum „incipif vel „desinil", simitiler
eliam, ubi ponitur casus nblnlirus absolutus et uhi ponitur numerus pturalis , et sie
de mullis aliis, de quibus foret longum pertractare. Jedoch aber incipit und desinit
s. ob. Anm. 889, und bes. unten Anm. 937 ff.
919) C. 12, f. 29 r. A: Eliam proposiliones, in quibu» ponuntur lermini cennotativi
privalim et inftniti. sunt acquivalenles .pr-oposilionibus hgpolhelicis; et eliam
omoes taies sunt rere connolalivi , eo quod 4n eorum diffinilionibus exprimenlibus
quid nomin» debet poni aliquid in -pecto et aliquid in obliquo n't in recto cum
negalione praecedente Quaelibet uulem talis propinitto,in'qua ponitur talis
terminus, duas ad minus habet exponentes et aliquando ptures, quod facitiler palet;
tsJa „Asinus est non Aomo" aequivalel istis „Asinus est aliquid" et „Asinus
non est Aomo".
920) C. 13, f. 29 r. B: Proposilienes affirmaliv ae, in quibus ponuntur lermini
privalim, qui non sunt aequivalentcs lernrinis infinitis, plures habent exponenles,'
quam duas. Unde ista ..Istc est coecus" habet istas exponcntes: „Iste est aliquid"
et „Iste est natus videre" et „Iste nunquam polerit »idere". • .
921) C. 14, ebend : Proposiliones, in quibus ponuntur lermini fiels, quibus nihit
correspondet in re, quale fingunt significare, ptures habent exponenles: tales enim
lermini vere sunt connotalivi ('.A) lita est falsa de virtute sermsnis „Chimaera
est non ens" et quaelibel consimitis , quia quaelibel talis habet tales eaeponenles
„Chimaera est aliquid" et „Illud est non ens'', quarum prima 6st falso-. Et si dieatur,
numquid ista est vera „ff,smaers est chimaera", el videtur, quod sit vera, quia praedicatur
idem de se, dicendum est, quod de virtule vacis itio est falsa, si ler
minus supponal signifiealive, eo quod falsum implicatur.
922) C. 15, f. 29 v. A: In quacunque proposilione, quae secundum vocem est
calegorica, ponitur hoc reiolivum „gut", pro ilta dandae sunt pltires exponentes, quia
quaelibet tulis aequivalet uni copuiolivae Quando talis proposilio est singuioris,.
inilefinita vel particuioris , semper ilta proposilio aequivalet uni coputalit'ae campositae
ex anleecdente el hoc pronomine retalive „itlud" vel uomine proprio et allere
extremo, .... sicut „Homo, qui est albus, curril" aequivalet isli „Homo est albus et
25*
388 XIX. Occau» (Urtheil).
Hierauf folgen jene Exponibilia, welche schon bisher üblich waren,
und zwar zuerst die Reduplicaliv-Sätze , wobei sich Occam der späteren
Tradilion anschliesst (s. Absclm. XV|I, Anui. 608 f.) , indem er neben dem
eigentlich reduplicaliven Gebrauche der Worte „inquantum" u. dgL auch
einen „specificativen" anerkennt9-3;. Ausscrdem kommt hier noch neu
die Unterscheidung hinzu, dass die Aussage in diesen Urtheilen entweder
auf blossen begleitenden Umständen (concotnüaalia) oder auf einem Gausalnexus
beruhen kann, und nach diesem Gesichtspunkte werden nun die
älteren und neueren Regeln der Reduplicalion modilicirt, wobei bezüglich
der bejahenden Urtheile auch die Lehre von der Consequentia heigezogen
wird 924). Rei den verneinenden Urlheilen gestalten sich die Regeln
verschieden, je nachdem die Negalion zum Prädicate gehört923), oder vor
dem Reduplicaliv-Zeichen steht 926). Die specificaüve Bedeutung aber dieitle
currit" Sed si talis proposilio est universalts, est distinguenda secundum
amphibologiam , quia pelest habere duplicem sensum. UHu» sensus est, per quem
denotatur, quod, de quocunque dicitur ittud lolum, quod praeecdit verbum principale,
de eodem praedicatur primusu et non ptus denotatur; el itle sensus vocutur a mullis
sensus compositionis vel converlibitis cum tali sensu. Alias sensus est, per quem
denotatur, quod Mud, quod sequitur hoc incomplexum „quod" vel ,.qui", praedicatur
universaliler de aulecedcule, el qu,ul sequitur praedicatum, universalsler verificatur
de eodem. V. gr. per istam „Otunis bomo. qui est Mus, curnl" in uno sensu de
notatur, quod aliquis bu,uo est all,us et quod quitibel talis currit; in alio vero sensu
denolatur, quod itioe dnae sunt verae „Omnis homo est albus" el „Omnis homo
curril".
923) C. 16, ebend. : Propositio vocatur reduplicaliva, in qua ponitur haec dictio
„snquantum" vel acquivalens (als Synonyma des „inquantum" werden weiler unten,
f. 30 r. A, genannt : secundum quod und ul und sub ralione) el lenetur reduplicalive,
quia secundum aliquos polest leneri specificalive et sie nun facil proposilionem
reduplicalivam, et aliquando polest leneri reduplicalive Reduplicalio aliquando
est nll!,u,i,lu:u, quando sc. negalio nun praeecdit eam, ul „Soerales, inquantum homo,
non curril", el aliquando est negatu, quando sc. negalio praeecdil eam, ul „Soerales
non currit, inquantum homo"' (dns negaliv reduplicalive Urtheit war bei Petrus
Hispanus weit richliger gefasst, s. Abschn. XVII, Anm. 262).
924) Ebend. f. 29 v. B: Propositio affirmaliva reduplicaliva polest distingui,
eo quod polest reduplicoliu fieri gralia concomuantiae vel gralia causae, Si
fial gralia concomitantiae , tunr ad veritalem Mius requiruntur quatuor proposition,'s
tanquam exponenles: t), gr. ad veritalem istius „Soerales, inquantum homo,
est coloratus" requiritur veritas istius „Sosrales est coloratus". el istius „Soerales
est homo" et istius „Omnis homo est coloratus" el islius „Si aliquid est homa, ali
quid est coloratum" S« uuiem fial reduplicalio gralia causae , tunc ad veritalem
praeler quatuor praedictas exponenles requiritur , quod ittud, super quod
cadit reduplicalio , exprimal causam rei importatae per praedicatum Colligi
polest reguio talis, quod a propositione reduplicaliva ad suam praciacenlem est semper
consequentia formalis Alia reguio, quod arguendo ab inferiori ad superius
sine distribulione a parle subiecti principalis est bona consequenlia.
925) Ebend. f. 30 r. A : Reduplicaliva negaliva, in qua reduplicalio non est negata,
cuiusmodi sunt tales propositiones „Homo, inquantum risibilis, non est asinus",
gralia concomitanliae habel quatuor exponentes istas „Homo est risibilis,
Homo non est asinus, Nultum risibile est asinus, Si aliquid est risibite , ipsum
non est asinus" Si aulem fiat reduplicalio gralia causae, sie requiritur, quod
praedicatum principale prius vel primo negetur ab Mo, super quod cadit reduplicalio,
quam a pronomine demonstrante iltud, pro quo subiectum principale supponit.
926) Ebend.: Reduplicaliva, in qua reduplicalio negatur, est contradictoria
talis reduplicalivae, in qua reduplicalio est affirmata Unde ad veritatem istius
„Soerales non est homo, inquantum albus" suffielt veritas istius „Soerales non est
XIX. Occam (Unheil). 389
ser Urtheile wird in das Verhältniss der Unterordnung verlegt, in wel
chem der reduplicirende Begriff zum Subjecte steht 927).
Aehnlich verhält es sich betreffs der Exclusiv-Sätze, indem Occam
auch hier überwiegend der jüngeren Formalion folgt (s. Abschn. XV11,
Anm. 606; vgl. ehencl. Anm. 260), zugleich aber manche noch neuere
Erweiterung aufnimmt. So hebt er bei der Eintheilung der Exclusiv-
Worte (tantum , solum) nicht bloss den Unterschied der categoreumalischen
und der syncategoreumalischen Bedeutung hervor , sondern subslituirt
auch für eine frühere Dreitheilung eine Zweitheilung, indem er es
nicht mehr als besondere Unterart gelten lässt, dass die Exclusiv-Partikel
zur Copula gehöre; auch unterscheidet er grundsätzlich* zwischen einer
ursprünglichen und einer secundären Bedeutung jener Parlikeln 928). Die
Regeln der Exposilion jener Urtheile, in welchen die Parlikel zum Subjecte
gehört, slimmen, soweit -es sich um die ursprüngliche Bedeutung
handelt, mit der üblichen Tradilion überein929); wenn aber sodann die
secundäre Bedeutung in drei Fälle zerlegt wird, so zeigen die hiefür
aufgestellten Regeln mehr Unsinn als Scharfsinn930). Auch bei jenen
Aoroo" et islius „Soerales non est albus" et istms „Aliquid album non esl homo" ei
istius „.Von, si Soerales est, album esl" (dieses Ganze ist so dumm, dass wir den
sonst scharfsinnigen Occam kaum durch die überwälligende Macht einer herrschen
den Schul-Tradilion entschuldigen können).
927) Ebend.: Si aulem talis dictio non lenctur reduplicalive , sed specificalive,
tunc non requiritur, quod itlud, cui additur talis dictio „inquautum", subiiciatur
universaliler praedicato principali, sed requiritur , quod ittud, super quod cadit reduplicalio,
imporlet ittud, ralione cuius compelit praedicatum principale primo subiecto.
V. gr. in ista „Ignis , inquantum calidus , calefacit" specificative
„calidus" importat calorem, per quem ignis calelacit primo.
928) C. 17, f. 30 r. B: Ilioe dicliones „tantum, sofum" faciunt proposiliones cxctusivas
; sciendum tamen , quod haec diclio „sotum" aliquando accipitur sgncalegoreumalice
et tunc est diclio exelusiva, aliquando lenetur calegoretsmalice et tunc
importat, ittud, quod importatur per lerminum sibi additum, esse solitarium Ali
quando dictio exctusiva ponitur a parte subiecti. et aliquandu a parte praedicali sire
a parfe composilionis Dictio exelusiva aliquando significat vet habet unum
officium ex primaria inslitulione, aliquando aliud ex secundaria inslitulione.
929) Ebend. : Quandocunque diclio exctusiva lenetur secundum primariam inslitulionem
et ponitur a partc subiecti, semper denolat, quod praedicatum vere praedicatur
de subiecto et removetur ab omni illo, de quo non praedicatur subiectum, i. e.
si proposilio sit affirmaliva; et ideo habet duas exponentes , sieul ista
„Tantum homo est animal" habet istas „Homo est animal" et „Nihit aliud ab homine
est animal". Si aulem sit negaliva, sicut ista „Tantum homo non est
usinus", habet istas exponentes „Homo non est asinus'' et „Omne aliud ab homme
est asinus".
930) Ehend. f. 30 v. A: Diclio exctusiva secundum suam secundariam imposilionem
sive institulionem polest triplex esse: una est, quae praecise exctudit
praedicatum ab omni distributo, de quo non dicitur subiectum; alia, quando prae
cise exctudit ea, quae non importantur per ea, quae importantur per subiectum, nec
sunt parles eorum; lerlia est, quando praecise exctudit maiorem pturalitalem, quam
sit expressa per subiectum Unde ista „Tantum omnis honle currif .....polest
sumi improprie et tunc habet islas exponenles „Omnis homo curril" et „Aliquis
bos curril" Juxta secundam acceplionem impropriam huius proposilionis
„Tantum Soerales est albus" exponenles „Soerales est albus" et ,,Nihit
aliud a Soerale extrinsecum est album" duae possunt simul stare. (B) Juxta lerliam
acceplionem impropriam de itio „Tantum unum animal est homo'' ex
ponenles sunt istae „Unum est" et „Non sunt ptura, quam unum". Solche Beispiel
390 XIX. Occam (Unheil).
Urtheilen, in welchen die Exclusiv-Pai tikel zum Prädicate gehört, ist die
Reglung der uneigentlichen Bedeutung neben der eigentlichen entweder
überflüssig oder einfällig931). Ein Ersatz von zweifelhaftem Werthe ist
es hiefür, wenn sodann die Supposilions-Fähigkeit der Subjecte und Pridicate
dieser Urtheile untersucht wird932); und vollends wenn sodann
noch drei Regeln folgen, deren erste der. Lehre von Consequentia ange
hört, während die zweite eine unnöthige Wiederholung enthält und die
dritte sogar eine Couibinaliou der Exclusiv-Sätzc mit den Formen der
Modalität versucht, so möchte ich hiefür lieher den Herausgeber Occam's,
als diesen selbst verantwortlich machen93*). i • ! :• ..• ':' •
Bei den Excepliv-Säfezen, betreffs deren ein paar sprachliche Bemer
kungen über „nisi" und „praeter" vorausgeschickt werden , sind die
üblichen Regeln, welche in neuerer und älterer Tradilion auftraten (s.
Abschn. XVII, Anm.607, vgi ebcnd. Atom. 261), ziemlich kurz erledigt934);
Sätze, wie ^Tontum omnis homo currit" oder 'Obiger „Tantum homo 'non esI asinus",
sollle man allerdings von einem vernunftbegabten Menschen nicht erwarten;
man hätte ja statt des Letzleren z. B. auch sagen können „Nur die edlen Metalle
roslen nicht" oder sonst dergleichen. Aber der Leser mitteiolterlicher „Phitoso
phie" (!) muss eben gar Vieles ertragen können.
931) Eb«nd.. f. 30 v. B: Dicto de dietione exctusiva, quando ponitur a pa,rle
subiecli, diceudum est de ea, quando ponitur a parte praedicali. Et sciendum est,
quod polest accipi proprie et improprie. Si proprie, tunc denolatur , quod praedicatum
dicitur de subiecto, el quod omne ittud, de quo non verificatur praedicatum,
removetur a subiecto, sicul per istam „Homo est tantum animal" denotatur, quod
homo sit animal et quod non sit aliud ab animali. Quando vero accipitur improprie
el transsumplive, tunc exctudit omne aliud verbum a subiecto , sicut per istam
„Homo tantum videl" denotatur, quod homo vitlel el non audit nec pereipit.
932) Ebend.: Qualiter lermini sapponant in proposilionibus exclusivis, est scien
dum, quod, quando dirlin exctusiva ponitur a parle subiecti el subiectum sumitur
sine distributione el est lermiuus cown,onis , tnnc subiectum supponit confuse tanturn
(f.. 31 r. A) tIuumln exelusiva est negaliva , subicrlun, supponil sicut in
exctusiva uffirmalivu , et praedicalum similiter Quando dic,lio exctusiva ponitur
a parte praedisali . subiectum supponit in ilin sicul in sna praeiacenle (über
„praeiacens" s. Abschn. XV11, Anm. 260), el idem est de praedicato.
933) Ebend. f. 31 r. A: Ab exelusiva ad universalem de lerminis transpssilis
est bona conse,fvenlia el e converso (B) Quaelibet exctusiva habet duas exponenles,
unam affirmalivum et aliam negalivem ; el ideo opposita exclusivae habet duas
c&usas veritalis, quia »eritas utriusque exponentis est causa veritalis negalivae ex
ctusivae Quamdo' dictum proposilionis exctusivae ponitur respectu alicuius modi
facienlis proposilionem modalem, itio.propositio est dislingnenda, sicut ista „Tantum
hominem esse Soeralem, est verum", quia littera „tantum"' polest continue proferri
cum tolo vel disconlinue. Auf solchem Wege gibt es kaum ein Ende in Combinalioaea
des byzantinischen Wustes; deun warum soll min. nkht aücb bei den reduplicaliven
oder bei den excepliven Urtheiten oder bei „incipit, desmif^ u. s. f.
die Modalitälen, des necessarium, possibite , verum , scltum, opinatum u. s. f. nntersaohen-
Oder hat vielleicht Einer der modernen Lobredner des Mitteiollers Lost
hiezu ? \, . ,... .. -, ' , , , • '• ,. , , ,.nl-,, '• • ,
934) C. 18t f, 31 r. B: Talia sgriealesforeumata .„praeler, nisi" et ssmitia faciunt
proposiliosle.s, in quibus ponvntur, esse exceplivas .,... Lillera ,flisi" aliquando
lenetur execidive el tunc facit.propositionem hgpollulicam ..;.'. Diclio „praeter" aliquando
lenetur diminulive , sicul „Decem praeler quinque sunt quinque" Ad
veritalem excepliaae reqmnlur, quod praedicatum removeatur a porte extra capta, el
quod insit. cuitibet alio contento sub subiecto, si sit affirmaliva; si sit negaliva, sequitur
oppositiim — . Habet ä\uas exponenles, •'. 'sicvt ista .„Omnis homo prae
XIX. Occam (Unheil). 391
hingegen wird die Supposilions- Fähigkeit der in solchen Urtheilen vor
kommenden Begriffe casuislisch erörtert, und hiedurch findet eine obige
(Anm. 888) Angabe über die Supposilion ihre Ergänzung935). Ausserdem
ist auch hier eine Anzahl Regeln hinzugefügt, deren Autorschaft mir1
gleichfalls nicht sicher festzustehen scheint; dieselben betreffen theils
die Lehre von Consequentia, theils sind sie selbstverständliche und über
flüssige Folgerungen aus (lem Wesen der Excepliv-Urtheile936).
Indem aber Occam hierauf ,die Worte „incipit, desinü" anreiht, folgt
er doch wieder der älteren Tradilion (s. Absehn. XVII, Anm. 263), ob
gleich er dieselben theilweise schon zur Supposilion beigezogen hatte (ob.
Anm. 889), ja andrerseits sogar geneigt zu sein schien (ob. Anm. 9 1 8),
sie grundsätzlich zu den connotaliven Begriffen zu rechnen; nach der
jüngeren Tradilion hätte er sie jedenfalls bei der ampliatio erörtern
müssen (s. Abschn. XVII, Anm. 600), wenn er die letztere nicht über
haupt sehr wesentlich beschränkt hätte (s. ob. Anm. 912). Die Unter
scheidung, welche man früher bei jenen Begriffen angenommen hatte, je
nachdem die Veränderung allmälig oder sofort bleibend eintrete, lässt er
als eine gleichgüllige fallen, wiederholt aber die üblichen Regeln, nur
mit dem Zusatze, dass „incipit", wenn es in weiterem Sinne genommen
werde, ein bereits vorhergehendes Dasein des betreflenden Zustandes
nicht völlig ausschliesse 987). Was über die Supposilion des Subjectes
ler Soeralem currii" habet istas „Soerales non currit" et „Omnis homo alias a Soerale
currit".
935) Ebend. : Praedicatum in excepliva affirmaliva habet supposilionem confusam
tantum, sed subiectum habet supposilionem cenfnsam et distribulivam; ta
men distinguendum est u. s. f.; es folgt nemlich nun die schon oben, Anm. 888,
angeführte Slelle.
936) Ebend. v. A: Tales reguioe, quod a superiori distributo ad snur« inferiva
est bona consequcntia, et ab universale ad singuiore est bona consequenlia, non .uml
generaliler verae, sed oporlet addere, quod ittud inferius non sit extra captum
Si praeiacens exceplivae sit vera, excepliva est falsa Nunquam excepliva est
propria,,nisi eius praeiacens sit universalts Non semper ab universali ad indefinitam
vel particuiorem est bona consequentia ..... JVon cmlitn'l propositioni univer
sali contradicit proposilio indefinita nec parlicutaris Sunt aliquae proposiliones
universales contrariae, quae tamen non habent aliquas proposiliones calegoricas subcontrarias
Semper itlud, quod excipitur in excepliva, debel esse aliquid enntenl
a in sub subiecto Quando ittud, super quod cadit exceplio , est commune, ad
veritalem talis exceplivae non requiritur, quod praedicatum insit universalsler itli,
super quod cadit exceplio, si sit execpliva negaliva, vel ojuod removeatur universaliler,
si sit affirmaliva.
937) C. 19, f. 31 v. A: Omnis proposilio, in qua ponitur aliquod istorum vertn,
nim „tncipit, desinil", habet diversas exponenles , quia quaelibet aequivalet uni
copuiolivae. Tamen ab aliquibus (vgl. Abschn. XVII, Anm. 263) diversimode assignantur
exponentes respectu diversorum, unde dicunt, quod aliler exponitur respectu
successivorum et permanenlium. Sed quamvis sie passet esse ad votuntalem ulenlium,
non tamen videtur multum ralionabiU'; ideo dir a, quod respectu cuiuslibet possunt
habere easdem exponenles Proposilio, in qua ponitur hoc verbum „incipil", ha
bet d,ms exponenles, quarum una est de praesenti affirmaliva et alia de praelerito
,u'i/ulirn , sie«f exponenles, istius „Soerales incipit esse albus" sunt istae „Soerales
est albus" et „Soerales anle immediale non erat af/mt" Hoc verbum „incipit"
polest dupliciler accipi , sc. stricte et proprie , et tunc exponitur, sicut dietum est;
aliler polest accipi iorge el improprie , et tunc sie exponitur „Est et non diu antc
fvil", sicut dicimus, quod haec arbor incipit florere liio propositio, in qua
ponitur hoc verbum „desinit", duas bo,bel exponentes : una est proposilio de prae
392 XIX. Occam (Urtheil).
und Prädicates solcher Urtheile gesagt wird , dient gleichfalls zur Er
gänzung dessen , was wir oben (Anm. 889) bezüglich der Supposilion
sahen938). Endlich werden als völlig parallel mit incipit und desinü
laufend auch die Formen des Verbums „fieri" besprochen 939), welchen
aus späterer Formalion dieser Lehre (s. bei Scotus ob. Anm. 186) leicht
noch viele andere Verba hätten beigefügt werden können.
Der dritte Theil der Lehre vom Urtheile soll sonach über die Um
kehrung handeln (s. Anm. 892), und es Verden dabei all die nemlichen
Arten der Urtheile wieder vorgeführt, für welche so eben die Gesichts
punkte der Wahrheit festgestellt worden waren. Bei sämmtlichcn aber
wird es dem aufmerksamen Leser nicht entgehen , dass in den Beispiel-
Sätzen dem umzukehrenden Urtheile das umgekehrte stets mit „ergo"
oder „igitur" angefügt wird, und somit Occam sich auf dem Standpunkte
Derjenigen befindet, welche schon früher die Umkehrung überhaupt zur
Consequentia gerechnet hatten (s. Abschn. XVII, Anm. 616, und Scotus
oh. Anm. 194). Nach der üblichen Eintheilung der Umkehrung in simplex,
per accidens und per contrapositionem , wobei zu bemerken ist,
dass Occam auch von einer Umkehrung „im weiteren Sinne" spricht940),
kommen zuerst die einfachen Inhärenz-Urtheile an die Reihe, bei welchen
jedoch Occam trotz besonderer Berücksichligung der singulären und un
beslimmten Urtheile dennoch von den scharfsinnigen Bemerkungen des
Scotus (ob. Anm. 196—199) keinen Gebrauch macht, sondern z. B. un
gestört der tradilionellen Lehre folgt, dass das parlicular verneinende
Urtheil gar nicht umgekehrt werden könne 941). Hingegen inil Scotus
(Anm. 200) widmet er besondere Erörterungen jenen Urtheilen, in welchen
senli affirmaliva , et alia de futuro negaliva cum hoc additamento „immediale
posl".
938) Ebend. f. 31 v. B: Cirea supposilionem lerminorum in talibus proposilionibus
est sciendum, quod subiectum !n l i um propositionum supponit eodem modo, sicul
in suis praeiacenlibus. Sed difficultas est de supposilione praedicali u. s. f. Diess
wurde schon oben, Anm. 889, angeführt.
939) C. 20, f. 32 r. B: Sie eliam proposilio, in qua ponitur hoc verbum „fit''
vel ei aequivalens, quale est hoc verbum „factus esl" vel „factum esl" vel huiusmodi,
habet duas exponenles , quarum una est de praesenli et alia de praelerito vel
de futuro.
940) C. 21, f. 32 v. A: Conversio est triplex, se. simplex, per accidens, et per
transposilionem seu eontraposilionem lerminorum Polest magis targe sumi conversio
simplex, quando est mutua conversio, sicul quando singutaris
convertitur in particuiorem et e converso Polest aliler vocari conversio per ac
cidens, sc. quando non est conversio mutua, sicut bene sequitur ,.0mms homo est
albus, igitur album est homo" Conversio per contraposilionem est, quando lermini
finiti mutantur in lerminos infinitos. f. .
941) Ebend.: Universalis negaliva de recto convertitur simpliciler targe accipiendo
conversionem simplicem Simitiler singuioris affirmaliv a convertitur in parlicu
iorem et indefinitam et singuiorem Simitiler singutaris negatk'a convertitur in
universalem negalivam vel singuiorem negalivam Simitiler tam indefinita quam
singuioris sive parlicuioris affirmaliva converlitur tam in particuiorem quam singu
tarem vel indefinitam Universalis affirmaliva converlitur per accidens
Parlicuioris negaliva non converlitur neque per accidens nec simpliciler Eodem
modo indefinita non converlitur. Auch hier verschmäht Occam die byzanlinischen
Bnchstaben und Memorialverse; vgl. Anm. 901 u. 955.
XIX. Occam (Urttaril). 393
ein Casus obliquus vorkommt942). Sodann folgen jene Urtheile, deren
Copula oder Verbum im Präleritum oder Futurum steht, und es werden
auch hiefür eigene Regeln der Umkehrung aufgestellt , welche auf den
obigen Regeln der Amplialion (Anm. 912) beruhen943). Indem hierauf
die Umkehrung der exponiblen Sätze erörtert werden soll, womit sich
gleichfalls schon Scotus beschäfligt hatte (s. Anm. 196), fmden wir hier
zunächst eine ziemlich nichtssagende allgemeine Bemerkung844), und dann
die betreffenden Regeln für die rcduplicaliven Urtheile9*5), hierauf für
die exclusiven946) und für die excepliven847) und zuletzt auch für die
Urtheile mit incipit und desinit 94s).
942) Ebend. : De propositionibus in obliquo non est enden: modo dicendum, sed
in itlis oportel frequenter mutalionem facerc ex parle vocis praeler transmutalionem
lerminurum, et cum hoc additur frequenler participium verbi, sicul sie arguende
„Nultus bnmo est in domo, ergo nultum existens in domo est homo" Quando in
tali propositione ponitur adverbialis delerminalio, itio in conversa non debel esse
delerminalio verbi, sed polius parlicipii eiusdem verbi, et sie „Creans sempef est
deus, ergo aliquid, quod semper est deus, est creons". Vgl. Anm. 903,
913, 971.
943) C. 22, f. 32 v. B: Cirea conversionem de praelerito et de futuro, ....quando
subiectum supponil personaliter, i. e. significalive, sciendum est, quod, quando subiectum
supponit pro eo, quod est, tunc itio proposilio debet converli in aliquam proposilionem
de praesenli accepto subiecto cum hoc verbo „fuil" et hoc pronomine „qui",
et non in proposilionem de praelerito. Unde ista conversio non valet „Nultum album
fuit homo, ergo nultus homo fuit albus", sed sie „ergo nullus, qui fuit homo,
est albus" Si aulem subiectum proposilionis accipitur pro eo, quod fuit, sie est
simpliciler converlibitis in unam de praelerito Ista aulem, quae dicta sunt de
propositione de praelerito, applicanda sunt proporlionabitiler proposilioni de futuro
Si subiectum sit lerminus communis vel inetudens lerminum communem cum pronomine
demonstraliv o, et praedicatum sit pronomen demonstralivum.sine addito vel proprium
nomen, tunc, si subiectum accipitur pro eo, quod est, converlitur in unam de prae
senli sine alia mutalione, sicul sequitur „Album erit Soerales , ergo Soerales est
albus" ; si aulem accipitur subiectum pro eo, quod erit vel fuit, convertitur
absofule de praelerito vel de futuro, et est mutua conversio.
944) C. 23, f. 33 r. A : Proposilio habens exponenles habet consimitem conversio
nem cum suis exponenlibus , et si omnes exponenles eodem modo convertuntur, ita
exposita eodem modo convertetur; si aulem una exponens convertatur uno modo et
alia alio modo , tune habebit conversionem consimitem cum conversione unius et non
cum conversione allerius. Tamen magis in speciali videndum est de islis.
945) Ebend.: Propositio reduplicaliva non convertitur in reduplicalivam, sed in
unam non reduplicalivam, cuius subiectum erit unum aggregatum ex praedicalo priori«
et itlo, super quod cadil reduplicalio , cum reduplicalione medianle hoc pronomine
„quod", sicul ista „Animal, inquantum homo, esl risibite" converlitur in istam „Aliquid,
quod, inquantum homo, est risibite, est antmal".
946) Ebend.: Exctusiva non converlitur in exctusivam; non enim sequitur
„Tantum animal est homo, ergo tantum homo est animal", sed ista converlitur in
universalem, sicul sequitur ,.Tantum animal est homo, ergo omnis homo est animal".
Et sicul dictum est de conversione proposilionum de praelerito et futuro, ita
dicendum est de conversione exctusivarum de praelerito et futuro.
947) Ebend. B : Excepliva non convertitur in exceplivam, sed in unam
non exceplivam , cuius subiectum erit unum aggregatum ex praedicqto exceplivae et
parle extra capta mediante hoc tolo „quod non esl", sicut „Omnis homo praeler Soeralem
currit" converlitur in istam „Currens, quod non est Soeraics, est homo".
948) Ebend.: Propositiones , in quibus ponuntur haec verba „incipit, desinil",
non convertuntur in simites, sed dantur tales proposiliones sie converli „Aliquis
homo incipit esse albus, ergo aliquid, quod incipil esse album, est homo".
394 XIX-. Occam (Unheil).
Mit besonderer Ausführlichkeit behandelt Occam die Umkehrung der
modalen Urtheile, welcher wir auch schon bei der jüngeren Formalion
der byzanlinischen Logik und bei Scotus begegnet waren (s. Abschn. XVII,
Anm. 587 f. u. ob. Anm. 201). Dass dabei überall jener Unterschied
zwischen sensus cvmpos.üus und sensus divisus (s. ob. Anm. 914) zu
Grunde gelegt wird, versteht sich von selbst; ausserdem aber kehrt auch
stets die Regel wieder, dass, was in Bezug auf Modalität von dem um
zukehrenden Urtheile gelte, in gleicher Weise von dem umgekehrten Urtlieile
gelte. So seien die Nothwendigkeits-Urtheile im sensus compo
situs ebenso umkehrbar wie die Inhärenz-Urtheile (anderer Meinung war
Scotus), hingegen im sensus divisus könne die Umkehrung nur durch
eine Abänderung der Worte bewerkstelligt werden949). Ebenso verhalte
es sich bei den Möglichkeits- Urlheilen, insoferne man „possibilis" im
Sinne von „non impossibilis" nehme und bei Gemein - Begriffen die
Supposilions - Fähigkeit derselben beachte950). Die Umkehrung der Unmöglichkeits-
Urtheile sei im sensus compositus die nemliehe wie bei den
Inhärenz-Urtheilen, aber im sensus divisus treffe sie mit jener der Nothwendigkeits-
Urtheile zusammena51). Die Zufälligkeits - Urtheile („'«mtin*
gens", welches somit hier nicht als synonym mit possibile genommen
wird, wie bei Petrus Hispanus, s. Abschn. XVII, Anm. 165) seien zu
unterscheiden, je nachdem bei der Umkehrung die Qualität unverändert
bleibe oder geändert werde; im ärsteren Falle treffe die Umkehrung beim
sensus compositus mit jener der Inhärenz-Urtheile zusammen, während
C. 24, f. 33 r. B: Videndum est, quomodo propositiones modales convertuntur,
et primo de conversione proposilionum de necessario Quando modus ponitur
cum dicto , propositio est distinguenda secundum composilionem et divisionem
(s. ob. Anm. 914) In sensu composito .... fafes propositiones convertuntur sicut
suae de messe, quia in conversione talium arguitur semper per istam reguiom „Si
unum convertibitium est necessarium, et reliquum erit necessarium" vel per istam „Si
anlecedens est necessarium, et conseqtlens erit neccssarium" Sciendum est eliam,
quod phitosophus in primo Priorum probat tantum, istas de necessario converti in
sensu composito vei eis aequivulentes et non alias (vgl. hingegen unten Anm. 985,
und bei Scatus ob. Anm. 201) Cirea conversionem proposilionum de necessario
sumptarum in sensu diviso est sciendum, quod non sunt conecrlibiles nulio inutalione
facta ex parle vocis praeler transpostiionem lerminorum; non enim sequitur per naturam
conversionis „Nullus homo de necessitale est asinus, ergo nultus asinus de
necessitale est homo".
950) C. 25, f. 33 v. A : Cirea conversionem proposilionum de possibiti est primo
sciendum, quod in hoc capitulo accipiendum est semper possibite, quod est commune
ad necessarium et ad contingens^ quod non est necessarium, ut possibite sit idem
quod non impossibite Sie aulem accipiendo possibite est sciendum, quod eaedem
reguioe , quae dictae sunt de conversione propositionum de necqssario, accipiendae
sunt cirea conversionem proposilionum de possibiti; nam sumpta in sensu com
posito est eodem modo convertenda sicut sua de inesse, quia st unum converlibite
est possibite, el reliquum Quando subiectum propositionis de possibiti est
lerminus communis vel inctudens lerminum communem, proposilio est distinguenda, eo
quod subiectum polest supponere pro his, quae sunt, vel pro eis, quae possunt esse
(vgl. Abschn. XVII, Anm. 225 tf.).
951) C. 26, f. 33 v. B: Propositiones de impossibiti acceptae in sensu composito
convertuntur sicul suae de inesse, quando itioe de inesse convertuhtur simpliciler,
quia si unum convertibite est impossibite, el reliquum Si aulem propo
sitio de impossibiti sumatur in sensu divisionis, tunc convertibitis est sicut itio
de necessario. . '•
XIX. Occam (Unheil). 395
beim sensus divisus es auf die Supposilions - Fähigkeit der Begriffe an
komme95^); im letzteren Falle könne es sieh nur um den sensus divisus
handeln,953). Endlich hei den übrigen Modalitäten (scitum, opinatum
u. s.;.f.) sei zu untersuchen, oh dieselben in dem umzukehrenden Urtheile
bedingt seien durch ihre Zulässigkeit im umgekehrten Urtheile, oder ob
das umzukehrende hierin -vom umgekehrten unabhängig sei ; beim senms
eomposüus könne im ersteren Falle keine simplex conversio, im letz
teren Falle aber gar keine Umkehrung stattfinden ; hingegen beim sensus
divisus. .treffe die Umkehrung solcher Urtheile wieder. ,, mit 'jener- der
Inhärenz-Urthcile zusammen954). !!?'„•' ': •«;•; • • in1
Da aber nun mit der Lehre von der Umkehrung' eigentlitih die Auf
gaben erledigt sind, welche von Anfang für die Lehre : vom Urtheile vor
gesteckt waren (ob. Anm. 892), so macht es allerdings den Eindruck
eines • tosslichen Nachhinkens, wenn nun doch noch besondere Erörterun
gen über das hypothelische Urtheil und dessen Unterarten folgen. Warum
diese Gruppe nicht schon oben vor den modalen Urtheilen (d. h. nach
Anm. 913) ihre angemessene Stelle gefunden habe, 'ist 'schlechterdings
nicht, einzusehen, und ich glaube, dass diese Verschiebung des richligen
Zusammenhanges nur der arrangirenden Hand des Herausgebers zuzu
schreiben ist , welche ohnediess hiebei deutlich genug hervortritt (s. so
gleich ; Anm. 961 f.). Das hypothelische Urtheil wird vorerst in jene
unulirl,r.n fünf Unterarten wie schon oben eingetheilt (d. h. wieder mit
Weglassung der proposüio localis , s. Anm. 894), und die Bemerkung
hinzugefügt, dass scheinbare andere Arten sich auf jene zurückführen
952) C. 27, ebend.: Captendum est contingens ad utrumlibel, ut itio sola proposjlio
dicatur contingens, quae nec est nccessaria nec impossibitis Talis propositio
habet duas conversiones , unam in lerminis et aliam per oppositas qualitales;
ideo primo videndum es.t de prima Proposiliones de conttngentt sumptae in sensu
composilionis et eins aequivalentes eonvertuntur sicul suae de inesse, quando suae de
inesse convertuntur simpliciter; et höc est, quia si unum convertibite est conlinijens,
et'reliquum.. . .. Si aulem itta de contingenli sitmalur in »ensu dirisn, tanc,
si itio proposilio habeat pro subiccto lerminum communem vel uliquid inctudens ler
minum communem vel eliam participium vel aequivalens ei, itio pröposilio est
dislinguenda, eo quod subiectum polest supponere pro his , quae sunt , vel pro 'hü,
quae conlingent esse.
953) C. 28, f. 34 r. B: De conversione proposilionum de contingenli per oppositas
qualitules est sciendum, quod quaelibel pröposilio de conlingenti ad utrumlibet, si
sumatur in sensu divisionis , converlitur per oppositas qualitales, i. e. affirmaliva in
negalivam ei e oonverso, sicul sequitur „Omnis bomo contingenler currtt, ergo
omnis komo conlingenler non curril". ' t '
954) C. 29, f. 34 v. A : Restat dicere de conversion« proposilionum modalium,
quae non ab omnibus conceduntur esse modales, quae tamen vere sunt modales^' sicul
d,rtum est prius (s. Anm. 894) ; et quia sunt quasi innumerabites, idco non inlendo
diecre de omnibus in speciali, sed volo dare aliquas regutas generales Quando
aliquod »omen modale non polest verificari de uno conrertibiti sine hoc, quod verificetur
de reliquo, talis proposilio mo,talis sumpta in sensu compositn non convertitur
simpliciler, quanvis sua de inesse convertatur simpliciler; si aulem possit veri/icari
de antecedenle sine hoc, quod verificetur de Konsequenle, talis pröposilio sumpta in
sensu compvsito non converlitur, .... quia ista reguta non est generaliter vera „Si
unum convertibitium est scitum, ergo reliquum est scitum" Proposiliones modales
in sensu diviso et eis aequivalenles convertuntur sicut ittae de ihesse\ ithi aliqua
adverbialis delerminalio additur verbo. M : 'l• .1 .";. ' •' »•
396 XIX. Occam (Unheil).
lassen, wie z. B. die Prohibiliv-Sätze auf causale955). Indem sodann die
genauere Erörterung der proposüio conditionalis auf die Lehre von
Consequentia verschoben wird956), unterliegen die übrigen vier Arten
einer ziemlich ungleichmäßigen Behandlung, da die Casuislik der Moda
litäten in willkürlicher ön vollständigkeit durchgeführt und dort oder da
ein beliebiges Bruchstück aus den Consequentiae eingestreut wird; in
solcher Weise folgen unter Angabe der Regeln der Wahrheit zuerst
die proposüio copulativa'!b1}, dann disiunctiva95^, hierauf causaii*959)
und zuletzt lemporalis960). Wenn aber sodunn dennoch, d. h. trotz der
ausdrücklichen Angabe in Anm. 894 u. 955, als sechste Unterart die
localis besprochen wird 961), welche allerdings von Anderen noch beige
zogen worden war (s. Abschn. XVII, Anm. 583 f.), so muss ich diess eben
darum entschieden als eine Interpolalion des Herausgebers bezeichnen.
Und das Gleiche gilt mir von einigen am Schlusse angehängten Bemer
kungen über Adverbien und Conjunclionen962).
955) C. 30, f. 34 v. B: Postquam transcurrendo de propositionibus calegoricis
et de proprietulibus eamm est tractatum. nunc de proposilionibus hgpothelicis et
proprietalibus earum sunt aliqua pauca addenda Propositionum hgpolhelicarum
quinque assignantur species: conditionalis, copuioliva, disiuncliva, causalis, lemporalis
(hier wie oben, Anm. 894, ist, — abgesehen von der gleichioutenden Aufzähtung
der fünf Arlen — , das Wort „quinque" Dicht als Ziffer, sondern mlt Bucbstaben
gedruckt, und sonach eiu Urucklehler nicht wahrscheinlich) Sunt multae
propositiones hgpolhelicae praeler praedictas, quae tamen ad praedictas reduei
debent, unde ista „Soerales phitosophatur , ne sit ignorans" aequivalel isli „0usa
Soerales non vult esse ignorans, Soerales phitosophatur".
956) C. 31, f. 35 r. A: 0uia condilionalis aequivalet uni consequenliae, ita quod
tunc condilionalis est vera , quando anlecedens infert consequens et non aliler , ideo
differatur usquc ad tractatum de consequentiis (s. AnmtlOlO ff.) Est aliquando
condilionalis necessaria, et quaelibel pars eins est impossibitis, sicut „Si Soerales est
asinus, Soerales est rudibitis".
957) C. 32, ebend. : Ad veritalem copuiolivae requiritur, quod utraque pars sit
vera, et ad necessitatem copuiolivae requiritur, quod utraque pars sil neces
saria n. s. w. Ebenso bei possibititas und .impossibititas A coputaliva ad utramque
parlem est bona consequentia Quandoque ab allera parle coputalivue ad
lotam polest esse bona consequentia gralia maleriae.
958) C. 33, f. 35 r. B : Ad veritalem disiunclivae requiritur , quod allera pars
sit vera; et hoc est inlelligendum, quando propositiones sunt de praesenti et non de
fnturo nec aequivalentes propositionibus de futuro Ad possibititalem disiuncti-
»ae sufficit, quod allera pars sit possibitis; sed ad hoc quod disiuncliva sit impos
sibitis, requiritur , quod utraque pars sit impossibit,s 0/,postfa contradictoria
disiunctivae est una coputaliva composita ex contradictoriis parlium ipsius disiuncli
vae Ab aliqua parle disiunclivae ad lolam est bonum argumentum , et e converso
est faliocia consequenlis A disiuncliva cum negalione allerius parlis ad
alleram parlem est bonum argumentum.
959) C. 34, ebend.: Ad veritalem causalis requiritur, quod quaelibel pars sit
vera, et simul cum hoc, quod antecedens sit causa consequentis Ad necessitalem
causalis requiritur necessitas utriusque partis ; sed ad impossibititalem causalis
non requiritur impossibititas nec falsitas alicuius parlis, sed suf/icit, quod anlecedens
non possit esse causa consequenlis. , • •i" , •'
960) C. 35, f. 35 v. A: Ad veritalem lemporalis requiritur veritas utriusque par
lis vel pro eodem lempore vel pro diverso Ad necessitalem lemporalis requiritur
necessitas utriusque partis Ad impossibititalem lemporalis non requiritur im
possibititas alicuius partis, sed sufficit, quod partes sint incompossibites.
961) C. 36, ebend.
962) C. 37, f. 35 v. B.
XIX. Occam (Argumentalion). 397
, De,o dritten Haupttheil des Compendiums bildet die Lehre von der
Ar.giimentation,welche in vier Unterabtheilungen zunächst die eigentliche
Syllogislik , dann die aristotelische Lehre vom definitorischen Wissen,
hierauf die Topik mit Einschluss der Consequentiae und zuletzt die Sopbislik
enthält. .Occam bleibt dabei seiner ganzen grundsätzlichen Stel
lung, : welche : er , für die Logik überhaupt eingenommen hatte, nur gelreu,
wenn .er in der ersten und dritten dieser Unterabtheilungen wieder iu
möglichst, reichem Maasse das Material der byzanlinischen Logik mit der
aristotelischen; Lehre durchgängig verflicht. Nur drängt sieb uns auch
hi,T abermals die Bemerkung auf, dass Solches sicher nicht individuelle
Erfindung des Occam allein sei, sondern schon gar Manche, vor ihm,
welche sich unserer Forschung entziehen, Bausteine zu dieser Gestaltung
der .Lehre von der Argumentalion geliefert haben müssen. • : • . •.
Occam unterscheidet vom Syllogismus im engeren Sinne, wornach
derselbe der edelste und grundlegende Tbeil der Argumentalion ist983),
den' Syllogismus 'im weiteren Sinne, welchen er somit in .einen eigent
lichen demonstraliven, einen topischen wahrscheinlichen , und einen nach
Form oder Inhalt verfehlten eintheilen kann ; dabei aber macht er gele
gentlich dem wissenschaftlichen Betriebe das unübertreffliche Zugeständniss,
dass Glaubens-Arlikel für diejenigen Philosophen, welche Weltkinder
sind (sapientes mundi), nicht nur nicht als Beweisgründe gelten, sondern
nicht einmal Anspruch auf Wahrscheinlichkeit haben964). Er wendet sich
nun sofort zu den Formen des kategorischen Schlusses, wobei er an der
Dreizahl der Figuren festhält und die Berechligung einer vierten Figur
aus dem neinlichen Grunde wie Scotus (ob. Anm. 207) abweist965). Die
Ableitung der Modi der einzelnen Figuren stützt er, wie schon Albert
nach arabischem Vorbilde gethan hatte (Abschn. XVII, Anm. 463), auf
die mathemalisch möglichen Combinalionen zweier Urtheile966).
963) HI, l, C. l, 'f. 36 r. A : Nunc ad lertium tractatum de argumenlis est accedendum
, et quia infer omnes species argumentalionis sgllogismus oblinet principatum,
ideo de sgllugismo est primo dicendum.
964) Ebend.: Sgllogismus accipitur aliquando pro uno communl omni sgllogismo,
ita quod sgllogismorum quidam sunt demonstraliv!, quidam topici, qui
dam nec lopici nec demonstralivi Demonstralivus est ule, in quo ex proposilionibus
necessariis evidenler nolis polest accipi prima nolilia conctusionis
fopiei,s est sgllogismus ex probabitibus, quae videntur omnibus vel pturibus ml maxime
sapiehlibus; et sie arliculi fidei nnn sunt principia deman'stralionis nec
conctusionis, nec sunt probabites, quia omnibus vel pturibus vel sapientibus apparent
falsi, et hoc accipiendo sapienles pro sapienlibus mundi et praecipue innilenlibus ralioni
naturali, quia itlo modo accipitur sapiens in desrriplione scienliae vel phitosophiae
(vgl. ob. Anm. 733) Sgllogismus, qui nec est demonstralive nec topicus,
polest il , mii, IfH/'u quidam est ex improbabitibus, quidam non ex improbabitibus, sive
quidam peccal in maleria, quidam non peceat in maleria.
965) C. 2, f. 36 r. B: Tantum sunt tres figurae , et non est apponenda
quarta figura, quia, si medius lerminus praedicatur in prima proposilione et subiicitur
in secunda, non erit nisi transposilio propositionum positarum in prima figura, et
ideo non sequitur aliqua couelusio, quam itio, quae sequitur ex praemissis disposilis
in prima figura.
966) C. 3, f. 36 v. A: Erunt sexdecim combinaliones , quarum ituodecim peccabunt
contra praedicta principia (d. h. gegen die bekannten Grundgesetze der ersten
Figur) Palet , quod tantum sunt quatuor modi ulites sive ulitium combinalio398
XIX. Occam (Argumentalion).
Nachdem er bttreffs der ersten Figur hervorgehoben , dass die
Schiiissfähigkeit ihrer Modi immer zuletzt auf dem sog. üictum de omni
et de nullo herahe und dabei mir eine Zweideuligkeit des Ausdruckes
ein lliini,'i niss bereite, wofQr man sogar Regeln aufstellen könne, welche
im Ganzen anf die bekannte spätere Formulirung „Zum re tum sensu
lriplex modo lerminus esto" hinauslaufen 967), zählt er die indirecten
Schlussweisen dieser Figur auf, fügt aber hiebei zu den fünf theophraslisrhrii.
welche er auf Umkehrung und Umstellung der Prämissen zurück
führt, noch vier neue hinzu , welche auf vollständiger Ausnützung des
Schlnss-Satzes beruhen und nach der üblichen Gestaltung der Nomenclatur
die Namen Barbari, Barbaris, Celaront, Celantog (— wenn ich um der
Kürze willen mich so ausdrücken darf —) tragen müssten 9u8); auch
weist er nach der Besprechung einiger Sophismen, welche kaum Erwäh-
,unn. Ebenso bei der zweiten Figur, C. 10, f. 39 r. A, sowie bei der dritten,
C. 14, f. 39 v. B.
967) C. 4, f. 36 v. B : Quando praemissac disponuntur in modo et figura,
semper est bonus sgllogismus, nisi aequivocalio impediat vel amplnbologia. ' Als
Beispiele folgen dann. Sätze der Theologie, besonders betreffs der Triuiti,l, und
hierauf (11.5, f. 37 v. B) mehrere Regeln der Vorsicht: Ad videndum, quflndo ,discursus
nnn reguiotur per dici de omni vel de ,mttn, intelligendae sunt hae reguioe:
Quandocunque minor habet aliquam exponenlem negalivam, talis discursus non
polest reguldri per diei de omni vel de nulle..... Quandocunque in minore denolatur;
prasdicatum dici de sublecto, cum al,qu« modo dcterminante composUionem non expresso
in maiore , qui modus yositus vel nun positus varial propositionem qv.antnn,
ad veritalem vel falsitatem, taiis discursus non regutatur (f. . 38 ,r. ^) Qu,andocurique
per maiorem non denoiatuf, praedicatum vere affirman vet vere nigdri de
pronomine demonstrdnte quodcunque," qubd. est realiler- idem cum significato per subiectum,
tunc uccipiendo subirctum aliquid tale non eiit syllogismus reguldlus
Quando in minore ponilur aliqais modus, qui denotalm compeiere toli proposilioni,
st in maiore hoc non denoletur, non semper talis discursus reguiobitur Alia
reguio est, quod nultus lerminus in praemissis vel in conctusione , (B), Alia regula est, quod nuttum sgncalegorquma, nisi fqrsleu.mastiugr.vvamequuinviovceer.
sale vel parlicuiore qddituq, sublecto, addatur vel auferatur in minor& vel conctusione
praeter ilio, quae sunt in maiore. ..... .. , , .{.. ' ,
968) C. 6, f. 38 r. B : Isluc conelusiones (A. h. die vier aristatelischen ersten
Modi) siu,l primo sequenles ex praemissis; mediale tamen et secundario sequuntur
aliae conctusiones. Nan\ in primo modo praeler universalem conelusionem sequitur
conctusio particuioris et conversa conctusionis universalts • et ita tres conctusiones
sequuntur in primo modo, et Ullimo, conctusio ponitur sequi in itlo modo, qui dicitur
Baralipton. 'Ex 'praemissis aulem disposilis in secundo mo.o^o sequuntur quatuor con
ctusiones: prima universalis negalivd, secunda conversa itlius univ.ersatfs^et iunc
habetur itle modus, qui dicitur Ceiontes; lertia est particuioris suballerna primae uni
versalis; quarta est parlicuioris et negaliva de lerminis transposilis , quae est sub
allerna secundae conctusionis universalis. Ex praemissis vero in.lerlio modo sequuntur
duae conclusiones, sc, particuioris directa , et secundario conversa itlius, et tunc
habetur itle modus, qui dicitur Dabitis. Ex praemissis in quarto modo non sequitur
nisi una conctusio, quia particuioris negaliva non convertityr • sed itio eadern con
ctusio patlicularis negaliva sequitur ex universali affirmaliva .de 'terminis transposilis
ipsius minoris et universati negalivd convena maioris ipsius, proposilionibus trans
posilis conctudentibus conctusionem indirectam; simititer ex conversa maioris et mi
noris transposilis pracmissis et indirecle conctudenlibus ; et tunc habentur itli duo
modi Fapesmo et Frisesomorum. Omnia aulem praedicta probantur per istas regutas,
quae semper sunt verae „Quidquid sequitur ad conseguens , sequitur ad anlecedens''
et „Qvidquid sequitur ad consvquens cum addita propositione, sequitur ad anteeedcns
cum eadem propositione". Vgl. Pseudo-Thomas, ob. Anm. 342.
XIX. Occam (Argumentalion). 399
nung verdienen !)u9), mit Recht darauf hin, dass der Obersatz in der
ersten Figur unter Umständen auch ein singuläres Urtheil sein kann9'0).
Ferner aber verauiasst ihn seine Fürsorge für jene Urtheile, in welchen
ein Casus obliquus vorkommt (vgl. Anm. 903, 913, 942), nun auch zu
untersuchen , ob und wann in der ersten Figur mittelst solcher Urtheile
geschlossen «erden könne, und er tindet, dass diess der Fall sei, wenn
der Casus obliquus im Obersatze steht und in der nemlichen Stelle, iu
welcher er dort ist, im Schlusssatze wiederkehrt, sowie ausserdem noch
bei vier anderweiligen besonderen Constellalionen der Begrille971). Bei
der zweiten Figur denkt er gleichfalls an die möglichste Ausbeutung des
negaliven Schlusssatzes und lügt somit noch mehr neue Modi, als Pseudo
Thomas (ob. Anm. 342), zu den aristotelischen hinzu, nemlich vier Schluss
weisen, welche Cesares, Camestros, Cesaro, Cesaros heissen müssten11 '2),
während er bezüglich der Reduclion der üblichen Modi auf die erste
Figur bei Baroco dem tradilionellen Standpunkte folgt073). Die Casus
ooliqui liegen ihm aber auch hier wieder so sehr am Herzen, dass er.
969) C. 7, ebend. : Per praedicta possunt solvi multa argumenta (z. B.)
„Omn,, auimat, si est sensihile, est corpus Uliimatum; iopis esl animal, si est sensibite;
ergo tapis est corpus animatum" (die Lösung) Moior est distinguendu
secundum compositionem et divisionem (s. Anm. 914 u. 949) vel secundum amphibologiam.
970) C. 8, f. 38 v. A: Eliam sequitur evidenler, si maior sit singuioris aftirmaliva
vel negaliva; bene enim sequitur (z. B. beim vierten Modus) „Soerales
non cunit, Aliquid album est Soerales, ergo aliquid atbum non cunif" (die Beispiele
für die ersten drei Modi sind ganz einfällig, wie beim erslen: „Soerutes est albus,
Omnis homo est Soerales, ergo omnis homo est albus") Ideo talis sgllogismus
est bonus sicut itle, qui regulatur per dici de omni vel de nullo, quia eliam
subicctum singuiore supponit pro omni suo significato. • '•' ' •« •
971) C. 9, ebend.: Cirea sgllogismum de obliquis est sciendum, quod , quando
maior est de obliquo et minor de recto , semper sequiHir conelusin de obliquo et re-
,juioi,', per dici de omni vel de nullo , dummodo obliquitas cadat a parle eiusdcm
extremi in conctusione, a parle cuius cadit in maiore, e. g, „Omnem hominem
videt asinus , Soerales est homo , ergo Soeralem videt asinus" „Nultus homo
est astni, Soerales est homo, ergo Soerales non est asini" Procler praedictos
modos reguiotos in quatuor casibus est bonus discursus: (ich witl an
Stelle der iongathmigen Formulimng für jeden der vier Falle nur Eines der Bei
spiele Occam's auswählen) „Xullins hominis esl asinus, Omne risibite est hnn,inin,
ergo nullum risibite est asinus" ,,JVuf us asinus videl hominem, Omne risibite
videt asinus, ergo nultum risibite est homo'' „Omnis homo est animat, Soeralem
videt homo, ergo Soeralem videl animal" „Omnis homo cnrrit, Soerales- vi
del hominem, ergo Saerales videl currentem". • ' •i'•
972) C. 10, f. 39 r. B : Sicut ex praemissis in prima figura aliquando sequuntur
ptures conctusiones, ita est cliam in secunda figura. Unde ex praemissis
sgllogismorum universalium sequuntur quatuor conctusiones, sc. duae directae universul,'
s nc^alivae et suae suballernae (die Ausgaben haben „umerrsalit, negalica et sua
suballernu", es geht jedoch aus der Parallele mlt der erslen Figur unzweifelbaft
hervor, was Occam wolle), et duae indirectae, sc. cunversa primae conctusionis universalii
et suballerna eiusdem. Ex praemissis aulem sgllogismorum parlicutarium
sequitur nnn solu conctusio , sc. particuioris negaliva, quia itta non est concert,bitis
(s. Anm. 941). Sed ex praemissis transposilis lerminis non sequitur uliqua conctu
sio in secunda figura, quia tunc praemissae essent in lertia figura dispositae.
973) t). 11, f. 39 v. A: (luartus modus reducitur per impossibite ad primum
modum primae figurae arguendo ex contradietorio conctusionis et maiore, mferendo
contradictorium minoris.
400 XIX. Occam (Argumentalion).
die sie betreffenden fünf Schlussweisen noch früher zu erwähnen sich
beeilt974), ehe er den jedenfalls wichligeren Grundsatz nachweist, dass
auch in der zweiten Figur aus bejahenden Prämissen ein Schluss möglich
sei, wobei er jedoch die Sache etwas ungeschickt angreift975). Hei der
dritten Figur weist er wie Pseudo-Thomas (a. a. 0.) auf die Umkehrbarkeit
des Schlusssatzes in Darapli, Disamis und Dalisi hin978), und
fügt gleichfalls die beim Vorkommen eines Casus obiiquus statthaften
Schlussweisen bei977). Gleichsam als Anhang zu den drei Figuren be
spricht er den sgllogismus expositorius, aber in ganz anderer Weise
als Scotus (ob. Anm. 206); denn üccam beschränkt denselben ausschliesslich
auf die dritte Figur und slimmt nur darin tbcilweise mit der früheren
Tradilion überein , dass er zugleich Singularität beider Prämissen fordert
und negalive Untersätze ausscbliesst !)7*'). Ausserdem noch widmet er,
974) C. 12, rbrml. : Sgllogismus ex obliquis valet in sccunda figura Bei
spiele der fünf Fälle sind: „flultum equum videl asinus, Omnem hominem videt
asinus, ergo null n s homo est equus" ,flultus asinus est hominis, Omnis bos
est hominis, ergo nullus bos est asinus" „Omnis homo est animat, Nullus asinus
est animalij, ergo nultus asinus est hominis" „Omnis asinus est animat, Nullius
hominis est animat, ergo nullius hominis est asinus"..... Nultus homo videl asinum,
Omne risibite est asinus, ergo ,m |l um risibite videl homo".
975) C. 13, f. 39 v. B: Quautvis dictium sit superius, quod ex affirmalivis non
conlingit arguere in seennda figura , tamen ab Mn reiiuio generali sunt duo casus
excipiendi. Primus, si medius lermmus sit lerminus discretus, ...... sieut „Omnis
homo est Soerales, pioto est Soerat,'s,. ergo Piolo est homo" (abgesehen Ton der uQübersteiglichen
Dummheit dieses Beispieles ist Occams Meinung überhaupt nur bei
singuläreu Urlbeiten, welche sich umkehren iossen, haltbar; gesetzt z. B. man
liesse folgende zwei Urtheite Irolz der in ihnen liegenden Uebertreibung als wahr
gellen „Alle moderne Krilik beruht ursprünglich auf Lessing" und „Der grösste
Genius des vorigen Jahrhunderts ist Lessing", so könnle mitlelst der nöthigen Vor
kehrungen ganz normal geschlossen werden „Auf dem grössten Genius des vorigen
Jahrhunderts beruht alle moderne Krilik") Secundus casus est, quando medius
lermmus sumitur cum signo universal», ....bene enim sequitur „Omnis homo est omne
risibite, Soerales est omne risibite, ergo Soerales est homo" (wesentlich ebenso)
In duobus praedictis casibus non sotum conlingil arguere ex universalibus affirmalivis,
sed eliam ex omnibus affirmalivis parlicutaribus. Ein Verdienst Occam's ist
jedenfalls der Hinweis auf die singulären Urtheite (vgl. Anm. 970); nur müsste eine
Logik, welche hierauf näher einginge, auch die Umkehrb.arkeit dieser, sowie der
parlicuioren, Urtheite präciser ins Auge fassen. , . ,,.„! ..,.:.
976) C. 14, f. 40 r. A : Sicul in prima figura aliqui modi coneludunt indirecte,
ita eliam in lertia figura; nam quitibel modus affirmalivus conctudit dm,s conctusiones,
sc. n,mm directam et suam conversam; modi aulem negalivi conctudunt tantum unam.
977) C. 15, f. 40 r. B, woselbst unter mehreren Beispielen folgende vor
kommen: „Omn,s asiuus est hominis, omnis asinus est animat, ergo aliquod animal
est hominis" „Omnis asinus est animal, Omnis asinus est hominis, ergo hominis
est animal" „Nullus asinus est Soeralis, Omnis asinus est Piolonis, ergo Pioto
non est Soerales" u. s. w. , ,
978) C. 16, f. 40 v. A : Sgllogismus expositorius est , quando arguitur ex dualms
singuioribus in lertia figura , quarum singuiorium subiectum supponit pro aliquo
uno numero, quod non est ptures res, ..... hoc addito, quod minor sit affirmaliva,
quia, si minor sit negaliva, non valel sgllogismus Unde omnes tales sgllogismi
sunt boni „Soerales non est aggregatum per accidens, Soerales est homo albus, ergo
homo albus non est aggregatum per accidens. (An einer anderen Stelle, II, 27, f. 34
r. A, polemisirt Occam gegen jene Theologen, welche den sgllogismus expositorius
Überhaupt als solchen verneinen, indem sie in ihm stets irgend ein Sophisma er
blicken: Sgllogismus expositorius est ex se evidens nec indiget ulleriori probalione,
XIX. Occam (Argumentalion). 401
entsprechend seinem Verfahren hei der Lehre vom Urtheile (s. Anm. 912
u. 943), denjenigen kategorischen Syllogismen eine besondere Erörterung,
in welchen Urtheile vorkommen, deren Verbum im Prätcritum oder im
Futurum steht, und er zeigt durch die drei Figuren hindurch, in welcher
Weise und mit welcherlei Supposilion derarlige Schlüsse möglich seien979).
In peinlichster Ausführlichkeit aber bespricht er die modalen Syllo
gismen, indem er auch hier sich bei der schlichten und doch umfassenden
Auseinandersetzung des Aristoteles (Abschn. IV, Anm. 558 —578) nicht
begnügen zu können glaubt , sondern diese ganze Lehre durch seine be
liebte Unterscheidung zwischen sensus composüus und sensus divisus
(s. oh. Anm. 914 u. 949 ft.) umformen will. Wenn wir auch im Ver
gleiche mit den übrigen Autoren des Mittelalters , welche aus der ihnen
wohlbekannten Analylik des Aristoteles diese ganze schwierige Gruppe
hinwegliessen oder in oberflächlicher Kürze abmachten, bei üccam den
hingebenden Fleiss und die Verschwendung eines einseiligen Scharfsinnes
anerkennen müssen, so hat derselbe dennoch gerade durch jenen byzan
linischen Formalismus das Ganze derarlig ertödtet, dass für eine be
sonnene Wissenschaftslehre oder Logik hieraus keinerlei Frucht erwachsen
kann, während die philosophische Basis, welche bei Aristoteles diesem
Formen-Getriebe im Begriffe der Möglichkeit einwohnt, vielleicht noch
heutzutage einer Wiedererweckung und Ausbeutung werth wäre (und
zwar in anderer Weise , als die „induclive Logik" thut , wenn sie diese
Fragen berührt oder streift). Occam verfährt bei seiner unfruchtbaren
Casuislik in Trennung des sensus composüus und des sensus divisus
und nötigenfalls in Beiziehung der Supposilionsfähigkeit der amplialiven
Worte (vgl. Anm. 950 u. 952) derarlig, dass er nicht die drei Schluss
figuren zum obersten Eintheilungsgrund macht, sondern sich nach den
Arten und Unterarten der modalen Schlüsse richtet und jede einzelne
derselben nach der Reihe der drei Figuren erörtert. So behandelt er
(— die Einzeln-Darstellung dieser ganzen Lehre darf ich wohl füglich in
den Raum der Anmerkungen verlegen, da ich ausserdem im Texte nur
das Nemliche in deutscher Uebersetzung wiederholen müsste —) zuerst
el ideo multum errant, qui negant talem sgltagismum in quacunque maleria, nisi
possent ibi oslendere faliocitu«; et quia sgllogismi expositorii , qui sunt ex se
evidenles, frequenter negantur a modernis theologis , ideo contra tales non est disputandum,
cum .negant per se nola.)
979) C. 17, f. 40 v. A: Videndum est, quomodo sgllogizandum est ex propositionibus
de praelerilo el futuro (In der ersten Figur) Quando medius lerminus
est lerminus commuriis, si subiectum maiori» supponit pro his, quae sunt, minor debet
esse de praesenli ...... sie arguendo nOmne album fuit Soerales, Pioto est albus,
ergo Pioto fuit Soerales'' Cirea propositiones de futuro si subiectum maioris
accipßur pro' his, quae erunt, minor debet esse de futuro; si accipitur pro his, quae
sunt, minor debet esse de praesenti C. 18, f. 40 v. B: Ex ambabus praemissis
de praelerilo in secunda figura sequitur conctusio de praesenli, quando .... utriusqu'e
subiectum supppnit pro his, quae sunt, sieut „Nultum album fuit homo, Omne
nigrum fuit homo, ergo nullum nigrum est album" C. 19, f. 41 r. A: In lertia
/i',n,-u , si subiectum utriusque praecise accipitur uniformiter, semper sequitur con
ctusio de praelerito, subiecto eonctusionis acceplo pro eo, quod fuit Si aulem
maior sit de praelerito et minor de praesenli, si subiectum maioris supponit pro his,
quae simt, sequitur conctusio de praelerito, subiecto eonctusionis sumptu pro his,
quae sunt.
PHAMTL, Gesch. III. 26
402 XIX. Occam (Argumentalion).
jene Syllogismen, Welche aus zwei gleicharligen modalen Urtheilen gebildet
werden, d.h. entweder aus zwei Nothwendigkeits-Urlheilcn980) oder aus zwei
Möglichkeits-Urtheilen 9s1) oder zwei Zufälligkeits-(ctmlinjfl) Urtheilen 982)
980) C. 20, f. 41 r. B : Quando dictum proposilionis ponitur mm modo , itio
proposilio est distinguenda secundum composilionem vel divisionem vel secundum amphibologiam
Cirea primam figunim est sciendum , quod, quando praemissae de
necessario sunt acceptac in sensu composito, semper cst bonus »gllogismus infereus
consimitem conctusionem quantum ad sensum compositum Sed quando omnes
propositiones. sumuntur in sensu diviso , tunc semper sequitur conctusio directa;
sed Mi quinque modi primae figurae conetuilentes indirecte non conctudunt in uniformi
conelusione de necessitate, praemissis sumplis in sensu diviso Si aulem maior
sumatur in sensu composito et minor in sensu diviso , sequitur conctusio in sensu
diviso Si aulem maior sumatur in sensu diviso et minor in sensu composito,
sequitur conctusio in sensu diviso et in sensu composito C. 21, f. 41 v. A:
Quando omnes proposiliones de necessario in secunda figura sumuntur in sensu com1-
posito, ....semper sequitur conctusio de necessario sumpta in sensu composito
Si autem omnes praemissae sumantur in sensu diviso, non semper vqtel sgllogismus.
Si aulem maior sumatur in sensu composito et minor in sensu dieiso, valet
discursus respectu conctusionis sumptue in sensu dieiso Si aulem maior sumatur
in sensu diviso et minor in sensu composito, non sequitur conctusio in sensu com
posito C. 22, f. 41 v. B: In terlia figura, quando omnes praemissae sumuntur
in sensu composito, len,'l sgllogismus sicul in suis de inesse Si aulem omnes
sumantur in sensu diriso, omnis discursus valel et sgllogismus, quia itio de ne
cessario semper convertitur in itlam de inesse Si aulem maior sumatur in
sensu composito et minor in sensu diviso, non sequitur conctusio in sensu dieiso nec
in sensu composito Si aulem maior sumatur in sensu dtviso et minor in sensu
composito, semper sequitur conctusio in sensu diviso. :
981) C. 23, f. 42 r. A : Dicendum est de uniformi generalione sgllogismorum de
possibiti, et accipio hie possibite pro possibiti, quod est commune omni proposilioni,
quae non est impossibitis (vgl. Anm. 950) In omni figura, si accipiantur omnes
propositiones de possibiti in sensu composito, non valet sgllogismus, quia non
sequitur „Omne coloratum esse album , est possibite, Omne nigrum esse coloratum,
est possibite, Ergo omne nigrum esse album, est possibite" Sed si itio de possi
biti sumatur in sensu diviso, tunc est itio proposilio distinguenda penes modum
aequivocalionis (vgl. Abschn. XVII, Anm. 225 ff.), quod, si subicctum maioris
accipitur 'pro Ais, quae possunt esse, qualilereunque sumatur subiectum minoris,
semper est sgllogismus untformis bonus; si aulem subivctum maioris supponit
pro Ais, quae sunt, tunc talis »gllogismus uniformis non valet Si aulem maior
sit de possibiti in sensu composito et minor de possibiti in sensu diviso, nulio se
quitur conctusio Si aulem maior accipitur in sensu diviso et minor in sensu
composito, non sequitur conelusio C. 24, f. 42 r. B: In secunda figura, si subiecta
utriusque supponant praecisc pro Ais, quae sunt, sgllogismus non valet Si
aulem subiectum utriusquc accipitur pro Ais , quae possunt esse, sie non lenet sgllo
gismus, quia negativa de possibiti non converlitur in negalivam de possibiti
C. 25, f. 42 v. A: In lerlin figura, si utraque praemissarum sumatur in sensu diviso
et subiectum utriusque supponat pro Ais, quae sunt, sequitur conctusio de possibiti,
sumpto subiecto pro eo, quod polest esse...... Simititer si subiectum utriusque sup
ponit pro Ais, guae possunf esse, sequitur conctusio de possibiti, subiecto sumpto pro
eo, quod polest esse Si aulem subiectum in maiore sumatur pro eo, quod est,
et in minore pro eo, quod polest esse, et simitiler e concerso, lenet sgllogismus.
Si aulem maior sumatur in sensu diviso et subiectum supponat pro eo , quod
polest esse, et minor sit de possibiti in sensu composito, sequitur conctusio in sensu
dMso,
982) C. 26, f. 42 T. B: Cirea uniformem generalionem sgllogismorum de corilingenli
non necessario (vgl. Anm. 952) esl primo sciendum, quod in nulio figura est
talis uniformis generalio conveniens , si omnes propositiones sumantur in sensu com
posito, quia ex conlingenlibus polest sequi tam necessarium quam impossibite.
Sieul itta de possibiti habet duplicem acceplionem, ita et itio de eonlingentt.
.1
XIX. < 1lvam (Argumentalion). 403
oder aus zwei Unmöglichkeits - Urtheilen 983) oder aus zwei Urtheilen,.
in welchen anderweilige Ausdrücke der Modalität (z. B. scitum,
opinabile und dergl., s. Anmerkung 895 und 954) vorkom
men 984). Dann aber folgt die lange Reihe der verschiedenen Combinalionen,
nemlich: ein Inhärenz- und ein Nothweudigkeits-Urtheil 985J,
Si subiectum maioris sumaiur pro Ais, quae contingunt, uniformis est bonus respectu
conctusionis de conlingenti, subiecto eodem modo sumplo Si aulem maior sumatur
in sensu composito el minor in sensu diviso , sgllogismus non valel Simuiler
si maior accipitur in sensu diviso el minor in sensu composito, non valet
C. 27, f. 43 r. A : In secunda figura uniformis generalio de conlingenti non valet, et
hoc qualitercunque combinentur proposiliones, quia universalts negaliva de conlingenli
non est convertit,itis in aliquam universalem C. 28, ebend. : In lertia
figura, si ambae praemissae sumantur in sensu diviso el subiectum utriusque supponat
pro his, quae sunt, sequitur conelusio de conlingenti, subiectq sumplo pro co, quod
contiugit Simititer si subiectum utriusque praemissae supponat pro his, quae
contingunt , sequitur conelusio, de conlingenti , subiccto sumplo pro his , quae contingunt
Simitiler si subicctum in una supponat pro his, quae sunt, el in alia pro
his, quae contingunt, sequitur consimitis conctusio Si maior accipitur in sensu
diviso et minor in sensu composito, »gllogismus non valet. Simititer si subiectum
propositionis acceptae in sensu diviso supponat pro his, quae conlingunt, non valel
sgllogismus.
983) C. 29, f. 43 v. A : De uniformibus propositionibus de impossibiti est
sciendum, quod, si omnes propositiones sumantur in sensu composito, talis discursus
non valel Simitiler si omnes proposiliones de impossibiti sumantur in sensu
diviso, non valel talis discursus.
984) C. 30, ebend.: Restat videre, quando, ex aliis mofalibus contingit arguere.
Pro sensibus compositis talium proposilionum est ista reguio generalis, quod
quando atiquod tale nomen modale polest verificari de praemissis absque hoc , quod
verificetur de conelusione, imo potest vere removeri a conctusione, uniformis ex talibus
in sernu composito non valet; ....quando aulem de praemissis non polest verificari
talis modus, nisi eliam verificetur de conctusione, uniformis ex talibus semper lenet,
sicut .... „Omnem hominem esse animal , est opinabite , Soeralem esse hominem, est
opinabite, Ergo Soeralem esse animat, est opinabite" ,. Si aulem tales praemissae
sumantur ambo in sensu diviso, in prima figura semper est sgllogismus reguiotus
Si autem maior talis uniformis in prima figura sumatur in sensu composito et minor
in sensu diviso cum aliquo modo, lenct respectu conctusionis in sensu diviso
Sed in secunda figura pauci tales discursus valent, si omues praemissae sumantur in
sensu diviso ln lertia figura, quando ambae praemissae sumuntur in sensu diviso
et modalis infert suam de inesse, semper sequitur conelusio in sensu diviso.
985) C, 31, l- 44 r. A: Dicendum est de sgllugismo mixto ex proposilione de
inesse el modali de necessario Ex maiori de necessario sumpta in sensu diviso
et minore de inesse semper sequitur conctusio de necessario in sensu diviso
Sed si conctusio sumatur in sensu composito,, discursus non valet (B) Si aulem
maior in tali mixtiqne sumatur in sensu composito, non semper valet talis mixtio,
sed op orlet, quod minor subsumpta sit de inesse simpliciter, quia si minor est de
inesse ul nunc, non valel mixlio (die Unterscheidung zwischen inesse simpliciler
und esse ut nunc fliesst aus der Lehre von Consequentia , s. Absclm. XVtl, A um.
618 f.) Si nui,'ii, maior sumatur de inesse et minor de ; necessario in sensu
diviso vel aequivalenli ei, discursus non valet Si aulem minor sumatur in sensu
composito, eliam non valel discursus; notandum est aulem, quod si maior sit
de inesse sia,pliciler, talis mixlio valel Phitosopbus aliquando loquitur de itlis
de necessario in sensu diviso et aliquando in sensu composito (vgl. hingegen ob.
Anm. 949 und bei Scatus Anm. 201) , Sciendum est igitur, quod, si maior sit
de inesse simpliciler, mixtio lenet, sive minor sumatur in sensu diviso sive in sensu
composito C. 32, f. 44 r. A: In secunda figura, si itio de necessario sumatur
in sensu composito, ad hoc quod mixtio sit bona, requiritur, quod ilio sit de inesse
simpliciter; si enim esset de inesse ul nunc, qualiscunque fuerit de necessario, non
26*
404 XIX. Occam (Argumentalion).
ein Inhärenz - und ein Möglichkeits -|Urtheil 986), ein luhärenz- und
ein Zufälligkeits-Urtheil 98 '), e'n luhärenz- und ein Unmöglichkeitsconctusio
de necessario Quando negaliva est de necessario el in affir
maliva accipitur sub medio aliquid inferius ad medium, .... semper discursus est
bonus Sed si affirmaliva sit de necessario in sensu composito el universalts
negaliva de inesse, non sequitur conelusio de necessario . . . . In quarto modo secundae
figurae, sive propositio affirmaliva sit de necessario sive negaliva, non sequitur con
elus,o de necessario C. 33, f. 45 r. A: Quando aulem debet fieri mixtio in tertia
figura, st illu de necessario sumatur in sensu composito, mixtio non valet generaliler,
sive maior fuerit de necessario sive minor Tamen si minor sit de inesse
simpliciler, lenet mixtio Sed si illu de necessario sumatur in sensu diviso,
quando maior est de necessario et universalis, semper sequitur conctusio in sensu
diviso Si aulem maior sil particuioris affirmaliva , valet mixtio Si aulem
maior sit particuioris negaliva, discursus valet.
986) C. 34, f. 45 r. B : De mixlione de inesse el de possibiti ...in prima figura
... sciendum est, quod , st itln de possibiti sumatur in sensu composito, sive maior
fuerit de possibiti sive minor, non valet talis mixtio universaliler Tamen si
minor sit de inesse simpliciler sive maior, valet mixlio; simititer si in sgllogismo
negalivo sumatur aliquid inferius ad medium; ....sed in sgllogismo a/firmaliva non
sufficit accipere inferius .S; aulem itio de possibiti sumatur in sensu diviso,
aut maior est de possibiti aut minor, aut subiectum stat pro his, quae sunt, vel pro
his, quae possunt esse; si primo modo, semper est mixtio bona; si aulem
subiectum supponit pro bis, quae possunt esse, adbar mixtio valet Si aulem
minor sit de possibiti et maior de inesse, non valet mixlio C. 35, ebead. : In
sensu composito, sive fuerit negaliva sive affirmaliva de possibili, nulta sequitur conetusio
in secunda figura .... Si aulem itio de possibiti in sensu diviso sumatur, non
valet talis mixlio C. 36, (. 45 v. A: Si aulem in lertia figura itio de possibiti
sumatur in sensu composito, sive fuerit affirmaliva sive negaliva, non sequitur nniversaliler
aliqua conelusio de possibiti Quando tamen utraque est affirmaliva,
sequitur conelusio de possibiti sumpta in sensu diviso Si aulem maior sit de
inesse et minor de possibiti, si subiectum sumatur pro his, quae sunt, tunc valet
mixlio, si utraque fuerit universalis Si aulem minor de possibiti fuerit particu
ioris el subiectum sumatur pro his, quae possunt esse, non valet mixtio.
987) C. 37, f. 45 v. A: Videndum est, quomodo valet mixlio ex de inesse el
contingenti non necessario, el primo in prima figura Si Mu de eonlingenti
sumatur in sensu composito, sive fuerit maior sive minor, non sequitur conctusio de
eonlingenti, nec sequitur in sensu diviso Quamvis maiore existcnte nega
liva de possibiti et sumplo in minore aliquo inferiori sub medio lermino , sequitur
conctusio de possibiti, non tamen itta reguio est vera, si maior Si aulem itio de contingenti sumatur in sensu diviso , si sitsitmadieore,onaliunlgesnutbi.
iectum accipitur praecise pro his, quae sunt, aut pro eis, quae cantingunt : si primo
modo, est »gllogismus reguiotus; si aulem subiectum maioris praecise supponit
pro his, quae contingunt, non valet mixtio; st aulem supponit tam pro his,
quae sunt, quam pro his, quae conlingunt, sie est mixtio bona .... Si aulem minor
sit de contingenti, non sequitur universaliler conelusio Tamen si maior sit de
inesse simpliciter, sequitur conctusio de contingenti, el hoc, si minor sit sumpla in
sensu composito vel diviso; hoc tamen inlelligendum est: si maior sit affirmaliva,
sequitur conctusio de conlingenli; si aulem maior sit negaliva, sequitur conctusio
de possit,iti C. 38, f. 45 v. B: Si itio de eonlingenti fuerit negaliva in secunda
figura et sumatur in sensu composito, quamvis itta de inesse sit de inesse simplic,
ler, non sequitur conctusio de conlingenli Simitiler st affirmaliva fuerit de conlingenli
, non sequitur conctusio de conlingenli in sensu composito ; simitiler eliam,
quamvis affirmaliva sil de inesse simpliciter Si aulem negaliva fuerit de inesse
et affirmaliva 'de eonlingenti, non sequitur conctusio de eonlingenti Si aulem itio
de conlingenli sumatur in sensu diviso, si negaliva fuerit de eonlingenti , non sequi
tur conctusio de contingenti; si aulem affirmaliva fuerit de contingenti, sequi
tur conctusio de possibili C. 39, f. 46 r. A: 0uando itio de eonlingenti in lerlia
figura sumitur in sensu composito , non sequitur generaliter conctusio nec de contin
XIX. Occam (Argumentalion). 405
Urtheil988), ein Inhärenz - Urtheil und ein Urtheil anderweiliger Moda
lität989), ein Nothwendigkeits - und ein Möglichkeits - Urtheil 990), ein
genti nec de possibiti in sensu composito Tamen si utraque sit universalis affir- •
maliva et subiectum itlius de conlingenli supponit pro his, quae sunt in actu, et ac
cipitur in sensu diviso, sequitur conctusio de possibiti in sensu diviso ; si aulem
subiectum itlius de conlingenti sumatur pro his, quae contingunt, non sequitur con
ctusio.
988) C. 40, ebend.: Videndum est, an ex itio de inesse et de impossibiti possit
fieri sgllogismus mixtus Semper itio de impossibiti aequivalel alicui proposilioni
de necessario , et ideo ex praediclis cirea mixlionem necessarii et de inesse
polest palere, quomodo polest argui ex propositione de inesse et de impossibiti. Vgl.
Anin. 983.
989) C. 41, f. 46 r. B : Dicendum est de mixtione propositionum de inesse el
de aliis proposilionibus modalibus, et primo in prima figura Quando aliquis
modus posilivus accipitur, cuiusmodi sunt „scitum, notum, demonstrabite, per se
nolum, rerum", raro vel nunquam , si maior sumatur in sensu composito et minor
de inesse, sequitur conctusio de tali modo in sensu composito, sive minor sit de in
esse simpliciler sive ut nunc Videndum est, an talis modus possit compelere
proposilioni universali, et si competat, an cuitibet consequenli ad itiom universalem,
vel non. Si non, nunquam talis discursus valet; huiusmodi aulem sunt „scitum,
dubitatum, per se notum, ereditum, opinatum, concessum" Si aulem talis mo
dus non possit compelere uni propositioni universali, nisi competat cuitibet conse
quenli, tunc lenet sgllogismus; talis aulem modus est litlera „verum" Si aulem
talis modus sit negalivus, ut litlera ,,/alsufl,", tunc non valet talis mixlio. Sed si
itio de modo sumatur in sensu diviso, semper talis mixlio valet respectu proposilionis
de consimiti modo in sensu diviso C. 42, f. 46 v. A : In secunda figura, si
talis de modo accipitur in sensu composito, raro vel nunquam valet sgllogismus,
quando modus aliquid addit ultra istum modum „verum", cuiusmodi sunt tales modi
„scitum, demonstratum, per se notum" Si aulem itio de modo accipitur in sensu
diviso, raro vel nunquam valel mixlio, sive affirmaliva sive negaliva fueril de modo.
tjuamris ex talibus proposilionibus de modo sumplis in sensu diviso vel eis
aequivalenlibus sit omnino idem modus arguendi in prima figura, sicut si omnes propositiones
esscnt de inesse, non tamen sie arguendum est ex eis in secunda figura,
el ralio est, quia tales propositiones non convertuntur sicut itioe de inesse
C. 43, f. 47 r. A: In lerlia figura, si itio de modo sumatur in sensu composito, non
valet mixtio respectu conctusionis de modo consimiti, addendo aliquid super hunc
modum „verum" sumptum in sensu composito S« aulem itio de modo sumatur
in sensu diviso, si maior sit de inesse et minor de modo, non valet mixtio; st
aulem maior fueril de modo el minor de inesse, si maior fuerit universalis, est mix
lio bona ; simililer si maior fuerit parlicuioris , Valet mixlio Ideo sciendum
est, quod in sgllogismo expositorio (s. Anm. 978) semper, si maior sit de modo
et minor de inesse, valel mixtio; sed si maior fuerit de inesse et minor de modo,
non valet.
990) C. 44, f. 47 r. B: De mixlione necessarii el possibitis in prima figura, quando
utraque sumitur in sensu composilo, si maior fuerit de necessario et minor de
possibiti, sequitur conctusio de possibiti in eodem sensu; el eodem modo, si
maior fuerit de possibiti Quando itta de necessario sumitur in sensu composito
et itio de possibiti in sensu diviso, si maior sit de necessario, sequitur con
ctusio de possibiti sumpta in sensu diviso; simulier si itta de necessario sit
minor; sed si subiectum maioris accipitur pro his, quae sunt, praecise, et subiectum
conctusionis pro his, quae possunt esse, non valet talis mixlio Quando
itio de necessario sumitur in sensu diviso et itio de possibiti in sensu composito, ....
si maior sit de possibiti, non sequitur conelusio de necessario nec de inesse, sed de
possibili sumpta in sensu composito; sed si maior sit de necessario, non valel
mixtio Utraque praemissa sumpta in sensu diviso, si maior fuerit de ne
cessario, non valet mixlio; sed si maior fuerit de possibili, valet mixlio
C. 45, f. 47 v. A: In secunda figura, si itio de necessario sumatur in sensu compo
sito, si negaliva fuerit de necessario, sequitur conctusio de possibiti Simititer
406 XIX. Occam (Argumentalion).
Nothwendigkeits- und ein Zufälligkeits-Urtheil CJ91), ein Nothwendigkeitsund
ein Unmöglichkeits-Urtheil 992), ein Nothwendigkeits- und ein Urtheil
st utraque sumatur in sensu composito Simitiler si affirmaliva fuerit de necessario
Simitiler si itio de possibiti sumatur in sensu composito Quando
itio de necessario sumitur in sensu dicisu et ilio de possibiti in sensu composito, et
tunc sequitur conctusio de possibiti Simitiler si utraque sumatur in sensu com
posito C. 46, ebend.: In lerlia figura, si itio de necessario sumatur in sensu
composito et itio de possibiti simitiler, sequitur conctusio de possibiti Si
aulem utraque sumatur in sensu diviso, si maior fuerit de necessario , non sequitur
conctusio de possibiti, nisi subiectum conctusionis sumatur pro eo , quod polest esse ;
si aulem maior fuerit de possibiti, semper sequitur conctusio' de possibiti,
sumpto subiecto conctusionis pro eo , quod est Si itio de necessario sumatur in
sensu composito et sit minor, sequitur conelusio de possibiti,;'..... si aulem itio de
necessario sit maior, sequitur conctusio de possibiti in sensu diviso, subiecto sumpto
pro eo, quod polest esse. Si aulem itio de possibiti sumatur in sensu diviso et ilio
de necessario in sensu composito, si itio de necessario fuerit maior, sequitur conctu
sio de possibiti, subiecto sumplo pro eo, quod polest esse; si aulem itio de necessa
rio fuerit minor, sequitur conelusio de possibiti.
991) C. 47, f. 47 v. A: De mixlione necessarii et conlingenlis in prima
figura, ss utraque sumatur in sensu composito, si maior "fuerit de neces
sario affirmaliva et minor de contingenli, non sequitur conelusio de contingenli;
simititer si maior fuerit negaliva de necessario; sed si in minore sumatur sub
iectum inferius ad subiectum maioris, semper sequitur conctusio St aulem maior
fuerit de contingenti, non sequitur Quando itio de necessario sumitur in sensu
composito et itio de contingenti in sensu diviso, ss itio de necessario sil maior,
in sgllogismo affirmalive non sequitur conctusio de conlingenti; ss maior fuerit
de eonlingenli, si subiectum maioris sumatur praecise pro his, quae sunt, mir!
mixtio; si sumatur praecise pro his, quae contingunt, non valet Quando
itio de conlingenti sumitur in sensu composito et itio de necessario si itio de necessario fuerit maior, non sequitur; si maiorinfuseernistu dediveiosno,
lingenli, non valet mixlio i.,n,unlu utraque sumitur in sensu diviso, si
maior fuerit de necessario, non valet; si maior fuerit de contingenli, semper
sequitur conctusio de eonlingenli C. 48, f. 46 r. A: In secunda figura, si utra
que sumatur in sensu composito, non valet mixlio .. 0uando illn de necessitale
sumitur in sensu composito et itio dc eontingenli in sensu diviso, semper talis mixtio
non valet Quando itio de contingenti sumitur in sensu composilo et itio de ne
cessario in sensu diviso, .... talis mixlio non valet (,ainnlo utraque sumitur
in sensu diviso, .... si ncgaliva fuerit de necessario, non sequitur conctusio;
si affirmaliva fuerit de necessario , sequitur conelusio de inesse et de possibiti , non
aulem de contingenli C. 49, ebeßd.: In lerlia figura, quando utraque sumitur
in sensu composito, semper sequitur conctusio de possibiti, sed non de con
lingenti Quando itio de necessario sumitur in sensu composito et itio de con
lingenti in sensu diviso, si itio de necessario fuerit maior, si subiectum minoris
supponat pro eo, quod est, non sequitur conctusio de contingenti, sed de possibiti;
si sumatur pro eo, quod contingit, non sequitur; .... si aulem maior fueril
de eonlingenli , si subiectum maioris supponal pro eo , quod est, sequitur conelusio
de contingenli; si pro eo, quod contingit , non sequitur 0uando illn de
contingenti sumitur in sensu composito et itio de necessario in sensu diviso,
valet respectu eonctusionis de possibiti Quando utraque sumitur t« sensu, diviso,
si maior fuerit de necessario, non sequitur conctusio de contingenti; ....
si maior fuerit de conlingenti et subiectum maioris sumatur pro eo , quod est, sequitur;
st auiem pro his, quae conlingunt, non sequitur conctusio de con
lingenti.
992) C. 50, f. 48 r. A : 0uod , sieut dictum est prius (vgl. Anffl. 983 u. 988),
quaelibet propositio de impossibiti aequivalet alicui proposilioni de necessario , ideo
ad sciendum, quando mixtio necessarii et inipossibitis valeat et' quando non/ eporlel
scire aequivalentiam propositionis de impossibiti et propositionis tfe, necessario.
XIX. Occam (Argumentalion). 407
anderweiliger Modalität993), ein Möglichkeits - und ein Zufälligkeits-
Urtheil 994), ein . Möglichkeit»- und ein Unmöglichkeits-Urtbeil995), ein
Möglichkeits- und ein Urtheil anderweiliger Modalität096), ein Zufälligkeits-
993) C. 51, f. 48 r. B: De mixtione propositionum de necessario et de aliis
modis ab islis quttuor in prima figura, quando ambae praemissae sumuntur in
sensu diviso (zu lesen composito), raro vel nunquam valet mixlio respectu conelusio
nis de alio modo, quam de necessario Tamen, quando unus modus est inferior
ad necessarium , tunc semper sequitur conelusio de necessario .... Quando aliquis
modus non polest compelere anlecedenli, nisi competal consequenli, tunc in tali mix
lione sequitur conctusio de tali modo ; huiusmodi aulem sunt „cognoscibite, eredibite,
apprehensibite" Si aulem utraque sumatur in sensu diviso, semper valet »gllo
gismus, quando Hin de modo infert suam de inesse, sicul in itlis de inesse, respectu
conctusionis eiusdem modi , de quo est maior; st aulem itio de modo non inferal
suam de inesse, tunc non valet mixlio C. 52, ebend. : In secunda figura,
quando utraque proposilio sumitur in sensu composito, raro vel nunquam valet mix
lio, nisi modus sit inferior ad necessarium Simitiler si itio de necessario suma
tur in sensu diviso, non valet mixlio Simititer 'si utraque sumatur in sensu
diviso C. 53, ebend. : In lerlia figura, si utraque sumatur in sensu composito,
raro vel nunquam valet talis mixlio Si aulem itio de necessario sumatur in
sensu diviso, non ratet Si aulem utraque sumatur in sensu diviso, si maior
sit de necessario et minor de alio, semper sequitur conctusio de necessario ; st
aulem moiqr fueril .de alio et minor de necessario, sequitur conctusio de eodem modo,
de quo est maior.
994) C. 54, f. 48 v. A: De mixlione de possibiti et conlingenti in prima
(iijvra, si utraque sumatur in sensu composito, nulio sequitur conelusio,
nec eliam valet, si allera sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso
Quando utraque sumitur in sensu diviso, si maior sit de possibiti et minor de
conlingenli, si subiectum maioris supponit pro his, quae possunt esse, et subiectum
minoris supponit tam pro his, quae sunt, quam pro his, quae contingunt, sequitur
conctusio de possibiti; st aulem subiectum maioris supponat pro his, quae
sunt, praecise, non valet mixtio Si maior sit de contingenli et minor de possi
biti, si subiectum maioris supponat tam pro his, quae sunt, quam pro his, quae
conlingunt, valet sgllogismus respectu conctusionis de conlingenli ; si aulem supponat
pro his, quae sunt , «oB n,l,'l C. 55 , ebend. : In secunda figura , si utraque
sumatur in sensu composito, non valet mixlio, nec valet, si allera praemissarum
vel utraque sumatur in sensu diviso C. 56, ebend. : In lerlia figura , si
utraque propositionum sumatur in sensu composilo, non valel mixlio, nec va
let, si allera sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso Si aulem
utraque sumatur in sensu diviso , si subiectum itlius de possibili supponat pro his,
quae possunt esse, et sit maior, sequitur conctusio de possibiti.
995) C. 57, f. 48 v. B: De mixtione possibitis et impossibitis polest palere
ex itlis, quae dicta sunt cirea mixlionem necessarii et possibitis. Vgl. Anm.
988 u. 992.
996) C. 58, ebend.: De mixlione propositionis de possibiti et aliorum modorum
in prima figura talis mixtio non valet, si ambae praemissae sumanlu,
in sensu composito Tamen quandocunque aliquis modus sumptus est inferior
ad necessarium, cuiusmodi sunt „demonstrabilc, per se nolum", semper ex tali maiore
de modo et minore de possibiti sequitur conctusio de possibiti, et si maior fueril de
possibiti Proporlionabitiler dicendum est de itio mixtione, quando allera sumi
tur in sensu diviso el allera in sensu composito. Si aulem utraque sumatur in sensu
composito (zu lesen diviso) et maior fueril de possibiti et minor de alio modo , qui
infert unam de inesse, sequitur conctusio de possibiti; st aulem itio de
possibiti fuerit minor, raro vel nunquam valel mixtio C. 59, ebend. : Si utra
que iliorum proposilionum sumatur in sensu composito, non valet mixtio, si itle
modus non sit inferior ad neces,arium, in secunda figura Simitiler si allera
sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso, si itio de modo non inferal
itiom de necessario, non valet mixlio ; si inferal eam, valet respectu conelusionis de
possibiti, Si aulem utraque sumatur in sensu diviso et itio de modo non inferat
408 XIX. Occam (Argumentalion).
und ein Urtheil anderweiliger Modalität997). Obwohl aber Occam mit
diesem letzleren die modalen Syllogismen ausdrücklich abschliesst 998),
fand der Herausgeber noch eine Bemerkung über die Combinalionen
der anderweiligen Modalitäten für nötbig 9ylJ).
Sodann aber fügt Occam noch die exponiblen Schlüsse hinzu, und
er ist in der Geschichte der Logik, soweit uns bis jetzt »die Quellen zu
gänglich sind, der Erste, welcher die Exponibilia in solcher Weise mit
dem categorischen Syllogismus verbindet. Nach einer allgemeinen maassgebenden
Bemerkung1000) führt er zuerst das Reduplicaliv-Urtheil durch
die drei Figuren bezüglich der Schlussfähigkeit hindurch und zeigt, dass
in der ersten Figur bei reduplicalivem Obersatze, dessen Reduplicalivittam
de necessario, non valel C. 60, ebend. : In lertia figura , si utraque
sumatur in sensu composito , si itio de modo non inferat itiom de necessario , non
valet mixtio ; sed si inferat . mixlio est bona Si aulem itio de possibili
sumatur in sensu composito et allera in sensu diviso, si itio de possibiti fuerit maior,
non sequitur conelusio de possibiti, si itio de modo non inferat necessariam;
simitiler non valet, si minor fuerit de possibiti Si aulem itio de possibiti sumatur
in sensu diviso et itio de alio modo in sensu composito, si itio de possibiti fue
rit maior, non sequitur conctusio, sed si itio de possibiti fuerit minor
St aulem utraque sumatur in sensu diviso , valet mixtio respectu conelusionis de
possibiti.
997) C. 61, f. 49 r. A : De mixtione conlingentis et aliarum modalium in
prima figura, si utraque sumatur in sensu composito , si itio de modo non in
ferat ittam de necessario, mixlio non valet ; si aulem inferat, mixtio est bona.
Si aulem itio de contingenti sumatur in sensu composito et alia in sensu di
viso , si itio de contingenli fuerit maior, non valet mixtio; si aulem itio de
modo inferat ittam de necessario, mixlio est bona; simititer dicendum est, si itio de
conlingenli sit minor. Si autem iila'de contingenli sumatur in sensu diviso, si sit
maior , semper sequitur conelusio de possibiti , quando minor Si anlem utraque sumatur in sensu diviso , si maior fueriintferdte scuonalmingdeenliin,esssee.
quitur conctusio de possibiti, quando minor infert suam de inesse; si aulem
itio de conlingenli fuerit minor, non valet C. 62, ,;bend. : In secunda figura,
si utraque sumatur in sensu composito, non valet mixtio, nisi itta de alio modo
inferal itiom de necessario; si oulem inferat, mixlio est bona Si aulem
itta de conlinifenli sumatur in sensu composito et itta de alio modo in sensu diviso,
si itio de conlingenti fuerit negaliva, non valet mixtio; simitiler si affirmaliva
fuerit de contingenti Si aulem itio de contingenli sumatur in sensu diciso et alia
in sensu composito , non valet mixtio , et si utraque sumatur in sensu diviso,
eliam mixlio non valel C. 63, ebend. : In lerlia figura , si utraque sumatur in
sensu composito, non valet mixlio , nisi itio de alio modo inferat itiom de ne
cessario ConsimitÜer est dicendum, quando itio de conlingenli sumitur in sensu
composito et alia in sensu diviso. 'Si aulem itio de conlingenli sumatur in sensu
diviso et subiectam supponat pro Ais, quae sunt, et fuerit universalts , et alia de
modo inferal suam de inesse, sequitur conelusio de contingenli.
998) C. 63 , ebend. : Et ista de mixlionibus ad praesens sufficiant , quamvis
multa causa brevitalis sunt omissa (jedenfalls seit Anm. 980 eine hübsche brevitas).
999) C. 64, f. 49 r. B: Si aulem mixlio fiat ex proposilionibus modalibus aliorum
modorum, aul utraque propositio sumitur in sensu composito aut sub alio
et alio sensu. Si primo modo, raro vel nunquam valet mixlio ; si autem praemissae
sumantur in alio sensu, tunc , si minor inferat suam de inesse, semper con
elusio sequitur de eodem modo, de quo est maior.
1000) C. 65, ebend.: Videndum est, quomodo sgllogismus fit ex proposilionibus
ptures exponentes habenlibus Ulendum est ista reguta generaliler : Quandocunque
quaelibet exponens conctusionis vel ipsa conctusio sequitur ex aliquibus exponi'ntibus
praemissarum vel ex una exponente unius praemissae et alia praemissa,
semper est bonus »gllogismus et aliler non.
XIX. Occam (Argumentalion). 409
Partikel nicht mit einer Negalion verbunden ist, stets ein reduplicaliver
Schlusssatz erreicht wird, mag der Untersatz reduplicaliv sein oder nicht;
dass hingegen in der zweiten Figur beide Prämissen Reduplicaliv-Sätze
sein müssen, um einen reduplicaliven Schlusssatz zu gewinnen, und dass
in der dritten Figur nur der Obersatz reduplicaliv sein darf 1 00 1). Dann
folgen die Exclusiv-Urtheile, welche nur in der ersten Figur bei paar
weiser Combinalion einen exclusiv«n Schlusssatz geben, hingegen weder
in der zweiten noch in der dritten1002). Was endlich die Excepliv-
Urtheile betrifft, so gilt ein excepliver Schlusssatz nur dann als zulässig,
wenn in der ersten Figur der Untersatz allein excepliv ist, während in
den beiden anderen Figuren überhaupt ein Excepliv-Schluss nicht möglich
ist 1003). — Wenn aber dann trotz einer deutlichen Bezeichnung des
Abschlusses der Syllogislik1004) doch noch ein paar nichtssagende Zeilen
über die hypothelischen Schlüsse folgen1005), so fällt diess natürlich
gleichfalls auf Rechnung des Herausgebers.
Ueber die zweite Unterabtheilung des dritten Haupttheiles darf ich
mich sehr kurz fassen, denn Occam entwickelt dort100li) nur den Inhalt
der zweiten Analylik des Aristoteles in getreuer und verständiger Para
phrase , so dass auch die seit den Arabern und Albertus Magnus beson
ders hervortretenden Fragen über per se1007), über causa1008), über
passiones und dignitales 1009); über demonstralio quia und demon-
1001) Ebend.: Ex isto palet, quod semper in prima figura ex maiore redupliet
minore reduplicaliva vel non reduplicaliva sequitur conctusio redupliealiva,
sieul sequitur „Omnis homo, inquantum ralionalis, est susceplivus disciplinae ; Animal
est homo, inquantum ralionale; Ergo animat, inquantum ralionale, est susceplivum
disciplinae" Quae aulem dicta sunt , intelligenda suul , quando reduplicalio sumitur
proprie et manet non negata; si enim reduplicalio fuerit negata in maiore el
affirmala in conclusione, non valet discursus In secunda figura, quaecunque
praemissa sumatur cum reduplicalionc et alia sine, non sequitur canciusio reduplicaliva
; sequitur tamen condusio , in qua negatur reduplicalio ; . . . ; . si aulem
omnes praemissae sinl reduplicalivae , ifa quod in utraque reduplicalio cadens super
idem sit a/firmaliva, sequitur conclusio reduplicaliva. In terlia aulem fiqura, si maior
universalts fuerit reduplicaliva el alia non, sequitur conclusio reduplicaliva; .... sed
si minor fuerit reduplicalivn, non sequitur.
1002) C. 66, f. 49 v. A: Cirea exclusivas sciendum est, quod in prima figura
ex omnit,us exctusivis conlingit inferre exctusivam; sed ex maiore universali el
miuore exctusiva sequitur conclusio particutaris, sed non exctusiva. In secunda /igura
ex omnibus exctusivis non sequitur exctusiva In lertia figura ex omnibus exctusivts
non sequitur exctusiva.
1003) C. 67, ebend.: Cirea exceplivas est sciendum, quod ex omnitius exceplivis
in prima figara non sequitur conctusio excepliva Simuiler ex maiore excepliva
et minore non excepliva sive de inesse non sequitur generaliler conctusio Similiter
in secunda figura et lerlia non valet.
1004) Ebend.: Et ista de sgllogismis ad praesens sulficiant.
1005) C. 68, ebend.: Dicto de sgllogismis calegoricis dicendum est de sgllo-
,lismis bgpothelicis n. s. f. (es folgt aber nur die Angabe des sog. modus ponens
und modus tollens beim condilionalen Urtheite). Dass die hypolhelischen Syllo
gismen ihre Erledigung erst bei der Lehre von Consequenlia finden sollen , sahen
wir schon oben Anm. 956.
1006) III, 2, C. 1—41, f. 49 v. B — 56 v. B.
1007) C. 7, f. 50 v. A; vgl. Abschn. XVII, Aum. 473.
1008) C. 15, f. 51 v. B.
1009) C. 12, f. 51 r. B, n. C. 35 ff., f. 55 f.; vgl. ebend. Anm. 475.
410 XIX. Occam (Argumentalion).
stratio propler gw'd1010), sowie über die Demonstrirbarkeit der Defini
lionen1011) hier nichts Bemerkenswerthes darbieten. Nur ist hervor
zuheben, dass Occam bezüglich der Definilion selbst, welche er schon
oben bei der Lehre vom Begriffe erörtert hatte (s. Anm. 842 fT.) , nun
das dort Gesagte theils modiftcirt theils erweitert. Nemlkh hier unter
scheidet er nicht bloss die sachliche Definilion (quid rei), welche für
Wort-Disputatiouen gleichgüllig sei, von der sprachlichen (quid nominis),
welche bei connotaliven Begriffen (s. Anm. 917 ff.) ihre passende Ver
wendung finde, sondern er zerlegt auch die erstere in diejenige, welche
ausser dem innersten Wesen ihres Gegenstandes keinen weiteren Zusatz
enthält, und in jene, welche mitlelst eines äusserlichen Zusatzes (per
addilamentum) ausgesprochen wird lul2); bei ersterer gibt er die be
kannte Regel, dass Gattungsbegriff und artmachender Unterschied die
wesentlichen Bestandtheile bilden1013), bei letzterer weist er auf die
Verschiedenheit der Denkauffassung des ursprünglichen Begriffes und
jenes Zusatzes hin1011). Die Defmilion aber der connotaliven Begriffe
unterscheidet er abermals, je nachdem derselben wirkliche Dinge ent
sprechen oder nicht, und im ersteren Falle sei streng genommen über
haupt nur eine sprachliche Definilion möglich, welche zuweilen von
Einigen als formalü bezeichnet werde, während eine sachliche Definilion
derselben, welche man dann materialis nenne, nur als eine uneigentliche
1010) C. 19 f., f. 52 r. B; vgl. ebend. Anm. 477.
1011) C. 30 f., f. 54 v. A v. B. , • . , ;i . •i:!
1012) C. 28, f. 54 r. A: Diffinitionum quaedam est diffinilio exprimens quid
,unnmii, et quaedam cst diffinitio quid rei. Diffinitio exprimens quid rei non
est necessaria disputanti scienti significatum vocabuli, quia talis diffinitio non
tönfut« exprimit, quid nomen significal , sed exprimit eliam, quid res est. Talis
aulem diffinilio duplex est ; quaedam enim talis est, quae nit,it importal extrinsecum
rei alio modo, quam importat rem; et talis diffinilio vocatur diffinitio propriissima
dicta, quae non polest esse nisi substanliarum Alia est diffmitio importans quid
rei, quae simul eum hoc, quod importat rem, importal vel exprimit aliquid aliud,
quod non est de essentia rei, sicul est diffinilio animae, quae est ista „Anima est
actus corporis phgsici organici" (Arist. de an. II, l, p. 412 a 27;, quae importal
animam et oorpus , quod non est pars animae; et ista vocatur diffmilio per
additamentum, et tales diffinitiones importantes quid rei convertuntur cum nominibus
mere absolulis affirmalivis. Aliae sunt diffiuitiones importanles quid nominis , quae
non sunt nisi oraliones exprimentes, quid nomina significant; et tales diffiniliones
proprilssime sunt nominum negalivorum et connotalivorum et respeclivorum.
1013) C. 29, f. 54 r. B: Diffinilio exprimens quid rei, non data per additamentum,
semper continet pro prima parte aliquod genus diffiniti el pro alia parte vel
aliis partibus conlinet differenliam vel differentias essentiales vel aliquos obliques
significanles per se et primo partes rei.
1014) C. 32, f. 55 r. A : Diffinitio data per additamentum non sotum explical
essenliam rei, sed. etiam simul cum hoc explical aliquid aliud a re , el hoc vel ne
galive vel affirmalive; et ideo talis diffinitio non sotum componitur ex aliquo praedicabili
per se , .- sed eliam componitur ex aliquibus praedicabitibus, quae
sunt passiones diffiniti. Et ideo ad sciendum, quomodo diffmitio talis scitur de äiffinito,
videndum est, quomodo diversac partes diversimode sciuntur de eodem......
¥. gr. si baec sit diffmilio albedinis „color disgregalivus visus" (Arist. Top. III, 5,
p. 119 a 29), prima particuta, quae est genus albedinis, nullo modo polest deniunstrari
de albedine, sed' tantum polest fieri evidenler nota per nolilian, intuilivam et
non per sgllogismum (s. ob. Anm. 748 f.), secunda aulem parlivuta. polest fieri nota
per experientiam, si enim nultus experiatur, albedinem disgregare visumt nultus sciret,
an albedo esset disgregaliva visus. . in ;. ';•,.-i•
XIX. Occam (Argumentalion). 411
betrachtet werden dürfe; im letzteren Falle, d. h. bei erdichteten Be
griffen, könne natürlich ohnediess von einer sachlichen Definilion keine
Rede sein1015).
Die dritte Unterabtheilung, in welcher jene Argumentation besprochen
werden soll, deren Form nicht eine streng syllogistisehe ist, beginnt so
fort mit der Lehre von Consequentiae , welche Occam , wie wir sahen,
auch schon in dem Bisherigen zuweilen berücksichligt hatte (s.Anm.924,
933,936). Zweifellos aber ist es, dass er auch diese Gruppe auf Grund
lage einer reicheren Litteratur darstellte, welche mV zu seiner Zeit aus
früheren Anfängen erwachsen war ; denn wenn schon dasjenige, was wir
oben (Abschn. XVII, Anm. 610 — 624) sahen, eine gewisse schuünässige
Durchbildung dieses Stoffes verräth, so zeigen sich hier Modificalionen
und Erweiterungen jener Lehre, welche von Occam offenbar als allgemein
bekannte benützt und verarbeitet werden. So befindet sich Occam schon
bezüglich der Eintheilung der consequentia auf einer vergleichsweise
neuen Basis; er stellt nemlich die Unterscheidung der consequentia simplex
und consequentia ul nunc an die Spitze und lässt hiedurch alle
übrigen Eintheilungen gekreuzt werden; diese letzteren beruhen zunächst
darauf, dass die consequentia entweder bereits durch das logische Verhältniss
der in einem Urtheile enthaltenen Begriffe gegeben ist, — consequen
tia per medium intrinsecum —, oder dass sie sich erst auf anderweilige
allgemein geltende Gesetze der Logik berufen muss, — consequentia per
medium extrinsecum —; ferner wird hiemit wieder die Eintheilung in con
sequentia formalis und consequentia malerialis derarlig in Verbindung
gebracht, dass die erstere entweder nur auf medium extrinsecum oder
auf einer Verflechtung der beiden media beruhen' soll, während letztere
gar keines Mediums, sondern nur der im Urtheile vorkommenden Begrifl'e
selbst bedürfe; ausserdem noch seien die Unterschiede der Supposilion
der Begriffe und der Quanlität, Qualität und Modalität der Urtheile als
Eintheiiungsmolive der Consequenzen zu betrachten"110). Doch dass gerade
1015) C. 33, f. 55 r. B: Non solum aulem diffinita absotuta dißniuntur, sed
eliam diffinita connolaliva; et ilio sunt in duplici di/ferentia ; quaedam enim sunt
talia, de quit,us significalive sumplis impossibitiler praedicatur esse , euiusmodi sunt
„chimaera, Iiireocereus , vacuum" et kuiusmodi; aliu sunt, de quibus non impossibiliter
praedicatur esse, sicut „album, nigrum, risibile , calefactivum" Prima habent
praecise diffiniliones exprimenles quid nominis Alia aulem connotaliva
possunt kahere duplicem diffinilionem : unam, quae exprimit quid nominis tantum, et
.'t1,u11. quae exprimit quid rei ; itta aulem, quae exprimit quid nominis tantum, est
propriissima diffinitio talis diffiniti, propler quod vocatur a nonnullis diffinilio forma
lis et diffinitio secundum speciem; alia exprimens quid rei non est propriissima, . . . .
quia tale connotalivum non habet nisi diffinilionem exprimentem quid nominis tan
tum, et propler hoc talis diffinilio vocatur diffinitio malerialis ab aliquibus.
1016) III, 3, l, f. 57 r. A : Habito de sgllogismo demonstraliva agendum
est nunc de argumentis et consequenliis, quae non habent formam sgllogislicam
Et primo praemitlendae sunt quaedam dislinetiones de conseqtlentiis Consequenliarum
quaedam est ut nunc et quaedam est simplex Aliquando consequentia
lenet per medium intrinsecum, quando lenet virtule alieuius propositionis formatae
ex eisdem lerminis, sicul i,ta consequentia „Soerales currit, ergo homo curn'i"
lenel virtule islius mediae „Soerales est homo"; sed tunc lenel consequenlia per
medium extrinsecum, quando lenet per aliquam reguiom generalem, quae .non ptus
respicit illos lerminos, quam alius Consequentianim quaedam est malerialis el
quaedam formalis: consequenlia formalis est duplex, quia quaedam lenet per medium
412 XIX. Occam (Argumentalion).
über diese Eintheilung eine bunte Manigfaltigkeit der Theorie in den
Schulen umlaufen mochte, bezeugt uns Occam selbst, indem er anderswo
eine ganz abweichende Unterscheidung der consequentia formalis an
führt1017). Die zahlreichen Regeln aber, welche sodann Occam über die
verschiedenen consequentiae vorführt, zeigen uns ebenso wie die ältere
Formalion dieser Lehre (Abschn. XVII, Anm. 623) einen grundsätzlichen
Hinblick auf den Umkreis der Topik in Benützung der Begriffe der DeliniüoM,
Beschreibung, Interpretalion u. dgl., sind aber zugleich für Jeden,
der die gewöhnliche Lehre vom Urtheile inne hat, so selbstverständlich,
dass man es als ein überflüssiges Unternehmen bezeichnen möchte, die
selben in solcher Ausführlichkeit zu registriren (ich verzichte daher auch
hier darauf, den Inhalt der Anmerkungen im Haupl-Texte zu wieder
holen).
Diese Regeln beziehen sich zuerst auf die consequentiae per medium
intrinsecum ; diese aber können entweder aus einem allgemein bejahenden
auf ein allgemein bejahendes Urtheil schliessen, sei es dass sie von den
Prädicaten jeder Art gelten1018), oder dass sie nur bei gewissen relaliven
extrinsecum, quae respicit formam proposilionum, et quaedam tenel per medium
intrinsecum immediale el mediale per medium extrinsecum, respiciens condiliones generales
proposilionum Consequenlia malerialis dicitur, quando lenet praecise ralione
lerminorum et non ralione alicuius medii Aliquando conctuditur praecise
praedicatum de subiecto non delerminato, an praedicatum sit genus vel species vel
differentia; aliquando conctuditur cum tali delerminalione Aliquando infertur
consequens, in quo subiectum supponit personaliler el significalive, et aliquando
infertur consequens, in quo subiectum supponit simpliciter vel malerialiler Ali
quando infertur consequens, quae est proposilio universalis, et aliquando proposilio
parlicutaris Aliquando infertur proposilio affifmaliva et aliquando negaliva
Consequentiarum quaedam est ex antecedenle affirmalive et consequenle affirmalive,
quaedam ex utroque negaliva, quaedam ex anlecedenle affirmaliro et consequenle negalivo,
quaedam e converso Aliquando consequens est proposilio de inesse, ali
quando est proposilio de necessario el sie de aliis.
1017) Sent. t, Dist. 4, qu. l K: Consequenlia formalis est duplex : aliquando
lenel ralione complexorum, et talis consequentia est sgllogismus, quia ubicunque et
ex quibuscunque lerminis fiat sgllogismus habens tales praemissas sie dispositas, ibi
est bonus sgllogismus. Simitiler ab exctusiva ad universalem de lerminis transposilis
est bona cunsequenlia, simitiler a coputaliva ad allerem partem Aliquando
cunsequenlia est formalis praecise ralione lerminorum , quia sciticet lermini ipsi se
habent ad invicem sie vel sie, el isto modo ab univrrsali ad singutarem est bona
consequenlia quia lerminus unus continetur ab alio.
1018) Summa t. l. a. a. O. c. 2, f. 57 r. B: Dicendum est primo de regulis,
per quas lenent consequenliae, quae lenent per medium intrinsecum, ei cirea
hoc primo de regulis, per quas lenent consequenliae conctudenles conctusionem
universalem affirmalivam ex affirmaliv a, in qua lermini supponunt significalive et personaliter
A superiori distributo ad inferius distributum est bona consequentia ;
quando praediealio superioris de inferinri est necessaria, tunc est consequentia
simplex; quando aulem praedicalio esl conlingens , tunc est consequenlia ut nunc ;
verumtamen quando tam antecedens quam consequens sunt de possibiti vel
contingenli, accepto subiecto utriusque pro eo, quod est, vel pro eo, quod conlingit,
est generaliler consequentia simplex A diffinito distributo ad diffinilionem
distributam est bona cunsequenlia el e converso A deseriplione distributa ad
deseriptum distributum est bona consequenlia et e converso A nominis inlerpretalione
distributa ad nomen inlerpretatum distributum est bona consequenlia et e
eonverso Ab uno converlibitium distribulo ad reliquum distributum est bona
cunsequenlia et e converso Praedictae regutae inlelligendae sunt in proposilionibus
de inesse et de modo in sensu diviso , non in itlis de modo sumplis
XIX. Occam (Argumentalion). 413
Prädicaten stattfinden1019), oder sie enthalten einen Schluss aus einem
allgemein verneinenden Urtheile auf ein allgemein verneinendes, und zwar
abermals entweder bei jedwedem Prädicate1020) oder nur bei relaliven
Begriffen 1021) , oder endlich sie schliessen aus Bejahendem auf Ver
neinendes oder umgekehrt, welch beides einer näheren Aufzählung der
Regeln nicht bedürfe; hingegen ist noch die Abfolge parlicularer und
unbeslimmter Urtheile durch besondere Regeln zu normiren1022). Hierauf
in sensu composito; in talibus enim videndum est, an modus possit compelere
anlecedenli, nisi competat consequenli; et tunc est bona consequentia et cum modn
veritalis tenet , non aulem cum modo necessitalis vel possibilitalis , quia in consequenlia
ut un,u: ex necessario polest sequi conlingens et ex possibiti A differentia superiori distrit,ula ad inferius distributum est boimnpaossciobnistee.
quenlia A oonvertibiti cum superiori distribulo ad inferius distributum
A d,ffinilione superioris et deseriptüme et nominis interpretalione distributa ad in
ferius distributum Quando contingit inferrv diffinitum vel deseriptum vel inlerpretatum
cum distrit,ulione, conlingit inferre diffinilionem et deseriplionem et nominis
inlerpretalionem cum distnbulione.
1019) C. 3, f. 57 ».B: Dicendum est de regulis, per quas iufertur universalts
affirmaliva non respectu omnium praedicalorum, sed respectu aliquorum Ab uno
reiolivotum, quae sunt simul natura, distributo ad reliquum distributum respectu huius
verbi „esl" est bona consequentia et non respectu aliurum praedicatorum , unde bene
sequitur „Omnis paler est, ergo omnis fitius est" A lolo distributo ad partem
distributam respectu huius verbi „esl" est bona consequenlia, sicut sequitur „Omnis
domus est, ergo omnis paries est" St concretum praedicatur de conerelo distri
buto, et abstractum praedicabitur de abstracto distribulo, sicut „Omne iustum est lm
niim, ergo omnis iustitia est bona (zu lesen bonitas)".
1020) C. 4, ebend. : Reguioe, per quas lencnt consequenliae inferentes universa
lem negalivam ex negaliva respectu quorumquc praedicatorum A supe
riori distribulo ad inferius distributum negalive est consequentia simplex, „Nultus
bomo currit, ergo nulius homo albus curril" A diffinitione ad diffinitum
cum distribulione eliam negalive et a deseriplione ad deseriptum, el e converso
A differentia superioris ad inferius et a differenlia superioris ad inferius negalive
cum distribulione lenet consequenlia.
1021) C. 5, f. 58 r. A: JVon respectu quorumeunque praedicalorum deserviunt
regular tales : Ab uno reiolivorum, quae sunt simul natura, ad reliquum negalive cum
distnbulione est bona consequenlia A nomine partis distributo ad nomen lolius
disiributum Si coneretum negatur universaliter de conereto, el abstractum de
abstracto A negalione prioris d,stribuli ad negalionem posterioris, sicut „Nulta
substanliv est, ergo nultum aecidens est" A negalione subiecli seu denominali
ad negalionem denominantis, sicul „Nultum corpus est, ergo nultum album esl".
1022) C. 6, ebend.: Restal dicere, quomodo universalis affirmaliva infertur ex
negaliva el e converso ; sed quia ista possunt palere ex praedictis, ideo dicendum
est de consequenliis inler particuiores et indefinites, quia particuioris et indefinita
convertuntur semper, quando lermini supponunt personaliler et significalive (vgl.
Anm. 901) A di/finitione ad diffinitum est bona consequentia a parte subiecli et
eliam a parle praedicali affirmalive el e converso A deseriplione ad deseriptum
el e converso A nominis interpretalione ad nomine interpretatum Ab inferiore
ad superius est bona consequentia sine distribulione et affirmalive, el talis est sin,-
plex Ab inferiori ad superius postposita negalione est bona consequentia, sed non
simplex, nisi quando praedicalio superioris de inferiori est nccessaria Ab uno
convertibilium ad reliquum Ab aliquo sumpto cum delerminalione ad ipsum
sumptum sine delerminalione; tamen aliquando de lolo aggregato ex delermi
nalione et delerminabiti praedicatur allera pars , aliquando utraque pars, aliquando
neutra, v. gr. de itlo lolo „homo albus" praedicatur utraque pars A proposilione
sumpta cum adverbio delerminanle operalionem ad ipsam sine delerminalione
sumptam valcl consequentia a/firmalive, sicut „Soerales velociter currit, ergo Soerales
curnl" A propostlio,le universali affirmaliva ad quamlibet indefinitam, parlicu
414 XIX. Occam (Argumentalion).
folgen die consequentiae per medium exlrinsecum, und zwar sowohl
wenn Bejahendes aus Bejahendem1023), als auch wenn Verneinendes aus
Verneinendem lt)24), als auch wenn Bejahendes aus Verneinendem oder
umgekehrt geschlossen wird1025). Sodann werden specielle Regeln der
eonsequentia betreffs der modalen Urtheile formulirt, wobei natürlich
wieder, wie schon früher (s. Anm. 950 11'. u. 980 11'.), in der Unterschei
dung des sensus vompositus und des sensus divisus das hauptsächliche
Moliv liegl; zuerst wird der Fall ins Auge gefasst, dass die Modalität
des Urtheiles im Schliessen unverändert bleibt, d. h. dass z. B. von einem
Nothwendigkeits-Urtheile nur wieder auf ein Nothwendigkeits-Urtheil ge
schlossen wird1026); sodann folgen die Schlüsse, welche von einem mo
vei singulurem affirmalivom, de cuius subiecto vere praedicatur subiectum universalis,
est bona consequcntia respectu eiusdem praedicali, nulio varialione exislenle
a paele delerminalionis''. . . . . A nomine numeralt respectu huius verbi „esl" ad nomen
parils, -..''. .sieut '„Quatuor sunt, ergo duo sn«f"..... A nomine colleclivo ad nomen
parlis Quando sunt duae contrarietales , si unum extremum unius contrarietalis
praedicatur de uno extremo allerius contrarietalis, reliquum extremum praedicabitur
de reliquo; -sicut „luslilia est virtus, ergo iniuslilia est vilium" Si generalio
alicuius bona est, ipsum quoque bonum est ; ferner ebenso beim Prädicate „matus"
und beim Subjecle „corruplio" .
1023) C. 7, f. 59 r. A: Dicendum eti nunc de regulis infcrenlibus affirmalivam
ex affirmaliva per medium extrinsecum Si principule de principali, et coniugatum
de coniugalo et casus de easu et e converso ; et vocatur coniugatum coneretum et
principale abstractum, st coneretum et abstractum significant idem (s. Anm.
826 ff., 885, 918) Si aliqua consequentia sit bona, eodem addito utrobique
adhuc erit bona Quod dicit sapiens, est verum; sed istn reguio non est
generalis nisi de autore, qui errare non polest Si simpliciler ad simpliciter, et
magis ad magis et maxime ad maxime Si singuiori' de singuiori, et pturale de
plurali Si pturale de pturali, et singutare de singuiori.
1024) C. 8, f. 59 v. B: De regulis, per quas lenent consequenliae inferenles
negeliwim ex negalira. Et est unu reguio compleclens multas, quae est talis: A diffinilione
ad diffinitum, a deseriplione ad deseriptum, a nominis inlerpretalione ad inlerpretatum,
ab uno converlibili ad reliquum, et e converso lenel consequenlia, sive
praeponatur sive postponatur negalio ;...... Ab inferiori ad superius postposita negalione
est bona consequenlia A negalione inferioris ad negalionem superioris
sumpli cum signo universali affirmaliva vet stanle immobi liler est bona consequentia,
sicul „Sverales non est isle homo, ergo Soerales non est omnis Aomo" Si „differre,
esse aliud, distingui" significent idem quod „non esse idem", tales consequen
liae' sunt bonae ;..... verumtamen polsst dislingui de „esse non idem", quia uno
modo polest esse lerminus retalivus, alio modo lerminus mere infinitus ...J, A nega
lione alicuius ad negalionem eiusdem cum aliqua delerminal,one est bona consequen
lia, sicul „Soerales non est homo, ergo Soerales non est homo albus".
1025) C. 9, f. 60 r. B: De regulis deservienlibus consequenliis inferenlibus negalivam
ex affirmalivu et e converso Ex affirmalione contrarii sequitur negalio
allerius contrarii A negalione contrarii ad positiunem allerius est bona consequen
lia A posilione habitus sequitur negalio privalionis et e converso (dann folgt
die schon oben, Anm. 900, angeführle Stelle) AI) affirmalica de praedicalo
infinito ad negalivam de praedicalo finito Ad affirmalivam de praedicato finito
sequitur ncgaliva de praedicalo infinilo Ad negalivam de praedicalo finito sequi
tur aßrmaliva de praedicato infinito Ad negalivam de praedicato infinito sequilur
affirmaliva de praedicalo finito Ab affirmaliva de specie specialissima ad
negaMam de alia specie specialissima condividente est bona .. consequenlia Ab
affirmalivu de uno genere ad negalivam de alio genere non suballerno est bona con
sequenlia.
1026) C. 10, f. 61 r. A: JVunc dicendum est de quibusdam regulis deservienlib'u's'
consequentiis ex propositionibus de modo Üe consequentiis ex proposilio
XIX. Occam (Argumentalion). 415
•
dalen Urtheile auf ein Inhärenz-Urtheil fibergehen1027), und zuletzt die
jenigen, welche von Einer Modalität auf eine andere Modalität hinüberschliessen1028).
Sowie aber ersichtlich ist, dass die bisher angeführten Regeln der
consequentia nichts Anderes enthalten, -als was die aristotelische Tra
dilion in Bezug auf Umkehrung, Entgegensetzung und Aequipollenz der
Urtheile dargeboten hatte1029), so reiht nun 'auch Occam betreffs der
modalen Urlheile wirklich sofort die Aequipollenz und Entgegensetzung
derselben an, :wie wenn Solches unbedingt nur zur Lehre von consequentia
gehören könnte. Nachdem er zu diesem Behufe eine Eintheilung
nibus de necessario est una reguio taLis : . Ab inferiori ad superius sine distribulionc,
tam a parte subiecti quam a parte praedicali, affirmalive est bona conse
quenlia, sicul „Soerales de necessitale est homo, ergo Soerales de necessitale est animal"
quando nccessarium sumitur in sensu diviso Semper ab itla de
necestario in sensu composito vel ei aequivalenti ad aliam de necessario in senm di
viso vel ei aequivalentem est- bonu consequenlia et e converso, sicut „Soerales
dc necessitale est homo, ergolbaec est necessaria „„Soeratcs est Aon,o"" ct e converso".
Cirea consequcntias, quae fiunt ex proposilionibus de possibiti est sciendum, quod
singuiore de subiecto, quod est nomen proprium vel praccise pronomen demonstralivum,
sumptum in sensu diviso infert Mam de possibiti sumptam in sensu composito et\e
converso; si subiectum fuerit lerminus communis, si stat pro eo, quod
est, consequentia non valet, sicut non M'qnttur „Hoc album polest esse nigrum,
ergo hacc est possibitis „Hoc album est nigrum" ; si aulem slet pro eo, quod
polest esse, ab itio in sensu diviso ad aliam in sensu composito non valet conse
quenlia Cirea propositiones de contingenli sciendum est, quod itio de conlingenti
sumpta in sensu composito et secunda in sensu diviso convertuntur, si subiectum
sit pronomen demonstrali,'um vel nomen proprium; si aulem suhiectum sit ler
minus communis, non oporlet Cirea itiom de impossibili sciendum est,
quod, quando subiectum est pronomen demonstralivum, itio in sensu composito et itio
in sensu diviso convertuntur; sed si subiectum sil lerminus communis,
non aequivalent Cirea alias modales u. s. f., ncmlich genau dasselbe wie bei
contingens und impossibite.
1027) C. 11, f. 6.1 v. B: Cirea consequenlias ex una de inesse et alia de modo.
Hin de necessario, sive sumitur in sensu diviso sive in sensu composito, semper
infert itiom de inesse, sed non e converso llla de possibiti, sive sumatur
in sensu diviso sive in sensu composito, non infert suam de inesse tlln de
contingenli, si sumatur in sensu composito, ..... non infert suam de inesse ;
simititer si sumatur in sensu diviso liio de impossibiti in sensu composito non
infert suam de inesse, sed semper contradictoriam suae de inesse; ..,,.. sm"l,iri si
sumatur in sensu diviso Cirea alias modales sciendum est, quod raro cel nunquam
itioe de inesse inferunt itios de modo, tamen frequenler itioe de modo
inferunt itios de inesse; st sit talis modus, qui non polest compelere nist propositioni
verae, consequenlia est bona ab itio de modo ad suam de inesse^ ..
1028) 'C. 12, f. 62 r. A: Videndum est de consequenliis ex proposilionibus diversorum
modorum liio de necessario semper infert ittam de possibiti ..... Ilta
de necessario non infert iltam de conlingenli, modo conlingenliae manentc aff,rmalivo,
nec e converso liio de necessario infert contradictorium itlius de impossi
biti. . .' . . Multae proposiliones de aliis modis inferunt itios' dc necessario, sed non e
converso, sicut sequitur „Omnem Iiominem esse risibite, est demortstrabite ; ergo
omnem hominem esse risibite, est necessarium" ...... Ilio de possibiti non in ff rt
ittam de contingenti, sed e converso Omnis propositio, in qua ponitur alius
modus, qui non polest compelere nisi proposilioni verae, mfert ittam de possibiti.
Reguio generalis est: A propositione de uno modo ad propositionem de alio
est semper bona conseqtlentia, quando modus consequentis praedicatur de modo anlecedenlis
universaliter sumpto.
1029) S. oben bei Anm. 892.
416 XIX. Occam (Argumentalion).
der Modalitäten in widersprechende (repugnantes) , subalternirende (secundum
superius et inferius) und disparate (impertinentes), sowie die
nöthige Berücksichligung der Quanlität und Qualität vorausgeschickt 1 030),
bespricht er ziemlich lückenhaft und in willkürlicher Auswahl einige
Momente der Aequipollenz der .Nothwendigkeits-Urtheile1031), hierauf der
Zufälligkeit -Urtheile1032) und zuletzt der Unmöglichkeits-Urtheile l033).
Diese Mängel der Darstellung ergänzen sich uns allerdings durch Das
jenige, was Occaui über diesen Gegenstand in der Expositio aurea
entwickelt, woselbst er durch die Erklärung des aristotelischen Textes
1030) C. 13, f. 62 r. B : Cirea proposilionum modalium aequipollentias et repugnanlias
sunt variae dtfficultaies Modorum quidam sunt repugnanles, quidam
.a a i superius et inferius se habenles, quidam sunt imperlinenles. Repugnanles sunt,
sicut necessarium et impossibite, possibite et impossibile, necessarium et conlingens,
ad utrumlibel et impossibite, necessarium et inopinabite, demonstrabite et indemonstrabite,
et tales mulli ; secundum superius et inferius se habentcs sunt, sicut necessa
rium et possibite, necessarium et scibite, necessarium ei demonstrabite ; imper
tmenles sunt, sicut dubitabite et possibite, et huiusmodi Modorum repugnanti um
quidam sunt immediali, sicul se habent possibite et impossibite , quia omnis
proposilio vel ost possibitis aul impossibitis; quidam sunt n,ediuli, sicol necessarium
et impossibite Modorum quidam sunt simpliciler affirmalivi, sicul necessarium,
quidam simpliciter negalivi, sicut impossibite, quidam non simpliciler affirmalivi
nec simpliciler negalivi, sicut conlingens In modaiibus quaedam sunt
proposiliones simpliciter primae, quarum aequipollenliae non sunt quaerendae, et sunt
omnes proposiliones, in quibus ponontur modi simpliciler affirmalivi vel non simpli
citer affirmalivi, tamen non negalivi; de aliis propositionibus modalibus quae
rendae sunt aequipollenliue In propositionibus quandoque modus affirmatur et
quandoque negatur.
1031) C. 14, ebend.: Primo aulem dicendum est de proposilione, in qua ponitur
itle modus „necessarium", de qua dicendum est, quod necessarium aut non negal
modum aul negal modum. Si primo modo, semper talis proposilio aequivalel alicui
proposilioni de necessario, sicut ista „Necesse est, non omne animal esse ho
minem" aequivulel isli „Necesse est, aliquod animal non esse hominem" Si
aulem modus necessitalis negatur et non signum (der gedruckle Text gibt ganz Ver
kehrles, sowie überhaupt gegen den Schtuss des Buches -id, die Druckfehler in
bedenklicher Weise vermehren)-, tunc modus necessitalis mutandus est in modum,
quem infert, sc. in possibitem affirmalivum, et residuum in contrarium, sicut ista
„Non necesse est, omne animal esse hominem" aequivalel isli „Possibite est, aliquod
animal non esse hominem". Si autem modus non negetur , sed signum sotum, modus
mutabitnr in possibilem affirmalivum, unde ista „Nultus homo de necessitale est ani
mal"' aequipollel isli „Omnis homo polest non esse animal":.... Sicul dictum est de
propositionibus de necessario respectu proposilionum de possibiti, ita dicendum est
proporlionabititer de propositionibus de possibiti respectu propositionum de necessario.
1032) C. 15, f. 62 v. A: Istarum proposilionum „Contingit, omnem hominem
esse animal" non est aequipollentia quaerenda, quia sunt primae ; possunt tamen
tales propositiones exponi, sicul ista aequivalel isti „Pbssit,itc est, omnem ho
minem esse animat, et possibite est, nultum hominem esse animal" Ideo semper
aßrmaliva et negaliva de contingenti, modo conlingenti remanente affirmalivo, eonvertuntur
Quando aulem dictum proposilionis de conlingenti mutatur in contradictorium,
tunc parlicuioris aequivalet uni disiunctivae.
1033) C. 16, f. 62 v. B: Proposilionum de impossibiti quaelibet aequiva
lel opposito alicuius de possibili; et cum dicitur, quod „impossibite" aequivalel
isli „non possibite", facililer polest sciri per praedicta, cui aequivalel propositio de
impossibiti tju,unlti nulio negalio negal modum impossibititalis, tunc ilio de impossibiti
aequivalel uni de necessario Si aulem modus impossibititalis sit negatus,
tunc mutabitur modus impossibititalis in modum possit,ititalis.
XIX. Oceam (Argumentalion). 417
veranlasst war, die erforderliche Casuislik erschöpfender durchzuführen ;
und somit darf ich wohl zur Vervollständigung auf seine dorligen An
gaben über die Aequipollenz der modalen Urtheile1034), sowie wenigstens
auf die versinnlichende Darstellung der Entgegensetzung derselben hin
weisen 1035).
Indem aber Occam als einen Gegenstand der consequentia auch noch
diejenigen Urtheile beizieht, bei deren Begriffen nicht eine suppositio
personalis , sondern eine suppositio simplex oder materialis obwaltet
1034) Expos, aur. Perierm. II (gegen Ende): Cirea proposiliones modales sunt
duo videnda: primum est de aequipollenlia , semndum de repugnanlia Aequipollenlia
habetur, quando per addilionem negalionis tola proposilio negaliva redditur
allerius quantitalis vel qualitalis vel modi , quam fuerit propositio praecedens
De. possibiti . . . . modus aliquando negatur, aliquando non negatur. Quando non negatur,
aequipollenlia accipienda est sicut in itlis de inesse Si autcm modus
negatur, tunc aul negalio praecedit tam modum quam signum, aut unum eorum
Si primo modo, aut signum ittud est universale aul parlicuiore. Si sil universale
et modus negatur, sie aequipollel utii parlicuiori de necessario Si aulem signum
sit parlicuiore, tunc aequivalel uni universali negalivae de necessario et uni particuiori
de impossibiti Si aulem negalio tantum praeecdit talem modum, sc. possibile,
tunc si proposilio sumatur in sensu divisionis et sit universalis, aequipol
lel universali negalivae de necessario; st sumatur in sensu composito, tunc aequipollet
uni parlic-uiori negalivae de necessario Si aulem signum sit parlicu
iore, tunc in sensu diviso aequipollel uni parlicutari de necessario; sed in
sensu composito aequivalel uni universali negalivae de necessario Si autcm ne
gatur modus necessitalis, tunc si negalio praecedit modum et sit signum particuiore,
in sensu diviso aequivalel uni parlicutari negalivae de necessario; in sensu
composito aequipollet uni universali negalivae de possibiti Si aulem signum sit
universale, tunc in sensu diviso aequipollet universali negalivae de possibiti;
in sensu composito aequivalet uni particuiori negalivae de possibiti Si aulem
negetur modus impossibititalis, tunc si signum sit universale, in sensu diviso aequi
valel uni universali negalivae de possibiti ; in sensu composito aequivalet uni
universali de possibiti Si aulem signum sit parlicuiore, consimitiler aequivalet
parlicuiori de possibiti tam in sensu composito quam in diviso. Et ista ad praesens
sufficiant de aequipollenlia proposilionum modalium, quamvis multa alia dici possent.
Die byzanlinischen Memorial-Verse bleiben auch hier unberücksichligt, vgl.
Anm. 901 u. 941.
1035) Ebend. : Cirea repugnanliam propositionum modalium est sciendum, quod
u. s. f. Nemlich die weitschweifigen Regeln concentrirt Occam in folgende drei
Figuren :
Necess. omne A est B contrar. Necess. nultum A est B
Aliqu. A polest esse B' subeontr.
Ferner ebenso :
Imposs. est, omne A e. B
Possib. est, aliqu. A non e. B
und desgleichen:
Omne A Polest e. B
Aliqu. A necess. e. B
PBANTL, Gesch. III.
Aliqu. A pol. non esse B
Imposs. e., nultum A e. B
Possib. e., aliqu, A e. B
Omne A pol. non e. R
Aliqu. A necess. non e. B
27
418 XIX. Occam (Argumentalion).
(s. ob. Anm. 877), d.. h. Urtheile, in welchen die Universalien oder
sonslige intentiones secundae ausgesagt werden 1036) , so hat er
hiemit einen zwar sehr eigenthümlichen , aber doch nicht unmolivirten,
Uebergang zur Topik gewonnen , insoferne in dieser in der That die
ursprüngliche Quelle der Quinque voces liegt (s. Abschn. IV, Anm.
707 ff., Abschn. V, Anm. 83 f., Abschn. XII, Anm. 167). Und indem
er so von der Verbindung der consequentia mit der Topik einen
umfassenderen Gebrauch macht, als die Früheren (Absclm. XVII, Anm.
618), bespricht er zunächst völlig an der Hand der aristotelischen
Topik in grosser Ausführlichkeit die Begriffe genus, proprium, definitio
, species, differentia, idem ,el diversum1**3'), und wird dann
durch die gleiche Quelle auch auf inductio geführt, bezüglich deren
wir ihm das ehrende Zeugniss nicht versagen dürfen, dass er we
nigstens eine Ahnung von dem Werthe des Iuduclions - Beweises in
sich trug, sowie er ja auch grundsätzlich sich in ächt aristotelischem
Geiste über die Erkenntniss des Siugulären äusserte (s. oben Anm.
745) oder dem singulären Urtbeile selbst eine Stelle im kategorischen
Syllogismus vorbehalten wissen wollte (ob. Anm. 970). Die Bemer
kung, welche er einmal anderswo macht, dass der Erfahrungs- Beweis
dem Syllogismus ebenbürlig sei 1038), erhält somit bei ihm eine etwas
beslimmtere Form, insoferne er wenigstens im Slile der Regeln der consequentia
den Versuch macht, das logische Verhältniss, welches zwischen
einem allgemeinen Urtheile und den unter dasselbe fallenden singulären
Urtheilen besteht, in eine formulirte Fassung zu bringen; und indem er
diess zunächst bei den gewöhnlichen Inhärenz- Urtheilen und denjenigen,
deren Verbum im Präteritum oder Futurum steht, unternimmt, erheben
sich ihm nur theologische Schwierigkeiten bezüglich des zukünflig Mög
lichen1039); für die modalen Urtheile aber gilt ihm der Uebergang vom
1036) Summa t. l. a. a. O. C. 17, f. 63 r. A: Nunc videndum est de consequentiis
ex proposilionibus, m quibus aliquis lerminus supponit simpliciler vel malerialiler,
ut sunt consequentiae inferenles tales conctusiones „Album est accidens Soeralis,
Homo est species talis generis, Risibite est proprium hominis, Substantia animata
sensibitis est diffinilio animalis, Canis est aequivocum" et huiusmodi Est igitur
reguio generalis talis: lltud contingenter veri/icatur de aliquo, ergo est accidens eius.
Alia reguio: Hoc verificatur de hoc et non est proprium itlius nec genus nec
differentia nec species nec diffinilio nec aliquid commune omnibus , ergo est accidens
eius.
1037) C. 18—30, f. 63 r. A — 68 r. B.
1038) Quodl. V, qu. 2: Eadem conctusio non sotum specie sed numero polest
evidenler sciri per demonstralionem et experientiam et per eundem habitum numero.
Hoc probo, quia per experienliam aequiritur aliquis habitus veridicus conctusionis et
nullus alius a scienlia, et per demonstralionem acquiritur scienlia eiusdem con
ctusionis.
1039) Summa t. l. a. a. O. C. 31, f. 68 r. B: Inductio est a singuioribus
ad universale progressio ; ad hoc aulem, quod /iat inductio, requiritur, quod tam in
singuioribus quam in universali sit idem praedicatum et solum sit varialio a parle
subiectorum Sunt igitur istae reguioe: Quaelibel uuiversalis a/firmaliva
vera de praesenli, non aequivalens proposilioni de futuro, et de inesse habet aliquam
singuiorem veram St omnes singuiores alicuius proposilionis sint verae, universalis
est vera Si universalis affirmaliva sit falsa, oporlet, quod aliqua singuioris
sit falsa Cirea universalem de praelerito sunt reguioe intelligendae sicut de uni
• XIX. üccam (Argumentalion). 419
Singulären zum Allgemeinen nur beim sensus divisus als überhaupt
statthaft, während beim sensus compositus nur die Nothwendigkeits-
Urtheile einen solchen Induclions - Schluss zulassen i040). Nachdem er
aber hierauf aus der aristotelischen Topik noch den Begriff des Homo
nymen erläutert hat1041), fasst er zum Abschlusse noch eine An
zahl allgemeiner Regeln der consequentia zusammen1042), welche uns
allerdings an die ältere Formalion dieser Lehre (Abschn. XVII, Anm.
621) erinnern und in dieser Form vielleicht auch nur eine Zugabe des
Herausgebers sind.
Wenn aber hierauf in einer Weise, welche unverkennbar den Interpolator
verräth (s. die schon oben, Anm. 740, angeführte Stelle), noch
als ergänzender Anhang die Lehre von Obligationes und Insolubilia bei
gefügt wird1043), so muss ich diese kleine Gruppe dem folgenden Ab
schnitte vorbehalten, in welchem wir überhaupt manigfache Erweiterungen
der byzanlinischen Logik treffen werden, wenn ich auch nicht in Abrede
stellen will, dass Occam sich mit diesen Dingen, deren erste Keime ja
bereits vorlagen (s. Abschn. XVII, Anm. 625 f.), wirklich selbst beschäf
ligte. In der Form, in welcher sie in dem Compendium Occam's gedruckt
erscheinen, sind sie jedenfalls späteren Ursprungs.
versals de praesenli. Sed cirea induclionem proposilionis universalis de futuro estprimo
sciendum, quod dicendum est eodem modo de inductione proposilionis de futuro necessariae
et impossibitis, sinnt de itlis de praesenli et de praelerito. Sed cirea induclionem
proposilionis universalis de futuro in maleria conlingenti aliler dicendum est secundum
veritalem et fidem, et aliler secundum inlentionem Aristolelis ; nam Aristoleles
ponit, quod nulio propositio contingens de futuro est vera nec aliqua contingens de
futuro est falsa (s. Abschn. IV, Anm. 239); sed ve,-itas fidei ponit, quod conlingentia
futura sunt scita a deo n. s. w. (auch in Expos, aur. Perierm. entwickelt
Occam gelegentlich der propositiones futurac conlingenles einen iongen Excurs über
praedeslinalio und praescienliu dei, welchen wir ebenfalls den Theologen überiossen).
1040) C. 32, f. 68 v. B : Cirea induclionem propositionum universalium de
modo esl primo sciendum, quod si propositiones universales accipiuntur in sensu diviso,
eodem modo inducuntur, sicut universales de inesse , et ideo omnes tales
inducliones sunt bonae C. 33, f. 69 r. A : Videndum est, quomodo omnes singuiores
de modo sumptae in sensu composito se habent ad universales de modo
sumptas in sensu composito Semper singuiores de necessario tales inferunt uni
versales de necessario, nisi in singuioribus subiiciantur pronomina demonstraliva
sumpta cum subiecto proposilionis universalis C. 34, f. 69 r. B : Cirea induc
lionem universalium de possibiti est sciendum, quod ex singuioribus non sequitur
universalis C. 35, f. 69 v. A: Singuiores de conlingenli non inferunt univer
salem de contingenti.
1041) C. 36, f. 69 v. A.
1042) C. 37, f. 70 r. A: Nunc ponendae sunt reguioe generales consequenliis
desereienles Ex vero nunquam sequitur falsum Ex falsis polest sequi verum
Ss aliqua consequenlia sit bona, ex opposito consequentis sequitur oppositum
antecedenlis . . . . Quidquid sequitur ad consequens, sequitur ad antecedens ; . . . .
non tamen quidquid sequitur ad anlecedens, sequitur ad consequens Quidquid
stat cum antecedente, stat cum consequenle Quidquid repugnat consequenli, repugnat
untecedenli Ex necessario non sequitur contingens Ex possibiti non
sequitur impossibite Et istae duae reguioe sunt inlelligendae de consequenlia
simplici; tamen consequenlia ut nunc bene polerit sequi Ad impossibite
sequitur quodlibel Necessarium sequitur ad quodlibet.
1043) C. 38—45, f. 70 v. A — 71 v. B.
27*
420 XIX. Occam (Argumentalion).
Endlich die letzte Unterabtheilung der Lehre von der Argumen
talion1044) enthält eine getreue Darstellung der aristotelischen Sophistici
Elenchi, welche nichts Bemerkenswerthes für uns darbietet.
Welch grossen Einfluss aber Occams Parteistellung und seine ganze
Entwicklung der Logik auf die nächsten Generalionen ausgeübt habe,
werden die folgenden Abschnitte deutlich darthun können.
1044) III, 4, C. 1—18, f. 72 r A — 81. v. B.
REGISTER.
Abano Petrus de 243.
absotule Kategorien 252, 282.
absolutum 324, 364, 367.
abstracto 100, 212, 260, 268, 293, 346.
abstractum — coneretum 215, 242, 265,
279, 293, 308, 321, 363, 386.
accidens s. Isagoge.
accidens logicum 244.
actus apprehcnsivus 332.
inlelligendi 265, 307, 320, 335,
338, 347.
ralionis 206, 292.
adminicutaliva logica 258, 274.
adunalio 101.
ad utrumlibet 131.
Aegidius r. Lessines 196 f.
Romanus 257 ff.
aequiparanlia 153, 282, 310.
aequivocum 46, 282, 306, 365.
aggregatum 209, 234.
Albertus Magnus 89.''
de Saxonia 203.
Alexander Alesius 75.
v. Alessandria 240 f.
alietas 137, 310.
alius 53, 72, 377.
Amalric von Ben 6.
amplialio 19, 31, 56, 89, 134, 186, 227,
382, 384, 393.
an 24.
analogen 93, 103, 306.
Analylik erste 105 f., 230 f.
zweite 85 ff., 106 f., 118, 232,
'234, 409.
Ancona Auguslinus von 274 ff.
Andly Heinrich von 180.
Andreas Antonius 276 ff.
Angelologie 184, 189, 217, 240, 271,
281, 295 f., 309, 312, 317, 360.
anima, in nnima u. extra animam 260,
273, 279, 284 f., 334.
anlepraedicamenta 103.
anlipiotonische Richtung 125, 236, 240,
249, 292 f., 309, 316, '318, 325,
358.
Antoli 4.
Antonius Andreas 276 ff.
•apparens, apparitio 323 f.
appeliolio 19, 31, 57, 83, 106, 135, 373.
appelo 134.
applicdre 204.
aptiludo 100.
Armand von Beauvoir 306 ff.
Ascoli Joh. Graliadei von 313 ff.
Auguslinus Triumphus v. Ancona 274 ff.
Aureotus Petrus v. Verberia 319 ff.
Auvergne Petrus von 238 ff.
Withelm von 75 ff.
Auxerre Lambert von 25 ff.
Avendeath Johannes 3.
Baconthorp Johannes 318.
Baco Roger 120 ff. '
Baldnin 8.
Barbara, Ceiorent u. s. f. 15 f., 49, 84,
154, 230, 398.
Basingstokes Johannes 5.
Beauvais Vincenz von 77 ff.
Beauvoir Armand von 306 ff.
Ben Amalric von 6.
Benevento Marcus de 330.
Bernhard von Tritia 196.
bis 133, 378.
Bologna Gerhard von 241 1
Bonaventura 119 t.
Brabant Heinrich von 5.
Siger von 234 f.
Brito Herveus 264 ff.
Olivier 201.
Radulph 241 f.
Burleigh Walter 297 ff. '
byzanlinische Logik 10 ff., 129 ff., 224 ff.
379 ff.
Caplto Robert 85 ff., 121.
caret 133.
casus obliqui 230, 362, 382, 385, 393,
399.
causalis 129, 253, 396.
causando — praedicando 235, 240, 242, 273,
278, 299, 309.
causis de 8 f. ' •'!'•'!
422 Register.
celeri 225.
Ciopwel Richard 199..
cognosco, scio 226.
colleclio 101, 110, 190, 210.
Colonna Aegidius de 257 ff.
communicabititas 100, 350.
communis natura 126.
communitas 110, 213, 347.
comparare 212.
Comparativ 71.
complexum — incomplexum 78, 93 , 307,
310 f., 332.
comprehensio 323.
conecpta res aliler et aliler 199.
conceplio 324.
Conceptnalismus 206, 237, 278, 299,
344 f.
conceptus 206, 240, 259, 261, 286,
338 ff., 357.
formatus 344.
obieclivus 322 ff.
primus ei secundarius 302.
concomitanlia 388.
coneretum s. abstractum.
conformitas 326.
confuse 212, 356.
Conjunclionen 23, 396.
connolalivus 364, 367, 386, 410.
connotatum 134.
conseculiv 23. f
consequenlia 137 ff., 154 f., 186, 227 ff.,
254, 282, 351, 388, 390, 392, 396,
411 ff.
consideralio 261.
consignificalio 58 f., 216.
contingens 14, 44, 105, 132, 394.
conlingenter 22, 44.
conlinue 133, 225.
convenienlia 126, 250.
Copuio 12, 42, 252, 2S2, 303.
copuiolio 18, 31, 55, 227, 232.
copuioliv 24, 226, 39ö.
Correctorium fratris Thomae 189, 243.
corrumpi — generari 226.
eredibite 131.
Cnrtraco Siger de 234 f.
David von Dinant 6.
Defensorium fratris Thomae 200, 243.
Dennilion 89, 107, 290, 366 f., 410.
demonstralio polissima 107, 119, 232,257.
quia et propler quid 107,
153, 410.
denominalio 242, 292, 321.
denominalivum 46.
denudare 212, 250.
deseriplio 290, 366 f.
desidero 133.
desinit nnil incipil 22, 70, 135, 226,
377, 391, 393.
Dialeklik 26.
divlio, loculio 324, 359.
differentia s. Isagoge.
differt 72, 133, 378.
dignitales 107, 119, 232, 257, 409.
Dinant David von 6.
disjuncliv 24, 396.
disposilio 100.
disputalio 143.
disquiparanlia 290.
dislincle 356.
distinclio 290 f., 361.
dislinctum formaliter 220 f.
dislinguitur 133.
distritutlio 20, 31, 60 ff., 83, 136, 186,
227, 229, 231 f., 382, 384.
diversimode inlelligere 248.
divisio 290, 369.
Docking Thomas 201.
Dominikaner n. Franziskaner 233.
Dnns Scatus 202 ff.
Durand v. Pourcain 292 ff.
Etenchi sophislici 19, 30, 50, 85, 107,
118, 155, 232, 235, 420.
ens 101, 224, 252, 288, 306, 369 f.
ralimis 259, 265 f., 274 f., 292, 298,
313 f., 317, 319, 321, 338.
reale 338.
cnthgmemalicus 138.
entitas actualis 212.
delerminaliv a 220.
positiva 218 f., 326.
quidditaliva 219 f.
cnuntiabititas 60. .
ennntialio 104, 252.
Erfahrungs-Beweis 418.
esse diminutum 197.
essenliae u. exislenliae 217, 261,
268 f., 294.
formale u. maleriale 268.
inlenlionale 293, 323.
signatum 237.
essenlia— exislentia 116, 193, 2 1 7, 268 f.,
294, 360.
est 22.
et 24, 232.
excepliv 21, 69, 137, 228, 390, 393.
Syllogismus 409.
exctusiv 21, 68, 136, 226, 228, 389, 393.
Syllogismus 409.
exereitum — signatum 136, 279.
existentia s. essentia.
actualis 212.
exponibitia 22, 67 ff., 135 ff., 152, 226,
256, 381 f., 386, 393.
exponibler Syllogismus 408 (l'.
extraneum et intraneum principium 270.
falsum, verum 14, 44, 380.
ficliones intellectus 207.
fictum 336 ff., 357, 359.
Fidanza Johann von 119 f.
Register. 423
fieri 135, 392.
figmenta 275.
fiatus vocis 327.
Fontaines Gattfried von 196 ff.
Forlivio Jacobus de 305.
forma particuioris 355.
specutaris 323.
formae inlensio et remissio 223 , 263,
273 f., 281, 297. 304, 309,
312, 319, 327, 361.
unitas 96, 185, 188 f., 194 f.,
199f.,221ff.,23«,241,243ff.,
251, 2Ü3, 271 f., 297, 304,
309, 312, 326,361.
formalis hgica 239.
Formalislen 181.
formalitales 220 f., 241, 245, 272, 288 ff.,
326, 360.
formaliler 216, 248, 280, 353.
Franciscns Mayron 283 N'.
Franziskaner u. Dominikaner 233.
Futurnm 56, 135, 385, 393, 401, 418.
Galenische Schtussfigur 30, 106, 231,
264, 397.
generari — conumpi 135, 226.
Gent Heinrich von 190 ff.
genus s. Isagogc.
naturale et logicum 267, 274, 278,
318. ,
Gerhard von Bologna 241.
Gitbertus Porretanus 29, 81', 103, 252,
263, 317.
Göthals Heinrich 190 ff.
Gattfried von Fontaines 196 ff.
Graliadei Job. von Ascoli 313 ff.
Grosselesle Robert 85 ff., 121.
Gundisalvi 3.
habitudo HO, 308.
bnbitu» 345.
haecceitas 219, 269 , 280 f., 286, 290,
296, 317.
Bslbentadt Konrad von 201.
Halesius Alexander 75.
Hammer der erste 264.
Heinrich von Andly 180.
von Brabant 5.
Göthals v. Gent 190 ff.
Herveus Natalis 264 ff.
hie i't nunc 115, 262.
hoc 128.
homonym s. aequivocum.
hgpostasis 291.
hypathelisch s. Syllogismus n. Urtheit.
Jacobus de Forlivio 305.
de Ravanis 201.
Jandun Jobann von 273 f.
;1f•"i! 268.
idem 53, 220 f.
idenlitas 53, 361.
adaequata 221.
identitas formalis 220, 291.
id,dmn 335 ff.
ignoro 226.
llle 53.
imago 336.
immediale 133.
implicalio 58.
impositio prima et secunda 149,151,299,
307, 341, 364 f.
impossibite—possibite 14, 44, 105, 132,
153, 235, 394.
it,rr»liiiuliunlis logtca 249.
incipit s. d,'sin,t.
incommunicabite 115, 237.
incomplexum s. complexum.
indifferens 100, 110.
indi/fi'i'cnlin 235.
indirecte Schtussweisen 255, 398 f.
Individualion s. principium individualionis.
tndividuum 365.
vagum 101, 253, 325.
induclio 418 f.
Infinitalion 104.
infinitus 20, 66, 71.
inquantum 70, 137, 388.
insotubitia 419.
inslitulio votuntaria 340 Il., 356 ff.
inlellectio 324, 357.
inlell,'etns agens et possibitis 294, 300.
inlensio et remissio formae s. formae.
inlenlio prima et seconda 91, 100, 112,
149, 151, 199, 204, 208 f.,
214,235,242, 244 f., 248 f.,
259, 261, 265 ff., 273, 275,
279, 285 f., 293, 298 f., 302,
307 f., 314 f., 319ff., 331,
338 ff, 355, 364 f., 370.
univsrsalitalis 110 f., 247, 275,
316.
inlenlionalis 277, 308. , . .
inlenlionalitas 265, 299.
intraneum et extraneum principium 270.
intrinsecus modus 286, 289, 296.
iHtuiiints 332, 336, 346.
inr,'nliu -— iudicium 253 f.
medii 105, 119, 154, 256.
lonninorum 49. .
Johannes Avendeath 3.
Baconthorp 318.
Basingstokes 5.
Duns Scatus 202 ff.
v. Fidanza 11!) l .
Graliadei T. Ascoli 313 ff.
v. Jandnn 273 f. .
v. Neapel 274.
Parisiensis 200. , - .
Peccam 188.
irradialio 87.
Isagoge 15, 28, 46, 80, 100 ff., 151 f.,
223 f., 244, 250f., 281, 284, 305,365.
424 Register.
iml,rulivu* 332
iudicium — invenlio 253 f.
Jurislisches 301, 352, 376.
Kabbaio 155 I.
Kategorien 15, 29, 46, 81, 102, 116,
224, 252, 287, 302, 305,
310, 314, 321, 331, 343,
369 ff.
Dreizahl der 372.
reiolivennd absotute 252, 282.
Kitwardby Robert 185 ff.
Konrad von Halberstadt 201.
Lamarre Withelm 189 f.
Lambert von Auierre 25 ff.
Lossines Aegidius von 195 f.
Liber de causts 8 f.
Lincoln Robert von 85 ff., 121.
lucalis propositio 129, 253, 395.
Logik adminicuioliva 258, 274.
alte u. neue 4, 26, 206, 276.
byzanlinische 10 ff., 129 ff., 224 ff.,
379 ff.
docens et ulens 204 f., 258, 277,
298, 320.:: .". .
formalis 239.
incertitudinalis 249.
natürliche 122.
praklische 122, 313, 320, 330.
Lultus Raiumndus 145 ff.
Marcus v. Benevento 330.
Marsitius v. Padua 273.
mutenu particuioris 355.
signata 115.
Mayron Franciscus 283 ff.
medii inventio 105, 119, 154, 256.
Memorial-Verse 13 ff., 27, 41, 43 f., 46,
48. f., 117, 252 ff., 305.
mentalis 286, 307, 315, 339, 362.
Middleton Richard von 235 ff.
modal, s. Syllogismus u.' Unheit.
moderni 255, 299, 302. .
madi indirecti 255, 398 f.
modus admbiiil,s u. nommul,s 14, 130.
inlelligendi 215 f.
intrinsccus 286, 289, 296. ,. • . .
procedendi 109, 266.
seiend« 121, 204, 239 f., 258 f.,
277, 313 ff., 319. f. ...
significandi 215 I.,. 234.
Moses Ben Nachman 156.
innlio intellectus 268. .: • <• ,
mulliplicabite 1 00. 1 1 , , .
Murbeka 5. ' ,s ' •.
Natalis Herveus !264 lV. • . ,
natura formalis 100... .. ,
ne 24. .• ... ,.!-,,;. '„.'l
Neapel Johannes von 274.. i '!
necessarium 14, 22, 44, 132,
iii',vssitti* diminnlu 2112. , •
Negalion 381. . ,
neuler 21, 64, 384.
•Ht!, l 64.
nisi 23, 390.
Nominalismus u. Realismus 99, 344 f.
non 22.
nolitia obiectiva 323.
nultus 21, 63 f., 383.
numerositas essentiae 269.
uttieclive—subiective 208, 249, 251, 279,
285, 292, 295, 302, 336 f., 357.
obligatoria 143 f., 155, 306, 419.
Occam Withelm 327 ff.
occasionaliter 211, 278.
Olivier Brito 201.
omnis 20, 61 ff., 136, 225, 252, 383.
opinabititer 59.
opinor, opinatum 131, 231, 380, 395,
407 f.
opus ralionis 313, 320, 331.
Padua Marsitius von 273.
Patudanus Petrus 311 f.
Paris Johannes von 200.
passio 107, 232, 261, 369.
onimae 335, 338. .... .;
inlenlionalis 211.
Peccam Johannes 188.
perfecliones diversae 272,
perseitas 232.
persona 291, 293.
Petrus v. Abano 243.
Aureolus v. Verberia 319 ff.
v. Auvergne 238 ff.
Hispanus 33 ff.
Patudanus 311 f.
Piotonismus 125, 191, 283.
pturalitas formarum 188 f., 194, 199 f.,
221 ff., 238, 242, 245 f., 263, 271,
281, 287, 326 f., 361.
Porphyrius s. Isagoge.
Porretanus s. Gitbertus.
possibite s. imposMite.
postpraedicamenta 103.
Pourcain Durand von 292 ff.
praedicakite 46.
praedicabititas 192.
praedicando s. causando.
praedicatum 368.
prtmum 107.
praemissa 48.
praeler 21, 69, 390.
Präleritum 56, 135, 385, 393, 401, 418.
principium identitalis 287 f., 307, 315.
.M, i individyalivais 97. 115, 119,
128, 184 f„ 189,194,198,
200,217ff.,237,240(243f.,
251, 262, 269 ff., 280 f.,
286 f., 295 f., 304,309, 312,
317 f., 326, 353 ff., 359 f.
intraneum et esctraneum 270.
Prohibiliv-Sätze 396.
Register. 425
promilto 133 f., 376.
proposilio s. enuntialio u. Urtheit.
causalis, lemporalis, localis, ralionalis
129, 253, 395.
mentalis 339.
propnum i
Psellus 10 ff.
Pseudo-Thomas 118 f., 244 ff.
qualistibet 20, 66, 72.
qualitas animae 334, 337 ff.
substanlialis 100.
quandeitas 371.
ijuant,m 53.
quantustibet 20, 66, 72.
gui 53, 226, 387.
quidam 253.
quidditas 88, 95, 100, 289, 310.
fyuil(tel 383.
guin 23.
quiqueliquique 180.
ifuoft>sc«nij«ce 66.
Radulph Brito 241 f.
Haimundus Lullns 145 ff.
ralio universalitalis 207.
raliocinalis — realis 203, 331, 351.
proposilio 129, 253.
Raranis Jacobus de 201.
realis s. raliocinalis.
— sermocinalis 79, 91, 122, 331.
Realismus s. Nominalismus,
reduplicaliv 70, 137, 226, 228, 256, 290,
388, 393.
Syllogismus 408 f.
referre 260.
reflexio 111,191,213, 275, 280, 302,
346.
reiolio 32, 53 ff.
Reioliva 53 ff., 226, 379, 386.
reiolive Kategorien 252, 282.
repraesentando 235.
repraesentanlia 308.
repraesentalio 315.
res de re non praedicatur 248, 298, 303,
340.
rati,mis 338.
secundae inlentionis 248, 298, 303.
universalis 316, 338, 350 f.
— vox 206.
respectus 247, 285, 290.
restriclio 19, 31, 56, 58 ff., 83, 131, 136,
186, 227, 232, 382.
Richard Ciopwel 199.
T. Middleton 235 ff.
Robert Capito 85 ff., 121.
Kitwardby 185 ff.
Roger Baco 120 ff.
scio, cognosco 226, 231, 395, 408.
Scatus Dnns 202 ff.
st'cundo inlellecta 109.
secundum quod 70, 137.
PBANTL, Gesch. III.
sensus compositus et divisus 130 f., 152,
226, 230 f., 385 f., 394 ff., 401 ff.,
414.
sermo 104, 149, 331, 339.
sermocinalis s. realis.
Shyreswood Withelm 10 ff.
si 23, 138.
Siger von Brabant 234 f.
signabititas passiva 324.
.•,ignutum s. exereitum.
significalio 17, 31, 51, 83, 124, 215, 234,
298,315,320, 341,368.
significatum 374.
signum rei 338 ff., 348.
Simeon Ben Jochai 156.
simititudo 100, 237, 260 f., 268, 276,
302, 335, 338 f.
simuioerum 336.
singutaris 348, 365.
singuli 225.
sive 24.
sotus 21, 232.
Sophislici Etenchi s. Etenchi.
species s. Isagoge.
aequisita 211.
informans 210, 214, 260.
inlellisibitis 111, 113, 210 ff„
237, 246, 248, 251, 261,
265 ff, 276, 279 f., 285,294,
307,312,316, 323 f., 335 f.,
357.
repraesentans 335.
sensibitis 294.
singuioris et universalts 126.
specificalive 137.
spondeo 133. ' •':''
Stephan Tempier 1 84 f.
Slipuiolion 301, 352, 376.
subieclive s. obieclive.
subiectum 368.
snbsiilenlid — substantia 291, 310.
substanliale 103.
substantialitus singuioris 218.
substratum 325. •!•
sui, sibi, se 53.
Summuioe 25, 225.
Superioliv 71.
supposilio 17 f., 31 , 51 ff., 83, 131 ff.,
186, 332, 334, 337 f., 342 f., 345,
351 ff., 363, 370, 373 ff., 380,
382 f.
suppositum 209, 241, 285, 291, 293, 365.
Syllogismus 15 f., 29 f., 48 f. , 84, 227,
230 f., 253 ff., 397 ff.
conversivus 254.
conversus 106.
excepliver 409.
exclusiver 409.
exponibler 408 f.
.•: . expositorius 142, 231, 400.
27**
426 Register.
Syllogismus Figuren Combinalion der 105,
397.
vierle 30, 106, 231,
264, 397.
hypolhelischer 117,231,256,
409.
modaler 231, 401 ff.
Modi theophraslische 48,
105 f., 255.
reduplicativer 408 f.
sgncalegoreumata 12, 1 9 ff., 67 ff., 83,
89, 117, 224, 341, 363 f.
sgnolon 97, 217.
synonym 93, 103, 365.
tabuio rasa 261, 281.
tuli» 53.
tamen 21.
tantum 68.
Tempier Stephan 184 f.
lemporalis proposilio 129, 253.
lendere 265, 321.
ler 133. ;.
lerminalio 265.
Terministen 181, 344.
lerminorum proprietales 17 ff., 3l ff.,50ff.,
82 f., 132 ff., 153.
lerminus 150, 344, 347, 351 f., 362 ff.
conceptus 362.
diseretus 142, 229, 348.
mentalis 362.
tromcendens 106, 254.
universalts 332.
vocalis 362.
theophraslische Schtussmodi 48, 105 f.,
255.
Thomas von Aquino 107 ff.
Pseudo-H8M44ff.
Docking 20l1. , „i,. 'M . \,
Topik 16, 30, 50, 84, 107, 155, 4l2,
418.
tolus 20, 66, 72, 369.
transcendentia 245, 257, 286, 289, 310.
Tritia Bernhard von 196.
Triumphus Auguslinus 274 ff. , ,,",.
ubeitas 371. \ ,,,
Uebersetzungen aus d. Griechischen u.
Arabischen 3 ff.
Umkehrung s.: Urtheit. , , . ,
unitas communitalis 267.
formae s. formae.
signata 218.
univenale 46.
accidit 110.
naluralc 345.
Universalien 76, 79 f., 87 f., 93ff., 109 ff..
124 ff., 182, 192 f., 207 ff., 234ff,
239 f., 246 ff., 250 f•! 260 ff. , 26S.
278 ff., 284 ff, 293 ff., 311 , 310.
318, 325 f., 343 ff.. 365 f.
universalitas 100, 110, 285, 293.
univocum 46, 93, 103, 365.
unun» 370.
Urtheit 12 ff, 27 f., 42 ff., 81 8., 103 f..
117, 152, 224 ff., 252, 282
379 ff.
Aeqnipollenz 13, 28, 43, 82, 104,
253, 415 f.
condilionales 104.
copulalives 104.
disjunclives 104.
hypathelisches 13, 27, 43, 82,
117, 129 f., 152, 253, 380,
395 ff.
modales 13 f., 28, 44, 82, 104 f.,
117, 130 ff 152, 227, 230,
253 f., 282, ;iu6, 380 f., 385 ff.,
394 ff., 41 4, 416, 419.
singuläres 390, 418.
Umkehrung 15, 27, 43, 82, 152,
228 f., 254, 392 ff.
uf 137.
ulerque 21, 64, 383 f. . . .
vel 24.
Verberia Petrus Aureotus von ,'il'( Ii'.
verbum mentale 307, 315.
veritas 280, 318.
Verse s. Memorial.
verum, falsum 14, 44, 380.
Vincenz von Beauvais 77 ff.
vox expressiva conceptus 319.
- res 306, 340.
Walter Bnrleigh 297 ff. , t ,:
Withelm von Auvergne 75 ff.
Lamarre 189 f.
Occam 327 ff.
Shyreswood 10 ff.
Druck von C. P. Melzer in Leipzig.